Grunderwerbsteuer im Unternehmen 9783504388102

Der Grunderwerbsteuer (GrESt) unterliegen nicht nur Rechtsgeschäfte, die auf die Übertragung von Grundstücken gerichtet

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Grunderwerbsteuer im Unternehmen
 9783504388102

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Allgemeines Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1 Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer
Kapitel 2 Grundstücksübertragungen im Unternehmen
Kapitel 3 Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen
Kapitel 4 Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge
Kapitel 5 Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen
Kapitel 6 Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen
Kapitel 7 Verfahrensfragen
Kapitel 8 Bemessungsgrundlage und Bewertung
Kapitel 9 Ertragsteuerliche Behandlung der Grunderwerbsteuer
Kapitel 10 Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen
Stichwortverzeichnis

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Loose • Broemel • Mörwald

Grunderwerbsteuer im Unternehmen

.

Grunderwerbsteuer im Unternehmen herausgegeben von

Prof. Dr. Matthias Loose Richter am BFH, München Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum

Dr. Karl Broemel Steuerberater Flick Gocke Schaumburg, Bonn/Hamburg

Dr. Frieder B. Mörwald Steuerberater Flick Gocke Schaumburg, Bonn

2023

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Bearbeiterinnen und Bearbeiter Dr. Philipp Böwing-Schmalenbrock LL.M. Vorsitzender Richter am Finanzgericht Münster Dr. Karl Broemel Steuerberater Flick Gocke Schaumburg, Bonn/Hamburg Laura Engelberth LL.M. Consultant Flick Gocke Schaumburg, Bonn Hans-Christoph Graessner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater WTS, Köln Michael Joisten Steuerberater Flick Gocke Schaumburg, Düsseldorf Dirk Krohn Leitender Fachprüfer für Unternehmensumwandlungen/-umstrukturierungen bei der Groß- und Konzernbetriebsprüfung Schleswig-Holstein, Kiel Prof. Dr. Matthias Loose Richter am BFH, München Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum Dr. Jörn Möller Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors Siegen Dr. Frieder B. Mörwald Steuerberater Flick Gocke Schaumburg, Bonn Dr. Lisa Riedel Rechtsanwältin, Steuerberaterin Grant Thornton, Düsseldorf/Köln Dr. Corinna Tigges-Knümann Steuerberaterin Flick Gocke Schaumburg, Frankfurt

Zitierempfehlung: Loose in Loose/Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuer im Unternehmen, 2023, Rz. 1.27

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25393-6

©2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Beltz, Bad Langensalza Printed in Germany

Vorwort Die Grunderwerbsteuer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer praktisch eher unbedeutenden und wenig beachteten Verkehrsteuer zu einem der komplexesten Fachgebiete innerhalb des deutschen Steuerrechts entwickelt. Sie erfordert insbesondere im Bereich von Unternehmen einen Planungs- und Befolgungsaufwand, der in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrer systematischen Stellung als besonderer Verkehrsteuer auf Grundstücksübertragungen steht. Da die Grunderwerbsteuer vielfältige – zum Teil weit außerhalb der gängigen Vorstellung des Grundstücksverkehrs liegende – Unternehmensvorgänge erfasst und zugleich keine dem Vorsteuerabzug vergleichbare Entlastung kennt, hat sie mittlerweile den Charakter einer „Sonderunternehmensteuer“1 angenommen. Das vorliegende Handbuch wurde konzipiert, um dem Rechtsanwender Orientierung in allen Aspekten der Grunderwerbsteuer zu geben, die für Unternehmen von Relevanz sein könnten. Es verfolgt den Anspruch, dem Leser einen praxisorientierten Zugang zu einer Materie zu verschaffen, die nicht zuletzt aufgrund grundlegender Änderungen in den letzten Jahren kaum noch zu durchdringen ist. Anders als die bislang erhältliche Kommentarliteratur ist das Handbuch nicht anhand von Normen, sondern anhand von Problembereichen aufgebaut. Die einzelnen Kapitel bilden Fallgestaltungen ab, die in Unternehmen regelmäßig vorkommen. Damit stellt das Handbuch die ideale Ergänzung zu bereits vorhandenen Kommentaren dar. Die Autorinnen und Autoren kommen aus Richterschaft, Finanzverwaltung und Beratung und verfügen alle über eine langjährige Praxiserfahrung. Sie schaffen es, praxisnah und mit einer Vielzahl von Beispielsfällen die besonderen unternehmensbezogenen Probleme der Grunderwerbsteuer greifbar und lösbar zu machen. Wir freuen uns sehr, dieses Handbuch gemeinsam mit dem Verlag Dr. Otto Schmidt und den Autorinnen und Autoren ins Leben zu rufen, und sind neugierig auf kritische Erfahrungsberichte, welchen Nutzen das Werk in der Praxis beitragen konnte.

1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Aufl. 2003, 1025.

VII

Inhaltsübersicht Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel. Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII XVII XIX

Kapitel 1 Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer Rz. Seite

A. Rechtsnatur, Belastungsgrund und Bedeutung der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung bis zum GrEStG 1983 . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung bei sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . . III. „Share Deal“-Reform 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zukünftige Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes . . . . C. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundstück und grundstücksgleiche Rechte . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts . . . . . . . III. Rechtsträgerwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundbesitzende Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung der Steuer bei bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiedliche Entstehung der Steuer bei sog. Share Deals .

. . . . . . . . . . . . .

1.1 1.6 1.6 1.10 1.14 1.25 1.27 1.27 1.59 1.74 1.79 1.90 1.90

1 3 3 4 5 8 9 9 19 26 27 32 32

. .

1.95 1.96

33 34

. . . . .

2.1 2.1 2.5 2.10 2.22

39 39 40 41 44

Kapitel 2 Grundstücksübertragungen im Unternehmen A. Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht . I. Erfordernis des Rechtsträgerwechsels . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalgesellschaft als eigenständiger Rechtsträger . . . . . III. Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger . . . . IV. Ausländische Gesellschaft als eigenständiger Rechtsträger

. . . . .

. . . . .

. . . . .

IX

Inhaltsübersicht Rz. Seite

B. Grundstücksübertragungen in der Gründungsphase . . . . . . . . . I. Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundstücksübertragung von dem Gesellschafter auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen der Grundstücksübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger . . . . . . . . . . III. Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger . . . . . . . . D. Grundstücksübertragung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger . . . . . . . . . II. Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger . . . . . . . E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG . . . . . . . . . . F. Besondere Übertragungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwischengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerb der Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . .

2.27 2.27 2.31

45 45 46

. . . .

2.33 2.33 2.40 2.91

47 47 48 60

. . . . . . . . . .

2.228 2.228 2.239 2.295 2.295 2.302 2.330 2.361 2.361 2.395

102 102 104 121 121 122 130 137 137 146

. 2.434

155

. .

3.1 3.1

168 168

.

3.28

176

. .

3.71 3.95

191 199

. .

3.95 3.99

200 201

. 3.114 . 3.138

207 215

. 3.238 . 3.271

255 267

. 3.286

273

Kapitel 3 Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen A. Übergreifende Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wegweiser Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zurechnung von Grundstücken – Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betroffene Gesellschaften, Grundstücke und Anteile . . . . . . . III. Unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Übergang auf neue Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung des Umfangs der schädlichen Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besonderheiten beim Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenspiel mit Sperrfristverstößen nach § 5 Abs. 3/ § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (§ 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG) . . . . . . X

Inhaltsübersicht Rz. Seite

VIII. Anpassung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Grunderwerbsteuerreform 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verhältnis des § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 2b GrEStG . . X. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften . . . . . . . . . XII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuld, Anzeigepflicht und Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . I. Hintergrund und Entwicklung der Vorschrift . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmerkmale und Fiktion des § 1 Abs. 2b GrEStG . . III. Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke . . . . . . . IV. Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel . . . . . . . V. Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung der schädlichen Zählquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Besonderheiten beim Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Besonderheiten bei Treuhandstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . IX. Erstmalige Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . X. Verhältnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . XII. Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuldner, Anzeigepflicht und Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Rückabwicklung nach § 16 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die fingierten Rechtsgeschäfte bei Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anteilsvereinigung und -übertragungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirtschaftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . IV. Aufeinanderfolgen von Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und wirtschaftlicher Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonderfälle der Anteilsvereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Grunderwerbsteuerliche Organschaft (§ 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.290 3.320

275 286

3.324 3.339

288 293

3.378 3.392 3.398 3.398 3.408 3.413 3.452 3.478

309 314 316 317 319 320 330 338

3.526 3.567 3.601 3.619 3.625 3.651

353 367 380 384 387 404

3.701

416

3.713 3.726

419 421

3.733

424

3.733

424

3.763 3.794

440 456

3.799 3.804

459 463

3.826

474

3.848

482

XI

Inhaltsübersicht

Kapitel 4 Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Rz. Seite

A. Nachfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer . . . . . . I. Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . . II. Anwendung von Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen . . . V. Strukturmaßnahmen im Vorfeld der vorweggenommenen Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Auswirkungen der vorweggenommenen Erbfolge auf grunderwerbsteuerliche Nachbehaltensfristen . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gestaltungen in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen . . . C. Erbfall und Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerbarkeit beim Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung von Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des Erbfalls auf frühere Erwerbsvorgänge . . .

. . . .

4.1 4.3 4.3 4.8

491 492 492 493

. .

4.22 4.95

499 527

. 4.143

550

. . . . . .

564 568 580 580 585 592

4.165 4.173 4.196 4.196 4.212 4.232

Kapitel 5 Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen A. Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang . . I. Relevante Fallgruppen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zählquotenermittlung und Informationsdefizite . . . . . . . . . B. Ausnahmen durch die sog. Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) . I. Gesetzgeberischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolge: Außerbetrachtbleiben für Zwecke des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zeitliche Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verwaltungsanweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit und voraussichtlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . C. Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme des Wertpapierhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beteiligte Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. ADR-Verbriefungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft . . . . . IV. Öffentliche Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XII

. . . . . .

5.1 5.1 5.14 5.38 5.38 5.41

597 597 601 609 609 610

. . . . . .

5.62 5.66 5.67 5.70 5.71 5.91

615 616 616 617 617 621

. 5.96 . 5.96 . 5.105 . 5.118 . 5.133

622 622 626 630 634

Inhaltsübersicht Rz. Seite

D. Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anzeige- und Ermittlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . II. Möglichkeiten und Grenzen der Sachverhaltsermittlung III. Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

5.140 5.140 5.151 5.164

637 637 641 645

.. ..

6.1 6.1

652 652

Kapitel 6 Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen A. Übertragende Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerbare Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiung nach § 6a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern . . . . . . . . . . V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen . . . . . . . . . B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerbare Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Einbringungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiung nach § 6a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern . . . . . . . . . . V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen . . . . . . . . . C. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur und zivilrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . II. Grunderwerbsteuerliche Irrelevanz auf Gesellschaftsebene . III. Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene . . . IV. Auswirkung des Formwechsels auf Steuerbefreiungen . . . . . V. Auswirkung des Formwechsels auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Fiktiver Formwechsel (Option nach § 1a KStG) . . . . . . . . . . . I. Hintergrund und Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen von der Gesamthand auf Gesellschafter (§ 6 Abs. 2 GrEStG) IV. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften (§ 6 Abs. 3 GrEStG) V. Auswirkung der Option § 1a KStG auf die weiteren Regelungen des Grunderwerbsteuerrechts . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

6.43 6.46 6.126 6.135 6.140 6.140

672 673 721 727 730 730

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

6.168 6.170 6.194 6.201 6.202 6.202 6.205 6.206 6.237

743 743 754 758 758 758 760 760 770

. . 6.251 . . 6.257 . . 6.257

776 777 777

. . 6.263

779

. . 6.273

783

. . 6.275

784

. . 6.279

785

XIII

Inhaltsübersicht Rz. Seite

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausländische Gesellschaftsformen und Grunderwerbsteuer II. Grunderwerbsteuerliche Relevanz der Sitzverlegung (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften . . . . . . . . . IV. Auswirkungen der Sitzverlegung im Rahmen der Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Übersicht Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 6.286 . . 6.286

788 788

. . 6.290 . . 6.296

790 791

. . 6.325 . . 6.332

798 802

Kapitel 7 Verfahrensfragen A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrzahl von Steuerschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung für Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anzeigepflicht der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anzeigepflichtige Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Form, Frist und Inhalt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . VII. Adressat der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuständiges Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen . III. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rückgängigmachung und Rückerwerb (Rückabwicklung) I. Voraussetzungen für die Rückgängigmachung . . . . . . II. Tatsächliche Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückgängigmachung in Kollisionsfällen . . . . . . . . . . IV. Verfahren und Rechtsfolgen der Rückabwicklung . . . D. Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen . . . I. Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auskunftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auskunftsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIV

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

7.1 7.1 7.10 7.17 7.27 7.29 7.50 7.53

804 804 808 809 812 813 822 823

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.57 7.69 7.69 7.70 7.83 7.86 7.86 7.119 7.130 7.132 7.134 7.134 7.145 7.150 7.155 7.160 7.186 7.196 7.203

826 829 829 830 835 836 836 852 858 859 859 860 864 865 867 870 878 881 883

Inhaltsübersicht

Kapitel 8 Bemessungsgrundlage und Bewertung Rz. Seite

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung in den Regelungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bewertung von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach dem BewG II. Niedrigere gemeine Werte nach BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Novellierte ImmoWertV 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 8.1 . 8.1 . 8.57 . 8.77 . 8.77 . 8.287 . 8.313

887 887 902 907 908 954 958

Kapitel 9 Ertragsteuerliche Behandlung der Grunderwerbsteuer A. Ertragsteuerliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über ertragsteuerliche Fragestellungen . . . . . . . . . . II. Bedeutung des GrESt-Bescheides für die ertragsteuerliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Subjektive Zuordnung des GrESt-Aufwands . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeiner Grundsatz: Steuerschuldnerschaft ist maßgebend . II. Vereinbarungen über die Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen einer veranlassungswidrigen Kostenübernahme . . . . . . C. Ertragsteuerliche Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände . . . I. GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. GrESt wegen Einräumung von Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 GrEStG) . . . . . . . . . D. Auswirkungen nachträglicher Veränderungen bei der GrESt . . . I. Nachträgliche Korrekturen der GrESt . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wegfall der GrESt-Befreiung nach §§ 5, 6, 6a GrEStG . . . . . . . III. Rückgängigmachung eines Erwerbs nach § 16 GrEStG . . . . . .

9.1 9.1

992 992

9.2 9.6 9.6 9.8 9.12 9.16

993 995 995 996 998 999

9.16

999

9.47 1012 9.50 9.73 9.73 9.75 9.79

1013 1024 1024 1025 1026

Kapitel 10 Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . I. Anzeigepflicht als grunderwerbsteuerliches Vollzugsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.1 1027 10.1 1027

XV

Inhaltsübersicht Rz. Seite

II. Steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken . . . . III. Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit . . . . . . . I. Anzeigepflicht bei rechtlicher oder tatsächlicher Unsicherheit II. Feststellungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schätzungsbefugnis des Finanzamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring . . . . . I. Monitoring und Unternehmenscompliance . . . . . . . . . . . . . . II. Laufende Überwachung grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dokumentation des Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Dokumentmanagement und Beweismittelvorsorge . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

10.6 10.31 10.34 10.34 10.39 10.43 10.48 10.48

1028 1033 1034 1034 1035 1036 1037 1037

. 10.52 1038 . 10.79 1047 . 10.83 1048

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1051

XVI

Allgemeines Literaturverzeichnis Weiterführende oder speziellere Literatur ist jeweils zu Beginn der Kapitel aufgeführt, in welchen sie zitiert wird. Altmeppen, GmbHG, Kommentar, 11. Aufl. 2023 BeckOGK, HGB, Online-Kommentar BeckOK, GmbHG, Online-Kommentar Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022 Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl. 2018 Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020 Behrens/Wachter, GrEStG, 2. Aufl. 2023 Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Kommentar, Loseblatt Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Kommentar, 4. Aufl. 2020 Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, Kommentar, 2017 Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2016 Fuchs/Zimmermann, Wertpapierhandelsrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2016 Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, 360° eKommentar EStG, Online-Kommentar Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2020 Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer, 6. Aufl. 2021 Graf/Wittig/Jäger, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2017 Grigoleit, AktG, Kommentar, 2. Aufl. 2020 Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 82. Aufl. 2023 Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019 Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011 Haritz/Menner/Bilitewski, Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. 2019 Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Kommentar, 5. Aufl. 2021 Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020 Hirte/Mülbert/Roth, AktG, Großkommentare der Praxis, 5. Aufl. 2014 ff. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl. 2016 Hopt, HGB, Kommentar, 42. Aufl. 2023 Horschitz/Groß/Lahme/Zipfel u.a., Erbschaft- und Schenkungsteuer, 19. Aufl. 2018 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2020 Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Aufl. 2018 Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, Kommentar, 2020 XVII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Kirchhof/Seer, EStG, Kommentar, 22. Aufl. 2023 Klein, AO, Kommentar, 16. Aufl. 2022 Kohlmann, Steuerstrafrecht, Kommentar, Loseblatt Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, 2. Aufl. 2018 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 21. Aufl. 2023 Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar, 2. Aufl. 2015 Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022 Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2019 ff. Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl. 2019 ff. Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018 ff./9. Aufl. 2021 ff. Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Aufl. 2022 f. Münchener Kommentar zum HGB, 5. Aufl. 2021 ff. Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017 ff./4. Aufl. 2020 ff. Noack/Servatius/Haas, GmbHG, Kommentar, 23. Aufl. 2022 Von Oertzen/Loose, ErbStG, Kommentar, 2. Aufl. 2020 Oetker, HGB, Kommentar, 7. Aufl. 2021 Pahlke, GrEStG, Kommentar, 7. Aufl. 2023 Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, Kommentar, 2. Aufl. 2023 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, Kommentar, 3. Aufl. 2019 Rössler/Troll, BewG, Kommentar, Loseblatt Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2022 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Schmidt, EStG, Kommentar, 42. Aufl. 2023 Schmidt/Lutter, AktG, Kommentar, 4. Aufl. 2020 Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, Kommentar, 9. Aufl. 2020 Scholz, GmbHG, Kommentar, 12. Aufl. 2018/2021 Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl. 2020 Semler/Stengel/Leonard, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. 2021 Staub, HGB, Kommentar, 5. Aufl. 2014 ff./6. Aufl. 2021 ff. Staudinger, BGB, Kommentar Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2022 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt XVIII

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abb. abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. Abt. abw. AcP ADR ADS a.E. AEAO AEUV a.F. AfA AG AktG AktStR Alt. a.M. AMBLFin. amtl. ÄndG Anh. Anl. Anm. AO AOA Art. ARUG AStG Aufl. ausf. AWD Az.

andere(r) Ansicht am angeführten Ort Abbildung ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Abteilung abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) American Depositary Receipts American Depositary Shares am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Aktuelles Steuerrecht (Zeitschrift) Alternative anderer Meinung Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen amtlich Änderungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Außensteuergesetz Auflage ausführlich Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen

BAnz. BAO BauGB

Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Baugesetzbuch

XIX

Abkürzungsverzeichnis

BauNVO Bay./bay. BayObLG BB BBauG BBEV BBl. Bd. Bdb. BdF BDI Begr. Beschl. betr. BetrKV BeurkG BewÄndG BewDB BewDV BewG BewRGr BewRL BFH BFH/NV BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BMF BMietG BNotO BörsG BörsZulV Bp. BR BR-Drucks. bspw. BStBl. BT-Drucks. XX

Baunutzungsverordnung Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbaugesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Bundesblatt (Schweiz) Band Brandenburg Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss betreffend Betriebskostenverordnung Beurkundungsgesetz Bewertungsänderungsgesetz (Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes) Bewertungsdurchführungsbestimmungen Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens v. 19.9.1966, BStBl. I 1966, 890 Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Teile 1–4 u. 8 veröffentlicht in BStBl. I 1967, 397; Teile 5–7 veröffentlicht in BStBl. I 1968, 223 Bundesfinanzhof BFH/NV (Zeitschrift) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bundesministerium der Finanzen Bundesmietengesetz Bundesnotarordnung Börsengesetz Börsenzulassungsverordnung Betriebsprüfung Bundesrat Drucksachen des Bundesrates beispielsweise Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages

Abkürzungsverzeichnis

Buchst. BuW BV BVerfG BVerfGE BVerwG BWK BWNotZ bzgl. BZSt bzw.

Buchstabe Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Berechnungsverordnung/Betriebsvermögen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bewirtschaftungskosten Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

DB DBA DCF dgl. DGStZ d.h. DIN DK DM DNotZ DRiZ Drucks. DStR

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Discounted Cashflow dergleichen Deutsche Gemeindesteuer-Zeitung (Zeitschrift) das heißt Deutsche Industrie-Norm Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Drucksache Deutsches Steuerrecht; bis 1961 Deutsche Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Eildienst = Ausgabe B) (Zeitschrift) Durchführungsbestimmung Durchführungsverordnung

DStRE DStZ DStZ/A DStZ/E DurchfBest. DV EC EFG eG EG EGV Einf. EMZ Entsch. ErbbauVO ErbBstg. ErbStB

Tax Review European Communities Tax Review (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) eingetragene Genossenschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) Einführung Ertragsmesszahl Entscheidung Verordnung über das Erbbaurecht Erbfolgebesteuerung (Zeitschrift) Erbschaft-Steuerberater (Zeitschrift) XXI

Abkürzungsverzeichnis

ErbStDV ErbStG Erl. ERVGBG ESt. EStB EStDV EStG ET ETF EU EuGH EuGHE EuZW eV EW EWG EWR EWS

Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erlass Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften Einkommensteuer Ertrag-Steuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz European Taxation (Zeitschrift) Exchange-Traded Fund Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein Einheitswert Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f./ff. FA FamRZ FG FGO FinBeh. FinMin. FinSen. FinVerw. FMBl. Fn. FR FS FVG

folgend (eine Seite)/(mehrere Seiten) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzbehörde Finanzministerium Finanzsenat Finanzverwaltung Finanz-Ministerial-Blatt Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Festschrift Finanzverwaltungsgesetz

GA GAV GBl. GBO GbR gem. GemVO GenG GewSt.

Generalanwalt Gewinnabführungsvertrag Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gewerbesteuer

XXII

Abkürzungsverzeichnis

GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GKKB gl.A. GmbH GmbHR GmbH-StB GrEStG GrStDV GrStG GrStR GS GStB GuV GVBl./GVOBl. GwG

Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift) Grunderwerbsteuergesetz Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDurchfVO) Grundsteuergesetz Grundsteuer-Richtlinie Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Geldwäschegesetz

Halbs. HFR HGB h.M. HRR Hrsg. hrsg.

Halbsatz Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift) Herausgeber herausgegeben

IAS i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS IFSt i.H.v. ImmoWertV INF

International Accounting Standard in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Institut Finanzen und Steuern in Höhe von Immobilienwertermittlungsverordnung Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz

insb. InsO InvG InvStG InvZulG

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

IPrax IRS i.S. i.S.d. IStR i.S.v. i.V.m. IWB

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe

JbFStR JR JStG jurisPR JW JZ

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Rundschau Jahressteuergesetz juris Praxisreport Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAGB KAGG Kap. KapGes. KG KGA KGaA Komm. KöMoG krit. KSt. KStDV KStG KStH KStR KStZ KVG KWG

Kapitalanlagegesetzbuch Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kapitalgesellschaft Kommanditgesellschaft Kreditgewinnabgabe Kommanditgesellschaft auf Aktien Kommentar Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts kritisch Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuerzeitschrift (Zeitschrift) Kapitalverwaltungsgesellschaft Gesetz über das Kreditwesen

LAG LBO LFA Lfg. LG LLC LLP LStDV Ltd. LuftVG

Lastenausgleichsgesetz Leveraged Buy-Out Landesfinanzamt Lieferung Landgericht Limited Liability Company Limited Liability Partnership Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Private Company Limited by Shares, Limited Luftverkehrsgesetz

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

m. Anm. MA MABl. MA-InfAust m.a.W. MBl. MDR m.E. mind. Mio. MoPeG m.w.N. m.W.v.

mit Anmerkung(en) Musterabkommen Ministerialamtsblatt OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen mit anderen Worten Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens mindestens Million(en) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom

n.F. NHK NJW Nr. nrkr. nv. NWB NZB NZG

neue Fassung Normalherstellungskosten Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer nicht rechtskräftig nicht veröffentlicht Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Nichtzulassungsbeschwerde Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o.a. OFD OFH OHG OLG OTC OVG

oben angegeben (-e, -er, -en) Oberfinanzdirektion Oberster Finanzgerichtshof offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Over the Counter (außerbörslicher Handel) Oberverwaltungsgericht

PartGG PersGes. PersHG PIStB plc

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Personengesellschaft Personenhandelsgesellschaft Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company

RabelZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Real Estate Investment Trust Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht

REIT Rev. RFH RFHE RG

XXV

Abkürzungsverzeichnis

RGBl. RIW rkr. RL RNotZ RPflG Rspr. RStBl. Rz.

Reichsgesetzblatt Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Rheinische Notarzeitschrift Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randzahl, Randziffer

s. S. S.A. S.à.r.l. Schr. SE SGB Slg. s.o. sog. Sp. st. Rspr. StÄndG StAnpG StAuskV StB StBereinG Stbg StbJb StBp StEntlG StGB str. StuB StUmgBG StuW s.u.

siehe Seite Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Schreiben Societas Europea Sozialgesetzbuch Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen siehe oben so genannt Spalte ständige Rechtsprechung Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Steuer-Auskunftsverordnung Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerbereinigungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuerentlastungsgesetz Strafgesetzbuch streitig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) siehe unten

Tab. TMTP TNI TPIR Tz.

Tabelle Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u.a. u.Ä.

unter anderem und Ähnliche(s)

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Ubg u.E. UG UmRUG UmwG UmwStG UR Urt. USt. UStG usw. u.U.

Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) unseres Erachtens Unternehmergesellschaft Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau Urteil Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen

v. VAT VermG Vfg. vGA vgl. v.H. VO VVaG VVG VwGO VZ

vom, von Value added Tax Vermögensgesetz Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche vom Hundert Verordnung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Veranlagungszeitraum

WEG WertR WertV WM Wpg

Wohnungseigentumsgesetz Wertermittlungs-Richtlinie Wertermittlungs-Verordnung Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

z.B. ZErb ZfZ ZGR ZHR Ziff. ZIP ZNotP ZPO z.T. zust. ZVG

zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtpraxis Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung zum Teil zustimmend Zwangsversteigerungsgesetz

XXVII

Kapitel 1 Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer A. Rechtsnatur, Belastungsgrund und Bedeutung der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsentwicklung I. Rechtsentwicklung bis zum GrEStG 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung bei sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Share Deal“-Reform 2021 . . . . . . . . IV. Zukünftige Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes . . . . . . . C. Begrifflichkeiten I. Grundstück und grundstücksgleiche Rechte 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . 3. Von der Grunderwerbsteuer erfasste Grundstücksbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1

1.6 1.10 1.14 1.25

1.27 1.28 1.30

4. Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen . . . . . . . . 5. Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gebäude auf fremdem Boden . 7. Wirtschaftliche Einheit von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts 1. Weiter Rechtsträgerbegriff . . . . 2. Treuhandverhältnisse . . . . . . . . . III. Rechtsträgerwechsel . . . . . . . . . . . . . IV. Grundbesitzende Gesellschaften . . . D. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen I. Entstehung der Steuer . . . . . . . . . . . II. Entstehung der Steuer bei bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiedliche Entstehung der Steuer bei sog. Share Deals . . . . . . .

1.36 1.48 1.55 1.58

1.59 1.64 1.74 1.79

1.90 1.95 1.96

A. Rechtsnatur, Belastungsgrund und Bedeutung der Grunderwerbsteuer Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist der Übergang von Grundstücken von einem Rechtsträger auf einen anderen. Um dies zu gewährleisten, knüpft das Grunderwerbsteuergesetz an Vorgänge des Rechtsverkehrs an, um möglichste alle Fälle zu erfassen, bei denen im Ergebnis ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Der klassische Grundstückserwerb wird bereits durch den Abschluss eines Kaufvertrags eingeleitet, der schuldrechtlich einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet. Die eigentliche Übereignung erfolgt durch die sog. Auflassung des Grundstücks. Schließlich wird der neue Rechtsträger im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen. § 1 GrEStG erfasst in einem Katalog steuerbarer Tatbestände grds. alle Rechtsvorgänge, die den Übergang des Eigentums zur Folge haben, oder diesen zumindest einleiten (Einzelheiten s. Rz. 1.90).

1.1

Würde sich das Grunderwerbsteuergesetz aber nur auf Rechtsvorgänge beschränkten, bei denen der Rechtsträger wechselt, könnte die Grunderwerbsteuer leicht umgangen werden, in dem der Rechtsträger derselbe bleibt und sich nur die Herr-

1.2

Loose | 1

Kap. 1 Rz. 1.2 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

schaftsbefugnis an dem Grundstück oder die Beteiligung am Vermögen des Rechtsträgers ändert. In der Folge wurden bereits früh in der Rechtsentwicklung (Einzelheiten s. Rz. 1.6) Ergänzungstatbestände geschaffen, die genau dies vermeiden sollen. Daher werden von der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge erfasst, bei denen die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück übergeht, ohne dass der Rechtsträger wechselt (§ 1 Abs. 2 GrEStG), und solche, bei denen statt eines Grundstücks die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf einen neuen Erwerber übergehen (§ 1 Abs. 3 GrEStG).

1.3 In der jüngeren Rechtsentwicklung (Einzelheiten s. Rz. 1.10) wurden vom Gesetzgeber weitere Ergänzungstatbestände geschaffen, um im Ergebnis auch solche Rechtsvorgänge zu erfassen, bei denen eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, z.B. durch Zurückhalten von Minianteilen oder durch den Erwerb aller Anteile durch mehrere Gesellschafter, verhindert werden konnte (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3a GrEStG). Es handelt sich um fiktive Erwerbsvorgänge, durch die sich der Gesetzgeber für Zwecke der Missbrauchsvermeidung ein Stück weit von dem eigentlichen Belastungsgrund, nämlich die Besteuerung des Übergangs von Grundstücken auf einen anderen Rechtsträger, entfernt hat. 1.4 Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein oder mehrere Grundstücke können also auch solche Rechtsvorgänge, die nicht auf die Übertragung des oder der Grundstücke gerichtet sind, Grunderwerbsteuer auslösen. Das betrifft die Übertragung von Anteilen an diesen grundbesitzenden Gesellschaften oder Umwandlungsvorgänge wie Verschmelzungen, Ausgliederungen oder Einbringungen. Die Tatbestände sind auch nicht auf reine Grundstücksgesellschaften, bei denen sich der Gesellschafts- oder Unternehmenszweck auf das Halten oder die Bebauung von oder den Handel mit Grundstücken erstreckt, beschränkt. Ausreichend ist, dass dem Unternehmen/der Gesellschaft ein Grundstück grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Einzelheiten s. Rz. 1.79, Rz. 3.28. 1.5 Deshalb hat sich die Grunderwerbsteuer in den letzten Jahren immer weiter zu einer Art „Sondersteuer“ für Unternehmen jedes Wirtschaftszweigs entwickelt, die – anders als viele Ertragsteuern – wirtschaftliche Belange nicht berücksichtigt. Bei komplizierten Umstrukturierungen können sogar mehrere Rechtsvorgänge hintereinander zu einer Vielzahl steuerbarer Rechtsvorgängen führen. Bei einem Steuersatz von 5–6,5 %, der in den meisten Bundesländern gilt, und einer Bemessungsgrundlage, die sich an den jeweiligen Grundstückswerten orientiert, kann sich die Belastung mit Grunderwerbsteuer zu einem echten Kostenhindernis innerhalb des Unternehmens entwickeln. Umso wichtiger ist es, solche Rechtsvorgänge im Unternehmen zu erkennen, die Grunderwerbsteuer auslösen können, um mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern.

2 | Loose

B. Rechtsentwicklung | Rz. 1.9 Kap. 1

B. Rechtsentwicklung I. Rechtsentwicklung bis zum GrEStG 1983 Das heutige Grunderwerbsteuergesetz knüpft als Rechtsverkehrssteuer an Vorgänge des Rechtsverkehrs an. Seinen Ursprung hat bei den sog. Urkunden- und Stempelsteuern des ausgehenden 19. Jahrhunderts.1 Unmittelbarer Vorgänger des GrEStG 19192 war das Reichsstempelgesetz3, das erstmals eine Besteuerung des Grundstücksverkehrs vorsah. Das GrEStG 1919 knüpft nicht an bestimmte Urkunden an, die den Übergang des Eigentums zum Gegenstand haben. Besteuerungsgrund war vielmehr der Übergang des Eigentums an dem Grundstück (§ 1 Satz 1 GrEStG 1919).4

1.6

Bereits das GrEStG 19405 war ähnlich aufgebaut und konzipiert wie das geltende Recht – mit einem entsprechenden Tatbestandskatalog, der die steuerbaren Rechtsvorgänge abschließend auflistet, und bestimmten Steuerbefreiungsnormen, die auch im geltenden Recht ihren Niederschlag gefunden haben. Die inhaltlichen Regelungen des GrEStG 1940 hatten bis zur grundlegenden Reform 1983 Geltung, allerdings in Form von Ländergesetzen, die ähnlich oder identisch aufgebaut waren, allerdings von vielen Ausnahmen und Befreiungen geprägt waren, z.B. zur Förderung des Wohnungsbaus.

1.7

Um einer weiteren Zersplitterung der Grunderwerbsteuer entgegenzuwirken, war eine Vereinheitlichung des Grunderwerbsteuergesetzes dringend geboten.6 Dem trat das GrEStG 19837 entgegen. Das Gesetz war geprägt von der Abschaffung der meisten Steuerbefreiungen und der Herabsetzung des Steuersatzes auf einheitlich 2 % statt zuvor 7 %. Das Gesetz hat im Wesentlichen bis heute Bestand, auch wenn es zwischenzeitlich neu bekanntgegeben wurde.8 Die wenigen verbliebenen Vergünstigungen betreffen vor allem „Tatbestandsberichtigungen“.9 Das gilt z.B. für §§ 5, 6 GrEStG, die die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesamthandsgemeinschaften und deren Gesamthändern unter bestimmten Voraussetzungen von der Besteuerung ausnehmen. Der Tatbestandskatalog des § 1 GrEStG des GrEStG 1940 findet sich auch im GrEStG 1983 wieder.

1.8

Ab dem 1.1.1997 wurde der einheitliche Steuersatz zunächst von 2 % auf 3,5 % erhöht. Die Erhöhung sollte die Mindereinnahmen der Länder aus dem Wegfall der Vermögensteuer zum 1.1.1997 ausgleichen.10 Dieser Steuersatz hatte nahezu 10 Jahre

1.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2003, S. 1011 ff. Gesetz v. 12.9.1919, RGBl. 1919, 1617. Gesetz v. 1.7.1881, RGBl. 1881, 185. Loose in Viskorf20, Einf. Rz. 31. Gesetz v. 29.3.1940, RGBl. I 1940, 585. Vgl. BT-Drucks. 8/2555, 9/251, 9/2114, 9/1778, 9/7973; Einzelheiten zum Gesetzgebungsverfahren vgl. Loose in Viskorf20, Einf. Rz. 46–54. Gesetz v. 17.12.1982, BGBl. I 1982, 1777. Bekanntmachung v. 26.2.1997, BGBl. I 1997, 418. Vgl. Loose in Viskorf20, Einf. Rz. 60. Viskorf in Viskorf20, § 11 GrEStG Rz. 14.

Loose | 3

Kap. 1 Rz. 1.9 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

Bestand. Mit Wirkung vom 1.9.2006 wurde sodann Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG eingefügt.11 Danach haben die Länder nun die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes. Bis auf Bayern haben zwischenzeitlich alle Länder den Schritt für Schritt Steuersatz erhöht, i.d.R. auf 5–6,5 %. II. Rechtsentwicklung bei sog. „Share Deals“

1.10 § 1 Abs. 2a, 2b, 3, 3a GrEStG erfassen fiktive Erwerbsvorgänge beim Wechsel im Gesellschafterbestand von grundbesitzenden Gesellschaften oder beim Erwerb von Anteilen an solchen Gesellschaften.12 Gegenüber dem Grundstückserwerb von der Gesellschaft (sog. „Asset Deal“) geht es bei den sog. „Share Deals“ um den Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften. Es wird unterstellt, dass der Erwerb der Anteile dem Erwerb der Grundstücke der Gesellschaft gleichkommt. Das ist aber eigentlich nur bei „echten“ Grundstücksgesellschaften, deren Gesellschaftszweck im Erwerb, der Bebauung oder der Verwaltung von Grundstücken erstreckt, gerechtfertigt. Da die genannten Vorschriften aber nicht auf solche Gesellschaften beschränkt sind, kann auch der Erwerb der Anteile von anderen Gesellschaften der Grunderwerbsteuer unterliegen, obwohl dieser nicht dazu dienen soll, die Grundstücke der Gesellschaft zu erwerben. 1.11 § 1 Abs. 2a GrEStG wurde durch das JStG 199713 eingefügt. Durch die Vorschrift sollte die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer unterworfen werden, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis einer Übertragung des Grundstücks von einer Gesellschaft auf eine andere gleichkommt. In seiner ursprünglichen Form stellte § 1 Abs. 2a GrEStG darauf ab, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des Grundstücks auf die Personengesellschaft vorlag. Diese Formulierung war zu unbestimmt, weil der Gesetzgeber keinen rechtlichen Maßstab für die „wirtschaftliche Betrachtung“ vorgegeben hatte.14 Daher wurde § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StEntlG 1999/2000/200215 zunächst dahingehend geändert, dass die unmittelbare und mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegt und sodann durch das StÄndG 201516 definiert, in welchen Fällen bei mehrstufigen Beteiligungen eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft gegeben ist. Einzelheiten zu § 1 Abs. 2a GrEStG s. Rz. 3.95 ff. 1.12 Eine § 1 Abs. 3 GrEStG vergleichbare Vorschrift kannte bereits das GrEStG 1940. Die Vorschrift wurde durch das StEntlG 1999/2000/200217 dahin geändert, dass die dort erfassten Anteilsvereinigungen und Anteilsübertragungen nicht mehr die Vereini-

11 12 13 14 15 16

Gesetz zur Änderung des GG v. 28.8.2006, BGBl. I 2006, 2034. Loose in Viskorf20, Einf. Rz. 76. Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. BFH v. 30.4.2003 – II R 79/00, BStBl. II 2003, 890. Gesetz v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834; Hintergründe zu den Gesetzesänderungen vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 691 ff. 17 Gesetz v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402.

4 | Loose

B. Rechtsentwicklung | Rz. 1.15 Kap. 1

gung oder Übertragung aller Anteile, sondern nur noch von mind. 95 % der Anteile voraussetzten.18 Wie § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst die Vorschrift seitdem auch „unmittelbare und mittelbare“ Anteilsvereinigungen und Anteilsübertragungen.19 Einzelheiten zu § 1 Abs. 3 GrEStG s. Rz. 3.763 ff. § 1 Abs. 3a GrEStG wurde durch das AmtshilfeRLUmsG20 neu in das GrEStG eingefügt. Die Vorschrift dient der Verhinderung von Steuerausfällen, die vor allem eintreten können, wenn Immobilientransaktionen unter Aufnahme eines sog. RETT (Real-Estate-Transfer-Tax)-Blockers gestaltet werden. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist jedoch überschaubar, weil nach Auffassung des BFH auch bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG – wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend ist.21 Damit sind die vom Gesetzgeber als schädlich eingestuften Strukturen nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar. Eines Rückgriffs auf den subsidiär geltenden § 1 Abs. 3a GrEStG kommt in den meisten Fällen nicht in Betracht. Einzelheiten zu § 1 Abs. 3a GrEStG s. Rz. 3.794.

1.13

III. „Share Deal“-Reform 2021 Mit dem Gesetz zur Reform des Grunderwerbsteuergesetzes22 wurden die Ergänzungsvorschriften mit Wirkung ab dem 1.7.2021 noch einmal grundlegend geändert und verschärft. § 1 Abs. 2a GrEStG fingierte schon bislang einen Grundstückerwerb einer (fiktiv) neuen Personengesellschaft von einer (fiktiv) alten Personengesellschaft. Der mit Wirkung ab dem 1.7.2021 neu eingeführte § 1 Abs. 2b GrEStG überträgt die Regelung auf unmittelbare und/oder mittelbare Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft. § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, wenn sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft i.H.v. 90 % innerhalb von 10 Jahren ändert. Die Vorschrift fingiert einen Grundstückserwerb der fiktiv neuen Kapitalgesellschaft von der fiktiv alten Kapitalgesellschaft- und zwar mit allen verfahrensrechtlichen Konsequenzen. Steuerschuldnerin ist daher die Gesellschaft (§ 13 Abs. 7 GrEStG; s. Rz. 7.6). Die Gesellschaft, vertreten durch ihre Geschäftsführerin oder ihren Geschäftsführer, muss den Erwerbsvorgang anzeigen (§ 19 Abs. 3b GrEStG; s. Rz. 7.34). Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sind die Grundbesitzwerte i.S.d. Bewertungsgesetzes (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG; s. Rz. 8.34, 8.77 ff.).

1.14

§ 1 Abs. 2b GrEStG entspricht inhaltlich § 1 Abs. 2a GrEStG. Danach werden Anteilsübergänge auf sog. Altgesellschafter, die bereits ununterbrochen seit mindestens

1.15

18 BT-Drucks. 14/23, 203; 14/265, 204; Loose in Viskorf20, Einf. Rz. 77. 19 BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292: Klarstellung; Einzelheiten und Hintergründe vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 918 ff. 20 Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 21 BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667. 22 Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986.

Loose | 5

Kap. 1 Rz. 1.15 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

10 Jahren an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, nicht erfasst. Andererseits werden nicht nur unmittelbare Gesellschafterwechsel, sondern – wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG – auch sog. mittelbare Gesellschafterwechsel erfasst. Bei Personengesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, werden die Beteiligungen durchgerechnet (§ 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG). Bei Kapitalgesellschaften, die an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, gelten die Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen, wenn an der beteiligten Kapitalgesellschaft mindestens 90 % Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind (§ 1 Abs. 2b Sätze 3 und 4 GrEStG). Einzelheiten zu § 1 Abs. 2b GrEStG s. Rz. 3.398.

1.16 Mit Wirkung ab dem 1.7.2021 wurden die Beteiligungsgrenzen in allen Ergänzungstatbeständen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG von zuvor 95 % auf 90 % herabgesetzt. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nunmehr schon dann verwirklicht, wenn sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.H.v. 90 % ändert. Dasselbe gilt für § 1 Abs. 2b GrEStG. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG sind seit dem 1.7.2021 verwirklicht, wenn mindestens 90 % der Anteile in einer Hand vereinigt werden. Dasselbe gilt für die Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG. Während bislang zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer in allen Fällen höchstens 94,9 % der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen wurden, beträgt die unschädliche Grenze seit dem 1.7.2021 nunmehr also 89,9 %. In allen Fällen ist der Tatbestand also nicht verwirklicht, wenn lediglich 89,9 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen werden. 1.17 Die neue Beteiligungsgrenze von mindestens 90 % in § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ist seit dem 1.7.2021 zudem über einen 10jährigen statt eines 5jährigen Zeitraums zu betrachten. Ein Gesellschafter gilt zukünftig also erst nach Ablauf von 10 Jahren als Altgesellschafter. Anteilsübertragungen auf einen erst weniger als 10 Jahre beteiligten Gesellschafter können den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG auslösen, wenn die 90 %-Grenze überschritten wird. Die Neuregelung ist ab dem 1.7.2021 anwendbar. Gesellschafter, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 5 Jahre beteiligt waren, gelten jedoch für die Anwendung der Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG als Altgesellschafter (§ 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG). Einzelheiten s. Rz. 3.138 ff. 1.18 Auch der Wechsel im Gesellschafterbestand einer an der Börse notierten grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG grds. der Besteuerung. Das Problem stellte sich schon im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG bei börsennotierten Kapitalgesellschaften, die ihrerseits an grundbesitzenden Personengesellschaften beteiligt waren. Es wurde aber in der Praxis nie richtig nachverfolgt. Bei einer Grenze von mindestens 90 %, einem Betrachtungszeitraum von 10 Jahren und mit dem neuen, für Kapitalgesellschaften geltenden § 1 Abs. 2b GrEStG gibt es jetzt vielleicht mehr praktische Anwendungsprobleme. Um einem faktischen Vollzugsdefizit vorzubeugen, hat der Gesetzgeber daher börsennotierte Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ausgenommen.

6 | Loose

B. Rechtsentwicklung | Rz. 1.23 Kap. 1

Nach § 1 Abs. 2c GrEStG bleiben danach bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes bei Anwendung der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Betracht, die zum Handel an einem im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Vertragsstaat betriebenen organisierten Markt zugelassen sind. Dazu gehören alle Handelsplätze i.S.d. § 2 Abs. 11 WpHG aber auch Drittlandhandelsplätze, die von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurden, soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem erfolgt. Einzelheiten s. Rz. 5.1 ff.

1.19

Die Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde von zahlreichen Übergangsregelungen begleitet. § 23 Abs. 18 GrEStG enthält den Grundsatz, wonach die Neuregelungen nur auf solche Erwerbsvorgänge Anwendung finden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Für die Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG enthält das Gesetz keine spezielle Anwendungs- oder Übergangsregelung. Sie gilt daher in allen offenen Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG.

1.20

§ 23 Abs. 19 Satz 1 gewährleistet Vertrauensschutz. Durch die Verlängerung der Frist von 5 auf 10 Jahre in § 1 Abs. 2a Satz 1 soll ein Gesellschafter nicht rückwirkend wieder von einem sog. „Altgesellschafter“ zu einem sog. „Neugesellschafter“ werden. Für Gesellschafter, die am 1.7.2021 bereits länger als 5 Jahre beteiligt waren, verlängert sich die Frist damit nicht. Für Gesellschafter, die diese durch § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG geschützte Rechtsposition am 1.7.2021 noch nicht erlangt hatten, gilt die Verlängerung der Frist auf 10 Jahre. Einzelheiten s. Rz. 3.295.

1.21

§ 23 Abs. 20 bis 22 GrEStG ordnen für die Tatbestände § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG die Weitergeltung des bisherigen Rechts an. Durch die Regelung sollen diejenigen (zahlreichen) Fälle weiter der Besteuerung nach dem alten Recht unterliegen, bei denen nach bisheriger Rechtslage (noch) keine Erwerbstatbestand ausgelöst wurde, weil zwar die 90 % aber noch nicht die 95 % Grenze erreicht oder überschritten war. Nach § 1 Abs. 2a GrEStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung unterlagen Gesellschafterwechsel von mindestens 95 % innerhalb von 5 Jahren der Besteuerung. Die Übergangsregelung des § 23 Abs. 20 GrEStG läuft also am 1.7.2026 aus. Die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG kann jedoch jederzeit verwirklicht werden. Daher gilt hier die Übergangsregelung in § 23 Abs. 21 und 22 auf unbestimmte Zeit.23

1.22

§ 23 Abs. 24 GrEStG enthält eine Übergangsvorschrift für die Verlängerung der Fristen in § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 und § 7 Abs. 3 GrEStG. Die verlängerten Fristen sind danach nicht anzuwenden, wenn der nach altem Recht maßgebliche Fünfjahreszeitraum zum 1.7.2021 bereits abgelaufen war. § 23 Abs. 24 GrEStG steht im Widerspruch zu § 23 Abs. 18 GrEStG, wonach die Neuregelungen zu den verlängerten Fristen nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden sind, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Unter Erwerbsvorgänge fallen aber nur solche Rechtsvorgänge, die einen der Besteuerungstatbestände der § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG erfüllen. Die blo-

1.23

23 Nr. 4 der gleich lautenden Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006.

Loose | 7

Kap. 1 Rz. 1.23 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

ße Verminderung der Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft gehört jedoch nicht dazu, wenn nicht einer der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG erfüllt ist.24

1.24 Beispiel 1: A ist am Vermögen der A-GmbH & Co. KG (KG) zu 100 % beteiligt. Am 1.6.2020 überträgt er der KG ein ihm gehörendes Grundstück. Am 1.7.2025 überträgt er 89 % seines Anteils am Vermögen der KG auf B. Die Übertragung des Grundstücks ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Die Steuer wird jedoch nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe der Beteiligung des A am Vermögen der KG (100 %) nicht erhoben. Die Übertragung der Beteiligung am 1.7.2025 (89 %) erfüllt keinen Erwerbstatbestand i.S.d. § 1 GrEStG. Die Steuerbefreiung für den am 1.6.2020 verwirklichten Erwerbsvorgang ist nicht nach § 5 Abs. 3 GrEStG nachträglich weggefallen. § 5 Abs. 3 GrEStG in der neuen Fassung mit dem Zehnjahreszeitraum ist erst für Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 18 GrEStG). Für die davor verwirklichten Tatbestände gilt § 5 Abs. 3 GrEStG mit dem alten Fünfjahreszeitraum fort. Der Fünfjahreszeitraum ist im Beispielsfall nicht verletzt, weil die Übertragung erst nach 5 Jahren erfolgte.

IV. Zukünftige Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes

1.25 Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)25 v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436) wird das Gesamthandsprinzip mit Wirkung ab dem 1.1.2024 abgeschafft. Dies wird zu einer grundlegenden Änderung der §§ 5 und 6 GrEStG führen müssen, die bislang Übertragungen zwischen Gesamthand und deren Gesamthändern oder zwischen einer Gesamthand und einer anderen Gesamthand im Umfang der jeweiligen gesamthänderischen Beteiligung von der Grunderwerbsteuer freistellen. Einzelheiten s. Rz. 2.228. Wie der Gesetzgeber reagieren wird, ist derzeit noch völlig offen. Möglich ist eine Abschaffung der bisherigen Regelungen oder aber eine Erweiterung auf das Recht der Kapitalgesellschaften. Möglicherweise führt der Gesetzgeber auch eine neue, für alle Gesellschaftsformen geltende Regelung ein. 1.26 Denkbar ist auch, dass der Gesetzgeber die Chance ergreift, und insbesondere die sog. Share Deals völlig neu ordnet. Ein umfassend durchdachtes Modernisierungsmodell wurde bereits vorgestellt.26 Es basiert auf Überlegungen einer Arbeitsgruppe, die sich aus Praktikern und Hochschullehrern zusammensetzt. Unabhängig vom parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ist sie der Frage nachgegangen, ob sich die bisherigen Vorschriften systematisch ordnen und auf ihren Kern zurückführen lassen. Es bleibt abzuwarten, ob diese wissenschaftliche Vorarbeit in das Gesetzgebungsverfahren hineinwirken wird.

24 Loose in Viskorf20, § 23 GrEStG Rz. 120; a.A. Nr. 5 der gleich lautenden Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. 25 Gesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 26 Arbeitsgruppe Grunderwerbsteuer, Modernisierungsmodell für das Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2023,729.

8 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.29 Kap. 1

C. Begrifflichkeiten I. Grundstück und grundstücksgleiche Rechte 1. Überblick Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer alle Grundstücke i.S.d. bürgerlichen Rechts. Da der bürgerliche Begriff jedoch sehr weit geht, nimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, von dem Grundstücksbegriff i.S.d. Grunderwerbsteuer aus. Andererseits stehen nach § 2 Abs. 2 GrEStG Erbbaurechte, Gebäude auf fremdem Boden und bestimmte dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte dem Grundstück gleich.

1.27

2. Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist das Grundstück nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und nicht z.B. i.S.d. Bewertungsgesetzes oder im tatsächlichen Sinn. Grundstück im tatsächlichen Sinn ist ein eine verkehrsmäßige Einheit bildender, in sich begrenzter Teil der Erdoberfläche.27 Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts sind die Teile der Erdoberfläche, die im Grundbuch gesondert erfasst sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO), z.B. durch das entsprechende Grundbuchblatt. § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG erfassen nur solche Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen. Nicht in der Bundesrepublik Deutschland belegene Grundstücke werden daher nicht von der Grunderwerbsteuer erfasst. Wo das Erwerbsgeschäft abgeschlossen worden ist, und ob der Erwerber Inländer oder eine inländische Gesellschaft ist, ist für die Grunderwerbsteuer jedoch unerheblich.28

1.28

Beispiel 2: Der in den Niederlanden ansässige Unternehmer U erwirbt von dem ebenfalls in Holland ansässigen V ein in Deutschland (Niederrhein) belegenes Grundstück in der Nähe der holländischen Grenze. Der Vertrag wird von einem niederländischen Notar beurkundet. Der Erwerb unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, denn der in den Niederlanden geschlossene Vertrag begründet einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks.

Dasselbe gilt für die sog. Ergänzungstatbestände, also § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Ob dies der Fall ist, richtet sich allein nach grunderwerbsteuerlichen Kriterien (Einzelheiten s. Rz. 1.79, 3.28). Bezugspunkt ist aber stets das inländische Grundstück. Beispiel 3: A ist alleiniger Aktionär der in den Niederlanden ansässigen – nicht börsennotierten – A-AG. Die A-AG wiederum ist zu 100 % an der in Deutschland belegenen A-GmbH beteiligt. Am 1.6.2022 überträgt A alle Aktien an der A-AG auf B.

27 BFH v. 23.2.2022 – II R 45/19, BFHE 276, 239 Rz. 11, m.w.N. 305. 28 Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 23.

Loose | 9

1.29

Kap. 1 Rz. 1.29 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer Die Übertragung der Aktien führt dazu, dass sich der Gesellschafterbestand der A-GmbH mittelbar um mehr als 90 % geändert hat. Dies löst den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG aus, allerdings nur bezogen auf die im Inland belegenen Grundstücke.

3. Von der Grunderwerbsteuer erfasste Grundstücksbestandteile

1.30 Der bürgerlich rechtliche Grundstücksbegriff erfasst auch die Bestandteile des Grundstücks (§§ 93 bis 96 BGB), insbesondere die aufstehenden Gebäude (§ 94 BGB). Zu unterscheiden ist zwischen den wesentlichen und den unwesentlichen Bestandteilen des Grundstücks.29 „Wesentliche“ Bestandteile sind solche Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (§ 93 BGB). Auf Grundstücke bezogen sind dies also Bestandteile des Grundstücks, die nicht entfernt werden können, ohne zerstört zu werden. 1.31 Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Maßgeblich ist die Verkehrsanschauung. In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob ein Leichtbau, z.B. ein Wohnoder Bürocontainer, ein Holz-Gartenhaus oder ein sog. Tiny-House Bestandteil des Grundstücks ist, auf dem dieses Gebäude steht. Das ist dann der Fall, wenn das Gebäude ein festes Fundament hat oder in sonstiger Weise fest mit dem Grundstück verbunden ist.30 Weiterhin ist erforderlich, dass das Gebäude auch dauerhaft genutzt wird. Daher sind z.B. Container, die nicht auf einem eigenen Fundament ruhen, bewertungsrechtlich kein Gebäude, wenn sie lediglich für eine vorübergehende Nutzung aufgestellt sind, und nach Wegfall des nur zeitweise bestehenden Raumbedarfs wieder entfernt werden sollen.31 Einzelheiten zur Abgrenzung zwischen Gebäude und Betriebsvorrichtung s. Rz. 1.36. 1.32 Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aufstehende Gehölze sind deshalb im Ausgangspunkt wesentliche Bestandteile des Grundstücks, gleich, ob sie durch Selbst- oder Fremdaussaat unmittelbar am Standort gewachsen oder anderweit vorgezogen und eingepflanzt sind.32 Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), die sog. Scheinbestandteile. 1.33 Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss mit dem nach außen

29 30 31 32

Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 36 ff. Einzelheiten vgl. Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 38. BFH v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662. BGH v. 4.11.2010 – III ZR 45/10, NJW 2011, 852 Rz. 14; v. 26.11.2020 – V ZB 151/19, NJW 2021, 2121 Rz. 8; BFH v. 23.2.2022 – II R 45/19, BFHE 276, 239 Rz. 12.

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C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.35 Kap. 1

in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein.33 Auf die Dauer der Verbindung mit dem Grundstück kommt es nach der Rechtsprechung von BGH und BFH nicht an. Deshalb kann ein „vorübergehender“ Zweck auch dann anzunehmen sein, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Zeit zu erwarten ist.34 Das gilt auch für aufstehende Pflanzen und Bäume, wenn deren Verbindung mit dem Grundstück nur zu einem vorübergehenden Zweck, nämlich dem Aufwuchs, erfolgte.35 Zubehör gehört rechtlich nicht zu den (Grundstücks-)Bestandteilen und unterliegt daher auch nicht der Grunderwerbsteuer. Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nicht selten ist jedoch das Zubehör vom (einheitlichen) Kaufpreis für das Grundstück mit umfasst. In diesem Fall ist es aus der Bemessungsgrundlage herauszurechnen.

1.34

Beispiel 4: Hotelier V betreibt in Köln ein Hotel mit insgesamt 50 Zimmern. Die Zimmer sind jeweils mit Betten, Schränken, Fernsehgeräten und Kühlschränken ausgestattet. Erwerber E erwirbt das Hotelgebäude einschließlich der Zimmereinrichtung zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 1 Mio. €. Im Kaufvertrag ist festgehalten, dass davon 200.000 € auf die Inneneinrichtung der Zimmer entfällt. Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist die Begründung des Anspruchs auf Übereignung des Hotelgrundstücks (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die Steuer bemisst sich nach der Gegenleistung für die Übereignung des Grundstücks und dessen Bestandteile, z.B. das aufstehende Gebäude (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Maßgeblich ist jedoch allein der auf das Grundstück entfallende Teil des vereinbarten Kaufpreises, hier 800.000 €.

Liegt wie im Beispielsfall ein einheitliches Rechtsgeschäft vor und ist nur ein Gesamtkaufpreis ausgeworfen, sind die von den Beteiligten kalkulierten Ansätze für das Grundstück einerseits, und für das Inventar andererseits bloße Motive für die Bemessung des vereinbarten Preises und daher für die Aufteilung des Kaufpreises grds. unerheblich.36 Entscheidend sind die gemeinen Werte im Zeitpunkt des Erwerbs. Gleichwohl bietet es sich in der Praxis an, bereits in den Vertrag eine Aufteilung vorzunehmen, die in etwa den gemeinen Werten entspricht. Im Beispielsfall erscheint ein Ansatz von 200.000 Euro für das Inventar eines Hotelzimmers nachvollziehbar und vernünftig. Einer solchen Aufteilung wird sie die Finanzbehörde i.d.R. nicht verschließen. In komplizierteren Fällen bietet es sich an, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

33 BGH v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099 Rz. 7; BFH v. 23.2.2022 – II R 45/19, BFHE 276, 239 Rz. 14. 34 BFH v. 23.2.2022 – II R 45/19, BFHE 276, 239 Rz. 12, m.w.N. 35 Vgl. BFH v. 23.2.2022 – II R 45/19, BFHE 276, 239, zu sog. „Weihnachtsbaumkulturen“. 36 Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 87.

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1.35

Kap. 1 Rz. 1.36 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

4. Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen

1.36 Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen werden nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG ausdrücklich vom Grundstücksbegriff der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Die Vorschrift umfasst nicht die diejenigen Betriebsvorrichtungen, die Zubehör des Grundstücks sind (§§ 97, 98 BGB), denn diese sind als selbstständige Sachen schon bürgerlich-rechtlich nicht Bestandteile des Grundstücks und werden schon daher nicht von der Grunderwerbsteuer erfasst.37 § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG erfasst diejenigen Betriebsvorrichtungen, die wesentliche Bestandteile entweder des Grundstücks oder des damit fest verbundenen Gebäudes sind (§ 94 BGB). 1.37 In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen Gebäude und Betriebseinrichtung durch den koordinierten Ländererlass zu § 68 BewG hilfreich, auch wenn die Vorschrift nach der Reform der Grundsteuer aufgehoben wurde.38 Danach ist zunächst umgekehrt zu prüfen, ob das Bauwerk ein Gebäude ist. Liegen alle Merkmale des Gebäudebegriffs vor, kann das Bauwerk schon keine Betriebsvorrichtung sein.39 Ist das Bauwerk kein Gebäude, liegt aber nicht zwingend eine Betriebsvorrichtung vor. Vielmehr muss dann noch geprüft werden, ob es sich um einen Gebäudebestandteil bzw. eine Außenanlage oder um eine Betriebsvorrichtung handelt. 1.38 Zu den Betriebsvorrichtungen gehören alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Das können auch selbstständige Bauwerke oder Teile von Bauwerken sein, die nach den Regeln der Baukunst geschaffen sind, z.B. Schornsteine, Öfen, Kanäle. Demgegenüber ist ein Bauwerk als Gebäude anzusehen, wenn es Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist.40 Der Begriff des Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Bauwerk über die Erdoberfläche hinausragt. Auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befindliche Bauwerke, z.B. Tiefgaragen, unterirdische Betriebsräume, Lagerkeller und Gärkeller, können Gebäude i.S.d. Bewertungsgesetzes sein. 1.39 Markthallen, Industriehallen, Bahnsteighallen und ähnliche Hallen sind dann Gebäude, wenn auch die übrigen Merkmale eines Gebäudes vorliegen. Bei freistehenden schmalen Überdachungen und ähnlichen Schutzdächern kann ein Schutz durch räumliche Umschließung nicht angenommen werden, wenn ihre Breite nicht mindestens die doppelte mittlere lichte Höhe aufweist; sie sind deshalb keine Gebäude.41 Das Bauwerk muss durch normale Eingänge, z.B. Türen, betreten werden können. Behelfsmäßige Eintrittsmöglichkeiten wie Luken, Leitern und schmale Stege genügen nicht. 37 Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 91. 38 Gleich lautende Ländererlasse zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734. 39 BFH v. 24.5.2007 – II R 68/05, BFHE 217, 168 = BStBl. II 2008, 12. 40 BFH v. 28.5.2003 – II R 41/01, BFHE 202, 376 = BStBl. II 2003, 693: Hochraumregal; v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662: Wohncontainer. 41 Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 2.3.

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C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.42 Kap. 1

Es ist nicht erforderlich, dass das Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist. Es muss jedoch so beschaffen sein, dass dem Menschen ein mehr als nur vorübergehender Aufenthalt möglich ist.42 Ein Bauwerk verliert seine Gebäudeeigenschaft nicht schon dadurch, dass bauliche Unzulänglichkeiten (z.B. schlechte Entlüftung oder schlechte Lichtverhältnisse) den Aufenthalt von Menschen erschweren. Ebenso wird die Gebäudeeigenschaft nicht dadurch berührt, dass Einwirkungen, die durch den Betrieb hervorgerufen werden, auf die Dauer zu gesundheitlichen Schäden führen können, z.B. in Fällen, in denen bei der Arbeit Masken oder Schutzkleidung getragen werden müssen.43 Bauwerke, in denen eine besonders hohe oder niedrige Temperatur herrscht und die deshalb während des laufenden Betriebsvorgangs einen Aufenthalt von Menschen nicht oder nur kurzfristig mit Schutzkleidung (z.B. für Inspektionsgänge) zulassen, sind jedoch keine Gebäude.44

1.40

Herrschen in dem Bauwerk sowohl hohe oder niedrige Temperaturen als auch ein extremer Lärmpegel, kann das Zusammenwirken dieser Faktoren einen mehr als vorübergehenden Aufenthalt von Menschen ausschließen, so dass das Bauwerk nicht als Gebäude anzusehen ist.45 Das Überschreiten der arbeitsschutzrechtlichen Lärmgrenzwerte allein steht der Möglichkeit des nicht nur vorübergehenden Aufenthalts von Menschen aber nicht entgegen, wenn die Verwendung von entsprechendem Gehörschutz geeignet ist, die Schalleinwirkungen auf das menschliche Ohr unter die arbeitsschutzrechtlich zulässige Höchstgrenze (Schallpegel) zu drücken. Die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zur Dauer des Aufenthalts sind nicht der Maßstab für die Gebäudeeigenschaft.46 Über vorübergehenden Aufenthalt von Menschen ist kein Aufenthalt über einen ganzen Arbeitstag zu verstehen.47 Kleine Bauwerke sind nicht generell von der Bewertung als Gebäude ausgenommen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass in ihnen Geräte für automatisch ablaufende, technische Betriebsvorgänge angebracht sind und sie nur gelegentlich zu Kontroll-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten betreten werden. Dies betrifft beispielsweise Türme von Windkraftanlagen.48

1.41

Die feste Verbindung mit dem Boden ist gegeben, wenn einzelne oder durchgehende Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und dadurch mit dem Boden verankert ist. Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, ist es unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist.49 Eine feste Verbindung besteht ausnahmsweise auch ohne Fundament oder sonstige Verankerung, wenn das Bauwerk lediglich durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist.50

1.42

42 43 44 45 46 47 48 49 50

BFH v. 24.5.2007 – II R 68/05, BFHE 217, 168 = BStBl. II 2008, 12. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 2.4. BFH v. 30.1.1991 – II R 48/88, BFHE 163, 236 = BStBl. II 1991, 618. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 2.4. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 2.4. BFH v. 24.5.2007 – II R 68/05, BFHE 217, 168 = BStBl. II 2008, 12. BFH v. 24.5.2007 – II R 68/05, BFHE 217, 168 = BStBl. II 2008, 12. BFH v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662 Rz. 15. BFH v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662 Rz. 15.

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Kap. 1 Rz. 1.43 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

1.43 Danach können auch einzelne oder verbundene Container, die nicht auf einem Fundament ruhen, Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ihrer individuellen Zweckbestimmung nach für eine dauernde Nutzung aufgestellt (oder errichtet) sind und sich die ihnen zugedachte Ortsfestigkeit (Beständigkeit) auch im äußeren Erscheinungsbild manifestiert.51 Ob Container aufgestellt werden, um einen bestimmten Zweck auf Dauer oder nur vorübergehend zu erfüllen, hängt in erster Linie von der ihnen im jeweiligen Unternehmen zugedachten Funktion ab. Letzteres ist anhand äußerer Merkmale zu bestimmen. Anhaltspunkte können sich insbesondere aus der Art der Nutzung, dem Ort der Aufstellung, dem Ausmaß der Integration in ein Grundstück, der baulichen Gestaltung sowie dem Erfordernis einer Baugenehmigung ergeben oder – im Fall der Anmietung – aus der vereinbarte Nutzungszeit.52 1.44 Ob einzelnen Bestandteile Teile von Gebäuden oder Betriebsvorrichtungen sind, hängt davon ab, ob sie der Benutzung des Gebäudes ohne Rücksicht auf den gegenwärtig ausgeübten Betrieb dienen oder ob sie in einer besonderen Beziehung zu diesem Betrieb stehen.53 Bloße Aufteilungen innerhalb des Gebäudes gehören i.d.R. nicht dazu, anders aber wohl bei Räumen, die der Fertigung besonders sensibler Produkte dienen und in denen daher Staubfreiheit sowie eine gleichbleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit gewährleistet sein müssen (sog. Reinräume).54 Isolierungen sowie Wand-, Decken- und Dachverkleidungen in Sandwich-Bauweise sind jedoch, da sie nicht ausschließlich zu einer Betriebsanlage gehören, stets als Gebäudebestandteile anzusehen.55 1.45 Arbeitsbühnen, Bedienungsbühnen, Beschickungsbühnen und Galerien aller Art, die ausschließlich zur Bedienung und Wartung von Maschinen, Apparaten usw. bestimmt und geeignet sind, sind Betriebsvorrichtungen. Bei Aufzügen und ähnliche Anlagen ist zu unterscheiden: Personenaufzüge dienen überwiegend der Benutzung des Gebäudes. Sie sind in mehrgeschossigen Gebäuden zur raschen und sicheren Abwicklung des Personenverkehrs allgemein üblich. Auch Rolltreppen und Rollsteige, die zur Bewältigung des Publikumsverkehrs dienen, sind aus diesem Grund dem Gebäude zuzurechnen. Lastenaufzüge in gewerblich genutzten Gebäuden, die unmittelbar dem Betriebsvorgang dienen, sind hingegen Betriebsvorrichtungen.56 1.46 Die übliche Gebäudeinstallation z.B. Elektrik, Wasserversorgung, Heizung, ist i.d.R. keine Betriebsvorrichtung. Etwas anderes gilt jedoch z.B. bei Spezialbeleuchtungsanlagen oder speziellen Belüftungs- oder Entlüftungseinrichtungen. 1.47 Sog. Außenanlagen gehören stets zum Grundstück. Auch hier kann die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein. Einfriedungen z.B. stehen grds. in keiner besonderen Beziehung zu einem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie gehören des51 52 53 54 55 56

BFH v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662 Rz. 18. BFH v. 22.7.2020 – II R 37/17, BFHE 271, 183 = BStBl. II 2021, 662 Rz. 20. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 3.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 3.2. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 3.2. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 3.5.

14 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.50 Kap. 1

halb als Außenanlagen zum Grundstück. Das gleiche gilt für Bodenbefestigungen (Straßen, Wege, Plätze). Sie sind im Allgemeinen zur besseren Befahrbarkeit des Bodens geschaffen; eine besondere Beziehung zu einem auf dem Grundstück ausgeübten Betrieb fehlt regelmäßig. Bodenbefestigungen von Tankstellenbetrieben z.B. sind aber wegen ihrer besonderen betrieblichen Ausgestaltung und Zweckbestimmung als Betriebsvorrichtungen anzusehen, nicht hingegen die Bodenbefestigungen von Dauerpark- und Abstellplätzen.57 Beleuchtungsanlagen auf Straßen, Wegen und Plätzen des Grundstücks gehören zu den Außenanlagen und damit zum Grundstück. Sie sind jedoch den Betriebsvorrichtungen zuzurechnen, wenn sie z.B. überwiegend einem Betriebsvorgang (z.B. Ausleuchtung eines Lagerplatzes für Zwecke der Materiallagerung oder Ausleuchtung von Container-Terminals) dienen. Das Gleiche gilt z.B. für Gleisanlagen.58 5. Erbbaurecht Das Erbbaurecht ist bürgerlich-rechtlich ein grundstücksgleiches Recht, das auch im Grunderwerbsteuerrecht wie ein Grundstück behandelt wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Das Erbbaurecht wird durch Einigung der Beteiligten und Eintragung im Grundbuch begründet und übertragen. Erlischt das Erbbaurecht, werden die Bestandteile des Erbbaurechts kraft Gesetzes zu Bestandteilen des Grundstücks (§ 12 Abs. 3 ErbbauRG); der Erbbauberechtigte ist nicht befugt, das Bauwerk wegzunehmen oder sich Bestandteile des Bauwerks anzueignen (§ 34 ErbbauRG). Er kann jedoch das Erbbaurecht auf einen anderen übertragen (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Der Vertrag, der einen Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts begründet, unterliegt wegen der Gleichstellung des Erbbaurechts mit Grundstück der Grunderwerbsteuer. Gegenleistung und Bemessungsgrundlage ist der kapitalisierte Erbbauzins.59

1.48

Für die Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG genügt es nicht, in den Tatbeständen des § 1 jeweils das Wort „Grundstück“ durch das Wort „Erbbaurecht“ zu ersetzen.60 Wie sich die gesetzliche Gleichstellung des Erbbaurechts mit einem Grundstück auf die einzelnen Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG auswirkt, ist in dem gleich lautenden Ländererlass zur Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen festgehalten.61 Danach fallen unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG z.B. die Begründung des Erbbaurechts oder dessen Verlängerung. Unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG fällt die bloße Bestellung eines Erbbaurechts, ohne dass dem ein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, und unter § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Übergang eines Erbbaurechts kraft Gesetzes und die Übertragung eines Erbbaurechts durch behördlichen Ausspruch.

1.49

Bei Aufhebung eines Erbbaurechts gehören eine vereinbarte Entschädigung und etwaige sonstige Leistungen zur Gegenleistung. Hierzu rechnet insbesondere eine vom Grundstückseigentümer für die Übernahme eines vom Erbbauberechtigten errichte-

1.50

57 58 59 60 61

Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 4.2. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734 Tz. 4.3. Einzelheiten vgl. Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 531. Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 181. Gleich lautende Ländererlasse v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827.

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Kap. 1 Rz. 1.50 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

ten oder erworbenen Bauwerks gezahlte Entschädigung (einschließlich z.B. der Übernahme der auf dem Erbbaurecht lastenden Hypotheken).62 Lässt der Grundstückseigentümer das ihm selbst zustehende Erbbaurecht im Grundbuch löschen bzw. aufheben, ist dieser Vorgang mangels Rechtsträgerwechsel jedoch nicht steuerbar.63

1.51 Das Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf (§§ 27 ff. ErbbauRG) ist kein der GrESt unterliegender Vorgang.64 Ein Übergang einer Erbbauberechtigung auf den Grundstückseigentümer findet – anders als bei der rechtsgeschäftlichen Aufhebung des Erbbaurechts (§ 26 ErbbauRG) nicht statt.65 Im Erbbaurechtsvertrag kann auch eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten begründet werden, das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen – sog. Heimfall – (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG). Das Eintreten der Heimfallvoraussetzungen begründet noch keinen Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG. Die Grunderwerbsteuer entsteht erst mit der Übertragung des Erbbaurechts auf den Eigentümer infolge des Heimfalls.66 1.52 Erwirbt ein Erbbauberechtigter oder ein Dritter das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück, unterliegt der mit dem Grundstückserwerb verbundene Erwerb des Erbbauzinsanspruchs nicht der Grunderwerbsteuer, da das Recht auf Erbbauzins – obwohl zivilrechtlich wesentlicher Bestandteil des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks – nicht zum Grundstück gerechnet wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG). Der Grunderwerbsteuer unterliegt lediglich der nach Abzug des Kapitalwerts des Erbbauzinsanspruchs vom Kaufpreis verbleibende Unterschiedsbetrag.67 Beispiel 568: Unternehmer A erwirbt 2020 von Unternehmer B ein gewerbliches Grundstück zum Gesamtkaufpreis i.H.v. 250.000 €. Das Grundstück ist zugunsten eines Dritten mit einem Erbbaurecht belastet, das im Zeitpunkt des Erwerbs noch eine Restlaufzeit von 40 Jahren hat. Der jährlich zu entrichtende Erbbauzins beträgt 5.000 €. Die Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Grundstücks berechnet sich wie folgt: Vom Gesamtkaufpreis i.H.v. 250.000 € ist der gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs i.H.v. 82.435 € (Jahreswert 5.000 € × Vervielfältiger 16,487) abzuziehen. Demnach verbleibt für das Grundstück eine Bemessungsgrundlage i.H.v. 167.565 €.

1.53 Ist der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs höher als der vereinbarte Kaufpreis, entfällt der gesamte Kaufpreis auf den nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerb des Erbbauzinsanspruchs. Dem belasteten Grundstück ist kein Teil des Kaufpreises zuzurechnen. Die Grunderwerbsteuer ist in diesem Fall auf 0 € festzusetzen. Erwirbt ein Erbbauberechtigter oder ein Dritter das mit dem Erbbaurecht belastete 62 Gleich lautende Ländererlasse v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 3.6. 63 Gleich lautende Ländererlasse v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 3.6. 64 BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BFHE 177, 140 = BStBl. II 1995, 334; Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 197, m.w.N. 65 Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 199. 66 Gleich lautende Ländererlasse v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 3.6. 67 BFH v. 6.5.2015 – II R 8/14, BStBl. II 2015, 853. 68 Nachgebildet den gleich lautenden Ländererlassen v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 4.1.

16 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.55 Kap. 1

Grundstück und ist für die vorausgegangene Bestellung des Erbbaurechts statt eines Erbbauzinses eine einmalige Geldleistung an den vorherigen Grundstückseigentümer geleistet worden, unterliegt der Grunderwerbsteuer der vollständige Kaufpreis. Ein Abzug eines anteiligen Kapitalwerts des Erbbauzinses für den Zeitraum nach Erwerb kommt nicht in Betracht, da mit dem Erwerb des belasteten Grundstücks kein Erwerb eines Erbbauzinsanspruchs verbunden ist.69 Wird mit dem Grundstück gleichzeitig auch das Erbbaurecht erworben und ist bereits im Erwerbszeitpunkt die Aufhebung des Erbbaurechts beabsichtigt, ist die für den Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks vereinbarte Gegenleistung nicht um einen kapitalisierten Erbbauzinsanspruch zu kürzen, sondern mit 0 Euro anzusetzen.70

1.54

Beispiel 671: Unternehmer A erwirbt gleichzeitig vom Grundstückseigentümer B ein erbbaurechtsbelastetes Grundstück und vom erbbauberechtigten C das entsprechende Erbbaurecht. Der Gesamtkaufpreis beträgt 500.000 €. Auf den Kauf des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks entfällt ein Kaufpreis von 200.000 € und auf den Kauf des Erbbaurechts ein Kaufpreis von 300.000 €. Der Käufer A möchte das Erbbaurecht aufheben. Sowohl der Erwerb des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Erbbaurechts beträgt 300.000 €, die für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks 200.000 €. Der kapitalisierte Wert des Erbbauzinsanspruchs bzw. der Erbbauzinsverpflichtung ist weder der Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Erbbaurechts hinzuzurechnen noch von der Bemessungsgrundlage für den Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks abzuziehen.72

6. Gebäude auf fremdem Boden Gebäude, die mit dem Grund und Boden fest verbundene sind, sind wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder des Erbbaurechts (§ 12 Abs. 1 ErbbauRG) und können daher nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein.73 Ist ein Gebäude Scheinbestandteil, z.B. weil es nur für einen vorübergehenden Zweck aufgestellt oder errichtet wurde (s. Rz. 1.32), wird es bürgerlich-rechtlich als eine bewegliche Sache behandelt und kann z.B. eigenständig veräußert werden. Dasselbe gilt für Gebäude oder anderen Werke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Gleichstellung der Gebäude auf fremden Boden mit den Grundstücken bewirkt, dass sämtliche Rechtsvorgänge, die solche Gebäude betreffen, der Grunderwerbsteuer unterliegen.74

69 70 71 72 73 74

Gleich lautende Ländererlasse v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 4.2. BFH v. 6.6.2013 – II R 30/11, BFH/NV 2013, 1632. Nachgebildet den gleich lautenden Ländererlassen v. 16.5.2015, BStBl. I 2015, 827 Tz. 5. BFH v. 6.6.2013 – II R 30/11, BFH/NV 2013, 1632. Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 222: Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 63. Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 65.

Loose | 17

1.55

Kap. 1 Rz. 1.56 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

1.56 Neben den selbständig verkehrsfähigen Gebäuden, die bürgerlich-rechtlich nicht wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks oder eines Erbbaurechts sind, erfasst § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG aber auch Gebäude, die bürgerlich-rechtlich dem Grundstückseigentümer gehören, aber grunderwerbsteuerlich i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG einem Dritten zuzurechnen sind.75 Beispiel 7: Einzelunternehmer A betreibt eine Spedition. Zu diesem Zweck hat er ein Betriebsgrundstück in der Nähe einer Autobahnauffahrt unbefristet gepachtet. Der Pachtvertrag sieht vor, dass A auf dem Gelände eine Lagerhalle (fest) errichten darf, die beim Auslaufen des Pachtvertrags entschädigungsfrei von dem Grundstück entfernt werden muss. Die Lagerhalle ist fest mit dem Grundstück verbunden und auch nicht nur für einen vorübergehenden Zweck errichtet worden. Sie ist Bestandteil der Grundstücks. Der Pächter A hat jedoch die Verwertungsbefugnis an der Halle. Ist – wie hier – vereinbart, dass der Pächter bei Beendigung der Pacht das Gebäude wieder entfernen muss, fällt mit der tatsächlichen Entfernung des Gebäudes die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit weg. Abwandlung: Hätten Pächter und Verpächter von vornherein vereinbart, dass der Verpächter das Gebäude bei Beendigung der Pacht gegen Entschädigung übernehmen kann, oder vereinbaren sie es neu bei Beendigung des Pachtverhältnisses, geht die Verwertungsmöglichkeit vom Pächter auf den Eigentümer über.76 Dieser Vorgang unterliegt nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.77

1.57 Durch das Auseinanderfallen von Grundstück und Gebäude können also mehrere grunderwerbsteuerbare Tatbestände (mehrfach) ausgelöst werden. Das gilt z.B. dann, wenn der Pachtvertrag über ein Grundstück, auf dem der Pächter ein Gebäude errichtet hat, aufgelöst wird und anschließend Grundstück mit Gebäude auf einen neuen Eigentümer übertragen wird. Beispiel 8: Einzelunternehmer A betreibt eine Spedition. Zu diesem Zweck hat er ein Betriebsgrundstück vom Grundstückseigentümer V unbefristet gepachtet. Der Pachtvertrag sieht vor, dass A auf dem Gelände eine Lagerhalle (fest) errichten darf, die beim Auslaufen des Pachtvertrags entschädigungsfrei von dem Grundstück entfernt werden muss. Als ein anderes Speditionsunternehmen an V herantritt, um das Grundstück mit Halle zu erwerben, vereinbaren A und V, dass der Pachtvertrag endet und V das Gebäude gegen Zahlung von 1 Mio. € übernehmen kann. Anschließend verkauft V das Grundstück mit aufstehender Halle für 5 Mio. € an das andere Speditionsunternehmen. Die Verträge werden in einer notariellen Urkunde zusammengefasst. Für die Vereinbarung zwischen A und V fällt nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer an, denn A hat seine Verwertungsbefugnis an dem Grundstück auf V übertragen. Bemessungsgrundlage ist die dafür entrichtete Gegenleistung. Im Beispielsfall könnten die 1 Mio. € allein für die Verwertungsbefugnis an der Halle, oder aber auch als Entschädigung für die frühzeitige Aufhebung des Pachtvertrags gezahlt worden sein. Letzteres ist im

75 Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 68. 76 Vgl. Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 68. 77 Vgl. BFH v. 29.7.1998 – II R 71/96, BStBl. II 1999, 796; v. 9.9.2010 – II B 53/10, BFH/NV 2010, 2305.

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C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.60 Kap. 1 Einzelfall zu ermitteln. Die Veräußerung des Grundstücks einschließlich Halle unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zusätzlich der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis für das Grundstück i.H.v. 5 Mio. €.

7. Wirtschaftliche Einheit von Grundstücken Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, werden diese Grundstücke wie ein Grundstück behandelt (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Mehrere Grundstücke gehören zu einer wirtschaftlichen Einheit, wenn sie zu einem einheitlichen Zweck zusammengefasst sind, der sich äußerlich in einer entsprechenden einheitlichen Ausgestaltung niederschlägt, durch welche die selbständige Funktion des einzelnen Grundstücks nach der Verkehrsauffassung aufgehoben wird.78 Eine wirtschaftliche Einheit wird man auch dann annehmen müssen, wenn der Veräußerer eine wirtschaftliche Einheit (z.B. einen Gewerbebetrieb oder Bauernhof mit einer Vielzahl von Grundstücken) im Ganzen verkauft, ohne dass es darauf ankäme, ob der Erwerber diese wirtschaftliche Einheit beibehält.79

1.58

II. Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts 1. Weiter Rechtsträgerbegriff Die Grunderwerbsteuer unterwirft den Übergang eines Grundstücks von einem Rechtsträger auf einen anderen der Besteuerung und knüpft als Rechtsverkehrssteuer dabei Vorgänge des Rechtsverkehrs an. Eine rein wirtschaftliche Beherrschung eines Rechtsträgers reicht für die Besteuerung nicht aus. Andererseits ist auch der Übergang des Grundstücks von einem Rechtsträger auf den dahinterstehenden wirtschaftlich Berechtigten steuerbar.

1.59

Beispiel 9: A ist zu 100 % an der A GmbH beteiligt. Die A-GmbH hatte 2020 ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. € erworben. 2023 erwirbt A das Grundstück von der A GmbH, wiederum zum Kaufpreis von 1 Mio. €. Der Erwerb des Grundstücks durch die A GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Ausgehend von der Bemessungsgrundlage i.H.v. 1 Mio. € (§ 8 Abs. 1 GrEStG) beträgt die Grunderwerbsteuer 65.000 €. Das Grundstück ist der A GmbH zuzurechnen, auch wenn A als deren Alleingesellschafter wirtschaftlich jederzeit Zugriff auf das Grundstück hat. Der Erwerb durch A im Jahre 2023 unterliegt erneut nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die A GmbH als juristische und A als natürliche Person sind unterschiedliche Rechtsträger. Ausgehend von der Bemessungsgrundlage i.H.v. 1 Mio. € (§ 8 Abs. 1 GrEStG) beträgt die Grunderwerbsteuer erneut 65.000 €.

Zu den Rechtsträgern i.S.d. GrEStG gehören natürliche Personen, Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, juristische Personen des privaten Rechts wie z.B. Vereine und rechtsfähige Stiftungen, juristische Personen des öffentlichen Rechts 78 BFH v. 23.8.2011 – II B 145/10, BFH/NV 2011, 2109, m.w.N. 79 Viskorf in Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 309.

Loose | 19

1.60

Kap. 1 Rz. 1.60 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

wie z.B. Gebietskörperschaften und Kirchen.80 Der Begriff ist sehr weit gefasst und umfasst z.B. auch Erbengemeinschaften, obwohl diese – anders als eine GbR oder einer Personenhandelsgesellschaft – grundsätzlich nicht auf Dauer, sondern auf Abwicklung angelegt sind.81

1.61 Der Grunderwerbsteuer unterliegt die Übertragung inländischer Grundstücke, ungeachtet dessen, wo der Rechtsträger seinen Sitz hat. Folglich unterliegt auch die Übertragung eines inländischen Grundstücks von einem inländischen Rechtsträger auf einen ausländischen Rechtsträger oder die Übertragung zwischen ausländischen Rechtsträgern der Besteuerung. Das Grunderwerbsteuerrecht unterscheidet daher – anders als andere Steuerarten – nicht zwischen inländischen und ausländischen Personen.82 1.62 Im Geschäftsleben treten nicht selten bereits sog. Vorgesellschaften auf. Zu unterscheiden ist zwischen einer bereits gründeten, nur noch nicht im Handelsregister eingetragenen sog. Gründungsgesellschaft einerseits und einer sog. Vorgründungsgesellschaft andererseits.83 Eine bereits gegründete aber noch nicht im Handelsregister eingetragene GmbH ist z.B. noch nicht existent, denn die Eintragung ist dafür notwendige Voraussetzung (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Diese sog. Vor-GmbH kann aber bereits im Rechts- und Geschäftsverkehr handeln und auch z.B. Grundstücke erwerben. Erwirbt sie ein Grundstück, unterliegt der Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Steuer ist gegen die Vor-GmbH als Erwerberin und Steuerschuldnerin (§ 13 Nr. 1 GrEStG) festzusetzen.84 Erwirbt z.B. der Geschäftsführer das Grundstück für die noch in Gründung befindliche Vor-GmbH, handelt er für diese Gesellschaft und nicht im eigenen Namen.85 Überträgt der Gesellschaft der Vor-GmbH ein Grundstück, unterliegt dieser Rechtsträgerwechsel ebenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. §§ 5 und 6 GrEStG sind nicht einschlägig, weil die Vor-GmbH schon vor Eintragung in das Handelsregister wie eine Kapitalgesellschaft behandelt wird.86 Hat eine Vor-GmbH ein Grundstück erworben, kommt es später aber nicht mehr zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister, führt die Auflösung der Vor-GmbH zu einem steuerbaren Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG.87 1.63 Von der Vorgesellschaft zu unterscheiden ist die Vorgründungsgesellschaft, deren Zweck lediglich darin besteht, eine Kapitalgesellschaft, z.B. eine GmbH, zu errichten. Auf eine solche Gesellschaft sind die Regeln über eine GbR anwendbar.88 Die GbR ist jedoch als Gesamthandsgemeinschaft ebenfalls ein selbständiger Rechtsträger i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts. Daher unterliegen auch Grundstücksübertragungen zwi80 81 82 83 84 85 86 87 88

Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 16. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BFHE 244, 455 = BStBl. II 2014, 536. BFH v. 27.9.2017 – II R 41/15, BFHE 260, 94 = BStBl. II 2018, 667. Einzelheiten vgl. Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Rz. 49 ff. Einzelheiten vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 38 ff. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 42, m.w.N. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 42, m.w.N. BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BFHE 197, 304 = BStBl. II 2002, 210. Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Rz. 49 m.w.N.

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C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.66 Kap. 1

schen Gesellschaftern einer GbR oder Personengesellschaft oder zwischen verschiedenen Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer und sind nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 und 6 GrEStG von der Steuer befreit (Einzelheiten s. Rz. 2.228). Die Vorgründungsgesellschaft ist jedoch mit der nach (!) notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrags entstehenden Vorgesellschaft und deswegen auch mit der aus dieser hervorgehenden GmbH nicht identisch.89 Die Übertragung eines Grundstücks von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft (z.B. Vor-GmbH) führt daher zu einem Rechtsträgerwechsel und unterliegt deshalb der Grunderwerbsteuer.90 Beispiel 10: A und B beschließen, ein in NRW belegenes Grundstück in Form einer GmbH gemeinsam zu entwickeln. Der Gesellschaftsvertrag wird am 1.4.2023 notariell beurkundet. Die AB GmbH wird am 1.6.2023 im Handelsregister eingetragen. Bereits am 1.3.2023 erwirbt die „AB GmbH in Gründung“ das Grundstück zum Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. €. Der Erwerb durch die „AB GmbH in Gründung“ unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Diese Vorgründungsgesellschaft ist mit der späteren „Vor-AB-GmbH“ (nach notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrags) und der späteren AB GmbH (nach Eintragung im Handelsregister) nicht identisch. Der spätere Übergang des Grundstücks auf die AB GmbH unterliegt daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (erneut) der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist der Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

2. Treuhandverhältnisse Treuhandverhältnisse sind im Rechtsverkehr nicht unüblich. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass eine Person (der sog. Treugeber) nach außen hin nicht als Inhaber eines Rechts auftreten möchte und daher eine andere Person (der sog. Treuhänder) diese für ihn hält. Treuhänder ist daher nach zivilrechtlichem Verständnis eine natürliche oder juristische Person, die von einem anderen oder für ihn von einem Dritten Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben hat, diese aber nicht nur in eigenem, sondern zumindest auch in fremdem Interesse ausüben soll.91 Welche Rechte Treuhänder und Treugeber im Innenverhältnis zustehen, regelt die sog. Treuhandabrede.

1.64

Das Treuhandverhältnis kann dadurch begründet werden, dass der Eigentümer des Grundstücks das Eigentum auf einen Treuhänder überträgt (sog. Übertragungstreuhand), dass der Treuhänder das Eigentum am Grundstück im Auftrag des Treugebers von einem Dritten erwirbt (sog. Erwerbstreuhand) oder dass der zivilrechtliche Eigentümer des Grundstücks mit einem Dritten vereinbart, dass er künftig Treuhänder des Dritten sein will (sog. Vereinbarungstreuhand).92

1.65

Erwirbt der Treuhänder das Eigentum an einem inländischen Grundstück von dem Treugeber (Übertragungstreuhand), unterliegt die Übertragung der Grunderwerb-

1.66

89 90 91 92

BGH v. 25.10.2000 – VIII ZR 306/99, GmbHR 2001, 293. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 45. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, DB 2003, 2328. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 128.

Loose | 21

Kap. 1 Rz. 1.66 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

steuer, auch wenn der Treugeber im Innenverhältnis weiterhin über das Grundstück verfügen kann. Beispiel 11: A ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks. Er möchte es bebauen lassen, nach außen hin jedoch nicht als Bauherr in Erscheinung treten. Er überträgt das Grundstück daher unentgeltlich auf T. In einer gesonderten Treuhandabrede vereinbaren A und T, dass T das Grundstück für A bebaut und anschließend vermietet. Sämtliche Aufwendungen soll im Innenverhältnis A tragen, dem auch alle Erträge aus der Vermietung zustehen sollen. T erhält für seine Tätigkeit einen fixen Geldbetrag. Auf jederzeitige Anweisung des A hin hat T das Grundstück entweder A oder einem Dritten zu übertragen. Der Kaufpreis soll im Innenverhältnis A zustehen. Die Übertragung des Grundstücks unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, obwohl A weiterhin die sog. Verwertungsbefugnis am Grundstück zusteht. Bemessungsgrundlage ist Bemessungsgrundlage ist mangels Gegenleistung der Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

1.67 Erwirbt der Treuhänder im Auftrag des Treugeber und auf dessen Rechnung ein Grundstück von einem Dritten (Erwerbstreuhand), kann zweimal Grunderwerbsteuer anfallen. Zum einen unterliegt der Erwerb des Treuhänders nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Zum anderen unterliegt die Begründung der Verwertungsbefugnis für den Treuhänder nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Beispiel 12: D ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks. Sein Intimfeind und Konkurrent A möchte das Grundstück erwerben und bebauen lassen. D würde ihm das Grundstück nicht verkaufen. A vereinbart mit T, dass T das Grundstück erwirbt, bebaut und anschließend vermietet. Sämtliche Aufwendungen soll im Innenverhältnis A tragen, dem auch alle Erträge aus der Vermietung zustehen sollen. T erhält für seine Tätigkeit einen fixen Geldbetrag. Auf jederzeitige Anweisung des A hat er das Grundstück entweder A oder einem Dritten zu übertragen. Der Kaufpreis soll im Innenverhältnis A zustehen. T erwirbt das Grundstück von D zum Kaufpreis von 1 Mio. €. Der Erwerb des Grundstücks durch T unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Aufgrund der zuvor getroffenen Treuhandabrede erlangt A zugleich die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück. Dies unterliegt nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Bemessungsgrundlage ist mangels Gegenleistung der Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

1.68 Schließlich ist auch denkbar, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein die Verwertungsbefugnis auf einen Treugeber aufgrund der Vereinbarung einer Treuhandabrede überträgt (Vereinbarungstreuhand). In diesem Fall unterliegt der Erwerb der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Beispiel 13: T ist Eigentümer eines mit einem Miethaus bebauten Grundstücks. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten möchte er es gerne verkaufen. Interessent A möchte aus verschiedenen Gründen nach außen hin nicht als Käufer in Erscheinung treten. A vereinbart mit T, dass A im Innenverhältnis künftig sämtliche Aufwendungen tragen soll. Im Gegenzug sollen ihm auch alle Erträge aus der Vermietung zustehen. Dafür zahlt A an T 1 Mio. €. Zusätzlich erhält T

22 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.71 Kap. 1 künftig einen monatlichen fixen Geldbetrag dafür, dass er weiterhin die Verwaltung übernimmt. Auf jederzeitige Anweisung des A hat er das Grundstück entweder A oder einem Dritten zu übertragen. Die Übertragung der Verwertungsbefugnis unterliegt nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Bemessungsgrundlage ist die Gegenleistung i.H.v. 1 Mio. € (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Die Vergütung für die Verwaltertätigkeit gehört nicht zur Gegenleistung, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu der Tätigkeit steht.

Umgekehrt können auch alle Fälle, in den das Treuhandverhältnis beendet wird, der Grunderwerbsteuer, unterliegen, z.B. wenn der Treuhänder das Eigentum am Grundstück dem Treugeber zurücküberträgt, der Treugeber im Nachhinein dem Treuhänder auch die Verwertungsbefugnis am Grundstück verschafft, der Treuhänder das Grundstück im Einvernehmen mit dem Treugeber einem Dritten übereignet oder aber Treuhänder und/oder Treugeber wechseln.93

1.69

Die Finanzverwaltung hat die möglichen Erwerbsvorgänge in den Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger (sog. Treuhanderlasse)94 übersichtlich zusammengefasst. Danach ist wie folgt zu unterscheiden:

1.70

Fallgruppe 1: Eigentümer eines Grundstücks überträgt das Eigentum auf einen Treuhänder

1.71

– Eigentümer eines Grundstücks überträgt das Eigentum auf einen Treuhänder Der Treuhänder wird Eigentümer des Grundstücks. Sein Erwerb unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. – Treuhänder überträgt das Eigentum an den Treugeber zurück Die Rückübertragung des Eigentums am Grundstück unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, soweit sie auf aufschiebend bedingter Rückübereignungsverpflichtung beruht, im Übrigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG ist die Steuer für den Erwerb des Eigentums durch den Treuhänder und die Steuer für den Rückerwerb des Eigentums durch den Treugeber nicht festzusetzen oder die Steuerfestsetzung aufzuheben. Unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 8 GrEStG ist die Rückübertragung von der Steuer befreit. – Treugeber verschafft dem Treuhänder auch die Verwertungsmöglichkeit Der Erwerb der Verwertungsmöglichkeit durch den Treuhänder unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Die Steuer wird nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG

93 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 128; Einzelheiten vgl. auch Behrens/Seemaier, DB 2018, 1111. 94 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757; weitere Einzelheiten vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 127 ff.; Behrens in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 253 ff.

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Kap. 1 Rz. 1.71 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

allerdings nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage den Betrag übersteigt, von dem die Steuer für den Erwerb des Eigentums berechnet worden ist. – Treuhänder übereignet das Grundstück im Einvernehmen mit dem Treugeber einem Dritten; das Treuhandverhältnis erlischt Der Steuer unterliegt das Rechtsgeschäft, durch das der Dritte den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erwirbt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), oder der Übergang des Eigentums am Grundstück durch Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Vorgang wird durch die Auflösung des Treuhandverhältnisses nicht verwirklicht. Auch die Abführung des vom Treuhänder erzielten Kaufpreises an den Treugeber löst keine Steuer aus. – Treugeber verschafft die Verwertungsmöglichkeit einem anderen Treugeber (Treugeberwechsel) Die Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit an einen neuen Treugeber unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. – Treuhänder übereignet das Grundstück im Einvernehmen mit dem Treugeber einem anderen Treuhänder (Treuhänderwechsel) Die Übertragung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Schließt der Treugeber mit einem neuen Treuhänder ein Treuhandverhältnis ab und überträgt der bisherige Treuhänder auf Weisung des Treugebers das Grundstück auf diesen, unterliegt die Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG der Steuer.

1.72 Fallgruppe 2: Eigentümer verschafft dem Treugeber die Verwertungsmöglichkeit – Eigentümer eines Grundstücks verschafft einem Treugeber die Verwertungsmöglichkeit Der Erwerb der Verwertungsmöglichkeit durch den Dritten als Treugeber unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. – Treuhänder erwirbt die Verwertungsmöglichkeit von dem Treugeber zurück Der Rückerwerb durch den Treuhänder unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG ist die Steuer für den Erwerb der Verwertungsmöglichkeit durch den Treugeber und die Steuer für den Rückerwerb der Verwertungsmöglichkeit durch den Treuhänder nicht festzusetzen oder die Steuerfestsetzung aufzuheben. Voraussetzung ist, dass die Übertragung der Verwertungsbefugnis ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG; s. Rz. 7.105). Eine Befreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG kommt nicht in Betracht, da mit der Rückübertragung der Verwertungsmöglichkeit kein Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber erfolgt. – Treuhänder überträgt dem Treugeber auch das Eigentum Der Rechtsvorgang unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG. Die Steuer wird nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage den Betrag übersteigt, von dem die Steuer für den Erwerb der Verwertungsmöglichkeit berechnet worden ist. 24 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.73 Kap. 1

– Treuhänder übereignet das Grundstück im Einvernehmen mit dem Treugeber einem Dritten; das Treuhandverhältnis erlischt Der Steuer unterliegt das Rechtsgeschäft, durch das der Dritte den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erwirbt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), oder der Übergang des Eigentums am Grundstück durch Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Vorgang wird durch die Auflösung des Treuhandverhältnisses nicht verwirklicht. Auch die Abführung des vom Treuhänder erzielten Kaufpreises an den Treugeber löst keine Steuer aus. Fallgruppe 3: Erwerb des Eigentums auf Grund Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags für den Auftraggeber bzw. den Geschäftsherrn – Auftragnehmer bzw. der Geschäftsbesorger übereignet das zuvor für ihn erworbene Grundstück dem Auftraggeber bzw. dem Geschäftsherrn Der Rechtsvorgang unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG. Die Steuer wird nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage den Betrag übersteigt, von dem die Steuer für vorherigen Erwerb der Verwertungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG berechnet worden ist. – Auftraggeber bzw. der Geschäftsherr verschafft dem Auftragnehmer bzw. dem Geschäftsbesorger auch die Verwertungsmöglichkeit Die Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG ist die Steuer für den Erwerb und den Rückerwerb der Verwertungsmöglichkeit nicht festzusetzen oder die Steuerfestsetzung aufzuheben. Voraussetzung ist, dass die Übertragung der Verwertungsbefugnis ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG; s. Rz. 7.105). Eine Befreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG kommt nicht in Betracht, da mit der Rückübertragung der Verwertungsmöglichkeit kein Rückerwerb eines Grundstücks durch den Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn erfolgt. – Auftragnehmer bzw. der Geschäftsbesorger übereignet das Grundstück im Einvernehmen mit dem Auftraggeber bzw. dem Geschäftsherrn einem Dritten Der Steuer unterliegt das Rechtsgeschäft, durch das der Dritte den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erwirbt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), oder der Übergang des Eigentums am Grundstück durch Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Zur Gegenleistung gehört in diesen Fällen neben dem Kaufpreis eine etwa gegenüber dem Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn unmittelbar zu erbringende Leistung. Ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Vorgang wird durch die Auflösung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses nicht verwirklicht. Für den bei Begründung des Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnisses verwirklichten Erwerb durch den Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn kommt § 16 GrEStG nicht zur Anwendung, weil der Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger die Verwertungsmöglichkeit nicht zurückerlangt.

Loose | 25

1.73

Kap. 1 Rz. 1.74 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

III. Rechtsträgerwechsel

1.74 Belastungsgrund für die Grunderwerbsteuer ist die Übertragung eines Grundstücks von einem Rechtsträger auf den anderen. Dabei knüpft das GrEStG an Vorgänge des Rechtsverkehrs an, die für sich genommen noch keinen Eigentumswechsel begründen, letztendlich (!) aber den Übergang des Eigentums an dem Grundstück bewirken sollen. 1.75 So unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits die (schuldrechtliche) Begründung des Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Besteuerung. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt ist die sog. Auflassung des Grundstücks der Besteuerung, wenn ihr keine Begründung eines Anspruchs auf Übereignung vorausgegangen ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG schließlich unterliegt er Übergang des Eigentums (durch Eintragung im Grundbuch) der Besteuerung, falls nicht zuvor bereits die Begründung des Anspruchs auf Übereignung oder eine Auflassung der Besteuerung unterlag. An dieser Abfolge wird deutlich, dass das GrEStG nicht allein auf das zivilrechtliche Eigentum abstellt. Ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel liegt daher schon dann vor, wenn das Grundstück einem anderen Rechtsträger grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.95 Beispiel 14: A schließt mit B im Januar 2020 einen Vertrag über den Erwerb eines in NRW belegenen unbebauten Grundstücks zu einem Kaufpreis von 1 Mio. €. A beabsichtigt, das Grundstück mit einem Miethaus zu bebauen. Nach dem Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrags tritt der Großinvestor I an A heran. Er bietet ihm für das Grundstück 1,2 Mio. €. A zögert nicht lange und schließt im März 2020 mit I einen entsprechenden Vertrag, wonach er seinen Anspruch auf Übereignung an I abtritt. Auf der Suche nach einer sicheren Geldanlage tritt der Multimillionär M an I heran und bietet diesem 1,4 Mio. € für das Grundstück. Auch I zögert nicht lange und schließt im Mai 2020 mit M einen entsprechenden Vertrag, wonach er seinen von A erworbenen Anspruch auf Übereignung an M abtritt. Im Juli 2020 wird M als neuer Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Zivilrechtlich ist das Eigentum vom Rechtsträger B auf den neuen Rechtsträger M übergegangen. Grunderwerbsteuerlich war das Grundstück jedoch bereits zuvor aufgrund § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dem A und aufgrund § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG dem I und dem M zuzurechnen. Grunderwerbsteuerrechtlich liegen also insgesamt drei Rechtsträgerwechsel vor, die jeweils gesondert der Besteuerung unterliegen.

1.76 § 1 Abs. 1 GrEStG enthält einen Katalog an grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgängen, die letztendlich einen zivilrechtlichen Übergang des Eigentums von einem Rechtsträger auf einen anderen begründen sollen. Daneben enthalten § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG sog. Ergänzungstatbestände. § 1 Abs. 2 GrEStG besteuert Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Grds. steht die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück dem Eigentümer zu. Er kann jedoch (z.B. im Rahmen eines Treuhandverhältnisses; s. Rz. 1.64) die Verwertungsbefugnis einem anderen übertragen. In diesem Fall ist dem

95 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 20.

26 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.80 Kap. 1

Inhaber der Verwertungsbefugnis das Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen, obwohl das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück nicht übergeht. Bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften (s. Rz. 1.79) fingieren § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG unter besonderen Voraussetzungen einen Rechtsträgerwechsel, obwohl sich das zivilrechtliche Eigentum nicht ändert. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG fingieren einen Grundstückserwerb einer (fiktiv) neuen Gesellschaft von einer (fiktiv) alten Gesellschaft. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG fingieren einen Grundstückserwerb desjenigen, in Hand sich die Anteile i.S. der Vorschrift vereinigen und § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG einen Grundstückserwerb bei Übertragung der bereits vereinigten Anteile. In allen Fällen findet keine zivilrechtliche Übertragung des Grundstücks statt.

1.77

Der Rechtsträgerwechsel beruht in diesen Fällen allein auf grunderwerbsteuerrechtlichen Überlegungen. Umgekehrt liegt ist in bestimmten Fällen grunderwerbsteuerlich kein Rechtsträgerwechsel vor. So z.B. beim Formwechsel (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 190 ff. UmwG; s. Rz. 6.202 ff.),96 bei der Änderung des Firmennamens97, bei einer bloßen Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB i.V.m. § 22 GBO98, bei der Begründung des Erbbaurechts am eigenen Grundstück (Eigentümer-Erbbaurecht) oder Aufhebung des Eigentümer-Erbbaurechts.99

1.78

IV. Grundbesitzende Gesellschaften Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Alle Tatbestände setzen voraus, dass einer Gesellschaft ein Grundstück gehört. Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2a, Abs. 2b oder Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung.100

1.79

Danach ist ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

1.80

96 97 98 99 100

BFH v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526. BFH v. 26.6.2008 – IV R 89/05, BFH/NV 2008, 1984. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 23, 109. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 23. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BFHE 247, 343 = BStBl. II 2015, 402 Rz. 18; v. 1.12.2021 – II R 44/18, BFHE 275, 373 = DStR 2022, 1375 Rz. 22; v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 24.

Loose | 27

Kap. 1 Rz. 1.80 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer Beispiel 15: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Die Gesellschaft hat Anfang der 2000 Jahre ein Grundstück (Grundstück 1) erworben. Sie ist als Eigentümerin dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Im Juni 2020 verkauft A ein ihm gehörendes Grundstück (Grundstück 2) an die AB GmbH. Zugleich vereinbaren die AB GmbH und A, dass der AB GmbH die Verwertungsbefugnis an einem weiteren, dem A gehörenden Grundstück (Grundstück 3) erhält. A soll dieses Grundstück treuhänderisch für die AB GmbH halten. Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der AB GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter. Zu diesem Zeitpunkt ist die AB GmbH noch nicht als Eigentümerin des Grundstücks 2 im Grundbuch eingetragen. Die Übertragung des Grundstücks 2 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG im vollen Umfang der Besteuerung. Die (teilweise) Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG gilt nicht für die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesellschafter und Kapitalgesellschaft. Die Übertragung der Verwertungsbefugnis am Grundstück 3 unterliegt nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Schließlich unterliegt die Übertragung der Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörten“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn alle drei Grundstücke.

1.81 Umgekehrt ist Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ein Grundstück der Gesellschaft nicht (mehr) zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat, es also einem Dritten grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.101 Beispiel 16: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Die Gesellschaft hat Anfang der 2000 Jahre ein Grundstück (Grundstück 1) und Anfang 2010 ein weiteres Grundstück (Grundstück 2) erworben. Sie ist als Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Im Juni 2020 verkauft die AB GmbH das Grundstück 1 an ihren Gesellschafter A. Zugleich vereinbaren die AB GmbH und A, dass A auch die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück 2 erhält. Die AB GmbH soll dieses Grundstück treuhänderisch für A halten. Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der AB GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter. Zu diesem Zeitpunkt ist A noch nicht als Eigentümer des Grundstücks 1 im Grundbuch eingetragen. Die Übertragung des Grundstücks 1 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Übertragung der Verwertungsbefugnis am Grundstück 2 unterliegt nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Die Übertragung der Anteile unterliegt nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörten“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen keine Grundstücke mehr. Sie hat die Grundstücke zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erworben und war auch als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Die Grundstücke sind ihr jedoch im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung nicht (mehr) grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen.

101 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 25.

28 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.84 Kap. 1

Schwieriger ist die Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Verhältnissen. So kann eine Gesellschaft selbst auch den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllen. Daher ist ein nach den vorstehenden Grundsätzen einer anderen (!) Gesellschaft zuzurechnendes inländisches Grundstück einer an dieser Gesellschaft beteiligten Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat.102

1.82

Beispiel 17: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Die Gesellschaft hat Anfang der 2000 alle Anteile an einer X GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein Grundstück gehörte. Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der AB-GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter. Die Übertragung der Anteile unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn das Grundstück der X GmbH. Aufgrund der Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG beim Erwerb der Anteile an der X GmbH war der AB-GmbH das Grundstück der X GmbH zuzurechnen.

Es ist also stets grundstücksbezogen zu prüfen, ob der Gesellschaft ein bestimmtes Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist oder nicht. Auch bei einer Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist einer Gesellschaft das Grundstück der anderen Gesellschaft in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht.103

1.83

Beispiel 18: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Die Gesellschaft hat Anfang der 2000 alle Anteile an einer X GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein Grundstück gehörte. Im Januar 2020 überträgt die AB GmbH ihre Beteiligung an der X GmbH auf Y. Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der AB GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter. Die Übertragung der Anteile von A an B unterliegt nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn das Grundstück der X GmbH nicht mehr. Der X GmbH selbst gehört jedoch nach wie vor das Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Deshalb ist der Erwerb der Beteiligung an der X GmbH durch Y nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG weiterhin steuerbar.

Das Grundstück der anderen Gesellschaft ist der Gesellschaft auch dann nicht mehr zuzurechnen, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 90 % sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft ihrerseits das Grundstück nicht

102 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 26. 103 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 26.

Loose | 29

1.84

Kap. 1 Rz. 1.84 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer

mehr zuzurechnen ist, z.B. weil sie es veräußert hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) oder die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück übertragen hat (§ 1 Abs. 2 GrEStG).104 Beispiel 19: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Die AB GmbH hat Anfang der 2000 alle Anteile an einer X GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt zwei Grundstücke (Grundstücke 1 und 2) gehörten. 2010 verkaufte die X GmbH das Grundstück 1 an den Käufer K. Im Januar 2020 überträgt die AB GmbH 20 % ihrer Beteiligung an der X GmbH auf den Erwerber Y. Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der AB GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter. Die Übertragung der Anteile unterliegt nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn die Grundstücke der X GmbH nicht mehr. Das Grundstück 1 war nach dem Verkauf der X GmbH nicht mehr zuzurechnen. Damit war es auch der AB GmbH nicht mehr (über § 1 Abs. 3 GrEStG) zuzurechnen. Aufgrund der Herabsetzung der Beteiligung an der X GmbH auf unter 90 % war das Grundstück 2 der X GmbH der AB GmbH nicht mehr (über § 1 Abs. 3 GrEStG) zuzurechnen.

1.85 Die fiktiven Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG führen zu keiner anderen grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung, denn sie fingieren einen Erwerb durch die nämliche Gesellschaft, wenngleich als Erwerb einer fiktiv neuen von einer fiktiv alten Gesellschaft.105 Gleichwohl ist natürlich auch bei der Verwirklichung dieser Tatbestände nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen, ob der betreffenden Gesellschaft ein Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gehört. Beispiel 20: A ist Alleingesellschafter der A GmbH. Die Gesellschaft hat Anfang der 2019 alle Anteile an einer X GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt ein Grundstück gehörte. Im August 2022 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der A GmbH. B wird zum Alleingesellschafter. Die Übertragung der Anteile unterliegt nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Übertragung der Anteile an der A GmbH, „gehörte“ der A GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn das Grundstück der X GmbH.

1.86 Nach der Rechtsprechung des BFH finden die vorstehenden Grundsätze auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist danach einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.106 104 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 26. 105 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 27. 106 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, BFHE 275, 373 = DStR 2022, 1375 Rz. 25; v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 30.

30 | Loose

C. Begrifflichkeiten | Rz. 1.88 Kap. 1 Beispiel 21: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der M GmbH. Die M GmbH hat Anfang der 2000 alle Anteile an einer T GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt ein Grundstück (Grundstück 1) gehörte. 2010 kaufte die T GmbH alle Anteile an der E GmbH, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein Grundstück gehörte (Grundstück 2). Im Januar 2020 erwarb die E GmbH ein weiteres Grundstück (Grundstück 3). Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der M GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter der M GmbH. Die Übertragung der Anteile unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der M GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn das Grundstück 1. Es war ihr seit dem Erwerb der Anteile an der T GmbH zuzurechnen. Das Grundstück 2 „gehört“ der M GmbH nicht. Gleichwohl ist auch hier der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, weil B seit der Anteilsübertragung mittelbar alle Anteile an der T GmbH in einer Hand vereinigt. Dasselbe gilt für das Grundstück 3. Dieses Grundstück ist allein der E GmbH zuzurechnen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch insoweit erfüllt, weil B seit der Anteilsübertragung mittelbar alle Anteile an der E GmbH in einer Hand vereinigt.

Nach der BFH-Rechtsprechung gehört ein Grundstück einer Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG immer dann, wenn sie es nach § 1 Abs. 1 erworben oder nach § 1 Abs. 2 GrEStG die Verwertungsbefugnis erlangt hat. Es gehört ihr so lange, bis sie dieses Grundstück wieder i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG veräußert oder die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG einem anderen überträgt.

1.87

Bei Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG ist ein Grundstück in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen gleichzeitig immer nur einer Gesellschaft innerhalb dieser Struktur zuzurechnen. Es ist jeweils zu prüfen, ob der Tatbestand unmittelbar oder mittelbar erfüllt ist – und zwar jeweils grundstücksbezogen. Die Zurechnung des Grundstücks nach § 1 Abs. 3 GrEStG in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen bedeutet jedoch nicht, dass das Grundstück der grundbesitzenden Gesellschaft für andere Erwerbsvorgänge nicht mehr gehört. Insoweit gilt der Grundsatz, wonach es ihr erst dann nicht mehr gehört, bis sie dieses Grundstück wieder i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG veräußert oder die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG einem anderen übertragen hat.

1.88

Beispiel 22: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der M GmbH. Die M GmbH hat Anfang der 2000 alle Anteile an einer T GmbH erworben, der zu diesem Zeitpunkt ein Grundstück (Grundstück 1) gehörte. 2010 kaufte die T GmbH alle Anteile an der E GmbH, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein Grundstück gehörte (Grundstück 2). Im August 2020 überträgt A dem Gesellschafter B seine Anteile an der M GmbH. B wird damit zum Alleingesellschafter der M-GmbH. Im September 2022 überträgt die T GmbH ihre Beteiligung an der E GmbH einem Dritten. Die Übertragung der Anteile im August 2020 unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der M GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn das Grundstück 1. Es war ihr seit dem Erwerb der Anteile an der T GmbH zuzurechnen. Das Grundstück 2 „gehört“ der M GmbH nicht. Gleich-

Loose | 31

Kap. 1 Rz. 1.88 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer wohl ist auch hier der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, weil B seit der Anteilsübertragung mittelbar alle Anteile an der T GmbH in einer Hand vereinigt. Die Übertragung der Anteile an der E GmbH im September 2022 unterliegt nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Besteuerung. Der E GmbH „gehört“ ein Grundstück, denn die hat es irgendwann erworben und weder i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG veräußert noch die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG einem anderen übertragen.

1.89 Die Grundsätze gelten nur für die Frage, wann ein Grundstück einer Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG „gehört“. Die übrigen Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG bleiben davon unberührt. Noch völlig ungeklärt ist die Zurechnung eines Grundstücks nach den vorstehenden Grundsätzen bei späterer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 GrEStG (s. Rz. 7.86). Da § 16 GrEStG Fälle rückwirkender Ereignisse abbildet, müsste auch die Zurechnung von Grundstücken, die auf der Verwirklichung von grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgängen beruht, rückwirkend wegfallen oder begründet werden, wenn der Erwerbstatbestand nach § 16 GrEStG rückgängig gemacht wird.

D. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen I. Entstehung der Steuer

1.90 Wie bei anderen Steuern auch entsteht auch die Grunderwerbsteuer mit Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Maßgeblich ist der Zeitpunkt nicht nur für die Frage, ob der Rechtsvorgang überhaupt der Besteuerung unterliegt, sondern z.B. auch für die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft, für die Berechnung der Fristen in §§ 5, 6 GrEStG und in § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und für den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 AO).107 1.91 Die Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG knüpfen an unterschiedliche Tatbestandsmerkmale an. Beim Abschluss eines Kaufvertrags entsteht die Steuer mit der wirksamen Begründung des Anspruchs auf Übereignung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. In den Fällen der Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) entsteht die Grunderwerbsteuer mit der Erklärung der Auflassung. Das gilt aber nur dann, wenn der Auflassung kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2). Das gilt auch dann, wenn ihr ein wirksames oder nach § 14 GrEStG noch nicht wirksames Rechtsgeschäft als Erwerbsvorgang vorausgegangen ist.108 Auch ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag ist ein der Auflassung vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übereignung begründet, und schließt daher die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.109 1.92 Beim § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG entsteht die Steuer mit dem Zeitpunkt des Eigentumsüberganges. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen 107 Viskorf in Viskorf20, § 14 GrEStG Rz. 22. 108 BFH v. 10.2.2005 – II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139. 109 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BFHE 247, 343 = BStBl. II 2015, 402.

32 | Loose

D. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen | Rz. 1.95 Kap. 1

Personengesellschaft unter Fortführung des Geschäfts durch den anderen Gesellschafter geht das Eigentum am Grundstück kraft Anwachsung im Zeitpunkt der bisherigen Vereinbarung auf den verbleibenden Gesellschafter über. In diesem Zeitpunkt entsteht die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Beim Übergang des Eigentums aufgrund von Umwandlungsvorgängen (z.B. Verschmelzung, Ausgliederung; s. Rz. 6.1) entsteht die Grunderwerbsteuer mit Wirksamwerden des Umwandlungsbeschlusses durch Eintragung in das Handelsregister. Bei Verschaffung der „wirtschaftlichen“ oder „rechtlichen Verwertungsmöglichkeit (§ 1 Abs. 2 GrEStG) entsteht die Grunderwerbsteuer mit dem Zeitpunkt der wirksamen Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit (z.B. Treuhandvertrag).110

1.93

Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft sind unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG steuerbar. Die Vorschriften knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an. Bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ist die Änderung im Gesellschafterbestand einer Gesellschaft erforderlich. Die schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der Gesellschafterstellung reicht noch nicht aus.111 Etwas anderes gilt bei der sog. Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG). Hier entsteht die Grunderwerbsteuer im Zeitpunkt der wirksamen Begründung eines Anspruchs auf Übertragung der Anteile.

1.94

II. Entstehung der Steuer bei bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen Bei aufschiebend bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen entsteht die Grunderwerbsteuer erst mit dem Eintritt der Bedingung bzw. mit der Genehmigung, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist oder ein Erwerbsvorgang der Genehmigung bedarf (§ 14 GrEStG). Dieser Zeitpunkt ist nicht zur für die Entstehung der Steuer, sondern auch für die Frage bedeutsam. Beispiel 23112: A und B sind seit Gründung 1990 zu je 50 % Gesellschafter der AB GmbH. Anfang 2019 erwirbt die AB GmbH ein Grundstück. Die Wirksamkeit des Kaufvertrags steht unter einer Reihe von Bedingungen, u.a. der Erteilung einer Baugenehmigung. Ende 2019 überträgt A seine Anteile auf B. B wird zum Alleingesellschafter. Die Baugenehmigung wird Anfang 2020 erteilt. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist nicht erfüllt. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, hier: Abschluss des Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, „gehörte“ der AB GmbH im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn noch kein Grundstück. Der Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet, war erst mit Erteilung der Baugenehmigung 2020 wirksam. In diesem Zeitpunkt ist der Tatbestand des

110 Viskorf in Viskorf20, § 14 GrEStG Rz. 32. 111 Viskorf in Viskorf20, § 14 GrEStG Rz. 33. 112 Nach BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BFHE 247, 343 = BStBl. II 2015, 402.

Loose | 33

1.95

Kap. 1 Rz. 1.95 | Systematischer Überblick über die Grunderwerbsteuer § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt und erst ab diesem Zeitpunkt der AB GmbH das Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen.

III. Unterschiedliche Entstehung der Steuer bei sog. Share Deals

1.96 Ist die wirksame Übertragung von Gesellschaftsanteilen von der Eintragung der neuen Gesellschafter im Handelsregister abhängig, ändert sich der Gesellschafterbestand der Gesellschaft erst in diesem Zeitpunkt. § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG sind erst in diesem Zeitpunkt verwirklicht. Das wird in der Praxis nicht selten übersehen. Wichtig ist der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung jedoch auch für die Bewertung der Grundstücke und die Reihenfolge der Tatbestandsverwirklichung Beispiel 24: A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden A GmbH. Am 30.12.2022 verpflichtet er sich, seine Anteile auf den überträgt er seine Anteile auf den an den neuen Gesellschafter B. Der Übertragungsvertrag soll sofort wirksam sein, die Abtretung der Anteile jedoch erst mit Eintragung des B im Handelsregister. B wird am 1.3.2023 im Handelsregister als neuer Gesellschafter eingetragen. Am 30.12.2022 hatte das Grundstück der A GmbH einen Wert von 1 Mio. €. Aufgrund eines Einbruchs auf dem Immobilienmarkt ist das Grundstück am 1.3.2023 nur noch 900.000 € wert. Durch den Abschluss des (unbedingten) Vertrags am 30.12.2022 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Bemessungsgrundlage ist der Wert des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt: 1 Mio. € (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. den Vorschriften des BewG). Steuerschuldner ist B (§ 13 Nr. 5a GrEStG). Mit Wirksamwerden der Änderung im Gesellschafterbestand am 1.3.2023 ist (zudem) der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Bemessungsgrundlage ist der Wert des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt: 900.000 € (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. den Vorschriften des BewG). Steuerschuldner ist die A GmbH (§ 13 Nr. 7 GrEStG).

1.97 Das Verhältnis der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zum § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG ist in der Praxis noch ungeklärt. § 1 Abs. 3 GrEStG greift zwar nach der Gesetzessystematik nur ein, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG „nicht in Betracht kommt“. Problematisch ist jedoch, dass die Tatbestände – wie aus dem vorstehenden Beispiel ersichtlich – an unterschiedliche Rechtsvorgänge anknüpfen. Während § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG den Gesellschafterwechsel und damit den Übergang der Anteile besteuern, ist für § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG bereits der wirksame Abschluss des den Anspruch auf Übertragung begründenden Rechtsgeschäfts maßgeblich. 1.98 Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt im Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses des Rechtsgeschäfts (sog. Signing) zunächst eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile (sog. Closing) erfolgt dann eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG sei bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern.113 Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei zudem nur in den Fällen geboten, in

113 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2.

34 | Loose

D. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen | Rz. 1.100 Kap. 1

denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten sei.114 Durch das JStG 2022115 wurde § 16 GrEStG um einen neuen Absatz 4a ergänzt. Danach ist auf Antrag die bereits erfolgte Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG aufzuheben. Voraussetzung ist jedoch, dass, beide Erwerbsvorgänge (Signing und Closing) zuvor (von unterschiedlichen Steuerschuldnern) ordnungsgemäß angezeigt wurden.

1.99

Diese Regelung stellt lediglich eine verfahrensmäßige Erleichterung dar, regelt jedoch nicht das Verhältnis der Ergänzungstatbestände zueinander. Nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist der Tatbestand (!) nicht erfüllt, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt. Da der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG i.d.R. immer vor der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt ist, müsste die spätere Verwirklichung des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG auf den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG zurückwirken (sog. rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Das beruht auf der ausdrücklichen gesetzlichen Vorrangregelung. Dass insoweit ein anderer Erwerbsvorgang durch einen Steuerschuldner verwirklicht wird, steht der Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO grds. nicht entgegen. Es bleibt abzuwarten, wie die Kollisionsfälle höchstrichterlich entschieden werden.

1.100

114 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2. 115 Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294.

Loose | 35

Kapitel 2 Grundstücksübertragungen im Unternehmen A. Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht I. Erfordernis des Rechtsträgerwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalgesellschaft als eigenständiger Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . III. Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft (derzeitige Rechtslage) . . . . . . . c) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (ab 1.1.2024) . . . . . . . . . IV. Ausländische Gesellschaft als eigenständiger Rechtsträger . . . . B. Grundstücksübertragungen in der Gründungsphase I. Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . II. Personengesellschaft . . . . . . . . . . . C. Grundstücksübertragung von dem Gesellschafter auf die Gesellschaft I. Formen der Grundstücksübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Kauf- und Übertragungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerbefreiung bzw. -vergünstigungen . . . . . . . c) Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage . . . 2. Einbringungsvorgänge a) Einbringungsvertrag . . . . . b) Steuerbefreiungen bzw. -vergünstigungen . . . . . . . c) Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage . . .

2.1 2.5

2.10 2.12 2.18 2.22

2.27 2.31

2.33

2.40 2.44 2.52 2.54 2.56 2.59

3. Umwandlungsvorgänge a) Grundstücksübertragung als Alternative . . . . . . . . . . b) Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . III. Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als übertragender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personengesellschaft als übertragender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbringungsvorgänge . . . . . . 3. Umwandlungsvorgänge . . . . . . 4. Gestaltungsmöglichkeiten mit §§ 5, 6 GrEStG a) Anwendung des § 5 GrEStG zur Absicherung von unternehmensinternen Restrukturierungen . b) Anwendung des §§ 5, 6 GrEStG für eine geänderte Zuordnung eines Grundstücks . . . . . . . . . . . D. Grundstücksübertragung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter I. Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungsvorgänge . . . . . . II. Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Überblick . . . . . . . . . . . . . .

2.60 2.63

2.91 2.174 2.213 2.218

2.220

2.227

2.228 2.233

2.239

Graessner | 37

Kap. 2 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen b) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwachsung a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . b) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlungsvorgänge a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis von §§ 5, 6 GrEStG zu § 6a GrEStG . E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 2 GrEStG 1. Zweck der Vorschrift . . . . . . . . 2. Grundstückserwerbe von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundstücksschenkungen . . . III. Sonstige Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG 1. Erwerb geringwertiger Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundstückserwerb zur Teilung eines Nachlasses . . . . . . . 3. Grundstückserwerb zwischen Ehegatten/Lebenspartnern . . . 4. Grundstückserwerb nach Scheidung einer Ehe bzw. nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte 6. Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 | Graessner

2.242 2.263 2.265 2.268 2.275 2.279 2.283 2.285 2.286

2.295

2.302 2.304 2.316

2.330 2.331 2.337

2.339 2.346

2.349

7. Rückerwerb eines Grundstücks bei Auflösung von Treuhandverhältnissen . . . . . . F. Besondere Übertragungsformen I. Zwischengeschäfte 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . 2. Abtretung des Übereignungsanspruchs als Zwischengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot als Zwischengeschäft . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung zu anderen Rechtsvorgängen . . . . . . . . . . . II. Erwerb der Verwertungsbefugnis 1. Wesentliche Kriterien . . . . . . . 2. Einzelfälle zum Erwerb der Verwertungsbefugnis . . . . . . . a) Atypischer Makler (Verkaufsermächtigung) . . . . . b) Atypisch stiller Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . c) Auftragserwerb . . . . . . . . . d) Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft dem Werte nach (quoad sortem) . . . . . . . . . e) Gebäude auf fremdem Grund und Boden . . . . . . f) Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag . . . g) Immobilienleasing . . . . . . h) Nutzungsverträge (Miete, Pacht, Nießbrauch) . . . . . i) Rückübertragung der Verwertungsbefugnis . . . . j) Treuhandgeschäfte . . . . . . III. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundstücksteilung unter Miteigentümern in Flächeneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundstücksteilung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum . . . . . . . . . . . . . .

2.352

2.361 2.373 2.374 2.382

2.395 2.399 2.400 2.403 2.404

2.410 2.411 2.414 2.415 2.419 2.421 2.422

2.434 2.448 2.454

A. Gesellschaft als Rechtsträger | Rz. 2.2 Kap. 2 Literatur: Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer beim Unternehmenskauf bei noch nicht feststehender Akquisitionsstruktur, DB 2005, 2491; Behrens/Seemaier, § 6a GrEStG: Anmerkungen zu den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 22.9.2020, Ubg 2020, 631; Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Behrens/Seemaier, Die Urteile des BFH v. 21. und 22.8.2019 zur Konzernklausel des § 6a GrEStG, DStR 2020, 1411; Broemel, Zur Anwendung von § 6a GrEStG bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens, DStR 2021, 2953; Broemel/Mörwald, Der neue Anwendungserlass zu § 6a GrEStG – Analyse, Praxisfolgen, neue Streitpunkte, DStR 2021, 140; Brühl, Die neuen Ländererlasse zu § 6a GrEStG, GmbHR 2021, 126; Brühl/ Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Brühl/Weiss, Keine Besteuerungsschaukel! – Die Rückoption zur transparenten Besteuerung nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 945; Carlé, Realteilung im Grunderwerbsteuerrecht, KÖSDI 2022, 22709; Demuth, Themen – Gestaltungsfeld Realteilung nach dem neuen Erlass, KÖSDI 2019, 21392; Fischer, Die Niederlassung von EU-Kapitalgesellschaften in Deutschland nach dem Brexit – ein Überblick, NZG 2021, 483; Fleischer/ Schmidt/Görnig, Neuer Anwendungserlass zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG – eine kritische Auseinandersetzung, Stbg 2021, 26; Heck, Die Grenzen der Interpolation im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2021, 2110; Heinze, Der Mauracher Entwurf und die Abkehr von der Gesamthand – Gefahren im Steuerrecht?, DStR 2020, 2107; Käshammer/ Schumann, Ländererlasse zu § 6a GrEStG: Umstrukturierungshindernis im Lichte der zögerlichen Kehrtwende der Finanzverwaltung, DB 2021, 749; Kesseler, Die grunderwerbsteuerliche Behandlung des Familienwohnheims nach der Scheidung, DStR 2010, 2173; Lüdicke/Schnitger, Ausweitung des § 6a GrEStG auf Umwandlungen in DBA-Drittstaaten, DStR 2011, 1005; Teiche, Fiktive Grundstückserwerbe und ihre Begünstigung nach § 3 GrEStG, BB 2008, 196; Viskorf, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück?, DStR 2021, 74; Wischott/Graessner, Neue Ländererlasse zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, NWB 2021, 18.

A. Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht I. Erfordernis des Rechtsträgerwechsels Das GrEStG knüpft die Steuerbelastung im Rahmen sämtlicher Erwerbstatbestände an den Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist auch für sämtliche Grundstücksübertragungen im Unternehmen maßgeblich.

2.1

Der Gesellschafter und die Personen- bzw. Kapitalgesellschaft werden für grunderwerbsteuerliche Zwecke, den Wertungen des Zivilrechts folgend, jeweils als eigenständiger Rechtsträger behandelt, weshalb Grundstücksübertragungen von einer Gesellschaft auf eine Gesellschaft regelmäßig zu steuerbaren Rechtsträgerwechseln führen. Dies gilt selbst dann, wenn die Übertragung von einem Gesellschafter auf „seine“ Gesellschaft oder von einer Gesellschaft auf „ihren“ Gesellschafter erfolgt. Zu den Voraussetzungen der Steuerbegünstigungsvorschriften gem. §§ 5, 6 GrEStG wird u.a. auf Rz. 2.93 ff. und Rz. 2.175 ff. verwiesen.

2.2

Graessner | 39

Kap. 2 Rz. 2.3 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.3 Auch Grundstücksübertragungen innerhalb eines sog. Konzerns, also einer Vielzahl gesellschaftsrechtlich miteinander verbundener Gesellschaften, werden als Rechtsträgerwechsel von den Erwerbstatbeständen des GrEStG erfasst. Für derartige Übertragungen sieht das GrEStG per se keinen Ausnahmetatbestand vor. Die Gesellschaften eines Konzerns stellen eigenständige Rechtsträger dar und bilden aus grunderwerbsteuerlicher Sicht auch keine „wirtschaftliche Einheit“.1 Zu den Voraussetzungen der Steuervergünstigung bei Umstrukturierung im Konzern gem. § 6a GrEStG wird u.a. auf Rz. 2.63 ff. verwiesen. 2.4 Anders als andere Steuergesetze ist das GrEStG im Rahmen seiner Erwerbstatbestände grds. rechtsformneutral ausgestaltet. Ob ein Grundstück auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft als neuen Rechtsträger übertragen wird, spielt für den Eintritt eines steuerbaren Rechtsträgerwechsels zunächst keine Rolle. Eine Durchbrechung dieser Rechtsformneutralität im GrEStG findet sich bei den sog. Ergänzungstatbeständen (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) und bei der Anwendung der Steuerbegünstigungsvorschriften (§§ 5, 6 GrEStG). II. Kapitalgesellschaft als eigenständiger Rechtsträger

2.5 Zu den Kapitalgesellschaften als eigenständigem Rechtsträger i.S.d. GrEStG gehören insbesondere: – die Aktiengesellschaft (AG), – die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), – die Unternehmergesellschaft (UG), – die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), – die Genossenschaft und – der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG).

2.6 Weitere juristische Personen des Privatrechts in der Form eines eigenständigen Rechtsträgers sind der eingetragene Verein (e.V.) und die Stiftung des Privatrechts. Daneben kommen juristische Personen des öffentlichen Rechts (wie z.B. Städte, Gemeinden, Anstalten) in Betracht. 2.7 Auch die Vorgesellschaft einer KapGes. (z.B. Vor-GmbH) kann eigenständiger Rechtsträger einer Grundstücksübertragung sein. Eine Vor-GmbH besteht ab dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung im Handelsregister. Soweit sie keine Rechtsfähigkeit voraussetzen, sind die Vorschriften des GmbHG bereits auf die Vor-GmbH anzuwenden. Darüber hinaus ist die Vorgesellschaft insbesondere firmen-, komplementär-, grundbuch- und insolvenzfähig, d.h.

1 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1258; Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 23.

40 | Graessner

A. Gesellschaft als Rechtsträger | Rz. 2.12 Kap. 2

sie kann unbeschränkt Grundstücke erwerben. Die Vor-GmbH wird wie eine KapGes. behandelt und ist mit der später eingetragenen GmbH identisch (selber Rechtsträger).2 Eine Vor-GmbH, bei der die Eintragungsabsicht von vornhinein fehlte oder später aufgegeben worden ist, wird hingegen wie eine PersGes. behandelt.3 Nicht mit der eingetragenen GmbH identisch ist dagegen die Vorgründungsgesellschaft. Hierunter versteht man eine Gesellschaft vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages. Eine solche Gesellschaft stellt regelmäßig noch keine juristische Person dar, sondern wird als GbR oder – soweit ein Handelsgeschäft betrieben wird – als oHG qualifiziert, welche als Zweck die Gründung einer KapGes. verfolgt.4

2.8

Rechtlich ist die Gründung einer Vorgründungsgesellschaft entbehrlich und stellt keine Voraussetzung für den Abschluss des GmbH-Gesellschaftsvertrages dar. Aus praktischer Sicht hingegen kann ein solcher Zusammenschluss zur Vorgründungsgesellschaft jedoch gerade bei umfangreicheren GmbH-Gründungen zur Vornahme vorbereitender Handlungen zweckmäßig sein.5

2.9

III. Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger a) Überblick Auch Personengesellschaften sind für Zwecke des Grunderwerbsteuerrechts als selbständige Rechtsträger zu qualifizieren. Daher stellen Grundstücksübertragungen zwischen dem Gesellschafter und einer PersGes., an welcher der Gesellschafter beteiligt ist, Rechtsträgerwechsel i.S. des GrEStG dar. Zu den PersGes. gehören insbesondere:

2.10

– die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 705 ff. BGB – die offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB – die Kommanditgesellschaft, §§ 161 ff. HGB – die Partnerschaftsgesellschaft, §§ 1 ff. PartG Sowohl KapGes. als auch PersGes. sind folglich für Zwecke des GrEStG als eigenständige Rechtsträger einzustufen. Ein wesentlicher Unterschied besteht unter anderem in der vermögensmäßigen Strukturierung der Rechtsformen.

2.11

b) Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft (derzeitige Rechtslage) Während die KapGes. eigenes, verselbständigtes Vermögen bildet, ist die PersGes. nach derzeitiger Rechtslage als sog. Gesamthandsgemeinschaft zu qualifizieren.

2 3 4 5

BFH v. 3.9.2009 – IV R 38/07, BStBl. II 2010, 60. BFH v. 7.4.1998 – VII R 82/97, BStBl. II 1998, 531. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 45. Servatius in Noack/Servatius/Haas23, § 11 GmbHG Rz. 35.

Graessner | 41

2.12

Kap. 2 Rz. 2.13 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.13 Das Grunderwerbsteuerrecht folgt aktuell noch der traditionellen Gesamthandslehre. Danach ist jeder Gesellschafter der PersGes. sachenrechtlich am (Gesamthands-)Vermögen der PersGes. mitberechtigt. Charakteristisch ist für eine solche Gesamthandsgemeinschaft, dass der einzelne Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen kann. Eine solche Verfügung kann nur gemeinschaftlich durch die Gesamthänder erfolgen. Mit anderen Worten: Jeder Gesamthandseigentümer hält einen ideellen Anteil am Gesamthandsvermögen. Die Gesellschafter sind am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen beteiligt; diese Gesamthandsberechtigung aller Gesellschafter ist ungeteilt.6 2.14 Ergänzend ist anzumerken, dass der neuen Gesamthandstheorie, die von der hM im Zivilrecht vertreten wird, bereits das Verständnis zu Grunde gelegt wird, dass das Gesellschaftsvermögen Vermögen der PersGes. ist.7 Insofern wird im Grunderwerbsteuerrecht derzeit noch ein veraltetes Rechtsbild angewendet. Zu den geplanten Änderungen im Gesellschaftsrecht wird auf den nachfolgenden Abschnitt unter Rz. 2.18 ff. verwiesen. 2.15 Neben den PersGes. bilden u.a. die Erbengemeinschaft, der nichtrechtsfähige Verein, die Gütergemeinschaft bzgl. des Gesamtgutes, die Partenreederei und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Gesamthandsvermögen. Diese Rechtsformen stellen keine PersGes. dar, fallen jedoch wegen der Bildung von Gesamthandsvermögen wie PersGes. in den Anwendungsbereich der §§ 5 und 6 GrEStG. Die grunderwerbsteuerliche Selbständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen folgt aus deren zivilrechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens.8 2.16 Beispiel 1 (angelehnt an BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12): Eine Erbengemeinschaft besteht aus zwei Miterben. Zum Nachlass gehört auch eine Beteiligung i.H.v. 85 % an der grundbesitzenden C GmbH. Die weiteren Anteile i.H.v. 15 % werden von P gehalten. Am 1.1.2020 beschließen Gesellschafter der C GmbH das Kapital i.H.v. 100.000 um 400.000 auf 500.000 zu erhöhen, die durch die Erbengemeinschaft vollständig übernommen wird. Anschließend hält die Erbengemeinschaft 97 % und P 3 % der Anteile an der C GmbH. Am 30.4.2020 erwirbt die Erbengemeinschaft auch die verbleibenden Anteile des P an der C GmbH.

6 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 69 und 70. 7 Vgl. u.a. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 72 und 79; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht4, S. 1364; Schäfer in MünchKomm.BGB8, § 718 BGB Rz. 36; Habermeier in Staudinger13, § 719 BGB Rz. 2. 8 BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536 ff.

42 | Graessner

A. Gesellschaft als Rechtsträger | Rz. 2.17 Kap. 2

01.01.2020: Kapitalerhöhung bei C GmbH A

B

A

Erbengemeinschaft 85 %

30.04.2020: Erwerb der Anteile (3 %) von P

P

15 %

C GmbH

A

B

Erbengemeinschaft 97 %

C GmbH

Nachher:

P

3%

B

Erbengemeinschaft 100 %

C GmbH

Erhöhung des Kapitals i.H.v. 100.000 um 400.000 auf 500.000 (Erbengemeinschaft) Abb. 1 Die Erbengemeinschaft ist als selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts anzusehen. Durch die Übernahme sämtlicher Anteile aus der Kapitalerhöhung haben sich erstmals mind. 95 % der Anteile an der grundbesitzenden C GmbH in der Hand der Erbengemeinschaft gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Fassung vor dem 1.7.2021 vereinigt. Den Miterben A und B steht nur gemeinschaftlich und nicht etwa jedem einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbanteil der Anteil an der C GmbH zu. Der Erwerb der verbleibenden Anteile des P an der C GmbH am 30.4.2020 stellt eine unbeachtliche Verstärkung der Beteiligung an der C GmbH dar.

Die stille Gesellschaft gehört weder in ihrer typischen noch in einer atypischen Ausprägung zu den PersGes. und bildet auch kein Gesamthandsvermögen9, da regelmäßig nur ein schuldrechtlicher Anspruch am Vermögen eines Handelsgewerbes begründet wird. Stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen sind somit weder eigene Rechtsträger i.S. des GrEStG noch fallen sie in den Anwendungsbereich der Steuerbegünstigungen.

9 Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 12.

Graessner | 43

2.17

Kap. 2 Rz. 2.18 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

c) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (ab 1.1.2024)

2.18 Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG)10 ist eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts vorgesehen. Die geänderten Regelungen werden in den wesentlichen Teilen am 1.1.2024 in Kraft treten.11 Danach wird die im Zivilrecht vorherrschende Auffassung zur Auslegung der PersGes. (Gesamthandstheorie) nunmehr gesetzlich festgeschrieben, d.h. zukünftig ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten und nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. 2.19 Die Änderungen betreffen nicht nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 713 BGBneu), sondern auch sämtliche Personenhandelsgesellschaften (§ 105 Abs. 3 HGB-neu, § 161 Abs. 2 HGB-neu) sowie Partnerschaftsgesellschaften (§ 1 Abs. 4 PartGG-neu). 2.20 Daneben wird auch die zivilrechtliche Qualifikation der PersGes. als Gesamthandsgemeinschaft zukünftig aufgehoben. Damit fallen PersGes. formal aus dem Anwendungsbereich der aktuellen Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG heraus, da diese Vorschriften eine „Gesamthand“ voraussetzen. Die zukünftige Rechtslage zu diesen Steuervergünstigungen ist derzeit noch offen. 2.21 Hinsichtlich der näheren Einzelheiten zum MoPeG wird auf die Ausführungen unter Rz. 2.101 verwiesen. IV. Ausländische Gesellschaft als eigenständiger Rechtsträger

2.22 Ausländische Gesellschaften können grds. ebenfalls als eigenständiger Rechtsträger i.S. des GrEStG anzuerkennen sein. Die Erwerbstatbestände des deutschen GrEStG knüpfen nicht an den Sitz des Rechtsträgers, sondern lediglich an die Belegenheit des Grundstücks im Inland an. Erwirbt also eine ausländische Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterfällt dieser Erwerb genauso der Grunderwerbsteuer als habe eine inländische Gesellschaft das Grundstück erworben. Insofern sieht das GrEStG keine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsträgern vor.12 Für die Rechtsträgerschaft ist jedoch maßgeblich, dass die ausländische Gesellschaft aus Sicht des deutschen GrEStG wirksam zur Entstehung gelangt ist und tatsächlich besteht. 2.23 Welche Rechtsordnung bzw. welches Gesellschaftsstatut auf eine KapGes. anzuwenden ist, bestimmt sich entweder nach der sog. Sitztheorie oder der Gründungstheorie.13 Die Sitztheorie stellt dabei auf das Recht des Staates ab, in welchem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Die Gründungstheorie hingegen stellt

10 11 12 13

Gesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 ff. Art. 137 MoPeG. BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932. Schaub in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, Anhang § 12 HGB Rz. 2.

44 | Graessner

B. Grundstücksübertragungen in der Gründungsphase | Rz. 2.27 Kap. 2

nicht auf den tatsächlichen Verwaltungssitz, sondern darauf ab, welche Rechtsordnung die Gründer der Gesellschaft gewählt haben.14 Aus Sicht der deutschen Rechtsordnung ist zwar vorrangig die Sitztheorie anzuwenden15, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit wird im Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit die Sitztheorie jedoch überlagert, so dass die Gründungstheorie maßgeblich ist.16 Dadurch ist es möglich, dass eine Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, aber nach der Rechtsordnung eines anderen EU-Mitgliedstaates gegründet wurde.17

2.24

Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht kann es für ausländische Rechtsträger unter anderem für die Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG relevant sein, ob der ausländische Rechtsträger als PersGes. einzustufen ist bzw. ob die rechtliche Struktur im Wesentlichen der einer Gesamthand entspricht. Diese Frage ist unter Anwendung des sog. Rechtstypenvergleichs zu beantworten. Bei diesem ist auf die Regelungen des ausländischen Gesellschaftsrechts abzustellen. Der Rechtstypenvergleich hat grds. anhand des gesetzlichen Leitbilds der ausländischen Gesellschaft zu erfolgen.18 Die maßgeblichen Kriterien bestehen dabei unter anderem in der Art der Geschäftsführung, Vertretung, Haftung sowie formaler Gründungsvoraussetzungen und der Abhängigkeit der Gesellschaft vom Gesellschafterbestand.

2.25

Anhand des ausländischen (Gesellschafts-)Rechts sollten außerdem die Eigentumsverhältnisse geprüft werden. Der ausländische Rechtsträger muss nicht nur wirksam zur Entstehung gelangt sein und tatsächlich bestehen, sondern auch tatsächlich der Rechtsträger des inländischen Grundstücks sein und nicht etwa der hinter der Gesellschaft stehende Gesellschafter.

2.26

B. Grundstücksübertragungen in der Gründungsphase I. Kapitalgesellschaft In der Praxis findet die Grundstücksübertragung auf eine KapGes. häufig im Rahmen ihrer Gründung statt. So kann zum Beispiel zur Erbringung des erforderlichen Stammkapitals einer GmbH ein Grundstück in das Vermögen der GmbH übertragen werden. Innerhalb der Gründungsphase einer KapGes. ist dabei zwischen den drei Gründungsstadien zu unterscheiden: Schaub in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, Anhang § 12 HGB Rz. 13. Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 24 und auch Rz. 25.1 zu den Folgen des Brexit. Fischer, NZG 2021, 483 (484). EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01, NJW 2003, 3331; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 32. 18 Vgl. z.B. gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2 unter Verweis auf Tabellen 1 und 2 des BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 ff. und zu den maßgebenden Kriterien für den Rechtstypenvergleich auf BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411 ff. zur Einordnung einer U.S.-amerikanischen Limited Liability Company. 14 15 16 17

Graessner | 45

2.27

Kap. 2 Rz. 2.27 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

– die Vorgründungsgesellschaft, – die Vor-GmbH und – die letztlich zur Entstehung kommende KapGes.

2.28 Eine sog. Vor-GmbH besteht vom Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen beurkundeten Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung der Gesellschafter zum Handelsregister. Hiervon abzugrenzen ist die Vorgründungsgesellschaft; diese betrifft die Gründungsphase vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages. Bei der Vorgründungsgesellschaft handelt es sich zivilrechtlich um eine PersGes., deren Zweck allein auf die Gründung einer Gesellschaft gerichtet ist (s. auch Rz. 2.7 bis 2.9). 2.29 Zivilrechtliche Grundstücksübertragungen zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der Vor-GmbH sind nach § 1 Abs. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Dies folgt daraus, dass es sich bei der Vorgründungsgesellschaft und Vor-GmbH nicht um identische Rechtsträger handelt und zum anderen das Vermögen der Vorgründungsgesellschaft nicht automatisch von der Vorgründungsgesellschaft mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages auf die Vor-GmbH übergeht. Denn das Vermögen der Vorgründungsgesellschaft muss im Wege der Einzelübertragung auf die Vor-GmbH übertragen werden.19 Mangels rechtlicher Identität zwischen Vorgründungsgesellschaft und Vor-GmbH liegt bei einer solchen Grundstücksübertragung daher ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel vor. Diese Folgen sind bereits im Rahmen einer Übertragung von Grundstücken auf die Vorgründungsgesellschaft zu berücksichtigen, um das ansonsten drohende Risiko des doppelten Anfalls von Grunderwerbsteuer zu erkennen bzw. zu vermeiden. 2.30 Dagegen bleibt eine Grundstücksübergang von einer Vor-GmbH auf die mit Eintragung im Handelsregister entstehende GmbH ohne grunderwerbsteuerliche Auswirkung, da diese beiden Gesellschaften nach allgemeiner Auffassung als rechtlich identisch angesehen werden.20 Etwas anderes kann hingegen gelten, wenn eine Vor-GmbH ein Grundstück erwirbt und es anschließend nicht zur Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kommt. In diesem Fall wird die Vor-GmbH aufgelöst und die Auflösung führt zur (Rück-)Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschafter, weshalb ein Rechtsträgerwechsel und folglich ein steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG).21 II. Personengesellschaft

2.31 Im Rahmen der Gründungsphase ist bei PersGes., anders als bei den KapGes., grds. keine Unterscheidung zwischen Vorgründungsgesellschaft und später entstandener Gesellschaft vorzunehmen. Es wird mit Abschluss eines Gesellschaftsvertrages ein Rechtsträger in Form einer (Außen-)GbR gegründet. Besteht der Zweck der Ge19 Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 20; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 45; BFH v. 8.11.1989 – I R 174/86, BStBl. II 1990, 91. 20 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 7. 21 BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210.

46 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.38 Kap. 2

sellschaft im Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 105 Abs. 1 HGB) oder erfolgt eine Eintragung ins Handelsregister (§ 105 Abs. 2 HGB) handelt es sich stattdessen um eine OHG oder KG. Auch eine Übertragung der Vermögensgegenstände im Wege der Einzelübertragung ist, anders als bei der Vorgründungsgesellschaft und Vor-Gesellschaft, daher nicht erforderlich. Insofern scheidet eine Übertragung eines inländischen Grundstücks auf einen neuen Rechtsträger und damit die Verwirklichung eines grunderwerbsteuerbaren Erwerbstatbestandes innerhalb der Gründungsphase aus.

2.32

C. Grundstücksübertragung von dem Gesellschafter auf die Gesellschaft I. Formen der Grundstücksübertragung Die Übertragung von Grundstücken zwischen Gesellschafter und Gesellschaft kann in unterschiedlichster Weise erfolgen. Dies reicht von der einfachen Übertragung eines Grundstücks durch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts, das einen Anspruch auf Übereignung begründet sowie der anschließenden Erfüllung dieses Anspruchs durch Übereignung, bis hin zu Einbringungs- oder anderen gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsvorgängen.

2.33

Diese unterschiedlichen Übertragungsvorgänge werden in den einzelnen Erwerbstatbeständen des GrEStG abgebildet. Möchte ein Gesellschafter ein Grundstück in das Vermögen einer Gesellschaft übertragen, bestehen daher eine Vielzahl an rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.

2.34

Zu den typischen Rechtsgeschäften, auf welche der Gesellschafter zurückgreifen kann, gehört unter anderem der Kauf- und Übertragungsvertrag sowie der Schenkungsvertrag.

2.35

Auch durch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) oder den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG), kann es zu einer (mittelbaren) Grundstücksübertragung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft kommen.

2.36

Zudem kommt eine Einräumung eines Erbbaurechts an einem Grundstück in Betracht.

2.37

Eine weitere Möglichkeit ist der Abschluss eines sog. Einbringungsvertrages. Die Einbringung ist grds. ein (ertrag-)steuerrechtlich geprägter Begriff, welcher unter anderem im Rahmen der §§ 20 ff. und § 24 UmwStG verwendet wird, aber im Steuerrecht nicht ausdrücklich definiert wird.22 Aus zivilrechtlicher Sicht ist damit der Abschluss eines Vertrages gemeint, durch den sich der Einbringende zur Übereignung

2.38

22 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 1 UmwStG Rz. 101.

Graessner | 47

Kap. 2 Rz. 2.38 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

eines Vermögensgegenstandes (hier: eines Grundstücks) verpflichtet und als Gegenleistung Gesellschaftsrechte erhält. Es handelt sich regelmäßig um einen Rechtsvorgang, durch den ein Gesellschafter eine Sacheinlageverpflichtung (z.B. § 5 Abs. 4 GmbHG) oder eine sonstige Beitragspflicht erfüllt.23 Die Besonderheit der Einbringung besteht also im Wesentlichen in der Form der Gegenleistung, welche in Gesellschaftsrechten besteht. Der Einbringungsvertrag unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.24 Für die Höhe der Gegenleistung besteht mit § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG zudem eine Sonderregelung, wonach diese anhand des Grundbesitzwertes im Sinne des BewG zu ermitteln ist.

2.39 Ebenfalls möglich sind Grundstücksübertragungen aufgrund von Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG. Die Besonderheit der Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung i.S.d. § 1 UmwG besteht unter anderem darin, dass das Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den aufnehmenden Rechtsträger übergeht. Die Eigentumsübertragung erfolgt kraft Gesetzes. Daher ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt. II. Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Kauf- und Übertragungsvertrag

2.40 Der einfachste und in der Praxis häufigste Fall der Grundstücksübertragung von einem Gesellschafter auf eine KapGes. ist der schlichte Abschluss eines Kauf- und Übertragungsvertrages. 2.41 Da sich das Grunderwerbsteuerrecht grds. am Zivilrecht orientiert, hat die zivilrechtliche Trennung zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft auch für die grunderwerbsteuerliche Bewertung eine besondere Bedeutung. So ist für die Entstehung der Steuer bei einem Kaufvertrag über eine Grundstücksübertragung allein das Verpflichtungsgeschäft entscheidend, also der rechtswirksame Vertragsabschluss.25 Der Zeitpunkt der dinglichen Einigung und Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch ist dagegen unerheblich. Der durch den Kaufvertrag begründete Rechtsträgerwechsel löst einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus. Steuerpflichtige und Steuerschuldner sind gem. § 13 Nr. 1 GrEStG der veräußernde Gesellschafter und die erwerbende KapGes., wobei vertraglich im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages regelmäßig im Innenverhältnis vereinbart wird, dass die Grunderwerbsteuer von dem Erwerber zu tragen ist.

23 Viskorf in Viskorf20, § 8 GrEStG Rz. 72; Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 8 GrEStG Rz. 21; BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. 24 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302; BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329. 25 OFD NRW v. 8.1.2015, S 4539-2015/0001, FMNR014380015.

48 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.46 Kap. 2 Beispiel 2: A, alleiniger Gesellschafter der B GmbH, überträgt gemäß notariell beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrag vom 30.4.01 ein Grundstück auf die B GmbH. Die Übergabe des Grundstücks erfolgt am 1.6.01, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch am 1.8.01.

2.42

Zivilrechtlich geht das Eigentum erst mit Grundbucheintragung am 1.8.01 über. Das wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 AO geht hingegen am 1.6.01 über. Für die Verwirklichung des grunderwerbsteuerbaren Tatbestandes ist jedoch bereits der Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages (Verpflichtungsgeschäft) am 30.4.01 maßgeblich.

Enthält das Verpflichtungsgeschäft eine aufschiebende Bedingung oder bedarf es einer Genehmigung, wird der grunderwerbsteuerbliche Tatbestand erst mit Eintritt der Bedingung bzw. der Erteilung der Genehmigung erfüllt und damit zeitlich verzögert die Grunderwerbsteuer ausgelöst (Steuerentstehung i.S.d. § 14 GrEStG, § 38 AO).26

2.43

b) Steuerbefreiung bzw. -vergünstigungen Bei einer Grundstücksübertragung von einem Gesellschafter auf eine KapGes. im Wege eines allgemeinen Rechtsgeschäfts kommt eine grunderwerbsteuerliche Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen unmittelbar von der KapGes. selbst erfüllt werden können. Bei einem allgemeinen Rechtsgeschäft, wie dem Grundstücksverkauf, scheitert eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG tatbestandlich daran, dass kein Beziehungs- oder Verwandtschaftsverhältnis eines Gesellschafters zu einer KapGes. bestehen kann. Insofern scheidet eine Steuerbefreiung z.B. nach § 3 Nr. 4 GrEStG (Ehegatten bzw. Lebenspartner) oder nach § 3 Nr. 6 GrEStG (Verwandtschaftsverhältnis) aus der Natur der Sache aus; gleiches gilt auch für § 3 Nr. 5, 5a GrEStG (Scheidung bzw. Vermögensauseinandersetzung bei Lebenspartnern) und § 3 Nr. 7 GrEStG (Teilung des Gesamtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft).

2.44

Aber auch im Falle einer unentgeltlichen Grundstücksübertragung liegen die Voraussetzungen insb. einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (Schenkung bzw. Erbfall) im Verhältnis der KapGes. zu ihren Gesellschaftern nicht vor. Es fehlt an der Freigiebigkeit der Zuwendung, weil die Grundstücksübertragung auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht. Zudem steht dem Vermögensopfer des Gesellschafters eine Werterhöhung seiner Gesellschaftsanteile gegenüber.27

2.45

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kann aber anwendbar sein, wenn eine KapGes. ein Grundstück durch Erbanfall oder auf Grund eines Vermächtnisses selbst erwirbt; denn eine KapGes. als juristische Person kann selbst Erbin oder Vermächtnisnehmer sein (§§ 21 ff., § 2101 Abs. 2. BGB). Ebenso kann § 3 Nr. 3 GrEStG

2.46

26 Zur Abgrenzung von Steuerentstehung und Tatbestandsverwirklichung vgl. z.B. Bartone in Viskorf20, § 14 GrEStG Rz. 10. 27 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 10 unter Hinweis auf BFH v 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010, 566; gleich lautende Erlasse zu Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 1.

Graessner | 49

Kap. 2 Rz. 2.46 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

(Erbauseinandersetzung) zu Gunsten einer KapGes. greifen, wenn sie als Miterbin ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zur Teilung des Nachlasses erwirbt.

2.47 Auch im Rahmen des Rückerwerbs eines Grundstücks durch die Gesellschaft bei Auflösung eines Treuhandverhältnisses kann eine Steuerbefreiung in Betracht kommen. Hat die Gesellschaft als Treugeber das Eigentum an einem Grundstück zunächst auf den Gesellschafter als Treuhänder übertragen und erhält die Gesellschaft dann das Eigentum an diesem Grundstück aufgrund der Auflösung des Treuhandverhältnisses zurück, kann auf diesen Rückerwerb – unabhängig von § 16 GrEStG – eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG zur Anwendung kommen. 2.48 Dagegen scheitert die Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG bereits am Wortlaut der Norm. Denn tatbestandlich wird die Übertragung auf oder von einer Gesamthand (PersGes.) vorausgesetzt. Das Gesamthandsvermögen ist den KapGes., anders als den PersGes., jedoch fremd. 2.49 Auch eine Steuervergünstigung auf Grund des § 6a GrEStG (Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern) scheidet bei der Übertragung eines einzelnen Grundstücks im Wege der Einzelrechtsnachfolge (z.B. durch Abschluss eines Kaufvertrages) aus. Es liegt ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, der nicht zu den begünstigten Erwerbsvorgängen der Konzernklausel gehört. Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Vorschrift, konzerninterne Restrukturierungen zu vereinfachen, wäre eine Erweiterung der Konzernklausel zwar zu begrüßen, aktuell ist der Wortlaut der Vorschrift diesbezüglich leider eindeutig. 2.50 Im Ergebnis kommt daher beim Abschluss eines einfachen Grundstückskaufvertrages mit einer KapGes. regelmäßig weder eine Steuerbefreiung noch Steuervergünstigung in Betracht. Dies gilt selbst dann, wenn es sich beim Veräußerer oder Erwerber des Grundstücks um den Alleingesellschafter einer sog. „Ein-Mann-GmbH“ handelt. Zwar steht personell dieselbe natürliche Person auf Veräußerer- und Erwerberseite. Es kommt jedoch die rechtliche Verselbständigung der KapGes. sowie das dem GrEStG zugrundeliegende Prinzip des Rechtsträgerwechsels zum Tragen. 2.51 Hinsichtlich der näheren Einzelheiten zu den Befreiungstatbeständen des § 3 GrEStG wird auf die Ausführungen unter Rz. 2.295 ff. verwiesen. c) Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage

2.52 Für die Ermittlung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist grds. der vereinbarte Kaufpreis als Gegenleistung maßgeblich. Dabei ist es auch möglich, dass als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung nicht der Verkehrswert vereinbart wird, sondern ein deutlich niedrigerer Wert (z.B. 10 % bis 20 % des Verkehrswertes). Auf diese Weise kann aus grunderwerbsteuerlicher Sicht die Bemessungsgrundlage reduziert werden. Dies ist für grunderwerbsteuerliche Zwecke vor dem Hintergrund des § 9 GrEStG grds. anzuerkennen. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn es sich bloß um einen „symbolischen Kaufpreis“ handelt (1 Euro). Es sind jedoch unter anderem die ertragsteuerlichen Folgewirkungen einer Veräußerung unterhalb des Verkehrswertes zu bedenken (verdeckte Einlage). Zudem ist vor der Vereinbarung ei50 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.58 Kap. 2

nes Kaufpreises unter dem Verkehrswert das Vorliegen eines etwaigen Vorkaufsrechts zu Gunsten eines Dritten zu prüfen. Zu den weitergehenden Ausführungen hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage s. auch Kap. 8.A.28 Zu weitergehenden Ausführungen hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage s. auch Kap. 8.A. Rz. 8.1 ff.

2.53

2. Einbringungsvorgänge a) Einbringungsvertrag Überträgt ein Gesellschafter ein Grundstück im Wege der Einbringung auf die KapGes., ist Grundlage hierfür der Abschluss eines sog. Einbringungsvertrages. Der Einbringungsvertrag unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, welche mit dem schuldrechtlich wirksamen Vertragsabschluss entsteht.29

2.54

Beispiel 3: A und B sind an einer KapGes. zu je 50 % beteiligt. Zudem ist A Eigentümer eines Grundstücks. Am 30.4.01 verpflichtet sich A durch notariell beurkundeten Vertrag, das Grundstück gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsrechten an der KapGes. zu übertragen (keine aufschiebende Bedingung); anschließend bewilligt er die Auflassung und bewilligt die Eintragung des Eigentumsübergangs auf die KapGes. in das Grundbuch.

2.55

Die Übertragung des Grundstücks stellt einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Die Grunderwerbsteuer entsteht folglich am 30.4.01 mit zivilrechtlich wirksamen Abschluss des Einbringungsvertrages. Auf die Auflassung und die Eintragung im Grundbuch kommt es dagegen nicht an.

b) Steuerbefreiungen bzw. -vergünstigungen Für die Einbringung von Grundstücken als besondere Form eines Rechtsgeschäfts gelten für die Anwendung von Steuerbefreiungs- bzw. Steuervergünstigungsvorschriften im Zusammenhang mit KapGes. die gleichen Grundsätze wie bei einer Grundstücksübertragung z.B. im Wege des Kaufs.

2.56

Auch für diese Einbringungsvorgänge scheidet die Anwendung insbesondere der §§ 3, 5, 6 GrEStG aus.

2.57

Ebenso ist die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) jedenfalls bei der Einbringung von Grundstücken (anders bei der Einbringung von Anteilen, s. Kap. 6.B. Rz. 6.147 ff.) nicht anwendbar, da es sich – wie bei einem Grundstückskaufvertrag – um eine Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge handelt, die als Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht unter die von

2.58

28 Nienhaus in Behrens/Wachter, § 8 GrEStG Rz. 15 ff. 29 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302; BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329.

Graessner | 51

Kap. 2 Rz. 2.58 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

§ 6a GrEStG begünstigten Vorgänge fällt.30 Der Vorgang bleibt folglich in voller Höhe grunderwerbsteuerpflichtig. c) Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage

2.59 Da die Gegenleistung in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht, ermittelt sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG anhand der Grundbesitzwerte gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. 3. Umwandlungsvorgänge a) Grundstücksübertragung als Alternative

2.60 Darüber hinaus kann eine Grundstücksübertragung im Wege des Umwandlungsrechts auf eine KapGes. erfolgen. Dies kann aus Sicht des Steuerpflichtigen insofern interessant sein, da in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung auf Grundlage der Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) greifen können. 2.61 Dabei sollten aber neben den grunderwerbsteuerrechtlichen auch die ertragsteuerlichen Folgen berücksichtigen werden (wie z.B. verdeckte Gewinnausschüttung, Ertragsteuerneutralität). Regelmäßig stellt sich ertragsteuerlich bei der Übertragung eines Grundstücks als einzigen Vermögensgegenstand die Frage, ob die Voraussetzungen eines Teilbetriebs für eine ertragsteuerneutrale Umwandlung vorliegen. Eine Grundstücksübertragung im Wege des Umwandlungsrechts zur Inanspruchnahme des § 6a GrEStG stellt regelmäßig nur dann eine Option dar, wenn in dem Grundstück keine oder nur geringfügige stille Reserven vorhanden sind oder die stillen Reserven überhaupt keine Ertragsteuern auslösen, wie z.B. für den Fall, dass ein Grundstück aus dem Privatvermögen nach Ablauf der Haltefrist von zehn Jahren gem. § 23 EStG auf die KapGes. des Gesellschafters übertragen wird.31 2.62 Insofern ist neben den nachfolgend dargestellten Voraussetzungen einer Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) vorab zu prüfen, ob alternativ eine Grundstücksübertragung anstelle der Übertragung im Wege der Umwandlung vorzugswürdig ist. Dies könnte – vorbehaltlich möglicher weiterer steuerrechtlicher Auswirkungen (z.B. aus Sicht der Ertragsteuer oder der Schenkungsteuer) – der Verkauf des Grundstücks zu einem niedrigeren Kaufpreis sein. Beim Kauf ist grds. der Wert der Gegenleistung Bemessungsgrundlage zur Ermittlung der GrESt und nicht der Verkehrswert des Grundstücks. Daher ist auch dann auf die vereinbarte Gegenleistung abzustellen, wenn die Vertragsparteien einvernehmlich einen Kauf30 BFH v. 22.11.2018 – II B 8/18, DStR 2018, 2636; vgl. auch gleich lautende Ländererlasse zur Änderung des § 6a GrEStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1375 und gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 2.3. 31 Broemel, DStR 2021, 2953 (2955).

52 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.66 Kap. 2

preis vereinbaren, der deutlich unter dem gemeinen Wert liegt.32 Etwas anderes gilt, wenn lediglich ein Kaufpreis in symbolischer Höhe – wie z.B. i.H.v. 1 Euro – vereinbart wird. In diesem Fall lehnt die Rechtsprechung den vereinbarten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage ab und der Wert ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG zu ermitteln.33 Zudem ist vor der Vereinbarung eines Kaufpreises unterhalb des Verkehrswertes das Vorliegen eines etwaigen Vorkaufsrechts zu Gunsten eines Dritten zu prüfen. b) Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern Allgemeine Voraussetzungen der Steuervergünstigung: Für die Übertragung eines einzelnen Grundstücks im Wege der Umwandlung von dem Gesellschafter auf eine KapGes. kann der grunderwerbsteuerbare Vorgang nach § 6a GrEStG in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass es sich um

2.63

– einen begünstigten Umwandlungsvorgang und – einen begünstigten Erwerbsvorgang handelt und – ein sog. Konzernsachverhalt vorliegt. Als begünstigte Umwandlungsvorgänge werden nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 6a GrEStG – außer dem Formwechsel – fast sämtliche Übertragungen im Rahmen der Umwandlung (Gesamtrechtsnachfolge) erfasst, d.h.

2.64

– die Verschmelzung, – die Spaltung, – die Vermögensübertragung. Für die Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung ist dabei charakteristisch, dass mindestens ein Rechtsträger Vermögen durch Gesamtrechtsnachfolge auf andere Rechtsträger überträgt. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten als Gegenleistung regelmäßig einen Anteil an dem übernehmenden Rechtsträger (Verschmelzung und Spaltung) oder eine sonstige Leistung (Vermögensübertragung).34

2.65

Das UmwG erfasst bereits die grenzüberschreitende Verschmelzung, bei der mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen EU-/EWR-Mitgliedstaats unterliegt, vgl. § 122a bis § 122m UmwG. Auch ein solcher Umwandlungsvorgang kann von § 6a GrEStG privilegiert werden.35

2.66

32 33 34 35

Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 208. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 1 UmwG Rz. 1. S. auch zur umfassenden Novellierung des UmwG für den EU-/EWR-Raum gemäß dem Referentenentwurf v. 20.4.2022 des BMJ zu einem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (EU-Richtlinie 2019/2121 des EU-Parlaments und des EU-Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der EU-Richtlinie 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende

Graessner | 53

Kap. 2 Rz. 2.67 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.67 Als begünstigter Erwerbsvorgang muss einer der abschließend aufgezählten begünstigungsfähigen Tatbestände ausgelöst werden, d.h. § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG. 2.68 Schließlich ist die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG ausdrücklich auf sog. Konzernsachverhalte beschränkt. Die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern knüpft daher an weitere Voraussetzungen an. 2.69 Nach § 6a Satz 3 GrEStG sind nur solche Erwerbsvorgänge begünstigt, an denen – ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften (1. Alternative) oder – mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften (2. Alternative) beteiligt sind.

2.70 Wann ein herrschendes Unternehmen vorliegt, definiert das Gesetz nicht, ebenso wenig, ob es – z.B. in einer mehrstufigen Beteiligungskette – auch mehrere herrschende Unternehmen geben kann. Lediglich die abhängige Gesellschaft wird in § 6a Satz 4 GrEStG definiert. Danach ist eine Gesellschaft abhängig, wenn an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen – fünf Jahre vor dem steuerbaren Umwandlungsvorgang – und fünf Jahre nach dem steuerbaren Umwandlungsvorgang – mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 95 % beteiligt ist.

2.71 Nach Ansicht des BFH kann nicht nur eine juristische Person (wie z.B. die A GmbH und die B GmbH) als herrschendes Unternehmen in Betracht kommen, sondern auch jede natürliche Person oder PersGes. Unerheblich ist darüber hinaus, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privatoder im Betriebsvermögen hält, also insbesondere auch eine natürliche Person mit einer Beteiligung im Privatvermögen.36 Im Ergebnis kann also jeder Gesellschafter, der ein Grundstück auf seine KapGes. übertragen will, grds. als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG qualifiziert werden und somit in den Geltungsbereich der Steuervergünstigung gelangen. 2.72 Zudem muss das herrschende Unternehmen nach der Rechtsprechung des BFH für die Anwendung des § 6a GrEStG wirtschaftlich tätig sein. An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen (Teilnahme am Markt).37 Da eine konkrete Definition des Begriffs „wirt-

Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. L 321 v. 12.12.2019, S. 1; L 20 v. 24.1.2020, S. 24). 36 So z.B. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329. 37 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329; v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348.

54 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.76 Kap. 2

schaftliche Tätigkeit“ jedoch fehlt, kann es derzeit in Grenzfällen zweifelhaft sein, ob die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung noch erfüllt sind oder nicht. Es bleibt abzuwarten, ob diese Unklarheiten in Zukunft durch weitere Urteile geklärt werden: Die Nutzungsüberlassung des Grundstücks an einen Dritten sollte in diesem Sinne auf jeden Fall zur Begründung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreichend sein.38 Da die Grunderwerbsteuer keinen wirtschaftlichen Umsatz für eine Steuerbarkeit voraussetzt und sich auf die Rechtsänderung am Grundstück bezieht, sollte auch das Halten eines Grundstücks zu spekulativen Zwecken ausreichend sein.39 Ebenso sollte eine geschäftsleitende Holdinggesellschaft, die Dienstleistungen gegenüber ihren Konzerngesellschaften erbringt, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der BFHRechtsprechung ausüben.40 Etwas anderes sollte gelten, wenn es sich Vorratsgesellschaften oder reine Holdinggesellschaften handelt.41

2.73

Ist eine solche originäre wirtschaftliche Tätigkeit beim herrschenden Unternehmen nicht unmittelbar begründbar, ist es nach Ansicht des BFH ausreichend, wenn diese über eine abhängige Gesellschaft vermittelt wird („abgeleitete wirtschaftliche Tätigkeit“).42 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob diese auch von einer Gesellschaft vermittelt werden kann, die nicht an dem Umwandlungsvorgang beteiligt ist.43

2.74

Für eine Steuervergünstigung bei einer Grundstücksübertragung muss der Gesellschafter nach dem Wortlaut der Vorschrift fünf Jahre vor und fünf Jahre nach der Umwandlung zu mindestens 95 % an der erwerbenden KapGes. beteiligt sein.

2.75

Der BFH legt § 6a GrEStG nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend einschränkend aus, dass die Fristen tatsächlich nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung die Nachbehaltensfrist eingehalten werden.44 Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass der übertragende Rechtsträger im Wege der Verschmelzung liquidationslos untergeht, stellt kei-

2.76

38 Brühl, GmbHR 2021, 126; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140; Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631. 39 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140; Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631. 40 So Käshammer/Schumann, DB 2021, 749 (751); kritisch Fleischer/Schmidt/Görnig, Stbg 2021, 26 (31). 41 So ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.1. 42 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916. 43 Ablehnend wohl gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.1; a.A. Brühl, GmbHR 2021, 134; Käshammer/Schumann, DB 2021, 749 (750). 44 So z.B. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329.

Graessner | 55

Kap. 2 Rz. 2.76 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

nen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist dar; gleiches gilt bezogen auf die Vorbehaltensfrist des neu gegründeten Rechtsträgers bei Abspaltungen oder Ausgliederung.

2.77 Die fünfjährige Nachbehaltensfrist ist nicht grundstücksbezogen, sondern anteilsbezogen ausgestaltet, d.h. sie bezieht sich auf die beteiligten abhängigen Gesellschaften. Wird das Beteiligungsquorum von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren z.B. durch den Verkauf eines Splitteranteils im Nachgang einer Umstrukturierung unterschritten, führt dies – anders als bei den Befreiungsvorschriften für Gesamthandsgemeinschaften gem. §§ 5, 6 GrEStG – zu einem vollständigen Wegfall der Befreiung („Fallbeilprinzip“). Damit kommt der Einhaltung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist eine besondere Bedeutung zu, so dass besondere Überwachungsmaßnahmen unternehmensintern getroffen werden sollten. 2.78 Steuerschuldner sind als Gesamtschuldner der bisherige Eigentümer des Grundstücks und der Erwerber, § 13 Nr. 2 GrEStG. Grds. sind die beiden an dem Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger Steuerschuldner. Bei der Verschmelzung, Aufspaltung und vollständiger Vermögensübertragung geht der übertragende Rechtsträger jedoch mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregistergericht formlos ohne Liquidation unter. In diesen Fällen kommt ausschließlich der übernehmende Rechtsträger als Steuerschuldner in Betracht. 2.79 Die Grunderwerbsteuer wird nach den Grundbesitzwerten i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. 2.80 Grundstücksübertragung als begünstigte Umwandlung gem. § 6a GrEStG? Häufig werden im Wege der Umwandlung mehrere Vermögensgegenstände übertragen; denn eine Übertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge – wie es das UmwG vorsieht – hat den praktischen Vorteil, dass hierdurch eine Übertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstandes entbehrlich wird. Dennoch ist es aus Sicht des Umwandlungsrechts zulässig, dass ein Grundstück der einzige Vermögensgegenstand der Umwandlung ist. Daneben sind die ertragsteuerlichen Konsequenzen zu berücksichtigen und bei den steuerlichen Vor- und Nachteilen abzuwägen. 2.81 Grundstücksübertragung durch KapGes. Bei einer Grundstücksübertragung von dem Gesellschafter in der Rechtsform einer KapGes. auf die KapGes. kommt insbesondere eine Ausgliederung des Grundstücks nach § 123 Abs. 3 UmwStG im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge in Betracht, welcher ebenfalls als privilegierter Umwandlungsvorgang qualifiziert wird. 2.82 Beispiel 4: Die A GmbH ist 100%ige Gesellschafterin der B GmbH. Die B GmbH ist zivilrechtliche Eigentümerin eines Grundstücks. Die Struktur besteht seit mindestens fünf Jahren. Am 30.4.01 wird das Grundstück im Wege der Ausgliederung zur Neugründung auf die C GmbH gegen Gewährung von Anteilen übertragen.

56 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.82 Kap. 2

Nachher:

Vorher: A GmbH 100 %

Ausgliederung zur Neugründung

B GmbH

100 % C GmbH

A GmbH 100 %

B GmbH 100 %

C GmbH

Abb. 2 Grunderwerbsteuerlich erfüllt die Übertragung des Grundstücks von einem Gesellschafter auf seine KapGes. nach dem Umwandlungsrecht (z.B. im Wege der Ausgliederung) den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (Grundstückserwerb kraft Gesetzes), der ausdrücklich in § 6a Satz 1 GrEStG als begünstigter Erwerbsvorgang genannt wird. Fraglich könnte in dem Beispiel aber sein, wer als herrschendes Unternehmen anzusehen ist (A GmbH oder B GmbH). Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann dies grds. unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen (insbesondere wirtschaftliche Tätigkeit und Haltefristen an den abhängigen Gesellschaften) ausschließlich die A GmbH als Konzernspitze sein.45 Der BFH hat diese Sichtweise in einem Urteil vom 28.9.2022 ausdrücklich abgelehnt und entschieden, dass sich die Bestimmung des herrschenden Unternehmens nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang richtet.46 Soweit das Gesetz von einem herrschenden Unternehmen spricht, ist zunächst – soweit vorhanden – das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Der Umstand, dass das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist, ist für die Bestimmung unbeachtlich; ebenso ist unerheblich, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, wenn diese selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind. Damit kann auch die B GmbH als herrschendes Unternehmen qualifiziert werden, unabhängig davon, ob die A GmbH daneben auch die Voraussetzung als herrschendes Unternehmen erfüllt.

45 Gleich lautende Erlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. 2020 I, 960 Tz. 3.1. 46 BFH, Urt. v. 28.9.2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495 ff. (Vorinstanz: FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 K 820/17 GE, EFG 2020, 1332 ff.); so auch Behrens/Seemaier, DStR 2020, 1411; Brühl, GmbHR 2021, 126; Fleischer/Schmidt/Görnig, Stbg 2021, 26; Wischott/Graessner, NWB 2021, 18.

Graessner | 57

Kap. 2 Rz. 2.83 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.83 Darüber hinaus fordert die Finanzverwaltung, dass die Eigenschaft einer wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb der fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfrist ununterbrochen vorliegt.47 Für den Fall, dass bereits über das Grundstück bei dem übertragenden Rechtsträger eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet werden konnte (z.B. bei einer Fremdvermietung), sollte im Sinne der Auffassung der Finanzverwaltung eine wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb der Nachbehaltensfrist von fünf Jahren über den aufnehmenden Rechtsträger begründet werden können („abgeleitete wirtschaftliche Tätigkeit“). Diese abgeleitete wirtschaftliche Tätigkeit müsste aber nach Verwaltungsansicht fünf Jahre fortgeführt werden.48 2.84 Grundstücksübertragung durch natürliche Person. Übertragender Rechtsträger kann – wie in dem obigen Beispiel – eine KapGes. sein. Es kann aber auch eine natürliche Person als Einzelkaufmann als übertragender Rechtsträger beteiligt sein, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 152, § 158 UmwG. Die natürliche Person muss ein Handelsgewerbe ausüben. Demzufolge scheiden nicht gewerbliche Unternehmer, wie insbesondere Freiberufler, und Personen, deren Tätigkeit sich auf die Vermögensverwaltung beschränkt, als Beteiligte einer Ausgliederung aus.49 Entscheidend ist zudem, dass die Firma des von ihm betriebenen Unternehmens im Handelsregister eingetragen ist; dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt nicht der Abschluss des Ausgliederungsvertrages, sondern die Eintragung der Ausgliederung in das Handelsregistergericht. Dabei kann die Anmeldung der Firma des Einzelkaufmanns auch gleichzeitig mit der Anmeldung der Ausgliederung erfolgen.50 2.85 Damit sollte auch die Übertragung eines Grundstücks als Teil des Einzelunternehmens nach dem Umwandlungsrecht unter die Anwendung des § 6a GrEStG fallen können, wenn von einer natürlichen Person ein Grundstück auf eine Gesellschaft übertragen wird, die im Zuge der Umwandlung neu gegründet wird und an der die natürliche Person zu 100% beteiligt ist. 2.86 Dies ist vom FG Sachsen51 und vom FG Münster52 für den Fall der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete GmbH ausdrücklich bejaht worden. Soweit dies von der Finanzverwaltung lediglich für den umgekehrten Fall einer Verschmelzung der abhängigen Gesellschaft auf die natürliche Person als herrschendes Unternehmen anerkannt wird, entspricht dies nach Ansicht des Autors nicht den

47 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.1. 48 Kritisch hierzu Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140, die dies unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift zutreffenderweise ablehnen. 49 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 152 UmwG Rz. 3; beachte die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler nach dem MoPeG, soweit das anwendbare Berufsrecht dies zulässt, vgl. § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. 50 Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 152 UmwG Rz. 8 und 9. 51 FG Sachsen v. 30.6.2021 – 2 K 121/21, DStR 2021, 2969 ff. (Revision beim BFH eingelegt unter Az: II R 2/22). 52 FG Münster v. 3.5.2022 – 8 V 246/22, EFG 2022, 1213 ff. (rechtskräftig).

58 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.89 Kap. 2

Grundaussagen des BFH in seinen Urteilen aus 2019. Denn auch diese Umwandlung ist im UmwG ausdrücklich geregelt, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 152, § 158 UmwG, und sollte daher eine privilegierte Transaktion i.S.d. § 6a GrEStG darstellen. Zur Anwendung des § 6a GrEStG bei der Übertragung eines Grundstücks von dem Gesellschafter auf die KapGes. im Wege der Umwandlung folgendes Fallbeispiel (angelehnt an das Urteil des FG Sachsen):

2.87

Beispiel 5: A ist Einzelkaufmann und Eigentümer eines Grundstücks (keine stillen Reserven). A will das Grundstück im Wege der Ausgliederung (Gesamtrechtsnachfolge) auf die neu gegründete B GmbH übertragen.

2.88

Vorher:

Nachher:

Ausgliederung zur Neugründung A 100 % B GmbH

A 100 %

B GmbH

Abb. 3 Die Ausgliederung des Grundstücks nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, § 152, § 158 UmwG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge löst den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus. Es liegt folglich ein begünstigter Umwandlungsvorgang und ein begünstigter Erwerbsvorgang i.S.d. § 6a GrEStG vor. Entsprechend der Rechtsprechung des BFH sollte die Tatsache, dass es sich bei der B GmbH um eine neu gegründete Gesellschaft handelt, unbeachtlich sein; der Umwandlungsvorgang sollte daher unter § 6a GrEStG fallen, so dass unter Beachtung der Nachbehaltensfrist von fünf Jahren keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Die Beteiligung eines weiteren Gesellschafters an der B GmbH zu mehr als 5 % innerhalb der Fünfjahresfrist würde daher rückwirkend in voller Höhe Grunderwerbsteuer auslösen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach derzeitiger Rechtslage eine GbR – anders als eine OHG oder KG – nicht an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligt sein kein. Die Anwendbarkeit des UmwG wird jedoch zukünftig auf die GbR erweitert, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG i.d.F. des MoPeG (ab 1.1.2024). Unter der Voraussetzung, dass die GbR in ein neu geschaffenes Gesellschaftsregister eingetragen ist, kann diese nach

Graessner | 59

2.89

Kap. 2 Rz. 2.89 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

den Änderungen durch das MoPeG im selben Umfang an Verschmelzungen und Spaltungen beteiligt werden.53

2.90 Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass § 6a GrEStG – vorbehaltlich der ertragsteuerlichen Konsequenzen – bei einer Übertragung eines Grundstücks auf die KapGes. durch ihren Gesellschafter eine Möglichkeit bietet, die Übertragung grunderwerbsteuerfrei umzusetzen. III. Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als übertragender Gesellschafter

2.91 Hinsichtlich der Steuerbarkeit ergeben sich bei der Übertragung eines Grundstücks von dem Gesellschafter auf die PersGes. durch Rechtsgeschäfte im Allgemeinen keine Besonderheiten im Vergleich zur KapGes. Die Grundstücksübertragung ist regelmäßig ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Steuerschuldner sind die an dem Rechtsgeschäft beteiligten Parteien, also der übertragende Gesellschafter und die erwerbende PersGes., § 13 Nr. 1 GrEStG. 2.92 Auf Grund des klaren Wortlauts des § 6a GrEStG ist eine Steuervergünstigung für die Grundstücksübertragung von dem Gesellschafter auf die PersGes. durch Rechtsgeschäft (z.B. durch Abschluss eines Kaufvertrages) – wie bei der KapGes. – generell nicht eröffnet. 2.93 Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG. Anders als bei einer KapGes. kommen jedoch bei der Grundstücksübertragung auf eine PersGes. durch Rechtsgeschäft die Steuervergünstigungen nach § 5 und § 6 GrEStG in Betracht. 2.94 Dabei regelt die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG den Übergang eines Grundstücks von dem Gesellschafter bzw. von mehreren Gesellschaftern auf die PersGes. (Gesamthand) und § 6 Abs. 2 GrEStG von der PersGes. (Gesamthand) auf den Gesellschafter. 2.95 Für eine natürliche Person oder KapGes. als Gesellschafter einer PersGes. kommt bei einer Übertragung eines Grundstücks auf die PersGes. die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG in Betracht. Dabei regelt § 5 Abs. 1 GrEStG den Übergang eines Grundstücks mehrerer Miteigentümer und § 5 Abs. 2 GrEStG den Übergang eines Grundstücks eines Alleigentümers in das Gesamthandseigentum. 2.96 Ausschlaggebendes Tatbestandsmerkmal des § 5 GrEStG ist dabei der Übergang des Grundstücks auf eine Gesamthand. Daher sind vom Anwendungsbereich der Norm lediglich PersGes.en und andere Gesellschaften, welche Gesamthandsvermögen bilden, wie beispielsweise die Erbengemeinschaft erfasst, während die Kapitalgesellschaften mangels Gesamthandsvermögens außen vor bleiben. 53 Dies gilt auch für den Formwechsel einer GbR, der jedoch nicht unter die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern (§ 6a GrEStG) fällt.

60 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.101 Kap. 2

Grds. orientiert sich das Ergebnis des § 1 Abs. 1 GrEStG am Zivilrecht. Dementsprechend knüpft das Grunderwerbsteuerrecht bei dem Übergang eines Grundstücks zwischen Gesellschafter und Gesellschaft an den vom Zivilrecht vorgegebenen Rechtsträgerwechsel an. Derartige Erwerbsvorgänge werden grds. als steuerbar i.S.d. § 1 GrEStG behandelt.

2.97

Sinn und Zweck der §§ 5 und 6 GrEStG als Steuervergünstigungsvorschriften ist diesem Belastungsergebnis entgegen zu wirken. Gerechtfertigt wird diese gesetzgeberische Entscheidung damit, dass der Gesamthänder eine sachenrechtliche und damit auch eigentumsmäßige Mitberechtigung am Grundstück innehat und damit das Grundstück trotz des formal eintretenden Rechtsträgerwechsels „in der Hand“ des Gesellschafters verbleibt.54 Der jeweilige Gesamthänder war entweder bereits sachenrechtlich am Grundstück mitberechtigt, bevor er dieses von der Gesamthand erworben hat, oder er bleibt weiterhin am Grundstück mitberechtigt, obwohl dieses auf die Gesellschaft als neuen Rechtsträger übergegangen ist.55 Die (vollständige) Besteuerung von Grundstücksübergängen zwischen einer Gesamthand und den Gesamthändern würde daher eine unbillige Härte darstellen.56

2.98

In dem Verhältnis, in welchem der Gesellschafter, der das Grundstück überträgt, an der PersGes. (Gesamthand) beteiligt ist, wird keine Grunderwerbsteuer erhoben. Mit anderen Worten: Die Grunderwerbsteuer wird nur insoweit erhoben, als andere Gesellschafter der PersGes. durch die Grundstücksübertragung erstmalig eine Berechtigung an dem Grundstück erhalten.

2.99

Terminologisch spricht das Gesetz im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG dabei von Steuervergünstigungen, aufgrund welcher die Steuer (bloß) nicht erhoben wird. Davon abzugrenzen sind unter anderem die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG, welche einen Erwerbsvorgang von der Besteuerung ausnehmen.

2.100

MoPeG (ab 1.1.2024). Im Zusammenhang mit den Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG ist das bereits am 17.8.2021 im Bundesgesetzblatt verkündete MoPeG57 zu beachten. Das MoPeG sieht eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts vor und wird in den wesentlichen Teilen am 1.1.2024 in Kraft treten.58 Danach ist zukünftig die Gesellschaft selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten und nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Für eine GbR ist daneben zu beachten, dass zukünftig für die Eintragung der GbR als Eigentümerin eines Grundstücks im Grundbuch die Eintragung der GbR im neu geschaffenen Gesellschaftsregister vorausgesetzt wird. Die Änderungen betreffen nicht nur die GbR (§ 713 BGB-neu), sondern auch sämtliche Personenhandelsgesellschaften (§ 105 Abs. 2 HGB-neu, § 161 Abs. 2 HGB-neu) sowie

2.101

54 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 3. 55 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 6. 56 BFH v. 2.10.1974 – II R 62/68, BStBl. II 1975, 150; Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 6. 57 BGBl. I 2021, 3436 ff. 58 Art. 137 MoPeG.

Graessner | 61

Kap. 2 Rz. 2.101 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

Partnerschaftsgesellschaften (§ 1 Abs. 4 PartGG-neu). Damit entfällt aus zivilrechtlicher Sicht die gesamthänderische Mitberechtigung, welche die Grundlage für die Steuervergünstigung gem. § 5 GrEStG und § 6 GrEStG ist.59 Derzeit ist noch unklar, ob damit die grunderwerbsteuerlichen Steuervergünstigungsvorschriften nicht mehr anwendbar sein werden. Denkbar ist auch, dass der Begriff der „Gesamthand“ durch den der „Personengesellschaft“ ersetzt wird.60

2.102 Prüfung der Steuervergünstigung. Die Voraussetzungen der Steuervergünstigung des § 5 GrEStG sind in zwei Schritten zu prüfen: Zunächst ist in einem ersten Schritt das „Ob“, also die Anwendbarkeit der Norm, und dann in einem zweiten Schritt das „Wie“ der Steuerbegünstigung, also deren Umfang, festzustellen. Es ist dabei zwischen dinglicher Ebene und Vermögensebene zu unterscheiden. Unter Umständen ist ein Gesellschafter zwar dinglich Mitberechtigter an der Gesellschaft, aber ihm steht keine Beteiligung am Vermögen zu (z.B. Komplementär-GmbH ohne vermögensmäßige Beteiligung). Genauso ist die umgekehrte Fallkonstellation denkbar, bei der zwar eine (wirtschaftliche) vermögensmäßige Beteiligung, aber keine dingliche Mitberechtigung besteht. 2.103 Schritt 1: Dingliche Mitberechtigung („Ob“). Um überhaupt in den Anwendungsbereich der Norm zu fallen („Ob“), muss zunächst eine dingliche Mitberechtigung des Gesellschafters (Gesamthänder) am Reinvermögen der PersGes. zum Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerbaren Vorgangs vorliegen. Die dingliche Mitberechtigung ist dafür maßgeblich, ob eine Steuervergünstigung überhaupt in Betracht kommt. Für die Prüfung einer dinglichen Mitberechtigung ist die Gesellschafterstellung maßgeblich. Denn die dingliche Mitberechtigung folgt allein aus dem Mitgliedschaftsrecht des jeweiligen Gesellschafters (Gesamthänders). Liegt keine dingliche Mitberechtigung vor, scheidet eine Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG per se aus. Die dingliche Mitberechtigung folgt aus der Gesellschafterstellung, die nicht durch eine andere Person vermittelt werden kann, sondern sie muss grds. unmittelbar bestehen. Ein schuldrechtlicher Anspruch, wie beim stillen Gesellschafter oder bei der Unterbeteiligung, ist hierfür nicht ausreichend: 2.104 Beispiel 5.1: A verkauft an die X KG ein Grundstück. A ist lediglich als stiller Gesellschafter an der X KG beteiligt.

2.105 Beispiel 5.2: Gesellschafter der X KG sind A und B. C ist an dem Anteil des A zu 50 % unterbeteiligt. C verkauft der X KG ein Grundstück. Sowohl im Beispiel 5.1 (stiller Gesellschafter) als auch im Beispiel 5.2 (Unterbeteiligung) besteht keine dingliche Mitberechtigung an dem Vermögen der X KG (Gesamthand). Die Anwendung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG scheidet in beiden Fällen daher aus.

2.106 Auch bei einem Gesellschafter (Treuhänder) der seinen Anteil nur treuhänderisch für einen anderen hält (Treugeber), kann die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 59 S. hierzu Heinze, DStR 2020, 2107 (2108). 60 So Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 4.

62 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.109 Kap. 2

GrEStG mangels dinglicher Mitberechtigung von dem Treugeber nach bisheriger Rechtslage nicht in Anspruch genommen werden, wenn dieser ein Grundstück auf die PersGes. (Gesamthand) überträgt.61 Hiervon abweichend hat das FG Hamburg in einem Urteil aus 2016 für den Treugeber eine Steuervergünstigung (nach § 6 GrEStG) bejaht, da dieser bereits als „mittelbar“ beteiligt anzusehen sei; die Anteile am Gesellschaftsvermögen der PersGes. (und damit die dingliche Mitberechtigung am Grundstück) seien dem Treugeber schon vor der Übertragung durch den Treuhänder nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zuzurechnen.62 Die dinglichen Mitberechtigung des Gesellschafters (Gesamthänders) muss grds. unmittelbar bestehen. Eine Ausnahme gilt bei doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen (Gesamthandsgemeinschaften), bei der also eine Ober-Personengesellschaft unmittelbar an einer Unter-Personengesellschaft beteiligt ist. In doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen ist nicht unmittelbar auf die Ober-Personengesellschaft (Gesamthand) als Zurechnungsobjekt abzustellen, sondern es ist ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten. Für das Vorliegen einer Gesamthänderstellung ist es in diesen Fällen daher ausreichend, wenn ein Gesellschafter (Gesamthänder) unmittelbar an einer Ober-Personengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits an einer Unter-Personengesellschaft beteiligt ist.63

2.107

Schritt 2: Vermögensmäßige Beteiligung. Liegt eine dingliche Mitberechtigung aufgrund der Gesellschafterstellung vor, ist im zweiten Schritt, die vermögensmäßige Beteiligung für den Umfang der zu gewährenden Steuervergünstigung zu prüfen („Wie“). Der Vermögensanteil ist dabei die rechnerische, verhältnismäßige Beteiligungsquote.64 Danach kommt es grds. auf die prozentuale Beteiligung des Gesellschafters an dem Reinvermögen der Gesellschaft an. Die Ermittlung erfolgt auf Grundlage einer besonderen Vermögensaufstellung65, aus der sich der tatsächliche Wertanteil des einzelnen Gesellschafters ableiten lässt. Auf die Gewinn- und Verlustbeteiligung oder auf eine abweichende Auseinandersetzungsquote kommt es dagegen regelmäßig nicht an.66 Im Falle einer Beteiligung an einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur ist auf die durchgerechnete vermögensmäßige Beteiligung abzustellen.67

2.108

Beispiel 6: An der X GbR sind die grundbesitzende Y OHG und B zu je 50 % vermögensmäßig beteiligt. Gesellschafter der Y OHG sind A und C zu 50 %. Es ist geplant, dass Grundstück der Y OHG auf die X GbR zu übertragen.

2.109

61 Keine Anwendung des § 39 Abs. 2 AO, vgl. BFH v. 8.8.2000 – II B 134/99, BFH/NV 2001, 66 m.w.N. 62 FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596 zur Anwendung des § 6 GrEStG (rechtskräftig; Revision unter Az. II R/17 wurde zurückgenommen); s. hierzu auch Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342. 63 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung. 64 BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. 65 BFH v. 3.3.1993 – II R 4/90, BFH/NV 1993, 494. 66 BFH v. 27.8.2009 – II B 35/09, BFH/NV 2009, 2003; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 20. 67 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung.

Graessner | 63

Kap. 2 Rz. 2.109 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

A

C

50 %

50 %

Y OHG

B

50 %

50 %

X GbR

Abb. 4 Es ist für eine Steuervergünstigung nicht auf die Y OHG als unmittelbarer Gesellschafter (Gesamthänder) der X GbR, sondern auf die Gesellschafter (Gesamthänder) der Y OHG abzustellen (hier: A und C), so dass sich eine (durchgerechnete) vermögensmäßige Beteiligung i.H.v. jeweils 50 % für Zwecke der Steuervergünstigung ermittelt.

2.110 Für die Berechnung der Beteiligungsquote ist der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung entscheidend. Veränderungen der Beteiligungsquote nach diesem Zeitpunkt können zu einem nachträglichen Wegfall der Steuervergünstigung führen (Verringerung der Beteiligungsquote) bzw. bleiben unberücksichtigt (Erhöhung der Beteiligungsquote). 2.111 Beispiel 7: A und B sind zu je 50 % am Vermögen der C KG beteiligt. Hiervon abweichend ist A zu 75 % am Gewinn und Verlust beteiligt. A verkauft der C KG ein Grundstück am 30.4.01. Auf Grund der vermögensmäßigen Beteiligung von A an der C KG wird die Grunderwerbsteuer i.H.v. 50 % nicht erhoben. Die abweichende Gewinn- und Verlustverteilung i.H.v. 75 % ist dagegen unbeachtlich.

2.112 Der Vermögensanteil ist mit dem „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ i.S.d § 719 Abs. 1 BGB bzw. § 105 Abs. 2 HGB68 gleichzusetzen. 2.113 In der Praxis wird bei Personenhandelsgesellschaft häufig – abweichend von den handelsrechtlichen Regelungen gem. §§ 120, 161 Abs. 2 HGB – wie auch bei Gesellschaftsverträgen einer GbR und Partnerschaftsgesellschaften – eine feste und unveränderliche Beteiligungsquote vereinbart. So wird regelmäßig das Kapitalkonto I als Maßstab für den Vermögensanteil der Gesellschafter bestimmt.

68 S. auch Änderung durch das MoPeG, BGBl. I 2021, 3436 ff. (Inkrafttreten: 1.1.2024).

64 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.119 Kap. 2

Auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH69 sollte es auch zulässig sein, in Bezug auf ein Grundstück eine Beteiligungsquote zu vereinbaren, die von der sonstigen vorgesehenen Beteiligungsquote an der PersGes. abweicht.70 Soweit eine solche zivilrechtlich wirksame Vereinbarung ernsthaft gewollt und durchgeführt wird, sollte diese auch bei der Ermittlung der nach § 5 GrEStG begünstigten Beteiligungsquote zu berücksichtigen sein.

2.114

Beispiel 8: A und B sind zu je 50 % am Vermögen der C KG beteiligt. A verkauft der C KG ein Grundstück am 30.4.01. Gesellschaftsvertraglich ist geregelt, dass ausschließlich A an dem Grundstück vermögensmäßig (einschließlich stiller Reserven) beteiligt ist.

2.115

Auf Grund der Beschränkung der vermögensmäßigen Beteiligung des A an dem Grundstück sollte die Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe nicht erhoben werden.

Deutlich schwieriger wird es, wenn keine besonderen gesellschaftsvertraglichen Regelungen bestimmt sind. Bei der OHG und der KG wird handelsrechtlich von einem variablen Kapitalanteil ausgegangen, §§ 120, 161 Abs. 2 HGB.71 Damit kann sich der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Vermögen der PersGes. verändern (z.B. durch Entnahmen) und somit auch der maßgebliche Vermögensanteil zum Bewertungsstichtag.

2.116

Beispiel 9: A und B sind Gesellschafter der C KG. Bei der Gründung der C KG betrugen der Kapitalanteil des A 100 EUR und der des B 100 EUR. In den folgenden Jahren tätigt nur B umfangreiche Entnahmen, A belässt seinen Gewinn in der C KG. Am 30.4.01 verkauft A der C KG ein Grundstück. Zu diesem Zeitpunkt ermittelt sich ein Kapitalanteil i.H.v. 80 % zugunsten des A an der C KG.

2.117

Die Grunderwerbsteuer wird nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 80 % nicht erhoben.

Nachbehaltensfrist. § 5 Abs. 3 GrEStG enthält eine Nachbehaltensfrist. Danach kann eine nach § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG gewährte Steuervergünstigung ganz oder teilweise rückwirkend entfallen, wenn sich der Anteil des Gesellschafters (Gesamthänders), der das Grundstück an die PersGes. (Gesamthand) veräußert hat, am Vermögen der PersGes. innerhalb einer Nachbehaltensfrist nach der Grundstücksübertragung vermindert. Bei der Regelung handelt sich um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, die auf alle Erwerbsvorgänge anwendbar ist, die nach dem 31.12.1999 verwirklicht werden, § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG.

2.118

Die Verringerung des Anteils am Vermögen der PersGes. innerhalb der Nachbehaltensfrist ist ein rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 2 AO, so dass der Bescheid, mit welchem Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde, aufgehoben oder geändert werden kann. Der Sachverhalt hinsichtlich der Verringerung des Anteils am Vermögen

2.119

69 BFH v. 31.5.1972 – II R 9/66, BStBl. II 1972, 833. 70 So Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 40; Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 59. 71 S. zu den Änderungen durch das MoPeG, BGBl. I 2021, 3436 ff. (Inkrafttreten: 1.1.2024).

Graessner | 65

Kap. 2 Rz. 2.119 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

ist zudem gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle anzuzeigen.

2.120 Die Nachbehaltensfrist ist für alle Erwerbsvorgänge, die ab dem 1.7.2021 verwirklicht worden sind, im Rahmen der Grunderwerbsteuerreform 2021 von fünf auf zehn Jahre verlängert worden.72 Für alle Erwerbsvorgänge, die vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden sind, und bei denen die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren vor dem 1.7.2021 abgelaufen ist, kommt dagegen gem. § 23 Abs. 24 GrEStG die verlängerte Frist von zehn Jahren nicht mehr zur Anwendung. Nach allgemeiner Auffassung gelten die Regelungen der §§ 186 ff. BGB für die Fristberechnung entsprechend.73

2.121 Beispiel 10: An der C OHG sind A zu 75 % und B zu 25 % beteiligt. Am 1.1.2016 verkauft A ein Grundstück an die C OHG. Am 31.12.2023 veräußert A seine Anteile an Z.

1.1.2016: Grundstücksverkauf 31.12.2023: Anteilsverkauf A

B

A

75 %

25 %

75 %

C OHG

Z

C OHG

Nachher:

B

Z

B

25 %

75 %

25 % C OHG

Abb. 5 Der Grundstücksverkauf am 1.1.2016 ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. In Höhe der Beteiligung des A von 75 % wird die Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. Die Anteilsveräußerung am 31.12.2023 stellt keine Verringerung des Vermögensanteils innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG dar, da die Frist von fünf Jahren (nach alter Rechtslage) bereits vor dem 1.7.2021 abgelaufen ist und folglich die verlängerte Frist von zehn Jahren nicht zur Anwendung kommt.

2.122 Ist die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren vor dem 1.7.2021 noch nicht abgelaufen, soll zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung die verlängerte Frist von zehn Jahren zur Anwendung kommen.74 Mit dem Hinweis auf den Wortlaut der allgemei-

72 § 5 Abs. 3 GrEStG i.d.F des Gesetzes zur Änderung des GrEStG v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 73 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 123. 74 Gleich lautende Ländererlasse zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des GrEStG v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006 Tz. 5.

66 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.124 Kap. 2

nen Übergangsregelung in § 23 Abs. 18 GrEStG wird dies teilweise in der Literatur abgelehnt. Denn nach dieser Vorschrift sind sämtliche neuen Vorschriften – und somit auch die verlängerte Frist von zehn Jahren in § 5 Abs. 3 GrEStG – nur auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden.75 Der Begriff „Erwerbsvorgang“ wird in § 1 GrEStG abschließend bestimmt. Demnach soll für sämtliche Erwerbsvorgänge, die vor dem 1.7.2021 verwirklicht werden, nur die Frist von fünf Jahren gelten unabhängig davon, ob die Frist von fünf Jahren vor dem 1.7.2021 abgelaufen ist. Beispiel 11: An der C OHG sind A zu 75 % und B zu 25 % beteiligt. Am 1.1.2018 verkauft A ein Grundstück an die C OHG. Am 31.12.2023 veräußert A seine Anteile an Z.

1.1.2018: Grundstücksverkauf 31.12.2023: Anteilsverkauf A

B

A

75 %

25 %

75 %

C OHG

Z

C OHG

2.123

Nachher:

B

Z

B

25 %

75 %

25 % C OHG

Abb. 6 Der Grundstücksverkauf am 1.1.2018 ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. In Höhe der Beteiligung des A von 75 % wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt die Anteilsveräußerung am 31.12.2023 eine schädliche Aufgabe des Vermögensanteils dar; die Frist von fünf Jahren ist noch nicht vor dem 1.7.2021 abgelaufen, so dass die verlängerte Frist von zehn Jahren gilt und folglich die Anteilsveräußerung innerhalb der neuen Nachbehaltensfrist erfolgt ist. Es besteht eine Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle; nach der oben genannten Literaturauffassung soll dagegen die Steuervergünstigung i.H.v. 75 % erhalten bleiben, da der maßgebliche Erwerbsvorgang – Grundstücksverkauf – bereits vor dem 1.7.2021 verwirklicht worden ist.

Weiterhin stellt sich die Frage, welche nachträgliche Veränderung der Rechtsstellung des übertragenden Gesellschafters innerhalb der Nachbehaltensfrist zu einem rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung führen kann. Ausgehend von dem Erfordernis einer dinglichen Mitberechtigung am Vermögen der PersGes. sind in der Praxis insb. folgende Fälle denkbar:76

75 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 71 und § 23 GrEStG Rz. 120 und 121. 76 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1.

Graessner | 67

2.124

Kap. 2 Rz. 2.124 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

– Der Gesellschafter scheidet durch Austritt aus der PersGes. aus. – Der Gesellschafter überträgt seinen Anteil an der PersGes. auf einen Dritten (ggf. unter Beibehaltung seiner vermögensmäßigen Beteiligung durch schuldrechtliche Begründung eines Treuhandverhältnisses, einer Unterbeteiligung, stille Beteiligung). – Die Beteiligung des Gesellschafters an den Wertveränderungen des übergegangenen Grundstücks wird durch gesellschaftsvertragliche Absprachen eingeschränkt bzw. aufgehoben. – Es treten neue Gesellschafter der PersGes. bei, so dass sich die vermögensmäßige Mitberechtigung des Gesellschafters reduziert.

2.125 In der Praxis sind u.a. gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen streitanfällig, bei denen die Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung nicht nach einer festen Größe zu bestimmen ist (z.B. anhand des Festkapitalkontos), sondern z.B. anhand der beweglichen Kapitalkonten, auf die Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen verbucht werden. Es ist derzeit ungeklärt, ob in diesen Fallkonstellationen Änderungen der Beteiligung an dem beweglichen Kapitalkonto innerhalb der Nachbehaltensfrist zu einer schädlichen Verminderung des Vermögensanteils führen können. Zu dieser Fragestellung liegt – soweit ersichtlich – keine offizielle Stellungnahme der Finanzverwaltung vor. Auch wenn teilweise in der Literatur vertreten wird, dass derartige Änderungen für die Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG unbeachtlich sein sollen,77 sollten unter Risikoabwägungen hohe Einlagen bzw. Entnahmen vermieden werden, die zu unverhältnismäßigen Veränderungen der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter führen.78 2.126 Schließlich können auch Umwandlungsvorgänge innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren zum nachträglichen Wegfall der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG führen. Dies gilt z.B. für Umwandlungen, die den übertragenden Gesellschafter betreffen. 2.127 Beispiel 12: An der C OHG sind die A GmbH zu 75 % und B zu 25 % beteiligt. Am 30.4.01 verkauft die A GmbH ein Grundstück an die C OHG. Am 31.12.08 wird die A GmbH auf die D GmbH verschmolzen.

77 Hofmann, BB 2000, 2605 (2608); kritisch Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 85. 78 Pahlke7, § 5 GrEStG Rz. 50, der eine Bagatellgrenze unter Verweis auf § 3 Nr. 1 GrEStG (2.500 Euro) vorschlägt.

68 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.130 Kap. 2

30.4.01 Grundstücksverkauf

31.12.08: Verschmelzung

A GmbH

B

A GmbH

75 %

25 %

75 %

C OHG

D GmbH

B

25 % C OHG

Nachher:

D GmbH

B

75 %

25 % C OHG

Abb. 7 Der Grundstücksverkauf am 30.4.01 durch die A GmbH an die C OHG ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. In Höhe der Beteiligung der A GmbH von 75 % wird die Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. Durch die Verschmelzung ist die Gesellschafterstellung der A GmbH auf die D GmbH übergegangen. Damit ist die vermögensmäßige Beteiligung der A GmbH innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 GrEStG entfallen. Die Steuervergünstigung ist nachträglich aufzuheben. Es besteht eine Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle.

In dem obigen Beispiel wird also Grunderwerbsteuer ausgelöst, obwohl die übertragende Gesellschaft (A GmbH) nicht mehr über eigenen Grundbesitz verfügt. In der Praxis ist daher durch entsprechende Controlling-Maßnahmen sicherzustellen, das grunderwerbsteuerliche Fristen überwacht werden, die durch Transaktionen in der Vergangenheit ausgelöst wurden.

2.128

Ebenso vorsichtig ist bei der Beurteilung der grunderwerbsteuerlichen Folgen eines Formwechsels vorzugehen. Allgemein anerkannt ist zwar, dass der Formwechsel keinen Rechtsträgerwechsel darstellt und daher keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird. Da kein (steuerbarer) Rechtsträgerwechsel vorliegt, stellt sich auch nicht die Frage nach einer Steuervergünstigung gem. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG.

2.129

Etwas anderes kann aber z.B. im Falle eines heterogenen Formwechsels der erwerbenden PersGes. in eine KapGes. gelten. Veräußert zunächst ein Gesellschafter ein Grundstück an die PersGes. unter Anwendung der Steuervergünstigung des § 5 GrEStG, führt der anschließende Formwechsel der PersGes. in eine GmbH innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren zum nachträglichen Wegfall der Steuervergünstigung. Grund für diese Wertung ist, dass durch den Formwechsel der PersGes. in eine GmbH die gesamthänderische Beteiligung des übertragenden Gesellschafters aufgehoben wird.79

2.130

79 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 100.

Graessner | 69

Kap. 2 Rz. 2.131 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.131 Beispiel 13: Gesellschafter der X OHG sind die A KG (25 %) und die B GmbH (75 %). Alleingesellschafter der A KG ist die C GmbH. Die B GmbH veräußert am 30.4.01 ein Grundstück an die X OHG. Am 1.1.05 wird die X OHG in eine A GmbH formgewechselt.

30.4.01 Grundstücksverkauf C GmbH

1.1.05: Formwechsel

Nachher:

C GmbH

C GmbH

A KG

B GmbH

A KG

B GmbH

A KG

B GmbH

25 %

75 %

25 %

75 %

25 %

75 %

X OHG

X OHG

X GmbH

X GmbH

Komplementärbeteiligung der A KG aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 8 Der Grundstücksverkauf am 30.4.01 ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. In Höhe der Beteiligung der B GmbH von 75 % wird die Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. Durch den Formwechsel wird die gesamthänderische Mitberechtigung der B GmbH von 75 % an der X OHG innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG aufgehoben. Die Steuervergünstigung entfällt rückwirkend. Es besteht eine Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle.

2.132 Auch bei einem heterogenen Formwechsel des übertragenden Gesellschafters kann es zu unerwarteten Steuerfolgen kommen. 2.133 Sonderfall Brexit – Durch den Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union zum 31.12.2020 (kurz: Brexit) haben sich u.a. hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Behandlung der britischen Limited Rechtsunsicherheiten ergeben. Vor dem Brexit wurde die britische Limited unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit als „Gesamthand“ in Deutschland behandelt, auch wenn an der britischen Limited nur ein Gesellschafter beteiligt war. Durch den Austritt ist in diesem Fall der bisherige Gesellschafter der britische Limited als Einzelkaufmann oder Privatperson zu behandeln.80 Es entfällt folglich die gesamthänderische Mitberechtigung an der grundbesitzenden Limited. § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG regelt nun, dass allein der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU keine schädliche Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung darstellt. Eine in 80 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 86.

70 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.138 Kap. 2

der Vergangenheit gewährte Steuervergünstigung bei einer Grundstückübertragung durch eine britische Limited bleibt also bestehen. Sonderfall KöMoG – Keine Steuervergünstigung für die Grundstücksübertragung wird darüber hinaus gewährt, wenn die PersGes. zur Körperschaftsteuer nach § 1 Abs. 1a KStG optiert hat, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GrEStG. Hintergrund ist das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG).81 Danach besteht ab dem 1.1.2022 die Möglichkeit, einen unwiderruflichen Antrag zu stellen mit der Folge, dass eine Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen wie eine KapGes. (optierende Gesellschaft) und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer KapGes. behandeln werden. Der Antrag ist von der optierenden Gesellschaft vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine KapGes. gelten soll. Der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung gilt dabei als Formelwechsel i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwG. Als Einbringungszeitpunkt gilt das Ende des Wirtschaftsjahrs, das dem Wirtschaftsjahr i.S.d. § 1a Abs. 1 Satz 2 KStG unmittelbar vorangeht. Die Beteiligung wird für die Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen als Beteiligung eines nicht persönlich haftenden Gesellschafters an einer KapGes., im Übrigen soll sie aber wie eine PersGes. behandelt werden („hybride Gesellschaft“).82

2.134

Für derartige optierende Gesellschaften wird eine Steuervergünstigung grds. für den Fall ausgeschlossen, dass ein Grundstück von mehreren Gesellschaftern als Miteigentümer (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG) oder von einem einzelnen Gesellschafter als Alleineigentümer (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GrEStG) übertragen wird.

2.135

Etwas anderes gilt nur dann, wenn

2.136

– die Ausübung und Wirksamkeit der Option länger als zehn Jahre (Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) zurückliegt und – die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand länger als zehn Jahre (Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) besteht. Für die Rückausnahme ist keine klare Regelung enthalten, wie zu verfahren ist, wenn die Beteiligungsquote schwankt. Überzeugend ist es auf den Umfang der niedrigsten Beteiligungsquote innerhalb des maßgeblichen Zeitraums von zehn Jahren abzustellen.83

2.137

Darüber hinaus gilt nach § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG die Ausübung der Option nach § 1a KStG als Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand, wenn die Option innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ausgeübt und wirksam wird.

2.138

81 KöMoG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 82 Brühl/Weiss, DStR 2021, 945; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617. 83 So auch Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 50; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617 (1619).

Graessner | 71

Kap. 2 Rz. 2.139 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.139 Beispiel 14: Gesellschafter der X OHG sind A (75 %) und B (25 %). Am 30.4.01 hat A an die X OHG ein Grundstück verkauft. Auf Grund wirksamer Optionsausübung nach § 1a KStG wird die X OHG ab dem Wirtschaftsjahr 08 als optierende Gesellschaft (wie eine KapGes.) behandelt.

30.4.01: Grundstücksverkauf

08: Option nach § 1 Abs. 1a KStG

A

B

A

B

75 %

25 %

75 %

25 %

X OHG

X GmbH

Abb. 9 In 01 wird die Grunderwerbsteuer i.H.v. 75 % bzgl. der Grundstücksübertragung von A auf die X OHG gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG nicht erhoben. Es wird eine Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ausgelöst, die am 30.4.11 endet. Da die Optionsausübung im Wirtschaftsjahr 08 vor Ablauf der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 GrEStG erfolgt, gilt dies als Verminderung des Anteils des A an der X OHG. Es wird rückwirkend die Steuervergünstigung auf den 30.5.01 aufgehoben und der Erwerbsvorgang zu 100 % steuerpflichtig. Es besteht eine Anzeigepflicht an die Grunderwerbsteuerstelle auf Grund der „fiktiven“ Verminderung des Anteils des A an der X OHG, § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG.

2.140 Mit Blick auf die Änderungen des GrEStG sollte für den Fall, dass die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren entsprechend der alten Regelung bereits vor dem 1.7.2021 abgelaufen ist, eine Optionsausübung für Zwecke der Grunderwerbsteuer unschädlich sein.84 2.141 Ausnahmefälle zur Nachbehaltensfrist. Grds. ist Zweck der Nachbehaltensfrist, Steuerumgehungen durch missbräuchliche Ausnutzung der Befreiungsvorschriften zu vermeiden. Denn ohne die gesetzliche Nachbehaltensfrist wären Gestaltungen denkbar, bei denen eine Änderung der Zuordnung eines Grundstücks für grunderwerbsteuerliche Zwecke herbeigeführt wird, ohne Grunderwerbsteuer auszulösen.85 2.142 Beispiel 15: A ist alleiniger Kommanditist einer X KG sowie alleiniger Gesellschafter der nicht vermögensmäßig beteiligten Komplementär-GmbH. Am 30.4.01 verkauft A an die X KG ein Grundstück. Am 30.5.01 veräußert A 89 % seines Anteils an der X KG an B.

84 Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617 (1619). 85 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 123.

72 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.146 Kap. 2

30.4.01: Grundstücksübertragung A

30.5.01: Anteilsübertragung A

89 %

B

Nachher: A

B

11 %

89 %

100 % 11% X KG

X KG

X KG

Komplementärbeteiligung der X KG aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 10 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer vollständig zu befreien. Ohne die Nachbehaltensfrist gem. § 5 Abs. 3 GrEStG hätte der anschließende Anteilsverkauf am 30.5.01 an B keine grunderwerbsteuerlichen Folgen, da die Anteilsübertragung weder eine Gesellschafteränderung von mindestens 90 % i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG darstellt, noch die Voraussetzungen einer Anteilsvereinigung von mindestens 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG erfüllt.

Einschränkende Auslegung im Wege der teleologischen Reduktion. Der mögliche Missbrauch, welcher durch die Nachbehaltensfrist verhindert werden soll, besteht also in der Kombination einer steuerbegünstigten Grundstücksübertragung und einer nicht steuerbaren Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung des übertragenden Gesellschafters, welche reflexartig eine Steigerung der Mitberechtigung der anderen Gesellschafter zur Folge hat.86 Insofern ist es allgemein anerkannt, dass die Vorschrift eine gewisse überschießende Tendenz hat87 und in Ausnahmefällen einer einschränkenden Auslegung im Wege der teleologischen Reduktion bedarf.

2.143

Die Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG ist daher unbeachtlich, wenn

2.144

– die geänderte rechtsgeschäftliche Zuordnung des Grundstücks von der Gesamthand auf den erwerbenden Rechtsträger keine Grunderwerbsteuer auslösen würde oder – die Aufgabe oder die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung auf einem steuerbaren Erwerbsvorgang beruht. Unter diesem Gesichtspunkt sind folgende Fälle anerkannt, bei den eine möglicher Missbrauch abgelehnt und daher ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist nicht zu einem rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung führt:

2.145

Nachbehaltensfrist und Fiktionstatbestände der § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG – Eine missbräuchliche Gestaltung – wie in dem obigen Beispiel –

2.146

86 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 102. 87 BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302.

Graessner | 73

Kap. 2 Rz. 2.146 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

kann u.a. ausgeschlossen werden, wenn der Verlust oder die Minderung der dinglichen Mitberechtigung des übertragenden Gesellschafters durch einen steuerbaren Anteilseignerwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG innerhalb der Nachbehaltensfrist ausgelöst wird.88 Nach der Auffassung der Finanzverwaltung und Meinungen in der Literatur liegt daher keine missbräuchliche Gestaltung vor, wenn im Nachgang zu einer Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG in einem Rechtsakt (also Übertragung von 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden PersGes.) verwirklicht und damit ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbstatbestand innerhalb der Nachbehaltensfrist erfüllt wird. Der Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG bedarf es in solchen Fällen nicht (teleologische Reduktion). Der BFH hat dagegen in einer Entscheidung aus 2022 keinen Fall der teleologischen Reduktion angenommen und einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist bejaht; nach seiner Ansicht regelt § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG für diese Fälle abschließend die Anrechnung auf den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG.89

2.147 Beispiel 16: A ist alleiniger Kommanditist einer X KG und hält auch sämtliche Anteile an der nicht vermögensmäßig beteiligten Komplementär GmbH. Am 30.4.01 verkauft A an die X KG ein Grundstück. Am 30.5.01 veräußert er 90 % seines Anteils an der X KG an B.

30.4.01: Grundstücksübertragung A

30.5.01: Anteilsübertragung A

90 %

B

Nachher: A

B

10 %

90 %

100 % 10 % X KG

X KG

X KG

Komplementärbeteiligung der X KG aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 11 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf durch A am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer vollständig zu befreien. Die anschließende Veräußerung seines 90%igen Anteils an der X KG am 30.5.01 an B erfüllt darüber hinaus den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG. Zugleich stellt die Anteilsübertragung eine Aufgabe seiner vermögensmäßigen Beteiligung dar und somit grds. nach dem Wortlaut der Norm einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG. Mangels Steuerumgehung wird jedoch insbesondere nach Auffassung der Finanzverwaltung eine teleologische Reduktion vorgenommen, weshalb mit der Anteilsübertragung vom 30.5.01 im Ergebnis kein Sperr88 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1.; s. auch Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 126 und Rz. 86. 89 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521 Rz. 29.

74 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.151 Kap. 2 fristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG vorliegt. Nach Auffassung des BFH in seiner Entscheidung v. 12.1.2022 stellt die Anteilsübertragung einen Sperrfristverstoß dar, so dass die Befreiung für die Grundstücksübertragung rückwirkend entfällt. Die so ausgelöste Grunderwerbsteuer ist nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG auf § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die Anteilsübertragung vom 30.5.01 anrechenbar. Die unterschiedliche Sichtweise kann u.a. bei zwischenzeitlichen Wertveränderungen des Grundstücks von Bedeutung sein.

Erfolgt dagegen die nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderung des Gesellschafterbestandes sukzessive (schrittweise), ist § 5 Abs. 3 GrEStG auf die einzelnen Anteilsübertragungen ohne Einschränkung anzuwenden, d.h. jeder Teilakt kann einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist darstellen. Eine einschränkende Auslegung („teleologische Reduktion“) wird abgelehnt, da jeder Teilakt für sich einen Missbrauch nicht objektiv ausschließt.90

2.148

Mit der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG (im Zeitpunkt der wirksamen Anteilsabtretung) entfällt die zukünftige Überwachung der zuvor ausgelösten Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG.

2.149

Auch bei der Verwirklichung einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, die zu einer Verringerung oder Aufgabe der vermögensmäßigen Beteiligung führt, kann die Anwendung der Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG mangels Gestaltungsmissbrauchs ausgeschlossen sein. Dies gilt für den Fall, dass nach der Grundstückübertragung eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG in der Hand des Grundstücksübertragenden verwirklicht wird.

2.150

Beispiel 17: A und B sind seit ihrer Gründung zu je 50 % Kommanditisten einer X KG. Gesellschafter der nicht vermögenmäßig beteiligten Komplementär-GmbH sind ebenfalls A und B. Am 30.4.01 verkauft A an die X KG ein Grundstück. Am 30.4.09 überträgt A seinen Anteil an der X KG und an der Komplementär GmbH auf B.

2.151

30.4.01: Grundstücksübertragung

30.4.09: Anteilsübertragung

A

B

A

B

50 %

50 %

50 %

50 %

Nachher: B 100 %

X KG

X KG

X KG

Komplementärbeteiligung der X KG aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 12 90 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.2.

Graessner | 75

Kap. 2 Rz. 2.151 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf durch A an die X KG am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu 50 % befreit. Durch die Übertragung des Anteils von A an der X KG und an der Komplementär GmbH am 30.4.09 auf B wird die vermögensmäßige Beteiligung des A vollständig aufgehoben. Dies stellt nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist von zehn Jahren dar. Dennoch wird die Grunderwerbsteuer nicht rückwirkend i.H.v. 50 % wegen Wegfalls der vermögensmäßigen Beteiligung des A festgesetzt. Denn die nachfolgende Anteilsübertragung auf B löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang aus; es vereinigen sich teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar in der Hand des B erstmalig sämtliche Anteile an der X KG. Der Tatbestand der § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist erfüllt.91 Es bedarf daher nicht der Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG.

2.152 Zudem stellt sich die Frage, ob die Steuerbarkeit der Anteilsvereinigung ausreichend ist oder ob die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs für eine einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist zwingende Voraussetzung ist. Letzteres ist abzulehnen. Bei dem vorherigen Beispiel sollte bei B wiederum eine Befreiung i.H.v. 50 % gem. § 6 Abs. 2 GrEStG in Betracht kommen, da auch bei ihm als Gründungsgesellschafter die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG einschränkend (teleologisch) ausgelegt wird (hierzu weiter unten). Der Umstand, dass der nachgelagerte Vorgang seinerseits von der Grunderwerbsteuer befreit ist, ist demnach unbeachtlich.92 Diese Wertung vertritt offensichtlich nun auch die Finanzverwaltung.93 2.153 Mit der Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (schuldrechtliche Einigung) entfällt auch die zukünftige Überwachung der zuvor ausgelösten Nachbehaltensfrist gem. § 5 Abs. 3 GrEStG. 2.154 Hiervon abzugrenzen sind Minderungen der vermögensmäßigen Beteiligung des begünstigten Gesellschafters vor einer Anteilsvereinigung. Diese sind nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht in die einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist einzubeziehen.94 2.155 Eine entsprechende einschränkende Auslegung gilt auch bei der (wirtschaftlichen) Anteilsvereinigung des § 1 Abs. 3a GrEStG.95

91 Da es sich bei A und B um Gründungsgesellschafter der X KG handelt, liegt auch kein Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG vor (Altgesellschafter), vgl. auch gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 ff. Tz. 5.2.1.1. 92 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 115. 93 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.2 (Beispiel 16); ebenso im Falle eines nachgelagerten steuerbaren Erwerbsvorgangs unter Anwendung des § 6a GrEStG vgl. OFD NRW v. 25.3.2021, nv (juris), Beispiel 17. 94 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.2. 95 So ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.3.

76 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.158 Kap. 2 Beispiel 18: Seit ihrer Gründung der X OHG sind A zu 90 % und B zu 10 % beteiligt. Am 30.4.01 verkauft A an die X OHG ein Grundstück. Am 30.4.09 überträgt A einen Teil seines Anteils von 80 % an der X OHG auf B.

30.4.01: Grundstücksübertragung

30.4.09: Anteilsübertragung Nachher:

A

B

A

90 %

10 %

90 %

X OHG

2.156

80 %

X OHG

B

A

B

10 %

10 %

90 % X OHG

Abb. 13 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf durch A an die X OHG am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu 90 % befreit. Durch die Übertragung des Anteils von A an der X OHG am 30.4.09 auf B wird die vermögensmäßige Beteiligung des A i.H.v. 80 % verringert. Dies stellt nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist von zehn Jahren dar. Dennoch wird die Grunderwerbsteuer nicht rückwirkend i.H.v. 80 % wegen Wegfalls der vermögensmäßigen Beteiligung des A festgesetzt. Die Übertragung ist für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zwar unbeachtlich96; auch liegt keine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG vor, da es auf der unmittelbaren Ebene auf die dingliche Mitberechtigung und nicht auf die vermögensmäßige Beteiligung ankommt.97 Die Anteilsübertragung auf B erfüllt aber den Tatbestand der § 1 Abs. 3a GrEStG. Es vereinigen sich in der Hand des B erstmalig (wirtschaftlich) mindestens 90 % der Anteile an der X OHG.

Mit der Verwirklichung des § 1 Abs. 3a GrEStG (schuldrechtliche Einigung) entfällt auch die zukünftige Überwachung der zuvor ausgelösten Nachbehaltensfrist gem. § 5 Abs. 3 GrEStG.

2.157

Genauso kommt die Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zur Anwendung, wenn die PersGes. das Grundstück, welches steuerbegünstigt erworben wurde, grunderwerbsteuerbar an einen neuen Rechtsträger veräußert (Weiterverkauf des Grundstücks). Der Abschluss eines Kaufvertrages über das Grundstück führt beispielsweise zur Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Gesellschafter verliert zwar vor Ablauf der Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG seine dingliche Mitberechtigung am Grundstück. Da die Veräußerung als solche jedoch bereits grunderwerbsteuerbar

2.158

96 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 ff. Tz. 5.2.1.1. 97 Vgl. jedoch BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315, wonach ggf. an dieser Sichtweise zukünftig durch den BFH nicht mehr festgehalten werden soll.

Graessner | 77

Kap. 2 Rz. 2.158 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

ist, entfällt das Bedürfnis die ursprünglich gewährte Steuerbegünstigung entfallen zu lassen. Denn das Grundstück geht aufgrund der eintretenden Steuerbarkeit nicht unter Umgehung, sondern unter Verwirklichung eines Erwerbstatbestandes auf einen neuen Rechtsträger über.

2.159 Nachbehaltensfrist und sachliche Befreiungsvorschriften – Die Konstellation, dass die Übertragung ohnehin nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer führen würde, ist schließlich auch bei Grundstücksübertragungen denkbar, die unter die sachliche Befreiungsvorschrift des § 3 GrEStG fallen. Dies gilt insbesondere für die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG.98 Die Vorschrift erfasst den Grundstückserwerb von Todes wegen und die Grundstücksschenkungen unter Lebenden. 2.160 Beispiel 19: A und B sind jeweils zu 50 % an einer X OHG beteiligt. Am 30.4.01 hat A an die X OHG ein Grundstück verkauft. Am 30.9.05 verschenkt A Anteile i.H.v. 25 % an der X OHG an B.

30.4.01: Grundstücksübertragung

30.9.05: Schenkung

A

B

A

50 %

50 %

50 %

X OHG

25 %

X OHG

Nachher:

B

A

B

50 %

25 %

75 % X OHG

Abb. 14 Zwar hat sich durch die Schenkung am 30.9.05 der Anteil des A innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren an der X OHG um 25 % verringert, weshalb nach dem Wortlaut der Vorschrift die in 01 gewährte Steuerbegünstigung anteilig entfallen müsste. Da die Anteile jedoch schenkweise übertragen werden und somit im Falle einer Grundstücksschenkung der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 2 GrEStG eröffnet wäre, fehlt es an der objektiven Möglichkeit einer missbräuchlichen Gestaltung. Im Wege der einschränkenden Auslegung (teleologische Reduktion) kommt § 5 Abs. 3 GrEStG nicht zu Anwendung und die Steuerbegünstigung aus 01 bleibt bestehen.

2.161 Ebenso wird es regelmäßig an einer Steuerumgehung fehlen, wenn der Gesellschafter nach Anwendung der Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG verstirbt. Denn der Erwerb des Gesellschaftsgrundstücks durch den Erwerber ist zwar steuerbar, würde aber unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer auslösen. 2.162 Abzugrenzen sind hiervon Fälle, bei denen eine gemischte Schenkung vorliegt, d.h. die Übertragung der Anteile erfolgt teilweise unentgeltlich und teilweise entgeltlich. 98 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 128.

78 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.164 Kap. 2

In dieser Konstellation entfällt rückwirkend für den entgeltlichen Teil die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG, d.h. eine einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist kann für diesen Teil nicht gewährt werden. Beispiel 20 (angelehnt an Beispielsfall 6 aus Ländererlass zu §§ 5, 6 GrEStG99): A und B sind jeweils zu 50 % an einer X OHG beteiligt. Am 30.4.01 hat A an die X OHG ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 100.000 Euro verkauft. Am 31.12.09 überträgt A Anteile i.H.v. 30 % an der X OHG an seine Nichte Z gegen Zahlung eines Kaufpreises von 100.000 Euro (Verkehrswert des 30%igen Anteils: 500.000 Euro).

30.4.01: Grundstücksverkauf

31.12.09: Anteilsschenkung

A

B

A

50 %

50 %

50 %

X OHG

30 %

Z

X OHG

2.163

Nachher:

B

A

50 %

20 %

Z 30 %

B 50 %

X OHG

Abb. 15 Der Verkauf des Grundstücks von A an die X OHG am 30.4.01 löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus. Nach § 5 Abs. 2 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer jedoch zu 50 % nicht erhoben. Es wird eine Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 GrEStG ausgelöst. Die Anteilsschenkung am 31.12.09 innerhalb der Nachbehaltensfrist führt zwar zu einer Verminderung des Anteils des A am Vermögen der X OHG, so dass eine Versagung der Steuervergünstigung gem. § 5 Abs. 3 GrEStG in Betracht kommt. Die Übertragung der Anteile i.H.v. 30 % erfolgte im Wege einer gemischten Schenkung, bei der zu 20 % eine entgeltliche Anteilsübertragung vorlag (entgeltlicher Teil: 100.000 Euro/Verkehrswert: 500.000 Euro = 20 %). In Höhe des entgeltlichen Teils der Anteilsübertragung ist die Steuerfestsetzung rückwirkend zu ändern und die Steuer i.H.v. weiteren 6 % (20 % von 30 %) festzusetzen, so dass die Grundstücksübertragung am 30.4.01 zu insgesamt 56 % steuerbar ist. In Höhe des unentgeltlichen Teils der Anteilsübertragung i.H.v. 24 % (80% von 30%) bleibt es bei der Steuervergünstigung (insgesamt 44 %); die Nachbehaltensfrist für diesen Teil läuft weiter und ist zu überwachen. Soweit Z mit der Schenkung in die Rechtsposition von A eingetreten ist („Fußstapfentheorie“), führt sie die laufende Nachbehaltensfrist fort.

Ebenso ist die Nachbehaltensfrist in Fällen einschränkend auszulegen, bei denen eine Grundstücksübertragung unter Anwendung von persönlichen Befreiungsvorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit wäre. Hierbei handelt es sich um besondere sach-

99 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1.

Graessner | 79

2.164

Kap. 2 Rz. 2.164 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

liche Steuerbefreiungsvorschriften des § 3 GrEStG100, die entweder in der Person des Erwerbers oder in einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber begründet wird.101 Wesentlicher Gedanke ist, dass eine Grundstücksübertragung auf diese Personen ohnehin grunderwerbsteuerfrei möglich gewesen wäre. Eine Missbrauchsmöglichkeit i.S.d. § 5 Abs. 3 GrEStG wird daher abgelehnt.

2.165 Eine einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist wird deshalb auch für steuerbefreite Grundstückserwerbe – durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des Veräußerers (§ 3 Nr. 4 GrEStG) – durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (Nr. 5) – durch den früheren Lebenspartner des Veräußerers (Nr. 5a) – durch Verwandte in gerader Linie des Veräußerers (Nr. 6) anerkannt. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass derjenige, der einen Anteil an einer PersGes. unter Anwendung einer Befreiungsvorschrift erwirbt, seine Gesellschafterstellung innerhalb der Nachbehaltensfrist, die durch den Veräußerer ausgelöst worden ist, unverändert beibehalten muss.102

2.166 Darüber hinaus ist im Rahmen der Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 GrEStG und der Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG anerkannt, dass sich durch eine wertende Zusammenschau dieser Vorschriften eine Steuerbefreiung ergeben kann, die im Wortlaut der einzelnen Vorschriften nicht zum Ausdruck kommt.103 Insofern wird bei einer wertenden Gesamtschau der § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG mit den Befreiungsvorschriften der § 3 GrEStG die Grundstücksübertragung u.a. bei nachfolgenden Sachverhalten von der Grunderwerbsteuer vollständig bzw. teilweise ausgenommen:104 – unmittelbarer Erwerb eines vermachten Grundstücks vom Erben auf eine PersGes. zu dem Anteil, zu dem der Vermächtnisnehmer beteiligt ist (wertende Zusammenschau mit § 3 Nr. 2 GrEStG); – Erwerb eines Grundstücks von einer Erbengemeinschaft durch eine PersGes. bei Teilung des Nachlasses zu dem Anteil, zu dem ein Miterbe an der erwerbenden PersGes. beteiligt ist (wertende Zusammenschau mit § 3 Nr. 3 GrEStG);

100 Teilweise wird § 3 Nr. 2 GrEStG als rein sachliche Befreiungsvorschrift angesehen (so Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 17; Teiche, BB 2008, 196), teilweise ebenfalls als persönliche Befreiungsvorschrift (Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 3). 101 Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 3. 102 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 107. 103 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 33 f., die den früheren Begriff „Interpolation“ durch „wertende Zusammenschau“ ersetzt; allg. Hinweise vgl. Heck, DStR 2021, 2110. 104 S. auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 5 GrEStG Rz. 30.

80 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.168 Kap. 2

– Erwerb eines Grundstücks von einem früheren Ehegatten durch eine PersGes., an der die geschiedenen Ehegatten je zur Hälfte beteiligt sind, im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung (wertende Zusammenschau mit § 3 Nr. 5 GrEStG). Nachbehaltensfrist und Umwandlungen. Die einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG (teleologische Reduktion) kann auch bei Verschmelzungs- und Spaltungsvorgängen eintreten, wenn diese zu einem steuerbaren Rechtsträgerwechsel am Grundstück führen.

2.167

Beispiel 21: A und B sind jeweils zu 50 % an der X OHG und an der Y GmbH beteiligt. Am 30.4.01 hat A an die X OHG ein Grundstück verkauft. Am 1.1.05 wird die X OHG auf die Y GmbH verschmolzen.

2.168

30.4.01: Grundstücksübertragung

1.1.05: Verschmelzung

B

A 50 % 50 %

50 %

50 %

50 %

50 % X OHG

B

A

Y GmbH

50 % 50 %

X OHG

Y GmbH

Nachher: A

B

50 %

50 % Y GmbH

Abb. 16 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf durch A an die X OHG am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu 50 % befreit.

Graessner | 81

Kap. 2 Rz. 2.168 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Durch die Verschmelzung der X OHG auf die Y GmbH zum 1.1.05 geht das Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Y GmbH als neuen Rechtsträger über. A verliert vor Ablauf der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren seine vermögensmäßige Beteiligung am Grundstück. Dies hat jedoch entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 GrEStG nicht den Wegfall der Steuerbegünstigung in 01 zur Folge, da ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG am Grundstück vorliegt und somit mangels objektiver Möglichkeit einer missbräuchlichen Gestaltung eine einschränkende Auslegung der Norm vorzunehmen ist.

2.169 Wird dagegen eine PersGes., die ein Grundstück unter Anwendung der Steuerbegünstigung des § 5 GrEStG erworben hat, im Wege des Formwechsels in eine KapGes. umgewandelt, ist darin innerhalb der Fristen des § 5 Abs. 3 GrEStG ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist zu sehen. Der Formwechsel von der PersGes. in eine KapGes. hat keinen Rechtsträgerwechsel zur Folge. Insofern verliert der Gesellschafter seine dingliche Mitberechtigung am Grundstück ohne den Eintritt eines steuerbaren Erwerbstatbestandes. Es liegt folglich kein Fall vor, für welchen eine teleologische Reduktion geboten wäre. 2.170 Davon ausgenommen ist lediglich der homogene Formwechsel von einer PersGes. in eine andere PersGes. (z.B. von einer OHG in eine KG), da die dingliche Mitberechtigung anders als beim Formwechsel in eine KapGes. durchgängig bestehen bleibt. 2.171 Ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist, der durch einen Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. eingetreten ist, kann auch nicht über die spezialgesetzliche Korrekturvorschrift des § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden. Durch die Vorschrift besteht die Möglichkeit, spätere zivilrechtliche Veränderungen des Erwerbsvorgangs nachzuvollziehen und im Ergebnis die Grunderwerbsteuer wieder aufzuheben. Dies entspricht dem Zweck der Grunderwerbsteuer, wonach eine Belastung mit Grunderwerbsteuer nur erfolgen soll, wenn das Grundstück übertragen wurde und es zumindest in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang auch dabeibleibt.105 Zwar handelt es sich bei einer schädlichen Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung innerhalb der Nachbehaltensfrist, z.B. durch Anteilsübertragung auf einen Dritten, nicht im eigentlichen Sinne um einen Erwerbsvorgang. Die Grundsätze könnten aber entsprechend (analog) für den Fall anzuwenden sein, da die schädliche Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung rückgängig gemacht wird. Der BFH106 hat eine solche analoge Anwendung des § 16 GrEStG auf das Rückgängigmachen einer Veränderung im Gesellschafterbestand der erwerbenden Gesamthand, welche die Steuerbefreiung des Erwerbsvorgangs nach § 5 Abs. 1 GrEStG anteilig ausschloss, ausdrücklich abgelehnt.

105 Allg. hierzu Koppermann in Wachter/Behrens2, § 16 GrEStG Rz. 2. 106 BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43; vgl. auch Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 55.

82 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.173 Kap. 2 Beispiel 22: A und B sind jeweils zu 50 % an einer X OHG beteiligt. Am 30.4.01 hat A an die X OHG ein Grundstück verkauft. Am 1.1.05 wird die X OHG im Wege des Formwechsels in eine GmbH umgewandelt (X GmbH).

30.4.01: Grundstücksübertragung

1.1.05: Formwechsel

A

B

A

B

A

B

50 %

50 %

50 %

50 %

50 %

50 %

X OHG

2.172

X OHG

X GmbH

Abb. 17 Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksverkauf durch A an die X OHG am 30.4.01 ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu 50 % befreit. Durch den Formwechsel der X OHG in eine GmbH zum 1.1.05 verliert A vor Ablauf der Nachbehaltensfrist seine vermögensmäßige Beteiligung am Grundstück. Anders als bei dem vorherigen Beispiel (Verschmelzung) wird kein nachgelagerter steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst. Für eine einschränkende Auslegung der Nachbehaltensfrist ist kein Raum, es liegt folglich ein Verstoß vor.

Vor einem Formwechsel einer grundbesitzenden PersGes. in eine KapGes. ist daher sicherzustellen, dass der Grundbesitz der PersGes. nicht innerhalb der letzten zehn Jahre von einem Gesellschafter erworben worden und bei dieser Übertragung die Steuerbegünstigung nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG in Anspruch genommen wurde. Auf Grund der Übergangsregelungen zur Grunderwerbsteuerreform in 2021 ist zu beachten, dass bei Altfällen ggf. die Frist von zehn Jahren noch nicht zur Anwendung kommt, § 23 Abs. 24 GrEStG. Dies gilt regelmäßig für Grundstücke, die vor dem 1.7.2016 auf einer PersGes. unter Anwendung der Steuervergünstigung übertragen worden sind.107

107 Zu der neuen Auffassung der Finanzverwaltung bei einem heterogenen Formwechsel s. auch gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG und zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 ff. bzw. 821 ff. jeweils unter Tz. 5.2.5.

Graessner | 83

2.173

Kap. 2 Rz. 2.174 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

b) Personengesellschaft als übertragender Gesellschafter

2.174 Bei der Grundstücksübertragung auf Grundlage eines Rechtsgeschäfts durch eine PersGes. als Gesellschafterin einer Tochter-Personengesellschaft ist ebenfalls die Anwendung des § 6a GrEStG nicht eröffnet, da der steuerbare Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht von der Vorschrift begünstigt wird. 2.175 Es kommen aber ebenfalls die besonderen Steuervergünstigungen für PersGes. in Betracht. Im Vergleich zu den Fällen, bei denen eine natürliche Person oder eine KapGes. an einer PersGes. beteiligt sind, bestehen für eine PersGes. als übertragender Gesellschafter Besonderheiten bei der Anwendung der Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG. 2.176 Ist übertragender Gesellschafter eine PersGes. (Gesamthand), richtet sich die Steuervergünstigung– anders als bei einer natürlichen Person und einer KapGes. als Gesellschafter – nicht nach § 5 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 2 GrEStG, sondern nach § 6 GrEStG. Denn in diesem Fall liegt ein Übergang eines Grundstücks von einer PersGes. (Gesamthand) auf eine PersGes. (Gesamthand) i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vor. 2.177 Allgemeine Voraussetzungen des § 6 GrEStG. Nach § 6 Abs. 1 und 2 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum (§ 6 Abs. 1 GrEStG) oder in das Alleineigentum (§ 6 Abs. 2 GrEStG) der beteiligten Personen die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, soweit der jeweilige Erwerber vor dem Erwerb bereits am Grundstück wertmäßig beteiligt war. 2.178 Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist der Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand von der Grunderwerbsteuer befreit, soweit bei den Gesamthandgemeinschaften identische Gesellschafter mit deckungsgleicher Beteiligung vorhanden sind. Damit fällt Grunderwerbsteuer an, soweit sich die wertmäßige Beteiligung eines der Gesellschafter am Grundstück durch den Übergang erhöht. 2.179 Die Tatbestandsmerkmale des § 6 GrEStG sind dabei grds. entsprechend den Grundsätzen zu § 5 GrEStG auszulegen; dies gilt insbesondere für die Begriffe „Gesamthand“ und „Übergang“ sowie für die Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse an der Gesamthandsgemeinschaft und für die Ermittlung der steuerbegünstigten Beteiligung.108 Insofern wird auf die vorherigen Ausführungen verwiesen.

108 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 36.

84 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.181 Kap. 2 Beispiel 23: Seit Gründung sind A und B jeweils zu 50 % an der X OHG und an der Y OHG beteiligt. Am 30.4.01 hat die X OHG ein Grundstück an die Y OHG verkauft.

30.4.01: Grundstücksübertragung A

B

A

50 % 50 %

50 % X OHG

Y OHG

2.180

Nachher: B

A

50 %

50 %

B

A

B

50 % 50 % X OHG

50 % Y OHG

Abb. 18 Es liegt ein Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (X OHG) auf eine andere Gesamthand (Y OHG) i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vor. Da zwischen beiden PersGes. Beteiligungsidentität besteht, kommt eine grunderwerbsteuerliche Befreiung in voller Höhe in Betracht. Die gleichen Rechtsfolgen treten ein, wenn in dem obigen Beispiel die X OHG auf die Y OHG im Wege der Umwandlung verschmolzen würde, so dass ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vorläge. Ertragsteuerlich kann durch eine vorherige Beteiligung der Y OHG als Mitunternehmerin an der X OHG ggf. auch eine ertragsteuerneutrale Separierung des Grundbesitzes auf eine Grundbesitz-PersGes. entsprechend den Grundsätzen zur unechten Realteilung erzielt werden. Beispiel 24: An der X OHG sind A und B jeweils zu 50 % beteiligt. Die gewerblich tätige X OHG ist u.a. zivilrechtliche Eigentümerin eines Grundstücks. Die Gesellschafter der X OHG beschließen das Grundstück von dem weiteren Geschäftsbetrieb zu separieren. Zu diesem Zweck gründen A und B die Y OHG, an der sie jeweils zu 50 % beteiligt sind. Am 30.4.01 bringen A und B jeweils einen Anteil von 5 % an der X OHG in die Y OHG ein. Schließlich wird am 31.5.01 das Grundstück im Wege der (unechten) Realteilung auf die Y OHG (unter Aufgabe der Beteiligung der Y OHG an der X OHG) übertragen. Der weitere Geschäftsbetrieb wird bei der X OHG fortgeführt.

Graessner | 85

2.181

Kap. 2 Rz. 2.181 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

Vorher:

1.1.01: Gründung der Y OHG durch A / B zu jew. 50 %

A

B

A

50 %

50 %

30.4.01: Einbringung eines Anteils an X OHG von jew. 5 % durch A / B in Y OHG

B

A

50 %

50 %

X OHG

B 50 %

50 %

Y OHG

Y OHG 10 %

50 %

45 %

50 %

X OHG

31.5.01: Übergang des Grundstücke im Wege der (unechten) Realteilung A

B 50 %

50 %

45 %

X OHG

Nachher:

A

B 50 %

50 %

Y OHG

Y OHG

10 % 45 %

45 %

X OHG

50 %

50 %

X OHG

Abb. 19 Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht ist der steuerbare Erwerbsvorgang – wie zuvor – zu 100 % nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG von der GrESt freizustellen. Die Nachbehaltensfrist von jeweils zehn Jahren ist zu überwachen. Der Übergang des Grundstücks sollte als (unechte) Realteilung gem. § 16 Abs. 3. Satz 2 EStG zwingend zu Buchwerten ertragsteuerneutral erfolgen kön-

86 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.183 Kap. 2 nen.109 Eine vorherige Abstimmung mit der Finanzverwaltung im Wege der verbindlichen Auskunft ist insbesondere mit Blick auf die ertragsteuerlichen Folgen jedoch zu empfehlen.110

Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kommt aber auch beim Erwerb innerhalb einer doppel- oder mehrstufigen Personengesellschaftsstruktur in Betracht, bei der also eine PersGes. ihrerseits Gesellschafterin einer PersGes. ist. Hier ist nur zu beachten, dass es nicht auf die Beteiligungsverhältnisse der unmittelbar beteiligten PersGes. ankommt, sondern auf die durchgerechnete Beteiligung des Gesellschafters (Gesamthänder) an dieser PersGes.111 Dabei wird die Steuervergünstigung nur in dem Umfang gewährt, wie die Beteiligung des jeweiligen Gesellschafters (Gesamthänders) am Grundstückswert deckungsgleich bei den beiden PersGes.en entweder unmittelbar oder mittelbar ist.

2.182

Beispiel 25: An der X OHG sind die B OHG (80 %) und C (20 %) beteiligt. Gesellschafter der Y OHG sind A und C jeweils zu 50 %. Darüber hinaus hält A 50 % der Anteile an der B OHG. Am 30.4.01 hat die X OHG ein Grundstück an die Y-OHG verkauft.

2.183

30.4.01: Grundstücksübertragung

Nachher:

A

A

50 %

B OHG

50 %

C

A

20 % 50 %

80 % X OHG

Y OHG

C

B OHG

50 %

80 %

C

A

C

20 % 50 % X OHG

50 % Y OHG

Abb. 20 Es liegt ein Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (X OHG) auf eine andere Gesamthand (Y OHG) i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vor. Für die Ermittlung der steuerbegünstigten Beteiligung ist auf die durchgerechnete Beteiligung des A an der X OHG abzustellen (50 % × 80 % = 40 %). Insofern besteht i.H.v. 60 % Beteiligungsidentität zwischen der X OHG und der Y OHG (A: 40 % und C: 20 %). Es kommt eine Befreiung von 60 % in Betracht.

109 BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, DStR 2016, 385. 110 BMF v. 19.12.2018 – IV C 6-S 2242/07/10002, BStBl. I 2019, 6 Tz. 7; vgl. auch Demuth, KÖSDI 2019, 21392 (21407). 111 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 38 m.w.N. zur Rspr.

Graessner | 87

Kap. 2 Rz. 2.184 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.184 Bei der Beteiligung einer KapGes. an der veräußernden PersGes. (Gesamthand) ist jedoch allein auf die Beteiligungsquote der (intransparenten) KapGes. und nicht etwa auf die dahinterstehenden Gesellschafter abzustellen. 2.185 Darüber hinaus ist § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auch dann anwendbar (und nicht etwa § 5 Abs. 2 GrEStG), wenn die übertragende PersGes. selbst an der erwerbenden PersGes. beteiligt ist.112 Überträgt eine PersGes. als Gesellschafterin ein Grundstück im Wege eines Rechtsgeschäfts (z.B. Verkauf) auf eine PersGes. richtet sich die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG. 2.186 Beispiel 26: An der X OHG sind die B OHG (80 %) und C (20 %) beteiligt. A und C halten jeweils 50 % der Anteile an der B OHG. Am 30.4.01 hat die B OHG ein Grundstück an die X OHG verkauft.

30.4.01: Grundstücksübertragung A

Nachher: A

50 %

50 %

50 % B OHG 80 % X OHG

C

20 %

50 % B OHG 80 %

C

20 %

X OHG

Abb. 21 Es liegt ein Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (B OHG) auf eine andere Gesamthand (X OHG) i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vor. Für die Ermittlung der steuerbegünstigten Beteiligung ist auf das Beteiligungsverhältnis von A und C an der übertragenden PersGes. (B OHG) und an der erwerbenden PersGes. (X OHG) abzustellen. An der B OHG sind A und C jeweils zu 50 % beteiligt, an der X OHG ist auf die unmittelbare Beteiligung des C i.H.v. 20 % bzw. die durchgerechnete Beteiligung des A und des C abzustellen.

112 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.1 (Beispiel 4).

88 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.189 Kap. 2 Gesellschafter

Beteiligung an B OHG

Beteiligung an X OHG

Beteiligungsidentität

A

50 %

40 % (50 % von 80 %)

40 %

C

50 %

60 % (20 % + (50 % von 80 %)

50 %

Summe

100 %

100 %

90 %

Abb. 22 Insofern besteht zu 90 % Beteiligungsidentität (A: 40 % und C: 50 %), so dass eine Steuervergünstigung i.H.v. 90 % in Betracht kommt.

Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG. Entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 3 GrEStG ist für die Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG eine Nachbehaltensfrist von zehn Jahren (vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) zu beachten.113

2.187

Nach allgemeiner Auffassung gelten die Regelungen der §§ 186 ff. BGB für die Fristberechnung entsprechend.114 Eine Veränderung der Rechtsstellung des Gesellschafters am Vermögen der erwerbenden PersGes. liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:115 – Aufgabe oder Verlust kraft Gesetzes der dinglichen Mitberechtigung (z.B. Übertragung auf einen Dritten oder Ausscheiden); – Verminderung der dinglichen Mitberechtigung (z.B. durch gesellschaftsvertragliche Absprachen oder Aufnahme eines neuen Gesellschafters). In diesem Sinne führt auch die Umwandlung des grundstücksübertragenden Gesellschafters116 sowie die formwechselnde Umwandlung der erwerbenden PersGes. in eine KapGes. zum Wegfall der Steuervergünstigung für die Grundstücksübertragung.

2.188

Beispiel 27: An der X OHG sind die B OHG (80 %) und C (20 %) beteiligt. A und C halten jeweils 50 % der Anteile an der B OHG. Am 30.4.01 hat die B OHG ein Grundstück an die X OHG verkauft. Die X OHG wird am 1.1.05 im Wege der Umwandlung in eine GmbH (X GmbH) formgewechselt.

2.189

113 Auf Grund eines redaktionellen Versehens wurde die Vorschrift erst mit Wirkung ab dem 1.1.2002 durch das Steueränderungsgesetz vom 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3794 ff., eingeführt (damals Nachbehaltensfrist von fünf Jahren). 114 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 61. 115 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1. 116 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.2.

Graessner | 89

Kap. 2 Rz. 2.189 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

30.4.01: Grundstücksübertragung

1.1.05: Formwechsel

A

A

50 %

50 %

50 % B OHG 80 %

50 %

C

B OHG 80 %

20 %

X OHG

X OHG

C

20 % X GmbH

Nachher: A 50 %

50 % B OHG 80 %

C

20 %

X GmbH

Abb. 23 Wie zuvor, kommt eine Befreiung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in Höhe von 90 % in Betracht. Der Formwechsel zum 1.1.05 ist für sich betrachtet nicht grunderwerbsteuerpflichtig, weil kein Rechtsträgerwechsel eintritt. Durch den Formwechsel innerhalb der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren entfällt jedoch die vermögensmäßige Beteiligung von A und C an der X OHG und damit auch die Befreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in voller Höhe (90 %). Die Änderung durch den Formwechsel ist gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle anzuzeigen.

90 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.194 Kap. 2

Auch § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wird als Missbrauchsverhinderungsvorschrift qualifiziert, d.h. sie ist nur dann nicht zu beachten, wenn kein objektiver Missbrauch gegeben ist; hier kommen insbesondere folgende Vorgänge in Betracht:

2.190

– Verminderung des Anteils des übertragenen Gesellschafters unter Anwendung der Befreiungsvorschriften i.S.d. § 3 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrEStG (Ehegatten und Verwandte in gerade Linie); – nachgelagerte steuerbare Erwerbsvorgänge (wie z.B. Verschmelzung einer erwerbenden PersGes. auf eine Kapitalgesellschaft). In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine teleologische Reduktion auf Grund eines nachgelagerten steuerbaren Erwerbsvorgangs nach Ansicht des BFH nicht in Betracht kommt, wenn es sich bei dem nachgelagerten Erwerbsvorgang um einen Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG handelt; die Änderung des Gesellschafterbestandes löst demnach einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist aus, für den in § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG die Anrechnung auf den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG abschließend geregelt ist.117

2.191

Sonderfall Brexit. Für in der Vergangenheit nach § 6 GrEStG begünstigte Grundstücksübertragungen auf eine britische Limited wurde ebenfalls eine Übergangsregelung durch den Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union zum 31.12.2000 geschaffen, § 6 Abs. 3 Satz 3 GrEStG (analog zu § 5 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Danach führt allein der Austritt des Vereinigten Königreichs nicht zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG.

2.192

Sonderfall KöMoG. Schließlich enthält § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG (analog zu § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG), eine Sonderregelung für erwerbende PersGes. auf Grund des KöMoG. Nach § 1 Abs. 1a KStG kann eine PersGes. einen unwiderruflichen Antrag stellen, um steuerrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Die Option wird gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 KStG als Formwechsel i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 UmwG qualifiziert.

2.193

Nach seinem derzeitigen Wortlaut schließt § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG ausdrücklich nur die Anwendung der Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG aus, wenn die erwerbende PersGes. nach § 1a KStG optiert hat und ein Grundstück von einer PersGes. übergeht, die nicht nach § 1a KStG optiert hat. Der Wortlaut der Norm ist sprachlich unpräzise, da er die Fälle in denen sowohl die erwerbende als auch die übertragende PersGes. optiert haben, nicht erfasst.118 Ausgehend von seinem Wortlaut sollte demnach nur die Ausübung der Option nach § 1 Abs. 1a KStG durch die erwerbende PersGes. schädlich sein. Dagegen sollte eine Optionsausübung allein durch die übertragende PersGes. für die Anwendung der Steuervergünstigung unbeachtlich sein.119

2.194

117 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521 Rz. 29. 118 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 50b. 119 Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673 (1675).

Graessner | 91

Kap. 2 Rz. 2.195 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.195 Darüber hinaus enthielt § 6 Abs. 3 GrEStG in der Fassung des KöMoG keine Regelung wie in § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG, wonach die Ausübung der Option als Verminderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters am Vermögen der erwerbenden PersGes. anzusehen ist. Mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift war es daher vertretbar, abweichend von § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG, die Ausübung der Option nicht als Verminderung des Anteils der veräußernden PersGes. zu qualifizieren, wenn diese nach der Grundstücksübertragung ausgeübt wird.120 Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und durch das Jahressteuergesetz 2022121 nach § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG einen neuen Satz 5 eingeführt, wonach die nachträglich Optionsausübung entsprechend der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG zum Sperrfristverstoß führt.122 2.196 Eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kann jedoch dann gewährt werden, wenn – die Ausübung und Wirksamkeit der Option länger als zehn Jahre (Frist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) zurückliegt und – die jeweilige Beteiligung am Vermögen der erwerbenden PersGes. länger als zehn Jahre (Frist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) besteht.

2.197 Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG, der den rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung zur Folge hat, ist auf den Zeitpunkt der Ausübung der Option abzustellen und nicht etwa auf den Beginn des Wirtschaftsjahres, für welches die Option gelten soll. 2.198 Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG. Eine Besonderheit bei der Steuervergünstigung des § 6 GrEStG im Vergleich zu § 5 GrEStG besteht darin, dass die Anwendung dieser Vorschrift eine Vorbehaltensfrist voraussetzt (§ 6 Abs. 4 GrEStG). Dadurch sollen Steuerumgehungen vermieden werden, die dadurch entstehen können, dass der Wechsel im Personenbestand und die Änderungen der Beteiligungsverhältnisse an einer PersGes. grunderwerbsteuerfrei möglich sind (z.B. bei Anteilsübertragungen < 90 %). 2.199 Nach der Neufassung der Vorschrift ist die Vorbehaltensfrist von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängert worden. Danach ist eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG insoweit nicht anzuwenden, – als ein Gesellschafter (Gesamthänder) – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb der letzten zehn Jahre (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG) bzw. fünfzehn Jahre (§ 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG) seinen Anteil an der übertragenden PersGes. (Gesamthand) durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat;

120 Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673 (1676); Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 50d. 121 Art. 22 Ziffer 1 des JStG 2022 v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294 ff. (darüber hinaus wurde noch in § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG vor den Wörtern „von einer Gesamthand“ die fehlenden Wörter „das Grundstück“ eingefügt). 122 BT-Drucks. 20/3879, S. 130.

92 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.205 Kap. 2

– als die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten Jahre vor der Auflösung der PersGes. (Gesamthand) vereinbart worden ist (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG). Mit anderen Worten: Die Begünstigung eines Anteils an einer PersGes. setzt voraus, dass der beteiligte Personengesellschafter seinen Anteil an der erwerbenden PersGes. ununterbrochen (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG) und bei unverminderter Auseinandersetzungsquote (§ 6 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG) innerhalb der Vorbehaltensfrist innegehabt hat.123

2.200

Hinsichtlich des Sonderfalls der verlängerten Vorbehaltensfrist von fünf auf fünfzehn Jahren gem. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG in Zusammenhang mit der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG s. Rz. 3.290 ff.

2.201

Ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist in jedem rechtsgeschäftlichen Handeln zu sehen, welches zu einer Veränderung der Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. (Gesamthand) führt. Hiervon werden insbesondere erfasst:

2.202

– jeder Kauf- und Abtretung eines Anteils an der PersGes. (Gesamthand); – Umwandlungsvorgänge (Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel; – gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen; – einseitige Willenserklärungen (z.B. Kündigung).124 Eine Beteiligung an einer grundbesitzenden PersGes. über eine KapGes. kann keine unmittelbare gesamthänderische Mitberechtigung im Sinne der Steuervergünstigungsvorschrift begründen. Insofern ist die Vorbehaltensfrist bei einem Gesellschafter einer KapGes., die ihrerseits an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, nicht eingehalten, auch wenn die Beteiligung an der KapGes. seit über zehn Jahren (vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) besteht.125

2.203

Bei einem Formwechsel einer grundbesitzenden KapGes. in eine PersGes. (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 191 ff. UmwG) beginnt die Vorbehaltensfrist erst in dem Zeitpunkt, in dem die neue Rechtsform in das Handelsregister eingetragen worden ist. Die Zeiten, in denen die Gesellschafter an der KapGes. beteiligt waren, bleiben unberücksichtigt.126

2.204

Die verlängerte Vorbehaltensfrist von zehn statt fünf Jahren gilt für alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden sind. Ist die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren gemäß der alten Fassung des GrEStG bereits vor dem 1.7.2021 ausgelöst, verlängert sich diese grds. auf zehn Jahre. Etwas anderes gilt für die Erwerbsvorgän-

2.205

123 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 ff. 124 Schley in Behrens/Wachter2, § 6 GrEStG Rz. 100. 125 BFH v. 17.12.2014 – II R 24/13, BStBl. II 2015, 504; v. 30.10.1996 – II R 72/94, BStBl. II 1997, 87. 126 BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587; v. 5.6.2019 – II B 21/18, BFH/NV 2019, 1253.

Graessner | 93

Kap. 2 Rz. 2.205 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

ge, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht worden sind und bei denen bereits vor dem 1.7.2021 die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren abgelaufen war (§ 23 Abs. 24 GrEStG).

2.206 Beispiel 28: An der X OHG sind die grundbesitzende B OHG (80 %) und C (20 %) beteiligt. Darüber hinaus halten A und C jeweils 50 % der Anteile an der B OHG. Am 30.4.2016 überträgt A seinen gesamten Anteil an der B OHG von 50 % auf Y. Am 1.1.2022 verkauft die B OHG ihr Grundstück an die X OHG.

30.4.2016: Anteilsübertragung A

1.1.2022: Grundstücksübertragung

Y

Y

50 %

50 %

50 %

50 %

C

B OHG 80 %

B OHG 80 %

20 %

X OHG

C

20 %

X OHG

Nachher: Y 50 %

50 % B OHG 80 %

C

20 %

X OHG

Abb. 24 Durch die Anteilsübertragung am 30.4.2016 wird kein steuerbarer Erwerbsvorgang ausgelöst (lediglich ein Zählvorgang i.H.v. 50 % i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG). Der Übergang des Grund-

94 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.210 Kap. 2 stücks von der B OHG auf die X OHG ist gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vollständig grunderwerbsteuerfrei. Dem steht nicht die verlängerte Vorbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG entgegen, da Y vor dem 1.7.2021 seit mindestens fünf Jahren an der B OHG bzw. der X OHG beteiligt war.

Die Berechnung der Frist für den Zeitpunkt des Anteilserwerbs bzw. der Vereinbarung einer abweichenden Auseinandersetzungsquote bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Es kommt auf die unmittelbare Mitberechtigung des an der erwerbenden PersGes. (Gesamthand) beteiligten Gesellschafters (Gesamthänders) an. Maßgeblich ist demnach die tatsächliche Einräumung der Gesellschafterstellung und nicht etwa der ggf. vorgelagerte Abschluss einer schuldrechtlichen Vereinbarung über die Einräumung der Gesellschafterstellung. Für den Zeitpunkt des Übergangs des Grundstücks auf die PersGes. (Gesamthand) kommt es als Stichtag auf die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nach § 1 GrEStG an.127

2.207

Nach allgemeiner Auffassung gelten die Regelungen der §§ 186 ff. BGB für die Fristberechnung entsprechend.128

2.208

Änderungen der Beteiligungsverhältnisse bzw. der Auseinandersetzungsquote innerhalb der Vorbehaltensfrist führen nicht zwingend zum vollständigen Wegfall der Steuerbegünstigung. Maßgeblich für den Umfang der Steuerbegünstigung ist jedoch die Beteiligungsquote, die innerhalb von zehn Jahren vor dem Übergang des Grundstücks unverändert bestanden hat, bzw. die Auseinandersetzungsquote, die zuletzt mehr als zehn Jahre vor der Auflösung getroffen worden war.

2.209

Einschränkende Auslegung der Vorbehaltsfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG. Auch bei der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Die Anwendung der Vorbehaltensfrist ist daher auf Sachverhalte beschränkt, in denen objektiv eine Steuerumgehungsmöglichkeit besteht.129 Für die Prüfung, ob die Vorbehaltensfrist eingehalten wurde, kommt es nicht auf die Absicht einer Steuerumgehung an. Maßgeblich ist allein die objektive Einhaltung der Vorbehaltensfrist.130 Wie bei § 5 GrEStG, wird die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG für Sachverhalte einschränkend ausgelegt, bei denen kein objektiver Missbrauch vorliegt. In diesem Sinne liegt u.a. kein objektiver Missbrauch vor, wenn

2.210

– die übertragende PersGes. selbst noch keine zehn Jahre bestanden hat;131 – die Beteiligungsverhältnisse seitdem (steuerbaren) Erwerb des Grundstücks durch die PersGes. (Gesamthand) unverändert geblieben sind;

127 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 75. 128 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 76. 129 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 18.11.2018, BStBl. I 2018, 1334, Tz. 7.6. 130 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 73. 131 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 95.

Graessner | 95

Kap. 2 Rz. 2.210 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

– die erstmalige Beteiligung an der PersGes. bereits einen steuerbaren Erwerbsvorgang ausgelöst hat und die Beteiligungsverhältnisse anschließend unverändert geblieben sind (insbesondere § 1 Abs. 2a GrEStG).

2.211 Die Anwendung der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG bleibt also in diesen Fällen eröffnet, obwohl die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG nicht eingehalten ist.132 2.212 Unbeachtlich sind daneben für die Vorbehaltensfrist schließlich auch tatsächliche Veränderungen des Grundstücks, insbesondere eine Bebauung.133 2. Einbringungsvorgänge

2.213 Überträgt eine PersGes. ein Grundstück im Wege der Einbringung auf eine PersGes., liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang im Zeitpunkt des schuldrechtlich wirksamen Vertragsabschlusses nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. 2.214 Für den Einbringungsvorgang als besondere Form eines Rechtsgeschäfts bestehen für die Anwendung von Steuerbefreiungs- bzw. Steuervergünstigungsvorschriften keine Besonderheiten. 2.215 Auch für Einbringungsvorgänge zwischen zwei PersGes. kommt die Anwendung der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG in Betracht (Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand). Es wird daher auf die vorherigen Ausführungen zur Grundstücksübertragung verwiesen. 2.216 Wie bei Rechtsgeschäften im Allgemeinen ist dagegen § 6a GrEStG nicht anwendbar, da es sich um eine Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge handelt.134 2.217 Da die Gegenleistung in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht, ermittelt sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG anhand der Grundbesitzwerte gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. 3. Umwandlungsvorgänge

2.218 Für die Übertragung eines einzelnen Grundstücks im Wege der Umwandlung von einem Gesellschafter auf eine PersGes. kann der grunderwerbsteuerbare Vorgang unter Anwendung § 6a GrEStG in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit sein. 2.219 Es gelten die Ausführungen zu Grundstücksübertragungen im Wege der Umwandlung von einem Gesellschafter auf eine KapGes. unter Rz. 2.60 ff. entsprechend.

132 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 95 m.w.N. zur Rspr. 133 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 94. 134 So ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse zur Änderung des § 6a GrEStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 1375.

96 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.221 Kap. 2

4. Gestaltungsmöglichkeiten mit §§ 5, 6 GrEStG a) Anwendung des § 5 GrEStG zur Absicherung von unternehmensinternen Restrukturierungen Gerade bei international tätigen Unternehmen mit Grundbesitz in Deutschland stellt sich häufig die Frage, ob die jeweils angedachte gruppeninterne Restrukturierung bezogen auf den Grundbesitz Grunderwerbsteuer auslöst bzw. ob der Anfall von Grunderwerbsteuer ausgeschlossen werden.

2.220

Ausgangslage: Muttergesellschaft eines weltweit tätigen Unternehmens ist die A Ltd mit Sitz in Hongkong. Tochtergesellschaft ist die B Ltd ebenfalls mit Sitz in Hongkong, die wiederum zu 100 % an der C Sarl mit Sitz in Luxemburg beteiligt ist. Die C Sarl ist Alleingesellschafterin der D GmbH, die Eigentümerin von Grundbesitz in Deutschland ist.

2.221

Es ist geplant, dass die A Ltd ihre Anteile an der B Ltd in eine neu gegründete Tochtergesellschaft der A Ltd, die X Ltd mit Sitz in Hongkong, überträgt.

Ausgangslage:

Zwischenschaltung X Ltd:

A Ltd

A Ltd

100 %

100 %

B Ltd HK LUX

X Ltd

100 %

100 %

C Sarl 100 % D

B Ltd HK LUX

D GmbH

100 % C Sarl 100 %

D D GmbH

Abb. 25

Graessner | 97

Kap. 2 Rz. 2.221 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Die Zwischenschaltung der X Ltd löst einen 100 % Anteilseignerwechsel an der B Ltd aus, so dass über die 100%ige Beteiligungskette sämtliche Anteile an der D GmbH als neu gelten. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist erfüllt. Steuerschuldner ist die D GmbH.

2.222 Grds. könnte bei gruppeninternen Restrukturierungen § 6a GrEStG in Betracht kommen. Auch wenn mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift, eine weite Anwendungsbereich der Vorschrift wünschenswert ist, ist sie nach ihrem Wortlaut auf Umstrukturierungen innerhalb der EU- und EWR-Staaten begrenzt.135 Da vorliegend die Restrukturierungsmaßnahme außerhalb der EU- und EWR-Staaten erfolgt, scheidet die Anwendung des § 6a GrEStG nach derzeitiger Rechtslage aus. 2.223 In Betracht kommt aber die Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG, um eine erhebliche Reduzierung der grunderwerbsteuerlichen Folgen herbeizuführen: 2.224 Alternative: Im Vorfeld der geplanten Restrukturierungen müsste die A Ltd und die D GmbH zunächst eine E KG gründen, an der die A Ltd zu 11 % und die D GmbH zu 89 % beteiligt wird. Im Anschluss überträgt die D GmbH ihren Grundbesitz auf die E KG. Danach wird die geplante gruppeninterne Restrukturierung (Zwischenschaltung der X Ltd) umgesetzt.

135 So ausdrücklich FG Münster v. 23.9.2021 – 8 K 1125/17, EFG 2021, 1926 zu einer Umwandlung nach dem Recht der Britischen Jungferninseln (kein DBA), Revision beim BFH eingelegt unter Az. II R 36/21; a.A. Lüdicke/Schnitger, DStR 2011, 1005, die § 6a GrEStG für ausländische Umwandlungen in DBA-Drittstaaten für anwendbar halten.

98 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.224 Kap. 2

Ausgangslage:

Gründung E KG:

A Ltd

A Ltd

100 %

100 % C Sarl

LUX

100 %

D

11 % LUX

100 % C Sarl 100 %

D

D GmbH

A Ltd

100 %

B Ltd

HK

Zwischenschaltung X Ltd:

A Ltd

100 %

B Ltd

HK

Grundbesitzübertragung auf E KG:

100 %

B Ltd

HK

11 % LUX

X Ltd

100 % C Sarl 100 %

100 % 11 %

HK

B Ltd 100 %

D

D GmbH

89 %

D GmbH 89 %

C Sarl

LUX

100 %

D

E KG

E KG

D GmbH 89 %

E KG

Abb. 26 Durch die Übertragung des Grundbesitzes auf die E KG wird ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgelöst. Dieser Vorgang ist in Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung der D GmbH von 89 % nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerbegünstigt, d.h. Grunderwerbsteuer wird nur in Höhe der Beteiligung der A Ltd i.H.v. 11 % an der E KG erhoben. Die Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 GrEStG wird ausgelöst und ist entsprechend zu überwachen.

Graessner | 99

Kap. 2 Rz. 2.224 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Auf Grund der Beteiligung der A Ltd im Zeitpunkt der Gründung der E KG und vor der Übertragung des Grundbesitzes auf die E KG sollte diese insbesondere als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG qualifizieren.136 Durch die anschließende Zwischenschaltung der X Ltd werden somit lediglich 89 % der Anteile an der E KG i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG bewegt, so dass der Tatbestand hierdurch nicht erfüllt wird. Als Folge wird die D GmbH jedoch als neu für Zwecke der Vorschrift behandelt. Die Umqualifikation der D GmbH führt auch nicht zu einem Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG, da die gesamthänderische Mitberechtigung erhalten bleibt. Eine Anteilsvereinigung sämtlicher Anteile i.S. der §§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG bestand bereits in der Hand der A Ltd in Bezug auf die E KG (unmittelbar / mittelbar). Diese bleibt auch nach der Zwischenschaltung der X Ltd unverändert bestehen, so dass die Beteiligungskettenverlängerung unbeachtlich ist.137 Im Ergebnis sollte somit keiner der Ergänzungstatbestände erfüllt werden.

2.225 Auf diese Weise wird die Grunderwerbsteuer für die geplante Restrukturierungsmaßnahme um 89 % reduziert. Auch anschließende Restrukturierungen unterhalb der A Ltd bleiben – unabhängig von einer ggf. möglichen Anwendung des § 6a GrEStG – für grunderwerbsteuerliche Zwecke unbeachtlich. Das ist umso mehr bedeutsam, weil ansonsten auch eine Anrechnung von Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 6 GrEStG) im Falle von nachgelagerten Restrukturierungsmaßnahmen regelmäßig ausscheiden wird, da § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht vom Wortlaut der Anrechnungsvorschrift erfasst werden. 2.226 Die möglichen Änderungen durch das MoPeG ab dem 1.1.2024 bezüglich der §§ 5, 6 GrEStG sind im Blick zu behalten. b) Anwendung des §§ 5, 6 GrEStG für eine geänderte Zuordnung eines Grundstücks

2.227 Ausgangslage: Die grundbesitzende A GmbH soll auf die grundbesitzende B GmbH verschmolzen werden. Gesellschafter von der A GmbH und der B GmbH ist die X GmbH. Da der Wert der Grundstücke der beiden Gesellschaften relativ hoch ist, soll eine unmittelbare Verschmelzung der grundbesitzenden A GmbH vermieden werden. Daher sind folgende Schritte geplant: 1. Übertragung der Grundstücke der A GmbH auf eine neu gegründete Tochter-PersGes. (T KG), an der sich neben der A GmbH (89 %) die X GmbH in Höhe von 11 % beteiligt. 2. Nach Ablauf von zehn Jahren wird die A GmbH auf die B GmbH verschmolzen.

136 Gleich lautende Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 ff. Tz. 5.2.1.1. 137 Zur Frage der Zurechnung von Grundstücken vgl. Rz. 3.28 ff. und Viskorf, DStR 2021, 74.

100 | Graessner

C. Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft | Rz. 2.227 Kap. 2

Vorher:

Grundstücksübertragung auf PersGes.:

X GmbH 100 %

100 %

A GmbH

X GmbH

11 %

B GmbH

100 %

100 %

A GmbH

B GmbH

89 %

T KG

Verschmelzung nach zehn Jahren:

X GmbH

11 % 100 %

Nachher:

X GmbH 100 %

A GmbH

B GmbH

100 % B GmbH

89 % Verschmelzung T KG

89 % 11 % T KG

Abb. 27 Die Grundstücksübertragung auf die T KG stellt einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar, der aber – wie im vorherigen Beispiel – nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 89 % von der GrESt befreit ist. Da die X GmbH als Gründungsgesellschafter der T KG als Altgesellschafter qualifiziert wird, führt der durch die Verschmelzung ausgelöste Gesellschafterwechsel an der T KG lediglich zu einem Zählvorgang i.H.v. 89 % i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG (§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG sind ebenfalls nicht einschlägig). Die Verschmelzung für sich ist ohne grunderwerbsteuerliche Auswirkungen, da der A GmbH nicht mehr der Grundbesitz zugerechnet werden kann. Da die Verschmelzung erst nach Ablauf der Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 GrEStG

Graessner | 101

Kap. 2 Rz. 2.227 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen erfolgt, kommt es auch nicht zu einer rückwirkenden Besteuerung auf Grund der Aufgabe der vermögensmäßigen Beteiligung der A GmbH i.H.v. 89 % an der T KG. Soll das Grundstück zur B GmbH später überführt werden, könnte dieser erneut steuerbare Vorgang gem. § 6 Abs. 2 GrEStG zu 89 % begünstigt sein. Es ist aber die Vorbehaltensfrist von hier zehn Jahren gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG zu beachten, so dass eine steuerfreie Rückführung des Grundstücks erst nach Ablauf von zehn Jahren zu einer Befreiung i.H.v. 89 % führt. Letztlich ist also eine Zeitschiene von über zwanzig Jahren (vor dem 1.7.2021: zehn Jahre) erforderlich, um auf diese Weise eine grunderwerbsteuerliche Befreiung i.H.v. 89 % für die beiden Erwerbsvorgänge zu erzielen. Für die Praxis sollte diese Vorgehensweise durch die Verlängerung der Haltefristen daher erheblich an Attraktivität verloren haben. Eine zeitliche Optimierung ist möglich, soweit die Voraussetzungen des § 6a GrEStG für die Grundstücksübertragung auf die T KG erfüllt werden können. Neben der Unternehmereigenschaft der X GmbH und den Vorbehaltensfristen von fünf Jahren müsste die Grundstücksübertragung im Wege des Umwandlungsgesetzes (Ausgliederung) erfolgen, da eine Einbringung des Grundstücks einen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG begründet, der nicht gem. § 6a GrEStG privilegiert ist. Daneben sind die ertragsteuerlichen Folgen zu prüfen.

D. Grundstücksübertragung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter I. Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen

2.228 Wird ein Grundstück von der KapGes. auf den Gesellschafter im Wege eines Rechtsgeschäfts (z.B. Verkauf) übertragen, gelten die allgemeinen Grundsätze. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. 2.229 Eine Steuerbefreiung bzw. -vergünstigung greift in diesen Fällen nicht. 2.230 Zur Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften bei KapGes. s. auch Rz. 2.44 und Rz. 2.298. 2.231 Steuerschuldner sind die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen, also die übertragende KapGes. und der erwerbende Gesellschafter, § 13 Nr. 1 GrEStG. 2.232 Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage richtet sich grds. nach dem vereinbarten Kaufpreis, der nicht zwingend dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechen muss (vgl. hierzu auch Rz. 2.52 und 2.53). 2. Umwandlungsvorgänge

2.233 Eine Grundstücksübertragung im Wege der Umwandlung von der KapGes. auf den Gesellschafter ist insbesondere in Form der Verschmelzung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG möglich.138 Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht liegt ein Rechtsträger138 Mit Blick auf eine Separierung des Grundstücks kommt daneben aus zivilrechtlicher Sicht auch die sog. „Spaltung zu Null“ (Sonderfall der nicht-verhältniswahrenden Spaltung) in

102 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.238 Kap. 2

wechsel vor, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar ist. Steuerschuldner ist der Gesellschafter als aufnehmender Rechtsträger, § 13 Nr. 2 GrEStG. Für Umwandlungsvorgänge ist § 6a GrEStG in Betracht zu ziehen. Denn es liegt sowohl ein begünstigter Erwerbsvorgang als auch ein begünstigter Umwandlungsvorgang im Sinne der Vorschrift vor.

2.234

Aus ertragsteuerlicher Sicht ist eine gesonderte Prüfung der Vor- und Nachteile einer solcher Vorgehensweise vorzunehmen; anders als bei der Ausgliederung entfällt bei der Verschmelzung das Teilbetriebserfordernis für eine ertragsteuerneutrale Überführung des Grundstücks als einzigen Vermögensgegenstand, §§ 11 ff. UmwStG.

2.235

Als erwerbender Gesellschafter kommen nicht nur die KapGes. und die PersGes. in Betracht, sondern auch eine natürliche Person, die als beteiligter Rechtsträger einer Verschmelzung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 UmwG ausdrücklich genannt wird.

2.236

Zudem hat der BFH eine Verschmelzung einer KapGes. auf ihren Anteilseigner als Anwendungsfall des § 6a GrEStG ausdrücklich anerkannt.139 Anders als bei dem umgekehrten Fall einer Ausgliederung eines Einzelunternehmers auf eine neu zu gründende KapGes. hat die Finanzverwaltung die Auffassung des BFH bestätigt.140

2.237

Beispiel 29: A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden B GmbH. Die Beteiligung wird seit über fünf Jahren im Privatvermögen des A gehalten. Am 30.4.05 wird die B GmbH im Wege der Umwandlung auf A verschmolzen.

2.238

Vorher:

Nachher:

A

A 100 %

Verschmelzung

B GmbH

Abb. 28

Betracht, bei der ausnahmsweise nicht sämtliche Gesellschafter einen Anteil am übernehmenden Rechtsträger erhalten, vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 128 UmwG Rz. 12 m.w.N. 139 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. 140 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 2.1.

Graessner | 103

Kap. 2 Rz. 2.238 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Durch die Verschmelzung wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. Entsprechend der Grundsätze des BFH aus dem Jahre 2019 sollte § 6a GrEStG zur Anwendung kommen. Die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren ist eingehalten, so dass der Erwerbsvorgang vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit sein sollte. Dabei ist es nach dem BFH unerheblich, dass A die Anteile an der B GmbH im Privatvermögen hält. Sollte A keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, kann diese über den Grundbesitz der B GmbH als sog. „abgeleitete wirtschaftliche Tätigkeit“ begründet werden (z.B. Vermietung an Dritte). Die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren wird gem. der Auslegung des BFH nicht ausgelöst, da die Beteiligung an der abhängigen B GmbH durch die Verschmelzung untergeht.

II. Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger 1. Rechtsgeschäfte im Allgemeinen a) Überblick

2.239 Wird ein Grundstück von einer PersGes. auf den Gesellschafter im Wege eines Rechtsgeschäfts (z.B. Verkauf) übertragen, liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. 2.240 Steuerschuldner sind die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen, also die übertragende PersGes. und der erwerbende Gesellschafter, § 13 Nr. 1 GrEStG. 2.241 Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage richtet sich grds. nach dem vereinbarten Kaufpreis, der nicht zwingend dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechen muss. b) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter

2.242 Wird ein Grundstück von einer PersGes. auf eine natürliche Person oder KapGes. im Wege eines Rechtsgeschäfts übertragen, können die Steuervergünstigungen gem. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG einschlägig sein. 2.243 Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze wird auf die vorherigen Ausführungen zu §§ 5, 6 GrEStG unter Rz. 2.93 ff. verwiesen. 2.244 Allgemeine Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 GrEStG. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG betrifft den Übergang eines Grundstücks einer PersGes. (Gesamthand) in das Miteigentum mehrerer an der PersGes. (Gesamthand) beteiligten Personen. Die Vorschrift stellt somit den umgekehrten Sachverhalt zu § 5 Abs. 1 GrEStG (Übergang aus dem Miteigentum auf die Gesamthand) dar. In Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung der erwerbenden Gesellschafter (natürliche Person oder KapGes.) wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. 2.245 § 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG betrifft die Fälle der Auflösung einer PersGes. (Gesamthand), bei die Auseinandersetzungsquote ausnahmsweise maßgebend ist, wenn ein Grundstück „bei Auflösung der Gesamthand“ übertragen wird. Vorbehaltlich abweichender

104 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.248 Kap. 2

gesellschafterrechtlicher Vereinbarungen wird die Auseinandersetzungsquote regelmäßig dem Anteil des Gesellschafters (Gesamthänders) am Vermögen der PersGes. (Gesamthand) entsprechen. Daher kommt die Vorschrift regelmäßig nur dann zum Tragen, wenn die Gesellschafter (Gesamthänder) für den Fall der Auflösung der PersGes. (Gesamthand) eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote vereinbart haben.141 Die Einhaltung einer Nachbehaltensfrist ist nicht erforderlich.

2.246

Beispiel 30 (zu § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG): An der X OHG sind die A GmbH und B zu je 50 % seit der Gründung beteiligt. Am 30.4.01 verkauft die X OHG ein Grundstück an die A GmbH und B zu jeweils ½ Miteigentumsanteilen.

2.247

Vorher:

Nachher:

Miteigentumsanteil

B

A GmbH 50 %

50 % X OHG

A GmbH

B

½

½

B

A GmbH 50 %

50 % X OHG

Abb. 29 Es liegt ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Dieser ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit.

Ausgehend vom Wortlaut könnte die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG auf Sachverhalte beschränkt sein, bei denen sämtliche zum Miteigentum erwerbende Personen an der PersGes. (Gesamthand) beteiligt sind. Es ist jedoch aner-

141 Vgl. Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 26 ff. mit Anm. zu Grundstücksübertragungen zwischen der Auflösung und der Vollbeendigung der PersGes.

Graessner | 105

2.248

Kap. 2 Rz. 2.248 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

kannt, dass die Regelung auch dann greift, wenn das Grundstück nur in das Miteigentum eines der beteiligten Gesellschafter (Gesamthänder) oder eines fremden Dritten übergeht.142 In diesem Fall ist die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG anteilig bezogen auf den erwerbenden Gesellschafter (Gesamthänder) zu gewähren.

2.249 Beispiel 31: An der X OHG sind die A GmbH und B zu je 50 % beteiligt. Am 30.4.01 verkauft die X OHG ein Grundstück an die A GmbH und C zu jeweils ½ Miteigentumsanteilen. Es liegt ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist allein bezogen auf die A GmbH anzuwenden, so dass i.H.v. 50 % die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird.

2.250 Bei fehlender Deckungsgleichheit der Beteiligungsquoten ist jedoch eine Verrechnung zwischen den erwerbenden Gesellschaftern (Gesamthänder) mit dem erworbenen Grundstücksbruchteil ausgeschlossen.143 2.251 Beispiel 32: An der X OHG sind die A GmbH, B und C zu je 1/3 beteiligt. Am 30.4.01 verkauft die X OHG ein Grundstück an die A GmbH zu ½ und an B und C zu jeweils ¼ Miteigentumsanteilen.

Nachher:

Vorher:

Miteigentumsanteil

B

A GmbH ⅓



C

A GmbH

B

C

½

¼

¼



X OHG

Abb. 30

142 BFH v. 21.11.1979 – II R 96/76, BStBl. II 1980, 217. 143 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 3.

106 | Graessner

B

A GmbH ⅓



X OHG

C ⅓

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.257 Kap. 2 Es liegt ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist für die A GmbH entsprechend ihrer vermögensmäßigen Beteiligung an der X OHG auf 1/3 beschränkt („Mehrerwerb“ an dem Grundstück i.H.v. 1/6). Bezogen auf B und C wird die Grunderwerbsteuer entsprechend ihrem erworbenen Miteigentumsanteil von jeweils ¼ vollständig nicht erhoben. Insgesamt fällt also nur bezogen auf den „Mehrerwerb“ der A GmbH an dem Grundstück i.H.v. 1/6 Grunderwerbsteuer an.

Allgemeine Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GrEStG. Geht dagegen das Grundstück in das Alleineigentum eines einzigen Gesellschafters (Gesamthänders) von der PersGes. über, richtet sich die Steuervergünstigung vorrangig nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG. Die Vorschrift stellt somit den umgekehrten Sachverhalt zu § 5 Abs. 2 GrEStG (Übergang aus dem Alleineigentum auf die Gesamthand) dar. Entsprechend seiner vermögensmäßigen Beteiligung an der PersGes. (Gesamthand) wird die GrESt nicht erhoben. Entsprechendes gilt bei dem Übergang eines Grundstücks auf einen einzelnen Gesellschafter (Gesamthänder) im Zuge der Auflösung der PersGes. (Gesamthand), § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG.

2.252

Auch beim Übergang von der PersGes. (Gesamthand) auf den Gesellschafter (Gesamthänder) ist die Einhaltung einer Nachbehaltensfrist nicht erforderlich.

2.253

Unerheblich ist auch, wenn der erwerbende Gesellschafter (Gesamthänder) nicht das gesamte Grundstück erwirbt, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück im Alleineigentum erwirbt und der weitere Miteigentumsanteil im Vermögen der PersGes. (Gesamthand) verbleibt.

2.254

Beispiel 33: An der X OHG sind A und die B GmbH zu je ½ beteiligt. Die X OHG ist Eigentümerin zweier Grundstücke, die sich wertmäßig entsprechen. Am 30.4.01 verkauft die X OHG ein Grundstück zu Alleineigentum an A und das andere Grundstück an die B GmbH.

2.255

Es liegt jeweils ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG ist bezogen auf das jeweilige Grundstück für A und die B GmbH auf ihre vermögensmäßige Beteiligung an der X OHG auf ½ beschränkt.

Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG. Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG ist bei einer Grundstücksübertragung von der PersGes. (Gesamthand) auf eine natürliche Person bzw. KapGes. als Gesellschafter (Gesamthänder) – wie bei Grundstücksübertragungen zwischen PersGes. und PersGes. (§ 6 Abs. 3 GrEStG) – die Erfüllung der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG. Diese beträgt zehn Jahre (vor dem 1.7.2021: fünf Jahre).

2.256

Hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendungsvoraussetzungen wird daher auf die vorherigen Ausführungen unter Rz. 2.98 ff. verwiesen.

2.257

Graessner | 107

Kap. 2 Rz. 2.258 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.258 Einschränkende Auslegung der Vorbehaltsfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG. Ebenso wie bei der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG (Grundstücksübertragung zwischen zwei PersGes.en) kommt auch im Rahmen der Anwendung der § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG eine einschränkende Auslegung der Vorbehaltensfrist als Missbrauchsverhinderungsvorschrift in Betracht. 2.259 Die einschränkende Auslegung der Vorbehaltensfrist betrifft insbesondere Fälle, bei denen die Gesellschafter (Gesamthänder) an der PersGes. (Gesamthand) bereits beteiligt waren, als die PersGes. (Gesamthand) das Grundstück erworben hat. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Grundstückserwerb durch die PersGes. (Gesamthand) der GrESt unterliegen hat und somit das Grundstück bereits der PersGes. (Gesamthand) für grunderwerbsteuerlicher Zwecke zugeordnet worden. 2.260 Beispiel 34: An der X OHG sind A und die B GmbH zu je 50 % beteiligt. Am 30.4.01 erwirbt die X OHG ein Grundstück. Am 1.1.09 scheidet A aus. Das Vermögen der X OHG (Gesamthand) wächst der B GmbH an. Zu der zivilrechtlichen Einordnung der Anwachsung wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Rz. 2.265 verwiesen.

30.4.01: Grundstückserwerb

A

B GmbH

50 %

50 % X OHG

1.1.09: Austritt des A

B GmbH

A

Nachher:

B GmbH

75 % Anwachsung X OHG

Abb. 31 Der Grundstückserwerb durch die X OHG am 30.4.01 unterliegt der GrEStG gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Anwachsungsvorgang ist ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Der Vorgang ist jedoch zu 50 % gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG von der GrESt befreit. Es liegt kein Verstoß gegen die Vorbehaltensfrist von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) vor, da die GrESt bereits mit dem Grundstückerwerb am 30.4.01 abgegolten ist. Es liegt folglich kein objektiver Missbrauch vor.

2.261 Aus ähnlichen Erwägungen ist auch eine einschränkende Auslegung gerechtfertigt, wenn die erstmalige Beteiligung an der PersGes. (Gesamthand) einen steuerbaren Erwerbsvorgang ausgelöst hat.

108 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.264 Kap. 2 Beispiel 35: An der grundbesitzenden X OHG sind A und die B GmbH zu je 50 % beteiligt. Am 30.4.01 veräußert A seinen Anteil an der X OHG an die C GmbH. Am 1.1.02 veräußert die B GmbH einen Anteil von 49 % an die C GmbH (verbleibender Anteil der B GmbH: 1 %). Am 1.1.09 tritt die B GmbH aus mit der Folge, dass das gesamte Vermögen der PersGes. (Gesamthand) der C GmbH anwächst.

30.4.01 / 1.1.02: Anteilsübertragung

1.1.09: Austritt der B GmbH

2.262

Nachher:

C GmbH B GmbH

A

50 %

50 % X OHG

B GmbH 1%

C GmbH

C GmbH

99 % Anwachsung X OHG

Abb. 32 Wie zuvor, löst die Anwachsung einen steuerbaren Erwerbsvorgang aus. Der Vorgang ist jedoch zu 99 % gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG von der GrESt befreit. Es liegt kein Verstoß gegen die Vorbehaltensfrist von zehn Jahren (bis 30.6.2021: fünf Jahre) vor, da der vorherige Anteilserwerb durch die C GmbH den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt hat.

c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter Ist dagegen derjenige Gesellschafter, der das Grundstück erwirbt, ebenfalls eine PersGes. (Gesamthand) richtet sich die Steuervergünstigung vorrangig nach § 6 Abs. 3 GrEStG.

2.263

Es gelten als die gleichen Grundsätze bei einer Übertragung durch den Gesellschafter auf die PersGes. Denn in beiden Fällen liegt ein Übergang von einer PersGes. (Gesamthand) auf eine andere (Gesamthand) vor. Insofern wird auf die Ausführungen unter Rz. 2.174 ff. verwiesen.

2.264

Graessner | 109

Kap. 2 Rz. 2.265 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2. Anwachsung a) Überblick

2.265 Um eine Änderung der Zuordnung eines Grundstücks von der PersGes. zu ihren Gesellschaftern zu erreichen, wird in der Praxis häufig anstelle einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die Anwachsung gewählt. Vorteil ist, dass bei einer Grundstücksübertragung im Wege der Anwachsung (Gesamtrechtsnachfolge) grds. nicht die formalen Voraussetzungen des UmwG einzuhalten sind. Daneben bestehen bei der Anwachsung regelmäßig auch zeitliche Vorteile. 2.266 Dabei erfolgt die Anwachsung regelmäßig in der Weise, dass der vorletzte Gesellschafter der PersGes. ausscheidet. Dies führt zu einer liquidationslosen Vollbeendigung der PersGes. und dazu, dass das Gesamthandsvermögen vollständig im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den letzten Gesellschafter (Gesamthänder) gem. § 738 BGB übergeht, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf.144 2.267 Die Anwachsung löst einen steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus.145 Da bei der Anwachsung die PersGes. liquidationslos untergeht, ist Steuerschuldner der erwerbende Gesellschafter, § 13 Nr. 2 GrEStG. b) Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter

2.268 Ist Gesellschafter eine natürliche Person oder eine KapGes., die das Grundstück im Wege der Anwachsung erwerben soll, kann der steuerbare Erwerbsvorgang nach § 6 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG in der Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wie der erwerbende Gesellschafter (Gesamthänder) am Vermögen der PersGes. (Gesamthand) beteiligt ist. 2.269 Zu den allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG wird auf die Ausführungen unter Rz. 2.242 ff. verwiesen. 2.270 Beispiel 36: An der X OHG sind A und die B GmbH zu je 50 % beteiligt. Die X OHG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Am 30.4.01 scheidet A aus der X OHG aus, so dass das Gesamthandsvermögen der X OHG der B GmbH anwächst.

144 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 387; Schneider/Roderburg in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht2, § 13 Rz. 89 und 90; nach dem MoPeG ist dies ab 1.1.2024 ausdrücklich in § 712a Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. normiert: „ …1Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. 2Das Vermögen geht zum Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. …“. 145 BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 44, wonach die Anwachsung auch keinen Fall der Anteilsvereinigung begründet; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1111.

110 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.272 Kap. 2

Vorher:

30.4.01: Austritt von A

A

B GmbH

50 %

50 %

A

B GmbH

50 %

50 % Anwachsung

X OHG

Nachher: B GmbH

X OHG

Abb. 33 Die Anwachsung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus. Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG ist jedoch einschlägig, so dass die Grunderwerbsteuer i.H. der vermögensmäßigen Beteiligung der B GmbH i.H.v. 50 % nicht erhoben wird.

Auch bei einer Grundstücksübertragung im Wege der Anwachsung auf eine natürliche Person oder auf eine KapGes. als erwerbender Gesellschafter muss für die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG grds. die Vorbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sein.

2.271

Beispiel 37: An der X OHG sind die A GmbH und die C GmbH zu je 50 % beteiligt. Die X OHG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Die A GmbH ist seit Gründung der X OHG Gesellschafterin. Die B GmbH hat ihre Anteile von 50 % am 30.4.01 von der C GmbH erworben. Am 30.4.05 wird die A GmbH auf die B GmbH verschmolzen.

2.272

30.4.01: Anteilserwerb

30.4.05: Verschmelzung

Nachher:

Verschmelzung B GmbH A GmbH

C GmbH

A GmbH

50 %

50 %

50 %

X OHG

B GmbH

B GmbH

50 % Anwachsung X OHG

Abb. 34

Graessner | 111

Kap. 2 Rz. 2.272 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Die Verschmelzung am 30.4.05 führt zur liquidationslosen Beendigung der X OHG mit der Folge, dass das Vermögen der X OHG (einschließlich des Grundstücks) bei der B GmbH anwächst. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 50 % kann jedoch nicht gewährt werden, da die B GmbH erst seit dem 30.4.01 und somit noch keine zehn Jahre Gesellschafter (Gesamthänder) der X OHG ist.

2.273 Wie unter Rz. 2.210 geschildert, sind auf Grund der Qualifikation der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG als Missbrauchsverhinderungsvorschrift Fälle denkbar, bei denen es nicht auf die Einhaltung der Frist von zehn Jahren (vor dem 1.7.2021: fünf Jahre) ankommt. 2.274 Beispiel 38: An der X GbR sind A zu 50 % und B und C jeweils 25 % beteiligt. Am 30.4.01 verkauft der A an die X GbR ein Grundstück. Am 30.4.03 übernimmt B zunächst den Anteil von A und am 30.4.04 den Anteil von C und führt das Unternehmen als Einzelunternehmen fort.

30.4.01: Grundstücksübertragung

B

A

C

25 % 25 %

50 %

30.4.03: Anteilsübertragung von A

A 50 %

X GbR

Anwachsung

75 % 25 %

X GbR

Abb. 35

112 | Graessner

C

Nachher:

B

C

25 % 25 % X GbR

30.4.04: Anteilsübertragung von C

B

B

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.278 Kap. 2 30.4.01: Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Der Vorgang ist gem. § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung des A (50 %) von der GrESt befreit. Es wird die Nachbehaltensfrist von zehn Jahren gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ausgelöst. 30.4.03: Durch die Anteilsübertragung an B wird die vermögensmäßige Beteiligung des A innerhalb der Nachbehaltensfrist vollständig aufgehoben. Die Steuervergünstigung für den Erwerbsvorgang am 30.4.01 ist rückwirkend zu versagen. 30.4.04: Durch die Anteilsübertragung an C geht das Vermögen der X GbR, im Wege der Anwachsung einschließlich des Grundstücks, auf B über. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG sind aber erfüllt. Hierfür ist die vermögensmäßige Beteiligung des B seit dem Ausscheiden des A am 30.4.03 i.H.v. 75 % maßgeblich. Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist kommt es nicht an, da der Erwerb des Anteils des A durch B zu einer rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung geführt hat und damit der Grunderwerbsteuer unterlegen hat.

c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter Ist Gesellschafter eine PersGes., die das Grundstück im Wege der Anwachsung erwerben soll, handelt es sich um eine Grundstücksübertragung von einer PersGes. (Gesamthand) auf eine PersGes. (Gesamthand). Insofern ergibt sich eine mögliche Steuervergünstigung nicht aus § 6 Abs. 2 GrEStG (Übertragung von der Gesamthand auf den Gesamthänder), sondern aus § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG.

2.275

Es besteht wieder die Besonderheit, dass neben der Einhaltung der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG auch die Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten ist.

2.276

Zudem ist für die Anwendung der Steuervergünstigung bei doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen – abweichend von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit – nicht auf die dinglichen Mitberechtigung der Ober-PersGes. am Vermögen der Unter-PersGes. abzustellen, sondern auf die hinter der Ober-PersGes. stehenden Gesellschafter (Gesamthänder).

2.277

Beispiel 39: An der X OHG sind die A OHG (75 %) und die B GmbH (25 %) beteiligt. Die X OHG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Gesellschafter der A OHG sind C und D mit einem Anteil von jeweils 50 %. Am 30.4.01 scheidet die B GmbH aus der X OHG aus, so dass das Gesamthandsvermögen der X OHG bei der A OHG anwächst.

2.278

Graessner | 113

Kap. 2 Rz. 2.278 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

30.4.01: Ausscheiden der B GmbH

Vorher: C

D

C

D

50 %

50 %

50 %

50 %

B GmbH

A OHG 75 %

B GmbH

A OHG

25 %

Anwachsung

X OHG

75 %

25 %

X OHG

Nachher: C

D

50 %

50 %

A OHG

Abb. 36 Durch das Ausscheiden der B GmbH wird die X OHG liquidationslos beendet und ihr Vermögen (einschließlich des Grundstücks) wächst bei der A OHG an. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Für die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist auf die Gesellschafter (Gesamthänder) der A OHG abzustellen, also C und D. I.H.v. 75 % ist daher die Grunderwerbsteuer nicht zu erheben. Bezüglich der Anteile von C und D ist die Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten.

3. Umwandlungsvorgänge a) Überblick

2.279 Eine Übertragung des Grundstücks von der PersGes. auf ihren Gesellschafter kann auch im Wege der Umwandlung erfolgen. Hierfür kommt regelmäßig die Verschmelzung gem. § 1, §§ 2 ff. UmwG in Betracht.

114 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.287 Kap. 2

Beteiligte Rechtsträger einer Verschmelzung können u.a. gem. § 3 Abs. 1 UmwG Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und Kapitalgesellschaften sein. Auf Grundlage der Änderungen des MoPeG146 (Inkrafttreten am 1.1.2024) können zukünftig gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG n.F. auch rechtsfähige GbR übertragender oder übernehmender Rechtsträger sein; hierfür ist aber erforderlich, dass die GbR im neu geschaffen Gesellschaftsregister eingetragen ist.

2.280

Da natürliche Personen nur übernehmender Rechtsträger sein können, wenn sie das Vermögen einer KapGes. im Rahmen einer Verschmelzung übernehmen, scheidet eine Übertragung eines Grundstücks im Wege der Verschmelzung einer PersGes. auf eine natürliche Person aus.

2.281

Die Verschmelzung löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus. Da bei der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger liquidationslos untergeht, ist Steuerschuldner der erwerbende Gesellschafter, § 13 Nr. 2 GrEStG.

2.282

b) Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter Erfolgt die Übertragung des Grundstücks im Wege der Verschmelzung von einer PersGes. auf eine KapGes. kommt für den steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG eine Steuervergünstigung sowohl nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG (Übergang von der Gesamthand ins Alleineigentum) als auch gem. § 6a GrEStG in Betracht.

2.283

Es gelten die Ausführungen unter Rz. 2.242 ff. (zu § 6 Abs. 2 GrEStG) und unter Rz. 2.60 ff. (zu § 6a GrEStG) entsprechend.

2.284

c) Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter Erfolgt die Übertragung des Grundstücks im Wege der Verschmelzung von einer PersGes. auf eine PersGes., kann der steuerbare Erwerbsvorgang unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG (Übergang von einer Gesamthand auf eine Gesamthand) oder des § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein.

2.285

d) Verhältnis von §§ 5, 6 GrEStG zu § 6a GrEStG Da die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG und des § 6a GrEStG gleichrangig nebeneinanderstehen,147 können sich auf Grund der Unterschiedlichkeit der Voraussetzungen und der Folgen in der Praxis Vorteile bei Restrukturierungen ergeben.

2.286

So bewirkt die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG eine vollständige Grunderwerbsteuerbefreiung, wogegen die Steuervergünstigung bei §§ 5, 6 GrEStG auf die vermögensmäßige Beteiligung beschränkt ist.

2.287

146 BGBl. I 2021, 3436 ff. 147 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH v. 21. und 22.8.2019 v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 5.

Graessner | 115

Kap. 2 Rz. 2.288 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.288 Beispiel 40: An der X KG ist die A OHG als einzige Kommanditistin zu 100 % beteiligt. Die nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementär GmbH wird von der A OHG allein gehalten. Die X KG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Gesellschafter der A OHG ist C mit 95 % und D mit 5 %. Die Beteiligungsstruktur besteht mit Ausnahme der Beteiligung des D an der A OHG seit mehr als zehn Jahren. Die X KG wird im Wege der Umwandlung auf die A OHG verschmolzen.

Vorher:

30.4.01: Verschmelzung

Nachher:

C

D

C

D

C

D

95 %

5%

95 %

5%

95 %

5%

A OHG 100 %

X KG

A OHG 100 %

A OHG

Verschmelzung

X KG

Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 37 Die Verschmelzung der X KG auf die A OHG löst einen Rechtsträgerwechsel am Grundstück aus. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Eine Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist auf die vermögensmäßige Beteiligung des C i.H.v. 95 % beschränkt, da nur dieser die Vorbehaltensfrist von zehn Jahren erfüllt. Dagegen ist unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG die Grunderwerbsteuer in voller Höhe nicht zu erheben; kann die A OHG als herrschendes Unternehmen (wirtschaftliche Tätigkeit) qualifiziert werden, gilt zudem für die vollständige Steuerbefreiung keine Nachbehaltensfrist.148 Dagegen wäre bei Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG eine Nachbehaltensfrist von zehn Jahren bezogen auf die Anteile an der A OHG einzuhalten, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG.

2.289 Aufgrund der Tatsache, dass § 6a GrEStG eine Nachbehaltensfrist von fünf Jahren und die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG von zehn Jahre vorsieht, können sich hieraus ebenfalls positive Effekte für die Praxis ergeben. 148 Zu der Frage der Prüfung des herrschenden Unternehmens in mehrstufigen Unternehmensstrukturen vgl. BFH v. 28.9.2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495 m. Anm. Kugelmüller-Pugh (Vorinstanz: FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 K 820/17, EFG 2020, 1332 – 1333).

116 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.290 Kap. 2 Beispiel 41: Die A GmbH ist einzige Kommanditistin (100 %) der B KG; sie hält auch sämtliche Anteile an der nicht vermögensmäßig beteiligten Komplementär GmbH. Die B KG ist ebenfalls als einzige Kommanditistin (100 %) an der X KG beteiligt, sie hält ebenfalls sämtliche Anteile an der nicht vermögensmäßig beteiligten Komplementär GmbH. Die X KG ist Eigentümerin eines Grundstücks. Am 30.4.01 wird die X KG im Wege der Umwandlung auf die B KG verschmolzen worden. Am 30.4.08 veräußert die A GmbH einen Anteil i.H.v. 89 % an C. Die Beteiligungsstruktur besteht seit mehr als zehn Jahren.

Vorher:

30.4.01: Verschmelzung

A GmbH

A GmbH

100 %

100 %

B KG

B KG

100 %

100 %

X KG

X KG

30.4.08: Anteilsabtretung A GmbH

100 %

C

Anteilsabtretung

B KG

Verschmelzung

Nachher: A GmbH

11 %

C

89 %

B KG

Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 38

Graessner | 117

2.290

Kap. 2 Rz. 2.290 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Die Verschmelzung der X KG auf die B KG löst einen Rechtsträgerwechsel am Grundstück aus. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Eine Steuervergünstigung in voller Höhe kommt sowohl nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG als auch nach § 6a GrEStG in Betracht. Die Veräußerung am 30.4.08 stellt jedoch für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist von zehn Jahren dar. Da jedoch die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG von fünf Jahren bereits abgelaufen ist, bleibt die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG erhalten, so dass weiterhin keine Grunderwerbsteuer erhoben wird.

2.291 Da die Behaltensfristen der § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GrEStG als Missbrauchsverhinderungsvorschriften – anders als für Zwecke des § 6a GrEStG149 – qualifiziert werden, können sich weitere positive Effekte bei einem gleichzeitigen Verstoß der Nachbehaltensfristen in beiden Regelungen ergeben. 2.292 Beispiel 42: Wie vorheriges Beispiel, nur erfolgt eine Veräußerung sämtlicher Anteile an B KG (100 %) am 30.4.03 an C. Die Beteiligungsstruktur besteht seit mehr als zehn Jahren.

149 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 103, wonach die Behaltensfrist zwar der Verhinderung von Mitnahmeeffekten diene, aber im Ergebnis nicht wie bei §§ 5, 6 GrEStG als Missbrauchsverhinderungsvorschrift gewertet werden kann.

118 | Graessner

D. Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter | Rz. 2.292 Kap. 2

Vorher:

30.4.01: Verschmelzung

A GmbH

A GmbH

100 %

100 %

B KG

B KG

100 %

100 %

X KG

X KG

30.4.08: Anteilsabtretung

A GmbH

100 %

C

Anteilsabtretung

B KG

Verschmelzung

Nachher:

C

100 %

B KG

Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 39 Die Verschmelzung der X KG auf die B KG löst einen Rechtsträgerwechsel am Grundstück aus. Es liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Auf Grund der Steuervergünstigungen des § 6a GrEStG und des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist in voller Höhe keine Grunderwerbsteuer zu erheben. Die Anteilsveräußerung am 30.4.03 stellt

Graessner | 119

Kap. 2 Rz. 2.292 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen für beide Vorschriften einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren (§ 6a GrEStG) und zehn Jahren (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG) dar. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG lässt sich jedoch mit der herrschenden Meinung argumentieren, dass der Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist unbeachtlich ist, da die nachgelagerter Anteilsveräußerung am 30.4.03 einen steuerbarer Erwerbsvorgang auslöst (§ 1 Abs. 2a GrEStG) und es somit an einer objektiven Missbrauchsmöglichkeit fehlt. Wegen der deutlich kürzeren Vorbehaltensfrist bei § 6a GrEStG (fünf Jahre) gegenüber §§ 5, 6 GrEStG (zehn bzw. fünfzehn Jahre) können sich zudem Vorteile hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung einer Restrukturierung innerhalb eines Konzerns ergeben.

2.293 Beispiel 43: A ist alleiniger Gesellschafter der B GmbH. Zum Vermögen der B GmbH gehört inländischer Grundbesitz. A möchte den Grundbesitz in sein Privatvermögen überführen. Die Überführung des Grundbesitzes soll möglichst ohne den Anfall von Grunderwerbsteuer umgesetzt werden. Eine unmittelbare Überführung des Grundbesitzes von der B GmbH auf A ohne Anfall von Grunderwerbsteuer ist nicht möglich.150 Alternativ ist daher zu überlegen, die B GmbH in eine PersGes. im Wege des Formwechsels umzuwandeln. In diesem Fall ist eine Überführung des Grundbesitzes unter Anwendung des § 6 Abs. 2 GrEStG in voller Höhe von der Grunderwerbsteuer befreit. Wegen der Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG ist eine Überführung (Entnahme) erst nach Ablauf von zehn Jahren möglich.151

Vorher:

Formwechsel:

A 100 %

B GmbH

A 100 %

B KG

Entnahme nach zehn Jahren: A 100 %

B KG

Nachher: A 100 %

B KG

Komplementärbeteiligung an B KG aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt

Abb. 40

2.294 Wegen der Vorbehaltensfrist von fünf Jahren war eine derartige Restrukturierung bereits nach altem Recht häufig in der Praxis nicht umsetzbar, insbesondere wenn aus

150 Daneben sind die ertragsteuerlichen Folgen zu berücksichtigen, insbesondere die Aufdeckung stiller Reserven und deren Versteuerung. 151 Dabei beginnt die Frist mit Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister.

120 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.298 Kap. 2

wirtschaftlichen Gründen ein Abwarten von fünf Jahren nicht möglich war. Mit der Verlängerung der Haltefristen auf nunmehr zehn Jahre ist davon auszugehen, dass eine derartige Restrukturierung noch seltener in Betracht gezogen wird. Alternativ ist dann an eine Übertragung zu einem Kaufpreis unterhalb des Verkehrswertes zu denken; ggf. kommt auch eine Verschmelzung der B GmbH unter Anwendung des § 6a GrEStG in Betracht.

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern I. Überblick Unmittelbare Grundstücksübertragungen zwischen Gesellschaftern können nach den sachlichen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein.

2.295

Die weitere Steuervergünstigung des § 4 GrEStG betrifft bestimmte Erwerbe, die auf öffentlich-rechtlichem Gebiet verwirklicht werden. Auf diese Sondervorschriften soll nachfolgend nicht näher eingegangen werden. Innerhalb der sachlichen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG gibt es noch den Sonderfall der personenbezogenen Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2152 bis Nr. 7 GrEStG, bei denen die sachliche Befreiung entweder in der Person des Erwerbers allein (z.B. Erbe, Beschenkter bei § 3 Nr. 2 GrEStG) oder dessen Verhältnis zum Veräußerer (z.B. Abkömmling bei § 3 Nr. 4 GrEStG oder Ehegatte bei § 3 Nr. 6 GrEStG) liegt.153 Für die Anwendung der Steuerbefreiung kommt es grds. auf das Verhältnis zwischen ursprünglichen und späteren Rechtsinhabers an. Eine Besonderheit gilt u.a. für Verträge zu Gunsten Dritter, bei denen für die Anwendung der persönlichen Befreiungsvorschriften auf das Verhältnis zwischen dem Versprechenden (Veräußerer) und dem Dritten (Erwerber) abzustellen ist.154 Ergänzend wird hierzu auf Rz. 2.313 verwiesen.

2.296

Für Grundstücksübertragungen zwischen natürlichen Personen kommen sämtliche Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG in Betracht.

2.297

Bei Erwerben von oder durch Kapitalgesellschaften sind die Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG nur eingeschränkt anwendbar. Ein Befreiungstatbestand kommt nur insoweit in Betracht, wie die einzelnen Merkmale des jeweiligen Befreiungstatbestands unmittelbar angewendet werden können. Dies gilt insb. für § 3 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG, da die KapGes. als juristische Person Erbin oder Vermächtnisnehmer sein

2.298

152 Teilweise wird § 3 Nr. 2 GrEStG als rein sachliche Befreiungsvorschrift angesehen (so Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 17; Teiche, BB 2008, 196), teilweise als persönliche Befreiungsvorschrift (so Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 3). 153 Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 3. 154 Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 4.

Graessner | 121

Kap. 2 Rz. 2.298 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

kann. Dagegen scheidet die Anwendung der weiteren Tatbestände des § 3 Nr. 4 bis Nr. 7 GrEStG bei Kapitalgesellschaften aus.155

2.299 Bei Erwerben von oder durch Personengesellschaften (Gesamthandsgemeinschaften) sind die Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG grds. anwendbar, obwohl die PersGes. als eigenständiger Rechtsträger für grunderwerbsteuerliche Zwecke anerkannt ist und dies für eine entsprechende Sichtweise wie bei den KapGes. angeführt werden könnte. Auf Grund der gesamthänderischen Struktur der PersGes. hält es die h.M. für zulässig, bei Grundstücksübertragungen die persönlichen Eigenschaften oder Beziehungen zwischen den Gesellschaftern (Gesamthändern) einer PersGes. (Gesamthand) für Zwecke der §§ 5, 6 GrEStG anteilig durchschlagen zu lassen, wie diese an der PersGes. (Gesamthand) als Veräußerer oder Erwerber beteiligt sind.156 2.300 Ist eine Grundstücksübertragung unter Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 GrEStG teilweise oder vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, ist zu beachten, dass der Erwerbsvorgang – obgleich steuerbefreit – ordnungsgemäß bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle anzuzeigen ist, §§ 18, 19 GrEStG. 2.301 Wegen der näheren Einzelheiten zu den Voraussetzungen der sachlichen (persönlichen) Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG bei den Fiktionstatbeständen (§§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG wird auf das Kap. 3 verwiesen. II. Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 2 GrEStG 1. Zweck der Vorschrift

2.302 Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des ErbStG. Zweck des Befreiungstatbestandes ist es, eine steuerliche Doppelbelastung für einen Grundstückserwerb mit Grunderwerbsteuer und zugleich mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden. 2.303 Unbeachtlich für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ist es, ob der maßgebliche Erwerbsvorgang nach dem ErbStG steuerbefreit ist oder keine Steuer festgesetzt wird (z.B. unter Anwendung der Freibeträge nach § 16 ErbStG). Für eine Befreiung muss nur ein steuerbarer Erwerbsvorgang i.S.d. ErbStG vorliegen.157 2. Grundstückserwerbe von Todes wegen

2.304 Unterliegt ein Erwerbsvorgang von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer, ist dieser Vorgang nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grds. von der Grunderwerbsteuer befreit. Hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Einordnung ausgewählter erbschaft- bzw. schenkungsteuerlicher Vorgänge soll nachfolgende Auflistung dienen: 155 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 10. 156 Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 18. 157 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 37.

122 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.308 Kap. 2

Erbfall. Mit dem Tod einer Person geht deren Vermögen im Ganzen im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf einen oder mehrere Erben über. Der Erbfall stellt einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dar und ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da ein erbschaftsteuerbarer Vorgang nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt.

2.305

Vor- und Nacherbschaft. Gleiches gilt im Rahmen einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2100 ff. BGB). In diesem Fall hat der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag einen Erben in der Weise eingesetzt, dass dieser erst dann zum Erben wird, wenn zunächst ein anderer (Vor-)Erbe geworden ist. Dabei stellt der Erwerb des Nachlassgrundstücks durch den Vorerben und der Erwerb des Grundstücks durch den Nacherben (mit dem Erbfall) jeweils zwei separate Vorgänge dar. Bei Rechtsgeschäften mit Grundstücksbezug zwischen Vorerben und Nacherben bzw. mit Dritten ist u.a. zu unterscheiden:158

2.306

– Grundstücksübertragung durch den Vorerben in Ansehung der Nacherbschaft auf den Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls: Es liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG vor, der gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. – Übertragung des Nacherbenrechts durch den Nacherben auf den Vorerben: Unabhängig davon, ob die Übertragung unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt, ist dieser Vorgang nicht grunderwerbsteuerbar, da es sich bei dem Nacherbenrecht (vor Eintritt des Erbanfalls) lediglich um ein Anwartschaftsrecht handelt. Es kann folglich kein Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück ausgelöst werden. – Übertragung des Anwartschaftsrechts durch den Nacherben auf einen nicht beteiligten Dritten (derivativer Nacherbe): Bei Eintritt des Nacherbfalls liegt ein erbschaftsteuerbarer Vorgang nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §§ 1922, 2139 BGB vor, der nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Ausschlagung einer Erbschaft. Die Ausschlagung einer Erbschaft nach §§ 1942 ff. BGB löst keine Grunderwerbsteuer aus. Erhält der Ausschlagende als Gegenleistung ein Grundstück stellt dies einen erbschaftsteuerbaren Vorgang nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG dar, der nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist; gleiches gilt bei einer Abfindung für einen Erbverzicht, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG.

2.307

Grundstücksübertragung zur Erfüllung eines Vermächtnisses. Nach § 1939 BGB wird ein Vermächtnis als die letztwillige Zuwendung eines Vermögensvorteils an einen Dritten (Vermächtnisnehmer) definiert, der nicht zugleich als Erbe eingesetzt wird, vgl. § 1939 BGB. Der Vermächtnisnehmer erwirbt im Zeitpunkt des Erbfalls nur das Recht, die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern. Das Vermächtnis stellt einen erbschaftsteuerlichen Vorgang nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.

2.308

158 S. auch Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 86.

Graessner | 123

Kap. 2 Rz. 2.308 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

– Wahlvermächtnis (§ 2154 BGB): Bei einem Wahlvermächtnis kann der Erblasser entscheiden, dass der Vermächtnisnehmer von mehreren Gegenständen den einen oder anderen Gegenstand aus dem Nachlass erhalten soll. Es liegt erbschaftsteuerlich ein Erwerb von Todes wegen durch Vermächtnis i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, der nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. – Kaufrechtsvermächtnis: Bei einem Kaufrechtsvermächtnis hat der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen dem Vermächtnisnehmer das Recht eingeräumt, ein zum Nachlass gehörendes Grundstück von dem Erben zu erwerben. Hier ist fraglich, ob der vermachte Gegenstand lediglich das Recht auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages oder der Anspruch auf Übertragung des Grundstücks ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH ist nur für den Fall, dass ein Anspruch auf Übertragung des Grundstücks vorliegt, eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu gewähren.159 Die Abgrenzung hat durch Auslegung zu erfolgen.160 Nur wenn ein bestimmtes Grundstück Gegenstand des Vermächtnisses ist, kann eine grunderwerbsteuerliche Befreiung in Betracht kommen. – Vorkaufsvermächtnis: Dabei wird dem Vermächtnisnehmer vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen nur das Recht eines dinglichen Vermächtnisses eingeräumt. Erbschaftsteuerlich wird das Vorkaufsrechtsvermächtnis bereits mit Bewilligung und Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts im Grundbuch erfüllt. Eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer bzgl. der nachgelagerten Grundstücksübertragung scheidet nach § 3 Nr. 2 GrEStG daher aus, da es nicht mehr im Zusammenhang mit der Verfügung von Todes wegen steht.161 – Verschaffungsvermächtnis – Beim Verschaffungsvermächtnis gehört der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft; der Beschwerte (i.d.R. der Erbe) hat den Gegenstand dem Bedachten (Vermächtnisnehmer) zu verschaffen, § 2170 Abs. 1 BGB. Gehört das Grundstück als Vermächtnisgegenstand bereits dem Beschwerten, so ist der Vorgang – wie eine Übertragung eines Grundstücks aus dem Nachlass an einen Vermächtnisnehmer – gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.162 Etwas anderes gilt, wenn der Erblasser ein Grundstück dem Vermächtnisnehmer vermacht hat, welches der Beschwerte selbst erst beschaffen muss. Der Beschaffungsvorgang durch den Beschwerten ist grunderwerbsteuerpflichtig und nur die Übertragung auf Grund des Verschaffungsvermächtnisses grunderwerbsteuerfrei. Beschafft der Beschwerte unmittelbar das Grundstück zu Gunsten des Vermächtnisnehmers (Vertrag zu Gunsten Dritter gem. § 328 BGB), so liegt regelmäßig nur ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang vor. Dieser ist aber nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit, da der Kauf von einem Dritten erfolgt.163 159 BFH v. 16.1.2019 – II R 7/16, BStBl. II 2019, 617; so auch FinMin NW v. 22.10.2020 – S 4505-3-V-A 6, GrESt-Kartei NW § 3 GrEStG Karte 4. 160 Für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrags kann sprechen, wenn z.B. kein konkreter Kaufpreis vereinbart wurde oder bei Vorgabe eines zeitlichen Rahmens für die Ausübung des Kaufrechts. 161 BFH v. 8.10.2008 – II R 15/07, BStBl. II 2009, 245. 162 BFH v. 13.3.1974 – II R 52/66, BStBl. II 1974, 555. 163 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 174.

124 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.312 Kap. 2

– Geldvermächtnis: Ein Geldvermächtnis kann nicht der Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG unterliegen, auch wenn im Nachgang das Geldvermächtnis durch eine Grundstücksübertragung abgegolten wird (Leistung an Erfüllung statt i.S.d. § 364 BGB).164 Grundstückserwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs. Ein solcher Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist; das gleiche gilt für Eltern, Ehegatten und Lebenspartner. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, § 2303 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte hat grds. nur einen Geldanspruch, der gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterliegt. Die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs ist in diesem Fall grunderwerbsteuerlich unbeachtlich, da kein Grundstücksbezug vorliegt. Gleiches gilt, wenn für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch eine Abfindung gezahlt wird, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.

2.309

Grunderwerbsteuerlich beachtlich ist der Vorgang erst dann, wenn der Pflichtteilsanspruch statt durch eine Geldzahlung bzw. die Abfindungszahlung für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch durch Übertragung eines Grundstücks erfüllt wird („an Erfüllung statt“). Nach der Rechtsprechung des BFH ist in diesen Fällen zu differenzieren, ob ein Pflichtteilsanspruch bereits geltend gemacht wurde oder nicht.165 Ist der Pflichtteilsanspruch bereits geltend gemacht und erfolgt die Grundstücksübertragung vereinbarungsgemäß an Erfüllung statt, ist danach eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ausgeschlossen. Denn es bleibt bei dem für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Inhalt eines Geldanspruchs. Eine Befreiung kann sich aber aus anderen Vorschriften, wie z.B. § 3 Nr. 6 GrEStG, ergeben. Gleiches soll gelten, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach der Geltendmachung auf seinen Pflichtteilsanspruch verzichtet und er stattdessen als Abfindung ein Grundstück erhält, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.166 Dagegen ist die Übertragung eines Grundstücks als Abfindung für den Pflichtteilsanspruch nach § 3 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn der Pflichtteilsanspruchs mit Erbfall zwar entstanden ist, aber noch nicht geltend gemacht worden ist.167

2.310

Für die Praxis ergibt sich aus grunderwerbsteuerlicher Sicht (z.B. bei Übertragungen zwischen Geschwistern) die Empfehlung, bei erbschaftsteuerlichen Regelungen darauf zu achten, dass eine Grundstücksübertragung nicht als „Hingabe an Erfüllung statt“ für einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch definiert wird, sondern als reine Abfindung für einen Verzicht auf einen noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch.168

2.311

Grundstückserwerb auf Grund einer Schenkung auf den Todesfall. Hierbei handelt es sich um ein Schenkungsversprechen, welches unter der Bedingung erteilt

2.312

164 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 106. 165 BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775 unter Aufgabe des Urt. v. 30.9.1981, BStBl. II 1982, 76. 166 So Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 180 und 205. 167 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 180 mit weiteren Hinweisen. 168 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 123.1.

Graessner | 125

Kap. 2 Rz. 2.312 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, § 2301 Abs. 1 BGB. Es liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, der zur Vermeidung einer Doppelbelastung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Da erbschaftssteuerlich eine Bereicherung des Bedachten Voraussetzung ist, sollte bei einer teilentgeltlichen Grundstücksschenkung (der Bedachte erbringt für die Zuwendung eine Gegenleistung) die Grundsätze einer gemischten Schenkung anwendbar sein. Als Folge sollte bei Teilentgeltlichkeit einer Grundstücksschenkung auf den Todesfall die Befreiung von der GrEStG lediglich anteilig in Betracht kommen.169

2.313 Grundstückserwerb auf Grund eines Vertrages zu Gunsten Dritter auf den Todesfall. In einem solchen Vertrag hat sich der Schuldner gegenüber dem Erblasser verpflichtet bei dessen Tod eine Leistung an einen Dritten zu erbringen. Erbschaftsteuerlich liegt Vorgang nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vor, so dass der Erwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der GrESt befreit ist. Erbringt der Dritte für den Grundstückserwerb darüber hinaus Ausgleichszahlungen oder Gleichstellungsgelder, liegt bereits kein Vermögensvorteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG vor, so dass der Erwerb für grunderwerbsteuerliche Zwecke insoweit entgeltlich und folglich nicht grunderwerbsteuerfrei ist.170 Daneben können weitere personenbezogen Befreiungstatbestände greifen. 2.314 Grundstücksübergang auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung. Die Übertragung eines Grundstücks auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung stellt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG einen erbschaftsteuerbaren Vorgang dar. Grunderwerbsteuerlich ist der Vorgang nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der GrESt befreit. Gleiches gilt für Vorgänge, bei denen der Erblasser einen Erben oder Vermächtnisnehmer mit der Auflage beschwert, seinerseits eine Stiftung durch Rechtsgeschäft zu errichten oder bei denen die von ihm angeordnete Stiftung selbst zur Erbin eingesetzt wird.171 2.315 Grundstücksübergang auf Grund sonstiger Erwerbe von Todes wegen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 bis Nr. 7 ErbStG gelten daneben weitere Erwerbe, Entgelte oder Abfindungen als vom Erblasser zugewendet und unterliegen demzufolge der Erbschaftsteuer. Ist Gegenstand ein Grundstück, so ist der Vorgang von der GrESt befreit. Etwas anderes gilt, wenn die Grundstücksübertragung als „Hingabe an Erfüllung statt“ zu qualifizieren ist. In diesem Fall scheidet eine grunderwerbsteuerliche Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG aus.172 3. Grundstücksschenkungen

2.316 Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind Erwerbsvorgänge auch von der Grunderwerbsteuer befreit, die sowohl der Schenkungsteuer als auch der GrESt unterfallen. Unerheblich für den Befreiungstatbestand ist – wie bei Erwerben von Todes wegen –, ob nach

169 170 171 172

Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 97; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 184. Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 119. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 213.

126 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.320 Kap. 2

dem ErbStG tatsächlich eine Steuerpflicht eintritt; ebenso ist unbeachtlich, ob eine Schenkungsteuer festgesetzt oder entrichtet wurde. Grundstückserwerb auf Grund einer freigebigen Zuwendung. Grundstückserwerbe auf Grund einer freigebigen Zuwendung sind steuerbar, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Zudem muss sich die freigebige Zuwendung des Grundstücks zwischen Schenker und Bedachtem vollziehen.173 Werden zugleich Verbindlichkeiten übernommen, wie z.B. eine Hypothek, kann eine teilentgeltliche Schenkung vorliegen, die dann nur anteilig befreit ist.

2.317

Abzugrenzen ist die Grundstücksschenkung unter Lebenden von der Grundstücksschenkung von Todes wegen. Letzterer Fall ist auch dann vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn mit dem Grundstückserwerb Verbindlichkeiten, z.B. eine Hypothek, übernommen wird. Dies sollte auch dann gelten, wenn die Belastung bei der Erbschaftsteuer in Abzug gebracht werden kann.

2.318

Einen Sonderfall stellt grunderwerbsteuerlich die mittelbare Grundstücksschenkung dar. Auch die Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks zu Gunsten eines Dritten (des Bedachten) stellt einen schenkungsteuerbaren Vorgang dar. Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht vollzieht sich in dem maßgeblichen Verhältnis zwischen Schenker und Bedachten keine unmittelbare Grundstücksübertragung. Der mit dem Geld bewirkte Grundstückserwerb ist daher nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 von der Grunderwerbsteuer befreit. Es liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor.

2.319

Bei mehrfacher Schenkung desselben Grundstücks (sog. Kettenschenkung) ist zu differenzieren, ob die Mittelsperson, die das Grundstück zunächst erwirbt, zugleich eine Verpflichtung gegenüber dem Zuwendenden eingeht, das Grundstück an einen Dritten weiterzugeben. Maßgeblich ist dabei, ob die Mittelsperson eine eigene Entscheidungsbefugnis hat. Erhält jemand als Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weiter überträgt, liegt schenkungsteuerlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor.174 Ein schenkungsteuerbarer Vorgang bei der Mittelsperson wird dagegen abgelehnt (keine Bereicherung durch die Zuwendung und keine Schenkung an den Dritten wegen der Weitergabeverpflichtung). Grunderwerbsteuerlich liegt aber zwischen Zuwendenden und dem Dritten gerade keine Grundstücksübertragung vor, so dass daher § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht einschlägig ist.175 Die Grundstücksübertragung vom Zuwendenden an die Mittelsperson und von der Mittelsperson an den Dritten verwirklichen folglich zwei separate steuerbare Erwerbsvorgänge. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Grundstücksübertragung können aber weitere Befreiungstatbestände in dem jeweiligen Rechtsverhältnis greifen.

2.320

173 So BFH v. 7.11.2018 – II R 38/15, BStBl. II 2019, 325 m.w.N. 174 BFH v. 16.9.2020 – II R 33/19, BFH/NV 2019, 317. 175 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322; kritisch hierzu Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 141.

Graessner | 127

Kap. 2 Rz. 2.321 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.321 Liegt dagegen keine Verpflichtung zur Weitergabe bei der Mittelsperson vor, werden zwei schenkungsteuerbare Vorgänge verwirklicht, d.h. eine Zuwendung von dem Zuwendenden an die Mittelsperson und eine Zuwendung von der Mittelsperson an den Dritten. Für beide Vorgänge ist eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu gewähren. 2.322 Beispiel 44: V überträgt ein Grundstück im Wege der Schenkung auf seine Tochter T. Im Anschluss überträgt T das Grundstück auf ihr Kind K. T ist keine Verpflichtung gegenüber V zur Weitergabe an K eingegangen, sondern kann frei über das Grundstück verfügen.

V

1. Schenkung

T

2. Schenkung

K

Abb. 41 Sowohl die Übertragung des Grundstücks von V auf T als auch von T auf K stellen jeweils einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Beide Sachverhalte sind grunderwerbsteuerlich nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit (bzw. § 3 Nr. 6 GrEStG).

2.323 Grundstückserwerb auf Grund gemischter Schenkung. Von einer gemischten Schenkung spricht man, wenn bei dem Grundstücksvertrag die Leistung für die Hingabe des Grundstücks und die Gegenleistung (regelmäßig der Kaufpreis) in einem offenbaren Missverhältnis stehen und sich der Zuwendende des Mehrwerts seiner Leistung bewusst ist.176 Ein solches Missverhältnis wird regelmäßig angenommen, wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20 bis 25 % unterschreitet.177 Nur für den (unentgeltlichen) freigebigen Teil der Zuwendung kommt eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Betracht, denn nur diesbezüglich läge ansonsten eine Doppelbelastung mit Schenksteuer und Grunderwerbsteuer vor. Der entgeltliche Teil unterliegt dagegen als Gegenleistung der GrESt (ggf. sind weitere Befreiungstatbestände einschlägig). 2.324 Beispiel 45: V überträgt ein Grundstück auf seine Tochter T zu einem Kaufpreis von 500.000 Euro (Verkehrswert: 1 Mio. Euro). V ist bewusst, dass er das Grundstück unter dem Verkehrswert an seine Tochter verkauft. Die Grundstücksübertragung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Der vereinbarte Kaufpreis unterhalb des Verkehrswertes gehört zu grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dabei ist es für grunderwerbsteuerliche Zwecke unerheblich, ob der Kaufpreis un-

176 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 146. 177 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 253.

128 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.327 Kap. 2 terhalb des Verkehrswertes auf Freigebigkeit oder auf anderen Gründen beruht. Eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist nur insoweit einschlägig, als der Vorgang unentgeltlich ist. Da daneben auch der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 6 GrEStG (Verwandte in gerader Linie) erfüllt ist, ist der Vorgang dennoch in vollem Umfang von der Grunderwerbsteuer befreit. Der steuerbare, aber steuerbefreite Erwerbsvorgang ist dennoch bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle anzuzeigen.

Grundstückserwerb auf Grund einer Schenkung unter Auflage. Für den Fall, dass eine Schenkung unter Auflage erfolgt, sieht § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG einen Ausschluss der grunderwerbsteuerlichen Befreiung hinsichtlich des Wertes einer solchen Auflage vor, die bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Begründet wird dies damit, dass es in diesen Fällen an einer Doppelbelastung mit Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer fehlt. Eine Auflage kann z.B. in der Übernahme von Belastungen (Hypotheken, Grund- und Rentenschulden, Wohnungsrecht u.ä.), die auf dem Grundstück ruhen, in der Übernahme neuer Belastungen (Bestellung eines Wohnrechts oder eines Nießbrauchs), in der Zahlung von Renten oder sonstige Leistungen oder Duldungen zu Gunsten des Schenkers gesehen werden. Möglich sind die Leistungs-, Nutzungsoder Duldungsauflagen. Leistungsauflage. Eine solche Auflage liegt vor, wenn der Beschenkte die Auflage (z.B. Rentenzahlungen, Übernahme von Verbindlichkeiten des Schenkers u.ä.) unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Gegenstandes zu erbringen hat (z.B. aus seinem persönlichen Vermögen).

2.325

Nutzungs- oder Duldungsauflagen – Unter Nutzungs- oder Duldungsauflagen versteht man einen Vorgang, bei dem der Beschenkte zwar das Eigentum an dem Zuwendungsgegenstand (Grundstück) erhält, ihm aber die Nutzung des Zuwendungsgegenstandes nicht sofort (vollständig) eingeräumt wird, wie z.B. Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts (Nießbrauch) oder eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Wohnrecht); Gleiches gilt, wenn der Beschenkte verpflichtet ist, die Früchte auszukehren oder den Gebrauch der Sache zu überlassen (obligatorisches Nutzungsrecht). Bis zum 31.12.2008 sah § 25 ErbStG a.F. einen Ausschluss der Abzugsfähigkeit bei Nutzungs- oder Duldungsauflagen vor, wenn der Schenker oder dessen Ehegatte begünstigt wurden.

2.326

Mit Aufhebung des § 25 ErbStG a.F. ist eine Differenzierung für grunderwerbsteuerliche Zwecke zwischen Leistungsauflage und Nutzungs- oder Duldungsauflage ab dem 1.1.2009 entfallen.178

2.327

Eine grunderwerbsteuerliche Befreiung der Auflage ist demnach immer dann zulässig, wenn diese für schenkungsteuerliche Zwecke nicht abzugsfähig ist. Nicht abzugsfähig sind für schenkungsteuerliche Zwecke Auflagen, wenn sie dem Beschwerten selbst zugutekommen, § 10 Abs. 9 ErbStG. Folglich ist § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG uneingeschränkt anwendbar. Andere Auflagen sind dagegen ab dem 1.1.2009 schenkung178 Art. 1 des ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018; vgl. auch FinMin. BadenWürttemberg v. 15.4.2009 – 3-S 450.5/3, DStR 2009, 856. Vor dem 1.1.2009 schloss § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. einen Abzug der Nutzungs- oder Duldungsauflage bei der Schenkungsteuer nicht aus, wenn die Auflagen einer anderen Person als dem Schenker oder dessen Ehegatten zugute kamen.

Graessner | 129

Kap. 2 Rz. 2.327 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

steuerlich abziehbar. Eine solche Schenkung unter Auflage wird im Ergebnis einer gemischten Schenkung gleichgestellt.179 Der unentgeltliche Teil löst einen schenkungsteuerlichen Tatbestand gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus, der nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der GrESt befreit ist. Der entgeltliche Teil fällt nicht unter das ErbStG und ist folglich grunderwerbsteuerbar. Damit unterliegen sowohl Leistungs- als auch Nutzungs- und Duldungsauflagen hinsichtlich ihres Wertes der Grunderwerbsteuer, soweit nicht sonstige Befreiungstatbestände einschlägig sind.

2.328 Grundstücksübertragungen durch Träger öffentlicher Verwaltung. Die Rechtsprechung hat hierzu entschieden, dass eine unentgeltliche Vermögensübertragung zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung in der Regel nicht als freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren ist.180 Eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG scheidet daher aus. Wesentliches Argument ist, dass auf Grund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht regelmäßig anzunehmen ist, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und folglich nicht freigebig handelt. Dies soll auch gelten, wenn die Grundstücksübertragung auf eine Stiftung erfolgt. Hiervon abweichend können Vermögensübertragungen zwischen nichtstaatlichen Körperschaften als freigebige Zuwendung qualifiziert werden.181 2.329 Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände neben § 3 Nr. 2 GrEStG denkbar, wie z.B. bei der Übertragung des vermachten Grundstücks durch den Erben in Erfüllung des Vermächtnisses auf:182 – den Ehegatten des Vermächtnisnehmers (Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG); – einen mit dem Vermächtnisnehmer in gerader Linie Verwandten bzw. ihm Gleichgestellten (Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG). III. Sonstige Befreiungstatbestände des § 3 GrEStG 1. Erwerb geringwertiger Grundstücke

2.330 Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 1 GrEStG sieht eine Bagatellgrenze i.H.v. 2.500 Euro vor. Übersteigt der nach § 8 GrEStG maßgebliche Wert des Grundstücks nicht die Bagatellgrenze, wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Ausgehend von einem Grunderwerbsteuersatz i.H.v. 6,5 % (z.B. in Nordrhein-Westfalen) verzichtet der Fiskus auf eine Grunderwerbsteuer von max. 162,50 Euro. Auch wenn § 3 Nr. 1 GrEStG im Zusammenhang mit den anderen Steuervergünstigungsvorschriften (§§ 5, 6 GrEStG) in Betracht kommt, ist der praktische Anwendungsbereich eher gering; 179 Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 24. 180 BFH v. 29.3.2006 – II R 15/04, BStBl. II 2006, 557; v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632. 181 BFH v. 17.5.2006 – II R 46/04, BStBl. II 2006, 720 zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück durch eine Kirchengemeinde zu Gunsten der einer kirchlichen Einrichtung mit karitativer Zielsetzung. 182 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 166.

130 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.335 Kap. 2

zumal es sich um eine Freigrenze handelt, d.h. bei Übersteigen des Betrages von 2.500 Euro wird die Grundstücksübertragung vollständig steuerpflichtig. Daher wäre eine deutliche Erhöhung der Bagatellgrenze sehr zu begrüßen. 2. Grundstückserwerb zur Teilung eines Nachlasses Zweck des Befreiungstatbestandes des § 3 Nr. 3 GrEStG ist die Erleichterung von Grundstücksübertragungen zur Teilung eines Nachlasses. Danach ist die Übertragung eines Nachlassgrundstücks von der GrESt befreit, wenn dieses zur Teilung des Nachlasses von einem oder mehreren Miterben abweichend vom Verhältnis ihrer Erbteile erworben wird. Begünstigt sind der Miterbe, der Ehegatte, der überlebende Ehegatte des Erblassers und Lebenspartner183. Ebenso sind nach Auffassung der Finanzverwaltung Abkömmlinge eines Miterben oder andere in gerader Linie Verwandte begünstigt.184

2.331

Ohne den Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 3 GrEStG wäre eine Übertragung des Nachlassgrundstücks auf einen Miterben nur entsprechend seiner Erbquote von der Grunderwerbsteuer anteilig befreit. Grunderwerbsteuerlich unbeachtlich ist, ob der erwerbende Miterbe den Grundstückswert aus seiner Beteiligung am sonstigen Nachlass ausgleichen kann oder ob bzw. in welcher Höhe er eine Zuzahlung leisten muss.185

2.332

Mit Blick auf die weiteren Befreiungsvorschriften ist der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 3 GrEStG erst dann einschlägig, wenn das Nachlassgrundstück entweder ungeteilt übernommen oder abweichend vom Verhältnis der Erbquote geteilt. Denn ansonsten wird regelmäßig eine Befreiung nach § 6 GrEStG (Übergang von einer Gesamthand) oder nach § 7 GrEStG (Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum) in Betracht kommen.

2.333

Dagegen werden Erbanteilserwerbe gem. §§ 2371 ff. BGB durch einen Dritten nicht von dem Befreiungstatbestand erfasst.

2.334

Beispiel 46: An der Erbengemeinschaft sind Miterben zu je 1/3 A, B und C. In 01 kauft D den Erbanteil des C i.H.v. 100.000 Euro, davon entfällt auf das zur Erbmasse gehörende Grundstück ein Betrag von 60.000 Euro.

2.335

Der Grundstückserwerb im Rahmen des Erbanteilskaufs stellt eine Grundstücksübertragung kraft Gesetzes dar und ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Da D nicht zu dem begünstigten Personenkreis gehört, fällt der Erwerbsvorgang nicht unter § 3 Nr. 3 GrEStG. Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage ist der Kaufpreis i.H.v. 60.000 Euro. D wird

183 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 anwendbar auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht worden sind, soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, § 23 Abs. 9 i.d.F. v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 184 FM Saarland v. 10.7.2017 – S 4505-2 002-2017/86640, DStR 2017, 1998: Steuerbegünstigung im Wege einer Gesamtschau der § 3 Nr. 3 und Nr. 6 GrEStG (abgekürzten Übertragungsweg). 185 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 277.

Graessner | 131

Kap. 2 Rz. 2.335 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen durch den Erwerb des Erbanteils nicht zum Miterben, d.h. ein nachgelagerter Erwerb des Grundstücks durch D im Wege der Teilung des Nachlasses ist ebenfalls nicht nach § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt. Eine Steuervergünstigung kommt aber in diesem Fall entsprechend seiner Erbquote nach §§ 6, 7 GrEStG in Betracht.

2.336 Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Gesamtschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände neben § 3 Nr. 3 GrEStG denkbar, wie z.B. der unmittelbare Erwerb eines Nachlassgrundstücks von der Erbengemeinschaft:186 – durch den geschiedenen Ehegatten oder Lebenspartner eines Miterben, wenn im Übrigen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG vorliegen (Zusammenschau mit § 3 Nr. 5 GrEStG); – durch eine Person, die mit dem betreffenden Miterben in gerader Linie verwandt ist, oder eine gleichgestellte Person i.S.d. § 3 Nr. 6 GrEStG (Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG). 3. Grundstückserwerb zwischen Ehegatten/Lebenspartnern

2.337 Nach § 3 Nr. 4 GrEStG sind Grundstückserwerbe zwischen Ehegatten uneingeschränkt von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt nach Erweiterung durch das JStG 2010187 auch für Grundstückserwerbe zwischen Lebenspartnern. 2.338 Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände neben § 3 Nr. 4 GrEStG denkbar, wie z.B.:188 – der Erwerb eines Grundstücks von dem Treuhänder durch den Ehegatten bzw. Lebenspartner des Treugebers in Erfüllung des Rückgewähranspruches (Gesamtschau mit § 3 Nr. 8 GrEStG); – der Übergang eines Grundstücks von einer PersGes. auf den Ehegatten bzw. Lebenspartner, soweit der andere Ehegatte bzw. Lebenspartner an der Gesellschaft beteiligt ist (Zusammenschau mit § 5 GrEStG). 4. Grundstückserwerb nach Scheidung einer Ehe bzw. nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft

2.339 Nach § 3 Nr. 5 GrEStG sind Vermögensauseinandersetzungen, die die Übertragung eines Grundstücks zum Gegenstand haben, von der Grunderwerbsteuer befreit. Wesentliche Voraussetzung ist, dass die Vermögensauseinandersetzung aus Anlass der

186 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 208. 187 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 anwendbar auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht worden sind, soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, § 23 Abs. 9 i.d.F. v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 188 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 216.

132 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.344 Kap. 2

Scheidung der Ehe erfolgt. Es muss also ein sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen bestehen. Nach der Einfügung des § 3 Nr. 5a GrEStG gilt dies für die Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft entsprechend.189 Außerhalb einer Vermögensauseinandersetzung bzw. Aufhebung einer Lebenspartnerschaft werden Grundstückserwerbe zwischen geschiedenen Ehepartnern bzw. Lebenspartnern dagegen wie Vorgänge zwischen fremden Dritten behandelt.

2.340

Eine Vermögensauseinandersetzung i.S.d. § 3 Nr. 5 GrEStG setzt nicht voraus, dass der erwerbende (frühere) Ehegatte am Grundstück bereits Miteigentümer ist bzw. an diesem gesamthänderisch mitberechtigt ist. Ebenso muss der übertragende (frühere) Ehegatte nicht bereits Eigentümer des betroffenen Grundstücks sein, sondern er kann dieses auch erst im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erwerben und auf den anderen (früheren) Ehegatten übertragen (z.B. durch Abtretung des Übereignungsanspruchs). In diesem Fall erfasst § 3 Nr. 5 GrEStG nur die Grundstücksübertragung auf den (früheren) Ehepartner; der vorangegangene Grundstückserwerb wird dagegen nicht von dem Befreiungstatbestand erfasst.190

2.341

Der Begriff der „Vermögensauseinandersetzung nach der Ehescheidung“ bzw. „Aufhebung der Lebenspartnerschaft“ wird weit gefasst. Erfasst werden alle Regelungen über die vermögensrechtlichen Beziehungen der geschiedenen Ehepartner, wenn die Scheidung ursächlich für die Regelung ist. In Betracht kommen insbesondere Regelungen zum:

2.342

– Ausgleich des Zugewinns gem. §§ 1372 ff. BGB; – Unterhalt gem. §§ 1569 ff. BGB; – Versorgungsausgleich gem. §§ 1587 ff. BGB i.V.m. Versorgungsausgleichsgesetz v. 3.4.2009191. Gegenstand einer Vermögensauseinandersetzung kann auch die Auseinandersetzung von Bruchteilsgemeinschaften der (früheren) Ehegatten sein.

2.343

Für die Anwendung des Befreiungstatbestandes bestehen nach seinem Wortlaut keine zeitlichen Einschränkungen. Ein großer zeitlicher Abstand kann lediglich als Indiz gewertet werden, dass die Regelung nicht ihre Ursache in der Ehescheidung bzw. Aufhebung der Lebenspartnerschaft hat.192 Eine feste zeitliche Grenze wird auch nicht von der Rechtsprechung definiert. Es kommt vielmehr auf den sachlichen Zusammenhang zwischen der Ehescheidung und der Vermögensauseinandersetzung

2.344

189 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 anwendbar auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht worden sind, soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, § 23 Abs. 9 i.d.F. v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 190 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 222. 191 BGBl. I 2009, 700 (bis 30.8.2009: §§ 1587 ff. BGB). 192 BFH v. 23.3.2011 – II R 33/09, BStBl. II 2011, 980.

Graessner | 133

Kap. 2 Rz. 2.344 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

an. Im Einzelfall kann daher auch nach mehreren Jahren eine Vermögensauseinandersetzung i.S.d. Befreiungstatbestandes vorliegen.193 Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung ist in der Praxis eine zeitnahe Vermögensauseinandersetzung zu empfehlen oder zumindest Gründe für die zeitlichen Auseinanderfallen im Verhältnis zur Scheidung zu dokumentieren (wie z.B. Verhandlungen mit den finanzierenden Banken, Rechtsstreitigkeit im Zusammenhang mit der Ehescheidung). Zudem ist auch aus grunderwerbsteuerlicher Sicht abzuwägen, ob man in einer Scheidungsvereinbarung bereits eine Regelung aufnimmt, wonach die Vermögensauseinandersetzung durch die Vereinbarung als vollständig abgeschlossen angesehen wird. Denn nach endgültigem Abschluss der Vermögensauseinandersetzung ist die Anwendung des § 3 Nr. 5 GrEStG ausgeschlossen.

2.345 Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände einschließlich §§ 5, 6 GrEStG neben § 3 Nr. 5 GrEStG denkbar, wie z.B.:194 – Grundstückserwerb von dem geschiedenen Ehegatten durch den neuen Ehegatten des anderen geschiedenen Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung (Zusammenschau mit § 3 Nr. 4 GrEStG); – Übergang eines Grundstücks von dem geschiedenen Ehegatten auf eine PersGes., soweit der geschiedene Ehegatte an der PersGes. (Gesamthand) beteiligt ist und der Übergang im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung der Ehe erfolgt (Zusammenschau mit § 5 GrEStG). 5. Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte

2.346 § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG erfasst als personenbezogener Befreiungstatbestand Grundstückserwerbe durch Verwandte in gerader Linie (Eltern, Kinder, Enkel, Großeltern und entferntere Voreltern oder Abkömmlinge) und durch Personen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist195, und ihnen gleichgestellte Personen (Satz 2 und Satz 3), d.h. – Stiefkinder – Lebenspartner – Ehegatten.

193 In dem Urt. des BFH v. 23.3.2011 hatten die früheren Ehegatten zunächst das Miteigentum an einem Grundstück aufrechterhalten und ein Ankaufsrecht zu Gunsten eines der früheren Ehegatten eingeräumt. Dieses wurde erst nach 15 Jahren ausgeübt. Da das Ankaufsrecht jedoch von seinem Rechtsnachfolger ausgeübt wurde, hat der BFH dennoch die Anwendung von § 3 Nr. 5 GrEStG abgelehnt (keine analoge Anwendung); s. hierzu auch Kesseler, DStR 2010, 2173. 194 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 226. 195 Ergänzung durch das JStG 2010, BGBl. I 2010, 1768.

134 | Graessner

E. Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern | Rz. 2.351 Kap. 2

Unter Stiefkind wird allgemein das gemeinschaftliche (eheliche oder uneheliche) Kind des anderen Ehegatten verstanden; dies gilt auch für das einseitig angenommene Kind.196 Nicht erfasst werden Pflegekinder.197

2.347

Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände einschließlich §§ 5, 6 GrEStG neben § 3 Nr. 6 GrEStG denkbar, wie z.B.:198

2.348

– Erwerb eines vermachten Grundstücks unmittelbar vom Erben durch eine Person, die im Verhältnis zum Vermächtnisnehmer zu dem nach § 3 Nr. 6 GrEStG begünstigten Personenkreis gehört (Zusammenschau mit § 3 Nr. 2 GrEStG); – Erwerb eines vermachten Grundstücks unmittelbar vom Erben durch einen Dritten im Wege der Schenkung des Vermächtnisnehmers (Zusammenschau mit § 3 Nr. 2 GrEStG). 6. Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 7 GrEStG erfasst Grundstückserwerbe durch Teilung des Gesamtguts der fortgesetzten Gütergemeinschaft gem. §§ 1483 ff. BGB. Bei einer fortgesetzten Gütergemeinschaft haben die Ehegatten vereinbart, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod des ersten Ehegatten vom überlebenden Ehegatten mit den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt wird. Die Kinder ersetzen innerhalb der Gütergemeinschaft den erstverstorbenen Ehegatten. Satz 2 enthält eine Erweiterung auf eingetragene Lebenspartner.199

2.349

Durch den Befreiungstatbestand wird eine Steuerbefreiungslücke geschlossen; ansonsten wäre der Grundstückserwerb im Rahmen einer fortgesetzten Gütergemeinschaft nur entsprechend der jeweiligen Quote befreit, die dem Beteiligungsverhältnis des erwerbenden Teilnehmers an der fortgesetzten Gütergemeinschaft entspricht (§§ 6, 7 GrEStG), da weitere Befreiungstatbestände nicht erfüllt sind.

2.350

Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände einschließlich §§ 5, 6 GrEStG neben § 3 Nr. 7 GrEStG denkbar, wie z.B.200 unmittelbarer Grundstückserwerb aus dem Gesamtgut zur Teilung des Gesamtguts durch einen Abkömmling eines Teilnehmers an einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG).

2.351

196 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 245. 197 BFH v. 24.11.2005 – II B 27/05, BFH/NV 2006, 742 zur Erbschaftsteuer; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 248. 198 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 252. 199 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 anwendbar auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.7.2001 verwirklicht worden sind, soweit Steuerbescheide für Erwerbsvorgänge von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, § 23 Abs. 9 i.d.F. v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 200 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 263.

Graessner | 135

Kap. 2 Rz. 2.352 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

7. Rückerwerb eines Grundstücks bei Auflösung von Treuhandverhältnissen

2.352 Durch § 3 Nr. 8 GrEStG wird der Rückerwerb eines Grundstücks durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses befreit. 2.353 Grds. löst sowohl die Grundstücksübertragung auf den Treuhänder (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG) als auch die Rückübertragung auf den Treugebern einen steuerbaren Erwerbsvorgang aus (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Die hieraus resultierende Doppelbelastung soll durch den Befreiungstatbestand vermieden werden.201 Voraussetzung für eine Befreiung ist, dass die Grunderwerbsteuer, die für den Grundstückserwerb durch den Treuhänder entstanden ist, bereits entrichtet worden ist. Daneben bleibt beim Rückerwerb § 16 Abs. 2 GrEStG anwendbar (Satz 3). 2.354 Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 8 GrEStG sollte auch auf Erwerbsvorgänge gem. § 1 Abs. 2 GrEStG anwendbar sein.202 Dies lehnt die Finanzverwaltung jedoch ausdrücklich ab.203 2.355 Beispiel 47: A als zivilrechtlicher Eigentümer eines Grundstücks vereinbart mit D, dass er das Grundstück treuhänderisch für D veräußert. Durch die Treuhandvereinbarung wird A Treuhänder und D Treugeber bezüglich des Grundstücks. Der Treuhandvertrag wird vor der Veräußerung des Grundstücks aufgehoben. Da es zu keiner Änderung der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse kommt, liegt kein Tatbestand nach § 1 Abs. 1 GrEStG vor. D erlangt aber durch die Treuhandvereinbarung mit A die Verwertungsbefugnis, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst wird. Mit der Auflösung des Treuhandverhältnisses erwirbt A als Treuhänder die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück wieder zurück. Es wird erneut § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst. Zwar liegt kein Rückerwerb „eines Grundstücks“ gemäß dem Wortlaut der Vorschrift vor, dennoch sollte der Rückerwerb durch A unter entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 8 GrEStG befreit sein, da dies der Zielsetzung des Gesetzgebers entspricht (Vermeidung einer Doppelbelastung). Nach Ansicht der Finanzverwaltung bliebe nur die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG.

2.356 Da der Befreiungstatbestand den Rückerwerb durch den Treugeber voraussetzt, muss dieser zuvor selbst zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks gewesen sein und nach Auflösung des Treuhandverhältnisses von dem Treuhänder zurückerhalten haben. Daher greift § 3 Nr. 8 GrEStG nicht in Fällen des Auftragsverhältnisses, da der Treugeber (Auftraggeber) erstmalig das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Gleiches gilt auch, wenn der Treuhänder das Grundstück auf Weisung auf einen Dritten oder einen anderen Treuhänder überträgt.204

201 BT-Drucks. 9/251 Satz 18. 202 So Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 464; Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 266. 203 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 2.2.1.2. 204 So Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 468 und 469.

136 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.361 Kap. 2

„Entrichtet“ ist die Steuer nur, wenn sie tatsächlich entrichtet, also gezahlt wurde.205 § 3 Nr. 8 GrEStG ist daher auch dann ausgeschlossen, wenn der Grundstückserwerb durch den Treuhänder von der GrESt befreit gewesen ist, die Steuer erlassen wurde, Verjährung eingetreten ist oder aus sonstigen Gründen nicht gezahlt worden ist.206

2.357

Neben § 3 Nr. 8 GrEStG bleibt § 16 Abs. 2 GrEStG weiter anwendbar. Zu beachten ist, dass beide Vorschriften im Rahmen der Grundstücksübertragung sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtfolgen haben:

2.358

– Bei einem erfolgreichen Antrag nach § 16 Abs. 2 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer sowohl für die Grundstücksübertragung auf den Treuhänder als auch für die Rückübertragung auf den Treugeber nicht festgesetzt; dagegen wird nach § 3 Nr. 8 GrEStG nur die Rückübertragung auf den Treugeber begünstigt. – Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG – ist anders als bei § 3 Nr. 8 GrEStG – nicht die Entrichtung der Grunderwerbsteuer für die Erstübertragung Voraussetzung. – Die Anwendung des § 3 Nr. 8 GrEStG ist grds. ohne zeitliche Begrenzung möglich, wogegen – abhängig von der rechtlichen Grundlage der Rückabwicklung – für einen Antrag nach § 16 Abs. 2 GrEStG eine Frist von zwei Jahren zu beachten ist (Nr. 1). Im Ergebnis sollten diese Kriterien vorab eingehend geprüft werden. In der Praxis wird häufig die Geltendmachung beider Steuervergünstigungen empfehlenswert sein.

2.359

Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften. Im Wege der wertenden Zusammenschau ist die Anwendung weiterer Befreiungstatbestände einschließlich §§ 5, 6 GrEStG neben § 3 Nr. 8 GrEStG denkbar, wie z.B. beim Rückerwerb eines Grundstücks nicht durch den Treugeber, sondern durch einen Verwandten in gerader Linie (Zusammenschau mit § 3 Nr. 6 GrEStG).207

2.360

F. Besondere Übertragungsformen I. Zwischengeschäfte 1. Allgemeine Grundsätze Neben den zuvor dargestellten Übertragungsformen eines Grundstücks aufgrund von Rechtsgeschäften, Einbringungs- und Umwandlungsvorgängen kann die Grundstücksübertragung im Unternehmen u.a. auch im Wege sog. Zwischengeschäfte oder durch die Einräumung einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis erfolgen.

205 Abgrenzung zu § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG, der für eine Anrechnung lediglich voraussetzt, dass die Steuer „berechnet“ worden ist. 206 Böing in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 271. 207 S. hierzu auch weitere Beispiele bei Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 270.

Graessner | 137

2.361

Kap. 2 Rz. 2.362 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.362 Insbesondere bei Übertragungen unter Beteiligung eines Dritten, eines Gesellschafters und der Gesellschaft ist genau zu prüfen, in welchem Rechtsverhältnis diese zueinanderstehen und ob der Tatbestand eines Zwischengeschäftes tatsächlich erfüllt ist. Besondere Vorsicht ist dabei unter anderem im Rahmen der Stellvertretung geboten. 2.363 Die sog. Zwischengeschäfte sind in § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG geregelt. Sie erfassen Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Abtretung eines Übereignungsanspruchs an einem Grundstück oder einen Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründen. Die Abtretung unterliegt auch dann der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. 2.364 Die Vorschriften zu den Zwischengeschäften zielen darauf ab, Steuerumgehungen zu vermeiden, die sich andernfalls aus dem Handel mit Grundstücksübereignungsansprüchen und Kaufangeboten anstelle des Handels mit Grundstücken selbst ergeben könnten.208 2.365 Zu differenzieren ist zwischen einem Zwischengeschäft in Form der Abtretung eines Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 Alt. 1 GrEStG) auf der einen und einem Zwischengeschäft in Form der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 Alt. 2 GrEStG) auf der anderen Seite. 2.366 In zeitlicher Hinsicht liegen die Abtretung des Übereignungsanspruchs dabei nach dem wirksamen Abschluss des Hauptgeschäfts (z.B. des Kaufvertrages) und die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot zeitlich vor dem eigentlichen Rechtgeschäft über die Übereignung eines Grundstücks. 2.367 Die Abtretung des Übereignungsanspruchs i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 Alt. 1 GrEStG aus einem wirksamen Kaufvertrag erfolgt gem. § 398 BGB. Die Abtretung stellt dabei als Zwischengeschäft einen zusätzlichen steuerbaren Erwerbsvorgang dar. Nach Abschluss des wirksamen Kaufvertrages tritt durch die Abtretung des Übereignungsanspruchs ein Wechsel auf der Erwerberseite ein. 2.368 Dagegen ist der Begriff der „Abtretung“ der Rechte aus einem Kaufangebot i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 Alt. 2 GrEStG nicht wie eine Abtretung nach § 398 BGB zu verstehen, sondern erfolgt indem der Berechtigte des Kaufangebots einen Dritten benennt und ihm die Rechte aus dem Kaufangebot verschafft, damit der Kaufvertrag zwischen dem Grundstücksverkäufer und dem Dritten zustande kommt.209 2.369 Ohne die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 Alt. 2 GrEStG würde nur für den Abschluss des Kaufvertrages Grunderwerbsteuer anfallen und die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot unterläge nicht der Grunderwerbsteuer, obwohl dies der Veräußerung eines Grundstücks im Ergebnis wirtschaftlich gleichsteht. Durch die Gleichstellung der Abtretung des Kaufangebots mit der Abtretung des unmittel208 BFH v. 5.7.2006 – II R 7/05, BStBl. II 2006, 765 m.w.N. 209 Böing in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 177; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 519.

138 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.373 Kap. 2

baren Übereignungsanspruchs wird somit der Zweck der Vorschriften, Umgehungen zu vermeiden, abgesichert.210 Bei Vorliegen eines Zwischengeschäfts werden daher – wie bei einem Weiterverkauf – zwei grunderwerbsteuerbare Tatbestände verwirklicht:

2.370

– § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch das Hauptgeschäft – § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG durch das Zwischengeschäft. Da es sich beim Zwischengeschäft um Mehrpersonenverhältnisse handelt, ist zudem stets darauf zu achten, zwischen welchen Parteien die Erwerbstatbestände verwirklicht werden und wer Steuerschuldner ist.

2.371

Für Zwischengeschäfte sind nach herrschender Auffassung die Steuerbefreiungen und die Steuervergünstigungen nach §§ 3, 5 und 6 ff. GrEStG anwendbar.211

2.372

2. Abtretung des Übereignungsanspruchs als Zwischengeschäft

B

A 1. Kaufvertrag

2.

Ab tre

tu ng

Beispiel 48: B, welcher Gesellschafter der X GmbH ist, schließt mit A einen Kaufvertrag über den Erwerb eines inländischen Grundstücks ab und tritt den damit begründeten Übereignungsanspruch umgehend – noch vor seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch – an die X GmbH ab.

X GmbH

Abb. 42 Durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und B wird ein Anspruch auf Übereignung des inländischen Grundstücks begründet und damit ein steuerbarer Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Steuerschuldner sind A und B.

210 Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 217. 211 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 37; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 233; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 13 (zu § 5 GrEStG); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 31 (zu § 3 GrEStG); a.A. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75, die die Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG ablehnt.

Graessner | 139

2.373

Kap. 2 Rz. 2.373 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen Durch die Abtretung des Übereignungsanspruchs von B an die X GmbH wird ein Zwischengeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG verwirklicht. Steuerschuldner sind B (Abtretungsgläubiger = Zedent) und die X GmbH (Abtretungsempfänger = Zessionar).212

3. Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot als Zwischengeschäft

2.374 Bei der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7 Alt. 2 GrEStG) ist zu beachten, dass die Rechtsprechung eine einschränkende Auslegung vornimmt. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal wird ein „eigenes wirtschaftliches Interesse“ des Abtretenden gefordert.213 Dieser muss unter Ausnutzung seiner Rechtsstellung einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Handel mit einem Grundstück ziehen. 2.375 Zur Begründung eines eigenen wirtschaftlichen Interesses genügt auch, wenn der Benennungsberechtigte wirtschaftliche Interessen Dritter – also weder des Grundstücksveräußerers noch des Grundstückserwerbers – verfolgt. Dies kann der Fall sein, wenn der Benennungsberechtigte gegenüber einem anderen in der Ausübung seines Benennungsrechts vertraglich gebunden ist (z.B. als Treuhänder im Rahmen eines Bauherrenmodells). Dabei reicht es aus, wenn wenigstens einer der Beteiligten – entweder der Benennungsberechtigte selbst oder die hinter ihm stehenden Personen (z.B. bei Treuhänderstellung des Benennungsberechtigten der Treugeber) – eigene wirtschaftliche Vorteile verfolgen.214 2.376 Ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse liegt vor, wenn die wirtschaftliche Zielsetzung des Benennungsberechtigten ist, mittels des Kaufangebots den zu benennenden Käufer zum Abschluss von weiteren Verträgen zu bestimmen. Vorteilhafte Verträge zwischen Benennungsberechtigten und dem Erwerber können dabei z.B. sein:215 – Bauerrichtungsvertrag – Kaufvertrag über ein Fertighaus – Dienst- und Baubetreuungsverträge – Beratungs- und Treuhandverträge.

2.377 Aus dem Tatbestandsmerkmal der Verwertung zum Nutzen eigener wirtschaftliche Interessen bei § 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7 Alt. 2 GrEStG ergibt sich zudem eine Parallele derartiger Zwischengeschäfte zur rechtlichen oder wirtschaftlichen Verwertung nach § 1 Abs. 2 GrEStG. Gegenstand der Besteuerung ist die Einwirkungsmöglichkeit auf ein inländisches Grundstück. Anders als bei § 1 Abs. 2 GrEStG ist eine Substanzbeteiligung hingegen keine Tatbestandsvoraussetzung.216

212 213 214 215 216

Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 21. BFH v. 27.4.2005 – II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050-2052. BFH v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 525 mit Nachweisen zur Rspr. Böing in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 168.

140 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.379 Kap. 2 Beispiel 49: A unterbreitet dem B ein Kaufangebot zum Erwerb eines inländischen Grundstücks und räumt dem B das Recht ein, die Rechte aus diesem Kaufangebot an einen Dritten durch Benennung zu übertragen. Der B vereinbart mit der X GmbH, dass diese gegen Einräumung eines an B zu zahlenden Entgelts von B als Käuferin benannt wird, woraufhin zwischen A und der X GmbH ein Kaufvertrag über das inländische Grundstück abgeschlossen wird.

2.378

1. Kaufangebot mit Drittbenennungsrecht B

A 100 %

X GmbH

2. Kaufvertrag nach Ausübung des Drittbenennungsrechts

Abb. 43 Anders als im Ausgangsfall wird durch das Kaufangebot des A an B mangels wirksam begründeten Übereignungsanspruchs noch nicht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Dieser kommt erst durch Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und der X GmbH zustande, welche Steuerschuldner dieses Erwerbsvorgangs sind. Zudem wird in der Person des B durch die Abtretung der Rechte an dem Kaufangebot an die X GmbH ein Zwischengeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 Alt. 2 GrEStG verwirklicht. B hat die Rechte aus dem Kaufangebot durch die Benennung der X GmbH i.S.d. Norm „abgetreten“. Aufgrund der Zahlung des zusätzlichen Entgelts von der X GmbH an den B ist ein wirtschaftliches Interesse des B zu bejahen.217 Steuerschuldner ist dabei – anders als bei der Abtretung eines Übereignungsanspruchs – allein der die Rechte aus dem Kaufangebot abtretende Zwischenhändler, hier also B, und nicht etwa auch der A oder die X GmbH.218 Beispiel 50: A möchte sein inländisches Grundstück veräußern. A und B vereinbaren, dass A mit einem von B zu benennenden Dritten einen Kaufvertrag über das inländische Grundstück schließen wird. Dem B soll dabei nicht das Recht zustehen, sich selbst als Käufer zu benennen. B ist vertretungsberechtigter Gesellschafter der X KG, an welcher sowohl B als auch C zu 50 % vermögensmäßig beteiligt sind. B entschließt sich die X KG als Käuferin zu benennen. A und die X KG schließen daraufhin einen wirksamen Kaufvertrag über das Grundstück ab. Die X KG zahlt an den B kein Entgelt für die Benennung. Im Zuge des Grundstückserwerbs ergibt sich hinsichtlich der X KG eine objektive Wertsteigerung.

217 Böing in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 183. 218 Böing in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 196; Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 33.

Graessner | 141

2.379

Kap. 2 Rz. 2.379 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

C

B 2. Benennung der X KG

50 %

50 %

X KG

1.Kaufangebot mit Benennungsrecht

3. Kaufvertrag

A

Komplementärbeteiligung aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 44 Durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und der X KG wird ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet und damit der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Steuerschuldner sind A und die X KG. Durch die Benennung der X KG als Käuferin könnte zudem hinsichtlich des B der Tatbestand eines Zwischengeschäfts nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 2 GrEStG verwirklicht worden sein. Die Benennung der X KG als Käuferin durch B stellt eine Verschaffung der Rechte aus dem Kaufangebot und damit eine „Abtretung“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 2 GrEStG dar. Grds. wäre somit der Tatbestand verwirklicht. Fraglich ist jedoch, ob die einschränkende Rechtsprechung des BFH, welche einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil des Abtretenden fordert, zur Anwendung kommt. Der B hat von der X KG für die Benennung kein Entgelt erhalten. Jedoch hat sich der Wert der X KG, an welcher der B beteiligt ist, gesteigert. Darin könnte ein eigener wirtschaftlicher Vorteil des B gesehen werden. Die Wertsteigerung einer Gesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH jedoch als bloße Reflexwirkung infolge der Abtretung des Kaufangebots zu sehen.219 Mangels gezahlten Entgelts oder sonstigen eigenen wirtschaftlichen Vorteils des B ist das von der Rechtsprechung geforderte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „eigener wirtschaftlicher“ Vorteil somit nicht erfüllt. Auch eine Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen eines Dritten scheidet aus. Zwar handelt der B mit der Benennung im Interesse der X KG, diese ist jedoch die Erwerberin und damit gerade nicht Dritte. Es liegt kein steuerbares Zwischengeschäft des B vor.

2.380 Besteht im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags bzw. -angebots das Recht, einen Dritten als Vertragspartei bzw. Angebotsempfänger zu benennen, ist in der Praxis generell Vorsicht geboten.220 Ob durch die vertraglichen Vereinbarungen im Sinne eines Zwischengeschäfts zweimal Grunderwerbsteuer ausgelöst worden ist, lässt sich letztlich nicht pauschal beantworten, sondern ist von der konkreten Ausgestaltung des einzelnen Sachverhalts abhängig. Daher ist von zivilrechtlich unklaren Formulierungen oder sogar widersprüchlichen Vertragsgestaltungen dringend abzuraten.221

219 BFH v. 15.3.2000 – II R 30/98, BStBl. II 2000, 359. 220 S. hierzu bei Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 219. 221 So auch Fumi, Anm. zu FG Greifswald v. 13.9.2001 – 1 K 500/99, EFG 2001, 1618 ff.

142 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.386 Kap. 2

Der Anfall von doppelter Grunderwerbsteuer kann nur dadurch vermieden werden, dass das Zwischengeschäft i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht und sodann das Grundstück unmittelbar durch den Dritten vom Veräußerer erworben wird.222 In der Praxis ist dies auf Grund der hohen Anforderung an eine zivilrechtliche und wirtschaftliche vollständige Rückgängigmachung des Zwischengeschäftes jedoch oftmals schwierig. 4. Abgrenzung zu anderen Rechtsvorgängen Abzugrenzen ist das Zwischengeschäft von weiteren Rechtsgeschäften, wie insbesondere:

2.381

2.382

– die Stellvertretung – die Vertragsübernahme – dem Vertrag zu Gunsten Dritter. Die Abgrenzung ist u.a. für die Bestimmung von Bedeutung, zwischen wem der Rechtsträgerwechsel eintritt und damit ob für das jeweilige Rechtsverhältnis eine Befreiungsvorschrift und ggf. eine Möglichkeit der Rückabwicklung in Betracht kommt (§ 16 GrEStG).

2.383

Stellvertretung. Tritt eine Person als unmittelbarer Stellvertreter für eine Gesellschaft einer Unternehmensgruppe auf (§ 164 BGB), dann erwirbt die vertretene Gesellschaft durch das Handeln des Vertreters unmittelbar die Rechte und die Pflichten aus dem Grundstückskaufvertrag. Eine (zusätzliche) Abtretung des Übereignungsanspruchs i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG ist nicht mehr möglich, da er unmittelbar zu Gunsten der vertretenen Gesellschaft entsteht. Es fällt nur einmal Grunderwerbsteuer an.

2.384

Beispiel 51: A möchte sein inländisches Grundstück zu einem Kaufpreis von 100.000 Euro veräußern. Der vertretungsberechtigte Gesellschafter B der X KG tritt an den A heran und schließt mit ihm im Namen und mit Wirkung für die X KG einen Kaufvertrag über das Grundstück ab.

2.385

Durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und der X KG wird ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet, weshalb ein steuerbarer Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Steuerschuldner sind A und die X KG. Hinsichtlich des B sollte weder der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG, da er kein Besitz- und Nutzungsrecht und keine Beteiligung an der Grundstückssubstanz innehat223, noch der Tatbestand eines Zwischengeschäfts verwirklicht sein. Der B tritt lediglich als Stellvertreter im Namen der X KG auf und hat keine Rechtsstellung inne, die er an die X KG übertragen und aus welcher er einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil ziehen könnte.224

Erfolgt die Stellvertretung beim Grundstückserwerb durch einen Gesellschafter einer Gesellschaft weder ausdrücklich noch lässt sich die Stellvertretung aus den Umstän222 Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 219. 223 Vgl. hierzu auch Behrens/Schmitt, DB 2005, 2491 (2492). 224 Zum eigenen wirtschaftlichen Interesse s. BFH v. 19.11.2008 – II R 24/07, BFH/NV 2009, 788.

Graessner | 143

2.386

Kap. 2 Rz. 2.386 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

den erkennen, kann hiervon abweichend das Rechtsgeschäft mangels wirksamer Stellvertretung unmittelbar zwischen dem Verkäufer und dem vermeintlichen „Vertreter“ zustande kommen. Wird dieser wirksam begründete Übereignungsanspruch anschließend auf den „Vertretenen“ übertragen, kann darin ein Zwischengeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder 7 GrEStG gesehen werden. Es fällt zweimal Grunderwerbsteuer an.

2.387 Wäre der Gesellschafter B im vorgenannten Beispiel nicht ausdrücklich oder den Umständen nach erkennbar im Namen der X KG aufgetreten, so könnte mangels wirksamer Stellvertretung sowohl ein Hauptgeschäft als auch ein Zwischengeschäft verwirklicht worden sein. 2.388 Beispiel 52: A möchte sein inländisches Grundstück zu einem Kaufpreis von 100.000 Euro veräußern. Der vertretungsberechtigte Gesellschafter B der X KG tritt an den A heran und schließt mit diesem einen Kaufvertrag über das Grundstück ab; dabei weist B nicht ausdrücklich auf seine Stellvertreterstellung zu Gunsten der X KG hin. Diese ist für A auch nicht aus den Umständen erkennbar. Anschließend einigt sich B mit der X KG über die Abtretung seines Übereignungsanspruchs gegen den A. Die X KG zahlt an den B ein entsprechendes Entgelt. An der X KG sind sowohl B als auch C zu 50 % vermögensmäßig beteiligt.

C

B

1. Kaufvertrag

2. Abtretung gegen Entgelt 50 %

A

50 %

X KG Komplementärbeteiligung aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 45 Durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen A und B wird ein unmittelbarer Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet, weshalb ein steuerbarer Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Steuerschuldner sind A und B. Die anschließende Abtretung des Grundstücksübereignungsanspruchs nach § 398 BGB zwischen B und der X KG stellt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 7 Alt. 1 GrEStG ein steuerbares Zwischengeschäft dar. Da der B jedoch zu 50 % vermögensmäßig an der X KG beteiligt ist, kommt eine Steuerbegünstigung in eben dieser Höhe nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zur Anwendung. Denn auch die Zwischengeschäfte fallen nach h.M. in den Anwendungsbereich der Steuerbegünstigungen nach § 3 GrEStG sowie §§ 5 und 6 GrEStG.225 225 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 37; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 233; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 13 (zu § 5 GrEStG); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3

144 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.392 Kap. 2

Es ist also in der Praxis stets zu prüfen, ob eine wirksame Stellvertretung erfolgt ist, oder ob sich das Risiko der Verwirklichung eines Zwischengeschäfts ergibt. Ähnliche Problematiken können auftreten, wenn der Stellvertreter den Vertrag für einen Dritten abschließt, welcher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages jedoch noch nicht feststeht bzw. bestimmt ist, oder Rechtsgeschäfte für eine sich noch in Gründung befindliche Gesellschaft vorgenommen werden.226

2.389

Vertrag zu Gunsten Dritter. Abzugrenzen ist die Stellvertretung von dem Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB). Bei einem (echten) Vertrag zu Gunsten Dritter schließt eine Person (Versprechungsempfänger) – anders als bei der Stellvertretung – im eigenen Namen mit dem Veräußerer (Versprechenden) den Grundstückskaufvertrag ab. Der Dritte hat – vorbehaltlich der Ausübung des Zurückweisungsrechts gem. § 333 BGB – den Leistungsanspruch, d.h. den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, ohne aber unmittelbar Vertragsschließender zu werden. Vertragsparteien sind ausschließlich Versprechender und Versprechungsempfänger. Der Rechtsgrund für die Zuwendung an den Dritten ergibt sich aus der Rechtsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Versprechungsempfänger (sog. Valutaverhältnis).

2.390

Dieser zivilrechtlichen Wertung folgt das Grunderwerbsteuerrecht. Der grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgang wird allein zwischen Versprechendem und Versprechungsempfänger begründet, welche daher auch Steuerschuldner gem. § 13 Nr. 1 GrEStG sind.227 Es wird folglich auch nur einmal Grunderwerbsteuer ausgelöst.

2.391

Für die personenbezogenen Merkmale gem. § 3 GrEStG ist dagegen ausschließlich das Verhältnis zwischen Versprechenden (Veräußerer) und Drittem (Erwerber) maßgeblich, weil diese die am Erwerb beteiligt sind.228

2.392

Versprechender Versprechungsempfänger = Veräußerer/Schuldner = Gläubiger 1. Kaufvertrag A B 3. Valutaverhältnis 2. Übereignungsanspruch D Dritter = Erwerber Abb. 46 GrEStG Rz. 31 (zu § 3 GrEStG); a.A. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 75, die die Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG ablehnt. 226 Böing in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 157 ff. 227 Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 15. 228 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 4; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 1.

Graessner | 145

Kap. 2 Rz. 2.393 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.393 Grds. könnte daneben noch an die Verwirklichung des § 1 Abs. 2 GrEStG bzw. der § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG zu denken sein. Die Tatbestandsvoraussetzungen sollten aber regelmäßig zu verneinen sein, da es an einem Durchgangserwerb des Versprechungsempfängers fehlt.229 2.394 Vertragsübernahme. Ebenso ist die Vertragsübernahme von der Stellvertretung zu unterscheiden. Übernimmt eine Gesellschaft aus einer Unternehmensgruppe einen Kaufvertrag über ein Grundstück, wird das Schuldverhältnis (hier: Kaufvertrag über ein Grundstück) vollständig auf die erwerbende Gesellschaft als Dritten übertragen. Sie tritt als neue Vertragspartei anstelle des bisherigen Erwerbers in das Schuldverhältnis ein und erwirbt den Übereignungsanspruch gegenüber dem Veräußerer von dem bisherigen Erwerber. In diesen Fällen prüft die Rechtsprechung des BFH regelmäßig die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 7 1. Alt. GrEStG.230 Es kann also zweimal Grunderwerbsteuer anfallen.231 II. Erwerb der Verwertungsbefugnis 1. Wesentliche Kriterien

2.395 In seiner Grundkonzeption ist das GrEStG am Zivilrecht orientiert, d.h. es wird an den zivilrechtlichen Übergang des Eigentums an einem Grundstück angeknüpft. Von diesem Grundgedanken abweichend hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 2 GrEStG eine Regelung eingeführt, die auch Rechtsvorgänge der GrESt unterwirft, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Im Rahmen dieser Verwertungsbefugnis wird also auf eine wirtschaftliche statt einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise abgestellt. Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG ist es, Umgehungen der Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu verhindern. Die Vorschrift ist gegenüber der steuerbaren Grundstücksübertragung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG subsidiär.232 Eine Absicht zur Steuerumgehung ist nicht erforderlich. 2.396 Im Rahmen des § 1 Abs. 2 GrEStG wird unabhängig von einem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel – im Außenverhältnis – ein steuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn der Eigentümer – im Innenverhältnis – einem Dritten so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden 229 Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 98; s. hierzu auch Behrens/Schmitt, DB 2005, 2491 (2493). 230 BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526; dabei ist die zivilrechtliche Einordnung der Vertragsübernahme als einheitliches Schuldverhältnis für die grunderwerbsteuerliche Wertung unbeachtlich. 231 Abzugrenzen ist die Vertragsübernahme von dem Neuabschluss eines Grundstückskaufvertrages. Ein solcher liegt vor, wenn ein Grundstückskaufvertrag über den Austausch der Erwerberseite hinaus geändert wird, z.B. durch Änderung des Kaufgegenstandes oder des Kaufpreises, vgl. Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 99. 232 So ausdrücklich Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 541; s. aber auch Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 205 mit Hinweisen zu einer abweichenden Literaturmeinung.

146 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.401 Kap. 2

kann.233 Entscheidend ist also für die Tatbestandsverwirklichung die Einräumung einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis durch den Eigentümer, ohne dass er im Verhältnis zu dem Verwertungsberechtigten vollständig seine Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks verliert. Die Verwertungsbefugnis erfordert eine Beteiligung an der Grundstückssubstanz. Dabei ist letztlich immer eine Beurteilung des konkreten Sachverhalts auf Grundlage der gesamten rechtlichen Gegebenheiten erforderlich.234

2.397

Steuerpflichtige sind die beteiligten Vertragsteile gem. § 13 Nr. 1 GrEStG. Ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzeigepflichtig. Für die Praxis ist zudem zu beachten, dass eine ordnungsgemäße Anzeige für Zwecke des § 1 Abs. 2 GrEStG Voraussetzung für eine eventuell spätere Rückabwicklung ist, vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG.

2.398

2. Einzelfälle zum Erwerb der Verwertungsbefugnis Im Folgenden werden ausgewählte Einzelfälle zur Verwertungsbefugnis aufgeführt, die sich bei der Grundstücksübertragung im Unternehmen ergeben können. Anhand der Rechtsprechung und der Literatur lassen sich typische Fallgruppen für die Praxis bilden, die jedoch stets einer Einzelfallprüfung zu unterziehen sind:

2.399

a) Atypischer Makler (Verkaufsermächtigung) Sofern für die Grundstücksübertragung im Unternehmen ein Makler eingeschaltet wird, ist zu prüfen, ob dem Makler die Möglichkeit eingeräumt wird, das Grundstück auf eigene Rechnung zu veräußern, und somit die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG auf diesen übergegangen ist.

2.400

Der Makler ist nach den gesetzlichen Vorschriften (§§ 652 ff. BGB) des Maklervertrages erfolgsabhängig tätig. Er erhält nur dann von seinem Auftraggeber das vereinbarte Entgelt, wenn der Grundstückskaufvertrag auf Grund seiner Tätigkeit zustande kommt (typischer Makler). Hiervon abweichend können die Beteiligten (atypische) Regelungen vereinbaren, wonach dem Makler das Recht eingeräumt wird, die Verwertung des Grundstücks auf eigene Rechnung vorzunehmen. Nimmt der atypische Makler an der Grundstückssubstanz teil, kann ein Fall der Verwertungsbefugnis vorliegen.235 Der BFH bejaht dies regelmäßig, wenn der Makler am Mehrerlös (also über eine garantierte Substanzbeteiligung zu Gunsten des Grundstückseigentümers hinaus) aus der Grundstücksveräußerung teilnimmt und die Veräußerung selbst herbeiführen kann.236 Für eine Verwertungsbefugnis müssen beide Kriterien vorliegen. Der Mehrerlös muss zumindest im Wesentlichen dem Makler zustehen. Dabei muss

2.401

233 234 235 236

BFH v. 20.4.2016 – II R 54/14, BStBl. II 2016, 715 m.w.N. Zur Bewertung der einzelnen vertraglichen Regelungen vgl. Loose, EFG 2004, 840. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 623. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97. BStBl. II 1999, 491.

Graessner | 147

Kap. 2 Rz. 2.401 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

der Makler den Grundstückskaufpreis selbständig aushandeln können. Unerheblich ist zudem, wenn der Grundstückseigentümer nicht dem Makler unmittelbar eine Verkaufsvollmacht erteilt, diese aber ohne Verletzung seiner Pflichten aus dem Maklervertrag nicht widerrufen kann.237

2.402 Behält sich der Grundstückseigentümer das Recht vor, das Grundstück selbständig zu veräußern, oder sind mehrere Makler für den Grundstückseigentümer tätig, dann sollte die jeweilige Verkaufsermächtigung so auszulegen sein, dass die Verwertungsbefugnis stets nur unter der aufschiebenden Bedingung gem. § 14 Nr. 1 GrEStG einer erfolgreichen Veräußerung des Grundstücks eingeräumt wird. Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung ist dann der Abschluss des Kaufvertrages, wobei der Tatbestand auch nur durch den Makler verwirklicht wird, der die Veräußerung tatsächlich vermittelt hat.238 b) Atypisch stiller Gesellschafter

2.403 Die Stellung eines atypisch stillen Gesellschafters sollte nicht ausreichend sein, um eine Verwertungsbefugnis an einem Grundstück zu begründen, das der Inhaber des Handelsgeschäfts erwirbt.239 c) Auftragserwerb

2.404 Der sog. Auftragserwerb stellt einen Sonderfall des Treuhandgeschäfts dar. Nach der Definition der Finanzverwaltung erwirbt der Beauftragte (Treuhänder) im Rahmen des Auftragserwerbs das Eigentum im Auftrag des Auftraggebers (Treugebers) von einem Dritten.240 Sieht die Auftragsvereinbarung vor, dass der Beauftragte (Treuhänder) im eigenen Namen ein Grundstück für den Auftraggeber (Treugeber) erwerben soll, wird dem Auftraggeber (Treugeber) regelmäßig auf Grund des ihm nach § 667 BGB zustehenden Herausgabeanspruch, eine Verwertungsmöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt. Zugleich unterliegt der Erwerb des Grundstücks durch den Beauftragten (Treuhänder) von dem Dritten der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG. Es fällt also doppelte Grunderwerbsteuer an. 2.405 Übereignet der Beauftragte (Treuhänder) im Anschluss an den Grundstückserwerb das Eigentum auf den Auftraggeber (Treugeber) in Erfüllung des bestehenden Herausgabeanspruchs, wird erneut Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ausgelöst. Es kommt eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG in Betracht,

237 BFH v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52. 238 BFH v. 18.12.1985 – II R 180/83, BStBl. II 1986, 417. 239 BFH v. 30.11.1983 – II R 130/81, BStBl. 1984, 158; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 247; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 246. 240 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 3.

148 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.410 Kap. 2

d.h. die Steuer wird nur insoweit erhoben, als die Gegenleistung den Betrag übersteigt, der für den Erwerb der Verwertungsbefugnis berechnet worden ist.241 Wird das Grundstück von dem Beauftragen (Treuhänder) an einen Dritten veräußert, liegt ein erneuter steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Die Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber (Treugeber) und Beauftragtem (Treuhänder) löst keine weiteren grunderwerbsteuerlichen Folgen aus.242

2.406

Etwas anderes gilt, wenn der Auftraggeber (Treugeber) die Verwertungsbefugnis dem Beauftragten einräumt. In diesem Fall wird § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt.243

2.407

Eine Befreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG (Rückerwerb durch Treugeber) scheidet regelmäßig aus, da mit der Rückübertragung der Verwertungsmöglichkeit kein Rückerwerb eines Grundstücks durch den Auftraggeber erfolgt. Es kommt aber ggf. eine begünstigte Rückübertragung nach § 16 Abs. 2 GrEStG in Betracht.244

2.408

Für die Ermittlung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gelten die allgemeinen Grundsätze. d.h. ist eine Gegenleistung vereinbart, ist diese gem. § 8 Abs. 1 GrEStG zugrunde zu legen, fehlt eine solche Gegenleistung richtet sich diese nach dem Bewertungsgesetz.245

2.409

d) Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft dem Werte nach (quoad sortem) Die Einbringung eines Grundstücks in eine PersGes. dem Werte nach (quoad sortem) führt nicht zu einer Änderung der Rechtsinhaberschaft im Außenverhältnis. Der Gesellschafter bleibt Eigentümer des Grundstücks. Im Innenverhältnis wird das Grundstück jedoch als Vermögen der erwerbenden PersGes. behandelt. Daher stehen Nutzungen und Wertsteigerung des Grundstücks der PersGes. zu, die auch Lasten und Sachgefahr trägt.246 Die Einbringung dem Werte nach geht über die reine Nut-

241 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 3.2.1. 242 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 3.2.3.2. 243 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 3.2.2.1. 244 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 3.2.2.2. 245 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 4. 246 Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 105 HGB Rz. 246.

Graessner | 149

2.410

Kap. 2 Rz. 2.410 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

zungsüberlassung des Grundstücks hinaus.247 Der Einbringungsvorgang wird grds. als steuerbarer Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG behandelt. Es kommt ggf. eine Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Betracht. e) Gebäude auf fremdem Grund und Boden

2.411 Ist ein Gebäude wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks (§ 94 BGB), ist das Gebäude nicht sonderrechtsfähig und kann daher auch nicht eigenständig zivilrechtlich übereignet werden. Der Verkauf eines Gebäudes an einen neuen Rechtsträger – ohne gleichzeitige Übereignung des Grundstücks – fällt daher nicht unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.248 In Betracht kommt lediglich die Verwirklichung des § 1 Abs. 2 GrEStG durch Übertragung der Verwertungsbefugnis. 2.412 Wird beispielsweise einem Dritten gestattet, auf fremdem Grund und Boden ein Gebäude zu errichten und dieses durch Weiterveräußerung oder Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Grundstückseigentümer wirtschaftlich zu verwerten, kann der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein.249 Die reine Nutzungsmöglichkeit genügt für eine Verwertungsbefugnis hingegen nicht. Es muss eine Beteiligung an der Substanz bzw. am Wert des Gebäudes vorliegen. 2.413 Beispiel 53: A und B sind jeweils zu 50 % an der X KG beteiligt. Die X KG ist Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks. Dem A wird das unbebaute Grundstück zur Nutzung überlassen und das Recht eingeräumt, auf eigene Kosten auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten. Zum Ablauf der Pachtzeit soll der A i.H. des objektiven Verkehrswerts des Gebäudes eine Entschädigung von der X KG erhalten. Nach Errichtung des Gebäudes durch A einigen sich A und die X KG auf eine frühzeitige Beendigung der Nutzungsüberlassung und A erhält eine Entschädigung i.H.v. 100.000 Euro. Der A hat auf dem Grundstück der X KG ein Gebäude errichtet, welches wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist und damit zivilrechtlich im Eigentum der X KG steht. Die Beendigung der Nutzungsüberlassung gegen Entschädigung ist daher nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, denn die X KG ist bereits zivilrechtliche Eigentümerin. Es liegt jedoch ein Fall der Übertragung einer Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG hinsichtlich des Gebäudes durch A auf die X KG vor. A hatte dieses auf eigene Rechnung errichtet und war aufgrund des Entschädigungsanspruchs wirtschaftlich an der Substanz des Gebäudes beteiligt. Damit lag eine Verwertungsbefugnis des A vor. Diese hat A aufgrund der Vereinbarung über die vorzeitige Beendigung der Nutzungsüberlassung auf die X KG übertragen. Für den Erwerbstatbestand kommt aufgrund der Beteiligung des A an der X KG eine Steuerbegünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Betracht.

247 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 598. 248 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 665; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 271. 249 BFH v. 27.3.1985 – II R 37/83, BStBl. II 1985, 526.

150 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.418 Kap. 2

f) Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag Die Stellung eines Alleingesellschafters einer GmbH und das Vorliegen eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags begründen noch keine Verwertungsbefugnis.250

2.414

g) Immobilienleasing Beim üblichen Immobilienleasing ergeben sich folgende wesentliche Vertragsbestandteile:251

2.415

– der Leasinggeber verpflichtet sich, auf einem von ihm zu erwerbenden (oder gleichzeitig erworbenen) Grundstück nach den Wünschen und Vorstellungen des Leasingnehmers ein Gebäude zu errichten und übernimmt die Aufgaben des Bauherren; – während der Laufzeit des unkündbaren Leasingvertrages hat der Leasinggeber das Leasingobjekt uneingeschränkt dem Leasingnehmer zu Besitz und Nutzung überlassen; – der Leasingnehmer trägt Lasten und Gefahr sowie Instandhaltung, Unterhaltung und Erneuerung; – dem Leasingnehmer wird das Recht eingeräumt, durch Zahlung der Investitionskosten (abzüglich der Tilgungsraten) die Übertragung des (bebauten) Grundstücks zu fordern. Eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG wird regelmäßig dann angenommen, wenn dem Leasingnehmer das Recht zusteht jederzeit während der Laufzeit des Vertrages die Übereignung des Grundstücks herbeizuführen.252 In Konsequenz wird eine Verwertungsbefugnis dagegen abgelehnt, wenn der Leasingnehmer erst zum Ablauf des Leasingvertrages einen Kaufvertrag mit dem Leasinggeber schließen und somit nicht jederzeit, sondern erst am Ende des Leasingvertrages eine Übereignung herbeiführen kann.253 In derartigen Konstellationen wird mit Abschluss des Kaufvertrages der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt.

2.416

Davon abzugrenzen sind die Fälle, in denen dem Leasingnehmer bereits bei Abschluss des Leasingvertrages ein Anspruch auf Übereignung eingeräumt wird; dies führt dazu, dass bereits mit Abschluss des Leasingvertrags der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht ist und somit nicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG zurückgegriffen werden muss.

2.417

Die ertragsteuerliche Zuordnung des Grundstücks (Teilamortisation-Leasingverträge) ist für die grunderwerbsteuerliche Bewertung grds. unerheblich.254

2.418

250 251 252 253 254

BFH v. 1.3.2000 – II R 53/98, BStBl. II 2000, 357. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 80. BFH v. 17.1.1996 – II R 47/93, BFH/NV 1996, 579. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630.

Graessner | 151

Kap. 2 Rz. 2.419 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

h) Nutzungsverträge (Miete, Pacht, Nießbrauch)

2.419 Allein die vertragliche Vereinbarung mit dem Eigentümer ein Grundstück langfristig zu nutzen und die Einräumung eines Kaufangebots mit einer längeren Bindungsfrist, begründet ohne weitere Abreden keine Verwertungsbefugnis.255 Gleiches gilt bei der Einräumung eines Nutzungsrechts und eines zeitlich nachfolgenden Ankaufsrechts.256 Dagegen kann die Einräumung eines Nutzungsrechts mit jederzeitiger Erwerbsoption einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG begründen.257 2.420 S. aber auch unter Stichwort „Immobilienleasing“ (Rz. 2.415) i) Rückübertragung der Verwertungsbefugnis

2.421 Die Rückübertragung der Verwertungsbefugnis z.B. durch Zeitablauf an den Grundstückseigentümer stellt keinen weiteren steuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG dar.258 Etwas anderes kann gelten, wenn der Verwertungsbefugte seine bestehende Verwertungsbefugnis bei der Rückübertragung der Verwertungsbefugnis an den Grundstückseigentümer in der Weise ausnutzt, dass er sich ein besonderes Entgelt vom Grundstückseigentümer für die Erlangung des Substanzwertes am Grundstück zahlen lässt.259 j) Treuhandgeschäfte

2.422 Das BGB regelt das Treuhandgeschäft nicht ausdrücklich. Es kommt daher ganz entscheidend auf die konkrete zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertrages und den maßgeblichen Sachverhalt an. Zivilrechtlich spricht man allgemein von einem Treuhandgeschäft, wenn – eine Person von einem anderen oder für ihn von einem Dritten Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben hat, – diese aber nicht nur in eigenem, sondern zumindest auch im fremden Interesse ausüben soll.260

2.423 Zivilrechtlicher Eigentümer des Vermögensrechts (Grundstücks) ist der Treuhänder, wirtschaftlich Berechtigter ist der Treugeber, da der Treuhänder schuldrechtlich gegenüber dem Treugeber verpflichtet ist, entsprechend der Treuhandvereinbarung das Grundstück zu nutzen. Mit Blick auf die mit dem Treuhandgeschäft verfolgten Interessen unterscheidet man zwischen einer eigennützigen (im Interesse des Treuhän255 FG Düsseldorf v. 3.11.2003 – 7 K 4612/02, EFG 2004, 218, verbunden mit einem Kaufangebot. 256 BFH v. 27.1.1965 – II 60/60 U, BStBl. IIII 1965, 265. 257 BFH v. 1.9.1965 – II 85/62, HFR 1966, 15; v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, bei dem in der Gesamtschau – Nutzungsüberlassung, Darlehensgewährung, 24 Jahre lang bindendes Verkaufsangebot – eine Verwertungsbefugnis bejaht wurde. 258 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 578. 259 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 579 und 580. 260 BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227.

152 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.426 Kap. 2

ders, wie z.B. bei der Sicherungsabtretung oder -übereignung) und einer uneigennützigen Treuhand (im Interesse des Treugebers, wenn er sein Recht nicht ausüben kann oder will, wie z.B. bei der sog. Verwaltungstreuhand).261 Bei Entgeltlichkeit liegt zivilrechtlich regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag und bei Unentgeltlichkeit ein Auftragsverhältnis vor.262 Steuerrechtlich kommt es für die Anerkennung eines Treuhandgeschäfts im Wesentlichen auf zwei Kriterien an:263

2.424

– Weisungsbefugnis des Treugebers und Weisungsgebundenheit des Treuhänders in Bezug auf das Grundstück (Treugut); – Recht des Treugebers, jederzeit das Grundstück (Treugut) von dem Treuhänder zurückzuverlangen oder auf einen Dritten zu übertragen (jederzeitiger Herausgabeanspruch). Für die grunderwerbsteuerliche Bewertung von Treuhandgeschäften hat die Finanzverwaltung im „Treuhanderlass – Grundstückerwerbe“ Stellung genommen.264 In Abhängigkeit der Ausgestaltung des Treuhandgeschäftes wird dabei zwischen steuerbaren Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 GrEStG oder nach § 1 Abs. 2 GrEStG differenziert:

2.425

Liegt eine uneigennützige Treuhand (wie z.B. bei der Verwaltungstreuhand) vor, begründet das Treuhandgeschäft regelmäßig nur das Recht auf Übereignung des Grundstücks, nicht aber die Pflicht (Auftrag oder Geschäftsbesorgung). Mangels eines unmittelbaren Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks, wird in diesen Fällen kein steuerbarer Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht; erst die Auflassung löst daher den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG aus.265 Nur wenn tatsächlich ein unmittelbarer Anspruch auf Übereignung begründet wird, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Mit der Übereignung des Grundstücks vom Treugeber auf den Treuhänder entsteht der Anspruch des Treugebers auf Rückübereignung gem. § 667 BGB. Dieser Rückübereignungsanspruch löst aber für sich genommen, keinen steuerbaren Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus; er ist vielmehr als Teil der bestehenden Beherrschung des Treuhänders und bisherigen Eigentümers zu qualifizieren. Eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2

2.426

Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 130. Sprau in Grüneberg82, § 675 BGB Rz. 27. BFH v. 21.5.2014 – I R 42/12, BStBl. II 2015, 4. Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757; zu § 1 Abs. 2a GrEStG: gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 ff.; zu § 1 Abs. 3 GrEStG: gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074. 265 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Rz. 1.1. 261 262 263 264

Graessner | 153

Kap. 2 Rz. 2.426 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

GrEStG ist in den typischen Treuhandgeschäften auszuschließen, da diese regelmäßig beim Treugeber verbleibt.266

2.427 Bei der eigennützigen Treuhand erlangt der Treuhänder aus dem Treuhandvertrag einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, sodass § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. 2.428 Die Rückübertragung des Grundstücks vom Treuhänder auf den Treugeber ist steuerbar, entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn sie auf Grundlage eines aufschiebend bedingten Rückübereignungsverpflichtung erfolgt, oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG auf Grund einer Rückauflassung. Die Rückübertragung des Grundstücks ist aber entweder unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG oder nach § 3 Nr. 8 GrEStG steuerbefreit.267 2.429 Ausnahmsweise kann der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG begründet werden, wenn der Treugeber im Anschluss an das Treuhandgeschäft dem Treuhänder zusätzlich vertraglich eine Verwertungsbefugnis einräumt (z.B. nach Verzicht auf den Rückübertragungsanspruchs).268 Es kommt jedoch eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG in Betracht. 2.430 Anstelle der Rückübertragung des Grundstücks an den Treugeber kann das ursprüngliche Treuhandgeschäft auch durch die Übertragung des Grundstücks auf einen Dritten erlöschen. Der Erwerb durch den Dritten löst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG aus, dagegen führt die Beendigung des ursprünglichen Treuhandgeschäfts zu keinen weiteren grunderwerbsteuerlichen Folgen.269 2.431 Beim Treugeberwechsel wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst, wenn der bisherige Treugeber sich verpflichtet, einem Dritten seinen (aufschiebend bedingten) Rückübereignungsanspruch abzutreten, oder den Anspruch einem Dritten abtritt (Treugeberwechsel).270 2.432 Beim Treuhänderwechsel im Einvernehmen mit dem Treugeber wird bei Übereignung des Grundstücks durch den Treuhänder ein steuerbarer Erwerbsvorgang nach 266 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 139. 267 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 1.3.1.1. und Tz. 1.3.1.2. 268 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 1.3.2. 269 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 1.3.3.1.; einschränkend Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 110. 270 Gleich lautende Ländererlasse zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757 Tz. 1.3.4. (bei Übertragung des vertraglichen Übereignungsanspruch soll dagegen ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 6 GrEStG vorliegen).

154 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.438 Kap. 2

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG begründet. Schließt dagegen der Treugeber ein neues Treuhandgeschäft ab und überträgt der bisherige Treuhänder das Grundstück, so unterliegt die Auflassung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. S. auch unter Stichwort „Auftragserwerb“, Rz. 2.404.

2.433

III. Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum 1. Überblick § 7 GrEStG enthält eine Steuerbegünstigung bei Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum. Das gemeinschaftliche Eigentum an einem Grundstück muss dabei mehreren Miteigentümern (§ 7 Abs. 1 GrEStG) oder einer Gesamthand (§ 7 Abs. 2 GrEStG) gehören.

2.434

Bei einer flächenmäßigen Aufteilung eines Grundstücks zwischen mehreren Personen (z.B. durch Einräumung von Alleineigentum an einem Grundstücksteil) stellt der notarielle Teilungsvertrag grunderwerbsteuerlich einen gegenseitigen Tauschvertrag dar. Dieser begründet zwei steuerbare Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG. Diese Vorgänge werden durch § 7 GrEStG insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit, als der Erwerber eine Fläche erhält, die dem Wert seiner bisherigen Beteiligung am Grundstück entspricht. Die Steuerbefreiungsvorschrift beruht – wie §§ 5, 6 GrEStG – auf dem Rechtsgedanken, dass die Grunderwerbsteuer nicht erhoben werden soll, wenn sich lediglich die Rechtsqualität und nicht auch der Umfang der an einem Grundstück bestehenden Berechtigung ändert.271

2.435

Die Anwendung der Steuerbegünstigung des § 7 GrEStG betrifft nur die flächenmäßige Aufteilung eines Grundstücks in reale Teile. Dies beinhaltet eine hierauf gerichtete Erklärung der Eigentümer (Teilungsgenehmigung) gegenüber dem Grundbuchamt und die Eintragung im Grundbuch. Abzugrenzen sind hiervon bloße Vorbereitungsmaßnahmen, wie z.B. die bloße Vermessung des Grundstücks, die katasterliche Zerlegung des Grundstücks in einzelne Flurstücke oder eine Teilungsgenehmigung ohne Grundbucheintragung.272

2.436

Der Grundstücksbegriff in § 7 GrEStG ist anhand des § 2 GrEStG zu bestimmen. Demnach werden von der Steuerbegünstigung Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts erfasst. Abzugrenzen hiervon sind zivilrechtlich Sachen, die als Bestandteile des Grundstücks zu qualifizieren sind, wie z.B. Maschinen und Betriebsvorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören, Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen. Darüber hinaus erfasst der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff auch Erbbaurechte, Gebäude auf fremden Boden, dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte i.S.d. § 15 WEG und des § 1010 BGB.

2.437

Gegenstand der Begünstigung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift immer nur die flächenmäßige Aufteilung eines einzelnen Grundstücks. Demzufolge ist bei der flä-

2.438

271 Pahlke7, § 7 GrEStG Rz. 1; Hofmann11, § 7 GrEStG Rz. 1. 272 Pahlke7, § 7 GrEStG Rz. 3.

Graessner | 155

Kap. 2 Rz. 2.438 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

chenmäßigen Aufteilung mehrerer selbstständiger Grundstücke der Umfang der Steuerbefreiung für jedes einzelne Grundstück separat zu prüfen.273 Aus zivilrechtlicher Sicht liegt auch dann ein einzelnes Grundstück vor, wenn dieses aus mehreren Flurstücken besteht, die unter derselben Nummer eines gemeinsamen Grundbuchblattes geführt werden.274 In diesem Fall kommt also eine Steuerbegünstigung gem. § 7 GrEStG in Betracht.

2.439 Im Umkehrschluss ist die Steuerbefreiung des § 7 GrEStG nicht anwendbar, wenn sich die Miteigentümer mehrerer selbständiger Grundstücke durch Tausch von Miteigentumsanteilen das Alleigentum an einem Grundstück verschaffen oder wenn die Mitglieder einer Gesamthand mehrere selbständige Grundstücke der Gesamthand untereinander unter Übertragung des Alleineigentums aufteilen.275 Es bedarf also stets einer flächenmäßigen Aufteilung. 2.440 Eine solche flächenmäßigen Aufteilung – und somit die Steuerbefreiung – wird auch dann bejaht, wenn mehrere Miteigentümer gemeinschaftlich ein Teilgrundstück erwerben; dies setzt aber voraus, dass die Wertgleichheit der aufgeteilten Teilgrundstücke gewahrt ist.276 Nach allgemeinen Verständnis bleibt die Steuerbefreiung auch dann anwendbar, wenn nur einer der Miteigentümer ein Teilgrundstück erhält und das restliche Teilgrundstück an Dritte veräußert wird.277 2.441 Eine Ausnahme hiervon gilt bei der Teilung mehrerer Grundstücke, wenn diese eine wirtschaftliche Einheit bilden, da diese gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wie ein Grundstück behandelt werden.278 Eine wirtschaftliche Einheit mehrerer Grundstücke ist gegeben, wenn sie zu einem wirtschaftlichen Zweck zusammengefasst sind. Dabei ist entscheidend, dass sich der wirtschaftliche Zweck äußerlich in einer entsprechenden Ausgestaltung niederschlägt, durch welche die Selbstständigkeit der einzelnen Grundstücke nach der Verkehrsauffassung aufgehoben wird.279 2.442 Bei Mietwohngrundstücken ist für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit eine einheitliche Planung und architektonische Gestaltung nicht ausreichend; vielmehr kommt es darauf an, ob die einzelnen Grundstücksteile unter Berücksichtigung ihrer baulichen Gestaltung selbständig verkaufsfähig sind oder nicht.280 In der Praxis wird daher eher bei Fabrikkomplexen auf mehreren Grundstücken oder bei landwirtschaftlichen Grundstücken eine wirtschaftliche Einheit begründbar sein.281 Letztlich ist dies jeweils im Einzelfall zu prüfen. BFH v. 5.12.1956 – II 69/56 U, BStBl. III 1957, 69. BGH v. 8.12.2011 – V ZB 197/11, NJW-RR 2012, 220 Rz. 12. Pahlke7, § 7 GrEStG Rz. 4. BFH v. 29.7.1969 – II 94/65, BStBl. II 1969, 669. Pahlke7, § 7 GrEStG Rz. 10. Koppermann in Behrens/Wachter2, § 7 GrEStG Rz. 14; Viskorf in Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 21. 279 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405; v. 10.5.2006 – II R 17/05, BStBl. II 2006, 2124. 280 BFH v. 2.10.1970 – III R 163/66, BStBl. II 1970, 822. 281 Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 140. 273 274 275 276 277 278

156 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.446 Kap. 2 Beispiel 54282: A und B sind zu ½ Miteigentümer von zwei gleichwertigen Grundstücken. Die beiden Miteigentümer setzen sich dahingehend auseinander, dass jeder von ihnen ein Grundstück im Alleineigentum erwirbt.

2.443

Es liegen zwei steuerbare Erwerbsvorgänge durch A und B gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG vor (Tauschvertrag). Liegt eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 3 GrEStG zwischen den beiden Grundstücken vor, ist Gegenstand der Aufteilung nur ein einzelnes Grundstück. Die Voraussetzung der Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 GrEStG sind erfüllt. Liegen dagegen zwei selbständige Grundstücke vor, handelt es sich nicht um eine Umwandlung von Mit- in Flächeneigentum. Die Anwendung des § 7 Abs. 1 GrEStG scheidet aus. Beispiel 55: A und B sind zu ½ an einer GbR beteiligt, die Eigentümerin zweier gleichwertiger Grundstücke ist. A und B erwerben von der GbR jeweils ein Grundstück.

2.444

Es liegen zwei steuerbare Erwerbsvorgänge durch A und B gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG vor (Tauschvertrag). Liegt eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 3 GrEStG zwischen den beiden Grundstücken vor, ist Gegenstand der Aufteilung nur ein einzelnes Grundstück. Die Voraussetzung der Steuerbefreiung des § 7 Abs. 2 GrEStG sind unter Beachtung der Sperrfrist des § 7 Abs. 3 GrEStG erfüllt. Liegen dagegen zwei selbständige Grundstücke vor, handelt es sich nicht um eine Umwandlung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum. Die Anwendung des § 7 Abs. 2 GrEStG scheidet aus. Unter Beachtung des Vorbehaltensfrist (§ 6 Abs. 4 GrEStG) kommt jedoch eine hälftige Befreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Betracht.

Weiterhin ist ein einheitlicher Teilungsvorgang für die Steuerbefreiung nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG erforderlich (Realteilung). Zivilrechtliche Grundlage ist der notarielle Teilungsvertrag. Die Vollziehung des Teilungsvertrages erfolgt in zwei Schritten:

2.445

1. durch Teilung des Grundstücks in mehrere Teilgrundstücke und 2. durch Übertragung der Miteigentumsanteile an dem neu geschaffenen Teilgrundstück. Beide Vorgänge müssen auf Grund planmäßiger Durchführung in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erfolgen. Dabei bedarf es eines einheitlichen Entschlusses.283 Nach der Rechtsprechung hat eine Gesamtwürdigung zu erfolgen; unschädlich ist nach Ansicht des BFH eine Zeitspanne von einigen Wochen, dagegen hat der BFH eine Zeitspanne von zwei Jahren284 als schädlich erachtet. Im Einzelfall können äußere Umstände ein zeitliches Auseinanderfallen der beiden Vorgänge rechtfertigen,285 wenn z.B. die Beteiligten durch einen Rechtstreit an ihrem Plan eine Grundstücksaufteilung gehindert waren.

282 Angelehnt an Beispiele aus Pahlke7, § 7 GrEStG Rz. 5. 283 Koppermann in Behrens/Wachter2, § 7 GrEStG Rz. 19 mit Hinweisen zur BFH-Rspr.; Carlé, KÖSDI 2022, 22709 mit Hinweisen zur zivilrechtlichen Umsetzung. 284 BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156. 285 BFH v. 22.6.2012 – II B 48/11, BFH/NV 2012, 2025.

Graessner | 157

2.446

Kap. 2 Rz. 2.447 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen

2.447 Für die Höhe der Steuerbefreiung ist der Wert des Teilgrundstücks anhand des gemeinen Wertes (§ 9 BewG) bzw. des Teilwertes (§ 10 BewG) zu ermitteln; ggf. kann die Wertermittlung auch nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG erfolgen.286 2. Grundstücksteilung unter Miteigentümern in Flächeneigentum

2.448 Die Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 GrEStG betrifft die Aufteilung eines einzelnen Grundstücks, das mehreren Miteigentümern (§§ 2018 ff. BGB) gehört. Soweit nach Aufteilung des Grundstücks der Wert des Teilgrundstücks, den jeder Miteigentümer erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er an dem gesamten Grundstück vor Aufteilung beteiligt war, wird keine GrESt erhoben. 2.449 Beispiel 56: A und B sind Miteigentümer zu ½ eines Grundstücks mit einer Fläche von insgesamt 1.000 qm. Es erfolgt eine flächenmäßige Aufteilung, wonach A und B jeweils 500 qm erhalten. Die Werte der beiden Teilgrundstücke sind identisch. Es liegen zwei steuerbare Erwerbsvorgänge durch A und B gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG vor (Tauschvertrag). Eine Befreiung nach § 7 Abs. 1 GrEStG ist zu gewähren.

2.450 Eine Befreiung von der GrEStG scheidet dagegen aus, soweit der Miteigentümer auf Grund der Aufteilung wertmäßig einen größeren Grundstücksanteil erhält, als ihm auf Grund seines Bruchteils dem Wert nach zugestanden hätte. 2.451 Beispiel 57: A und B sind Miteigentümer zu ½ eines Grundstücks (Bayern: 3,5 %) mit einem gemeinen Wert von 2.000.000 Euro. Es erfolgt eine flächenmäßige Aufteilung, wonach A 3/10 und B 7/ 10 der Grundstücksfläche (gleichwertig) erhalten. Es liegen zwei steuerbare Erwerbsvorgänge durch A und B gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 GrEStG vor (Tauschvertrag). Eine Befreiung nach § 7 Abs. 1 GrEStG ist zu gewähren. Bezüglich des B ist jedoch zu beachten, dass dieser i.H.v. 2/10 wertmäßig einen größeren Grundstücksanteil erhält. Bemessungsgrundlage ist der gemeine Wert seines hingegebenen Miteigentumsanteils (= 1.000.000 Euro). Die GrESt (Bayern: 3,5 %) beläuft sich auf 35.000 Euro. Die anteilige Befreiung nach § 7 Abs. 1 GrEStG zu Gunsten des B ermittelt sich wie folgt: 35.000 Euro × (1.000.000 Euro/1.400.000 Euro) = 25.000 Euro

2.452 Hieraus lässt sich folgende allgemeine Formel ableiten: GrESt in voller Höhe ×

Wert des Bruchteils = befreite GrESt Wert des Teilgrundstücks

286 Viskorf in Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 17.

158 | Graessner

F. Besondere Übertragungsformen | Rz. 2.457 Kap. 2

Die Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 GrEStG gilt nach der Rspr. des BFH bei der Umwandlung gemeinschaftlichen Eigentums in Wohnungseigentum entsprechend.287 Wohnungseigentum wird gem. § 2 WEG durch die vertragliche Einräumung von Sondereigentum (§ 3 WEG) oder durch Teilung (§ 8 WEG) begründet.

2.453

3. Grundstücksteilung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum Ziel des § 7 Abs. 2 GrEStG ist es, die flächenmäßige Aufteilung eines Grundstücks zwischen Mitgliedern einer Gesamthand zu erleichtern. Entspricht der Wert des Teilgrundstücks, den der Beteiligte erhält, dem Anteil, zu dem er am Vermögen der Gesamthand beteiligt war, wird die GrESt insoweit nicht erhoben.288

2.454

Sowohl § 7 Abs. 2 GrEStG als auch § 6 Abs. 2 GrEStG treffen die Steuerbegünstigung bei der Umwandlung von Gesamthandseigentum an einem Grundstück der Gesamthand. Beide Vorschriften überlagern sich und stehen gleichberechtigt nebeneinander, d.h. die weitergehende Steuerbefreiung findet Anwendung (in der Regel § 7 GrEStG)289:

2.455

– § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt die Umwandlung in das Alleineigentum. Der Umfang der Befreiung ist beschränkt auf die dingliche Berechtigung an der Gesamthand. – § 7 Abs. 2 GrEStG begünstigt dagegen die Umwandlung in Flächeneigentum an Teilen des bisher gemeinsamen Grundstücks. Bei Gleichwertigkeit des erworbenen Grundstücksteils und der bisherigen Beteiligung an dem gesamten Grundstück führt die Vorschrift zu einer vollständigen Befreiung von GrESt.

2.456

Hierzu folgende zwei Beispiele: Beispiel 58.1: A und B sind zu je 1/2 Mitglieder einer GbR. Die GbR ist Eigentümerin eines Grundstücks. A erhält eine Grundstücksteilfläche. Der Wert und die Größe dieser Teilfläche entspricht 50 % (= 1/2) des gesamten Grundstücks. Der steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 7 Abs. 2 GrEStG unter Beachtung der Sperrfrist des § 7 Abs. 3 GrEStG zu 100 % begünstigt. Da A nur zu 1/2 an der GbR beteiligt ist, kommt nach § 6 Abs. 2 GrEStG nur eine Steuerbefreiung i.H.v. 50 % in Betracht. Die Steuerbegünstigung nach § 7 Abs. 2 GrEStG ist folglich günstiger für A, da sie ihm eine vollständige Befreiung erlaubt. Beispiel 58.2: A, B, C, D und E sind zu je 1/5 Mitglieder einer GbR. Die GbR ist Eigentümerin eines Grundstücks. E scheidet aus der GbR aus und erhält hierfür als Ausgleich eine Grundstücksteilflä-

287 BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667; v. 12.10.1988 – II R 6/86, BStBl. II 1989, 54. 288 Ein besonderer Fall des § 7 Abs. 2 GrEStG ist die freiwillige Baulandumlegung nach dem BauGB. Hierzu wird auf Koppermann in Behrens/Wachter2, § 7 GrEStG Rz. 40 ff. verwiesen. 289 BFH v. 27.4.1977 – II R 134/75, BStBl. II 1977, 677.

Graessner | 159

2.457

Kap. 2 Rz. 2.457 | Grundstücksübertragungen im Unternehmen che. Der Wert und die Größe dieser Teilfläche entspricht ca. 40 % (= 2/5) des gesamten Grundstücks. Der steuerbare Erwerbsvorgang ist nach § 7 Abs. 2 GrEStG unter Beachtung der Sperrfrist des § 7 Abs. 3 GrEStG begünstigt. Da E nur zu 1/5 an der GbR beteiligt war, erhält er wertmäßig 1/5 mehr als Ausgleich. Die Steuerbefreiung ist daher auf 20 % seiner Beteiligung begrenzt, d.h. der Erwerb der Grundstücksteilfläche ist zu 50 % von der GrESt befreit; gleiches gilt bei Anwendung des § 6 Abs. 2 GrEStG begrenzt.

2.458 Die Vorschrift setzt eine Gesamthand voraus. Hinsichtlich des Begriffs „Gesamthand“ und mögliche Konsequenzen durch das MoPeG ab dem 1.1.2024 wird auf die Ausführungen unter Rz. 2.101 verwiesen. Eine Anwendung auf KapGes. scheidet daher aus. 2.459 Keine Anwendung findet die Steuerbegünstigung des § 7 Abs. 2 GrEStG für den Fall, dass sich zwei Beteiligte einer Gesamthand in der Weise auseinandersetzen, dass einem Beteiligten ein Erbbaurecht an dem Grundstück eingeräumt wird und der andere Beteiligte das Alleineigentum an dem erbbaurechtsbelasteten Grundstück erhält. Es liegt keine Realteilung vor, da es sich bei dem Erbbaurecht – anders als bei der Begründung z.B. von Wohnungseigentum – nicht um ein reales Flächeneigentum handelt, sondern um ein grundstücksgleiches Recht.290 2.460 Wie bei § 6 Abs. 4 GrEStG ist eine Befreiung von der GrESt nach § 7 Abs. 3 GrEStG insoweit ausgeschlossen, als der Beteiligte einer Gesamthand – im Falle der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb der Vorbehaltensfrist von zehn Jahren (vor dem 1.7.2021: 5 Jahre)291 vor der Umwandlung in Flächeneigentum durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat; gleiches gilt bei einer vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Auseinandersetzungsquote.

290 Viskorf in Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 71; Niedersächsisches Finanzministerium v. 8.8.1996 – S 4514-23-34 2, UVR 1996, 319. 291 Zu den Übergangsregelungen zur § 7 Abs. 3 GrEStG in der Fassung vor dem 1.7.2021 vgl. auch § 23 Abs. 24 GrEStG.

160 | Graessner

Kapitel 3 Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen A. Übergreifende Grundlagen I. Wegweiser Ergänzungstatbestände 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiarität und Tatbestandskonkurrenzen . . . . . . . 3. Aufhebung und Änderung von Festsetzungen nach § 16 Abs. 4a GrEStG a) Grundmechanismus zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung . . . . . . . . . b) Risiko (fremdbestimmter) Doppelbesteuerung . . . . . . c) Antragspflicht . . . . . . . . . . d) Fehlende Ablaufhemmung für Änderung des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides? . . . . . e) Fehlende Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zurechnung von Grundstücken – Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? 1. Zurechnung von Grundstücken in zeitlicher Hinsicht . . 2. Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen a) Praktische Relevanz . . . . . b) BFH-Rechtsprechung zur Grundstückszurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen . . . . . . . . c) Praxisfragen aa) Auflösung von Tatbestandskonkurrenzen zwischen § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG . . . . . . bb) Eindeutige Zurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen cc) Reichweite einer NichtZurechnung beim zivilrechtlichen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1 3.6

3.11 3.14 3.21 3.22 3.24

3.28

3.31

3.34

3.46 3.49

3.52

dd) Widerspruch zur „Signing/Closing-Theorie“ der Finanzverwaltung ee) Beteiligungskettenverkürzungen . . . . . . . . . . ff) Beteiligungskettenverlängerungen . . . . . . . . gg) Grundstückszurechnung und Steuerbefreiungen gem. §§ 3, 5, 6 GrEStG . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit zur „vertikalen Zurechnung“ . . . . . . 3. Zurechnung für nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbare Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise 1. Überblick a) Unmittelbare vs. mittelbare Gesellschafterwechsel . b) Rechtliche oder wirtschaftliche Betrachtungsweise . . 2. Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechungsübersicht c) Keine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Gunsten des Steuerpflichtigen . d) Verdoppelung der Gesellschafterstellung aufgrund wirtschaftlicher Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anteilsminderung i.S.d. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch schuldrechtliche Vereinbarungen . . . . B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften I. Überblick über die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.54 3.57 3.61

3.64 3.68 3.69

3.71 3.74

3.76 3.80 3.87

3.90

3.94

3.95

Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten | 161

Kap. 3 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen II. Betroffene Gesellschaften, Grundstücke und Anteile 1. Personengesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . 3.99 2. Grundstücksbezogene Betrachtungsweise . . . . . . . . . 3.100 3. Zurechnung von Grundbesitz für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . 3.102 4. Vermögensmäßige Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.111 III. Unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes 1. Unmittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes . 3.114 2. Mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes a) Erfordernis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . 3.118 b) Mittelbare Änderung durch Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 3.120 c) Mittelbare Übertragungen aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen . . . 3.126 3. Übergang der Gesellschaftsanteile von Todes wegen . . . . 3.136 4. Anwendung der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.137 IV. Übergang auf neue Gesellschafter 1. Begriff des Alt- und Neugesellschafters . . . . . . . . . . . . . 3.138 2. Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter a) Unmittelbar beteiligter Altgesellschafter . . . . . . . . 3.139 b) Mittelbar beteiligter Altgesellschafter . . . . . . . . 3.142 3. Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter a) Unmittelbar beteiligter Neugesellschafter . . . . . . . 3.146 b) Mittelbar beteiligter Neugesellschafter . . . . . . . . . . . 3.148 4. Besonderheiten bei beteiligten Kapitalgesellschaften

162 | Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten

a) Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft der Kapitalgesellschaften . . . . . . . . 3.152 b) Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft der Gesellschafter der KapGes. . . . . 3.161 5. Besonderheiten bei Treuhandverhältnissen . . . . . . . . . 3.169 6. Besonderheiten bei der identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung . . . . . 3.178 7. Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung a) Wechsel zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafterstellung aa) Hintergrund . . . . . . . . 3.183 bb) Der Wechsel von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung . . . . . 3.186 cc) Der Wechsel von einer unmittelbaren in eine mittelbare Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . 3.192 b) Personengesellschaften als Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG aa) Unmittelbar beteiligte PersGes. . . . . . . . . . . . . 3.193 bb) Mittelbar beteiligte Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 3.196 c) Verkürzung von Beteiligungsketten aa) Zum Begriff der Beteiligungskettenverkürzung und ihre Relevanz für § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . 3.202 bb) Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Kapitalgesellschaften . 3.204 cc) Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Personengesellschaften 3.213 d) Rechtsunsicherheiten bei der mittelbaren Gesellschafterstellung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . 3.216

Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen | Kap. 3 8. Gestaltungsüberlegungen zur Herstellung einer Altgesellschafterstellung a) Veräußerung sämtlicher Anteile ohne Auslösung des § 1 Abs. 2a GrEStG . . 3.222 b) Herstellung einer Altgesellschafterstellung von Gesellschaftern einer beteiligten GmbH . . . . . . . . . 3.232 V. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung des Umfangs der schädlichen Gesellschafterwechsel 1. Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum . . . . . . . . 3.238 2. Ermittlung des Vomhundertsatzes a) Vorgehen zur Bestimmung des Vomhundertsatzes . . . 3.239 b) Betrachtung des nämlichen Anteils . . . . . . . . . . . . 3.244 c) Behandlung eigener Anteile und wechselseitiger Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . 3.248 d) Keine Berücksichtigung von Übergängen gem. Börsenklausel . . . . . . . . . . . 3.250 e) Keine Berücksichtigung von Übergängen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . 3.252 f) Keine Berücksichtigung von Gesellschafterwechseln vor dem Grundstückserwerb und nach der Grundstücksveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.253 g) Übergang von Neugesellschafter auf Altgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.255 h) Verkürzung von Beteiligungsketten . . . . . . . . . . . . 3.260 i) Wechsel eines Neugesellschafters von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung . . . . 3.264 VI. Besonderheiten beim Formwechsel 1. Relevanz von Formwechseln im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . 3.271

2. Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft . . . . . . . . 3.276 3. Formwechsel einer beteiligten Gesellschaft . . . . . . . . . . . 3.278 4. Behandlung von Formwechseln für die Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG . . . . . . . . . . 3.284 VII. Zusammenspiel mit Sperrfristverstößen nach § 5 Abs. 3/ § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (§ 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG) . . . 3.286 VIII. Anpassung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Grunderwerbsteuerreform 2021 1. Änderungen durch die Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.290 2. Übergangsregelungen a) Erstmaliges Inkrafttreten (§ 23 Abs. 18 GrEStG) . . . 3.295 b) Parallellaufen von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. und n.F. (§ 23 Abs. 20 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . 3.298 c) Altgesellschafterstellungen nach altem und neuem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.301 d) Zweifelsfragen zur Altgesellschafterstellung bei Überschreitung der 90 %Schwelle vor dem 1.7.2021 aa) Reichweite des § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG 3.306 bb) Reichweite der Rückwirkungsanordnung des § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG für mittelbare Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG . . . . . . . . 3.317 IX. Verhältnis des § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 2b GrEStG 3.320 X. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 1. Vorrang des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.324 2. Signing-Closing-Theorie der Finanzverwaltung a) Hintergrund der SigningClosing-Theorie und Anwendungserlass . . . . . . . . . 3.325

Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten | 163

Kap. 3 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen b) Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG durch das JStG 2022 . . . . . . . . . . XI. Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 1. § 6 Abs. 3 GrEStG a) Veränderungen in der Beteiligungskette mit Personengesellschaften . . . . . . . b) Zeitlich gestreckter Erwerb und Anwachsung . . c) Zur Steuerbefreiung bei mittelbarer Beteiligung aufgrund einer Treuhand d) Folgen einer Neugesellschafterstellung einer Kapitalgesellschaft für die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . 2. Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG a) Anwendungsbereich der sog. Konzernklausel . . . . . b) Umfang der Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . c) Umfang der Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG . . . d) Zusammenspiel der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG . . . . . . . . . XII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuld, Anzeigepflicht und Compliance 1. Bemessungsgrundlage . . . . . 2. Steuerschuldner . . . . . . . . . . . 3. Anzeigepflicht und Anzeigefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Compliance a) Grundbesitzende Gesellschaft als ComplianceVerpflichteter . . . . . . . . . .

3.333

3.339 3.342 3.346

3.352

3.354

3.358

3.363

3.368 3.370 3.375

3.378 3.379 3.380

3.381

164 | Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten

b) Monitoring der Tatbestandserfüllung . . . . . . . . . c) Erfüllung der Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . C. Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften I. Hintergrund und Entwicklung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsmerkmale und Fiktion des § 1 Abs. 2b GrEStG 1. Überblick Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsanweisungen . . 3. Grunderwerbsteuerliche Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke 1. Betroffene Gesellschaften . . . 2. Anteile der Gesellschaft a) Anteile an der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Anteile . . . . . . . . . . 3. Grundstücksbezogene Betrachtungsweise und Zugehörigkeit des Grundstücks . . IV. Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel 1. Unmittelbare Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbare Gesellschafterwechsel durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen . . . 3. Mittelbare Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen (inkl. Treuhandverhältnisse) 4. Unschädlichkeit Übergang von Todes wegen . . . . . . . . . . 5. Schenkweiser Übergang von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG V. Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter 1. Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter a) Unmittelbare Altgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . .

3.382 3.387 3.392

3.398

3.408 3.410 3.411

3.413 3.415 3.422 3.428

3.452 3.465

3.467 3.469 3.470 3.475

3.478

Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen | Kap. 3 b) Mittelbare Altgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.487 2. Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter . . . . . . . . . . 3.492 3. Folgen eines Wechsels von mittelbarer in unmittelbare Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.497 4. Beteiligte Kapitalgesellschaften als Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG . 3.504 5. Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten a) Verlängerung der Beteiligungsketten . . . . . . . . . . . 3.509 b) Verkürzung der Beteiligungsketten . . . . . . . . . . . . 3.513 6. Sonderfälle des Formwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.524 VI. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung der schädlichen Zählquote 1. Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum . . . . . . . . . . . . 3.526 2. Ewigkeitsthese bei beteiligten Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG) . 3.529 3. Ermittlung des Vomhundertsatzes a) Ermittlungsmethoden bei beteiligten Kapital- und Personengesellschaften . . . 3.539 b) Betrachtung des nämlichen Anteils . . . . . . . . . . . . 3.548 c) Eigene Anteile . . . . . . . . . . 3.562 d) Ermittlung des Gesellschafterwechsels bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen . . . . . . . 3.563 e) Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.566 VII. Besonderheiten beim Formwechsel 1. Wirkung Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft auf die Alt- und Neugesellschafterstellung . . . . . . . 3.567 2. Formwechsel zur gezielten Vermeidung eines § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.576

3. Formwechselnde Umwandlung einer unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft a) Grundlegende Einordnung der formwechselnden Umwandlung (FinVerw.) . . . . 3.580 b) Formwechsel von einer Personengesellschaft in eine Personengesellschaft 3.584 c) Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . 3.585 d) Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft . . . . . 3.586 e) Formwechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft . . 3.589 f) Zusammenfassende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.592 g) Rückwirkender Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG durch Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 3.593 VIII. Besonderheiten bei Treuhandstrukturen 1. Übergänge von Anteilen in Treuhandfällen . . . . . . . . . . . . 3.601 2. Weiterentwicklung der rechtlichen Würdigung bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen a) Rechtliche Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 3.606 b) Prüfung eines unmittelbaren Gesellschafterwechsels . . . . . . . . . . . . . . . 3.608 c) Prüfung, ob eine unmittelbar beteiligte KapGes. als „fiktiv neu“ einzuordnen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.611 d) Einordnung als Alt- und Neugesellschafter aa) Unmittelbarer Gesellschafterwechsel . . . . . . 3.613 bb) Mittelbarer Gesellschafterwechsel . . . . . . 3.614 cc) Wechsel von mittelbarer in eine unmittelbare Treugeberstellung . 3.616

Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten | 165

Kap. 3 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen e) Zusammenfassung der notwendigen Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . IX. Erstmalige Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG 1. Zu erfassende Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Altgesellschafterstellungen a) Grundsatz Altgesellschafter zum 1.7.2021 . . . . . . . . b) Sonderfall der beteiligten Kapitalgesellschaften . . . . X. Verhältnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG 1. Fehlende Subsidiaritätsregelung im § 1 Abs. 2b GrEStG 2. „Doppelter“ Erwerbsvorgang 3. Änderungsvorschläge an den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . XI. Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 1. Zukünftige Bedeutung der § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG . . 2. „Doppelte“ Grunderwerbsteuer a) Auseinanderfallen von sog. Signing und Closing b) Beurteilung im Zeitpunkt des Signing und Closing (beide Zeitpunkte nach dem 30.6.2021) aa) Zeitpunktbezogene Betrachtung . . . . . . . . bb) Zeitraumbezogene Betrachtung . . . . . . . . cc) Beispiele . . . . . . . . . . . c) Beurteilung im Zeitpunkt des Signing (vor dem 1.7.2021) und Closing (nach dem 30.6.2021) . . . 3. Auswirkung auf die Steuerschuldnerschaft . . . . . . . . . . . 4. Anzeigepflichten . . . . . . . . . . 5. Gesetzliche Verankerung einer Verfahrensvorschrift a) Neuregelung durch das JStG 2022 . . . . . . . . . . . . . . b) Ziel der Neuregelung . . . . c) Folgen der Anzeigepflicht – Doppelbesteuerung . . .

3.617

3.619 3.621 3.623

3.625 3.634 3.647

3.651

3.654

3.655 3.668 3.671

3.674 3.678 3.681

3.682 3.684 3.686

166 | Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten

d) Antragspflicht . . . . . . . . . . 3.693 6. Auswirkung auf die ertragsteuerliche Behandlung und die Verhandlungen über den Kaufpreis . . . . . . . . . . . . . . . . 3.695 XII. Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 1. Keine Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG . . . . . . . . . . . . 3.701 2. § 6a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . 3.704 3. § 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . 3.706 4. Keine Anrechnung § 1 Abs. 6 GrEStG . . . . . . . . . 3.710 XIII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuldner, Anzeigepflicht und Compliance 1. Bemessungsgrundlage . . . . . 3.713 2. Steuerschuldner . . . . . . . . . . . 3.714 3. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . 3.715 4. Gefahr der leichtfertigen Steuerverkürzung . . . . . . . . . 3.723 5. Compliance . . . . . . . . . . . . . . 3.725 XIV. Rückabwicklung nach § 16 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.726 D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft I. Die fingierten Rechtsgeschäfte bei Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 3.733 2. Die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen der § 1 Abs. 3, 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.737 3. Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG a) Grundsätzlicher Vorrang der § 1 Abs. 2 und 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . 3.744 b) Zeitpunkt Verwirklichung Steuertatbestand bei Share Deals . . . . . . . . . . . . 3.747 c) Prüfung der Nachrangigkeit stichtagsbezogen vorzunehmen . . . . . . . . . . . . . 3.755 d) Praktisch relevante Unterschiede in den Tatbestandsvoraussetzungen der Ersatztatbestände . . . 3.759

Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen | Kap. 3 II. Anteilsvereinigung und -übertragungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1. Anteilsbegriff i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.763 2. Unmittelbare und mittelbare Anteilsvereinigung . . . . . . . . . 3.773 3. Rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung . . . . . . . . . . . . . . . 3.776 4. Dingliche Anteilsvereinigung 3.778 5. Übertragung bereits vereinigter Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . 3.781 6. Übertragung bereits vereinigter Anteile auf eine Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 3.786 7. Verstärkung und Abschwächung bestehender Anteilsvereinigungen unter Beachtung der ewigen Fortgeltung alten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 3.788 8. Seitwärtsübertragungen bereits vereinigter Anteile . . . . . 3.793 III. Wirtschaftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . . 3.794 IV. Aufeinanderfolgen von Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und wirtschaftlicher Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) . . . . 3.799 V. Sonderfälle der Anteilsvereinigung 1. Neuabschluss und Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . 3.804 2. Formwechsel und Anteilsvereinigung a) Quotenwahrender heterogener Formwechsel . . . . . . 3.806 b) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft 3.813 c) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft 3.818 3. Eigene Anteile . . . . . . . . . . . . . 3.819 4. Wechselseitige Beteiligungen und Einheitsgesellschaften . . 3.820 5. Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung und tatsächlichem Grundstückserwerb . . 3.825

VI. Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 3.826 2. Begründung und Beendigung von Treuhand- und Auftragsbzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen a) Definition . . . . . . . . . . . . . . 3.830 b) Treuhandvereinbarung . . 3.831 c) Rechtszuordnung des Treuguts . . . . . . . . . . . . . . . 3.832 d) Anteilsübertragungen bei Treuhandverhältnissen und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.834 e) Beendigung eines Treuhandverhältnisses bzw. Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis . . . . 3.840 3. Beteiligung mehrerer Treuhänder oder Treugeber bzw. mehrerer Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger . . . . . 3.846 4. Treuhandverhältnisse im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . 3.847 VII. Grunderwerbsteuerliche Organschaft (§ 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 GrEStG) 1. Relevanz der Organschaft für das Grunderwerbsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.848 2. Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung in einer Hand und Organschaft . . . . . 3.853 3. Begründung oder Änderung eines Organschaftsverhältnisses ohne Anteilsübertragung 3.860 4. Begründung eines Organschaftsverhältnisses unter Veränderung bestehender Anteilsverhältnisse . . . . . . . . . 3.862 5. Übertragung von bereits aufgrund eines Organschaftsverhältnisses vereinigter Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.863 6. Erweiterung des Organschaftsverhältnisses . . . . . . . . 3.865

Broemel/Mörwald/Krohn/Joisten | 167

Kap. 3 Rz. 3.1 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

A. Übergreifende Grundlagen I. Wegweiser Ergänzungstatbestände 1. Überblick

3.1 Grunderwerbsteuerbar sind nicht nur Vorgänge, bei denen der Grundbesitz selbst „bewegt“ wird (§ 1 Abs. 1 GrEStG). Vielmehr kann Grunderwerbsteuer auch ausgelöst werden, wenn Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar übertragen werden. Diese werden von den sog. Ergänzungstatbeständen1 (§ 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG) erfasst. 3.2 Die Ergänzungstatbestände können grob in zwei Gruppen systematisiert werden: – § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG unterwerfen Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften der Grunderwerbsteuer, wobei § 1 Abs. 2a GrEStG für grundbesitzende PersGes. und § 1 Abs. 2b GrEStG für grundbesitzende KapGes. Anwendung findet. Für die Steuerbarkeit genügt es, wenn innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren 90 % der Anteile an der Grundstücksgesellschaft auf Neugesellschafter übergehen. Dabei greift der Tatbestand unabhängig davon, ob einer der Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungsschwelle erreicht (kein Beherrschungs- oder Kumulationserfordernis). Es kommt allein darauf an, dass 90 % auf neue Gesellschafter übergehen. – § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG erfassen die Konzentration von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand („Anteilsvereinigung“) sowie die Übertragung von Anteilen, die bereits derart in einer Hand konzentriert sind. Die Tatbestände in § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG sind rechtsformneutral für grundbesitzende PersGes. als auch für grundbesitzende KapGes. anwendbar. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG wird durch die Regelungen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft in § 1 Abs. 4 GrEStG ausgeweitet. Vereinfacht führen die Regelungen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft dazu, dass eine Vereinigung von Anteilen nicht nur in der Hand eines einzelnen Rechtsträgers erfolgen kann, sondern auch in der Hand eines Organkreises, der aus mehreren Rechtsträgern besteht.

3.3 Die Ergänzungstatbestände knüpfen zum Teil an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und zum Teil an das dingliche Verfügungsgeschäft an. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG stellen im Grundsatz auf den dinglichen Übergang der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft ab. Im Rahmen der Tatbestände in § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG sowie § 1 Abs. 3a GrEStG, wird die Steuer dagegen bereits durch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ausgelöst. Die Finanzverwaltung hält eine Aufeinanderfolge von § 1 Abs. 3 GrEStG bei Signing und § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG bei Closing für möglich (zu dieser Problematik s. Rz. 3.6 ff.). 1 Zum Begriff vgl. Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 5; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 675; BFH v. 16.3.1966 – II 70/63, BFHE 86, 158 = juris Rz. 21; v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344 = juris Rz. 10; v. 27.4.1966 – II 5/62, BFHE 66, 406 = juris Rz. 7.

168 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.5 Kap. 3

Im Gesetzeswortlaut zu den Ergänzungstatbeständen in § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG ist teilweise eine Rangordnung unter den Ergänzungstatbeständen angeordnet. So sieht der Wortlaut des § 1 Abs. 3a GrEStG vor, dass die Norm nur zur Anwendung kommt, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a, 2b und 3 nicht in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG sieht wiederum vor, dass die Norm nur zur Anwendung kommt, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt. Damit ist stets zunächst zu prüfen, ob im Einzelfall § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG einschlägig ist. Sofern dies nicht der Fall ist, ist zu prüfen, ob der Tatbestand § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt ist. Sofern auch dies nicht der Fall ist, ist der Tatbestand § 1 Abs. 3a GrEStG zu prüfen.

3.4

Die Ergänzungstatbestände und ihre Kern-Unterscheidungsmerkmale werden in der nachfolgenden tabellarischen Übersicht visualisiert.

3.5

Rechtsform der Grundstücksgesellschaft

§ 1 Abs. 2a GrEStG

§ 1 Abs. 2b GrEStG

§ 1 Abs. 3 GrEStG

§ 1 Abs. 3a GrEStG

PersGes.

KapGes.

KapGes. und PersGes.

KapGes. und PersGes.

Anteilsübergang (unmittelbar bzw. mittelbar) von 90 % auf neue Gesellschafter innerhalb von 10 Jahren

Anteilsvereinigung oder Übertragung 90 % (unmittelbar bzw. mittelbar)

Wirtschaftliche Beteiligung 90 % (unmittelbar bzw. mittelbar)

Steuerauslösen- Anteilsüberder Tatbestand gang (unmittelbar bzw. mittelbar) von 90 % auf neue Gesellschafter innerhalb von 10 Jahren Beherrschungsoder Zurechnungserfordernis

Nein (beliebige Nein (beliebige Ja, ein Erwerber Ja, ein Erwerber Neugesellschaf- Neugesellschaf- (oder mehrere ter) ter) bei Organschaftsfällen)

Zeitrahmen

10 Jahre

Zeitpunkt Schwellenüberschreitung

Zeitpunkt Schwellenüberschreitung

Auslösungszeit- Vollzug/Closing Vollzug/Closing Vertragsabpunkt schluss/Signing

Vertragsabschluss/Signing

Mittelbare Beteiligung

Stufenbetrachtung bei zwischengeschalteter KapGes., Multiplikationsmethode bei zwischengeschalteter PersGes.

10 Jahre

Stufenbetrachtung bei zwischengeschalteter KapGes., Multiplikationsmethode bei zwischengeschalteter PersGes.

Stufenbetrachtung (90 % auf jeder Ebene, bei Organschaft ggf. nur > 50 %)

Multiplikation der Kapitalanteile in der Beteiligungskette

Broemel/Mörwald | 169

Kap. 3 Rz. 3.5 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen § 1 Abs. 2a GrEStG

§ 1 Abs. 2b GrEStG

§ 1 Abs. 3 GrEStG

§ 1 Abs. 3a GrEStG

Steuerschuldner

PersGes. selbst

KapGes. selbst

Erwerber (oder Organkreis; bei Übertragung 90 % auch Verkäufer)

Erwerber (bei Übergang von 90 % auch der Verkäufer)

Rangstufe (Subsidiarität)

1.

1.

2.

3.

Abb. 1

2. Subsidiarität und Tatbestandskonkurrenzen

3.6 Bei der Abfolge der Prüfung der Tatbestände ist zu beachten, dass die verschiedenen Ergänzungstatbestände wie oben beschrieben an unterschiedliche Zeitpunkte eines Erwerbsvorganges anknüpfen. Die Tatbestände § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG, die in der Rangfolge der Ergänzungstatbestände erst nachrangig zur Anwendung kommen, stellen auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ab, welches häufig einige Zeit vor dem dinglichen Übergang der Anteile abgeschlossen wird. Der zeitlich nachgelagerte dingliche Übergang ist aber maßgeblich für die Tatbestandserfüllung der vorrangigen Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG. 3.7 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, welchen Einfluss dieses zeitliche Auseinanderfallen von schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft und dinglichem Übergang der Anteile auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ in § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG hat. Die Frage stellt sich bei allen Share Deals, bei denen Vertragsabschluss (Signing) und Anteilsübergang (Closing) nicht zeitgleich erfolgen. Denn bei Abschluss eines Anteilskaufvertrags (Signing) über mind. 90 % der Anteile einer Grundstücksgesellschaft werden zuerst die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG erfüllt werden, während der – vorrangig anzuwendende – Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erst beim Übergang der Anteile (Closing) verwirklicht wird. 3.8 Das Problem stellte sich in Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG bereits in der Vergangenheit, allerdings geht die h.M. in der Literatur davon aus, dass § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG bei Signing aufgrund des Anwendungsvorrangs des § 1 Abs. 2a GrEStG gar nicht verwirklicht wird.2 Denn auch das Verpflichtungsgeschäft ist auf die Übertragung der Anteile gerichtet und wird nur aus diesem Grund besteuert.3 § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG ist nach dieser Sichtweise insbesondere dann einschlägig, wenn eine

2 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 719; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 296 f.; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 131; Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 246; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 303.1; Kroschewski, GmbHR 2001, 707 (709). 3 Vgl. Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 296; Kroschewski, GmbHR 2001, 707 (709).

170 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.10 Kap. 3

Anteilsübertragung auf einen Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a/2b GrEStG erfolgt.4 Ein bloßes zeitliches Auseinanderfallen von Signing und Closing führt nach der h.M. hingegen nicht zu einer Anwendung des § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG. Die Finanzverwaltung sieht das Signing und Closing demgegenüber (neuerdings) als „zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge“ an.5 Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Anteilsübertragung zeitlich auseinanderfallen. Im Grundsatz soll daher aus Sicht der Verwaltung bereits bei Signing eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG erfolgen. Die Finanzverwaltung begründet ihre Auffassung (sog. „Signing/Closing-Theorie“) damit, dass das Tatbestandsmerkmal „in Betracht kommt“ zeitpunkt- bzw. stichtagsbezogen zu verstehen sei, sodass bei Vertragsschluss zunächst eine Anwendung von § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG erfolgt, es sei denn, dass im Zeitpunkt bzw. am Stichtag des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts auch der dingliche Übergang der betroffenen Anteile erfolgt.6

3.9

Eine zweifache Besteuerung einer Anteilsübertragung mit Grunderwerbsteuer ist allerdings auch nach der Verwaltungsauffassung nicht beabsichtigt. Dies ist daran erkennbar, dass die Finanzverwaltung auch bei Zugrundelegung der „Signing/ClosingTheorie“ vorsieht, dass jedes betroffene Grundstück nur entweder anlässlich des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (§ 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG) oder des Anteilsüberganges (§ 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterworfen wird. Nach Verwaltungsauffassung soll dies erreicht werden, in dem im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG oder Abs. 3a GrEStG erfolgt. Im Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. soll eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2a GrEStG erfolgen und die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG oder Abs. 3a GrEStG bei Grundstücksidentität aufgehoben oder geändert werden.7 Letzteres erfolgt jedoch nur, soweit der Grundstücksbestand der Gesellschaft bei Signing und Closing übereinstimmt.8 Eine verfahrensrechtliche Grundlage für die Korrektur hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG geschaffen (dazu nachfolgend).

3.10

4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 719. 5 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG v. 10.5.2022, jeweils Tz. 8.1. 6 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1. 7 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2. 8 Ist ein Grundstück, das bei Signing zum Vermögen der Gesellschaft gehörte, im Zeitpunkt des Closing nicht mehr vorhanden, soll es aus Verwaltungssicht offenbar bei der Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG bleiben, kritisch dazu Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695).

Broemel/Mörwald | 171

Kap. 3 Rz. 3.11 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3. Aufhebung und Änderung von Festsetzungen nach § 16 Abs. 4a GrEStG a) Grundmechanismus zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung

3.11 Die durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)9 eingeführte Korrekturvorschrift in § 16 Abs. 4a GrEStG sieht vor, dass eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG auf Antrag aufgehoben oder geändert wird, wenn in Erfüllung des Rechtsgeschäfts beim Übergang der Anteile der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG verwirklicht wird. Dies gilt jedoch gem. § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG nicht, wenn einer der in § 1 Abs. oder 3a GrEStG oder in § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig war. 3.12 Beispiel 1: An der grundbesitzenden G GmbH ist bisher A zu 100 % beteiligt. A veräußert seine Beteiligung an der G GmbH mit schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft vom 1.2.2023 an B. Die Anteile gehen am 1.9.2024 auf B über. Sowohl das Signing als auch das Closing wurden durch B bzw. die G GmbH fristgerecht und vollständig angezeigt. Die Finanzverwaltung hat zwischen Signing und Closing bereits einen Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG erlassen. Mit dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft am 1.2.2023 (Signing) wird (nach Auffassung der Finanzverwaltung) der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Mit dem Übergang der Anteile am 1.9.2024 (Closing) wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Da sowohl das Signing (durch B) als auch das Closing (durch die G GmbH) fristgerecht und vollständig angezeigt wurden, kann gem. § 16 Abs. 4a GrEStG beantragt werden, dass der Bescheid gem. § 1 Abs. 3 GrEStG aufgehoben wird. Es kommt in der Folge nur zu einer Besteuerung des Anteilsüberganges gem. § 1 Abs. 2b GrEStG.

3.13 Aus Sicht des Gesetzgebers trägt § 16 Abs. 4a GrEStG dem Umstand Rechnung, dass für die Umsetzung der „Signing/Closing-Theorie“ der Verwaltung zunächst kein verfahrensrechtliches Instrument für die Aufhebung/Änderung des Bescheides nach § 1 Abs. 3 GrEStG feststand. Gleichwohl erscheint zweifelhaft, ob es der Norm überhaupt bedarf, denn eine Korrektur erscheint auch außerhalb des § 16 Abs. 4a GrEStG möglich, etwa auf Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.10 Die Tatsache, dass bei § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG die Grundstücksgesellschaft selbst die Steuerschuldnerin ist, schließt die Anwendung des § 175 AO nicht aus, denn der Erwerb durch eine „neue Gesellschaft“ ist nur eine grunderwerbsteuerliche Fiktion. Zudem vermag § 16 Abs. 4a GrEStG die Anwendung des § 175 AO auch nicht als lex specialis zu verdrängen, da die neue Regelung nach der Gesetzesbegründung nur als begünstigende Verfahrenserleichterung, und nicht als materielle Spezialregelung konzipiert wurde. Für die Praxis muss allerdings bis auf weiteres davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung eine Korrektur des Signing-Bescheids nur auf Basis des § 16 Abs. 4a GrEStG zulassen wird.

9 JStG 2022 v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294. 10 Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2022, 2870 (2873); Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1669, Fn. 13); Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (74).

172 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.17 Kap. 3

b) Risiko (fremdbestimmter) Doppelbesteuerung Eine erhebliche Anwendungseinschränkung stellt § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG dar, wonach § 16 Abs. 4a GrEStG nicht gilt, „wenn einer der in § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder in § 1 Abs. 3a oder in § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war.“ Demnach kann es bei nicht vollständiger oder nicht fristgerechter Anzeige zu einer Doppelbesteuerung von Gesetzes wegen kommen.

3.14

Beispiel 2: An der grundbesitzenden G GmbH ist bisher A zu 100 % beteiligt. A veräußert seine Beteiligung an der G GmbH mit Kaufvertrag vom 1.2.2023 an B. Die Anteile gehen am 1.9.2024 auf B über. A und B zeigen den Abschluss des Kaufvertrags fristgerecht und vollständig beim zuständigen Finanzamt an, dieses erlässt zwischen Signing und Closing einen Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Bei Anteilsübergang versäumt die G GmbH, eine fristgerechte Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b i.V.m. § 1 Abs. 2b GrEStG abzugeben. Die Finanzverwaltung erlässt nach Closing einen Bescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der G GmbH.

3.15

Mit dem Kaufvertragsschluss vom 1.2.2023 (Signing) wurde (nach Auffassung der Finanzverwaltung) der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Mit dem Übergang der Anteile am 1.9.2024 (Closing) wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Fraglich ist, ob B im Beispiel die § 1 Abs. 3 GrEStG-Festsetzung hinnehmen muss und der Vorgang damit einer Doppelbesteuerung unterworfen wird. Da bei Closing keine fristgerechte Anzeige erfolgt ist, sind die in § 16 Abs. 4a GrEStG genannten Voraussetzungen für eine Aufhebung der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt. Beispiel 3: Anteilstransaktion wie in Beispiel 2, jedoch zeigen A und B den Abschluss des Kaufvertrags nicht beim Finanzamt an. Es erfolgt daher zunächst auch keine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Erst bei Anteilsübergang erfolgt eine fristgerechte und vollständige Anzeige durch die G GmbH (§ 19 Abs. 1 Nr. 3b i.V.m. § 1 Abs. 2b GrEStG).

3.16

Die Finanzverwaltung erlässt nach Closing einen Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG gegenüber B und einen weiteren Bescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der G GmbH. Fraglich ist, ob B im Beispiel die § 1 Abs. 3 GrEStG-Festsetzung hinnehmen muss und der Vorgang damit einer Doppelbesteuerung unterworfen wird. Da bei Signing keine Anzeige erfolgt ist, sind die in § 16 Abs. 4a GrEStG genannten Voraussetzungen für eine Aufhebung der § 1 Abs. 3 GrEStG-Festsetzung nicht erfüllt. Allerdings erscheint eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG zu einem Zeitpunkt nach Closing unrechtmäßig, denn zu diesem Zeitpunkt steht zweifelsfrei fest, dass es zu einem (vorrangigen) Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG gekommen ist.

Ob die Finanzverwaltung auch zu einem Zeitpunkt nach Closing eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vornehmen wird, bleibt abzuwarten. Es ist zu befürchten, dass die Verwaltung auch in diesem Fall eine Stichtagsbetrachtung auf den Zeitpunkt des Signing vornimmt und das Closing nicht als rückwirkendes Ereignis ansieht. Eine solche Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG wäre jedoch unzulässig, denn die Subsidiaritätsregelung führt jedenfalls dann, wenn der Anteilsübergang bereits erfolgt ist, zwingend zu einem Anwendungsausschluss des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG (s. auch obiges Beispiel 3, Rz. 3.16).

Broemel/Mörwald | 173

3.17

Kap. 3 Rz. 3.18 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.18 Die Festsetzung von § 1 Abs. 3 GrEStG nach Closing würde im Zusammenspiel mit § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG auch zum absurden Ergebnis führen, dass jeder in einer Betriebsprüfung aufgedeckte, grunderwerbsteuerpflichtige Share Deal einer „automatischen“ Doppelbesteuerung nach § 1 Abs. 2b und Abs. 3 GrEStG unterworfen würde, Dies kann nicht richtig sein, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. 3.19 Beispiel 4: Anteilstransaktion wie in Beispiel 2, jedoch geht keiner der Beteiligten davon aus, dass der G GmbH ein inländisches Grundstück zuzurechnen ist, so dass sowohl bei Signing als auch bei Closing eine Anzeige unterbleibt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2025 wird festgestellt, dass der G GmbH zum Zeitpunkt der obigen Anteilstransaktion ein inländisches Grundstück zuzurechnen war. Das Finanzamt erlässt infolge der Betriebsprüfung einen Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG gegenüber B und einen weiteren Bescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der G GmbH. Da weder bei Signing noch bei Closing eine Anzeige erfolgt ist, sind die in § 16 Abs. 4a GrEStG genannten Voraussetzungen für eine Aufhebung der § 1 Abs. 3 GrEStG-Festsetzung nicht erfüllt. Allerdings ist die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG infolge der Betriebsprüfung nach hier vertretener Auffassung unrechtmäßig, denn zu diesem Zeitpunkt steht zweifelsfrei fest, dass es zu einem (vorrangigen) Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG gekommen ist. Die Subsidiaritätsregel muss hier u.E. Anwendung finden, so dass eine Doppelbesteuerung nicht eintritt.

3.20 Soweit es in der Praxis zu Doppelfestsetzungen wie in den obigen Beispielen kommt, sollten Steuerpflichtige zwingend Rechtsmittel einlegen, denn über die materielle Auslegung der Subsidiaritätsklauseln in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ist weiterhin nicht entschieden. Die Einführung von § 16 Abs. 4a GrEStG mag zwar als Indiz zu werten sein, dass der Gesetzgeber die „Signing/Closing-Theorie“ der Verwaltung möglicherweise teilt.11 Sie stellt jedoch keine gesetzliche Festschreibung der Verwaltungsauffassung dar. Denn § 16 Abs. 4a GrEStG stellt lediglich eine Verfahrensvorschrift dar, was auch daraus deutlich wird, dass der Gesetzgeber keine Übergangsregelung geschaffen hat und von einer (rein) begünstigenden Regelung mit Anwendung auf alle offenen Fälle ausgeht (Rz. 3.24). Mit der Einführung dieser Verfahrensvorschrift wurde die materiell-rechtliche Rechtslage also nicht verändert. Der Anwendungsvorrang der § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG in den Ergänzungstatbeständen ist nach wie vor gesetzlich normiert und wird von der h.M. anders ausgelegt als von der Finanzverwaltung.12 Der Inhalt der Subsidiaritätsregel in § 1 Abs. 3/3a GrEStG („soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) bleibt weiterhin offen.

11 Hierauf deutet die Gesetzesbegründung hin, wonach der gesetzliche Anwendungsvorrang der § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG nicht gelte, wenn der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Anteilsübertragung zeitlich auseinanderfallen, vgl. BR-Drucks. 20/4229, S. 50 f. 12 Für einen zeitpunktunabhängigen Anwendungsvorrang u.a. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 719; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 296 f.; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 131; Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 246; Behrens in Behrens/ Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 303.1; Kroschewski, GmbHR 2001, 707 (709).

174 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.24 Kap. 3

c) Antragspflicht Ein weiterer verfahrensrechtlicher Fallstrick liegt darin, dass § 16 Abs. 4a GrEStG eine Aufhebung der doppelten Besteuerung eines Anteilsüberganges an einen Antrag knüpft. Für den Steuerpflichtigen bleiben hierbei wichtige Fragen wie etwa zur Form und Frist dieses Antrags sowie zum Antragsteller und zum zuständigen Finanzamt im Unklaren. Die aus den anderen Rückabwicklungsvorschriften bekannten Antragsregeln können hier nur begrenzt als Anhaltspunkt herangezogen werden, denn der Anteilsübergang im Rahmen eines Share Deals stellt keine Rückabwicklung, sondern den normalen Transaktionsverlauf dar. Mangels Regelung ist davon auszugehen, dass der Antrag weder form- noch fristgebunden ist und auch konkludent gestellt werden kann. In der Praxis wird die Antragstellung parallel zur Anzeige des ClosingVorgangs erfolgen, wobei zu beachten ist, dass die Antragsteller ggf. andere Personen als die anzeigepflichtige Gesellschaft sind.

3.21

d) Fehlende Ablaufhemmung für Änderung des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides? § 16 Abs. 4a GrEStG enthält keine Regelung zu einer Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist des Bescheides nach § 1 Abs. 3 GrEStG. In zeitlich gestreckten Transaktionen, bei denen zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung bereits die Festsetzungsfrist von vier Jahren für den § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheid abgelaufen ist, droht daher eine Aufhebung des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides an einer eingetretenen Festsetzungsverjährung zu scheitern. § 16 Abs. 4a Satz 2 sieht zwar eine Regelung zur Ablaufhemmung vor, diese bezieht sich allerdings allein auf die Festsetzungsfrist für den § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG-Bescheid beim Closing.

3.22

Möglich erscheint aber, dass die Anteilsübertragung ggf. als rückwirkendes Ereignis den Eintritt der Festsetzungsverjährung des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides verhindern kann. Die Rechtsprechung entschied zwar zu den in § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG geregelten Fällen zur Rückabwicklung bzw. Preisanpassung, dass diese kein rückwirkendes Ereignis darstellen. Der BFH begründet dies jedoch damit, dass in § 16 Abs. 4 GrEStG für diese Fallkonstellationen eine Ablaufhemmung gesondert geregelt ist und die Klassifikation als rückwirkendes Ereignis daher der gesetzlichen Systematik widerspräche.13 Hiervon dürfte die Korrektur in § 16 Abs. 4a GrEStG aber unberührt sein. Im Gegenteil dürfte der Umstand, dass keine gesonderte Regelung zur Ablaufhemmung für die Korrektur des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides existiert, dafür sprechen, dass die Anteilsübertragung ein ablaufhemmendes rückwirkendes Ereignis darstellt.

3.23

e) Fehlende Übergangsregelung Für die Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG hat der Gesetzgeber keine Übergangsregelung vorgesehen, sodass die Regelung im Grundsatz rückwirkend Anwendung auf offene Fälle findet, in denen das Signing bereits erfolgt ist. Die rückwirkende Ein13 Vgl. BFH v. 4.11.2019 – II B 48/19, BFH/NV 2020, 182.

Broemel/Mörwald | 175

3.24

Kap. 3 Rz. 3.24 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

führung erfolgte allerdings offensichtlich in der Annahme, dass die Regelung lediglich zum Vorteil des Steuerpflichtigen sein würde. Wie dargestellt, geht die Vorschrift jedoch mit substanziellen Nachteilen für den Steuerpflichtigen einher. Eine rückwirkende Anwendung der Norm zulasten des Steuerpflichtigen dürfte verfassungswidrig sein.

3.25 Ob und inwieweit die Regelungen in Tz. 8 der Ländererlasse (insb. Vereinfachungsregelung für Fälle, in denen Closing innerhalb von einem Jahr nach Signing zu erwarten ist) Bestand haben oder geändert werden, bleibt abzuwarten. 3.26 Im Ergebnis dürften sich die zur Vermeidung einer zweifachen Belastung mit Grunderwerbsteuer designierten Verfahrensregelungen in § 16 Abs. 4a und Abs. 5 Satz 2 GrEStG für viele Steuerpflichtige als „Trojanisches Pferd“ erweisen, welches durch verfahrensrechtliche Fallstricke (restriktive Anzeigeerfordernisse, Antragspflicht, fehlende Ablaufhemmung) genau die eigentlich zu vermeidende Doppelbesteuerung verursachen wird. 3.27 Im Transaktionsalltag – und dies bedeutet: bei jedem Share Deal, bei dem mind. 90 % der Anteile übergehen und eine Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar betroffen ist – muss seit Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG umso genauer auf eine vollständige und fristgerechte Anzeigeerstattung bei Signing und Closing geachtet werden, um Doppelbesteuerungs- und Haftungsrisiken zu entgehen. II. Zurechnung von Grundstücken – Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? 1. Zurechnung von Grundstücken in zeitlicher Hinsicht

3.28 Die sog. grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG enthalten alle die gemeinsame Voraussetzung, dass der betreffenden Gesellschaft im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung ein Grundstück „gehören“ muss. Nur dann kann der Gesellschafterwechsel die Steuer auslösen. 3.29 In mehreren Urteilen, in denen jeweils über die Zurechnung in zeitlicher Hinsicht zu entscheiden war, hat der BFH den Grundsatz entwickelt, dass es nicht auf das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum, sondern auf eine spezifisch grunderwerbsteuerliche Zurechnung ankommt. So gehört ein Grundstück einer Gesellschaft bereits dann, wenn sie über das Grundstück einen Kaufvertrag und damit einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG abgeschlossen hat, und nicht erst wenn sie Eigentümerin geworden ist.14 Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück bereits dann nicht mehr der Gesellschaft, wenn sie zwar noch Eigentümerin ist, aber das Grundstück bereits im Rahmen eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 GrEStG ver-

14 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292.

176 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.31 Kap. 3

kauft hat.15 Sofern der Erwerb des Grundstücks unter einer aufschiebenden Bedingung gem. § 14 GrEStG steht, ist der Gesellschaft das Grundstück erst zuzurechnen, wenn die aufschiebende Bedingung erfüllt ist.16 Beispiel 5: An der A GmbH sind seit Gründung A zu 75 % und B zu 25 % beteiligt. Im April eines Jahres erwirbt A den 25 %-Anteil von B. Im gleichen Jahr erfolgen bei der A GmbH drei Grundstückstransaktionen: – Die A GmbH schließt im Januar einen (unbedingten) Kaufvertrag über Grundstück 1 ab. Der Eigentumsübergang erfolgt durch Grundbucheintragung im Mai. – Die A GmbH schließt im Februar einen Kaufvertrag über Grundstück 2 ab, der unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Die aufschiebende Bedingung tritt im Juni ein, der Eigentumsübergang erfolgt durch Grundbucheintragung im August. – Die A GmbH verkauft im März ein Grundstück 3 (unbedingt), der Eigentumsübergang erfolgt durch Grundbucheintragung im Juli.

3.30

Der Erwerb des 25 %-Anteils des B im April führt zu einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG bei A. Für den Umfang der Anteilsvereinigung gilt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Zurechnung Folgendes: – Das Grundstück 1 ist der A GmbH im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bereits zuzurechnen, sodass dieses Grundstück Gegenstand der Anteilsvereinigung ist. Der Umstand, dass das dingliche Eigentum an dem Grundstück noch nicht übergegangen ist, steht dem nicht entgegen. – Das Grundstück 2 ist der A GmbH im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung noch nicht zuzurechnen, sodass dieses Grundstück kein Gegenstand der Anteilsvereinigung ist. Grund hierfür ist, dass das Grundstück der A GmbH erst ab der Erfüllung der aufschiebenden Bedingung „gehört“.17 Da die aufschiebende Bedingung erst im Juni eintritt, ist im April der Erwerb noch nicht verwirklicht (§ 14 Nr. 2 GrEStG) und das Grundstück der Gesellschaft im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung somit noch nicht zuzurechnen. – Das Grundstück 3 ist der A GmbH im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung nicht mehr zuzurechnen, sodass dieses Grundstück kein Gegenstand der Anteilsvereinigung ist. Der Umstand, dass die A GmbH im April noch dinglicher Eigentümer des Grundstücks ist, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass das Grundstück grunderwerbsteuerbar veräußert wurde und in der Folge der A GmbH nicht mehr für Zwecke der Ergänzungstatbestände „gehört“.

2. Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen a) Praktische Relevanz Die Zurechnungsfrage stellt sich nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern insbesondere auch in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen. Bei Gesellschafterwechseln auf einer höheren Beteiligungsebene stellt sich dann die Frage, welcher Gesellschaft in der Beteiligungskette Grundstücke grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sind. Dies ist nicht notwendigerweise die Gesellschaft, die zivilrechtlicher Eigentümer ist.

15 Vgl. BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148; v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292. 16 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402. 17 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402.

Broemel/Mörwald | 177

3.31

Kap. 3 Rz. 3.32 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.32 Von der Zurechnung hängt ab, auf welcher Beteiligungsebene die Steuer ausgelöst wird (z.B. mittelbarer § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG bei der zivilrechtlichen Grundstückseigentümerin oder unmittelbarer § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG bei der Holding, der das Grundstück zugerechnet wird). Dies wiederum entscheidet darüber, wer Steuerschuldner (§ 13 GrEStG) und anzeigepflichtige Person (§ 19 GrEStG) ist. Die durch die richtige Gesellschaft gestellte Anzeige ist wiederum essenziell, um der Anzeigepflicht des Steuerschuldners gerecht zu werden, die Voraussetzungen gem. § 16 Abs. 4a GrEStG für die Aufhebung einer etwaigen Besteuerung des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes (§ 1 Abs. 3/3a GrEStG) zu erfüllen, Verspätungszuschläge zu vermeiden und eine eventuelle spätere Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs nach § 16 GrEStG zu ermöglichen (vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG). 3.33 In den letzten Jahren kam die Diskussion auf, ob eine Mehrfachzurechnung und unter Umständen sogar eine Mehrfachbesteuerung infolge desselben Rechtsvorgangs möglich ist. Die Finanzverwaltung hat sich diese Möglichkeit in den neuen Anwendungserlassen zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG offengehalten, indem sie dort die Auffassung vertritt, es gebe kein Rangverhältnis zwischen den beiden Tatbeständen.18 Eine Mehrfachbesteuerung dürfte jedoch nicht in Einklang mit der neueren Rechtsprechung stehen (dazu nachfolgend). b) BFH-Rechtsprechung zur Grundstückszurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen

3.34 Die 2022 veröffentlichte Entscheidung des BFH im Verfahren II R 44/1819 hat Klarheit für einige der offenen Fragen geschaffen und zeichnet eine Zurechnungsdogmatik vor, die durch die Entscheidungen in den Verfahren II R 33/2020 und II 40/2021 noch weiterentwickelt wurde. Aufgrund ihrer hohen praktischen Bedeutung wird die Entscheidung II R 44/18 im Folgenden näher dargestellt und diskutiert. 3.35 Vereinfachter Urteilssachverhalt II R 44/18: Die X AG erwarb im Jahr 2000 ein inländisches Grundstück. Zu diesen Zeitpunkt war die B KG (Klägerin) zu 99,97 % an der X AG beteiligt. Im Jahr 2002 stockte die B KG ihre Beteiligung auf 100 % auf. Am Vermögen der B KG war die A KG zu 100 % beteiligt. Einziger und allein am Gesellschaftsvermögen der A KG beteiligter Kommanditist war A. Im Jahr 2011 übertrug A seinen Kommanditanteil an der A KG auf die luxemburgische Personengesellschaft A-S.e.c.s., an der A zu 100 % beteiligt war. 2013 veräußerte die B KG einen 5,1 %-Anteil an der X AG an eine andere (Konzern-)Gesellschaft. Ebenfalls 2013 wurde die A KG in eine KGaA formgewechselt.

18 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 7. Kritisch Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1690). 19 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375. 20 BFH v. 14.12.2022 – II R 33/20, IStR 2023, 331. 21 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700.

178 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.35 Kap. 3

2002

2011

2013

A

A

A

100 %

100 %

A S.e.c.s. 100 %

100 %

A S.e.c.s. 100 %

100 %

A KGaA A KG 100 %

B KG 100 % X AG

A KG 100 %

B KG 100 % X AG

100 %

B S.à.r.l.

B KG 94,9 %

5,1 %

X AG

Abb. 2 Das Finanzamt behandelte die Anteilsübertragung im Jahr 2011 als steuerbaren Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der B KG, da es von einer Zurechnung der Grundstücke der X AG zur B KG ausging. Der Vorgang war zunächst nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerbefreit. Infolge der Anteilsübertragung und des Formwechsels 2013 wurde die Steuerbefreiung rückwirkend nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG versagt, so dass der Vorgang aus 2011 voll steuerpflichtig wurde. Das vorinstanzliche Finanzgericht München verneinte einen steuerbaren Vorgang auf Ebene der B KG. Die Grundstücke der X AG seien der Klägerin mangels vorherigen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen. Allein die Stellung der Klägerin als Gründungsgesellschafterin der X AG (i.H.v. 99,97 %) reiche für eine Zurechnung der Grundstücke der X AG nicht aus. Der Erwerb der Grundstücke durch die X AG führe nicht automatisch zu einem grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerb durch die Klägerin.22

22 FG München, Urt. v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, EFG 2019, 65.

Broemel/Mörwald | 179

Kap. 3 Rz. 3.36 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.36 Die zentrale materielle Rechtsfrage im oben dargestellten Fall war, ob einer Personengesellschaft (hier B KG) die Grundstücke einer Kapitalgesellschaft (hier: X AG) allein aufgrund einer bestehenden 100 %-Beteiligung zuzurechnen sind, oder ob hierfür erforderlich ist, dass sie die Anteile im Rahmen eines grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs erworben hat. 3.37 Der BFH entschied im letztgenannten Sinne und verneinte einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG, denn der B KG sei das Grundstück der X AG nicht zuzurechnen gewesen. Ein Grundstück der Untergesellschaft sei der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führe nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stelle selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.23 3.38 Zur Begründung verweist der BFH auf seine bisherige Rechtsprechung zum „zeitlichen Gehören“. Danach „gehört“ ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.24 Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war.25 Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.26 3.39 Die entscheidende neue Aussage findet sich in Rz. 25 des Urteils: „Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.“27 Damit wird bestätigt, dass die bisherige Rechtsprechung, die zu Fragen der Zurechnung im zeitlichen Ablauf ergangen war, auch auf die Dimension vertikaler Beteiligungsstrukturen zu übertragen ist. 3.40 Die Übertragung der Aussage „Ein Grundstück gehört nicht mehr der Gesellschaft, wenn es Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war“ auf die Fallkonstellation einer mehrstufigen Beteiligung bedeutet offensichtlich, dass es nach der BFH-Rechtsprechung möglich ist, dass dem zivilrechtlichen Eigen23 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 25. 24 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18 m.w.N. 25 BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BStBl. II 2012, 292 Rz. 12; v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18 m.w.N. 26 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 24. 27 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 25.

180 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.43 Kap. 3

tümer eines Grundstücks dieses Grundstück grunderwerbsteuerlich nicht mehr zuzurechnen ist. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass nach Ansicht des BFH auch ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbarer Vorgang dazu führt, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer der Grundbesitz nicht mehr zuzurechnen ist. Denn bei der grunderwerbsteuerbaren Begründung der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG ändert sich der zivilrechtliche Eigentümer des Grundstücks nicht. Gleichwohl befürwortet der BFH, dass in diesem Fall dem zivilrechtlichen Eigentümer nicht mehr das Grundstück zuzurechnen ist.28 Dies wurde in dem Verfahren II R 40/20, welches die Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand betraf, ausdrücklich bestätigt.29

3.41

Beispiel 6: Die G KG ist Eigentümerin von Grundbesitz. Die T GmbH möchte das Grundstück erwerben, sie möchte jedoch nicht, dass der Erwerb nach außen erkennbar wird. Daher vereinbart die G KG mit der T GmbH, dass die G KG ein Entgelt für das Grundstück erhält, und zukünftig das Grundstück treuhänderisch für die T GmbH hält. Das zivilrechtliche Eigentum geht mithin nicht auf die T GmbH über. Gleichwohl wird bei diesem Vorgang regelmäßig eine Verwertungsbefugnis der T GmbH an dem Grundbesitz begründet, sodass Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst wird.30 Nach der Rechtsprechung des BFH führt dieser steuerbare Vorgang dazu, dass der Grundbesitz der G KG für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mehr zuzurechnen ist, obwohl die G KG zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks bleibt.31 Die Finanzverwaltung vertritt in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a/2b GrEStG hingegen bisher, dass das Grundstück weiterhin (auch) der G KG zuzurechnen ist.32

3.42

Die im Urteil II R 50/00 des BFH aus dem Jahr 200333 enthaltene Aussage, dass dem Grunderwerbsteuergesetz nicht zu entnehmen sei, dass im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG eine gleichzeitige Zuordnung von Grundstücken zu mehreren Rechtsträgern ausgeschlossen sein soll,34 ist nun möglicherweise überholt. Da die Entscheidung jedoch nicht das „Gehören“ von Grundstücken betraf, sondern die Frage, ob eine unmittelbare Anteilsvereinigung steuerbar ist, wenn die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft bereits bei einem anderen Rechtsträger mittelbar vereinigt waren und vereinigt bleiben, ändert sich das Ergebnis für den Urteilsfall möglicherweise nicht.35

3.43

28 Vgl. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 25; auch bereits ableitbar aus BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358; hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1073. 29 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. 30 Vgl. hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 549. 31 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. 32 Vgl. exemplarisch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 33 BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320. 34 BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320, II.2. 35 Das Verfahren betraf eine Gesellschaft, die sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft konzernintern auf eine Schwestergesellschaft übertrug. An beiden Schwestergesellschaften war die Muttergesellschaft zu 100 % beteiligt. Der BFH führte in seinem Urteil aus, dass neben die Zuordnung des Grundstücks zur Muttergesellschaft die Zuordnung

Broemel/Mörwald | 181

Kap. 3 Rz. 3.44 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.44 Die ältere Rechtsprechung zur Zurechnung von Anteilen i.R.d. § 1 Abs. 3 GrEStG in Fällen der Anteilsverstärkung36 ist durch die neue Entscheidung nicht notwendigerweise überholt, denn die Zurechnung von Grundstücken ist von der Zurechnung von Anteilen zu unterscheiden (s. nachfolgend Rz. 3.59). 3.45 Neu gegenüber der bisherigen Rechtsprechung war in dem Verfahren 44/18, dass der BFH die Grundstückszurechnung aufgrund eines „unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden“ Erwerbsvorgangs annahm. In den vorangegangenen Entscheidungen, deren Grundsätze der BFH nun fortführt, war nur Bezug auf § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG genommen worden.37 Die praktische Bedeutung dieses Einbezugs war jedoch nicht gegeben, denn bei § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG ist die Grundstücksgesellschaft selbst die fiktive Erwerberin. Bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG kommt es daher regelmäßig nicht zu einem Wechsel der Grundstückszurechnung. Aus diesem Grund hat der BFH von dem Einbezug von § 1 Abs. 2a/2b GrEStG im nachfolgenden Verfahren II R 40/20 auch wieder ausdrücklich Abstand genommen.38 c) Praxisfragen aa) Auflösung von Tatbestandskonkurrenzen zwischen § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG

3.46 Eine der wichtigsten Folgen der BFH-Entscheidung II R 44/18 ist, dass sie der von vielen befürchteten Mehrfachzurechnung von Grundstücken und einer daraus resultierenden Mehrfachbesteuerung von Vorgängen nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG den Boden entziehen dürfte. Nach den Anwendungserlassen vom 10.5.2022 war dies zunächst für möglich gehalten worden, denn die Finanzverwaltung vertritt dort die Auffassung, dass § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig seien und kein Vorrangverhältnis zwischen den beiden Normen bestehe.39 Diese Aussage ergibt nur dann einen erkennbaren Sinn, wenn man für möglich hält, dass ein Grundstück zugleich einer PersGes. und einer KapGes. zuzurechnen sein kann. 3.47 Eine Mehrfachzurechnung dürfte mit der BFH-Rechtsprechung jedoch nicht in Einklang stehen. Aus der Zurechnungslogik in der Entscheidung II R 44/18 lässt sich ableiten, dass ein Grundstück immer nur einem Rechtsträger zurechenbar ist und

36 37 38 39

zur aufnehmenden Schwestergesellschaft trete, wenn Letztere die Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft von der abgebenden Schwestergesellschaft erwirbt. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121 und v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408. Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18 („aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs“); v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148 Rz. 11. Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 27. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 7; anders als § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG enthalten weder § 1 Abs. 2a GrEStG noch § 1 Abs. 2b GrEStG Subsidiaritätsregeln, nach der eine der beiden Normen vorrangig anzuwenden ist („soweit eine Anwendung von Abs. 2a nicht in Betracht kommt“).

182 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.49 Kap. 3

auch der zivilrechtliche Eigentümer die grunderwerbsteuerliche Zurechnung verlieren kann. Beispiel 7: Die A KG hat im Jahr 2010 alle Anteile an der grundstücksbesitzenden G GmbH erworben, wodurch Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst wurde. Im Jahr 2022 kommt es zu einer Änderung des Gesellschafterbestands der A KG im Umfang von mehr als 90 %. Es stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG bei der A KG oder § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG bei der G GmbH ausgelöst wird. Da die Finanzverwaltung kein Rangverhältnis zwischen § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG annimmt,40 stellte sich zuletzt die Frage, ob eine Besteuerung nach beiden Tatbeständen möglich ist.41

3.48

Gesellschafter Änderung 90 % innerhalb 10 Jahren

§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG?

A KG 100 % (seit 2010) G GmbH

§ 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG? (seit 2000)

Abb. 3 Lösung nach BFH II R 44/18: Aufgrund des Erwerbsvorgangs 2010 ist das Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände (nur) der A KG zuzurechnen, nicht mehr der zivilrechtlichen Eigentümerin G GmbH. Es wird daher § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf Ebene der A KG ausgelöst. § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht einschlägig, da der G GmbH für Zwecke dieses Tatbestands kein Grundstück „gehört“.

bb) Eindeutige Zurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen Auch in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen werden durch die neue BFH-Entscheidung Zurechnungsprobleme gelöst. Hier hatte sich bislang die Frage gestellt, auf welcher Ebene § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst wird (relevant für Steuerschuldnerschaft, Anzeigepflicht, Rückerwerb etc.).

40 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 7. 41 Kritisch Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1690).

Broemel/Mörwald | 183

3.49

Kap. 3 Rz. 3.50 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.50 Beispiel 8: An der B GmbH ist seit 2005 die A GmbH beteiligt. Die B GmbH hat 2010 im Rahmen eines nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Vorgangs die Anteile an der G GmbH erworben, welche seit 2010 Eigentümerin eines inländischen Grundstücks ist. Im Jahr 2022 kommt es zu einer Änderung des Gesellschafterbestands der A KG im Umfang von mehr als 90 %. Es stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG bei der A GmbH oder § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG bei der B GmbH oder § 1 Abs. 2b Sätze 4, 5 GrEStG bei der G GmbH ausgelöst wird.

Gesellschafter Änderung 90 % im Jahr 2022

§ 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG?

A GmbH 100 % (seit 2005)

§ 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG?

B GmbH 100 % (seit 2010) G GmbH

§ 1 Abs. 2b Sätze 4/5 GrEStG? (seit 2000)

Abb. 4 Lösung nach BFH II R 44/18: Aufgrund des Erwerbsvorgangs 2010 ist das Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände (nur) der B GmbH zuzurechnen, nicht mehr der zivilrechtlichen Eigentümerin G GmbH. Der A GmbH ist das Grundstück ebenfalls nicht zuzurechnen, denn die 2010 erfolgte unmittelbare Anteilsvereinigung bei der B GmbH geht der zugleich verwirklichten mittelbaren Anteilsvereinigung vor.42 Da das Grundstück (nur) der B GmbH zuzurechnen ist, wird § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG auf Ebene der B GmbH verwirklicht, die Steuerschuldnerin und anzeigepflichtige Person ist.

3.51 Für die Praxis bleibt zu beachten, dass die Finanzverwaltung die neue BFH-Rechtsprechung bislang nicht anwendet und ggf. weiterhin von anderen Grundsätzen43 und der Möglichkeit einer Mehrfachzurechnung ausgeht. Bis auf weiteres empfiehlt es sich,

42 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Anh. 10 Rz. 132; BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121 unter II.2. 43 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282 Tz. 5 (das dortige Fallbeispiel 2 impliziert eine Grundstückszurechnung zu einer Zwischengesellschaft ohne vorherigen Anteilserwerb durch diese Gesellschaft).

184 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.53 Kap. 3

vorsorglich auch die anderen in Betracht kommenden Gesellschaften in die Grunderwerbsteueranzeigen einzubeziehen. cc) Reichweite einer Nicht-Zurechnung beim zivilrechtlichen Eigentümer Wie bereits oben dargestellt, ist es nach der BFH-Rechtsprechung möglich, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer ein Grundstück grunderwerbsteuerlich für Zwecke der Ergänzungstatbestände nicht mehr zuzurechnen ist. Fraglich ist die Reichweite dieser Nicht-Zurechnung in Fällen, in denen die Anteile an einer Gesellschaft übertragen werden, deren Grundstücke grunderwerbsteuerlich nicht ihr, sondern ihrem Anteilseigner „gehören“.

3.52

Beispiel 9: A hat 2020 50 % der Anteile und 2022 die übrigen 50 % der Anteile an der G GmbH erworben. Da er bereits am 30.6.2021 an der G GmbH beteiligt war, ist er Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG.44 Es wird 2022 daher nicht § 1 Abs. 2b GrEStG, sondern § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst. Im Jahr 2023 veräußert A alle Anteile an der G GmbH an B.

3.53

A Erwerb Anteile (50 % 2020, 50 % 2022)

Veräußerung Anteile (2023)

B

100 %

G GmbH

Abb. 5 Fraglich ist, ob die Anteilsveräußerung 2023 Grunderwerbsteuer auslösen kann, denn aufgrund des vorangegangenen, unter § 1 Abs. 3 GrEStG fallenden Erwerbs durch A ist das Grundstück für Zwecke der Ergänzungstatbestände ihm und nicht mehr der G GmbH zuzurechnen. Die Veräußerung von Anteilen einer Gesellschaft, der kein Grundstück „gehört“, kann nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen. Der BFH stellte in dem Verfahren II R 40/20 heraus, dass eine Zurechnung des Grundstücks zum Gesellschafter entfällt, wenn seine Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 90 % sinkt.45 Ob allerdings der Vorgang selbst, der zum „Rückfall“ der Zurechnung führt, der Grunderwerbsteuer unterliegen kann, erscheint fraglich, denn die Zurechnung ändert sich ja gerade erst infolge dieses Vorgangs. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Finanzverwaltung derartige Fälle besteuern wollen wird, eine dogmatisch widerspruchsfreie Begründung hierfür ist derzeit aber nicht ersichtlich.

44 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.1.1. 45 Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700 Rz. 26.

Broemel/Mörwald | 185

Kap. 3 Rz. 3.54 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

dd) Widerspruch zur „Signing/Closing-Theorie“ der Finanzverwaltung

3.54 In der jüngeren Vergangenheit ist die Diskussion aufgekommen, wie bei dem Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass § 1 Abs. 2a GrEStG hinsichtlich des Zeitpunktes der Tatbestandsverwirklichung auf den dinglichen Übergang der Anteile abstellt, während § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG sowie § 1 Abs. 3a GrEStG auf das vorangehende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft abstellen.46 Die Finanzverwaltung vertritt hierzu in den neuen Anwendungserlassen zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG, dass die Tatbestände strikt zeitpunktbezogen auszulegen seien. In den Fällen, in denen also der Wechsel von 90 % der Gesellschaftsanteile auf Neugesellschafter zugleich mit einer Konzentration dieser Anteile in einer Hand einhergeht, liegen nach Verwaltungsauffassung daher zwei steuerbare Vorgänge vor: Während bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht werde, werde der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt, wenn es zum Übergang der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft komme. Signing und Closing stellen nach Ansicht der Finanzverwaltung somit zwei getrennte grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar.47 3.55 Fraglich ist, zu welchen Besteuerungsfolgen diese Auffassung unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze des BFH zur Zurechnung von Grundbesitz führt. Denn wenn der Standpunkt eingenommen wird, dass beim schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft der § 1 Abs. 3 GrEStG einschlägig ist, dürfte die Tatbestandsverwirklichung jedenfalls bei strikter Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des BFH dazu führen, dass der betroffene Grundbesitz ab diesem Zeitpunkt (nur) dem Erwerber der Anteile „gehört“. Der spätere dingliche Übergang der Anteile würde in diesem Fall keinen § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG mehr auslösen, da im Zeitpunkt des Anteilsübergangs dem zivilrechtlichen Eigentümer für Zwecke der Ergänzungstatbestände kein Grundstück mehr zuzuordnen ist. Die Vorrangregelung zugunsten der § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG in § 1 Abs. 3 GrEStG („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) würde in diesem Fall nur in Anwendungsfällen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG greifen. 3.56 Ob dieses Ergebnis jedoch vom Gesetzgeber gewollt war, erscheint zweifelhaft. Das hier aufgezeigte Problem verdeutlicht, dass die „Signing/Closing-Theorie“ der Finanzverwaltung sich nicht schlüssig in das Besteuerungssystem fügt und möglicherweise nicht aufrechtzuerhalten sein wird. ee) Beteiligungskettenverkürzungen

3.57 Fraglich ist, ob die neue Rechtsprechung zur Grundstückszuordnung für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände Auswirkungen auf die Beurteilung der Verkürzung einer Beteiligungskette hat. Dies dürfte nicht der Fall sein. 46 Vgl. hierzu u.a. auch Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870. 47 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 8.1; kritisch Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73.

186 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.59 Kap. 3 Beispiel 10: Die A GmbH ist zu 100 % an der B GmbH, die B GmbH zu 100 % an der C GmbH und die C GmbH zu 100 % an der G GmbH beteiligt. Die G GmbH erwirbt ein Grundstück. Anschließend wird die B GmbH auf die A GmbH verschmolzen, sodass sich die Beteiligungskette zur G GmbH aus Sicht der A GmbH verkürzt.

3.58

A GmbH 100 %

Verschmelzung

B GmbH 100 % C GmbH 100 % G GmbH

Abb. 6

Der BFH entschied u.a. in zwei Verfahren aus den Jahren 199348 und 199449, dass eine Anteilsverstärkung (z.B. durch Erwerb einer unmittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wenn dieser Anteil zuvor bereits mittelbar gehalten wurde) keinen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Vorgang darstellt. Unabhängig davon, welchen Grundsätzen der BFH seinerzeit zur Zuordnung von Grundstücken für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG folgte, dürfte diese Rechtsprechung weiterhin Geltung beanspruchen. Denn entscheidend für die Entscheidungen war nicht die Zurechnung des Grundstücks, sondern die Zurechnung der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft. Sind die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar, teils mittelbar in einer Hand vereinigt, und werden die mittelbar vom Alleingesellschafter gehaltenen Anteile auf diesen übertragen, also unmittelbar in seiner Hand vereinigt, löst dies bereits nach damaliger Rechtsprechung bei im Übrigen unveränderten Beteiligungsverhältnissen keine Grunderwerbsteuer aus.50 Denn wenn Anteile bereits in der Hand eines Gesellschafters (mittelbar) vereinigt sind, kann eine Anteilsvereinigung nicht nochmals durch eine Anteilsübertragung begründet werden.

48 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. 49 BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408. 50 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121, unter II. 2.

Broemel/Mörwald | 187

3.59

Kap. 3 Rz. 3.60 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.60 Anteile können unabhängig von der Zuordnung eines Grundstücks zugleich unmittelbar und mittelbar vereinigt sein. Diese Doppelzurechnung ist in § 1 Abs. 3 GrEStG bereits tatbestandlich angelegt, da unmittelbare und mittelbare Anteilsvereinigungen erfasst werden. Zwar könnten § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG vom Wortlaut her auch dahin verstanden werden, dass die unmittelbare Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand des Gesellschafters, bei dem die Anteile bisher mittelbar vereinigt waren, den Tatbestand erfüllen. Einem derartigen Verständnis der Vorschrift steht aber entgegen, dass grunderwerbsteuerrechtlich die von einer zu 100 % beherrschten Gesellschaft gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft für die Anteilsvereinigung dem Alleingesellschafter zugerechnet, die Anteile somit als in seiner Hand allein vereinigt angesehen werden. Aus diesem Grund bewirkt die unmittelbare Vereinigung aller Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft keine grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche „Verstärkung“ seiner Position in Bezug auf diese Gesellschaft.51 ff) Beteiligungskettenverlängerungen

3.61 Für die Verlängerung von Beteiligungsketten, die nach bisherigen Grundsätzen durchgängig (und oft wirtschaftlich fragwürdig) als steuerbar behandelt wurde, stellt sich die Frage, ob die neuen Zurechnungsgrundsätze zu sachgerechteren Ergebnissen führen könnten. Denn jedenfalls dann, wenn der Grundbesitz beim Obergesellschafter zuzurechnen ist, könnte auf nachgelagerten Ebenen eine Gesellschaft zwischengeschaltet werden, ohne dabei Grundstücke zu berühren. 3.62 Beispiel 11: A hat im Jahr 2020 alle Anteile an der G GmbH in seiner Hand vereinigt (§ 1 Abs. 3 GrEStG in Bezug auf die Grundstücke der G GmbH). Im Jahr 2023 bringt A die Anteile an der G GmbH in die B GmbH ein (Verlängerung der Beteiligungskette).

A Erwerb Anteile (2020)

A 100 %

G GmbH

100 % Einbringung Anteil (2023)

B GmbH 100 % G GmbH

Abb. 7 51 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121, unter II. 2.

188 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.66 Kap. 3 Nach den aus der BFH-Entscheidung II R 44/18 ableitbaren Grundsätzen ist das Grundstück nicht mehr der G GmbH, sondern (nur noch) A zuzurechnen. Fraglich ist, ob die Einbringung der Anteile an der G GmbH der GrESt nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG unterliegt, denn der G GmbH „gehört“ kein Grundstück mehr. Die Nichtsteuerbarkeit der Einbringung wäre sachgerecht, da sich die Grundstückszuordnung im Rahmen dieser bloßen Verlängerung der Beteiligungskette nicht ändert.

Es bleibt jedoch ebenso wie in dem Weiterveräußerungsfall (s. oben Beispiel 9 Rz. 3.53) abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Zurechnung in einer Sequenz mehrerer Anteilsübertragungen beurteilt und wann unter welchen Umständen ein „Rückfall“ des Grundstücks auf den zivilrechtlichen Eigentümer erfolgt.

3.63

gg) Grundstückszurechnung und Steuerbefreiungen gem. §§ 3, 5, 6 GrEStG Die Grunderwerbsteuerbefreiungen in §§ 3, 5, 6 GrEStG begünstigen Grundstücksübertragungen, sie können aber auch bei der Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes gem. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG anwendbar sein. Dabei kommt es für die Steuerbefreiung darauf an, dass der durch den Ergänzungstatbestand fingierte Grundstückserwerb in den Anwendungsbereich der jeweiligen Befreiungsnorm fällt.

3.64

So ist etwa in Fällen der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG steuerbaren Vereinigung aller Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft § 3 Nr. 6 GrEStG nicht anwendbar52, wohl aber bei einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Weiterübertragung bereits vereinigter Anteile.53 Der BFH begründet die unterschiedliche Behandlung mit den sachlichen Unterschieden zwischen einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG und einer Anteilsübertragung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG. Denn nach Ansicht des BFH besteuern § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG nicht den Erwerb der Anteile als solchen, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke und stellen den Übergang von mindestens 95 % der Anteile einem Grundstücksübergang gleich.54 Diesen Steuertatbeständen liege ein (fingierter) Grundstückserwerb von dem die Anteile übertragenden Gesellschafter zugrunde. Wegen dieser grunderwerbsteuerrechtlichen Fiktion sei die Veräußerung von bereits vereinigten Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft wie eine Veräußerung des Grundstücks selbst zu behandeln.55 Die diese Fiktion begründenden tatbestandlichen Voraussetzungen sind in den Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) nicht gegeben.56

3.65

Entsprechende Rechtsprechung existiert auch zu etwa den Grunderwerbsteuerbefreiungen gem. §§ 5, 6 GrEStG: Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG steuerbare Übertragungen von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine PersGes. fallen in den Anwendungsbereich der §§ 5, 6 GrEStG, während nach § 1 Abs. 3

3.66

52 53 54 55 56

Vgl. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. Vgl. Pahlke in Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 12 ff. Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. Vgl. BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544. Vgl. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793.

Broemel/Mörwald | 189

Kap. 3 Rz. 3.66 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Nr. 1 und 2 GrEStG steuerbare Vorgänge nicht von den Steuerbefreiungen erfasst sind.57

3.67 Die Steuerbefreiung dürfte nicht voraussetzen, dass dem die vereinigten Anteile übertragenden Rechtsträger zuvor auch das Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände zuzuordnen war. Demnach ist nicht erforderlich, dass der übertragende Rechtsträger einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand hinsichtlich der Grundstücke verwirklicht hat, damit anschließend die oben skizzierten Befreiungen in Anspruch genommen werden können. Vielmehr sollte sich an den Rechtsprechungsgrundsätzen zu den Grunderwerbsteuerbefreiungen durch die jüngeren Urteile zur Zuordnung von Grundstücken für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände nichts ändern. Denn die Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal, wem ein Grundstück für Zwecke der Ergänzungstatbestände gehört, dürfte allein auf die Anwendung der Ergänzungstatbestände selbst beschränkt sein. Dies wird auch daran deutlich, dass unabhängig davon, wem das Grundstück gehört, bei der Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (vorbehaltlich der Anwendung von § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG) § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG einschlägig ist. Diesen Steuertatbeständen liegt jedoch die Fiktion zugrunde, dass der die Anteile übertragende Rechtsträger das Grundstück selbst überträgt. In der Konsequenz ist es daher auch angezeigt, in diesem Fall die für eine Grundstücksübertragung vorgesehenen Steuerbefreiungen anzuwenden. d) Zwischenfazit zur „vertikalen Zurechnung“

3.68 Die neue BFH-Rechtsprechung hat bestätigt, dass die bisher bekannten Zurechnungsgrundsätze auch für vertikale Beteiligungsstrukturen gelten und dass es möglich ist, dass einer Gesellschaft, die Eigentümerin eines Grundstücks ist, dieses Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände nicht mehr zuzurechnen ist. Dies ermöglicht für viele Praxisfälle eine eindeutige Zuordnung eines Grundstücks und damit die Auflösung zahlreicher Tatbestands- und Zurechnungskonkurrenzen, die insbesondere seit der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG diskutiert worden waren. 3. Zurechnung für nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbare Vorgänge

3.69 Die vorskizzierten Grundsätzen zur Zurechnung von Grundstücken finden lediglich für Zwecke der Ergänzungstatbestände Anwendung, nicht jedoch bei Grundstücksübertragungen nach § 1 Abs. 1 GrEStG. 3.70 Beispiel 12: An der grundbesitzenden G GmbH sind seit Gründung die A GmbH zu 75 % und die B GmbH zu 25 % beteiligt. Im April eines Jahres erwirbt die A GmbH den 25 %-Anteil von der B GmbH. Im Juli veräußert die G GmbH ein Grundstück an einen Dritten, der Eigentumsübergang wird im Grundbuch erst im November vollzogen. Im September wird die G GmbH auf eine Schwestergesellschaft, die G2 GmbH, verschmolzen.

57 Vgl. Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 17, 56.

190 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.73 Kap. 3 Der Erwerb des 25 %-Anteils durch die A GmbH von der B GmbH führt zu einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG bei der A GmbH. Für Zwecke der Ergänzungstatbestände „gehören“ der A GmbH die Grundstücke der G GmbH. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die G GmbH durch den Grundstücksverkauf im Juli, welcher nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar ist, Grunderwerbsteuer hinsichtlich des Grundstücks auslösen kann, da § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf das zivilrechtliche Eigentum abstellt. Die Verschmelzung der G GmbH auf die G2 GmbH stellt einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang da, weil die G GmbH im Zeitpunkt der Verschmelzung noch dingliche Eigentümerin des Grundstücks ist (Grundbuchübertragung erst im November). Der Umstand, dass das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits grunderwerbsteuerbar veräußert wurde, spielt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG keine Rolle.58

III. Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise 1. Überblick a) Unmittelbare vs. mittelbare Gesellschafterwechsel Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft sind im Grundsatz den zivilrechtlichen Gesellschaftern, d.h. den Inhabern der Anteile an dieser Gesellschaft zuzurechnen. Bei „unmittelbaren“ Übertragungen von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung auf die zivilrechtlichen Gegebenheiten ab. So liegt etwa im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel einer grundbesitzenden PersGes. vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der PersGes. übergeht.59 Auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG stellt die unmittelbare Vereinigung oder Übertragung der „Anteile der Gesellschaft“ den Grundfall dar.

3.71

Über das Zivilrecht hinausgehend kennt die Grunderwerbsteuer aber auch die Kategorie des mittelbaren Gesellschafters und des mittelbaren Gesellschafterwechsels. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut aller vier Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a, 2b, 3, 3a GrEStG („unmittelbar oder mittelbar“), die allesamt ausdrücklich auch mittelbare Übertragungen von Anteilen miteinbeziehen. So kann etwa in den Anwendungsbereichen des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG auch der mittelbare Gesellschafterwechsel den Tatbestand auslösen und § 1 Abs. 3 GrEStG ist auch dann einschlägig, wenn eine Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar eintritt.

3.72

Bei mittelbaren Übertragungen von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft scheidet nach der BFH-Rechtsprechung ein Rückgriff auf das Zivilrecht aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Anteilsübertragung und keine mittelbare

3.73

58 Vgl. BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866. 59 Vgl. u.a. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. 2014 II, 266; v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963; v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783; hierzu auch gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 5.1.1.

Broemel/Mörwald | 191

Kap. 3 Rz. 3.73 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Änderung des Gesellschafterbestandes gibt.60 Vielmehr führen mittelbare Übertragungen gerade dazu, dass zivilrechtlich kein Anteil der grundbesitzenden Gesellschaft übergeht, sondern die unmittelbaren Gesellschafter ihre Anteile unverändert weiter halten. Vor diesem Hintergrund greift der BFH zur Auslegung von mittelbaren Anteilsübertragungen auch auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zurück. b) Rechtliche oder wirtschaftliche Betrachtungsweise

3.74 Beim mittelbaren Gesellschafterwechsel ist zwischen zwei unterschiedlichen Fallgruppen zu unterscheiden: – Eine mittelbare Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft kann zum einen eintreten, wenn ein Gesellschafterwechsel an einer Gesellschaft erfolgt, die an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist (mittelbarer Gesellschafterwechsel durch Anteilsübertragung). – Zum anderen hat der BFH in der jüngeren Rechtsprechung eine mittelbare Übertragung von Anteilen in einzelnen Sachverhalten auch bejaht, in denen keine zivilrechtliche Übertragung von Anteilen erfolgte. Ein mittelbarer Übergang von Anteilen kann demnach auch dann vorliegen, wenn eine Beteiligung aufgrund schuldrechtlicher Abreden aus wirtschaftlicher Perspektive einem Dritten zuzurechnen ist (mittelbare Anteilsänderung aufgrund schuldrechtlicher Abreden).

3.75 Für die Praxis ist essenziell, sich zu vergegenwärtigen, dass mittelbare Gesellschafterwechsel auch nach der zweiten Fallgruppe durch rein schuldrechtliche Vereinbarungen wie etwa Treuhandverträge eintreten können. Diese Fallgruppe wird nachfolgend näher beleuchtet. 2. Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden a) Grundsätze

3.76 Der mittelbare Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden wurde vom BFH zunächst in mehreren Urteilen zum Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG thematisiert; in den letzten Jahren wurden die gleichen Grundsätze auch für § 1 Abs. 3 GrEStG bestätigt (s. Rechtsprechungsübersicht bei Rz. 3.85). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt also tatbestandsübergreifend. 3.77 In allen Fällen zog der BFH für die Beurteilung, ob eine Beteiligung aus wirtschaftlicher Perspektive einem anderen Gesellschafter zuzurechnen ist, die Grundsätze zum wirtschaftlichen Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten“ heran.61 § 39 Abs. 2 AO sei zwar weiterhin nicht anwendbar, soweit das Grunderwerbsteuerrecht an bürgerlich-rechtliche Begriffe anknüpft.62 Ergebe die Auslegung eines im GrEStG verwendeten Merkmals jedoch, 60 Vgl. u.a. BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268 Rz. 14 zu § 1 Abs. 2a GrEStG; v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 Rz. 12 zu § 1 Abs. 3 GrEStG. 61 Vgl. BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 62 BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 17.

192 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.80 Kap. 3

dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankomme, so sei eine Zurechnung nach wirtschaftlichen Kriterien erforderlich.63 In diesen Fällen führte die Feststellung wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen der grundbesitzenden Gesellschaft mithin dazu, dass dem wirtschaftlichen Eigentümer die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar zuzurechnen waren.64 Für die Zurechnung eines Anteils nach diesen Grundsätzen müssen danach folgende Kriterien erfüllt sein:

3.78

1. Der Erwerber hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses). 2. Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben. 3. Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben sowie dem Liquidationserlös) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen. Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Bei dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung des Anteils auch anzunehmen sein, wenn die vorstehenden Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind.65

3.79

b) Rechtsprechungsübersicht Dem BFH lagen in jüngerer Zeit folgende Sachverhalte zur Entscheidung vor: Doppeloption et al.:66 Der neue Gesellschafter X erwarb von A und B unmittelbar 94,4 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer Grundstückspersonengesellschaft sowie alle Anteile an der am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligten Komplementär-GmbH. Hinsichtlich des bei B verbleibenden 5,6 %-Kommanditanteils schlossen X und B verschiedene schuldrechtliche Verträge ab, darunter eine Kaufoption des X mit gegenläufiger Verkaufsoption des B nach Ablauf von etwas mehr als fünf Jahren (sog. Doppeloption), ein Darlehen des X an B sowie die Übertragung des Gewinnstammrechts von X auf B. Des Weiteren erteilte B einem Vertreter von X eine Vollmacht, hinsichtlich des 5,6 %-Kommanditanteils alle Rechte wahrzunehmen und Erklärungen gegenüber Dritten abzugeben.

63 BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 17. 64 S. grundlegend BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 und v. 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492. 65 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I, 1314 Tz. 5.1.2. 66 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

Broemel/Mörwald | 193

3.80

Kap. 3 Rz. 3.80 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Vereinbarungstreuhand:67 Ein Immobilien-Publikumsfonds wurde in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet, wobei die Kommanditisten A und B am Gesellschaftsvermögen jeweils 2 %, die Komplementärin C-GmbH 0 % und die Kommanditistin T-GmbH 96 % übernahmen. Die T-GmbH war nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt, ihren Kommanditanteil von anfänglich 4.800 Euro durch Einlagen um ein Vielfaches bis auf über 72,5 Mio. Euro aufzustocken, was sie innerhalb der folgenden beiden Jahre auch tat. Das Kapital brachte die T-GmbH über Treuhandverträge mit Dritten auf. Nach diesen Verträgen waren die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln. Dies galt insbesondere für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben, dem Liquidationserlös sowie für die Ausübung der Stimmrechte und der Widerspruchs- und Kontrollrechte. Vollmacht:68 Alleinige Kommanditistin einer grundstücksbesitzenden GmbH & Co. KG mit einem Kapitalanteil von 100 % war die X-KG. Diese übertrug jeweils 47 %, d.h. insgesamt 94 % ihrer Kommanditbeteiligung auf die beiden Erwerber A und B. Noch vor der dinglichen Übertragung erteilte die übertragende X-KG den Erwerbern A und B eine umfassende, unbefristete, unwiderrufliche und etwaige Rechtsnachfolger bindende Vollmacht, die Gesellschafterrechte bei der Klägerin auszuüben. Insbesondere waren A und B dadurch berechtigt, das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen wahrzunehmen, die X-KG bei satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen zu vertreten und in deren Namen auf Gewinnverteilungsansprüche zu verzichten. Ferner waren die Bevollmächtigten berechtigt, den von der X-KG an der Klägerin gehaltenen Kommanditanteil zu veräußern, abzutreten, die Bedingungen der Veräußerung oder Abtretung festzulegen und ggf. auf eine Gegenleistung völlig zu verzichten.

3.81 Auf Grundlage der oben skizzierten Dogmatik entschied der BFH im sog. „Doppeloptions-Fall“, bei der dem Käufer ein Ankaufsrecht und zugleich dem Verkäufer ein Andienungsrecht zu jeweils feststehenden Konditionen eingeräumt wird, dass diese zwar dazu führen kann, dass der betroffene Anteil mittelbar dem Käufer zuzurechnen ist.69 Die Vereinbarung einer „Doppeloption“ reicht für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der Käuferseite jedoch nicht aus,70 obwohl die „Doppeloption“ dem Käufer jedenfalls eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Anteils gerichtete Rechtsposition vermittelt, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. In dem betroffenen Sachverhalt waren auch die weiteren oben aufgeführten Kriterien für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aufgrund zusätzlicher vertraglicher Vereinbarungen (Festlegung der Konditionen zum Erwerb des Anteils, sodass Risiko einer Wertminderung des Anteils und die Chance einer Wertsteigerung auf Käufer übergegangen war; Übertragung der mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte auf den Verkäufer; unwiderrufliche Vollmacht für Käufer, alle Gesellschaftsrechte des Verkäufers wahrzunehmen) in einem Maße erfüllt, dass sich der BFH für eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes ausgesprochen hatte.

67 68 69 70

BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. 2018 II, 786. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 18.

194 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.85 Kap. 3

Auch für den oben dargestellten Fall einer Vereinbarungstreuhand entschied der BFH, dass die von einem Treuhänder gehaltenen Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. dem Treugeber als mittelbarem Gesellschafter zuzurechnen sind.71 Treuhandvereinbarungen führen somit dazu, dass die vom Treugeber gehaltenen Anteile mittelbar dem Treugeber zuzurechnen sind. Die Errichtung des Treuhandverhältnisses wie auch der Wechsel der Treugeber können mithin zu einer geänderten mittelbaren Zurechnung von Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. führen.

3.82

Verneint wurde die wirtschaftliche Zurechnung hingegen in dem oben dargestellten Fall, in dem (lediglich) eine Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils eingeräumt wurde. Obwohl der Bevollmächtigte dadurch jederzeit die Übereignung der Anteile auf sich herbeiführen konnte, reichte die Vereinbarung nach Auffassung des BFH nicht für die Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a GrEStG aus. Denn bei der Vereinbarung einer derartigen Vollmacht gingen die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z.B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten über.72 In ähnlichem Sinne entschied der BFH auch für den Fall einer Vollmacht im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG.73

3.83

In der neueren BFH-Rechtsprechung wurde § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG herangezogen.74 Im Entscheidungsfall waren treuhänderisch gehaltene GbR-Anteile zunächst an den Treugeber herausgegeben worden und wurden später von der früheren Treuhänder-GmbH zurückerworben. Da der Gesellschafter der Treuhänder-GmbH die übrigen Anteile an der GbR hielt, führte der Rückerwerb bei ihm zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der BFH verweigerte jedoch die Steuerbefreiung des Rückerwerbs nach § 16 GrEStG, da es sich um eine erstmalige Anteilsvereinigung handle; d.h. der Gesellschafter der Treuhänder-GmbH habe vorher aufgrund der Treuhandvereinbarung keine Sachherrschaft über die treuhänderisch gehaltenen Anteile gehabt.75 Es wird also eine „negative Zurechnung“ dahingehend vorgenommen, dass der Gesellschafter des Treuhänders für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als Anteilsinhaber anzusehen ist.

3.84

In der nachfolgenden Tabelle werden die wesentlichen Entscheidungen zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Bereich der Ergänzungstatbestände zusammengefasst.

3.85

71 72 73 74 75

BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. Vgl. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786. BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. BFH, Beschl. v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 = juris Rz. 16.

Broemel/Mörwald | 195

Kap. 3 Rz. 3.85 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Entscheidung

Kernaussage

BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833

Tatbestandsmerkmal „mittelbare“ Änderung im Gesellschafterbestand bei § 1 Abs. 2a GrEStG nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen

BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57

Mittelbarer Anteilsübergang auf neuen Gesellschafter nach § 1 Abs. 2a GrEStG allein durch schuldrechtliche Vereinbarungen (hier: Doppeloption, Darlehen, Übertragung Gewinnstammrecht)

BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783

Mittelbarer Anteilsübergang auf neuen Gesellschafter nach § 1 Abs. 2a GrEStG allein durch schuldrechtliche Vereinbarungen (hier: Vereinbarungstreuhand)

BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786

Umfassende, unbefristete und unwiderrufliche Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Anteils für Anteilsübergang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG allein nicht ausreichend

BFH v. 22.1.2019 – II B Wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auch 98/17, BFH/NV 2019, 412 im Bereich des § 1 Abs. 3 GrEStG möglich; Treuhandverhältnis kann Zurechnung zum zivilrechtlichen Eigentümer verhindern („negative Zurechnung“) BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511

Nießbrauch und unbefristete Vollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte für Anteilszurechnung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG allein nicht ausreichend

3.86 In der Zukunft könnten weitere Fallgruppen hinzutreten. Die Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt.76 c) Keine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Gunsten des Steuerpflichtigen

3.87 Die wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wird von der Rechtsprechung und Verwaltung bislang ausschließlich zu Lasten des Steuerpflichtigen angewandt, er kann sich nicht zu seinen Gunsten auf sie berufen.77 3.88 Dies zeigt sich anschaulich am Beispiel der Treuhandverhältnisse: Überträgt ein Gesellschafter seinen Anteil an einer Grundstückspersonengesellschaft auf einen Treuhänder, ist dies im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG relevant, weil der Treuhänder als neuer Gesellschafter angesehen wird, das beim bisherigen Gesellschafter verbleibende wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO jedoch nach bisheriger Rechtsprechung als unbeachtlich gilt.78 Wechselt der Treuhänder, bleibt das unverändert

76 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 17; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 846. 77 Kritisch Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021, S. 161 f. und 288 ff. 78 Vgl. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/ NV 2006, 1341; v. 12.11.2004 – II B 5/04, BFH/NV 2005, 381; v. 12.11.2004 – II B 5/04, BFH/NV 2005, 381; v. 29.9.2004 – II B 162/03, BFH/NV 2005, 72.

196 | Broemel/Mörwald

A. Übergreifende Grundlagen | Rz. 3.90 Kap. 3

bestehende wirtschaftliche Eigentum des Treugebers – jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung79 – ebenso unberücksichtigt80 wie beim Rückerwerb des zivilrechtlichen Eigentums durch den Treugeber.81 Jeder einzelne Vorgang wird als Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG behandelt und kann Grunderwerbsteuer auslösen. Die wirtschaftlich unveränderte Position des Treugebers findet auch im Rahmen der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG keine Berücksichtigung.82 Umgekehrt muss jedoch nach der neuen BFH-Rechtsprechung derjenige, der aufgrund bloßer schuldrechtlicher Vereinbarung zum Treugeber wird, gegen sich gelten lassen, dass er wirtschaftliches Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erworben hat.83 Der oben skizzierte Wertungswiderspruch wird damit gerechtfertigt, dass beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel ausschließlich die zivilrechtlichen Verhältnisse (hier: unmittelbare Gesellschafterstellung des Treuhänders) als maßgebend erachtet werden, während der Anwendungsbereich der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausschließlich beim mittelbaren Gesellschafterwechsel eröffnet ist.84 In dogmatischer Hinsicht könnte hierbei die kritische Frage gestellt werden, ob der schuldrechtlich induzierte Gesellschafterwechsel überhaupt auf „mittelbarer“ Ebene stattfindet, denn tatsächlich wird hier die Rechtsposition des unmittelbaren Gesellschafters berührt: Der unmittelbar beteiligte Altgesellschafter wird „entrechtet“; er gibt seine Stellung in wirtschaftlicher Hinsicht auf und sein schuldrechtlicher Vertragspartner tritt an seine Stelle. Dieser Übertragungsvorgang vollzieht sich nicht auf mittelbarer, sondern auf unmittelbarer Gesellschafterebene.85 Nach der Rechtsprechung liegt jedoch ein mittelbarer Gesellschafterwechsel auch bei schuldrechtlichen Vereinbarungen auf unmittelbarer Gesellschafterebene vor. Dies sollten sich Rechtsanwender bei der Fallbeurteilung in der Praxis stets vor Augen führen.

3.89

d) Verdoppelung der Gesellschafterstellung aufgrund wirtschaftlicher Zurechnung Von besonderer Relevanz ist die Frage, ob die wirtschaftliche Zurechnung einer mittelbaren Gesellschafterstellung zu einer „Verdoppelung“ der mittelbaren Gesellschafter führt, oder ob die Beteiligung des gesellschaftsrechtlich mittelbar beteiligten Gesellschafters hierdurch für grunderwerbsteuerliche Zwecke verdrängt wird.

79 Inwieweit die neuen Rechtsprechungsgrundsätze zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO in Zukunft zu einer Änderung der Treuhandrechtsprechung führen könnten, bleibt abzuwarten. 80 Vgl. BFH v. 3.4.1974 – II 186/65, BStBl. II 1974, 643. 81 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. Der Rückerwerb durch den Treugeber kann allerdings ggf. durch § 16 Abs. 2 oder § 3 Nr. 8 GrEStG von der Steuer befreit werden. 82 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFH/NV 2022, 999; v. 8.8.2000 – II B 134/99, BFH/ NV 2001, 66; v. 14.12.1988 – II B 134/88, BFH/NV 1990, 59; v. 23.10.1974 – II R 87/73, BStBl. II 1975, 152. 83 BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 84 Vgl. z.B. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 18. 85 Vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021, S. 160.

Broemel/Mörwald | 197

3.90

Kap. 3 Rz. 3.91 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.91 Beispiel 13: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G-GbR sind von Anfang an A sowie die B GmbH jeweils zur Hälfte beteiligt. Sämtliche Geschäftsanteile der B GmbH werden seit langer Zeit von B gehalten. Im Jahr 1 vereinbart die B GmbH mit C, dass sie ihren Anteil fortan treuhänderisch für C hält. Im Jahr 4 wird das Treuhandverhältnis wieder beendet.

B 100 % A

Treuhand (Begründung Jahr 01, Ende Jahr 04)

B GmbH 50 %

C

50 %

G GbR

Abb. 8 C ist als Treugeber mittelbarer (Neu-) Gesellschafter der G-GbR.86 Es stellt sich die Frage, ob auch B als Gesellschafter des Treuhänders weiterhin mittelbarer (Alt-)Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG bleibt, und ob die Aufhebung des Treuhandverhältnisses zu einem im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigenden Gesellschafterwechsel führt.

3.92 Der BFH hat in seiner Entscheidung II B 98/17 zu § 1 Abs. 3 i.V.m. § 16 GrEStG eine „negative Zurechnung“ dahingehend vorgenommen, dass eine Anteilsvereinigung in den Händen des Gesellschafters des Treuhänders nicht vorliegt; aufgrund des Treuhandverhältnisses habe dieser nicht die für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG erforderliche Sachherrschaft über die Gesellschaftsanteile.87 Hieraus könnte man auf den Gedanken kommen, dass grunderwerbsteuerlich immer nur eine Person – entweder der Treugeber oder der Gesellschafter des Treuhänders – Gesellschafter sein kann. Dies würde dem ertragsteuerlichen Verständnis des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO entsprechen, wonach die Zurechnung exklusiv zum wirtschaftlichen Eigentümer erfolgt.

86 BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 87 BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 Rz. 16.

198 | Broemel/Mörwald

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.94 Kap. 3

In sämtlichen der neuen BFH-Entscheidungen wurde jedoch betont, dass die Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nur „unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten“ erfolgen kann.88 Zu diesen Besonderheiten gehört es, dass im Grunderwerbsteuerrecht – anders als im Ertragsteuerrecht – keine Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums gilt, sondern die wirtschaftliche Zurechnung allenfalls ergänzend als zusätzliche Fallgruppe an die Seite der zivilrechtlich definierten Tatbestände treten kann. Die Zurechnung von Gesellschaftsanteilen zu mehreren Personen ist in der Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG bereits angelegt, denn bereits durch die parallele Erfassung unmittelbarer und mittelbarer Gesellschafterwechsel wird eine mehrfache Zurechnung desselben Anteils vorgenommen. Dies spricht dafür, das obige Beispiel 13 (Rz. 3.91) so zu lösen, dass sowohl der Treugeber als auch der Gesellschafter der Treuhänder-GmbH jeweils mittelbare Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG sind. Da B ununterbrochen mittelbarer Gesellschafter der G GbR geblieben ist, ist dann die Folgefrage, ob die Auflösung des Treuhandverhältnisses zu einer zu berücksichtigenden Änderung im Gesellschafterbestand führt, nach hier vertretener Auffassung zu verneinen.

3.93

e) Anteilsminderung i.S.d. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch schuldrechtliche Vereinbarungen Die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei den Ergänzungstatbeständen strahlt auch auf die Steuerbefreiungstatbestände aus. Nach neuerer BFH-Rechtsprechung kann eine Anteilsminderung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch durch „anderweitige Vereinbarungen“ erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils kommt.89 Diese Grundsätze dürften gleichermaßen für die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG gelten.

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften Literatur: Behrens, Strittige Fragen bei § 6a GrEStG – Anmerkungen zum gleich lautenden Ländererlass vom 01.12.2010 (BStBl. I 2010, S. 1300), Ubg 2010, 845; Behrens/Klinger, Verhältnis der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG zueinander, DStR 2021, 2870; Behrens, Kommentar zu BFH, Urteil v. 30.8.2017, II R 39/15, BB 2018, 232; Behrens/Daka/Seemaier, Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG: Gehören inländische Tochtergesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Ober-Gesellschaft?, UVR 2020, 145; Behrens/Hofmann, Geltung des Fünf-Jahres-Zeitraums bei mittelbaren Anteilsübergängen i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2019, 105; Behrens, Anmerkungen zu den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BB 2019, 30; Behrens, Besteuert § 1

88 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 17; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783 Rz. 18; v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 Rz. 14. 89 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl II 2022, 521.

Broemel/Mörwald und Broemel | 199

3.94

Kap. 3 Rz. 3.94 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Abs. 2a GrEStG den Übergang des unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft bestehenden Anteils auf den bisher nur wirtschaftlichen Eigentümer dieses Anteils? – zugleich Anmerkungen zu FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 28.12.2016 – 3 K 172/16, UVR 2017, 315; Behrens/Bock, Beteiligungsketten-Verkürzungen und -Verlängerungen als Vorgänge nach § 1 Abs. 2a GrEStG, DStR 2012, 1307; Behrens/Halaczinsky, Steueränderungsgesetz 2015: Änderungen bei der GrESt, der ErbSt sowie bei der Bewertung, UVR 2015, 371; Behrens/Schmitt, Zur Auslegung des Begriffs „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2005, 378; Behrens/Schmitt, Treuhandverhältnisse in Bezug auf Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften und § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2009, 240; Behrens, Teleologische Redaktion von § 5 Abs. 3 GrEStG, DStR 2016, 518; Broemel/Lange, Der neue Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG – Änderungen, Implikationen und offene Fragen, DStR 2019, 185; Broemel/ Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelungen der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offene Fragen, DStR 2021, 2383; Broemel/Tigges, Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei den grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbeständen, DStR 2020, 2342; Broemel/Mörwald, Die neuen Anwendungserlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG: Neuerungen, Folgen und offene Fragen, DStR 2022, 1689; Brühl/Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Brühl, Anmerkung zu einer Entscheidung des FG München, Urteil vom 24. Oktober 2018 (4 K 1101/15) – Zur Zurechnung von Grundstücken an eine Obergesellschaft, GmbHR 2019, 199; Fleischer/Keul, Jüngste Erlasse zu Share Deals in der Grunderwerbsteuer, Stbg 2019, 104; Hartrott/SchmidtGorbach, Keine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Begründung von Treuhandverhältnissen – Zum Urteil des FG München vom 18.2.2014 unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH, DStR 2014, 1213; Joisten, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG, DStZ 2016, 272; Joisten, Wirtschaftliches Eigentum, Treuhandverhältnisse und die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG – zugleich Anmerkungen zu FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 28.12.2016 – 3 K 172/16 (Az. des BFH: II R 3/17), Ubg 2017, 312; Jorde/Trinkaus, § 6a GrEStG – Steuervergünstigung bei Konzernrestrukturierungen nur im Ausnahmefall – Anmerkungen zum Anwendungserlass vom 19.06.2012, Ubg 2012, 649; Lange/Broemel, Zweifelsfragen zum mittelbaren Gesellschafterwechsel in § 1 Abs. 2a GrEStG, DStR 2017, 360; Lange/Broemel, Übertragungen zwischen Altgesellschaftern i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG – Führt die Rechtsprechung des BFH zum mittelbaren Gesellschafterwechsel zu einer neuen Sichtweise?, DStR 2017, 1625; Mayer/Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Schanko, § 1 Abs. 2a GrEStG: Auswirkung des sukzessiven Anteilseignerwechsels bei einer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften auf die Fünfjahresfrist, UVR 2017, 126; Viskorf, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück?, DStR 2021, 74; Vogel, Die Änderungen bei der Grunderwerbsteuer durch das Steueränderungsgesetz 2015, StuB 2016, 98; Wischott/Graessner, Zweifelsfragen im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem Hintergrund der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018, Ubg 2019, 84.

I. Überblick über die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2a GrEStG

3.95 § 1 Abs. 2a GrEStG besteuert Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden PersGes. Der Tatbestand wird vereinfacht ausgelöst, wenn bei einer PersGes. mit inländischem Grundbesitz innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der PersGes. auf neue Gesellschafter übergehen. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang vorliegt, ist mithin die Bestimmung des Umfangs, in dem sich ein Gesellschafterwechsel zuguns-

200 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.99 Kap. 3

ten von Neugesellschaftern ergeben hat (im Folgenden auch „Zählquote“). Änderungen des Gesellschafterbestandes können dabei sowohl unmittelbar als auch mittelbar erfolgen. Der Tatbestand kann auch durch eine Kombination von unmittelbaren und mittelbaren Übertragungsvorgängen verwirklicht werden.90 Der Tatbestand wird durch den Vorgang ausgelöst, durch den die schädliche Zählquote i.H.v. 90 % erreicht wird. Bedeutungslos für den Tatbestand ist, ob der Gesellschafterwechsel zu einer Konzentration von Anteilen bei einem Gesellschafter führt. Bei einer Konzentration von Anteilen an einer grundbesitzenden PersGes. kann indes neben § 1 Abs. 2a GrEStG auch § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG anwendbar sein (zu § 1 Abs. 3/3a GrEStG s. auch Rz. 3.733; zur Rangfolge zwischen § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3/3a GrEStG s. Rz. 3.4 ff.; zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten bei einem Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG, bei dem zugleich auch eine Konzentration von 90 % der Anteile in einer Hand erfolgen s. Rz. 3.11 ff. und 3.325 ff.).

3.96

Die Vorschrift fingiert die Übereignung des Grundbesitzes der betroffenen PersGes. auf eine fiktiv „neue“ PersGes., obwohl zivilrechtlich kein Rechtsträgerwechsel vorliegt.91

3.97

Beispiel 14: Grundfall des § 1 Abs. 2a GrEStG An der grundbesitzenden Gesellschaft G OHG sind A zu 50 %, B zu 30 % und C zu 20 % beteiligt. A überträgt seinen 50 %-Anteil im Jahr 1 an D. B verkauft seinen 30 %-Anteil im Jahr 3 an E. C verkauft einen Anteil i.H.v. 15 % im Jahr 6 an den F.

3.98

Durch die Übertragung des 50 %-Anteils durch A und die Übertragung des 30 %-Anteils durch B auf jeweils einen neuen Gesellschafter werden 80 % der Anteile auf einen Neugesellschafter übertragen. Dies löst noch keine Besteuerung gem. § 1 Abs. 2a GrEStG aus. Mit der Übertragung des 15 %-Anteils von C sind allerdings innerhalb von 10 Jahren (hier: 6 Jahren) mindestens 90 % (hier 95 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wird ausgelöst. In der Fiktion geht der Grundbesitz von der alten G OHG auf eine fiktiv neue G OHG über.

II. Betroffene Gesellschaften, Grundstücke und Anteile 1. Personengesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG Vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG sind lediglich grundbesitzende „PersGes.“ erfasst. PersGes. i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG sind insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft (einschließlich der GmbH & Co. KG) und die Partnerschaftsgesellschaft.92 Auch die EWIV als Handelsgesellschaft i.S.d. HGB und die sog. unechte Vorgesellschaft (eine als KapGes. gegründete Gesellschaft, wenn die Gründer von vornherein

90 Vgl. Vogel, StuB 2016, 99. 91 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 1. 92 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 2.

Broemel | 201

3.99

Kap. 3 Rz. 3.99 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

nicht die Eintragung als KapGes. beabsichtigen) sind von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst.93 Ausländische PersGes., deren rechtliche Struktur den inländischen PersGes. entspricht, werden von der Vorschrift erfasst.94 Irrelevant für die Einordnung ist, ob die PersGes. vermögensverwaltend oder gewerblich tätig ist.95 Selbst eine fehlerhafte PersGes. fällt in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG, solange sie zivilrechtlich wirksam ist.96 Keine PersGes. i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist hingegen die Erbengemeinschaft.97 Unabhängig davon, ob eine PersGes. zur ertragsteuerlichen Besteuerung als KapGes. gem. § 1a KStG optiert hat, gilt sie als eine PersGes. gem. § 1 Abs. 2a GrEStG.98 2. Grundstücksbezogene Betrachtungsweise

3.100 § 1 Abs. 2a GrEStG betrifft inländische Grundstücke. Was ein inländisches Grundstück ist, wird in § 2 GrEStG bestimmt. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG ist dabei grundstücksbezogen zu verstehen. Dies bedeutet, dass für jedes einzelne Grundstück, das einer PersGes. zuzuordnen ist, isoliert zu prüfen ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG hinsichtlich des betroffenen Grundstücks erfüllt sind. Bei einem steuerbaren Vorgang liegt für jedes betroffene Grundstück ein eigenständiger Steuerfall vor.99 Dieser Umstand ist insbesondere dann relevant, wenn der Grundbesitz der PersGes. zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben wurde und daher der maßgebliche Betrachtungszeitraum von 10 Jahren für die einzelnen Grundstücke individuell zu bestimmen ist. Ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang ist nur dann gegeben, wenn das betroffene Grundstück während des gesamten Zeitraumes, in dem sich der relevante Gesellschafterwechsel vollzogen hat, zum Vermögen der grundbesitzenden PersGes. gehörte.100 3.101 Beispiel 15: Grundstücksbezogene Betrachtungsweise Die G KG wird zu 30 % von A und zu 70 % von B gehalten. Im Jahr 1 erwirbt die Gesellschaft die Grundstücke G1 und G2 und im Jahr 4 das Grundstück G3. Das Grundstück G2 wird im Jahr 6 wieder veräußert. Im Jahr 3 verkauft A seinen Anteil an C. Im Jahr 7 verkauft B seinen Anteil an D.

93 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 311; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 749. 94 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 2; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 313. 95 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 97; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 749. 96 Vgl. BFH v. 20.10.2004 – II R 54/02, BStBl. II 2005, 299; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 749. 97 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 749. 98 Vgl. Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617. 99 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 329; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 99. 100 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3.

202 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.102 Kap. 3

C

Jahr 3

A

B

Jahr 7

D

70 %

30 %

G KG

G1 Erwerb Jahr 1

G2 Erwerb Jahr 1 Verkauf Jahr 6

G3 Erwerb Jahr 4

Abb. 9 Für die Grundstücke G1, G2 und G3 ist die Tatbestandserfüllung des § 1 Abs. 2a GrEStG jeweils getrennt zu beurteilen. Der Gesellschafterwechsel vollzieht sich in den Jahren 3 (A auf C) und 7 (B auf D): Im Jahr 3 gehört Grundstück G3 noch nicht der G KG, sodass dieser Gesellschafterwechsel für das Grundstück noch nicht relevant ist. Gleichermaßen ist das Grundstück G2 bereits im Jahr 6 wieder durch Veräußerung aus der Gesellschaft ausgeschieden, sodass der Gesellschafterwechsel im Jahr 7 keine Relevanz für dieses Grundstück hat. Für das Grundstück G1 sind jedoch die Gesellschafterwechsel in den Jahren 3 und 7 relevant, da das Grundstück zu dieser Zeit zur G KG gehörte. Aufgrund des Übergangs von 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter wird in Bezug auf das Grundstück G1 im Jahr 7 nach § 1 Abs. 2a GrEStG Grunderwerbsteuer ausgelöst.

3. Zurechnung von Grundbesitz für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG Zum Vermögen einer PersGes. gehören die Grundstücke, die der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Unerheblich ist das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung.101 Die Finanzverwaltung vertritt im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG die Auffassung, dass einer Gesellschaft ein Grundstück gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.102 Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG war.103 Die Finanzverwal-

101 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 102 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 103 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 4.

Broemel | 203

3.102

Kap. 3 Rz. 3.102 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

tung gibt in diesem Zusammenhang nahezu exakt die Rechtsprechung des BFH wieder.104 In der Literatur wird diese Auffassung ebenfalls vertreten.105

3.103 Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des BFH auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft sei der Obergesellschaft nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft es selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben habe. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führe nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften.106 3.104 Abweichend von der BFH-Rechtsprechung rechtfertigt nach Verwaltungsauffassung ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang offenkundig aber nicht, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer der Grundbesitz nicht mehr zuzurechnen ist. Denn im Erlass stellt die Finanzverwaltung fest, dass Grundstücke im Eigentum der PersGes., an denen sie einem anderen die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt hat, zu ihrem Vermögen gehören.107 3.105 Der BFH hat hingegen für den Fall, dass eine Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt wird, entschieden, dass die Einräumung der Verwertungsbefugnis dazu führt, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer das Grundstück nicht mehr für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände zuzurechnen ist. Stattdessen ist das Grundstück in diesem Fall dem Dritten für Zwecke der Ergänzungstatbestände zuzurechnen.108 Auch zuvor führte der BFH in mehreren Urteilsbegründungen an, dass auch ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang rechtfertige, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer das Grundstück nicht mehr für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände zuzurechnen ist.109 3.106 Beispiel 16: Grundstückszurechnung bei Einräumung einer Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG Die T GmbH möchte das Grundstück der grundbesitzenden G KG erwerben, sie möchte jedoch nicht, dass der Erwerb nach außen erkennbar wird. Daher vereinbart die T GmbH mit der G KG, dass die G KG das Grundstück erwirbt und ein Entgelt für das Grundstück erhält, und zukünftig das Grundstück treuhänderisch für die T GmbH hält. Das zivilrechtliche Ei104 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375. 105 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 889; Viskorf, DStR 2021, 74; kritisch und a.A. hinsichtlich einer Zurechnung von Grundstücken auf Grundlagen von § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG hingegen Behrens/Daka/Seemaier, UVR 2020, 145; Behrens in Behrens/ Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 331. 106 Vgl. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 25. 107 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 108 Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700; v. 14.12.2022 – II R 33/20, IStR 2023, 331. 109 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375; hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1073.

204 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.108 Kap. 3 gentum geht mithin nicht auf die T GmbH über. Gleichwohl wird bei diesem Vorgang regelmäßig eine Verwertungsbefugnis der T GmbH an dem Grundbesitz begründet, sodass Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG ausgelöst wird.110 Nach Rechtsprechung dürfte dieser steuerbare Vorgang dazu führen, dass der Grundbesitz der G KG für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mehr zuzurechnen ist, obwohl die G KG zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks bleibt.111 Die Finanzverwaltung vertritt im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG hingegen, dass das Grundstück weiterhin (auch) der G KG zuzurechnen ist.112

Nach Ansicht des BFH dürfte ein Grundstück für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG (und der weiteren Ergänzungstatbestände) somit stets eindeutig einer (einzigen) Gesellschaft zuzuordnen sein. Ob die Finanzverwaltung diese Auffassung einer alleinigen Zuordnung ebenfalls vertritt, ist hingegen fraglich. Dies wird zum einen daran deutlich, dass sie bei nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Vorgängen abweichend vom BFH vertritt, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer das Grundstück weiter zuzuordnen ist, aber zugleich demjenigen, der die Verwertungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 GrEStG erhält, das Grundstück (ebenfalls) zuspricht.113 Zum anderen vertritt die Finanzverwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG die Auffassung, dass § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig seien und kein Vorrangverhältnis zwischen den beiden Normen bestehe.114 Diese Feststellung der Finanzverwaltung ergibt jedoch nur dann einen erkennbaren Sinn, wenn man für möglich hält, dass ein Grundstück zugleich einer PersGes. und einer KapGes. zuzurechnen sein kann. Denn nur in diesem Fall ist eine Besteuerungssituation denkbar, in der in Bezug auf ein Grundstück sowohl die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG als auch des § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommen.115 Sollte die Finanzverwaltung tatsächlich eine Doppelzurechnung von Grundstücken auf mehreren Ebenen vornehmen, könnte in der Folge durch denselben Vorgang mehrfach Grunderwerbsteuer ausgelöst werden.

3.107

Beispiel 17: Grundstückszuordnung bei Grundstückskauf nach Anteilserwerb An der G GmbH ist die A KG zu 100 % beteiligt. Die G GmbH erwirbt ein Grundstück.

3.108

Nach der Rechtsprechung dürfte das Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände (allein) der G GmbH zuzurechnen sein. Zwar hält die A KG 100 % der Anteile an der G GmbH. Allerdings hat die A KG keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang hinsichtlich des Grundstücks verwirklicht. Ein Grundstück der Untergesellschaft (hier G GmbH) ist der Obergesellschaft (hier A KG) nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft es selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Daher „gehört“ der A KG kein Grundstück. Abwandlung: Nach Erwerb des Grundstücks durch die G GmbH gehen alle Anteile an der A KG vom bisherigen Gesellschafter A auf X über.

Vgl. hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 549. Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20; v. 14.12.2022 – II R 33/20, IStR 2023, 331. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 7; anders als § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG enthalten weder § 1 Abs. 2a GrEStG noch § 1 Abs. 2b GrEStG Subsidiaritätsregeln, nach der eine der beiden Normen vorrangig anzuwenden ist („soweit eine Anwendung von Abs. 2a nicht in Betracht kommt“). 115 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1690).

110 111 112 113 114

Broemel | 205

Kap. 3 Rz. 3.108 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht erfüllt, denn der A KG „gehört“ kein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG. Gleichwohl ist § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt, weil mittelbar sämtliche Anteile an der G GmbH übergegangen sind. Der G GmbH „gehört“ ein Grundstück, da sie zuvor ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erworben hat.

3.109 Beispiel 18: Grundstückszuordnung bei Grundstückskauf vor Anteilserwerb An der grundbesitzenden G GmbH ist die A KG seit Gründung zu 70 % und die B GmbH zu 30 % beteiligt. Die A KG erwirbt einen weiteren 20 %-Anteil an der G GmbH von der B GmbH. Nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung dürfte das Grundstück für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG der A KG zuzurechnen sein. Zwar ist die A KG nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks. Allerdings hat sie im Zuge des Erwerbs des zusätzlichen 20 %-Anteils eine Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Die A KG hat daher durch einen Erwerbsvorgang das Grundstück der G GmbH für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG erworben. Der Umstand, dass das Grundstück nun der A KG „gehört“, dürfte nach der BFH-Rechtsprechung dazu führen, dass der G GmbH als zivilrechtlicher Eigentümerin das Grundstück für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände nicht mehr zuzuordnen ist, wenn nachfolgend Anteile an der A KG übertragen werden. Die Finanzverwaltung nimmt vermeintlich eine Zuordnung des Grundstücks zu beiden Gesellschaften an.

3.110 Bei der Beurteilung der möglichen grunderwerbsteuerlichen Folgen von Anteilsübertragungen sollte somit stets berücksichtigt werden, dass je nach Lage des Einzelfalls aus Sicht der Finanzverwaltung ggf. eine Mehrfachzurechnung eines Grundstücks zu unterschiedlichen Gesellschaften erfolgen könnte. S. ergänzend zur Zurechnung von Grundstücken und den daraus resultierenden Praxisfragen auch Rz. 3.31 ff. 4. Vermögensmäßige Betrachtung

3.111 Eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG ist, dass 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Als Anteil am Gesellschaftsvermögen ist dabei analog zu §§ 5 und 6 GrEStG der den einzelnen Gesellschaftern zustehende Wertanteil am Gesamthandsvermögen zu verstehen.116 Dieser ergibt sich aus den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag, hilfsweise ist auf §§ 722, 734 BGB bzw. §§ 120 bis 122 HGB abzustellen.117 In der Praxis lässt sich der relevante Anteil regelmäßig aus dem Verhältnis der sog. Festkapitalkonten (Kapitalkonten I) ableiten, die während des Bestehens der PersGes. unveränderlich sind.118 Maßgebli-

116 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 820; a.A. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 321, der im Zweifel auf die Auseinandersetzungsquote abstellt. 117 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 4. 118 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 319 f.; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 821.

206 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.114 Kap. 3

cher Zeitpunkt für die Bestimmung der Höhe des Anteils ist der Zeitpunkt, in dem der relevante Anteil übertragen wird.119 Sofern gesellschaftsvertraglich vorgesehen ist, dass der Wert eines Gesellschaftsgrundstücks nur bestimmten Gesellschaftern zustehen soll, kann der Tatbestand des § 1 Abs 2a Satz 1 bei Anteilsübertragungen nur insoweit erfüllt werden.120 Entsprechend sind Anteilsübertragungen für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG irrelevant, sofern diese Anteile keine vermögensmäßige Berechtigung an Grundstücken der Gesellschaft vermitteln.121

3.112

Stille Beteiligungen (sei es typisch oder atypisch) stellen keinen Anteil i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG dar, da diese keine gesamthänderische Mitberechtigung vermitteln.122 Auch gewinnabhängig verzinste Darlehen, partiarische Darlehen und Genussrechte stellen keine Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft dar, weil es sich bei diesen nur um schuldrechtliche Vereinbarungen handelt und sie keine sachenrechtliche Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft begründen.123

3.113

III. Unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes 1. Unmittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes Die von § 1 Abs. 2a GrEStG erfassten Änderungen im Gesellschafterbestand können zunächst auf unmittelbare Gesellschafterwechsel zurückzuführen sein. Bei einer „unmittelbaren“ Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Gesellschaft stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung auf eine zivilrechtliche Betrachtungsweise ab. Ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel einer grundbesitzenden PersGes. liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der PersGes. übergeht.124 Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung.125 Neue Mitglieder der grundstücksbesitzenden PersGes. können dabei gleichermaßen natürliche und juristische Personen sowie PersGes. sein.126 Ein relevanter Gesellschafterwechsel liegt unabhängig davon vor, ob der Anteilsübergang rechtsgeschäftlich (z.B. Kauf eines Anteils) oder kraft Gesetzes (z.B. im Rahmen einer Umwandlung) erfolgt.127 Irrelevant ist mithin auch, ob der Anteil vor 119 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 321; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 820. 120 Vgl. Behrens/Schmidt, UVR 2005, 386; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 101; MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 822; Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 255.1. 121 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 318; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 101. 122 Vgl. OFD NRW v. 29.4.2014, S 4501-2014/4016-St 255; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 327; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 67. 123 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 327. 124 Vgl. u.a. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963; v. 25.9.2013 – II R 17/ 12, BStBl. II 2014, 268; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 125 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.1. 126 Exemplarisch BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Rz. 10. 127 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 339.

Broemel | 207

3.114

Kap. 3 Rz. 3.114 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

dem Zeitpunkt des Übergangs bereits bestand (sog. derivativer Erwerb, etwa bei dem Kauf eines Anteils) oder ob der Anteil originär entsteht (z.B. beim Beitritt eines Gesellschafters durch Kapitalerhöhung).128

3.115 Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen bei unmittelbaren Gesellschafterwechseln keine Rolle. Damit stellt etwa auch die Übertragung auf einen Treuhänder, der wirtschaftlich keinen Nutzen aus der Beteiligung zieht, sondern diesen lediglich für den Treugeber verwaltet, einen für § 1 Abs. 2a GrEStG beachtlichen unmittelbaren Gesellschafterwechsel dar.129 3.116 Beispiel 19: Unmittelbare Gesellschafterwechsel An der grundbesitzenden G GbR sind die natürlichen Personen A, B, C und D zu jeweils 25 % beteiligt. Im gleichen Jahr übertragen A, B, C und D ihre Anteile. A überträgt seinen Anteil auf E. B überträgt seinen Anteil auf die F GmbH. C überträgt seinen Anteil auf die G KG, an der er selbst zu 100 % beteiligt ist. D überträgt seinen Anteil auf die natürliche Person H, die den Anteil treuhänderisch für D hält. Alle Übertragungen stellen unmittelbare Gesellschafterwechsel dar. Entscheidend für die Prüfung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist in der Folge, ob diese Übertragung auf einen Neugesellschafter erfolgt (s. zur Abgrenzung von Alt- und Neugesellschaftern auch im Detail Rz. 3.138 ff.).

3.117 Keine Änderung des Gesellschafterbestandes liegt hingegen vor, wenn der beteiligte Gesellschafter aufgrund eines Formwechsels lediglich seine Rechtsform ändert (zu den Besonderheiten des Formwechsels im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG s. aber Rz. 3.271 ff.).130 2. Mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes a) Erfordernis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise

3.118 Bei mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden PersGes. scheidet ein Rückgriff auf das Zivilrecht aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gibt. Bei mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geht zivilrechtlich gerade kein Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter über.131 Die „mittelbare Änderung“ im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden PersGes. ist vielmehr ein grunderwerbsteuerlicher Zweckbegriff.132 Vor diesem Hintergrund greift der BFH zur Auslegung der „mittelbaren Änderung“ auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelung zurück.133

128 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 103. 129 Die Beachtlichkeit einer Übertragung auf einen Treuhänder für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG hat der BFH bereits mehrfach ausdrücklich bestätigt, vgl. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341. 130 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 105a. 131 Exemplarisch BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Rz. 14. 132 Vgl. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 107. 133 Vgl. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Rz. 15 f.

208 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.123 Kap. 3

Der BFH hat in seiner Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise zwei unterschiedliche Fallgruppen entwickelt: Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann zum einen eintreten, wenn sich ein Wechsel der Beteiligungsverhältnisse an dem Gesellschafter der grundstücksbesitzenden PersGes. ergibt (mittelbare Änderung durch Gesellschafterwechsel, s. hierzu Rz. 3.120 ff.).134 Zum anderen kann ein mittelbarer Gesellschafterwechsel auch eintreten, wenn eine Beteiligung aufgrund schuldrechtlicher Bindungen des an der PersGes. unmittelbar beteiligten Gesellschafters aus wirtschaftlicher Perspektive einem Dritten zuzurechnen ist (mittelbare Änderung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen, s. hierzu Rz. 3.126 ff.).135

3.119

b) Mittelbare Änderung durch Gesellschafterwechsel Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden PersGes. kann sich ergeben, wenn Gesellschaftsanteile an einer unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf eine andere Person übergehen. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. über eine PersGes. oder über eine KapGes. vermittelt wird.

3.120

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes der grundbesitzenden PersGes. liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an einer PersGes., die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes. an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied übergeht (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG).136 Dass der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG Gesellschafterwechsel auf Ebene einer unmittelbar beteiligten PersGes. nicht umfasst, wird in der Literatur als redaktionelles Versehen gewertet.137

3.121

Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer PersGes. beteiligten PersGes. werden prozentual entsprechend der mittelbaren Änderungen in Bezug auf die Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. berücksichtigt.

3.122

Beispiel 20: Mittelbare Beteiligung über eine PersGes. Gesellschafter der grundbesitzenden G KG sind A zu 40 % und die B KG zu 60 %. Die Anteile der B KG werden von C und D zu jeweils 50 % gehalten. D veräußert seinen Anteil an E.

3.123

134 Vgl. u.a. BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833. 135 Zur mittelbaren Änderung durch den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums s. insbesondere BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 und v. 25.11.2015 – II R 18/ 14, BFHE 251, 492. 136 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2. 137 Vgl. Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 332; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 739; Behrens/Halaczinsky, UVR 2015, 371 (372); Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84 (93).

Broemel | 209

Kap. 3 Rz. 3.123 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

C

D

Veräußerung

E

50 %

50 %

B KG

A 60 %

40 %

G KG

Abb. 10 Die Veräußerung des Anteils von D and E führt zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel i.H.v. 30 % (= 50 % * 60 %).

3.124 Sofern eine mittelbare Beteiligung über eine KapGes. vermittelt wird, kommt es nicht zu einer gedanklichen prozentualen Durchrechnung wie bei PersGes. Stattdessen ist für unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte KapGes. in § 1 Abs. 2a Satz 4 f. GrEStG eine gesonderte Regelung vorgesehen. Nach dieser Regelung gilt eine an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte KapGes. mit sämtlichen Anteilen fiktiv als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG). Hierbei dürfte wie im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen sein (s. hierzu auch Rz. 3.154 ff.).138 Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten KapGes. entsprechend (§ 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG). 3.125 Beispiel 21: Mittelbare Beteiligung über eine KapGes. Gesellschafter der grundbesitzenden G KG sind die A GmbH zu 60 % sowie B und die C GmbH zu 20 %. Die Anteile der A GmbH werden von D und E zu jeweils 45 % und von F zu 10 % gehalten. Die Anteile der C GmbH werden zu 100 % von der G GmbH gehalten, deren Anteile zu 100 % von H gehalten werden. Im Jahr 1 veräußert D seinen Anteil an einen Dritten. Im Jahr 2 veräußert E seinen Anteil an einen Dritten. Im Jahr 3 veräußert F seinen Anteil an einen Dritten. Im Jahr 4 veräußert H 90 % seiner Anteile an der G GmbH an einen Dritten.

138 S. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1691).

210 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.126 Kap. 3

Jahr 4 Veräußerung H

Jahr 1 Veräußerung

Jahr 2 Veräußerung

Jahr 3 Veräußerung

D

E

F

45 %

45 % A GmbH 60 %

100 % G GmbH 100 %

10 % B

C GmbH 20 %

20 %

G KG

Abb. 11 Die Veräußerung der Anteile von D (45 % an der A GmbH) löst keinen mittelbaren Gesellschafterwechsel in Bezug auf die G KG aus, da durch die Übertragungen lediglich 45 % der Anteile an der A GmbH auf neue Gesellschafter übergehen. Die Veräußerung durch E (45 % an der A GmbH) löst hingegen eine Neugesellschafterstellung der A GmbH aus, da im Zuge dieser Veräußerung 90 % der Anteile der A GmbH auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die A GmbH gilt gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG fiktiv als neuer Gesellschafter. Mithin gilt der gesamte 60 %-Anteil der A GmbH an der G KG als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Dem Umstand, dass F seinen Anteil behalten hat, kommt insoweit keine Bedeutung zu. Die Veräußerung des 90 %-Anteils von H an der G GmbH führt dazu, dass sämtliche Anteile der G GmbH an der C GmbH fiktiv auf einen neuen Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG). Da hierdurch in Bezug auf die C GmbH 100 % als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen gelten, gilt auch die C GmbH fiktiv als neue Gesellschafterin der G KG (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG). Mithin gilt der gesamte 20 %-Anteil der C GmbH an der G KG als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen.

c) Mittelbare Übertragungen aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen Eine Ausprägungsform der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die sich erst über die Zeit durch die BFH-Rechtsprechung gebildet hat, ist der mittelbare Gesellschafter-

Broemel | 211

3.126

Kap. 3 Rz. 3.126 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

wechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden (s. hierzu auch Rz. 3.76 ff.).139 Nach dieser Rechtsprechung des BFH kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung von mittelbaren Anteilen unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sei auch im Grunderwerbsteuerrecht anwendbar, wenn und soweit die Auslegung eines im GrEStG verwendeten gesetzlichen Merkmals ergibt, dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt. Dies sei bei dem Merkmal der „mittelbaren Änderung“ des Gesellschafterbestandes der Fall. In Anlehnung an die für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geltenden Grundsätze zum wirtschaftlichen Eigentum können es nach Auffassung des BFH daher auch schuldrechtliche Vereinbarungen rechtfertigen, einen Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundstücksbesitzenden PersGes., abweichend von der zivilrechtlichen Zuordnung, einem Dritten (fiktiver Neugesellschafter) zuzurechnen. Die Grundlage einer solchen Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt.140

3.127 Mittelbare Übertragung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen befürworteten der BFH und die Finanzverwaltung indes bereits vor dem BFH-Urteil aus dem Jahr 2014141, allerdings nur bei bestimmten Treuhandverhältnissen.142 3.128 Das wirtschaftliche Eigentum an einem Gesellschaftsanteil kann einem Dritten zugesprochen werden, wenn er – aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und – die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie – das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.143

3.129 Entscheidend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall.144 So entschied der BFH für den Fall einer „Doppeloption“, bei der dem Käufer ein Ankaufsrecht und zugleich dem Verkäufer ein Andienungsrecht zu jeweils feststehenden Konditionen eingeräumt wird, dass diese bei einer speziellen Ausgestaltung dazu führen kann, dass der Anteil mittelbar dem Käufer zuzurechnen ist.145 Die Vereinbarung einer „Doppeloption“ reicht für die Annahme 139 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BFH/NV 2016, 490; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFH/NV 2018, 291. 140 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 17. 141 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 142 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05. BFH/NV 2006, 1341; gleich lautende Ländererlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561 Tz. 2.2; Behrens/Schmitt, UVR 2009, 240; Schmidt-Gorbach/Hartrott, DStR 2014, 1210; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 353. 143 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 19. 144 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 20. 145 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

212 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.132 Kap. 3

wirtschaftlichen Eigentums der Käuferseite nicht aus,146 wobei die „Doppeloption“ dem Käufer jedenfalls eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Anteils gerichtete Rechtsposition vermittelt, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Vielmehr waren die oben für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aufgezählten Kriterien aufgrund zusätzlicher vertraglicher Vereinbarungen (Festlegung der Konditionen zum Erwerb des Anteils, sodass das Risiko einer Wertminderung des Anteils und die Chance einer Wertsteigerung auf den Käufer übergegangen war; Übertragung der mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte auf den Verkäufer; unwiderrufliche Vollmacht für Käufer, alle Gesellschaftsrechte des Verkäufers wahrzunehmen) in einem Umfang erfüllt, dass sich der BFH in dem Einzelfall für eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes ausgesprochen hatte. Für den Fall einer Vereinbarungstreuhand entschied der BFH, dass die von einem Treuhänder gehaltenen Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. mittelbar dem Treugeber zuzurechnen sind.147 Treuhandvereinbarungen führen mithin dazu, dass die vom Treugeber gehaltenen Anteile mittelbar dem Treugeber zuzurechnen sind. Die Errichtung des Treuhandverhältnisses wie auch der Wechsel der Treugeber können mithin zu einer geänderten mittelbaren Zurechnung von Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. führen.

3.130

Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils reicht nach Auffassung des BFH demgegenüber für die Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nicht aus. Denn bei der Vereinbarung einer derartigen Vollmacht gingen die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z.B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten über.148

3.131

Beispiel 22 (in Anlehnung an BFH 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786): Die Vollmacht Die Gesellschaftsanteile der grundbesitzenden G KG werden zu 100 % von A gehalten. A überträgt 80 % seiner Anteile an den bisher nicht beteiligten B. A erteilt anschließend B eine umfassende, unbefristete und unwiderrufliche Vollmacht, nach der B befugt ist, A bei satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen zu vertreten, auf Gewinnverteilungsansprüche zu verzichten und den an der G KG gehaltenen Anteil zu veräußern, abzutreten und ggf. dabei auf eine Gegenleistung völlig zu verzichten.

3.132

146 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 18. 147 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 148 Vgl. BFH 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; hierzu auch Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84; Behrens, BB 2018, 232; eine besondere Bedeutung könnte in dem streitigen Verfahren auch dem vom Finanzgericht festgestellten Umstand zugekommen sein, dass die bevollmächtigende Gesellschafterin den 6 %-Anteil, der von der Vollmacht betroffen war, hätte anderweitig veräußern können und sie auch nicht vertraglich zugesichert hatte, keine derartige Veräußerung vorzunehmen. Die Käufer des 94%igen Anteils, welche die Vollmacht hatten, über den 6 %-Anteil zu verfügen, waren dadurch nicht in der Lage, die Altgesellschafterin im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den restlichen 6%igen Anteil wirtschaftlich auszuschließen, vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 369.

Broemel | 213

Kap. 3 Rz. 3.132 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Die Übertragung des 80 %-Anteils führt für sich genommen zu keinem nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang, da lediglich 80 % der Anteile auf B als Neugesellschafter übergehen. Nach der Rechtsprechung des BFH führt die bloße Einräumung der Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils nicht zu einem Anteilsübergang im Sinne einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer PersGes. nach § 1 Abs. Abs. 2a GrEStG.149 Da die Einräumung der Vollmacht zu keinem mittelbaren Übergang des noch bei A verbliebenen 20 %Anteils auf B führt, wird trotz Einräumung der Vollmacht nicht der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst.

3.133 Im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG hat sich die Finanzverwaltung im Ergebnis der Auffassung des BFH angeschlossen und vertritt analog, dass eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG auch unter Rückgriff auf das wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erfolgen kann. Bei der vorzunehmenden Zuordnungsentscheidung soll auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden können, wobei jedoch grunderwerbsteuerliche Besonderheiten zu beachten seien. Auf die zu beachtenden Besonderheiten wird dabei nicht ausdrücklich eingegangen. Bei der Zuordnungsentscheidung soll neben § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO jedoch auch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zu § 1 Abs. 2 GrEStG erlaubt sein. Entscheidend für die Zuordnung sei, dass durch schuldrechtliche Verträge einem anderen als dem unmittelbar Beteiligten eine Wertteilhabe am Grundbesitz der PersGes. vermittelt werde.150 3.134 Wenn eine Zuordnung von Anteilen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Eigentums erfolgt, führt dies zu einem mittelbaren Übergang des Anteils an der grundbesitzenden PersGes., sodass der Erwerber des wirtschaftlichen Eigentums als mittelbar Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG gilt. Die mittelbare Zuordnung des Anteils zum wirtschaftlichen Eigentümer bewirkt eine Verdopplung des Anteils an der grundbesitzenden PersGes. als Zählobjekt i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG: Einerseits hält der zivilrechtliche Eigentümer wie bisher die unmittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. Wird das zivilrechtliche Eigentum übertragen, kann hierdurch unbeschadet einer vorangegangenen Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums ein schädlicher Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst werden. Andererseits hält auch der Erwerber des wirtschaftlichen Eigentums einen mittelbaren Anteil. Soweit der wirtschaftliche Eigentümer wechselt, führt dies seinerseits zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel.151 Gleichwohl ist zu beachten, dass diese Verdopplung des Anteils zu keiner Doppelzählung des Anteils führt, wenn dieser Anteil sowohl unmittelbar als auch mittelbar auf einen Neugesellschafter übergeht. Denn auch wenn ein zweifacher Übergang auf einen Neugesellschafter erfolgt, ändert dies nichts daran, dass hiervon ein nämlicher Anteil betroffen ist, der einmal unmittelbar und einmal mittelbar übertragen wird. In der Folge ist bei der Bemessung der

149 Vgl. BFH 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786. 150 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2. 151 Vgl. vertiefend und mit einem Überblick zu Folgefragen zur mittelbaren Beteiligung aufgrund der Begründung von wirtschaftlichem Eigentum auch Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (188).

214 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.139 Kap. 3

Zählquote des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG m.E. auch nur dieser Anteil (einmalig) zu berücksichtigen. Die mittelbare Gesellschafterstellung aufgrund schuldrechtlicher Abreden ist mit zahlreichen Folgefragen und Rechtsunsicherheiten verbunden (s. hierzu ausführlich Rz. 3.216 ff.).

3.135

3. Übergang der Gesellschaftsanteile von Todes wegen Ein Gesellschafterwechsel liegt auch dann vor, wenn ein Anteil von Todes wegen auf einen neuen Gesellschafter übergeht. Derartige Übertragungen werden jedoch vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgenommen. Dies wird durch § 1 Abs. 2a Satz 6 EStG erreicht, gemäß dem bei der Ermittlung der relevanten Zählquote in § 1 Abs. 2a GrEStG der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht bleibt.

3.136

4. Anwendung der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG Übertragungen von Anteilen einer Gesellschaft, die über eine Börse erfolgen, führen genauso wie alle anderen Übertragungsvorgänge im Grundsatz zu einem Gesellschafterwechsel. Eine Besonderheit bei Übertragungen über eine Börse besteht jedoch darin, dass diese Übertragungen unter bestimmten Voraussetzungen durch die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgenommen sind. Gem. § 1 Abs. 2c GrEStG bleiben bei der Ermittlung der relevanten Zählquote in § 1 Abs. 2a GrEStG Übergänge von Anteilen außer Betracht, wenn sie die Voraussetzungen der Börsenklausel erfüllen (zu den Anwendungsvoraussetzungen und der Reichweite der Börsenklausel s. auch Rz. 5.38).

3.137

IV. Übergang auf neue Gesellschafter 1. Begriff des Alt- und Neugesellschafters § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst Übergänge von 90 % der Anteile auf „neue Gesellschafter“. Für die Prüfung, ob der Tatbestand erfüllt ist, ist daher u.a. erforderlich, den Gesellschafterbestand einer Gesellschaft dahingehend aufzuteilen, welche Gesellschafter „neue Gesellschafter“ und welche Gesellschafter nicht „neue Gesellschafter“ der Gesellschaft sind. In der Literatur und auch in den Erlassen der Finanzverwaltung haben sich in diesem Kontext die (im Gesetzestext nicht wiederzufindenden) Begriffe des „Neugesellschafters“ und des „Altgesellschafters“ herausgebildet. Als „Neugesellschafter“ wird dabei ein Gesellschafter verstanden, der als „neuer Gesellschafter“ gem. § 1 Abs. 2a GrEStG zu klassifizieren ist. Als „Altgesellschafter“ werden hingegen die Gesellschafter umschrieben, die keine neuen Gesellschafter sind.

3.138

2. Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter a) Unmittelbar beteiligter Altgesellschafter Unmittelbar beteiligter Altgesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. ist nach Auffassung der Finanzverwaltung unabhängig von seiner Rechtsform: Broemel | 215

3.139

Kap. 3 Rz. 3.139 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

– Der Gründungsgesellschafter der grundbesitzenden PersGes.; – der Gesellschafter, der vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG beteiligt war (wobei die Übergangsregelungen zur Grunderwerbsteuerreform zu beachten sind, nach denen ein Altgesellschafter u.a. auch jeder ist, der vor dem 1.7.2016 bereits an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt war (§ 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG), s. Rz. 3.301 ff. Dies bedeutet, dass ein Gesellschafter mit Ablauf von zehn Jahren zu einem Altgesellschafter wird; – der Gesellschafter, der im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks durch die PersGes. beteiligt war; – der Gesellschafter, der bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG beteiligt war. Denn die Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG stellt in der Fiktion des Grunderwerbsteuerrechts einen Erwerb des Grundbesitzes durch eine gedanklich neue PersGes. dar. Da aber auch die Gesellschafter, die beim Erwerb des Grundbesitzes beteiligt waren, Altgesellschafter sind, muss dies auch für Gesellschafter gelten, die bei der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG Gesellschafter waren.152

3.140 Die Stellung als Altgesellschafter setzt nicht voraus, dass der Gesellschafter auch vermögensmäßig beteiligt ist. Für die Altgesellschafterstellung dürfte es allein auf die Gesellschafterstellung ankommen. So kann etwa die vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementär-GmbH einer grundbesitzenden KG unter den weiteren Voraussetzungen die Stellung eines Altgesellschafters einnehmen.153 3.141 Ein unmittelbar beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als Altgesellschafter mit der Aufgabe seiner Gesellschafterstellung. Wenn ein Altgesellschafter mithin aus der PersGes. ausscheidet und in der Folgezeit erneut einen Anteil an der PersGes. erwirbt, ist er Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Dies gilt auch dann, wenn das Ausscheiden aus der PersGes. und der Wiedereintritt innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfolgen.154

3.142

b) Mittelbar beteiligter Altgesellschafter Mittelbar beteiligter Gesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. ist nach Auffassung der Finanzverwaltung unabhängig von seiner Rechtsform: – Der Gesellschafter, der im Zeitpunkt der Gründung der grundbesitzenden PersGes. über eine oder mehrere PersGes. beteiligt war; 152 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.1. 153 Vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, nicht rechtskräftig (Revision aus offensichtlich anderem Rechtsgrund anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21), online abrufbar auf juris; OFD Nordrhein-Westfalen v. 29.4.2014 – S 4501-2014/4016-St 255 Tz. 1.1; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 382; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 314; Lange/Broemel, DStR 2017, 1625. 154 Vgl. BFH v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.1.; kritisch hierzu Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 384 ff.

216 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.146 Kap. 3

– der Gesellschafter, der vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG über eine oder mehrere PersGes. beteiligt war (wobei die Übergangsregelungen zur Grunderwerbsteuerreform zu beachten sind, s. Rz. 3.301 ff.); dies bedeutet, dass ein Gesellschafter mit Ablauf von zehn Jahren zu einem Altgesellschafter wird; – der Gesellschafter, der im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks über eine oder mehrere PersGes. beteiligt war; – der Gesellschafter, der bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG über eine oder mehrere PersGes. beteiligt war. Denn die Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG stellt in der Fiktion des Grunderwerbsteuerrechts einen Erwerb des Grundbesitzes durch eine gedanklich neue PersGes. dar. Da aber auch die Gesellschafter, die beim Erwerb des Grundbesitzes beteiligt waren, Altgesellschafter sind, muss dies auch für Gesellschafter gelten, die bei der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG Gesellschafter waren.155 Mittelbare Beteiligungen können zudem auch durch schuldrechtliche Abreden begründet werden (s. hierzu Rz. 3.126 ff.). Bei einer derartigen mittelbaren Beteiligung wäre es m.E. konsequent, wenn der mittelbar Beteiligte eine Altgesellschafterstellung erlangen können. In dem Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG wird die Altgesellschafterstellung von der Finanzverwaltung allerdings insoweit nicht thematisiert.

3.143

Ein mittelbar über eine PersGes. beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als mittelbarer Altgesellschafter mit der Aufgabe seiner mittelbaren Gesellschafterstellung. Wenn ein Altgesellschafter mithin aus der beteiligten PersGes. ausscheidet und in der Folgezeit erneut einen Anteil an der beteiligten PersGes. oder der grundbesitzenden PersGes. erwirbt, ist er Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Dies gilt auch dann, wenn das Ausscheiden aus der PersGes. und der Wiedereintritt innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfolgen.156

3.144

Zu beachten ist, dass die oben beschriebenen mittelbaren Beteiligungen jeweils über eine oder mehrere PersGes. vermittelt werden. Ist hingegen eine KapGes. an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt, ist umstritten, ob Gesellschafter der KapGes. Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes. sein können (s. hierzu Rz. 3.152 ff. und 3.161 ff.).

3.145

3. Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter a) Unmittelbar beteiligter Neugesellschafter Unmittelbar beteiligter Neugesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. ist nach Verwaltungsauffassung unabhängig von seiner Rechtsform, wer mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung in die Mitberechtigung am Grundstück der PersGes.

155 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.2. 156 Vgl. BFH v. 16.5.2013 – II R 3/11, BStBl. II 2013, 963; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.2.

Broemel | 217

3.146

Kap. 3 Rz. 3.146 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

– durch Beitritt, – infolge (Teil-)Abtretung eines Anteils am Gesellschaftsvermögen oder – aufgrund von Umwandlungsvorgängen mit Ausnahme des identitätswahrenden Formwechsels einrückt.157

3.147 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob der erstmals unmittelbar beteiligte Gesellschafter als Altgesellschafter zu klassifizieren ist, wenn er zuvor bereits die Voraussetzungen eines mittelbaren Altgesellschafters erfüllt hatte (s. hierzu Rz. 3.186). b) Mittelbar beteiligter Neugesellschafter

3.148 Mittelbar beteiligter Neugesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. ist nach Auffassung der Finanzverwaltung unabhängig von seiner Rechtsform, wer durch – Eintritt, – Abtretung eines Mitgliedschaftsrechts oder – einen Vorgang nach dem Umwandlungsgesetz

3.149 einer PersGes. beitritt, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes. am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, und dadurch in die Mitberechtigung am Grundstück einrückt.158 3.150 Mittelbarer Neugesellschafter ist nach Verwaltungsauffassung auch derjenige, dem aufgrund des Abschlusses schuldrechtlicher Vereinbarungen Anteile an der grundbesitzenden PersGes. mittelbar zuzurechnen sind. Hiervon betroffen sein kann etwa der neue Treugeber eines Anteils an der grundbesitzenden PersGes. nach einem Treugeberwechsel159 oder derjenige, der aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen zum wirtschaftlichen Eigentümer von Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. wird160. 3.151 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob der erstmals mittelbar beteiligte Gesellschafter als Altgesellschafter zu klassifizieren ist, wenn er zuvor bereits die Voraussetzungen eines unmittelbaren Altgesellschafters erfüllt hatte (s. hierzu Rz. 3.192). 4. Besonderheiten bei beteiligten Kapitalgesellschaften a) Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft der Kapitalgesellschaften

3.152 Nach Finanzverwaltungsauffassung können KapGes. nur selbst unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. sein, deren Gesellschafter jedoch nicht.161 Diese Auffassung ist jedoch umstritten (s. Rz. 3.161 ff.). 157 158 159 160 161

Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.2.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.2.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.

218 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.155 Kap. 3

Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte KapGes. wird nach § 1 Abs. 2 a Satz 4 GrEStG in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 90 % ändern. Bei mehrstufigen mittelbaren Beteiligungen ist die Prüfung, ob die 90 %-Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorzunehmen. Ist die 90 %-Grenze erreicht, ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen (nicht nur i.H.v. 90 %), da die betroffene KapGes. fiktiv als neue Gesellschafterin gilt.

3.153

Nach Finanzverwaltungsauffassung galt für die Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nach früherer Auffassung nicht der Zehnjahreszeitraum, die bei § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG angewandt wird. Vielmehr wurde im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertreten, dass es für die Prüfung, ob die 90 %-Grenze bei einer beteiligten KapGes. erreicht ist, keine zeitliche Begrenzung gibt.162 Folgte man der früheren Verwaltungsauffassung zum unbegrenzten Betrachtungszeitraum, wäre es bei einer beteiligten KapGes. nur eine Frage der Zeit gewesen, bis 95 % der Anteile auf neue Anteilseigner übertragen wurden und es infolgedessen zu einer Klassifikation der Gesellschaft als Neugesellschafter kam. Zudem rief die Auffassung Folgefragen auf, wie weit in die Vergangenheit geschaut werden müsse, zumal etwa § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG in der heutigen Konzeption erst durch das StÄndG 2015 eingeführt wurde163 und der Tatbestand § 1 Abs. 2a GrEStG als solcher überhaupt erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden ist, die die Voraussetzungen der Norm nach dem 31.12.1996 erfüllten (vgl. § 23 Abs. 3 GrEStG). In der Literatur stieß die Verwaltungsauffassung auf Unverständnis und Ablehnung.164

3.154

Im aktuellen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG wurde der Hinweis auf den unbegrenzten Betrachtungszeitraum entfernt. Glücklicher wäre es zwar gewesen, wenn die Finanzverwaltung die Ewigkeitsthese aktiv verworfen hätte. Bei den Ausführungen der Erlasse zum Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. weist die Verwaltung indes ausdrücklich darauf hin, dass Gesellschafterwechsel an der formgewechselten KapGes. nur zu berücksichtigen sind, wenn „diese im Zehnjahreszeitraum erfolgt sind“.165 Dass die Verwaltung in diesem Kontext auf den Zehnjahreszeitraum abstellt, belegt, dass sie im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nun (wieder) einen zehnjährigen Betrachtungszeitraum anwendet.166 Unklar ist indes, ob für Zwecke des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG auf denselben Zehnjahreszeitraum wie für § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG abzustellen ist (einheitlicher Zehnjahreszeitraum) oder ob bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ein eigenständiger Zehnjahreszeitraum zur Anwendung kommt.

3.155

162 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 5.2.3.1. 163 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 164 Vgl. u.a. Behrens, BB 2019, 30; Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105; Broemel/Lange, DStR 2019, 189 f.; Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (109 f.); Wischott/Graessner, Ubg 2019, 84; a.A. hingegen Schanko, UVR 2017, 126. 165 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 jeweils Tz. 5.2.5.2. 166 S. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1691).

Broemel | 219

Kap. 3 Rz. 3.156 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.156 Die Eigenschaft als Altgesellschafterin der unmittelbar oder mittelbar beteiligten KapGes. bleibt nach Verwaltungsauffassung erhalten, wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten KapGes. verkürzt, auch wenn insoweit zivilrechtlich ein Gesellschafterwechsel bei Gesellschaften vollzieht. Eine Verkürzung der Beteiligungskette liegt vor, soweit KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl KapGes. als auch PersGes. beteiligt sind. Bei PersGes. in der Kette ist zu beachten, dass die 90%ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist.167 3.157 Beispiel 23: Beteiligungskettenverkürzung An der grundbesitzenden G KG sind A und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Alleinige Anteilseignerin der B GmbH ist die C GmbH. Anteilseignerin der C GmbH ist die D GmbH. Anteilseigner der D GmbH sind E und F zu jeweils 50 %. Die D GmbH wird auf die C GmbH verschmolzen.

E

F

50 %

50 %

D GmbH 100 %

Verschmelzung

C GmbH 100 % B GmbH

A

50 %

50 %

G KG

Abb. 12

167 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.

220 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.159 Kap. 3 Die Verschmelzung der D GmbH auf die C GmbH stellt eine unschädliche Verkürzung der Beteiligungskette dar. Der Umstand, dass sich im Zuge der Verschmelzung der Gesellschafterbestand der B GmbH vollständig ändert (bisher 100 % C GmbH, nach Verschmelzung 50 % von D und E), steht dem nicht entgegen.

Bei der Verkürzung der Kette muss nach Ansicht der Finanzverwaltung die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. erhalten bleiben.168

3.158

Beispiel 24: Beteiligungskettenverkürzung mit Berührung der unmittelbaren Gesellschafterebene An der grundbesitzenden G KG sind A und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Alleinige Anteilseignerin der B GmbH ist die C GmbH. Anteilseignerin der C GmbH ist die D GmbH. Ausgangsfall: Die B GmbH wird auf die C GmbH verschmolzen.

3.159

Variante: Die C GmbH wird auf die B GmbH verschmolzen.

D GmbH 100 % C GmbH Ausgangsfall: Verschmelzung auf Mutter

100 %

Abwandlung: Verschmelzung auf Tochter

B GmbH

A

50 %

50 %

G KG

Abb. 13 Die Verschmelzung der B GmbH auf die C GmbH führt dazu, dass die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. untergeht. Nach Finanzverwaltungsauffassung liegt in der Folge keine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung vor.169 Stattdessen kommt es

168 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.; OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.6.2 unter analoger Anwendung des BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; BFH v. 29.2.2012 – II R 57/99, BStBl. II 2009, 917; kritisch hierzu Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.2. 169 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.

Broemel | 221

Kap. 3 Rz. 3.159 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel auf einen Neugesellschaft i.H.v. 50 %. In der Variante, in der die C GmbH auf die B GmbH verschmolzen wird, liegt hingegen eine aus Sicht der Finanzverwaltung unschädliche Beteiligungskettenverkürzung vor. Damit kann die Verschmelzungsrichtung im Einzelfall erheblichen Einfluss auf die grunderwerbsteuerliche Würdigung aus Sicht der Finanzverwaltung nehmen.

3.160 Zu Zweifelsfragen bei Beteiligungskettenverkürzungen s. Rz. 3.204 ff. b) Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft der Gesellschafter der KapGes.

3.161 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind Gesellschafter der KapGes. nur in Bezug auf die KapGes., an der sie unmittelbar beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende PersGes.170 Neugesellschafter der KapGes. ist nach Verwaltungsansicht, wer Anteile an der KapGes. erwirbt. Altgesellschafter der KapGes. ist gemäß dem Erlass zu § 1 Abs 2a GrEStG hingegen, wer im Zeitpunkt – der Gründung der grundbesitzenden PersGes. Gesellschafter der KapGes. ist, wenn die KapGes. Gründungsgesellschafterin ist, – des Erwerbs der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. durch die KapGes. an der KapGes. beteiligt ist, – des Grundstückserwerbs der PersGes. an der KapGes. beteiligt ist oder – der nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG erfolgenden Umqualifizierung der KapGes. in eine Neugesellschafterin der grundbesitzenden PersGes. an der KapGes. beteiligt ist.171

3.162 Die Finanzverwaltung vertritt, dass sich die Altgesellschaftereigenschaft der Gesellschafter einer KapGes. somit ausschließlich auf die KapGes. selbst bezieht. Altgesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. gelten nach dieser Auffassung mithin nicht als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG, wenn sie (erstmalig) Anteile an einer GmbH erwerben, die ebenfalls an der grundbesitzenden PersGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Entsprechend gelten nach dieser Auffassung Altgesellschafter an einer beteiligten KapGes. als Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn sie einen unmittelbaren bzw. einen über PersGes. vermittelten mittelbaren Anteil an der grundbesitzenden PersGes. erwerben. 3.163 Beispiel 25: Der alte Neugesellschafter An der grundbesitzenden G KG sind A und die B GmbH zu jeweils 40 % beteiligt sowie C zu 20 %. Die Anteile der B GmbH hält zu 100 % D. Die skizzierte Beteiligungsstruktur bestehe bereits seit Erwerb des Grundbesitzes durch die G KG. Im Jahr 1 verkauft A seinen Anteil an der G KG an D. Im Jahr 2 verkauft D seine Anteile an der B GmbH an C.

170 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1; kritisch hierzu Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 449.1. 171 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.2.

222 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.165 Kap. 3

Jahr 1 Veräußerung

A

D 100 %

Jahr 2 Veräußerung

B GmbH 40 %

40 %

C 20 %

G KG

Abb. 14 Nach Finanzverwaltungsauffassung ist D lediglich Altgesellschafter in Bezug auf die B GmbH, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende G KG. Daher führt der Erwerb der Beteiligung an der G KG durch D aus Sicht der Finanzverwaltung zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i.H.v. 40 % auf einen Neugesellschafter (D). Nach Finanzverwaltungsauffassung ist C lediglich Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende G KG, nicht jedoch in Bezug auf die B GmbH. Daher führt der Erwerb der Beteiligung an der B GmbH durch C aus Sicht der Finanzverwaltung zu einem Übergang von 100 % der Anteile an der B GmbH auf einen Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Aufgrund des Gesellschafterwechsels gilt die B GmbH als Neugesellschafterin in Bezug auf die G KG. Mithin liegt aus Verwaltungssicht ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.H.v. 40 % auf einen Neugesellschafter (B GmbH) vor.

Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass hinsichtlich der Altgesellschafterstellung zwischen der Stellung zu der grundbesitzenden PersGes. und der Stellung zu einer an dieser PersGes. (mittelbar) beteiligten KapGes. unterschieden werden muss, ist umstritten und zweifelhaft. Denn ein (mittelbarer) Übergang der grundbesitzenden PersGes. auf Dritte erfolgt dabei nicht. Dasselbe gilt beim Wechsel der Stellung von einem mittelbaren Gesellschafter zu einem unmittelbaren Gesellschafter. Sinn und Zweck der Berücksichtigung von mittelbaren Anteilsübertragungen ist, mittelbare Übertragungen an grundbesitzenden PersGes. nicht besser zu stellen als unmittelbare Übertragungen. Mittelbare Übertragungen dürfen aber auch nicht schlechter behandelt werden als unmittelbare Übertragungen.172

3.164

In diesem Sinne hat er auch der BFH zumindest für die Rechtslage zu § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 6.11.2015 bestätigt, dass der Wechsel eines mittelbar über eine Gesellschaft beteiligten Altgesellschafters in die Stellung eines unmittelbaren Gesell-

3.165

172 Vgl. Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (190).

Broemel | 223

Kap. 3 Rz. 3.165 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

schafters kein zählquotenrelevanter Vorgang ist (betrifft in dem obigen Beispiel die Veräußerung im Jahr 1).173

3.166 Das FG Niedersachsen entschied entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, dass ein „Altgesellschafter“ der grundbesitzenden PersGes. nicht als „neuer Gesellschafter“ i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG qualifiziert werden kann (betrifft in dem obigen Beispiel die Veräußerung im Jahr 2).174 Hätte der Gesetzgeber, trotz der identischen Begriffswahl in § 1 Abs. 2a Satz 1 und Satz 4 GrEStG, dem Begriff „neuer Gesellschafter“ in Satz 4 eine andere Bedeutung als in Satz 1 geben wollen, hätte ein solcher abweichender Bedeutungsgehalt nach Ansicht des FG Niedersachsen gesetzlich definiert werden müssen. Dass der Gesetzgeber dies jedoch unterlassen hat, eine abweichende Definition des Begriffs „neuer Gesellschafter“ gesetzlich ausdrücklich zu regeln, spreche nach Auffassung des FG Niedersachsen dafür, dass die Begriffe in Satz 1 und 4 synonym verwendet werden sollten. Somit könne ein „Altgesellschafter“ i.S.d. Satzes 1 nach dem Wortlaut der Vorschrift kein „neuer Gesellschafter“ i.S.d. Satzes 4 sein.175 Diese Sichtweise entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Ziel der Norm sei es, die Übertragung von Anteilen an einer PersGes. der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, soweit die Anteilsübertragung der Übertragung eines Grundstücks gleichkommt. Eine solche Vergleichbarkeit nehme der Gesetzgeber an, wenn sich der Gesellschafterbestand durch die Anteilsübertragung vollständig oder wesentlich ändert. Diesem Gesetzeszweck folgend liege kein nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor, wenn ein Altgesellschafter seinen unmittelbaren Anteil an der grundbesitzenden PersGes. erhöht. Dasselbe müsse auch für mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes gelten, soweit an dem Anteilserwerb Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind. Es sei nach Auffassung des Senats kein sachlicher Grund erkennbar, den unmittelbaren und den mittelbaren Anteilserwerb unterschiedlich zu behandeln. Denn erwirbt ein Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes. Anteile an der KapGes., die an der grundstücksbesitzenden PersGes. beteiligt ist, werde der vor dem Anteilserwerb bestehende Gesellschafterbestand nicht verändert.176 Zudem spreche auch die systematische Stellung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG im Verhältnis zu § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG dafür, dass ein Altgesellschafter der grundstücksbesitzenden PersGes. kein „neuer Gesellschafter“ der an ihr beteiligten KapGes. sein könne.177 3.167 Bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung von Anteilseignern, welche mittelbar über eine KapGes. an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind, sollte mithin 173 Vgl. BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Rz. 18, wonach ein Übergang von Anteilen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), nicht ausreiche, um als Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auszulösen. 174 FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257; Revision beim BFH anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21. 175 Vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257 Rz. 62. 176 Vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257 Rz. 63 ff. 177 Vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257 Rz. 68.

224 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.171 Kap. 3

berücksichtigt werden, dass Argumente dafürsprechen, dass diese Anteilseigner (auch) Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes. sind. Gleichwohl wird die Finanzverwaltung diese Einschätzung nicht teilen. Eine mögliche Durchsetzung der Auffassung wäre damit absehbar nur im Klageweg möglich. Betroffene Veranlagungen sollten offengehalten werden. Nicht explizit im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG erwähnt ist, ob mehrfache Übertragungen der gleichen Anteile an einer KapGes. nur einmalig in die Zählquote des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG einfließen oder ggf. mehrfach erfasst werden. Letzteres kann jedoch nicht der Fall sein. Für eine Mehrfacherfassung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Zudem hat sich Finanzverwaltung auch bei mehrfachen Übertragungen der gleichen Anteile an der grundbesitzenden PersGes. gegen eine Doppelerfassung ausgesprochen178, sodass sie bei Anteilsübertragungen an einer beteiligten KapGes. eine entsprechende Sichtweise vertreten sollte.

3.168

5. Besonderheiten bei Treuhandverhältnissen Treuhandverhältnisse weisen die Besonderheit auf, dass bei ihnen der zivilrechtliche Eigentümer und der wirtschaftliche Eigentümer eines Gesellschaftsanteils regelmäßig auseinanderfallen. Wenn in Bezug auf Gesellschaftsanteile an einer grundbesitzenden PersGes. eine Treuhand vereinbart wird, ist der Treuhänder Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft. Von dieser Rechtstellung kann der Treuhänder im Innenverhältnis zum Treugeber jedoch nur eingeschränkt Gebrauch machen, sodass rechtliches Können und rechtliches Dürfen in der Person des Treuhänders auseinanderfallen.179 Auch die Chancen einer Wertsteigerung sowie das Risiko eines Wertverfalls treffen allein den Treugeber und die aus dem Treugut resultierenden Einkünfte stehen ihm zu. In der Folge ist die Gesellschaftsbeteiligung dem Treugeber als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen.180

3.169

Da in § 1 Abs. 2a GrEStG auf unmittelbarer Ebene eine zivilrechtliche Betrachtungsweise eingenommen wird (Rz. 3.114), während auf mittelbarer Ebene eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt wird (Rz. 3.120), sind bei Treuhandstrukturen sowohl Wechsel hinsichtlich des Treugebers als auch des Treuhänders für die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG beachtlich.

3.170

Aus Sicht der Finanzverwaltung sind daher folgende Rechtsträger Neugesellschafter:

3.171

– Derjenige, der aufgrund einer Vereinbarungstreuhand181 mit einem Gesellschafter der grundbesitzenden PersGes. Treugeber in Bezug auf den Gesellschaftsanteil wird;

178 179 180 181

Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 6.3. Vgl. Ratschow in Klein16, § 39 AO Rz. 62. Vgl. Koenig4, § 39 AO Rz. 60. Eine Vereinbarungstreuhand liegt vor, wenn ein Gesellschafter mit einem Dritten (Treugeber) vereinbart, seine Beteiligung für diesen künftig als Treuhänder zu halten, Fischer in HHSp, § 39 AO Rz. 250.

Broemel | 225

Kap. 3 Rz. 3.171 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

– der neue Treugeber eines Gesellschafters, wenn der Treugeber wechselt; – der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder übertragen oder rückübertragen werden; – der neue Treuhänder beim Wechsel des Treuhändergesellschafters.182

3.172 Somit tritt im Fall einer sog. Erwerbstreuhand, bei der ein Treuhänder Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. für einen Treugeber erwirbt183, nach Verwaltungsauffassung sowohl ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel (Treuhänder) als auch ein mittelbarer Gesellschafterwechsel (Treugeber) jeweils zugunsten eines Neugesellschafters ein. Gleichwohl ist hierbei jeweils der nämliche Anteil betroffen, der sowohl unmittelbar als auch mittelbar auf einen Neugesellschafter übergeht. Für Zwecke der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG wird ein und derselbe Anteil bewegt (keine doppelte Zählung). 3.173 Beispiel 26: Die Erwerbstreuhand An der grundbesitzenden G KG sind A und B zu jeweils 50 % beteiligt. B verkauft seinen 50 %-Anteil an C. C hatte sich zuvor im Rahmen einer Erwerbstreuhand gegenüber D verpflichtet, als Treuhänder den Anteil von B für D als Treugeber zu erwerben.

A

B

Veräußerung

C

Treuhand

D

50 %

50 %

G KG

Abb. 15 Der Erwerb des Anteils durch C stellt einen unmittelbaren Übergang des 50 %-Anteils an der G KG auf einen Neugesellschafter dar. Dem Umstand, dass C lediglich Treuhänder ist, kommt hierbei keine Bedeutung zu, da auf unmittelbarer Ebene eine zivilrechtliche Betrachtungsweise vorgenommen wird. Mittelbar geht der von B an C verkaufte 50 %-Anteil an der G KG auf D als Treugeber über. Es erfolgt insoweit ein mittelbarer Übergang auf einen Neugesellschafter, da auf mittelbarer Ebene eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzunehmen ist und dem D als wirtschaftlicher Eigentümer daher der Anteil mittelbar zuzurechnen ist. Dass der 50 %Anteil von B sowohl auf C (unmittelbar) als auch auf D (mittelbar) übergeht, ändert nichts daran, dass insgesamt (nur) ein Übergang von 50 % der Anteile an der G KG auf Neugesellschafter vorliegt. Denn unmittelbar und mittelbar wird der nämliche Anteil an der G KG bewegt. Letzteres ist auch daran erkennbar, dass 50 % der Anteile G KG weiterhin in Altgesellschafterhand (50 %-Anteil von A) gehalten werden. 182 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4. 183 Vgl. hierzu auch Fischer in HHSp, § 39 AO Rz. 250.

226 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.175 Kap. 3

Umstritten ist bei Treuhandstrukturen, ob der Treugeber als mittelbarer Gesellschafter der grundbesitzenden PersGes. bei einem unmittelbaren Erwerb der Anteile der grundbesitzenden PersGes. (wie z.B. der Rückübertragung durch den Treuhänder) als unmittelbarer Altgesellschafter zu klassifizieren ist, wenn er die weiteren Voraussetzungen einer Altgesellschafterstellung erfüllt). Die Finanzverwaltung vertritt, dass der Treugeber bei der Rückübertragung der Anteile auf ihn stets als Neugesellschafter zu beurteilen ist. Auch der BFH bestätigte in einem älteren Verfahren, dass die Rückübertragung von Anteilen an eine grundbesitzenden PersGes. durch den Treuhänder an den Treugeber als ein Übergang von Anteilen auf einen Neugesellschafter zu werten sei.184 Der BFH begründete seine Entscheidung damit, dass kein Bedürfnis für eine einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 2a GrEStG in dem Sinne, dass der Rückerwerb eines zuvor an einen Treuhänder übertragenen Gesellschaftsanteils durch den Treugeber und Altgesellschafter entgegen dem Wortlaut dieses Tatbestands von der Besteuerung auszunehmen ist, bestehe. Denn das GrEStG enthalte bereits zwei Regelungen, die im Ergebnis die Steuerfreistellung derartiger Rückerwerbe bewirken: So sei der Rückerwerb des Anteils durch den Treugeber in analoger Anwendung des § 3 Nr. 8 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, sofern die Steuer für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder den Gesellschaftsanteil erlangt hat, entrichtet worden ist.185

3.174

Unter Beachtung der in den letzten Jahren ergangenen ausdehnenden Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG186 ist allerdings fraglich, ob der BFH heute noch an dieser Auffassung festhalten würde. Denn in der jüngeren Rechtsprechung bestätigte der BFH, dass einerseits einem Treugeber eine mittelbare Gesellschafterstellung zugesprochen wird187 und er deutete auch an, dass der Wechsel eines mittelbaren Altgesellschafters in die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters kein zählquotenrelevanter Vorgang ist188. Diese Entwicklung der Rechtsprechung könnte dafür sprechen, dass die Rückübertragung ggf. keinen schädlichen Gesellschafterwechsel darstellt, wenn der Treugeber zuvor die Tatbestandsvoraussetzungen eines mittelbaren Altgesellschafters erfüllt hat-

3.175

184 BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; entsprechend auch FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596 Rz. 91 nach juris; hierzu auch Behrens, UVR 2017, 315; Joisten, Ubg 2017, 132. Das Revisionsverfahren war beim BFH bis zur Zurücknahme der Revision unter dem Az. II R 3/17 anhängig. 185 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341 Rz. 27; kritisch hierzu mit dem Hinweis, dass die Argumentation des BFH nicht überzeugen könne, zumal § 3 Nr. 8 GrEStG nur unter engen Voraussetzungen anwendbar sei, Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 392; Behrens, UVR 2017, 315 (317). 186 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BFH/ NV 2016, 490; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFH/NV 2018, 291. 187 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 188 Vgl. BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Rz. 18 zur Rechtslage zu § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 6.11.2015. Hier bestätigt der BFH, dass ein Übergang von Anteilen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), nicht ausreiche, um als Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auszulösen.

Broemel | 227

Kap. 3 Rz. 3.175 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

te.189 Bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung von Treuhandstrukturen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl der aktuelle Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG als auch ältere Rechtsprechung des BFH dieser Auffassung widersprechen.

3.176 Die Diskussion, ob ein Treugeber bei der Rückübertragung von an Anteilen an ihn ein Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist, kann vermieden werden, indem vor der Rückübertragung der Anteile eine zweifelsfreie Altgesellschafterstellung des Treugebers sichergestellt wird. Letztere setzt voraus, dass der Treugeber, wenn auch in geringem Umfang, vor der Rückübertragung bereits einen unmittelbaren Anteil hält, welcher aus Sicht der Finanzverwaltung eine Altgesellschafterstellung begründet.190 Eine Altgesellschafterstellung liegt insbesondere vor, wenn der Treugeber bereits seit zehn Jahren an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist. Zur Vermeidung des skizzierten Streitthemas wäre mithin denkbar, dass der Treugeber bereits im Zuge der Begründung der Treuhand einen kleinen Anteil zurückbehält, was jedoch aus außersteuerlichen Gründen regelmäßig nicht gewünscht ist. Alternativ wäre auch denkbar, die Rückübertragung über zehn Jahre zu strecken. In diesem Fall bliebe der Treugeber zwar nicht an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt, aber bei der Rückübertragung würde zunächst nur ein kleiner Anteil an den Treugeber übertragen. Nach Ablauf von zehn Jahren, wenn der Treugeber durch Zeitablauf eine Altgesellschafterstellung erlangt hat, könnten die restlichen Anteile übertragen werden. Ein Anwendungsfall von § 1 Abs. 2a GrEStG läge in diesem Fall nicht vor, da bei der zweiten Übertragung eine unschädliche Übertragung zwischen Altgesellschaftern vorläge. Gleichwohl wäre in diesem Fall zu prüfen, ob die Rückübertragung ggf. einen Anwendungsfall des § 1 Abs. 3/3a GrEStG darstellen könnte. 3.177 Zur Steuerbefreiung der Rückübertragung s. Rz. 3.346. 6. Besonderheiten bei der identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung

3.178 Wenn ein heterogener Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft oder einer Gesellschaft, die an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, vorgenommen wird, stellt sich die Frage, wie sich der Formwechsel auf die Alt- bzw. Neugesellschafterstellung der Gesellschafter (und bei beteiligten Gesellschaften der formgewechselten Gesellschaft selbst) auswirkt. 3.179 Die Finanzverwaltung vertritt im aktuellen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG, dass bei einem Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft die Gesellschafter ihre bis189 Vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1631). 190 Eine vermögensmäßige Beteiligung ist dabei nicht erforderlich. So kann etwa die vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementär-GmbH einer grundbesitzenden KG unter den weiteren Voraussetzungen die Stellung eines Altgesellschafters einnehmen, vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, nicht rechtskräftig (Revision aus offensichtlich anderem Rechtsgrund anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21), online abrufbar auf juris; OFD Nordrhein-Westfalen v. 29.4.2014 – S 4501-2014/4016-St 255, Tz. 1.1; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 382; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 314; Lange/Broemel, DStR 2017, 1625.

228 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.183 Kap. 3

herige Alt- bzw. Neugesellschafterstellung gegenüber der formgewechselten Gesellschaft fortführen. Vor dem Formwechsel erfolgte Gesellschafterwechsel gelten damit nach Verwaltungsansicht auch für die formgewechselte Gesellschaft als relevante Gesellschafterwechsel.191 Bei einem Formwechsel einer beteiligten KapGes. in eine PersGes. sieht der Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vor, dass die formgewechselte PersGes. ihre bisherige Stellung als Alt- bzw. Neugesellschafterin behält. Die Gesellschafter der formgewechselten PersGes. gelten als Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes., allerdings stellt die formwechselnde Umwandlung selbst keinen zählquotenrelevanten Vorgang dar, da es an einem „Übergang von Anteilen“ fehle. Abweichend von ihrer bisherigen Auffassung vertritt die Verwaltung jedoch, dass vorangegangene Anteilsübertragungen auf Neugesellschafter an der formgewechselten PersGes. erstmals in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. einzubeziehen und im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG im Zeitpunkt des Anteilsüberganges zu berücksichtigen sind.192

3.180

Bei einem Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. sieht der Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG wie bisher vor, dass die formgewechselte KapGes. ihre bisherige Stellung als Alt- bzw. Neugesellschafterin behält. Die Gesellschafter der formgewechselten KapGes. verlieren ihre Eigenschaft als Alt- bzw. Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes.193 Abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung werden die Gesellschafter aber nicht Altgesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes.194, sondern führen ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes. fort. Relevante Gesellschafterwechsel bei der bisherigen PersGes. gelten auch für die formgewechselte KapGes. als zu erfassende Gesellschafterwechsel, wenn diese im Zehnjahreszeitraum erfolgt sind.195

3.181

S. vertiefend zu dem Hintergrund der Verwaltungsansicht sowie den Implikationen ihrer Auffassung zu Formwechseln auch Rz. 3.271.

3.182

7. Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung a) Wechsel zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafterstellung aa) Hintergrund Derzeit ist nicht abschließend geklärt, wie ein Vorgang zu bewerten ist, bei dem ein Gesellschafter zwischen einer durch eine PersGes. vermittelten mittelbaren und einer unmittelbaren Gesellschafterstellung in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. wechselt. Dabei sind im Grundsatz zwei Fallkonstellationen denkbar: Der Wechsel eines Gesellschafters von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung und

191 192 193 194 195

Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.1. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2.

Broemel | 229

3.183

Kap. 3 Rz. 3.183 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

der Wechsel eines Gesellschafters von einer unmittelbaren in eine mittelbare Gesellschafterstellung.

3.184 Beispiel 27: An der grundbesitzenden G KG sind A und die B KG zu jeweils 50 % beteiligt. Die Anteile der B KG werden zu 100 % von C gehalten. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seit 10 Jahren. Die vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementär-Gesellschaften werden zwecks Vereinfachung hier und in den weiteren Beispielen in diesem Kapitel nicht berücksichtigt. A veräußert einen 25 %-Anteil an der G KG an C. C veräußert einen 50 %-Anteil an der B KG an A.

C 100 %

Veräußerung

B KG

A

50 %

50 %

G KG

Abb. 16 Da die Beteiligungsstruktur bereits seit 10 Jahren besteht, ist A ein unmittelbarer Altgesellschafter und C ein mittelbarer Altgesellschafter. Infolge der skizzierten Veräußerungsvorgänge kommt es dazu, dass einerseits 25 % der Anteile an der G KG von einem unmittelbaren Altgesellschafter auf einen bisher mittelbaren Altgesellschafter übertragen werden (Verkauf A an C) und andererseits ein mittelbarer 25 %-Anteil an der G KG auf einen unmittelbar beteiligten Gesellschafter übertragen wird (Verkauf C and A). Umstritten ist, ob die Änderung der Stellung zwischen einer mittelbaren und einer unmittelbaren Gesellschafterstellung zu einer Neugesellschafterstellung i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG führen können.

3.185 In älteren Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG hatte die Finanzverwaltung hinsichtlich der Altgesellschaftereigenschaft noch nicht danach differenziert, ob eine Person unmittelbar oder mittelbar Anteile an der grundbesitzenden PersGes. hält.196 Seit dem Erlass aus dem Jahr 2018 unterscheidet die Finanzverwaltung nun jedoch explizit, ob

196 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561 Tz. 2.1 und 3.

230 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.188 Kap. 3

eine Person unmittelbar oder mittelbar als Alt- bzw. Neugesellschafter an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist.197 Die Verwaltung vertritt damit offenbar, dass bei Übertragungsvorgängen zwischen den verschiedenen Beteiligungsebenen zu unterscheiden ist. bb) Der Wechsel von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung Wenn ein bislang mittelbar über eine PersGes. beteiligter Altgesellschafter eine Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. von einem unmittelbaren Altgesellschafter erwirbt, dürfte der mittelbare Altgesellschafter aus Sicht der Finanzverwaltung als erstmaliger unmittelbarer Neugesellschafter zu klassifizieren sein. Denn mit dem Erwerb der unmittelbaren Beteiligung rückt der Gesellschafter erstmalig in die zivilrechtlich dingliche Mitberechtigung am Grundstück ein. In der Konsequenz würde auch im Fall einer doppelstöckigen PersGes., bei der die Untergesellschaft grundbesitzend ist, die Übertragung eines Anteils durch die Obergesellschaft an der Untergesellschaft an ihren Gesellschafter zur Zählquote beitragen. Dass hierbei lediglich eine unmittelbare Verkürzung der Beteiligungskette vorliegt, spielt aus Sicht der Finanzverwaltung offenbar keine Rolle.198

3.186

Die Begründung der Finanzverwaltung für die Berücksichtigung dieses Vorganges als relevanten Gesellschafterwechsel in § 1 Abs. 2a GrEStG liegt vermutlich in der Unterscheidung zwischen einer zivilrechtlich dinglichen Mitberechtigung und einer nur durchgeleiteten Mitberechtigung.199 Im Ergebnis dürfte nach Verwaltungsauffassung der Erwerb von mindestens 90 % unmittelbaren Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. durch bislang mittelbar beteiligte Altgesellschafter einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Gesellschafterwechsel darstellen. Der Erwerbsvorgang kann zwar gem. § 6 Abs. 3 GrEStG vollständig oder anteilig steuerbefreit sein, allerdings wird nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG eine zehnjährige Nachbehaltensfrist ausgelöst, an welche die Steuerbefreiung geknüpft ist.

3.187

Beispiel 28: Der Altgesellschafter aus der zweiten Reihe An der grundbesitzenden G KG ist die A KG zu 100 % beteiligt. Die Anteile der A KG werden zu 100 % von B gehalten. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seit 10 Jahren.

3.188

197 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, Tz. 5.2 ff. 198 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen im Erlass zu Beteiligungskettenverkürzungen bei beteiligten KapGes., die dort ebenfalls vorsehen, dass eine Beteiligungskettenverkürzung schädlich ist, sofern diese die KapGes. betrifft, die der grundbesitzenden Personengesellschaft am nächsten steht. Dabei kommt es der Verwaltung bei beteiligten Kapitalgesellschaften aber offenbar nicht darauf an, ob die unmittelbare Gesellschafterebene betroffen ist, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1. 199 In diesem Sinne dem Vernehmen nach auch die bislang unveröffentlichte Arbeitshilfe der OFD NRW v. 27.6.2016; vgl. kritisch Lange/Broemel, DStR 2017, 1630.

Broemel | 231

Kap. 3 Rz. 3.188 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Im Jahr 1 erwirbt B die Anteile der A KG an der G KG. Im Jahr 4 veräußert B einen Anteil i.H.v. 20 % an C.

B 100 %

A KG

Jahr 1 Erwerb Anteil Jahr 4 durch B Veräußerung 20 % B

100 %

G KG

C

100 %

G KG

Abb. 17 Lösung nach Verwaltungsauffassung: Der Erwerb der Beteiligung an der G KG durch B dürfte aus Sicht der Finanzverwaltung einen Übergang auf einen Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG darstellen, da B erstmals in die Stellung als unmittelbarer Gesellschafter einrückt. Der Vorgang wäre in der Folge nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Es greift die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG i.H.v. 100 %, da B in diesem Umfang bereits seit 10 Jahren an der G KG (mittelbar) beteiligt war. Sofern ein § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Jahr 1 bejaht wird, führt die Veräußerung des 20 %-Anteils an C zu einem Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, der eine rückwirkende Besteuerung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorganges i.H.v. 20 % auslöst.

3.189 Die vorskizzierte Auffassung der Finanzverwaltung wird in der Literatur kritisch gesehen.200 Fraglos kommt es bei dem Wechsel von einer mittelbaren Gesellschafterstellung in eine unmittelbare Gesellschafterstellung zu einem Gesellschafterwechsel (unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes aus zivilrechtlicher Betrachtungsweise). Entscheidend für § 1 Abs. 2a GrEStG ist dabei aber, ob dieser Wechsel zu einem Übergang von Anteilen auf einen Neugesellschafter führt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der erwerbende Gesellschafter ein (mittelbarer) Altgesellschafter ist. Ob diese Altgesellschafterstellung durch eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung

200 Vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1629 f.).

232 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.191 Kap. 3

begründet wurde, darf dabei keine Rolle spielen. Hierauf deutet auch die jüngere BFH-Rechtsprechung jedenfalls zur Rechtslage des § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 6.11.2015 hin. Nach dieser Rechtsprechung reiche ein Übergang von Anteilen der grundbesitzenden PersGes. auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), nicht aus, um als Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden PersGes. den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auszulösen.201 Der BFH bestätigt damit zumindest für eine alte Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG, dass der Wechsel eines mittelbar über eine Gesellschaft beteiligten Altgesellschafters in die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters kein zählquotenrelevanter Vorgang ist. Durch die Kommentierung und Literatur wird diese Auffassung ebenfalls gestützt.202 Bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung des Wechsels eines mittelbaren Altgesellschafters in eine unmittelbare Gesellschafterstellung sollte mithin berücksichtigt werden, dass gute Argumente dafür sprechen, dass dieser Wechsel kein zählquotenrelevanter Vorgang ist, da der Gesellschafter (auch unmittelbarer) Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes. ist. Gleichwohl wird die Finanzverwaltung diese Einschätzung voraussichtlich nicht teilen. Eine mögliche Durchsetzung der Auffassung wäre damit absehbar nur im Klageweg möglich.

3.190

Die vorskizzierte Thematik trifft analog auch auf mittelbare Beteiligungen zu, die durch eine KapGes. vermittelt werden. Bei mittelbaren Beteiligungen über eine KapGes. ergeben sich allerdings u.a. die folgenden zwei Unterschiede: Zum einen vertritt die Finanzverwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG explizit, dass der Anteilseigner einer beteiligten KapGes. lediglich Altgesellschafter in Bezug auf diese KapGes. sein kann, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende PersGes.203 Zu beachten ist jedoch, dass beim BFH gegenwärtig ein Verfahren anhängig ist, welches diese Auffassung in Frage stellt.204 Zum anderen wäre bei einem steuerbaren Wechsel dieses Anteilseigners von einer mittelbaren Gesellschafterstellung in eine unmittelbare Gesellschafterstellung bei der grundbesitzenden PersGes. keine Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG zu gewähren, da die Vorbehaltensfrist gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG durch diesen nicht erfüllt wird. Denn während für Zwecke der Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG bei einer durch eine PersGes. vermittelten Beteiligung auf die dahinterstehenden Gesellschafter abzustellen ist, wird bei einer durch eine KapGes. vermittelten

3.191

201 Vgl. BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Rz. 18. 202 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 828; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 380; Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1629 f.). 203 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1. 204 Das Verfahren ist beim BFH anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21; die Vorinstanz, das FG Niedersachsen, entschied entgegen der Auffassung der Verwaltung, dass ein „Altgesellschafter“ der grundbesitzenden PersGes. nicht als „neuer Gesellschafter“ i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG qualifiziert werden kann, FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257.

Broemel | 233

Kap. 3 Rz. 3.191 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Beteiligung nur die Beteiligung der KapGes. selbst berücksichtigt (keine transparente Durchrechnung).205 cc) Der Wechsel von einer unmittelbaren in eine mittelbare Gesellschafterstellung

3.192 Überträgt ein über eine PersGes. mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligter Altgesellschafter seinen Anteil an einen unmittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten Altgesellschafter, erwirbt Letzterer erstmalig eine durchgeleitete Mitberechtigung an dem Grundbesitz. Fraglich ist, ob die Finanzverwaltung aufgrund einer möglichen Differenzierung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungsebene den bislang nur unmittelbar beteiligten Altgesellschafter zusätzlich als mittelbaren Neugesellschafter betrachtet. In der Folge wäre der Übertragungsvorgang bei der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG mitzuberücksichtigen. Bei einem schädlichen Gesellschafterwechsel würde der Vorgang durch § 6 Abs. 3 GrEStG insoweit zwar steuerfrei sein, durch die zehnjährige Nachbehaltensfrist würden zukünftige Maßnahmen allerdings wiederum beschränkt werden. Die Erfassung des Wechsels von einer unmittelbaren Altgesellschafterstellung in eine mittelbare Gesellschafterstellung wäre aber nicht sachgerecht. Zum einen führt dieser Wechsel wiederum zu keinem Übergang von Anteilen auf einen Neugesellschafter. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der nun auch mittelbare Gesellschafter nicht erstmalig in die Mitberechtigung am Grundstück einrückt. Er war bislang zivilrechtlich dinglich an dem Grundbesitz der PersGes. mitberechtigt und verstärkt durch seinen Erwerb diese Rechtsposition nicht.206 b) Personengesellschaften als Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG aa) Unmittelbar beteiligte PersGes.

3.193 Die unmittelbare Beteiligung einer PersGes. an der grundbesitzenden PersGes. stellt aufgrund der zivilrechtlichen Betrachtungsweise bei unmittelbaren Gesellschafterwechseln einen nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zählquotenrelevanten Vorgang dar (s. zu unmittelbaren Gesellschafterwechseln auch Rz. 3.114).207 205 Im Grundsatz wird für die Befreiung in § 6 Abs. 3 GrEStG auf die unmittelbar beteiligten Gesellschafter abgestellt. Eine Ausnahme gilt allerdings für Erwerbsvorgänge bei sog. doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand ihrerseits Gesellschafterin an der übertragenden Gesamthand ist und damit die Beteiligung an einer Gesamthand durch die Beteiligung an der anderen Gesamthand vermittelt wird. In letzteren Fällen ist Zurechnungssubjekt nicht die Gesamthand als solche, sondern die am Vermögen der Gesamthand beteiligten (mittelbaren) Gesellschafter; vgl. u.a. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 40. 206 Vgl. Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (186). 207 Vgl. zur ständigen Rechtsprechung mit weiteren Nachweisen z.B. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 791.

234 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.195 Kap. 3

Dies hat der BFH bereits ausdrücklich in einem Verfahren entschieden, in dem eine Kommanditbeteiligung an einer grundbesitzenden KG auf eine andere PersGes. übertragen wurde, an welcher der bisher unmittelbar beteiligte Gesellschafter 100%iger Gesamthänder war.208 Der BFH wertete diese Übertragung als einen Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter. Auch die Finanzverwaltung betrachtet PersGes., die sich erstmals unmittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligen, als neue Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG.209

3.194

Beispiel 29: Die unmittelbar zwischengeschaltete PersGes. An der grundbesitzenden G KG ist A zu 100 % beteiligt. Die Beteiligungsstruktur besteht bereits seit über zehn Jahren. A bringt seine Beteiligung in die bisher nicht an der G KG beteiligte A KG ein, an der A ebenfalls zu 100 % beteiligt ist.

3.195

A 100 %

A KG

A 100 %

G KG

100 %

G KG

Abb. 18 Die Beteiligung der A KG an der G KG stellt einen unmittelbaren Übergang der von 100 % der Anteile an der G KG auf die A KG als Neugesellschafter dar. Der Umstand, dass A weiterhin (mittelbar) zu 100 % an der G KG beteiligt ist, ändert an der Steuerbarkeit des Vorganges nichts. Gleichwohl rechtfertigt die fortbestehende (mittelbare) Beteiligung von A eine Steuerbefreiung des Vorganges gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG i.H.v. 100 %.

208 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; a.A. Behrens/Bock, DStR 2012, 1307. 209 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.2.1.

Broemel | 235

Kap. 3 Rz. 3.196 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

bb) Mittelbar beteiligte Personengesellschaften

3.196 Nicht abschließend geklärt ist, ob eine PersGes., die mittelbar an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt wird, selbst als mittelbarer Gesellschafter gilt und bei der Zählquote nach § 1 Abs. 2a GrEStG berücksichtigt wird. Abweichend hiervon könnte auch vertreten werden, dass mittelbare PersGes. in Anlehnung an den Regelungszusammenhang in §§ 5, 6 GrEStG für die Zählquote nach § 1 Abs. 2a GrEStG ignoriert werden und lediglich auf die hinter der PersGes. stehenden Gesellschafter abgestellt wird. Schließlich werden Änderungen an einer PersGes., die an der grundbesitzenden PersGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ohnehin anteilig berücksichtigt. Wenn man dieser Auffassung folgt, ist die mittelbare Zwischenschaltung einer PersGes. für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG unbeachtlich.210 3.197 Die Finanzverwaltung vertritt im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG, dass eine PersGes. als Rechtsträger auch bei einem mittelbaren Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden PersGes. beachtlich ist. Auf die hinter ihr stehenden Gesellschafter kommt es nach dieser Auffassung für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht an, wenn die PersGes. selbst ein mittelbarer Neugesellschafter ist. Damit ist nach Verwaltungsauffassung auch die Zwischenschaltung einer PersGes. bei der Zählquote des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen.211 Wenn die mittelbare Zwischenschaltung einer PersGes. zu einem nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang führt, ist für die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG allerdings nicht auf die PersGes., sondern auf die hinter ihr stehenden Gesellschafter abzustellen.212 Wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG eingehalten werden, kann die Zwischenschaltung der PersGes. mithin vollständig steuerbefreit sein. Gleichwohl geht die Steuerbefreiung mit dem Nachteil der zehnjährigen Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG einher. 3.198 Beispiel 30: Die mittelbar zwischengeschaltete PersGes. An der grundbesitzenden G KG ist die A KG zu 100 % beteiligt. An der A KG ist wiederum die natürliche Person B zu 100 % beteiligt. Die Beteiligungsstruktur besteht bereits seit über zehn Jahren. B überträgt seine Beteiligung an der A KG auf die C KG, an welcher er ebenfalls zu 100 % beteiligt ist.

210 So. z.B. Joisten, DStZ 2016, 275 f. 211 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.2. 212 Vgl. Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 40.

236 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.199 Kap. 3

B 100 %

CA KG

B

100 %

100 %

A KG

A KG

100 %

G KG

100 %

G KG

Abb. 19 Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt der Erwerb des Anteils der A KG an der G KG durch die C KG zu einem mittelbaren Übergang der Anteile an der G KG auf die C KG als mittelbarer Neugesellschafter. Der Umstand, dass B an der C KG zu 100 % beteiligt ist, dürfte hieran nichts ändern. Die Zwischenschaltung der C KG ist damit nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbar. Der grunderwerbsteuerbare Vorgang wird nach § 6 Abs. 3 GrEStG zu 100 % von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Steuerbefreiung wird jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG rückwirkend versagt, soweit die (mittelbare) Beteiligung von B an der G KG innerhalb der nachfolgenden zehn Jahre vermindert wird.

Ob dieses Besteuerungsergebnis sachgerecht ist, kann angezweifelt werden. Denn Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a GrEStG ist es, Gesellschafterwechsel hinsichtlich der grundbesitzenden PersGes. einer Besteuerung zu unterwerfen.213 Die Zwischenschaltung der C KG führt vorliegend aber zu keiner Änderung hinsichtlich der an ihr beteiligten Gesellschafter. Sollten die durch die C KG an der G KG vermittelten Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, wird dies ohnehin aufgrund der transparenten Betrachtung von PersGes. berücksichtigt. Da im Beispiel B weiterhin an der G KG zu 100 % mittelbar beteiligt ist, ergibt sich insoweit keine Änderung hinsichtlich der 213 In diesem Sinne auch zuletzt BT-Drucks. 19/13437, S. 12.

Broemel | 237

3.199

Kap. 3 Rz. 3.199 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

am Grundbesitz berechtigten Gesellschafter. Dass die C KG dennoch als eigenständiger mittelbarer Neugesellschafter erfasst wird, ist vor diesem Hintergrund nicht zwingend erforderlich. Als Missbrauchsvermeidungsnorm sollte § 1 Abs. 2a GrEStG nicht ohne Not über den Missbrauchszweck hinaus ausgelegt werden.

3.200 Beispiel 31: Die mittelbar zwischengeschaltete PersGes. mit teilweise neuen Gesellschaftern An der grundbesitzenden G KG ist die A KG zu 100 % beteiligt. An der A KG ist wiederum die natürliche Person B zu 100 % beteiligt. Die Beteiligungsstruktur besteht bereits seit über zehn Jahren. B verkauft seine Beteiligung an der A KG auf die C KG, an welcher B und D zu 50 % beteiligt sind.

B

D 50 %

50 %

CA KG

B 100 %

A KG 100 %

G KG

100 %

A KG 100 %

G KG

Abb. 20 Nach Verwaltungsauffassung ist der Übertragungsvorgang wie oben beschrieben steuerbar, da die C KG als Neugesellschafter gilt und mithin 100 % der Anteile an der G KG mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen. Sachgerecht wäre indes, darauf abzustellen, inwieweit mittelbar Anteile an der G KG auf (natürliche oder juristische Personen) als neue Gesellschafter übergegangen sind. Dies ist vorliegend hinsichtlich D im Umfang von 50 % der Fall. Ein (mittelbarer) Übergang von 50 % der Anteile auf Neugesellschafter löst jedoch keinen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang aus.

238 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.205 Kap. 3

Bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung von erstmals mittelbar beteiligten PersGes. ist mithin zu berücksichtigen, dass die Finanzverwaltung die erstmalige mittelbare Beteiligung einer PersGes. als zählquotenrelevanten Vorgang für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG ansieht. Auch wenn mit Blick auf den Charakter einer Missbrauchsvermeidungsnorm Argumente dafür bestehen, dass die mittelbare Beteiligung der PersGes. unbeachtlich ist, ist denkbar, dass auch die Rechtsprechung die mittelbare Beteiligung als einen zählquotenrelevanten Vorgang für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG klassifiziert.

3.201

c) Verkürzung von Beteiligungsketten aa) Zum Begriff der Beteiligungskettenverkürzung und ihre Relevanz für § 1 Abs. 2a GrEStG Verkürzungen der Beteiligungskette beschreiben den Vorgang, dass eine unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte Gesellschaft ausscheidet und sich hierdurch die „Kette“ der an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten Gesellschafter um die ausscheidende Gesellschaft verkürzt. Die Gesellschafter der ausscheidenden Gesellschaft rücken gedanklich eine Stufe näher an die grundbesitzende Gesellschaft heran.

3.202

Der Wegfall einer Gesellschaft führt notwendigerweise dazu, dass sich die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft, an der die entfallende Gesellschaft beteiligt war, verändert. Die ehemaligen Gesellschafter der entfallenen Gesellschaft werden Gesellschafter der Gesellschaft, an der die entfallene Gesellschaft beteiligt war. Fraglich ist, wie diese Verschiebungen von Gesellschaftsanteilen im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG zu behandeln ist.

3.203

bb) Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Kapitalgesellschaften Die Finanzverwaltung vertritt, dass die Eigenschaft als Altgesellschafterin einer unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten KapGes. erhalten bleibe, wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten KapGes. verkürzt. Eine solche Beteiligungskette liege vor, soweit KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl KapGes. als auch PersGes. beteiligt sind. Bei PersGes. in der Kette sei zu beachten, dass die 90%ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist. Bei der Verkürzung der Kette müsse die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. erhalten bleiben.214

3.204

Der Hintergrund für die Sichtweise der Finanzverwaltung, dass die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. erhalten bleiben muss, mag in der

3.205

214 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1; OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.6.2 unter analoger Anwendung des BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; v. 29.2.2012 – II R 57/99, BStBl. II 2009, 917; kritisch hierzu Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.2.

Broemel | 239

Kap. 3 Rz. 3.205 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Besonderheit liegen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung Gesellschafter einer beteiligten KapGes. keine Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. sein können.215 Gesellschafter der beteiligten KapGes. können nach Ansicht der Finanzverwaltung allenfalls Altgesellschafter in Bezug auf diese KapGes. sein.216 Gedanklich endet daher aus Verwaltungssicht die Betrachtung von (mittelbaren) Altgesellschaftern aus der Perspektive der grundbesitzenden PersGes. bei der KapGes., die ihr am nächsten steht. Wenn nun diese KapGes. wegfällt und an ihre Stelle die Gesellschafter der entfallenden KapGes. treten, kommt es insoweit konsequent aus Verwaltungssicht zu einem Gesellschafterwechsel auf neue Gesellschafter. Dabei dürfte es aus Sicht der Finanzverwaltung auch irrelevant sein, ob die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. unmittelbar oder nur mittelbar (über eine PersGes.) an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt war.217 Denn in beiden Fällen treten der grundbesitzenden PersGes. aus Sicht der Verwaltung unmittelbar oder mittelbar neue Gesellschafter, nämlich die Gesellschafter der entfallenden KapGes., bei.

3.206 Die Sichtweise der Verwaltung ist anzuzweifeln. Näherliegend ist es, dass auch Gesellschafter der KapGes. Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. sein können. Wenn dies aber der Fall ist, dürfte auch der Wegfall einer mittelbaren KapGes. keine Relevanz für die Zählquote haben, wenn an ihre Stelle lediglich andere Altgesellschafter treten. Das FG Niedersachsen entschied kürzlich entgegen der Auffassung der Verwaltung, dass ein „Altgesellschafter“ der grundbesitzenden PersGes. nicht als „neuer Gesellschafter“ i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG qualifiziert werden kann.218 Wenn sich diese Auffassung bestätigt und vice versa Altgesellschafter einer beteiligten KapGes. zugleich Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. sind, sollte die Finanzverwaltung ihre Auffassung überdenken, dass bei einer Beteiligungskettenverkürzung die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. tatsächlich bestehen bleiben müsse, damit die Verkürzung keinen zählquotenrelevanten Vorgang darstellt. 3.207 Auch die Sichtweise, dass die KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sein müssen, erschließt sich vor dem Hintergrund der vorbeschriebenen Erwägungen zur Altgesellschafterstellung nicht. Denn wenn eine KapGes. in der Beteiligungskette wegfällt und an ihre Stelle ihre bisherigen Anteilseigner treten, kann die Relevanz dieses Vorganges m.E. nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Beteiligung i.H.v. 90 % bestand. Das Erfordernis einer 90 %-Beteiligung mag bei Beteiligungskettenverkürzungen im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG relevant sein, da es bei Beteiligungen unter 90 % im Zuge der Beteiligungskettenverkürzung zur erstmaligen Anteilsvereinigung bei einem Rechts215 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1. 216 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.2. 217 So spricht der Erlass in diesem Kontext auch von der der grundbesitzenden Personengesellschaft am nächsten stehenden Kapitalgesellschaft, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1. 218 FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257; Revision beim BFH anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21.

240 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.209 Kap. 3

träger kommen kann.219 Die Finanzverwaltung hat diesen Gedanken womöglich für die Beurteilung von Beteiligungskettenverkürzungen im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG übernommen. Bei Gesellschafterwechseln ist in § 1 Abs. 2a GrEStG allerdings allein entscheidend, ob die Gesellschafter als Alt- oder Neugesellschafter zu klassifizieren sind. Ob ein Altgesellschafter zuvor 90 % der Anteile oder weniger einer beteiligten KapGes. hielt, darf dabei m.E. keine Rolle spielen. Dass die Forderung, dass die KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sein müssen, ungerechtfertigt ist, wird letztlich auch dadurch belegt, dass bei einer Beteiligung von unter 90 % die Voraussetzungen für eine Beteiligungskettenverkürzung ohne Weiteres geschaffen werden können, indem die Beteiligung auf 90 % aufgestockt wird.

3.208

Beispiel 32: Beteiligungskettenverkürzung nach Aufstockung An der grundbesitzenden G KG sind A zu 30 % und die B GmbH zu 70 % beteiligt. Gesellschafter der B GmbH sind die C GmbH zu 25 % und D GmbH zu 75 %. Alleiniger Anteilseigener der D GmbH ist die E GmbH. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seitdem die G KG ihr Grundstück erworben hat.

3.209

Die D GmbH wird auf die B GmbH verschmolzen. Anschließend erwirbt die E GmbH den 25 %-Anteil der C GmbH an der B GmbH. Abwandlung: Die D GmbH erwirbt den 25 %-Anteil der C GmbH an der B GmbH. Anschließend wird die D GmbH auf die B GmbH verschmolzen.

E GmbH 100 % C GmbH

D GmbH 25 %

75 %

B GmbH

A 30 %

Verschmelzung auf Tochter

70 %

G KG

Abb. 21 219 Anders bei einer nicht steuerbaren Anteilsverstärkung, vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1162.

Broemel | 241

Kap. 3 Rz. 3.209 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Im Ausgangsfall liegt aus Sicht der Finanzverwaltung eine schädliche Beteiligungskettenverkürzung vor, da die C GmbH nur zu 75 % an der B GmbH beteiligt ist. Die E GmbH gilt mithin als Neugesellschafter in Bezug auf die B GmbH. Unter Berücksichtigung des nachfolgenden Erwerbs der Anteile von der C GmbH gehen 100 % der Anteile an der B GmbH auf Neugesellschafter über, sodass die B GmbH in der Folge als Neugesellschafterin gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gilt. In Bezug auf die G KG tritt ein Gesellschafterwechsel auf einen Neugesellschafter i.H.v. 70 % ein. In der Abwandlung löst der Erwerb des Anteils der D GmbH an der B GmbH durch die C GmbH keine grunderwerbsteuerlichen Folgen aus. Die nachfolgende Verschmelzung stellt aus Sicht der Verwaltung eine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung dar, da die C GmbH an der B GmbH zu 100 % beteiligt ist. Die E GmbH gilt als Altgesellschafter in Bezug auf die B GmbH. In Bezug auf die G KG tritt mithin kein Gesellschafterwechsel auf einen Neugesellschafter ein.

3.210 Bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung von Verkürzungen der Beteiligungskette sind mithin die restriktiven Anforderungen der Finanzverwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG stets zu berücksichtigen. Auch wenn wie aufgezeigt Argumente dafürsprechen, dass einzelne Positionen der Verwaltung streitbar sind, wäre eine mögliche Durchsetzung der oben skizzierten Auffassungen absehbar nur im Klageweg möglich. 3.211 Ungeklärt ist zuletzt auch die Frage, ob Gesellschafter als Neu- oder Altgesellschafter zu klassifizieren sind, wenn sie Neugesellschafter in Bezug auf eine KapGes. sind, welche anschließend im Zuge einer Beteiligungskettenverkürzung auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen wird: 3.212 Beispiel 33: Neugesellschafter einer hochverschmolzenen Tochtergesellschaft An der grundbesitzenden G KG ist die A GmbH zu 100 % beteiligt. Alleiniger Anteilseigner der A GmbH ist die B GmbH. Alleiniger Anteilseigner der B GmbH ist die C GmbH. Anteilseigner der C GmbH sind D zu 75 % und E zu 25 %. D hat erst kürzlich seinen Anteil an der C GmbH erworben und ist daher Neugesellschafter. Ansonsten besteht die Beteiligungsstruktur in dieser Form bereits seitdem die G KG ihr Grundstück erworben hat. Die C GmbH wird auf die B GmbH verschmolzen.

242 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.213 Kap. 3

Neugesellschafter D

E

75 %

25 % C GmbH 100 %

Verschmelzung auf Tochter

B GmbH 100 % A GmbH 100 %

G KG

Abb. 22 Die Verschmelzung der C GmbH auf die B GmbH stellt aus Sicht der Verwaltung eine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung dar, da die C GmbH an der B GmbH zu 100 % beteiligt ist. Fraglich ist, ob D als Neugesellschafter oder als Altgesellschafter in Bezug auf die B GmbH gilt.

cc) Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Personengesellschaften Beteiligungskettenverkürzungen bei beteiligten PersGes. dürften zumindest dann keinen Einfluss auf die Zählquote in § 1 Abs. 2a GrEStG nehmen, wenn sie nur mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind. Denn in diesem Fall verbleiben die Gesellschafter der entfallenden PersGes. in ihrer Position als mittelbare Alt- bzw. Neugesellschafter und rücken lediglich eine Position in ihrer mittelbaren Stellung auf.220

220 Vgl. zur Unbeachtlichkeit von Wechseln zwischen mittelbaren Beteiligungsstufen auch Broemel/Lange, DStR 2017, 185 (186).

Broemel | 243

3.213

Kap. 3 Rz. 3.214 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.214 Beispiel 34: Beteiligungskettenverkürzung einer mittelbar beteiligten PersGes. An der grundbesitzenden G KG ist die A KG zu 100 % beteiligt. An der A KG ist die B KG zu 100 % beteiligt. An der B KG ist die C KG zu 100 % beteiligt. An der C KG sind D und E zu jeweils 50 % beteiligt. Die C KG wird auf die B KG verschmolzen.

D

E

50 %

50 %

C KG 100 % Verschmelzung auf Tochter B KG 100 %

A KG 100 %

G KG

Abb. 23 Die Verschmelzung der C KG auf die B KG dürfte aus Sicht der Verwaltung eine für die Zählquote unbeachtliche Beteiligungskettenverkürzung darstellen. D und E als mittelbare Altoder Neugesellschafter behalten ihren mittelbaren Gesellschafterstatus und rücken lediglich eine Position in ihrer mittelbaren Gesellschafterstellung auf.

3.215 Sofern im Zuge der Beteiligungskettenverkürzung eine unmittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte PersGes. entfällt, ist nicht abschließend geklärt, ob dies 244 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.216 Kap. 3

einen für § 1 Abs. 2a GrEStG zählquotenrelevanten Vorgang darstellt. Die OFD Nordrhein-Westfalen vertrat in der Vergangenheit, dass der sich dabei vollziehende unmittelbare Gesellschafterwechsel als kein Übergang auf einen Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zu behandeln ist, wenn die mittelbar beteiligte PersGes. als mittelbare Altgesellschafterin zu klassifizieren ist.221 Im aktuellen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG nimmt die Finanzverwaltung hierzu keine Stellung.222 Sie könnte in diesem Fall den Standpunkt vertreten, dass die für die entfallende PersGes. eintretenden Gesellschafter als Neugesellschafter zu klassifizieren sind, soweit sie erstmals in die unmittelbare Gesellschafterstellung eintreten. Dabei würde die Verwaltung aber vernachlässigen, dass es bei dem Wechsel von einer mittelbaren Gesellschafterstellung in eine unmittelbare Gesellschafterstellung entscheidend darauf ankommt, ob dieser Wechsel zu einem Übergang von Anteilen auf einen Neugesellschafter führt. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der erwerbende Gesellschafter ein (mittelbarer) Altgesellschafter ist. Ob diese Altgesellschafterstellung durch eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung begründet wurde, darf dabei keine Rolle spielen. Hierauf deutet auch die jüngere BFH-Rechtsprechung zumindest für die Rechtslage zu § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 6.11.2015 hin, nach der ein Übergang von Anteilen der grundbesitzenden PersGes. auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), nicht ausreiche, um als Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden PersGes. den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auszulösen.223 Durch die Kommentierung und Literatur wird dies ebenfalls gestützt (s. hierzu auch im Detail Rz. 3.186 ff.).224 d) Rechtsunsicherheiten bei der mittelbaren Gesellschafterstellung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen Erwirbt ein Neugesellschafter das wirtschaftliche Eigentum an 90 % der Anteile einer grundbesitzenden PersGes., stellt dies einen mittelbaren Übergang eben jener 90 % auf einen Neugesellschafter dar, welcher den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst (zu den Grundsätzen zum mittelbaren Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden s. Rz. 3.126). Wenn dieser Neugesellschafter anschließend das zivilrechtliche Eigentum an den nämlichen Anteilen erwirbt, stellt sich die Frage, ob dies ein zweites Mal den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auslösen kann.225

221 Vgl. die nicht mehr gültige Verfügung der OFD NRW v. 29.4.2014, Rz. 1.7, Beispiel 10. 222 So auch z.B. Fleischer/Keul, Stbg 2019, 104 (107); Behrens vertritt hingegen, dass sich auch implizit aus dem Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG ergebe, dass eine Beteiligungskettenverkürzung bei Personengesellschaften auch aus Sicht der Finanzverwaltung unschädlich ist, Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.1. 223 Vgl. BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Rz. 18. 224 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 828; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 380; Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1629 f.). 225 Vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1628 f.); Joisten, DStZ 2016, 280 f.

Broemel | 245

3.216

Kap. 3 Rz. 3.217 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.217 Obwohl der Erwerber infolge des schädlichen grunderwerbsteuerbaren Gesellschafterwechsels beim Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums mittelbarer Altgesellschafter wird, dürfte aus Sicht der Finanzverwaltung beim anschließenden Erwerb der unmittelbaren Beteiligung eine solche Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer eintreten. Denn nach Verwaltungsauffassung gilt auch der vergleichbare Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile zurückübertragen werden, als Neugesellschafter.226 Auch die Rechtsprechung sprach sich im Kontext der Treuhand in der Vergangenheit dafür aus, dass beim Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden PersGes. durch den Treugeber ein zählquotenrelevanter Vorgang vorliege.227 Unter Beachtung der in den letzten Jahren ergangenen ausdehnenden Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG228 ist allerdings fraglich, ob der BFH heute noch an dieser Auffassung festhält. Denn in der jüngeren Rechtsprechung bestätigte der BFH, dass einerseits einem Treugeber eine mittelbare Gesellschafterstellung zugesprochen wird229 und er deutete auch an, dass der Wechsel eines mittelbaren Altgesellschafters in die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters kein zählquotenrelevanter Vorgang ist230. Unter Beachtung dieser jüngeren Rechtsprechung könnte daher in Betracht kommen, dass die Rückübertragung keinen schädlichen Gesellschafterwechsel darstellt, wenn der Treugeber zuvor die Tatbestandsvoraussetzungen eines mittelbaren Altgesellschafters erfüllt hatte.231 3.218 Die Auffassung der Finanzverwaltung vernachlässigt daher, dass im Zuge des Gesellschafterwechsels kein Übergang auf Neugesellschafter erfolgt, sondern lediglich ein Altgesellschafter von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung einrückt.232 Wenn ein zweiter steuerbarer Vorgang bejaht wird, ist eine Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG ausgeschlossen, zumal nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgänge nicht vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 GrEStG erfasst sind. Ob in diesen Fällen ggf. eine Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zu ge-

226 Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4. 227 BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; so auch FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596 Rz. 91 nach juris; das Revisionsverfahren war beim BFH bis zur Zurücknahme der Revision unter dem Az. II R 3/17 anhängig. 228 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BFH/ NV 2016, 490; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BFH/NV 2018, 291. 229 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 230 Vgl. BFH v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318 Rz. 18 zur Rechtslage zu § 1 Abs. 2a GrEStG vor dem 6.11.2015. Hier bestätigt der BFH, dass ein Übergang von Anteilen der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), nicht ausreiche, um als Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG auszulösen. 231 Vgl. Lange/Broemel, DStR 2017, 1625 (1631). 232 A.A. FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596; hierzu auch Behrens, UVR 2017, 315; Joisten, Ubg 2017, 132.

246 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.220 Kap. 3

währen sein könnte, ist nicht abschließend geklärt.233 Allerdings hat der BFH erst kürzlich entschieden, dass einem Treugeber trotz seiner wirtschaftlichen Beteiligung an einer PersGes. mangels einer Beteiligung keine Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG zusteht. Ein Treuhandverhältnis allein reiche nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand zuzurechnen.234 Stattdessen wendete der BFH die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG zuletzt lediglich zu Lasten des Steuerpflichtigen aus.235 Dies deutet in der Gesamtschau darauf hin, dass einem mittelbaren Gesellschafter aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen keine Steuervergünstigung nach §§ 5, 6 GrEStG zugesprochen werden kann. Ungeklärt ist auch die Frage, ob ein mittelbarer Übergang von Anteilen nur durch die erstmalige Einräumung des wirtschaftlichen Eigentums durch eine unmittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte Person erfolgen kann oder ob auch die Weitergabe des erlangten wirtschaftlichen Eigentums durch den mittelbaren Gesellschafter an eine andere Person als ein (erneuter) mittelbarer Übergang der Anteile zu werten ist. Die Finanzverwaltung dürfte Letzteres vertreten, zumal sie z.B. auch den Wechsel eines Treugebers bei Treuhandverhältnissen als einen mittelbaren Übergang von Anteilen auf Neugesellschafter klassifiziert.236 Für eine Erfassung entsprechender Sachverhalte spricht indes auch, dass der neue wirtschaftliche Eigentümer hinreichend an der Wertteilhabe am Grundbesitz der PersGes. beteiligt ist.

3.219

Ebenfalls ungeklärt ist, ob der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums für die Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG unbeachtlich ist, wenn er durch einen bereits mittelbar beteiligten Altgesellschafter erfolgt. Sowohl der über eine beteiligte PersGes. mittelbar Beteiligte als auch der Gesellschafter, dem aufgrund von wirtschaftlichem Eigentum Anteile zuzurechnen sind, sind mittelbare Gesellschafter. Der Unterschied zwischen ihnen mag darin liegen, dass der eine über eine oder mehrere PersGes. „durchgeleitet“ an der Mitberechtigung am Grundbesitz der PersGes. einrückt, während der andere durch schuldrechtliche Abreden ein wirtschaftliches Eigentum an einem Gesellschaftsanteil hält und hierdurch an der Wertteilhabe an dem Grundbesitz der PersGes. teilnimmt. Da der über PersGes. vermittelten Mitberechtigung eine andere rechtliche Qualität als der durch schuldrechtliche Verträge vermittelten Wertteilhabe zukommt, ist unsicher, ob die Finanzverwaltung die mittelbare Beteiligung mittels des wirtschaftlichen Eigentums als weitere Kategorie neben der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung stellt. In diesem Fall könnte der Erwerb des wirtschaft-

3.220

233 Vgl. auch eine Entscheidung des FG Hamburg, in dem dies exemplarisch für die Übertragung von Anteilen durch den Treuhänder auf den Treugeber bejaht wurde, FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596, das Revisionsverfahren war beim BFH bis zur Zurücknahme der Revision unter dem Az. II R 3/17 anhängig; zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anwendungsbereich der grunderwerbsteuerlichen Steuerbefreiungen siehe auch Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342; kritisch hierzu Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 16. 234 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFH/NV 2022, 999. 235 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521. 236 Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4.

Broemel | 247

Kap. 3 Rz. 3.220 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

lichen Eigentums durch einen bisher mittelbaren Altgesellschafter bei der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen sein. In der Folge wäre nur lediglich der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums durch eine Person, die bereits zuvor wirtschaftliches Eigentum an Anteilen der grundbesitzenden PersGes. innehat, für die Zählquote unbeachtlich.237

3.221 Unklar ist schließlich, ob nur das wirtschaftliche Eigentum an einem unmittelbaren Anteil eine mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. begründen kann, oder ob dies auch für Anteile gilt, die selbst nur eine mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. vermitteln. Gegen Letzteres spricht, dass die Finanzverwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG herausstellt, dass entscheidend für die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Eigentums bei § 1 Abs. 2a GrEStG sei, ob einem anderen als dem unmittelbar Beteiligten durch die schuldrechtlichen Abreden die Wertteilhabe an dem Grundbesitz der PersGes. zukomme.238 Wenn der Erlass darauf abstellt, dass die Wertteilhabe einem anderen als dem unmittelbar Beteiligten zukommen muss, könnte hieraus abgeleitet werden, dass das wirtschaftliche Eigentum auch nur für den unmittelbaren Anteil an einer grundbesitzenden PersGes. zu berücksichtigen ist. Nach dieser Sichtweise würde kein mittelbarer Übergang von Anteilen i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG vorliegen, wenn das wirtschaftliche Eigentum an Anteilen eingeräumt wird, die selbst nur eine mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. vermitteln.239 Wahrscheinlicher erscheint jedoch, dass die Finanzverwaltung auch bei mittelbaren Anteilen an einer grundbesitzenden PersGes. einen Gesellschafterwechsel unterstellen wird, wenn das wirtschaftliche Eigentum an diesen Anteilen auf einen Dritten übertragen wird. Denn aus Sicht der Verwaltung wird es vermutlich allein darauf ankommen, ob wirtschaftlich ein Anteil übergeht, unabhängig davon, ob dieser Übergang auf der unmittelbaren oder mittelbaren Ebene erfolgt. Anderenfalls würde es genügen, Gestaltungen mit dem wirtschaftlichen Eigentum von der unmittelbaren in die mittelbare Gesellschafterebene zu verlegen, um einen mittelbaren Gesellschafterwechsel zu vermeiden. 8. Gestaltungsüberlegungen zur Herstellung einer Altgesellschafterstellung a) Veräußerung sämtlicher Anteile ohne Auslösung des § 1 Abs. 2a GrEStG

3.222 Der Erwerb einer vermögensmäßigen Beteiligung i.H.v. 90 % oder mehr an einer grundbesitzenden PersGes. stellt einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar, da 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. 3.223 Nach ausdrücklicher Auffassung der Finanzverwaltung gilt als unmittelbarer Altgesellschafter, wer im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks an der den Grundbesitz erwerbenden PersGes. beteiligt war.240 Mittelbarer Altgesellschafter ist entsprechend, wer im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks über eine

237 238 239 240

Vgl. Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (188). Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2. Vgl. Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (188). Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.1.

248 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.226 Kap. 3

oder mehrere PersGes. beteiligt war.241 Diesen Umstand kann sich der Steuerpflichtige zunutze machen, um gezielt eine Altgesellschafterstellung von Gesellschaftern herzustellen. Erforderlich für die Herstellung einer Altgesellschafterstellung ist, dass eine Übertragung des Grundstücks auf eine PersGes. erfolgt, an der der relevante Gesellschafter bereits vorher beteiligt ist. Zwar stellt die Grundstücksübertragung als solche einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer Übertragung eines Grundstücks von einer PersGes. auf eine PersGes. die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG (anteilig) zur Anwendung kommen können. Bei Erfüllung der relevanten Vorbehaltensfristen ist der Übertragungsvorgang in dem Umfang von der Grunderwerbsteuer befreit, in dem die einzelnen Gesellschafter der übertragenden PersGes. vermögensmäßig sowohl an der übertragenden PersGes. als auch an der aufnehmenden PersGes. beteiligt sind (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Die Steuerbefreiung kann der Klassifikation sämtlicher Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft als Altgesellschafter nicht entgegenstehen. Die Finanzverwaltung stellt in diesem Zusammenhang zu Recht ausdrücklich auf den Erwerb als steuerbaren Vorgang ab, nicht jedoch auf eine etwaige Steuerpflicht des Übertragungsvorganges.

3.224

Die Höhe der vermögensmäßigen Beteiligung des bisher nicht beteiligten Gesellschafters an der aufnehmenden PersGes. beeinflusst mithin unmittelbar den Umfang der Steuerbefreiung des Übertragungsvorganges. Zu beachten ist jedoch, dass es für die Begründung einer Altgesellschafterstellung durch den Gesellschafter, der bisher kein Altgesellschafter ist, genügt es, dass er im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung dem Grunde nach ein Gesellschafter der aufnehmenden PersGes. ist. Es genügt mithin die dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen. Die vermögensmäßige Beteiligung an der PersGes. ist nicht bedeutend. So kann auch die vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementärin einer grundbesitzenden PersGes. eine Altgesellschafterstellung in Bezug auf die PersGes. erlangen.242

3.225

Beispiel 35: Der neue Alte An der grundbesitzenden G KG sind A und B zu jeweils 50 % seit mehr als zehn Jahren beteiligt. C soll an der Gesellschaft beteiligt werden, wobei gewünscht ist, dass er für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG die Stellung eines Altgesellschafters einnimmt. C tritt der G KG als vermögensmäßig nicht beteiligter Gesellschafter bei. Anschließend gründet die G KG eine Tochtergesellschaft G2 KG, an der die G KG vermögensmäßig zu 100 % beteiligt ist. Zweiter Gesellschafter der G2 KG ist die vermögensmäßig nicht beteiligte D GmbH. Im Anschluss überträgt die G KG ihr Grundstück auf die G2 KG.

3.226

241 Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.2. 242 Vgl. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, nicht rechtskräftig (Revision aus offensichtlich anderem Rechtsgrund anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21), online abrufbar auf juris; OFD Nordrhein-Westfalen v. 29.4.2014 – S 4501-2014/4016-St 255, Tz. 1.1; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 382; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 314; Lange/Broemel, DStR 2017, 1625.

Broemel | 249

Kap. 3 Rz. 3.226 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

1. Beitritt zur Gesellschaft A

C

B 0%

50 %

50 %

G KG 100 %

2. Übertragung Immobilie auf Tochtergesellschaft

G2 KG

Abb. 24 Durch den Beitritt des C zur G KG als vermögensmäßig nicht beteiligter Gesellschafter wird C zu einem Neugesellschafter in Bezug auf die G KG. Im Zuge der anschließenden Übertragung des Grundstücks auf die G2 KG ist er bereits mittelbar an dieser beteiligt. Infolgedessen klassifiziert sich C nunmehr als (mittelbarer) Altgesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Übertragung des Grundstücks ist grunderwerbsteuerbar, aber gem. § 6 Abs. 3 GrEStG vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit.

3.227 Eine nachfolgende Veränderung der Beteiligungsstruktur in Bezug auf die PersGes., die das Grundstück erworben hat, führt zu einem Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und mithin insoweit zu einer rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung für den vergangenen, bisher begünstigten Übertragungsvorgang. Auf den ersten Blick mag die geschaffene Stellung als Altgesellschafter nicht sonderlich vorteilhaft erscheinen, da sie mit dem Preis einhergeht, dass die Erhöhung der Beteiligung des erst kürzlich hinzugestoßenen Gesellschafters zu einer anteiligen Grunderwerbsteuer führt. Denn im Vergleich dazu wäre ein schlichter Beitritt als Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG ohne eine begleitende Grundstücksübertragung lediglich relevant für die Zählquote in § 1 Abs. 2a GrEStG gewesen, ohne notwendigerweise einen steuerbaren Vorgang auszulösen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage für den Übertragungsvorgang, für den Nachbehaltensfristverstoß ausgelöst wird, der Höhe nach beeinflusst werden kann. Wenn für die Übertragung etwa eine Gegenleistung vereinbart wurde, bemisst sich die Grunderwerbsteuer für den Übertragungsvorgang und mithin für den Nachbehaltensfristverstoß nach dieser Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG).

250 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.229 Kap. 3

Vorteile kann die Schaffung einer Altgesellschafterstellung insbesondere dann bieten, wenn eine vollständige Veräußerung der Anteile an der grundbesitzenden PersGes. beabsichtigt ist, aber eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG oder § 1 Abs. 3/ 3a GrEStG vermieden werden soll.

3.228

Beispiel 36: Die neue alten Alleingesellschafter An der grundbesitzenden G KG sind A und B zu jeweils 50 % seit mehr als zehn Jahren beteiligt. C soll die Beteiligung von A übernehmen und D soll die Beteiligung von B übernehmen. C und D treten daher der G KG als vermögensmäßig nicht beteiligte Gesellschafter bei. Anschließend gründet die G KG eine Tochtergesellschaft G2 KG, an der die G KG vermögensmäßig zu 100 % beteiligt ist. Zweiter Gesellschafter der G2 KG ist die vermögensmäßig nicht beteiligte E GmbH. Im Anschluss überträgt die G KG ihr Grundstück auf die G2 KG zu einem niedrigen, aber nicht symbolischen Entgelt. Anschließend veräußert A seinen Anteil an der G OHG an C, B veräußert seinen Anteil an der G KG an D.

3.229

1. Beitritt zur Gesellschaft A 50 %

C

D

0%

0%

B 50 %

3. Verkauf Anteile von A und B an C und D

G KG 100 %

2. Verkauf Immobilie an Tochtergesellschaft zu geringem Preis

G2 KG

Abb. 25 Durch den Beitritt von C und D zur G KG als vermögensmäßig nicht beteiligte Gesellschafter werden beide zu Neugesellschafter in Bezug auf die G KG. Im Zeitpunkt der anschließenden Übertragung des Grundstücks auf die G2 KG sind C und D bereits mittelbar an dieser beteiligt. Infolgedessen klassifizieren sich C und D nunmehr als (mittelbare) Altgesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Übertragung des Grundstücks ist grunderwerbsteuerbar, aber gem. § 6 Abs. 3 GrEStG vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Veräußerungen der Anteile von A an C und von B and D stellen keine für § 1 Abs. 2a GrEStG relevanten Gesellschafterwechsel dar, da sie Übertragungsvorgänge zwischen Altgesellschaftern darstellen. Die Übertragungen lösen gleichwohl eine rückwirkende Besteuerung der Übertragung des Grundstücks durch die G KG an die G2 KG aus. Die Besteuerung bemisst sich dabei an dem niedrigen Entgelt für die Übertragung als grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage. Die Wahl eines Kaufpreises unter dem Verkehrswert steht der Zugrundelegung dieses Kauf-

Broemel | 251

Kap. 3 Rz. 3.229 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen preises für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht entgegen, solange der Kaufpreis nicht lediglich in symbolischer Höhe vereinbart wird.243

3.230 Zu beachten ist, dass das FG Hessen für einen Sachverhalt, der dem obigen dahingehend ähnelt, dass ein Grundstück zu einem vom Verkehrswert abweichenden Entgelt an eine Gesellschaft veräußert wurde, bevor die Anteile an der das Grundstück übernehmenden Gesellschaft zum Verkehrswert an Dritte veräußert wurde, die Tauglichkeit eines niedrigen Kaufpreises verneint hat.244 Das FG Hessen hatte in dem von ihm verhandelten Sachverhalt die Tauglichkeit dies niedrigen Kaufpreises mit der Begründung verneint, dass zur Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch Leistungen eines Dritten gehörten, die in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sind, das Grundstück dem Erwerber zu überlassen. Werde zum Zweck der Reduzierung der Grunderwerbsteuerbelastung eine Gestaltung (sog. Share Deal) gewählt, bei der Zahlungen vorrangig für den Erwerb von Geschäftsanteilen geleistet werden, ändere dies nichts daran, dass der alleinige Hauptzweck darin bestehen kann, den verkaufenden Gesellschafter zur Übertragung des Grundeigentums zu veranlassen. Infolgedessen bezog das FG Hessen den Kaufpreis für die Veräußerung der Anteile in die Bemessungsgrundlage für die Übertragung des Grundstücks mit ein. 3.231 Der hier skizzierte Sachverhalt unterscheidet sich allerdings bereits insoweit von dem vom FG Hessen beurteilten Sachverhalt, als die vertraglichen Vereinbarungen zur Übertragung des Grundstücks und der Veräußerung der Anteile im Fall des FG Hessen eng miteinander verwoben waren. Insbesondere wurde der Anteilsverkauf bereits vor der vergünstigten Grundstücksübertragung vereinbart. Das FG Hessen leitete hieraus ab, dass der Hauptzweck der Kaufpreiszahlung für die Anteile daher in jenem Fall darin bestand, auf eine Übertragung des Grundstückes hinzuwirken. In dem hier skizzierten Sachverhalt erfolgt die Anteilsübertragung jedoch nach der Grundstücksübertragung und die vertragliche Vereinbarung zur Übertragung des Anteils kann rechtlich unabhängig von der Übertragung des Grundstücks ausgestaltet werden. Schließlich unterscheidet sich der Sachverhalt letztlich auch insoweit von dem Fall des FG Hessen, als beim FG Hessen der Veräußerer der Anteile und der Grundstücksübertragende derselbe Rechtsträger waren. Im oben skizzierten Fall überträgt allerdings eine PersGes. das Grundstück, während die Gesellschafter dieser PersGes. ihre Anteile veräußern. b) Herstellung einer Altgesellschafterstellung von Gesellschaftern einer beteiligten GmbH

3.232 Der Erwerb von mindestens 90 % der Anteile an einer KapGes., die an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, durch einen neuen Gesellschafter führt gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG dazu, dass die KapGes. als neue Gesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. gilt. Sofern die KapGes. in diesem Fall vermögensmäßig zu 90 % oder mehr an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, führt die 243 Vgl. z.B. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 2.11.2010 – II B 61/10, BFH/NV 2011, 307; vgl. hierzu auch Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 208 f. 244 FG Hessen v. 17.6.2020 – 5 K 2191/15, EFG 2020, 1435.

252 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.235 Kap. 3

Neugesellschafterstellung der KapGes. dazu, dass der Tatbestand gem. § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird. Die Finanzverwaltung vertritt, dass Anteilseigner einer KapGes., welche an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind, als Altgesellschafter in Bezug auf diese KapGes. gelten, wenn sie bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundbesitzes durch die PersGes. an der KapGes. beteiligt waren.245 Diesen Umstand kann sich der Steuerpflichtige zunutze machen, um gezielt eine Altgesellschafterstellung von Gesellschaftern in Bezug auf eine KapGes. herzustellen. Durch Vornahme einer Übertragung des relevanten Grundstücks auf eine (andere) PersGes. kann demnach eine Altgesellschafterstellung der Anteilseigner einer an der PersGes. beteiligten KapGes. hergestellt werden.

3.233

Zwar stellt die Grundstücksübertragung als solche einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer Übertragung eines Grundstücks von einer PersGes. auf eine PersGes. die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG (anteilig) zur Anwendung kommen können. Bei Erfüllung der relevanten Vorbehaltensfristen ist der Übertragungsvorgang in dem Umfang von der Grunderwerbsteuer befreit, in dem die einzelnen Gesellschafter der übertragenden PersGes. vermögensmäßig sowohl an der übertragenden PersGes. als auch an der aufnehmenden PersGes. beteiligt sind (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Die Steuerbefreiung kann der Klassifikation sämtlicher Gesellschafter der aufnehmenden Gesellschaft als Altgesellschafter nicht entgegenstehen. Die Finanzverwaltung stellt in diesem Zusammenhang zu Recht ausdrücklich auf den Erwerb als steuerbaren Vorgang ab, nicht jedoch auf eine etwaige Steuerpflicht des Übertragungsvorganges.

3.234

Zu beachten ist dabei, dass eine KapGes., welche die Vorbehaltensfristen in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. erfüllt auch dann von der Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG erfasst ist, wenn an der KapGes. ein Teil der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen sind. Denn die KapGes. ist für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG als intransparent zu behandeln, für die Beurteilung der Befreiung wird also im Grundsatz nicht durch die KapGes. hindurchgesehen.246 Die Rechtsprechung spricht sich zwar dafür aus, dass eine KapGes., die als neue Gesellschafterin gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG zu klassifizieren ist, nicht die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zu gewähren ist.247 Im Umkehrschluss sollte aber auch einer KapGes., die nicht als Neugesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG zu klassifizieren ist, auch dann die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zustehen, wenn ein Teil ihrer Anteile auf Neugesellschafter übergegangen ist. Insoweit unterscheidet sich im Kontext des § 1 Abs. 2a GrEStG die Befreiung bei beteiligten KapGes. im Vergleich zur Befreiung bei beteiligten PersGes. Denn bei Letzteren wirkt sich ein Übergang von Anteilen an der beteiligten PersGes.

3.235

245 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.2. 246 Vgl. Joisten in Pahlke7, § 5 GrEStG Rz. 23 ff. 247 Vgl. FG v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596 Rz. 91 nach juris; hierzu auch Behrens, UVR 2017, 315; Joisten, Ubg 2017, 132; Das Revisionsverfahren war beim BFH bis zur Zurücknahme der Revision unter dem Az. II R 3/17 anhängig.

Broemel | 253

Kap. 3 Rz. 3.235 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

auf Neugesellschafter unmittelbar auf die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG aus, da die beteiligte PersGes. insoweit transparent behandelt wird.248

3.236 Dieser Zusammenhang kann durch Steuerpflichtige fruchtbar gemacht werden, indem Neugesellschafter an einer beteiligten KapGes. in einem Umfang von insgesamt weniger als 90 % beteiligt werden, und anschließend eine nach § 6 Abs. 3 GrEStG steuerbefreite Übertragung des Grundstücks auf eine PersGes. vorgenommen wird. 3.237 Beispiel 37: Die neuen Altgesellschafter einer beteiligten KapGes. An der grundbesitzenden G KG ist die A GmbH zu 100 % beteiligt. Anteilseigner der A GmbH sind B und C zu jeweils 50 %. Die vorbeschriebene Beteiligungsstruktur bestand bereits zu dem Zeitpunkt, als die G KG den Grundbesitz erworben hatte. B möchte seine Anteile an der A GmbH an D veräußern. C möchte seine Anteile an der A GmbH an E veräußern. Sie wählen daher die folgende Gestaltung: – In einem ersten Schritt veräußert B eine 5 %-Beteiligung an der A GmbH an D. C veräußert eine 5 %-Beteiligung an der A GmbH an E. – In einem zweiten Schritt überträgt die G KG ihr Grundstück auf eine Schwestergesellschaft G2 KG, an der die A GmbH zu 100 % beteiligt ist. – In einem dritten Schritt veräußert B seine restlichen Anteile an der A GmbH an D. C veräußert seine restlichen Anteile an der A GmbH an E.

1. Erwerb eines 5%-Anteils B

D

50 % 45 %

E

5%

C

5%

50 % 45 %

3. Verkauf der restlichen Anteile von B und C an D und E

A GmbH 100 %

G KG

100 %

G2 KG

2. Übertragung Immobilie an Schwestergesellschaft Abb. 26 248 Vgl. z.B. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649.

254 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.239 Kap. 3 Der erste Schritt löst keine Grunderwerbsteuer aus, da nur in einem geringen Umfang Anteile an der A GmbH auf Neugesellschafter übergehen. Die im zweiten Schritt erfolgende Übertragung des Grundbesitzes ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Gem. § 6 Abs. 3 GrEStG ist die Übertragung aber vollständig grunderwerbsteuerfrei. Denn vorliegend ist an der übertragenden G KG und der übernehmenden G2 KG jeweils die A GmbH zu 100 % beteiligt. Die A GmbH muss nach derzeitiger Rechtslage im Grundsatz in den folgenden 10 Jahren in einem gleichbleibenden Umfang am Vermögen der G2 KG beteiligt bleiben, um eine rückwirkende Versagung der Steuerbefreiung zu vermeiden. Der Erwerb des Grundbesitzes durch die G2 KG dürfte dazu führen, dass die zu diesem Zeitpunkt an der A GmbH beteiligten Anteilseigner als Altgesellschafter in Bezug auf die A GmbH gelten. Die im dritten Schritt erfolgenden Veräußerungen der verbleibenden Anteile an D und E lösen keinen Anwendungsfall von § 1 Abs. 2a GrEStG aus, da insoweit lediglich Übertragungen zwischen Altgesellschaftern erfolgen. Sollten D und E im Zuge des ersten Erwerbs mehr 10 % der Anteile an der A GmbH erworben haben, wäre § 1 Abs. 2a GrEStG zusätzlich aus dem Grund ausgeschlossen, dass seit der Übertragung des Grundbesitzes auf die G2 KG weniger als 90 % der Anteile an der A GmbH übertragen wurden.

V. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung des Umfangs der schädlichen Gesellschafterwechsel 1. Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum Der in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG festgelegte Zehnjahreszeitraum ist grundstücksbezogen anzuwenden. Dies bedeutet, dass für jedes einzelne Grundstück, das einer PersGes. zuzuordnen ist, isoliert zu prüfen ist, ob innerhalb eines Zehnjahreszeitraumes die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt sind. Dieser Umstand ist insbesondere dann relevant, wenn der Grundbesitz der PersGes. zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben wurde und daher der maßgebliche Betrachtungszeitraum von 10 Jahren für die einzelnen Grundstücke individuell zu bestimmen ist. Ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang ist nur dann gegeben, wenn das betroffene Grundstück während des gesamten Zeitraumes, in dem sich der relevante Gesellschafterwechsel vollzogen hat, zum Vermögen der grundbesitzenden PersGes. gehörte (s. hierzu auch mit Rz. 3.102).249

3.238

2. Ermittlung des Vomhundertsatzes a) Vorgehen zur Bestimmung des Vomhundertsatzes Entscheidend für die Beurteilung, ob ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang vorliegt, ist die Bestimmung des Umfangs in dem sich ein Gesellschafterwechsel zugunsten von Neugesellschaftern ergeben hat (im Folgenden auch „Zählquote“). Für die Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen. Maßgebend ist hierfür der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen nach dem

249 Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3.

Broemel | 255

3.239

Kap. 3 Rz. 3.239 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Gesellschafterwechsel.250 Dies bedeutet, dass eine Prüfung vorzunehmen ist, in welchem Umfang Gesellschaftsanteile im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum auf Neugesellschafter übergegangen sind, bzw. andersherum, in welchem Umfang Gesellschaftsanteile in diesem Zehnjahreszeitraum bei Altgesellschaftern verblieben sind. In der Konsequenz erfasst § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG keine Änderungen der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Altgesellschafter im Verhältnis zueinander.251

3.240 Durch welchen konkreten Rechtsvorgang bzw. welche konkreten Rechtsvorgänge sich die Beteiligungsstruktur der grundbesitzenden PersGes. geändert hat, ist für die Bestimmung der Zählquote nicht entscheidend. So ist es etwa für die Bestimmung der Zählquote unerheblich, ob ein Neugesellschafter einen Gesellschaftsanteil durch einen Akt erwirbt oder zunächst einen kleineren Erwerb tätigt und in der Folge mehrere Hinzuerwerbe folgen.252 Entscheidend ist, dass der betroffene Gesellschafter Neugesellschafter ist und mithin die Folgeerwerbe ebenfalls bei der Berechnung der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG zu erfassen sind. 3.241 Auch Veränderungen der Vermögensbeteiligungen durch Kapitalerhöhungen sind für die Zählquote beachtlich. Infolgedessen ist es unerheblich, ob ein neuer Gesellschafter der Gesellschaft durch einen Erwerb von Anteilen beitritt oder ob der Beitritt durch eine Erhöhung des Kapitals erfolgt. Veränderungen der kapitalmäßigen Beteiligung sind auch dann beachtlich, wenn in deren Zuge zwar kein neuer Gesellschafter beitritt, aber die Beteiligungsverhältnisse von Alt- und Neugesellschaftern der grundbesitzenden PersGes. sich verändern. 3.242 Bei Veränderungen der Beteiligungsstruktur, die nicht unmittelbar bei der grundbesitzenden PersGes. erfolgen, sondern die sich hinter einer an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten Gesellschaft vollziehen, ist für die Bestimmung der Zählobjekte danach zu unterscheiden, ob die vermittelnde Gesellschaft eine PersGes. oder eine KapGes. ist. Änderungen im Gesellschafterbestand der an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten PersGes. werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. Bei Beteiligungen von KapGes. an einer grundbesitzenden PersGes. ist hingegen zu prüfen, ob bei der beteiligten KapGes. 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Sofern Letzteres der Fall ist, so gilt diese nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin der grundbesitzenden PersGes. In der Folge ist die Beteiligung der KapGes. in voller Höhe bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen. Sofern weniger als 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind, gilt die beteiligte KapGes. hingegen weiterhin als Altgesellschafterin, sodass keiner ihrer Anteile bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen ist. Bei mehrstufigen Beteiligungen gelten diese

250 Vgl. gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3. 251 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 379; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 312. 252 Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 963.

256 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.247 Kap. 3

Grundsätze nach § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG auf der Ebene jeder KapGes. entsprechend.253 Bei mittelbaren Übergängen von Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. aufgrund der Begründung von wirtschaftlichem Eigentum an den Anteilen ist der mittelbare Übergang des Anteils auf einen Neugesellschafter insoweit bei der Bestimmung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen.

3.243

b) Betrachtung des nämlichen Anteils Bei der Bestimmung der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG sind mehrfache Übertragungen des nämlichen Anteils zwischen Neugesellschaftern nur einmalig zu berücksichtigten. Es kommt mithin zu keiner Doppelzählung von Anteilen. Der nämliche Anteil ist auf einen Neugesellschafter übergegangen, unabhängig davon, ob er in der Folge weiter auf einen anderen Neugesellschafter übertragen wurde. Dies leitet sich auch aus dem Umstand heraus ab, dass die Zählquote das Verhältnis der Anteile, die in Neugesellschafterhand gehalten werden zu denen, die fortwährend in Altgesellschafterhand gehalten wurden, abbildet. Dieses Verhältnis ändert sich jedoch nicht, wenn der nämliche Anteil mehrfach auf Neugesellschafter übertragen wird.

3.244

Zu einer Doppelzählung kommt es auch dann nicht, wenn ein Anteil an einer grundbesitzenden PersGes. zunächst mittelbar auf einen Neugesellschafter übergeht, da dieser ein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen begründet hat, und anschließend der unmittelbare Gesellschafter diesen nämlichen Anteil unmittelbar auf einen Neugesellschafter überträgt. Denn der mittelbare Anteil des wirtschaftlichen Eigentümers entspricht dem unmittelbaren Anteil, an dem das wirtschaftliche Eigentum begründet wurde.

3.245

Beispiel 38: Der nämliche Anteil bei wirtschaftlichem Eigentum An der grundbesitzenden G KG ist u.a. A zu 30 % beteiligt. Aufgrund schuldrechtlicher Abreden geht das wirtschaftliche Eigentum an seinem Anteil auf den bisher nicht beteiligten B über. Ein Jahr später überträgt A seinen zivilrechtlichen Anteil an den bisher nicht beteiligten C.

3.246

Die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums durch B führt dazu, dass der Anteil von A mittelbar auf einen Neugesellschafter (B) übergeht. Die Übertragung des zivilrechtlichen Anteils von A auf C führt zu einem Übergang des Anteils auf einen Neugesellschafter (C). Da der Anteil jedoch bereits zuvor mittelbar auf einen Neugesellschafter übergegangen war, wird die Übertragung auf C für die Ermittlung des Vomhundertsatzes nicht nochmals berücksichtigt.

Relevanz kommt der Übertragung eines Anteils von einem Neugesellschafter auf einen Neugesellschafter nur insoweit zu, als die neuerliche Übertragung auf einen Neugesellschafter in einem neuen Zehnjahresbetrachtungszeitraum für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen ist. Auch die Altgesellschafterstellung erlangt der Neugesellschafter, der Anteile von einem anderen Neugesellschafter erworben hat, im Grundsatz erst, wenn er zehn Jahre an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist.

253 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.

Broemel | 257

3.247

Kap. 3 Rz. 3.247 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Veränderungen der Vermögensbeteiligung zwischen Neugesellschaftern werden bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes nicht erneut berücksichtigt. c) Behandlung eigener Anteile und wechselseitiger Beteiligungen

3.248 Eigene Anteile, die von der grundbesitzenden KapGes. selbst gehalten werden, fließen nach der Verwaltungsauffassung nicht in die Zählquotenermittlung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG mit ein, d.h. maßgebend ist, dass mindestens 90 % der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.254 Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG. Eigene Anteile sind danach grunderwerbsteuerlich nicht zu berücksichtigen, da die Gesellschaft begrifflich keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Erwerber, der mindestens 95 % (nunmehr 90 %) der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile an dieser erwirbt, beherrsche das Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Anteile zustünden.255 Die Übertragung dieser Grundsätze auf § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG erscheint folgerichtig.256 3.249 Wechselseitige Beteiligungen werden in den neuen Erlassen nicht explizit adressiert. In der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 GrEStG werden sie wie eigene Anteile behandelt und bleiben jedenfalls dann außer Betracht, wenn die KapGes. sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft hält, die an ihr beteiligt ist.257 Für den BFH war hierbei entscheidend, dass die Zwischengesellschaft aufgrund ihrer Stellung als Alleingesellschafterin die rechtliche Möglichkeit hat, ihren Willen bei der Tochtergesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.258 Da die Erlasse auf die BFH-Entscheidung II R 21/12 verweisen, in der nicht nur eigene Anteile, sondern insbesondere wechselseitige Beteiligungen beurteilt wurden, ist davon auszugehen, dass diese Grundsätze auch bei § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG Anwendung finden sollen.259 Offen bleibt allerdings, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen die Grundstücks-KapGes. in geringerem Umfang (d.h. unterhalb der „Zurechnungsschwelle“ von 90 %) an der Tochtergesellschaft beteiligt ist, die die Rückbeteiligung an ihr hält. Eine Beteiligung unterhalb dieser Schwelle vermittelt nicht die von § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzte Herrschaftsmacht und sollte deshalb eine Anteilsvereinigung ausschließen.260 Die einer ähnlichen Dogmatik folgende Stufenbetrachtung in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG würde dafür sprechen, die Anteile der rückbeteiligten Gesellschaft auch hier erst ab einer Beteiligung von 90 % wie eigene Anteile zu behandeln.261 254 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3. 255 BFH v. 20.11.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553; v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053. 256 GlA Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 545. 257 Vgl. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326; ähnlich auch BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 zu Fall der sog. Einheits-GmbH & Co. KG, die sämtliche Anteile an ihrer Komplementär-GmbH hält. 258 BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326 Rz. 21. 259 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695 f.). 260 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1100. 261 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1696).

258 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.253 Kap. 3

d) Keine Berücksichtigung von Übergängen gem. Börsenklausel Im Zuge der Grunderwerbsteuerreform wurde auch die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG eingeführt. Die Börsenklausel bewirkt, dass Übergänge auf Neugesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Zählerwerbe für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen sind (s. im Detail auch Rz. 5.38 ff.). Sie sind mithin nicht bei der Bestimmung des Vomhundertsatzes einzubeziehen.

3.250

Die Börsenklausel gilt sowohl für § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für § 1 Abs. 2b GrEStG. Hinsichtlich der zeitlichen Anwendung stellt der Erlass zu den Übergangsregelungen der Grunderwerbsteuer heraus, dass § 1 Abs. 2c GrEStG auf „alle offenen Fälle“ anzuwenden ist.262 Für den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG bedeutet dies, dass die Börsenklausel für diesen Ergänzungstatbestand auch für die Vergangenheit Entlastung schaffen kann. Denn für Sachverhalte, die in der Vergangenheit den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllten und bei denen ein Teil der zählquotenrelevanten Übergänge auf Börsentransaktionen zurückzuführen war, hat die rückwirkende Anwendung der Börsenklausel zur Folge, dass kein steuerbarer Vorgang mehr nach § 1 Abs. 2a GrEStG gegeben ist. Die Börsenklausel kann also in allen offenen Verfahren zur Entlastung des Steuerpflichtigen genutzt werden. Offene § 1 Abs. 2a GrEStG-Bescheide dürften noch angegriffen werden können, wenn unter Berücksichtigung der Börsenklausel kein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang (mehr) vorliegt. Darüber hinaus schafft die Anwendung auf alle offenen Fälle auch dort Rechtssicherheit, wo bislang zwar der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG noch nicht ausgelöst worden ist, aber eine aufwändige Überwachung von Aktienübergängen erforderlich war.

3.251

e) Keine Berücksichtigung von Übergängen von Todes wegen Gehen Anteile von Todes wegen auf Neugesellschafter über, bleibt der Erwerb dieser Anteile gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG außer Ansatz.263

3.252

f) Keine Berücksichtigung von Gesellschafterwechseln vor dem Grundstückserwerb und nach der Grundstücksveräußerung Soweit Gesellschafterwechsel stattgefunden haben, die vor dem Erwerb des Grundstücks durch die grundbesitzende PersGes. erfolgt sind, werden diese nicht bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes berücksichtigt.264 Denn entsprechend der grundstücksbezogenen Betrachtungsweise des § 1 Abs. 2a GrEStG beginnt auch der erstmalige Zehnjahresbetrachtungszeitraum für eine Immobilie erst mit dem Erwerb dieser Immobilie durch die PersGes. (s. hierzu auch Rz. 3.100). Zu beachten ist dabei,

262 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. 263 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3. 264 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.

Broemel | 259

3.253

Kap. 3 Rz. 3.253 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

dass bei der Zuordnung des Grundstücks nicht das zivilrechtliche Eigentum, sondern die grunderwerbsteuerliche Zurechnung maßgebend ist (s. hierzu auch ausführlich Rz. 3.28 und 3.102). Vor diesem Hintergrund können auch Gesellschafterwechsel relevant sein, die vor der Grundbucheintragung der PersGes. als Grundstückseigentümer erfolgen.

3.254 Umgekehrt sind Gesellschafter nach der Grundstücksveräußerung ebenfalls nicht bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen. Maßgeblich ist auch hier nicht der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs, sondern der Zeitpunkt, ab dem das Grundstück der PersGes. für grunderwerbsteuerliche Zwecke nicht mehr zuzurechnen ist. g) Übergang von Neugesellschafter auf Altgesellschafter

3.255 Nicht abschließend geklärt ist die Fragestellung, wie ein Übergang von Gesellschaftsanteilen von einem Neugesellschafter auf einen Altgesellschafter zu beurteilen ist. Eindeutig ist, dass die Übertragung auf den Altgesellschafter auch dann nicht bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen ist, wenn der Anteil durch einen Neugesellschafter übertragen wurde.265 Ungeklärt ist hingegen, ob die zuvor erfolgte Übertragung des Anteils auf einen Neugesellschafter für die Ermittlung des Vomhundertsatzes auch dann noch zu berücksichtigen ist, wenn dieser Neugesellschafter den nämlichen Anteil auf einen Altgesellschafter überträgt. 3.256 Beispiel 39: Übergang von Neugesellschafter auf Altgesellschafter An der grundbesitzenden G KG sind u.a. A und B als Altgesellschafter zu jeweils 30 % beteiligt. A überträgt seinen Anteil an der G KG im Jahr 1 auf C, der bisher nicht an der G KG beteiligt war. Im Jahr 2 überträgt C den Anteil auf B. Die Übertragung der Anteile von A auf C stellt einen Übergang der Anteile auf einen Neugesellschafter im Jahr 1 dar. Die Übertragung des nämlichen Anteils von C auf B im Jahr 2 stellt eine Übertragung von einem Neugesellschafter auf einen Altgesellschafter dar. Ungeklärt ist, ob die Übertragung auf C für die Ermittlung des Vomhundertsatzes noch zu berücksichtigen ist, wenn der nämliche Anteil wieder auf einen Altgesellschafter übertragen wird.

3.257 Zunächst könnte die vorstehend beschriebene Konstellation so beurteilt werden, dass die Übertragung auf einen Altgesellschafter dazu führt, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Übertragung des nämlichen Anteils für die Ermittlung des Vomhundertsatzes unbeachtlich wird. Hierfür spricht, dass § 1 Abs. 2a GrEStG dem Sinn und Zweck nach Gesellschafterwechsel der Grunderwerbsteuer unterwerfen soll, wenn sich der Gesellschafterbestand weitestgehend zugunsten von Neugesellschaftern geändert hat.266 Nach dieser Lesart würde eine zeitpunktbezogene Prüfung vorgenommen werden, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt der Gesellschafterbestand zu 90 % auf Neugesellschafter übergegangen ist.

265 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 379. 266 In diesem Sinne auch zuletzt BT-Drucks. 19/13437, S. 12.

260 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.261 Kap. 3

Gleichsam könnte die vorbeschriebene Konstellation so beurteilt werden, dass die Übertragung auf einen Altgesellschafter nicht dazu führt, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Übertragung des nämlichen Anteils für die Ermittlung des Vomhundertsatzes unbeachtlich wird. Denn der Umstand, dass der Anteil auf einen Altgesellschafter übertragen wurde, ändert nichts daran, dass der Anteil zuvor auf einen Neugesellschafter übertragen wurde. Nach dieser Lesart würde eine anteilsbezogene Prüfung vorgenommen werden, ob in einem Zehnjahreszeitraum 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. auf Neugesellschafter übertragen wurden.

3.258

Der Erlass kann ggf. dahingehend interpretiert werden, dass die Finanzverwaltung die anteilsbezogene Prüfung vornimmt. So führt die Verwaltung im Erlass zur Ermittlung des Vomhundertsatzes aus, dass auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen ist.267 Dies deutet indiziell darauf hin, dass die Finanzverwaltung eine Beteiligung von Altgesellschaftern an der grundbesitzenden PersGes. nur dann nicht bei der Ermittlung der Zählquote berücksichtigt, wenn der Altgesellschafter diese Beteiligung fortwährend gehalten hat und sie auch nicht vorübergehend im Zehnjahreszeitraum auf einen Neugesellschafter übertragen wurde.

3.259

h) Verkürzung von Beteiligungsketten Wie weiter oben im Detail beschrieben, sieht die Finanzverwaltung sog. Beteiligungskettenverkürzungen teilweise als schädliche und teilweise als unschädliche Vorgänge an (s. im Detail Rz. 3.202). Soweit eine Beteiligungskettenverkürzung aus Sicht der Finanzverwaltung als schädlicher Vorgang angesehen wird, wird die Verwaltung insoweit absehbar auch vertreten, dass ein für die Ermittlung des Vomhundertsatzes relevanter Vorgang gegeben ist.

3.260

Hinsichtlich beteiligter KapGes. vertritt die Verwaltung, dass die Eigenschaft als Altgesellschafterin einer unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligten KapGes. erhalten bleibe, wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten KapGes. verkürzt. Eine solche Beteiligungskette liege vor, soweit KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl KapGes. als auch PersGes. beteiligt sind. Bei PersGes. in der Kette sei zu beachten, dass die 90%ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist. Bei der Verkürzung der Kette müsse die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. erhalten bleiben (s. im Detail Rz. 3.204).268 Sollten die vorbeschriebenen Voraussetzungen bei einer Verkürzung der Beteiligungskette nicht erfüllt sein, kann der Vorgang für die Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen sein. Soweit z.B. die der grundbesitzenden PersGes. am nächsten stehende KapGes. entfällt, dürfte die Beteiligung der hierfür eintretenden Gesellschaft(er) vollstän-

3.261

267 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3. 268 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.

Broemel | 261

Kap. 3 Rz. 3.261 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

dig bei der Bestimmung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen sein. Soweit z.B. bei einer Verkürzung der Beteiligungskette die KapGes. nicht auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % verbunden sind, wäre zu prüfen, ob dies aus Sicht der Verwaltung dazu führt, dass die der PersGes. am nächsten stehende KapGes. zu einer Neugesellschafterin gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG wird und ihre Beteiligung infolgedessen bei der Bestimmung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG einzubeziehen ist.

3.262 Beispiel 40: Beteiligungskettenverkürzung bei einer Beteiligung von weniger als 90 %269 Am Vermögen der grundbesitzenden G KG ist als Kommanditistin die A GmbH zu 100 % beteiligt. 100 % der Anteile an der A GmbH hält die B GmbH, deren Anteile i.H.v. 60 % von der C GmbH gehalten werden. Nachdem die Beteiligungen mehr als zehn Jahre unverändert geblieben waren, überträgt die B GmbH ihre Anteile an der A GmbH auf die C GmbH.

C GmbH 60 % B GmbH

Erwerb der Anteile an A GmbH

100 % A GmbH 100 %

G KG

Abb. 27 Durch die Übertragung der Anteile an der A GmbH von der B GmbH auf die C GmbH wird die A GmbH nach Verwaltungsauffassung fiktive Neugesellschafterin der grundbesitzenden G KG, da mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (100 %) auf die C GmbH als Neugesellschafterin der A GmbH übertragen wurden. Eine Verkürzung der Beteiligungskette liegt nach Verwaltungsauffassung nicht vor, da die C GmbH an der B GmbH nur zu 60 % beteiligt war.

269 S. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.8.

262 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.266 Kap. 3 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist nach Verwaltungsauffassung erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der G KG (100 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die G KG (hier die fiktiv neue A GmbH) übergegangen sind.

Zu Beteiligungskettenverkürzungen bei beteiligten PersGes. äußert sich die Finanzverwaltung nicht ausdrücklich. Derartige Beteiligungskettenverkürzungen dürften aber zumindest dann keinen Einfluss auf die Zählquote in § 1 Abs. 2a GrEStG nehmen, wenn sie nur mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind. Denn in diesem Fall verbleiben die Gesellschafter der entfallenden PersGes. in ihrer Position als mittelbare Alt- bzw. Neugesellschafter und rücken lediglich eine Position in ihrer mittelbaren Stellung auf.270 Sofern im Zuge der Beteiligungskettenverkürzung eine unmittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte PersGes. entfällt, dürfte hingegen umstritten sein, ob dies einen für § 1 Abs. 2a GrEStG zählquotenrelevanten Vorgang darstellt. Die Finanzverwaltung wird hierbei vermutlich den Standpunkt vertreten, dass die für die entfallende PersGes. eintretenden Gesellschafter als Neugesellschafter zu klassifizieren sind, soweit sie erstmals in die unmittelbare Gesellschafterstellung eintreten (s. im Detail Rz. 3.215). Infolgedessen dürfte dieser Vorgang aus Sicht der Verwaltung auch relevant für die Ermittlung des Vomhundertsatzes sein.

3.263

i) Wechsel eines Neugesellschafters von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung Wenn ein Neugesellschafter mittelbare Anteile an der grundbesitzenden PersGes. erwirbt, hängt die Relevanz dieses Vorganges auch davon ab, ob die mittelbare Beteiligung durch eine PersGes. oder eine KapGes. begründet wurde).

3.264

Sofern dieser Neugesellschafter anschließend von einer mittelbaren Gesellschafterstellung in eine unmittelbare Gesellschafterstellung zur grundbesitzenden PersGes. wechselt, ist für die Ermittlung des Vomhundertsatzes wiederum zu unterscheiden, ob der Neugesellschafter zuvor über eine PersGes. oder eine KapGes. an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt war.

3.265

Sofern der Gesellschafter bisher über eine KapGes. beteiligt war, gilt der Gesellschafter beim Wechsel in die unmittelbare Gesellschafterstellung als Neugesellschafter und der von ihm erworbene Anteil ist vollständig bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen. Nach Verwaltungsauffassung ist dabei mithin unerheblich, ob der Gesellschafter zuvor an der beteiligten KapGes. beteiligt war, da nach Verwaltungsansicht Gesellschafter einer beteiligten KapGes. nur in Bezug auf die KapGes. (und nicht in Bezug auf die grundbesitzende PersGes.) eine Altgesellschafterstellung erlangen kann.271 Unerheblich dürfte nach dieser Auffassung auch sein, ob die beteiligte KapGes. im Zuge des seinerzeitigen Erwerbs der Beteiligung des Gesellschafters an dieser KapGes. zu einer Neugesellschafterin gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG wurde.

3.266

270 Vgl. zur Unbeachtlichkeit von Wechseln zwischen mittelbaren Beteiligungsstufen auch Broemel/Lange, DStR 2017, 185 (186). 271 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1.

Broemel | 263

Kap. 3 Rz. 3.267 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.267 Beispiel 41: Wechsel eines Neugesellschafters von einer mittelbaren Beteiligung über eine KapGes. in eine unmittelbare Beteiligung Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind die A GmbH sowie die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Alleingesellschafter der A GmbH ist C. Alle Gesellschafter sind Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG. Im Jahr 1 veräußert C seinen Anteil an der A GmbH an D. Ein Jahr später tauscht D seinen Anteil an der A GmbH gegen den Anteil der B GmbH an der G KG.

Jahr 1 Veräußerung C

Jahr 2 Tausch der Beteiligungen zwischen D und B GmbH

D 100 %

A GmbH

B GmbH 50 %

50 %

G KG

Abb. 28 Der Erwerb des Anteils an der A GmbH durch D führt gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG dazu, dass die A GmbH zur Neugesellschafterin wird. Mithin ist bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes des § 1 Abs. 2a GrEStG der Anteil der A GmbH an der G KG zu berücksichtigen. Der Tausch des Anteils von D an der A GmbH gegen den Anteil der B GmbH an der G KG führt dazu, dass D in eine unmittelbare Gesellschafterstellung wechselt. Nach Ansicht der Verwaltung ist der Erwerb als zählquotenrelevant bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes des § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen. Der Umstand, dass D weiterhin wirtschaftlich nur zu 50 % an der G KG beteiligt ist (jetzt unmittelbar statt mittelbar), während die B GmbH als bisherige unmittelbare Altgesellschafterin in eine mittelbare Gesellschafterstellung gewechselt ist, dürfte dem nach Verwaltungsauffassung nicht entgegenstehen. Im Gegenteil vertritt die Verwaltung in diesem Kontext sogar, dass die B GmbH als Neugesellschafterin der A GmbH gilt und mithin erneut eine Neugesellschafterstellung der A GmbH hervorruft.272

272 FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257; Revision beim BFH anhängig unter dem Aktenzeichen II R 28/21.

264 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.270 Kap. 3

Sofern der Neugesellschaftergesellschafter bisher über eine PersGes. beteiligt war, wird bereits der Erwerb der mittelbaren Beteiligung als ein für § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zählquotenrelevanter Vorgang gewertet. Mit dem Wechsel in die unmittelbare Gesellschafterstellung gilt der betroffene Gesellschafter als unmittelbarer Neugesellschafter. Fraglich ist dabei allerdings, wie dieser Wechsel von einer mittelbaren Neugesellschafterstellung in eine unmittelbare Neugesellschafterstellung bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes in § 1 Abs. 2a GrEStG abzubilden ist. Denn in diesem Fall ist zu beurteilen, wie eine Überlagerung von unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafterwechseln bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes in § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen ist.

3.268

Im Kern bei der Überlagerung von unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafterwechseln steht die Frage, inwieweit der unmittelbare Gesellschafterwechsel an die Stelle des vorangegangenen mittelbaren Gesellschafterwechsels tritt, auch wenn im engeren Sinne nicht der nämliche Anteil betroffen ist. Sachgerecht ist, in diesem Fall darauf abzustellen, in welchem Umfang dem mittelbaren Neugesellschafter Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen waren, bevor er in die unmittelbare Gesellschafterstellung gewechselt ist. Andersherum kann auch bestimmt werden, in welchem Umfang die Anteile der grundbesitzenden PersGes. nach dem Wechsel weiterhin in der Hand von Altgesellschaftern gehalten werden.

3.269

Beispiel 42: Wechsel eines Neugesellschafters von einer mittelbaren Beteiligung über eine PersGes. in eine unmittelbare Beteiligung Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind die A KG zu 80 % sowie die B GmbH zu 20 % beteiligt. Gesellschafter der A KG sind zu C zu 50 % sowie D und E zu jeweils 25 %. Alle Gesellschafter sind Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG.

3.270

C veräußert im Jahr 1 seinen Anteil an der A KG an F. E veräußert seinen Anteil ebenfalls im Jahr 1 an G. Im Jahr 2 tritt F aus der A KG aus und erhält als Sachwertabfindung einen 50 %Anteil an der G KG273.

273 Die Abweichung der Quote von der mittelbaren Beteiligung kann in diesem Fall z.B. darauf zurückzuführen sein, dass die A KG neben der Beteiligung an der G KG noch über weiteres Vermögen verfügt.

Broemel | 265

Kap. 3 Rz. 3.270 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Jahr 1 Veräußerung F

Jahr 1 Veräußerung C

D

E

25 %

50 % Jahr 2 Sachwertabfindung F (50 %-Anteil an G KG)

G

25 %

B GmbH

A KG 20 %

80 %

G KG

D

G

50 %

50 %

B GmbH

A KG

F 50 %

30 %

20 %

G KG

Abb. 29 Die Erwerbe der Anteile an der A KG durch F und G führen zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel hinter der G KG. Gem. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ist dieser mittelbare Gesellschafterwechsel quotal zu berücksichtigen, sodass vorliegend 60 % an der G KG (= 80 % * 75 %) mittelbar auf F und G als Neugesellschafter übergehen.

266 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.273 Kap. 3 Der Wechsel von F von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung im Zuge seines Austritts aus der B KG führt dazu, dass 50 % der Anteile an der G KG unmittelbar auf einen Neugesellschafter übergehen. Die beiden Vorgänge führten mithin dazu, dass zunächst (quotal) 60 % der Anteile an der G KG durch Gesellschafterwechsel bei der A KG mittelbar auf Neugesellschafter übergegangen sind und anschließend die A KG einen 50 %-Anteil an der G KG unmittelbar auf einen Neugesellschafter übertragen hat. Für die Ermittlung des Vomhundertsatzes in § 1 Abs. 2a GrEStG ist zu entscheiden, wie diese beiden Vorgänge in einer Gesamtschau bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes in § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigen sind. Sachgerecht dürfte es sein, darauf abzustellen, inwieweit sich die Beteiligung des F im Zuge des Wechsels von einer mittelbaren in eine unmittelbare Gesellschafterstellung ändert. F war zunächst zu 40 % mittelbarer Neugesellschafter und erwarb einen unmittelbaren Gesellschaftsanteil i.H.v. 50 %. Mithin ist für die Ermittlung des Vomhundertsatzes bezogen auf F ein 50 %-Anteil zu berücksichtigen. Der mittelbare Neugesellschafteranteil, der nicht ihm, sondern G zuzurechnen war, ist weiterhin zu berücksichtigen. Dies sind vorliegend noch 15 %, da G nach dem Ausscheiden von F 50 % an der A KG hält, der wiederum noch ein 30 %Anteil an der G KG verbleibt. Mithin sind nach dem Wechsel in die unmittelbare Gesellschafterstellung insgesamt 65 % der Anteile an der G KG (unmittelbar oder mittelbar) auf Neugesellschafter übergegangen. Letzteres belegt auch die Kontrollrechnung der fortbestehenden Altgesellschafter: Als mittelbarer Altgesellschafter verbleibt D zu 15 % (50 % * 30 %) und als unmittelbarer Altgesellschafter die B GmbH zu 20 %.

VI. Besonderheiten beim Formwechsel 1. Relevanz von Formwechseln im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst lediglich (unmittelbare oder mittelbare) Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden PersGes. Die Parallelnorm § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst hingegen entsprechende Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden KapGes. Der heterogene Formwechsel einer grundbesitzenden PersGes. in eine KapGes. führt mithin dazu, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG verlassen und der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG eröffnet wird. Umgekehrt kommt bei einem heterogenen Formwechsel einer grundbesitzenden KapGes. in eine PersGes. nicht mehr § 1 Abs. 2a GrEStG, sondern § 1 Abs. 2b GrEStG zur Anwendung.

3.271

Die Finanzverwaltung vertrat in einem älteren Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG, dass der Formwechsel einer grundbesitzenden KapGes. in einer PersGes. dazu führe, dass die an der PersGes. beteiligten Gesellschafter Altgesellschafter seien, da sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG Gesellschafter waren.274

3.272

Vor dem skizzierten Hintergrund, dass der heterogene Formwechsel dazu führt, dass ein Wechsel zwischen den Anwendungsbereichen des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG erfolgt, befürchtet die Verwaltung offenbar im besonderen Maße, dass ihre bisherige Auffassung Gestaltungen begünstigt, mit denen durch einen gezielten Formwechsel

3.273

274 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 5.2.5.1.

Broemel | 267

Kap. 3 Rz. 3.273 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

der grundbesitzenden Gesellschaft eine Altgesellschafterstellung der Beteiligten erzeugt werden soll, um einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG zu vermeiden.

3.274 Beispiel 43: Altgesellschafterstellung und Formwechsel An der grundbesitzenden G GmbH waren bisher A und B als Altgesellschafter zu jeweils 50 % beteiligt. Am 1.4. überträgt A seinen Anteil an C. Anschließend erfolgt am 1.6. ein Formwechsel der G GmbH in eine KG. Am 1.9. überträgt B seinen Anteil an der G KG auf D.

A

B

50 %

50 %

C

B

50 %

G GmbH

50 %

D 3) Übertragung B an D

G KG 1) Übertragung A an C 2) Formwechsel

Abb. 30 Die Übertragung des Anteils von A an C stellt einen Übergang von 50 % der Anteile an der G GmbH auf einen Neugesellschafter dar. Nach bisheriger Verwaltungsauffassung führte der anschließend vorgenommene Formwechsel jedoch dazu, dass C als Altgesellschafter der G KG zu klassifizieren ist. Die Übertragung des Anteils von B an D stellt wiederum einen Übergang von 50 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter dar. Da C jedoch ein Altgesellschafter ist, wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nach der bisherigen Erlassauffassung nicht ausgelöst.

3.275 Die Finanzverwaltung hat daher im neuen Erlass neue Grundsätze zur Behandlung von heterogenen Formwechseln auf Ebene der grundbesitzenden Gesellschaft niedergelegt. In diesem Zusammenhang hat die Verwaltung auch ihre Auffassung zu den Rechtsfolgen eines Formwechsels einer Gesellschaft, die an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt ist, geändert. 2. Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft

3.276 Im neuen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG ist abweichend vom bisherigen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vorgesehen, dass bei einem Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft die Gesellschafter ihre bisherige Alt- bzw. Neugesellschafterstellung gegenüber der formgewechselten Gesellschaft fortführen. Vor dem Formwechsel erfolgte

268 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.280 Kap. 3

Gesellschafterwechsel gelten damit nach Verwaltungsansicht auch für die formgewechselte Gesellschaft als relevante Gesellschafterwechsel.275 Die neue Auffassung der Finanzverwaltung führt dazu, dass durch einen heterogenen Formwechsel kein Neulauf der Zählquote erreicht werden kann. Sollte der Formwechsel daher wie oben genutzt werden, wird die Verwaltung einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG (bzw. § 1 Abs. 2b GrEStG bei der umgekehrten Formwechselrichtung von einer PersGes. in eine KapGes.) steuerbaren Vorgang unterstellen.

3.277

3. Formwechsel einer beteiligten Gesellschaft Bei einem Formwechsel einer beteiligten KapGes. in eine PersGes. sieht der Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG wie bisher vor, dass die formgewechselte PersGes. ihre bisherige Stellung als Alt- bzw. Neugesellschafterin behält. Die Gesellschafter der formgewechselten PersGes. gelten als Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft, allerdings stellt die formwechselnde Umwandlung selbst keinen zählquotenrelevanten Vorgang dar, da es an einem „Übergang von Anteilen“ fehle. Abweichend von ihrer bisherigen Auffassung vertritt die Verwaltung jedoch, dass vorangegangene Anteilsübertragungen auf Neugesellschafter an der formgewechselten PersGes. erstmals in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft einzubeziehen und im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG im Zeitpunkt des Anteilsüberganges zu berücksichtigen sind.276

3.278

Bei einem Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. sehen die Erlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG wie bisher vor, dass die formgewechselte KapGes. ihre bisherige Stellung als Alt- bzw. Neugesellschafterin behält. Die Gesellschafter der formgewechselten KapGes. verlieren ihre Eigenschaft als Alt- bzw. Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft.277 Abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung werden die Gesellschafter aber nicht Altgesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes.278, sondern führen ihre bisherige Eigenschaft als Altoder Neugesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes. fort. Relevante Gesellschafterwechsel bei der bisherigen PersGes. gelten auch für die formgewechselte KapGes. als zu erfassende Gesellschafterwechsel, wenn diese im Zehnjahreszeitraum erfolgt sind.279

3.279

Aus der Sichtweise der Verwaltung führt der Formwechsel einer mittelbar beteiligten Personen- oder KapGes. mithin dazu, dass sich die Klassifikation der an dieser Gesellschaft beteiligten Gesellschafter als Alt- bzw. Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft ändert. Wenn ein Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. erfolgt, verlieren die bisherigen Gesellschafter der PersGes. ihre etwaige Eigenschaft als Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesell-

3.280

275 276 277 278

Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.1. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. so noch gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, Tz. 5.2.5.2. 279 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2.

Broemel | 269

Kap. 3 Rz. 3.280 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

schaft. Denn aus Sicht der Finanzverwaltung können Gesellschafter einer beteiligten KapGes. nur Altgesellschafter in Bezug auf die beteiligte KapGes., nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft sein.280 Stattdessen führen die Gesellschafter der formgewechselten Gesellschaft ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes. fort. Womöglich folgt die Verwaltung hier dem Leitgedanken, wie die Beteiligungsstruktur aus ihrer Sicht zu behandeln gewesen wäre, wenn die formgewechselte Gesellschaft schon immer diese Rechtsform gehabt hätte. Konsequent wäre es in dieser Fiktion dann jedoch gewesen, die Gesellschafter einer beteiligten KapGes., die in eine PersGes. formgewechselt wird, nach dem Formwechsel unter bestimmten Umständen als Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft zu behandeln (nämlich dann, wenn sie als mittelbare Altgesellschafter zu klassifizieren gewesen wären, wenn die formgewechselte Gesellschaft immer eine PersGes. gewesen wäre). Stattdessen behandelt die Finanzverwaltung die Gesellschafter der formgewechselten PersGes. jedoch zulasten des Steuerpflichtigen stets als Neugesellschafter.

3.281 Ausschließlich zulasten des Steuerpflichtigen werden auch Übertragungsvorgänge an der beteiligten Gesellschaft behandelt, die vor dem Formwechsel erfolgten: Wenn eine beteiligte KapGes. in eine PersGes. formgewechselt wird, sollen relevante Anteilsübertragungen an der ehemaligen KapGes., die vor dem Formwechsel stattgefunden haben, bei der Zählquote in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft berücksichtigt werden. Auch hier scheint die Verwaltung dem Leitgedanken zu folgen, wie die Beteiligungsstruktur aus ihrer Sicht zu behandeln gewesen wäre, wenn die formgewechselte Gesellschaft schon immer ihre Rechtsform nach dem Formwechsel (hier: PersGes.) gehabt hätte. Konsequent wäre es dann jedoch im umgekehrten Fall gewesen, Anteilsübertragungen bei einer beteiligten PersGes., welche anschließend in eine KapGes. formgewechselt wird, nach dem Formwechsel nicht mehr als mittelbaren Übertragungsvorgang in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft zu berücksichtigen. Denn wenn die formgewechselte Gesellschaft schon immer eine KapGes. gewesen wäre, wäre eine Anteilsübertragung an ihr nicht als mittelbarer Übertragungsvorgang in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft zu beurteilen gewesen. Nichtsdestotrotz bezieht die Finanzverwaltung die vor dem Formwechsel erfolgten Anteilsbewegungen an der PersGes. weiterhin in die Zählquote bei der grundbesitzenden Gesellschaft ein. 3.282 Die Auffassung der Verwaltung führt somit auch letztlich dazu, dass sich die relevante Zählquote für § 1 Abs. 2a GrEStG durch den Formwechsel der mittelbar beteiligten Gesellschaft für die Vergangenheit ändern kann. Hintergrund hierfür ist, dass Gesellschafterwechsel an beteiligten PersGes. gem. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG stets quotal durchgerechnet werden, während Gesellschafterwechsel bei einer beteiligten KapGes. gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nur berücksichtigt werden, wenn 90 % der Anteile an der KapGes. auf neue Gesellschafter übergehen. In letzterem Fall gilt die KapGes. als fiktiv neue Gesellschafterin und mithin gelten sämtliche von ihr gehaltenen Anteile als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Dieser Zusammenhang kann im Ex-

280 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.2.

270 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.283 Kap. 3

tremfall sogar dazu führen, dass durch den Formwechsel die relevante 90 %-Schwelle aus Sicht der Finanzverwaltung bereits in der Vergangenheit überschritten wird. Beispiel 44: Formwechsel der beteiligten KapGes. An der grundbesitzenden G KG ist die A GmbH zu 90 % und B zu 10 % beteiligt. An der A GmbH ist C zu 100 % beteiligt. Die Beteiligungsstruktur bestehe in dieser Form bereits seit zehn Jahren. Im Jahr 1 verkauft B seinen Anteil an der G KG an D. Im gleichen Jahr verkauft C einen 89 %-Anteil an der A GmbH an E. Im Jahr 2 wird ein Formwechsel der A GmbH in die A OHG vorgenommen.

C

E

11 %

89 %

C

A GmbH

B

90 %

A OHG

10 %

G KG

D 90 %

1) Verkauf 10 % von B an D 2) Verkauf 89 % von C an E 3) Formwechsel A GmbH

10 %

G KG

Abb. 31 Der Verkauf des Anteils von B an D stellt einen unmittelbaren Übergang von 10 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter dar. Der Verkauf des 89 %-Anteils an der A GmbH von C an E stellt (zunächst) keinen für die G KG zählquotenrelevanten Vorgang dar, da weniger als 90 % der Anteile der A GmbH auf Neugesellschafter übergehen und daher die A GmbH ihre Stellung als Altgesellschafterin in Bezug auf die G KG behält. Der Formwechsel der A GmbH in eine OHG im Jahr 2 bewirkt nach Verwaltungsansicht nun, dass der Erwerb des mittelbaren Anteils durch E im Jahr 1 bei der Bestimmung der Zählquote gem. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG zu berücksichtigen ist. Damit sind im Jahr 1 bereits 90 % der Anteile an der G KG auf Neugesellschafter übergegangen. Nach Verwaltungsansicht löst der Formwechsel selbst mangels „Übergang von Anteilen“ keinen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang aus. Gleichwohl ist fraglich, ob und unter welchen Bedingungen aus Sicht der Verwaltung nachfolgende Gesellschafterwechsel einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang auslösen können.281 281 Tz. 5.2.5.2 enthält die Aussage: „Durch den Formwechsel werden vorangegangene Anteilsübertragungen auf Neugesellschafter an der formgewechselten Gesellschaft in Bezug auf

Broemel | 271

3.283

Kap. 3 Rz. 3.284 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

4. Behandlung von Formwechseln für die Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG

3.284 Die vorbeschriebenen Auffassungen der Finanzverwaltung sind offenkundig allein dem Umstand geschuldet, dass verwaltungsseitig ein Missbrauch von Formwechseln im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG vermieden werden soll. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass diese besonderen Rechtsfolgen des Formwechsels auch nur auf die Anwendung der beiden Tatbestände begrenzt sind. Fraglich ist indes, wie sich das gedankliche Ausblenden des Formwechsels auf die Steuerbefreiungen in §§ 5, 6 GrEStG auswirken soll. 3.285 Beispiel 45: Auswirkung des Formwechsels auf die Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG An der grundbesitzenden G KG ist bisher die A GmbH zu 100 % beteiligt. An der A GmbH sind B und C zu jeweils 50 % beteiligt. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seit zehn Jahren. Nun wird ein Formwechsel der A GmbH in eine KG vorgenommen. Anschließend bringt die A KG ihre Beteiligung an der G KG in die E KG ein, an der die A KG zu 100 % beteiligt ist.

B

C

50 %

B

C

50 %

50 %

50 %

A GmbH A KG

G KG

1) Formwechsel A GmbH 2) Einbringung G KG in E KG

E KG

G KG

Abb. 32

die grundbesitzende Kapitalgesellschaft erstmals einbezogen und sind im Rahmen des § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG im Zeitpunkt der Anteilsübergangs zu berücksichtigen.“ Da bereits vor dem Formwechsel die 90 %-Schwelle überschritten wurde, ist jedoch zweifelhaft, ob die Erwerbe durch E und D mit späteren Anteilsübertragungen zusammengerechnet werden können.

272 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.288 Kap. 3 Der Formwechsel allein ist nicht nach § 1 Abs. 2a steuerbar. Die Einbringung der Beteiligung an der G KG in die E KG stellt hingegen einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang dar, da unmittelbar mindestens 90 % der Anteile an der G KG auf die E KG als neue Gesellschafterin übergehen. In einer konsequenten Fortsetzung der Fiktion, dass B und C ihre Beteiligung immer über eine zwischengeschaltete PersGes. gehalten haben, wäre eine Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG i.H.v. 100 % zu gewähren. Unklar ist, ob die Finanzverwaltung diese Auffassung teilen würde oder sich auf den Standpunkt stellt, dass die Vorbehaltensfristen von B und C nicht erfüllt sind, da die maßgebliche Zehnjahresfrist (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG) erst ab dem Zeitpunkt des Formwechsels zu laufen beginne.

VII. Zusammenspiel mit Sperrfristverstößen nach § 5 Abs. 3/ § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (§ 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG) Gem. § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG ist in Fällen, in denen die PersGes. vor dem nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang ein Grundstück von einem Gesellschafter oder einer anderen Gesamthand erworben hat, die Bemessungsgrundlage für den Erwerbsvorgang, für den auf Grund des § 5 Abs. 3 oder des § 6 Abs. 3 Satz 2 die Steuervergünstigung zu versagen ist, auf die für den § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang zu ermittelnde Bemessungsgrundlage mit dem entsprechenden Betrag anzurechnen.

3.286

Die Regelung soll eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer unterbinden.282 Eine solche Doppelbesteuerung würde eintreten, wenn ein Gesellschafterwechsel zugleich doppelt Grunderwerbsteuer auslösen würde, da er einerseits einen Nachbehaltensfristverstoßes gem. § 5 Abs 3 oder § 6 Abs 3 Satz 2 darstellt und andererseits zugleich zur Erfüllung des Tatbestandes gem. § 1 Abs. 2a GrEStG beiträgt.283 Soweit daher ein Gesellschafterwechsel, der zur Erfüllung der schädlichen 90 %-Zählquote beigetragen hat, zugleich einen Nachbehaltensfristverstoß für eine zuvor erfolgte Grundstücksübertragung auf die grundbesitzende PersGes. darstellt, wird die für den Nachbehaltensfristverstoß angewandte Bemessungsgrundlage auf den nachfolgenden, nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang angerechnet.

3.287

Beispiel 46: Der Nachbehaltensfristverstoß, der § 1 Abs. 2a GrEStG auslöste An der grundbesitzenden G KG sind A und B zu jeweils 50 % seit mehr als zehn Jahren beteiligt. Im Jahr 1 verkauft A der G KG ein Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. Euro. Im Jahr 5 verkauft A seinen Anteil an C. B verkauft im Jahr 6 seinen Anteil an D. Der bewertungsrechtliche Grundbesitzwert betrage zu diesem Zeitpunkt 1,5 Mio. Euro.

3.288

282 Vgl. BT-Drucks 14/443, S. 42. 283 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 938.

Broemel | 273

Kap. 3 Rz. 3.288 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Jahr 5 Veräußerung C

Jahr 6 Veräußerung

A

B

50 % Jahr 1 Veräußerung Grundstück

D

50 %

G KG

Abb. 33 Der Verkauf des Grundstücks von A an die G KG stellt einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar. Dieser ist gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zu 50 % steuerbefreit, da A in diesem Umfang an der G KG beteiligt ist. Die Veräußerung des Anteils von A an C im Jahr 5 stellt einen Nachbehaltensfristverstoß gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG dar, der zu einer rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung für die seinerzeitige Grundstücksübertragung durch A führt. Zugleich gehen im Zuge des Verkaufs 50 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter über. Aufgrund der Veräußerung des Anteils von B and D gehen auch die verbleibenden 50 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter über. Da infolgedessen 100 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen sind, wird § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst. Gem. § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG ist die Bemessungsgrundlage, auf den sich der Nachbehaltensfristverstoß bezieht (hier 50 % der seinerzeitigen Bemessungsgrundlage i.H.v. 1 Mio. Euro, also 0,5 Mio. Euro), auf die Bemessungsgrundlage für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang (1,5 Mio. Euro) anzurechnen. Für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang kommt mithin eine Bemessungsgrundlage i.H.v. 1 Mio. Euro zur Anwendung (1,5 Mio. Euro – 0,5 Mio. Euro).

3.289 Nach Verwaltungsauffassung unterbleibt eine Versagung der Steuerbefreiung gem. § 5 Abs 3 GrEStG und § 6 Abs 3 GrEStG in bestimmten Fallkonstellationen aufgrund einer teleologischen Reduktion.284 Ein Fall der teleologischen Reduktion liegt jedenfalls nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung vor, wenn der Gesellschafter, der das Grundstück auf die PersGes. übertragen hat, innerhalb der Nachbehaltensfrist seine Beteiligung in einem Rechtsakt veräußert und hierdurch einen nach § 1 Abs 2a GrEStG auslöst.285 Wenn aufgrund einer teleologischen Reduktion eine rückwirkende Versagung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 GrEStG unterblieb, greift die Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs 2a Satz 7 nicht.286 Stattdessen kommt nach der Finanzverwaltungsauffassung § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG zur Anwendung, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG z.B. durch sukzessive Gesellschafterwechsel ausgelöst wird, von denen einzelne Gesellschafterwechsel zu einer 284 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1.; hierzu auch Behrens, DStR 2016, 518; Mayer/Wagner, BB 2016, 2519. 285 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1. 286 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1.

274 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.292 Kap. 3

Nachversteuerung gem. nach § 5 Abs. 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 GrEStG geführt haben.287 Der BFH hat indes jüngst in einem obiter dictum angedeutet, dass auch dann kein Anwendungsfall einer teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG vorliege, wenn der Nachbehaltensfristverstoß durch einen weiteren, nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang ausgelöst wird.288 Infolgedessen könnte eine teleologische Reduktion der Nachbehaltensfristen in §§ 5, 6 GrEStG nach Auffassung des BFH und entgegen der Verwaltungsauffassung ausscheiden, wenn der Nachbehaltensfristverstoß zugleich einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang darstellt. Wie sich die Finanzverwaltung hierzu positioniert, bleibt abzuwarten. Die Veröffentlichung des betroffenen Urteils im BStBl. kann jedenfalls nicht als Zustimmung gewertet werden, da die relevanten Ausführungen lediglich ein obiter dictum waren.289 VIII. Anpassung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die Grunderwerbsteuerreform 2021 1. Änderungen durch die Reform Vor der Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst, wenn – vereinfacht dargestellt – 95 % der Anteile an einer PersGes. innerhalb von fünf Jahren auf „neue Gesellschafter“ übergehen. Durch die Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde die relevante Beteiligungshöhe von 95 % auf 90 % abgesenkt. Zudem wurde die Beobachtungsfrist auf zehn Jahre verlängert. Zugleich wurden die Vor- und Nachbehaltensfristen im Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuerbefreiungen in §§ 5, 6 GrEStG von fünf Jahren auf zehn Jahre (in Einzelfällen sogar auf 15 Jahre) verlängert.

3.290

Ziel der Anpassungen in § 1 Abs. 2a GrEStG und in den Steuerbefreiungen in §§ 5, 6 GrEStG war offensichtlich, grunderwerbsteuerliche Gestaltungen mit PersGes. zu erschweren. Eine häufig praktizierte Gestaltung, die seit der Grunderwerbsteuerreform deutlich an Attraktivität eingebüßt hat, war der zeitlich gestreckte Erwerb einer grundbesitzenden PersGes.

3.291

Beispiel 47: Der zweistufige Kauf über fünf Jahre Die B GmbH möchte perspektivisch sämtliche Gesellschaftsanteile an der grundbesitzenden G KG erwerben und dabei den Anfall von Grunderwerbsteuer soweit möglich vermeiden. Bisherige Beteiligte der G KG sind A zu 100 % sowie die nicht vermögensmäßig beteiligte A GmbH. Verkäufer A ist bereits seit mehr als fünf Jahren an der G KG beteiligt. Die C GmbH erwirbt

3.292

287 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 941; gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.2. 288 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521; FG Köln v. 27.3.2019 – 5 K 1953/16, EFG 2020, 315; hierzu auch Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 118a. 289 Vergleichbar veröffentlichte die Verwaltung auch das Urteil II R 45/17 zur Pro-Kopf-Betrachtung im BStBl. (BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315), ohne sich an das in dem Urteil enthaltene obiter dictum gebunden zu fühlen. Dies belegt ein später veröffentlichter Ländererlass, der im Widerspruch zu dem obiter dictum steht, vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2384).

Broemel | 275

Kap. 3 Rz. 3.292 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen daher Ende des Jahres 1 von A einen 94,9 %-Anteil an der G KG. Anfang des Jahres 7 erwirbt sie die verbleibenden 5,1 % von A. Lösung nach alter Rechtslage: Der Erwerb der Beteiligung i.H.v. 94,9 % im Jahr 1 löst keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a, 3 oder 3a GrEStG aus. Denn im Zuge des Erwerbs gehen lediglich 94,9 % der Anteile auf Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG über. Ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang liegt mithin nicht vor. Ein Anwendungsfall von § 1 Abs. 3, 3a GrEStG ist ebenfalls nicht gegeben, da weniger als 95 % der Anteile erworben wurden. Der Erwerb der verbleibenden 5,1 % führt hingegen zu Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG (in Abhängigkeit davon, ob die Pro-Kopf-Betrachtung Anwendung findet). Ein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG liegt hingegen nicht vor, da die B GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits eine Altgesellschafterstellung i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG erlangt hat. Der grunderwerbsteuerbare Vorgang ist gem. § 6 Abs. 2 GrEStG zu 94,9 % von der Grunderwerbsteuer befreit, da die B GmbH in diesem Umfang bereits seit fünf Jahren an der G KG beteiligt ist. Somit fällt lediglich auf 5,1 % des bewertungsrechtlichen Grundbesitzwertes Grunderwerbsteuer an. Lösung nach neuer Rechtslage: Bereits der Erwerb des 94,9 %-Anteils im Jahr 1 ist nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbar und voll steuerpflichtig. Unabhängig von der Verlängerung der Fünfjahresfrist wird durch den Erwerb der 94,9 % die in § 1 Abs. 2a GrEStG herabgesetzte Schwelle von 90 % überschritten. Soweit in der Zukunft ein vergleichbares Erwerbsmodell mit verminderter Quote beim Ersterwerb (89,9 %) umgesetzt wird, müssen wegen der verlängerten Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG grundsätzlich 15 Jahre abgewartet werden, bis der Restanteil (10,1 %) übertragen werden kann.

3.293 Durch die Absenkung der Quote und die Verlängerung der Beobachtungsfrist in § 1 Abs. 2a GrEStG werden – in Verbindung mit den Verschärfungen bei den Befreiungstatbeständen §§ 5, 6 GrEStG – die letzten verbliebenen Gestaltungsmodelle mit PersGes. erheblich zurückgedrängt. 3.294 Eine Reduktion der Fünfzehnjahresfrist auf zehn Jahre sollte indes erreicht werden können, wenn der Erwerb des ausstehenden Anteils nicht als Anteilsvereinigung, sondern als Anwachsung gestaltet wird (s. zum Modell des zeitlich gestreckten Erwerbs mit Anwachsung auch Rz. 3.345). 2. Übergangsregelungen a) Erstmaliges Inkrafttreten (§ 23 Abs. 18 GrEStG)

3.295 Die Gesetzänderungen der Grunderwerbsteuerreform 2021 sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten. Die geänderten Normen insbesondere in § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a, §§ 5, 6 GrEStG sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 1.7.2021 verwirklicht werden. Hierdurch stellt der Gesetzgeber sicher, dass nicht allein durch die Einführung des neuen Rechts Grunderwerbsteuer ausgelöst werden kann.

276 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.301 Kap. 3 Beispiel 48: Die unschädlichen Übertragungen vor dem 1.7.2021 Im März 2021 erwarb die A GmbH 90 % der Gesellschaftsanteile an der grundbesitzenden G KG. Weiterer Gesellschafter der G KG ist seit acht Jahren die zu 10 % beteiligte natürliche Person T.

3.296

Der Erwerb der Beteiligung an der G KG wäre unter Berücksichtigung der neuen Grunderwerbsteuertatbestände grunderwerbsteuerbar, da § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. bereits ausgelöst wird, wenn 90 % der Anteile auf Neugesellschafter übergehen. Nach dem bisherigen Grunderwerbsteuerrecht lag jedoch kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor, da die relevante Beteiligungsschwelle in § 1 Abs. 2a GrEStG im alten Recht 95 % betrug und im Beispiel nur 90 % übertragen wurden.

Da das neue Recht erst auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 1.7.2021 verwirklicht werden, wird der Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerlich nicht erfasst.

3.297

b) Parallellaufen von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. und n.F. (§ 23 Abs. 20 GrEStG) Die Übergangsregelungen sehen vor, dass § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. auf Änderungen des Gesellschafterbestandes bis zum 30.6.2026 weiter anzuwenden ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder 3a GrEStG n.F. grunderwerbsteuerbar ist oder ein vorausgegangener Rechtsvorgang bereits nach altem Recht grunderwerbsteuerbar war.

3.298

§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F. ist somit fünf Jahre lang parallel zu § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. anzuwenden. Zielsetzung des Gesetzgebers ist dabei, zu vermeiden, dass in Sachverhalten, in denen die neue 90 %-Schwelle bereits überschritten wurde, eine Überschreitung der alten 95 %-Schwelle aber noch nicht erfolgt ist, eine steuerneutrale Überschreitung der 95 %-Grenze erfolgt.

3.299

Beispiel 49: Fortgeltung des alten § 1 Abs. 2a GrEStG An der grundbesitzenden G KG sind die A GmbH mit 90 %, B mit 6 % und C mit 4 % beteiligt. Die A GmbH erwarb ihren Anteil im Jahr 2018, B im Jahr 2013 und C im Jahr 2019. B veräußert seinen Anteil im Jahr 2022 an D.

3.300

Durch die Übertragungen der Beteiligungen an der KG im Jahr 2018 und 2019 sind insgesamt 94 % der Anteile an der OHG auf neue Gesellschafter übergegangen. Die für § 1 Abs. 2a GrEStG nach neuem Recht maßgebliche 90 %-Schwelle ist mithin bereits überschritten. Aufgrund der Übergangsregelung, dass § 1 Abs. 2a GrEStG nach altem Recht noch fünf Jahre weiter anzuwenden ist, löst die Veräußerung des Anteils von B im Jahr 2022 einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG (altes Recht) grunderwerbsteuerbaren Vorgang aus. Denn hierbei wird die nach altem Recht maßgebliche 95 %-Schwelle überschritten.

c) Altgesellschafterstellungen nach altem und neuem Recht Nach altem Grunderwerbsteuerrecht war ein Gesellschafter u.a. dann ein sogenannter Altgesellschafter, wenn er bereits seit mindestens fünf Jahren an der grundbesitzenden PersGes. beteiligt war. Diese Frist wurde im neuen Grunderwerbsteuerrecht von fünf auf zehn Jahre verlängert. Trotz der Verlängerung der Frist sehen die Übergangsregelungen für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG vor, dass eine sogenannte Alt-

Broemel | 277

3.301

Kap. 3 Rz. 3.301 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

gesellschafterstellung, die nach altem Recht vorlag, auch im neuen Recht erhalten bleibt (§ 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG). Gesellschafter, die mit Ablauf des 30.6.2021 keine neuen Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG nach altem Recht mehr sind, gelten somit auch nach neuem Recht als Altgesellschafter.

3.302 Von diesem Grundsatz „Altgesellschafter bleiben Altgesellschafter“ weichen die Übergangsregelungen bei unmittelbar oder mittelbar beteiligten KapGes. ab. Für KapGes., die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind, galt nach altem Recht (§ 1 Abs. 2a Satz 4 ff. GrEStG a.F.), dass sie zu einem sog. Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG wurden, wenn 95 % ihrer Anteile auf neue Gesellschafter übergingen. Diese Beteiligungsschwelle wurde im neuen Grunderwerbsteuerrecht auf 90 % reduziert. 3.303 Die Übergangsregelungen sehen nun vor, dass ab Einführung des neuen Grunderwerbsteuerrechts die herabgesetzte 90 %-Schwelle auch auf Anteilsübergänge anzuwenden ist, die vor dem 1.7.2021 erfolgt sind. Wenn eine beteiligte KapGes. nach derzeitigen Recht keine Neugesellschafterin war, da an ihr weniger als 95 % auf neue Gesellschafter übergegangen sind, allerdings mindestens 90 % auf neue Gesellschafter übertragen wurden, soll diese KapGes. nach neuem Grunderwerbsteuerrecht rückwirkend betrachtend eine neue Gesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG sein. Eine beteiligte KapGes., die am 30.6.2021 Altgesellschafterin war, kann mithin allein aufgrund der Reform ab dem 1.7.2021 zur Neugesellschafterin geworden sein. Als Beobachtungszeitraum dürfte dabei auf den neuen Zehnjahreszeitraum abzustellen sein. 3.304 Als Rechtfertigung für die mögliche rückwirkende Einstufung einer beteiligten KapGes. als Neugesellschafterin wurde in der Gesetzesbegründung angeführt, dass diese Rechtsfolge unbedenklich sei, da es stets einer Vermögensdisposition nach Inkrafttreten des neuen Rechts bedürfe, um den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nach neuem Recht zu verwirklichen.290 Dabei wurde jedoch verschwiegen, dass der Gesetzgeber Steuerpflichtige durch die Übergangsregelung im Einzelfall in eine Situation manövriert, in der für die Folgejahre ab dem 1.7.2021 nahezu keine Übertragungen mehr möglich sind, ohne Grunderwerbsteuer auszulösen. 3.305 Beispiel 50: Neugesellschafter durch Inkrafttreten des neuen Rechts An der grundbesitzenden G KG sind A mit 11 %, B mit 10 %, C mit 9 % und die D GmbH mit 70 % beteiligt. A erwarb seinen Anteil im Jahr 2009, B im Jahr 2016, C im Jahr 2017 und die D GmbH im Jahr 2012. Anteilseigner der D GmbH war seit 2012 ausschließlich E. Er hat im September 2015 90 % seiner Anteile an F verkauft.

290 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 16.

278 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.307 Kap. 3

Übertragung 90 % an F im September 2015 E 11 % 10 % 9% (seit 2009) (seit 2016) (seit 2017) A

B

C

F 100 %

D GmbH 70 % (seit 2012)

G KG

Abb. 34 Durch die unmittelbaren Übertragungen der Beteiligungen an der G KG in den Jahren 2016 und 2017 sind insgesamt 19 % der Anteile an der KG auf neue Gesellschafter übergegangen. Die D GmbH war nach alter Rechtslage keine Neugesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG, da nicht 95 %, sondern lediglich 90 % der Anteile an ihr auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Unter Berücksichtigung der Anwendungsregelungen wurde die D GmbH jedoch aufgrund des im Jahr 2015 erfolgten Gesellschafterwechsels am 1.7.2021 fiktiv zur Neugesellschafterin. Nach neuem Grunderwerbsteuerrecht sind mithin zwischen 2015 und 2017 insgesamt 89 % der Anteile an der KG auf Neugesellschafter übergegangen. Sofern A eine Beteiligung von nur 1 % bis September 2025 überträgt, löst dies nach neuem Recht Grunderwerbsteuer aus.

d) Zweifelsfragen zur Altgesellschafterstellung bei Überschreitung der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 aa) Reichweite des § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG Die Übergangsregelungen zur Grunderwerbsteuerreform sehen vor, dass die Ergänzungstatbestände mit der bisherigen relevanten Beteiligungsschwelle i.H.v. 95 % parallel zur neuen 90 %-Schwelle weiter anwendbar sind. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG läuft die Altregelung noch fünf Jahre weiter (§ 23 Abs. 20 GrEStG). Sie greift in den Anwendungsfällen, in denen am 1.7.2021 bereits mindestens 90 % der Anteile auf Neugesellschafter übergangen ist, die 95 %-Schwelle allerdings noch nicht erreicht wurde.

3.306

In dem Erlass zu den Übergangsregelungen wird das Zusammenspiel des alten und neuen § 1 Abs. 2a GrEStG in mehreren Beispielen dargestellt. Der Erlass beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf die Aussage, dass in Sachverhalten, in denen die 90 %Schwelle bereits überschritten wurde, das neue Recht aufgrund der Schwellenüber-

3.307

Broemel | 279

Kap. 3 Rz. 3.307 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

schreitung bei weiteren Übertragungen nicht mehr anwendbar ist (vice versa).291 Insoweit schien die Rechtslage allerdings bereits bisher eindeutig gewesen zu sein, da die vorübergehende Weiteranwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG aF anderenfalls nicht erforderlich gewesen wäre.

3.308 Keine Aussage trifft der Erlass hingegen zu der Fragestellung, ob die Gesellschafter, die zur Überschreitung der 90 %-Schwelle beitragen haben, für Zwecke des neuen Rechts als Alt- oder Neugesellschafter zu klassifizieren sind. Dieser Frage kann allerdings erhebliche Bedeutung zukommen, wenn in der Folgezeit nach dem 1.7.2021 weitere Übertragungen erfolgen. Dieser Zusammenhang soll an dem folgenden Beispiel veranschaulicht werden. 3.309 Beispiel 51: Überschreitung der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 An der grundbesitzenden G KG war A seit Gründung der Gesellschaft vermögensmäßig zu 100 % beteiligt. Im Jahr 2017 übertrug er 30 % an B, im Jahr 2019 übertrug er 30 % an C und 30 % an D. im Jahr 2028 überträgt B seinen 30 %-Anteil an E.

10 % 30 % 30 % 30 % (seit Gründung) (seit 2017) (seit 2019) (seit 2019) A

B

C

D

G KG

2028: B überträgt seinen Anteil an E Abb. 35 Die Übertragung der insgesamt 90 % auf B, C und D sind nicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. steuerbar gewesen, da die 95 %-Schwelle nicht überschritten wurde. Die Gesellschafter B, C und D sind am 1.7.2021 Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., da sie zu diesem Zeitpunkt noch keine fünf Jahre an der G KG beteiligt sind. Fraglich ist, wie eine Übertragung seines 30 %-Anteils von B (bzw. in der Abwandlung eines 20 %-Anteils von C) auf den bisher nicht beteiligten E grunderwerbsteuerlich zu würdigen ist.

3.310 Zunächst könnte der Standpunkt eingenommen werden, dass B, C und D für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Altgesellschafter zu beurteilen sind.292 Denn im Grundsatz führt § 1 Abs. 2a GrEStG dazu, dass Gesellschafter, die im Zeitpunkt eines 291 Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006 Tz. 2.3. 292 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 23 GrEStG Rz. 52; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2386 f.).

280 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.311 Kap. 3

nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorganges Gesellschafter sind, nachfolgend als Altgesellschafter zu klassifizieren sind.293 Sachverhalte, in denen die Schwelle von 90 % im Rahmen eines Vorgangs vor dem 1.7.2021 überschritten wurde, haben für sich genommen die Voraussetzung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erfüllt, sie waren aber nicht steuerbar, da § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erst für Erwerbsvorgänge ab dem 1.7.2021 gilt. Wenn § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. aber zu Lasten des Steuerpflichtigen Übertragungsvorgänge in den letzten fünf Jahren vor Inkrafttreten des neuen Rechts einbezieht, wäre es folgerichtig, dass korrespondierend eine Verwirklichung des (noch nicht anwendbaren) Tatbestands in der Vergangenheit zu einer Altgesellschafterstellung nach neuem Recht führt.294 Die Neugesellschafterstellung nach altem Recht würde hierdurch selbstverständlich nicht berührt werden. Eine derartige Sichtweise legte die Finanzverwaltung auch im Zuge der seinerzeitigen Einführung der 95 %-Regeln auf mittelbarer Ebene durch das Steueränderungsgesetz 2015295 zu Grunde: Gesellschafter einer KapGes., die bei Inkrafttreten der damaligen Regelung zu mindestens 95 % an der KapGes. beteiligt waren, wurden durch die Gesetzesänderung zu Altgesellschaftern in Bezug auf die KapGes.296 Bei Zugrundlegung dieser Sichtweise würde in dem obigen Beispiel die Übertragung des 30 %-Anteils von B (bzw. in der Abwandlung eines 20 %-Anteils von C) auf den bisher nicht beteiligten E keinen nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbaren Vorgang darstellen. Denn wenn das neue Recht bereits in der Vergangenheit angewendet worden wäre, hätte die Übertragung an D im Jahr 2019 Grunderwerbsteuer ausgelöst, da die 90 %-Grenze überschritten wurde. In der Folge wären sämtliche Gesellschafter der G KG zu Altgesellschaftern geworden. Die Übertragung von B an E würde in diesem Fall lediglich dazu führen, dass sich die Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. von 0 % auf 30 % (bzw. in der Abwandlung auf 20 %) erhöht. Entgegen der vorgenannten Auffassung könnte auch der Standpunkt eingenommen werden, dass Neugesellschafter auch dann als Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. gelten, wenn sie zu einem Überschreiten der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 beigetragen haben.297 Für diese Sichtweise spricht, dass die Übergangsregelungen in § 23 Abs 19 Satz 1 GrEStG den Grundsatz festlegen, dass Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs 2a GrEStG a.F. auch für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Altgesellschafter gelten. Wenn dieser Grundsatz als abschließende Regel für die Bestimmung der Alt- bzw. Neugesellschafterstellung im Übergangszeitraum verstanden wird, wäre ein Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs 2a GrEStG aF bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 1 Abs 2a n.F. stets auch ein Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs 2a GrEStG n.F. Bei Zugrundlegung dieser Sichtweise stellt im Ausgangsfall des obigen Beispiels die Übertragung des 30 %-Anteils von B auf den bisher nicht beteiligten E einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbaren Vorgang dar. Denn nach dieser Sichtweise sind C und D bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums im Jahr 2029 Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Durch die Übertragung des 30 %293 294 295 296 297

Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.1.1. Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2386 f.). BGBl. I 2015, 1834. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 15. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 766.

Broemel | 281

3.311

Kap. 3 Rz. 3.311 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Anteils von B auf E gehen 30 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter über. Da bereits im Jahr 2019 60 % der Anteile an der G KG auf Neugesellschafter übergingen, sind mit der Übertragung im Jahr 2028 90 % der Anteile an der G KG in einem Zehnjahreszeitraum auf Neugesellschafter übergegangen. Es liegt daher ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbarer Gesellschafterwechsel vor.

3.312 Sofern die letztere Auffassung eingenommen wird, nach der ein Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. stets auch ein Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs 2a GrEStG n.F. ist, stellt sich gleichwohl die Frage, inwieweit Übertragungen auf Neugesellschafter nach dem 1.7.2021 zu berücksichtigen sind, wenn die nämlichen Anteile bereits vor dem 1.7.2021 schon einmal auf Neugesellschafter übertragen wurden und hierbei die 90 %-Schwelle überschritten wurde. Es ist zwar unstrittig, dass mehrfache Übertragungen des nämlichen Anteils nur einmal erfasst werden.298 Entscheidend für Übertragungsvorgänge im Übergangszeitraum kann jedoch sein, ob die Übertragung eines Anteils von einem Neugesellschafter auf einen Neugesellschafter dazu führt, dass die neuerliche Übertragung auf einen Neugesellschafter die ursprüngliche Übertragung auf den „ersten“ Neugesellschafter ersetzt. Der Erlass zu den Übergangsregelungen äußerst nicht zu der Fragestellung, unter welchen Umständen Übertragungsvorgänge nach dem 1.7.2021 zu einem Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. führen können, wenn bereits vor dem 1.7.2021 die 90 %-Schwelle durch Anteilsübertragungen überschritten wurde. Dieser Zusammenhang soll an einer Abwandlung zu dem obigen Beispiel 51 veranschaulicht werden. 3.313 Beispiel 52: Die doppelte Übertragung im Übergangszeitraum An der grundbesitzenden G KG war A seit Gründung der Gesellschaft vermögensmäßig zu 100 % beteiligt. Im Jahr 2017 übertrug er 30 % an B, im Jahr 2019 übertrug er 60 % an C. Im Jahr 2024 überträgt C einen 20 %-Anteil an D.

10 % 30 % 60 % Übertragung 20 % (seit Gründung) (seit 2017) (seit 2019) an D im Jahr 2024 A

B

C

G KG

Abb. 36: Die doppelte Übertragung im Übergangszeitraum

298 Vgl. auch Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 403.

282 | Broemel

D

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.316 Kap. 3 Für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. ist Die Übertragung der insgesamt 90 % auf B und C nicht steuerbar gewesen, da die 95 %-Schwelle nicht überschritten wurde. Die Gesellschafter B und C sind am 1.7.2021 Neugesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. Auch stellt die Übertragung des 20 %-Anteils von C an D im Jahr 2024 keinen gem. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar, da mit dieser Übertragung in dem für § 1 Abs. 2a GrEStG aF maßgeblichen Fünfjahreszeitraum lediglich 80 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen sind. Für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. liegt hinsichtlich der vergangenen Übertragungen ebenfalls kein steuerbarer Vorgang vor, da die Übertragung der 90 % vor dem 1.7.2021 erfolgt ist. Sofern in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, dass B und C auch für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Neugesellschafter sind, stellt sich die Frage, welche Folgen mit der Übertragung des 20 %-Anteils von C an D im Jahr 2024 einhergehen.

In dem obigen Beispiel ergibt sich die Besonderheit, dass die relevante 90 %-Schwelle des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. überschritten wurde, aber gleichwohl kein steuerbarer Vorgang vorlag, da die Überschreitung der 90 %-Schwelle zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erfolgte. Durch die Übertragung des 20 %Anteils von C an D im Jahr 2024 erfolgt nun ein Gesellschafterwechsel nach Inkrafttreten des neuen Rechts. Dabei geht der 20 %-Anteil jedoch von einem Neugesellschafter (C) auf einen anderen Neugesellschafter (D) über. Ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. steuerbarer Vorgang ist gegeben, wenn im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum 90 % der Anteile auf Neugesellschafter übergehen. Ob die relevante 90 %-Schwelle nach Inkrafttreten des neuen Rechts überschritten wurde, hängt nunmehr davon ab, wie die Übertragung des 20 %-Anteils im Jahr 2024 von einem Neugesellschafter (C) auf einen anderen Neugesellschafter (D) bei der Bestimmung der relevanten Zählquote berücksichtigt wird.

3.314

Hierbei könnte einerseits überlegt werden, ob die Übertragung des 20 %-Anteils von C an D die Übertragung des nämlichen Anteils im Jahr 2019 insoweit ersetzt. In diesem Fall wäre der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erfüllt, da vor Inkrafttreten des Rechts in der Folge nur noch 70 % übertragen wurden (30 % auf B im Jahr 2017 und 40 % auf C im Jahr 2019) und durch die Übertragung des 20 %-Anteils auf D die 90 %-Schwelle nach Inkrafttreten des neuen Rechts überschritten wurde. Diese Sicht erscheint allerdings unzutreffend, da sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht ableiten lässt, dass die Übertragung des nämlichen Anteils von einem Neugesellschafter auf einen Neugesellschafter dazu führen würde, dass die ursprüngliche Übertragung auf den (ersten) Neugesellschafter für die Zählquote unbeachtlich wird.299

3.315

Überzeugender ist hingegen die Auffassung, dass die Übertragung des 20 %-Anteils von C an D neben die ursprüngliche Übertragung des nämlichen Anteils im Jahr 2019 tritt und beide Übertragungsvorgänge unabhängig voneinander für die Beurteilung der relevanten Zählquote zu berücksichtigen sind. Denn mit jeder Übertragung eines Anteils auf einen Neugesellschafter beginnt ein Zehnjahreszeitraum, der daraufhin zu überprüfen ist, ob innerhalb dieser zehn Jahre ein Wechsel von 90 % der

3.316

299 Vgl. in diesem Sinne auch zur Beurteilung von Übertragungen des nämlichen Anteils Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 406.

Broemel | 283

Kap. 3 Rz. 3.316 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Anteile der grundbesitzenden PersGes. auf Neugesellschafter erfolgt.300 Aus Sicht der Übertragung auf B im Jahr 2017 sind in dem ab diesem Zeitpunkt beginnenden Zehnjahreszeitraum zusammen mit den beiden Übertragungsvorgängen im Jahr 2019 90 % der Anteile an der G KG auf neue Gesellschafter übergegangen. Dass ein Teil der nämlichen im Jahr 2019 übertragenen Anteile wiederum im Jahr 2024 übertragen werden, dürfte dem Umstand, dass die relevante 90 %-Schwelle bereits im Jahr 2019, also vor Inkrafttreten des neuen Rechts, überschritten wurde, nicht entgegenstehen. Aus Sicht der Übertragung auf C im Jahr 2019 sind in dem ab diesem Zeitpunkt beginnenden Zehnjahreszeitraum 60 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen. Dass ein Teil dieser nämlichen Anteile wiederum im Jahr 2024 übertragen werden, dürfte dabei unbedeutend sein, da die 60 %-Schwelle bereits im Jahr 2019 erreicht wurde. Aus Sicht der Übertragung auf D im Jahr 2024 sind in dem ab diesem Zeitpunkt beginnenden Zehnjahreszeitraum bisher nur 20 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen. Mithin erfolgt bei Zugrundelegung dieser Auffassung nach Inkrafttreten des neuen Grunderwerbsteuerrechts kein Gesellschafterwechsel, der den § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. auslöst. bb) Reichweite der Rückwirkungsanordnung des § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG für mittelbare Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG

3.317 Die Überlegung, wie eine Überschreitung der 90 %-Schwelle vor dem 1.7.2021 behandelt wird, ist auch für Sachverhalte relevant, in denen KapGes. aufgrund der Übergangsregelung des § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG mit Inkrafttreten des neuen Grunderwerbsteuerrechts „über Nacht“ rückwirkend zu Neugesellschaftern wurden. Letzteres ist der Fall, wenn sie in der Vergangenheit den Tatbestand des § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG (Übergang von 90 % der Anteile auf neue Anteilseigner) erfüllt haben. Dies betrifft KapGes., deren Anteile in der Vergangenheit zu weniger als 95 % (kein Neugesellschafter nach altem Recht), aber zu mehr als 90 % auf neue Anteilseigner übergegangen sind (Neugesellschafter nach neuem Recht). § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG ordnet hier explizit eine rückwirkende Anwendung des neuen Rechts an. Wäre durch den betreffenden Vorgang in der Vergangenheit nicht nur eine Neugesellschafterstellung nach § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG n.F. entstanden, sondern auch Grunderwerbsteuer nach neuem Recht angefallen, sollte die KapGes. als Altgesellschafterin nach neuem Recht zu klassifizieren sein.301 3.318 Beispiel 53: Neugesellschafter durch Inkrafttreten des neuen Rechts? An der grundbesitzenden G KG ist die B GmbH am 1.7.2021 seit mehr als fünf Jahren zu 10 % unmittelbar und zu 90 % mittelbar über die A GmbH beteiligt, an der sie 100 % der Anteile hält. Im Jahr 2018 hat sich bei der B GmbH ein Gesellschafterwechsel ereignet, bei dem der

300 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 403. 301 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2387); gl.A. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 774; nicht ausdrücklich bezugnehmend auf die Altgesellschafterstellung, jedoch die Unbeachtlichkeit des Übertragungsvorganges für die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. für Übertragungsvorgänge nach dem 1.7.2021 bejahend Behrens in Behrens/ Wachter2, § 23 GrEStG Rz. 55 ff.

284 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.319 Kap. 3 zuvor mit 100 % beteiligte Gründungsgesellschafter C 92 % seiner Anteile auf D übertrug. Im Oktober 2021 erwirbt die B GmbH von der A GmbH die übrigen Anteile an der G KG.

C

D

8%

C

92 % (seit 2018)

8%

B GmbH

100 %

A GmbH

G KG

92 % (seit 2018) B GmbH

100 %

90 %

D

10 %

Übertragung 90 %-Anteil im Oktober 2021

G KG

Abb. 37 Wegen ihrer bereits seit Jahren bestehenden unmittelbaren Beteiligung ist die B GmbH nach allgemeinen Grundsätzen Altgesellschafterin der G KG. Fraglich ist, ob diese Einordnung unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG auch für das neue Recht gilt. Die Gesellschaft ist gem. § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG im Jahr 2018 Neugesellschafterin für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. geworden. Bei Anwendung des neuen Rechts bereits im Jahr 2018 wäre Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. angefallen, da bezogen auf die G KG mehr als 90 % der Gesellschaftsanteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Nachfolgend wäre die B GmbH für Zwecke des neuen Rechts wieder zur Altgesellschafterin in Bezug auf die G KG geworden. Dies spricht dafür, die B GmbH auch unter Berücksichtigung des § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG für Erwerbe nach dem 1.7.2021 als Altgesellschafterin zu berücksichtigen. Die Übertragung der Anteile an der G KG von der A GmbH an die B GmbH sollte demnach keinen nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang auslösen.

Im Ergebnis sprechen daher gute Gründe dafür, dass KapGes., bei denen sich vor dem 1.7.2021 ein Gesellschafterwechsel von mehr als 90 % ereignet hat und dieser nach neuem Recht zum Anfall von Grunderwerbsteuer geführt hätte, als Altgesellschafter nach neuem Recht anzusehen sind.

Broemel | 285

3.319

Kap. 3 Rz. 3.320 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

IX. Verhältnis des § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 2b GrEStG

3.320 Anders als § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG enthalten weder § 1 Abs. 2a GrEStG noch § 1 Abs. 2b GrEStG Subsidiaritätsregeln, nach der eine der beiden Normen vorrangig anzuwenden ist („soweit eine Anwendung von Abs. 2a nicht in Betracht kommt“). Zur Rangfolge zwischen den beiden Absätzen wird von der Finanzverwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG ohne weitergehende Erläuterungen festgehalten, dass § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig seien und kein Vorrangverhältnis zwischen den beiden Normen bestehe.302 Diese Feststellung der Finanzverwaltung ergeben jedoch nur dann einen erkennbaren Sinn, wenn man für möglich hält, dass ein Grundstück zugleich einer PersGes. und einer KapGes. zuzurechnen sein kann. Denn nur in diesem Fall ist eine Besteuerungssituation denkbar, in der in Bezug auf ein Grundstück sowohl die Anwendung des § 1 Abs. 2a als auch des § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommen. Offenbar interpretiert die Finanzverwaltung die in Tz. 3 aufgestellte Zurechnungsregel so, dass die Zurechnung zur Obergesellschaft aufgrund eines Veräußerungsvorganges i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG nicht dazu führt, dass das Grundstück der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümerin nicht mehr zuzurechnen wäre. Nach dieser Sichtweise wäre eine Doppelzurechnung auf mehreren Ebenen möglich. In der Folge könnte durch denselben Vorgang mehrfach Grunderwerbsteuer ausgelöst werden. 3.321 Eine doppelte grunderwerbsteuerliche Erfassung von Anteilsübertragungen (wenn auch nach unterschiedlichen Normen und auf Ebene unterschiedlicher Gesellschaften) wäre offenkundig unsachgerecht. Fraglich ist allerdings auch, ob die in Tz. 3 der Erlasse festgehaltenen Grundsätze zur Zurechnung eines Grundstücks überhaupt Raum für eine derartige Doppelbesteuerung lassen.303 Denn wenn man die Aussagen wörtlich nimmt, liegt die Folgerung nahe, dass das Grundstück, das einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist, für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG zugleich dem zivilrechtlichen Eigentümer nicht mehr zuzurechnen ist.304 Die Finanzverwaltung gibt in diesem Zusammenhang nahezu exakt die Rechtsprechung des BFH wieder.305 Abweichend von der BFH-Rechtsprechung rechtfertigt nach Verwaltungsauffassung ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang offenkundig aber nicht, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer der Grundbesitz nicht mehr zuzurechnen ist.306 Insbesondere der Umstand, dass nach Ansicht des BFH ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbarer Vorgang dazu führt, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer der Grundbesitz nicht mehr zuzurechnen ist, dürfte indes belegen, dass nach Auffas302 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 7. 303 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1690). 304 Hierfür sprechen die Aussagen in Tz. 3 „Es kommt nicht auf das zivilrechtliche Eigentum […] an“ und „Ein Grundstück gehört nicht mehr zum Vermögen der Kapitalgesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht […], es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Absatz 1, 3 oder 3a GrEStG war“ sowie die spezielle Klarstellung, dass (nur) in Fällen des § 1 Abs. 2 GrEStG das Grundstück weiterhin zum Vermögen der (Eigentümer-)Gesellschaft gehöre. 305 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375. 306 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3.

286 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.322 Kap. 3

sung des BFH ein Grundstück für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG nur einem Rechtsträger zuzuordnen ist. Denn bei der grunderwerbsteuerbaren Begründung der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG ändert sich der zivilrechtliche Eigentümer des Grundstücks nicht. Gleichwohl befürwortet der BFH, dass in diesem Fall dem zivilrechtlichen Eigentümer nicht mehr das Grundstück zuzurechnen ist.307 Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung dürfte eine eindeutige Zuordnung eines Grundstücks zu nur einer Gesellschaft sichergestellt sein. In der Folge sollte es zu keiner gleichzeitigen Zurechnung eines Grundstücks zu einer PersGes. und einer KapGes. kommen. Beispiel 54: Eindeutige und einmalige Zuordnung Die G KG erwirbt 100 % der Anteile an der grundbesitzenden G GmbH. Ein Jahr später werden 90 % der Anteile der G KG auf einen neuen Gesellschafter übertragen. Abwandlung: Die G KG ist als Altgesellschafter bereits zu 15 % an der G GmbH beteiligt und erwirbt die verbleibenden 95 %. Ein Jahr später werden 85 % der Anteile der G KG auf einen neuen Gesellschafter übertragen.

Ausgangsfall

Abwandlung 2) Gesellschafterwechsel 90 % bei G KG

G KG 0% G GmbH

2) Gesellschafterwechsel 90 % bei G KG G KG

1) Erwerb 100 % an G GmbH

15 %

1) Aufstockung Beteiligung von 15 % auf 100 %

G GmbH

Abb. 38 Der Erwerb sämtlicher Anteile an der G GmbH stellt einen nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbaren Vorgang dar.308 Das Grundstück ist nur der G GmbH zuzurechnen. Die ein Jahr später erfolgende Übertragung von 90 % der Anteile an der G KG stellt erneut einen nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbaren Vorgang dar. Es liegt kein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG vor, da keine Zurechnung des Grundstücks zur G KG in Betracht kommt.

307 Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700; v. 14.12.2022 – II R 33/20, IStR 2023, 331; BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016, 358; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375; hierzu auch MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1073. 308 Mögliche Implikationen aus dem Umstand, dass die Finanzverwaltung in diesem Fall vertreten würde, dass im Zeitpunkt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts auch ein Anwendungsfall des § 1 Abs. 3 GrEStG vorläge (s. Rz. 3.325 ff.), werden hier zur Vereinfachung vernachlässigt.

Broemel | 287

3.322

Kap. 3 Rz. 3.322 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Abwandlung: Der Erwerb sämtlicher Anteile an der G GmbH stellt einen nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Vorgang dar. Das Grundstück ist zuzurechnen. Die ein Jahr später erfolgende Übertragung von 90 % der Anteile an der G KG stellt einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang dar. Es liegt kein Anwendungsfall des § 1 Abs. 2b GrEStG vor.

3.323 Auch wenn nach der Rechtsprechung somit sichergestellt sein dürfte, dass für Zwecke der Ergänzungstatbestände eine einmalige und eindeutige Zuordnung von Grundstücken erfolgt, sollte bei der Beurteilung der möglichen grunderwerbsteuerlichen Folgen von Anteilsübertragungen somit stets berücksichtigt werden, dass je nach Lage des Einzelfalls aus Sicht der Finanzverwaltung ggf. eine Mehrfachzurechnung eines Grundstücks zu unterschiedlichen Gesellschaften erfolgen könnte. X. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 1. Vorrang des § 1 Abs. 2a GrEStG

3.324 Ändert sich der Gesellschafterbestand einer PersGes., kann eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, 3 oder 3a GrEStG in Betracht kommen. § 1 Abs. 2a GrEStG geht der Anwendung des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG im Grundsatz vor. § 1 Abs. 3 GrEStG hat Vorrang vor § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Anwendung des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG wird durch § 1 Abs. 2a GrEStG auch dann ausgeschlossen, wenn nach dessen Satz 6 oder einer Befreiungsvorschrift die Steuer nicht erhoben wird.309 Da der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG hinsichtlich des Zeitpunktes der Tatbestandsverwirklichung auf den dinglichen Übergang der Anteile abstellt, während § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG sowie § 1 Abs. 3a GrEStG auf das vorangehende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft abstellen, ist allerdings umstritten, ob auch bei Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG im Zeitpunkt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes (zunächst) der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllt wird (s. hierzu auch Rz. 3.325). 2. Signing-Closing-Theorie der Finanzverwaltung a) Hintergrund der Signing-Closing-Theorie und Anwendungserlass

3.325 § 1 Abs. 2a GrEStG stellt hinsichtlich des Zeitpunktes der Tatbestandsverwirklichung auf den dinglichen Übergang der Anteile ab (sog. „Closing“). Demgegenüber unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG sowie § 1 Abs. 3a GrEStG bereits der wirksame Abschluss des auf die Übertragung der Anteile gerichtete schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft der Besteuerung (sog. „Signing“). Wie sich dies auf die im Gesetz vorgesehene Vorrangstellung des § 1 Abs. 2a GrEStG gegenüber dem nachrangigen § 1 Abs. 3 GrEStG auswirkt, ist umstritten.310 § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG sind dem Wortlaut der Norm nach zwar nur anwendbar, „soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“. Die Finanzverwaltung vertritt in diesem Kontext jedoch, dass die Tatbestände strikt zeitpunktbezogen auszulegen sind: Während bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts § 1

309 Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1. 310 Vgl. hierzu u.a. auch Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870.

288 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.328 Kap. 3

Abs. 3 Nr. 1 oder 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht werde, werde der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt, wenn es zum Übergang der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. komme. Die beiden Rechtsvorgänge stellen nach Ansicht der Finanzverwaltung zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar.311 In den Fällen, in denen also der Wechsel von 90 % der Gesellschaftsanteile auf Neugesellschafter zugleich mit einer Konzentration dieser Anteile in einer Hand einhergeht, liegen nach Verwaltungsauffassung zwei steuerbare Vorgänge vor. Verfahrensrechtlich sei dem Rechnung zu tragen, indem im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG oder Abs. 3a GrEStG erfolge. Im Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. erfolge eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2a GrEStG und die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG oder Abs. 3a GrEStG sei bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern. Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG sei grundsätzlich nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zu erwarten ist. Zudem müsse der Grundstücksbestand im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes und des Übergangs der Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. identisch sein.312

3.326

Da die Steuerschuldner und Anzeigepflichtigen bei § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG (Parteien des Anteilskaufvertrags bzw. Erwerber, bei dem sich die Anteile vereinigen) und § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG (Gesellschaft selbst) auseinanderfallen, entsteht durch das neue Verfahren eine hohe Komplexität in der Abwicklung. Die Finanzverwaltung versucht dies abzumildern, indem sie eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nur in den Fällen für geboten erklärt, in denen die Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG innerhalb eines Jahres nach Kenntnisnahme der Verwaltung nicht zu erwarten ist.313 Dass somit im „Normalfall“ bis zum Zeitpunkt des Closing mit einer Festsetzung abgewartet werden soll, sorgt für eine gewisse verwaltungsökonomische Vereinfachung. Die Steuerpflichtigen sind dadurch aber nicht von ihrer Pflicht entbunden, sowohl beim Signing als auch beim Closing eine fristgerechte Grunderwerbsteueranzeige zu erstatten. Unklar ist jedoch indes, ob die Finanzverwaltung an dieser Praxis auch nach Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG festhält (s. hierzu auch Rz. 3.333).

3.327

Die Anzeigepflicht beim Signing ist nicht nur eine Compliancefrage, sondern sie ist auch für die Möglichkeit einer Rückabwicklung nach § 16 GrEStG relevant, die bei unterbliebener oder nicht fristgerechter Anzeige ausgeschlossen ist (§ 16 Abs. 5 GrEStG).314

3.328

311 312 313 314

Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1. Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2. Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2. Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695).

Broemel | 289

Kap. 3 Rz. 3.329 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.329 Beispiel 55: Die unterbliebene Anzeige A hält eine vermögensmäßige Beteiligung i.H.v. 100 % an der G KG und schließt mit B im Juni eines Jahres einen Kaufvertrag über diese Anteile ab. Der dingliche Übergang der Anteile (Closing) ist für den nachfolgenden August vorgesehen und erfolgt entsprechend. Abwandlung: B zeigt keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG an, weil er davon ausging, dass wegen Vorrangs des § 1 Abs. 2a GrEStG erst bei Closing eine Anzeige durch die G GmbH zu erstatten sei. Da nicht alle Vollzugsbedingungen erfüllt werden, kommt es nicht zum Closing und der Kaufvertrag wird rückabgewickelt.

Veräußerung A 100 %

B Signing: Juni Closing: August (Abwandlung Rückabwicklung)

G KG

Abb. 39 Lösung nach Verwaltungsauffassung: Durch den Abschluss des Kaufvertrages hat A einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG verwirklicht. Der steuerbare Vorgang muss dem für diesen Vorgang zuständigen Finanzamt angezeigt werden. Mit dem dinglichen Übergang der Anteile im August wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Dieser grunderwerbsteuerbare Vorgang ist dem für diesen Vorgang zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Eine Festsetzung des nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG seitens der Finanzverwaltung unterbleibt, da innerhalb eines Jahres nach Kenntnisnahme des nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG steuerbaren Vorgangs eine Besteuerung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorganges erfolgt. Unklar ist jedoch indes, ob die Finanzverwaltung an dieser Praxis auch nach Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG festhält (s. hierzu auch Rz. 3.333). Abwandlung: B hat den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG nicht angezeigt. Zu dem dinglichen Übergang der Anteile und damit der Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG kommt es aufgrund der Vertragsrückabwicklung allerdings nicht mehr. Fraglich ist in diesem Fall, ob B den nicht angezeigten Vorgang nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG in diesem Fall nach § 16 Abs. 1 GrEStG rückgängig machen kann. Letzterem dürfte gem. § 16 Abs. 5 GrEStG die fehlende Anzeige entgegenstehen.

3.330 Steuerpflichtige sollten mögliche Anzeigepflichten für die Vergangenheit prüfen und zugleich Rechtsmittel gegen diesbezügliche Steuerfestsetzungen einlegen, denn die Vereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut „soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a nicht in Betracht kommt“ erscheint zweifelhaft.

290 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.335 Kap. 3

Keine Aussage treffen die Erlasse zur Frage, nach welcher verfahrensrechtlichen Korrekturvorschrift die neuen Regeln abgewickelt werden sollen.315 Zur Vermeidung steuerlicher Risiken kann es daher sinnvoll sein, vor einer Anteilsübertragung (z.B. durch eine verbindliche Auskunft) von der Finanzverwaltung verbindlich absichern zu lassen, dass keine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgen wird. Ob die Verwaltung dies jedoch nach Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG noch bestätigt, ist fraglich.

3.331

Der Sonderfall, dass das Signing vor dem 1.7.2021 und das Closing danach erfolgt ist,316 wird weder in dem Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG317 noch in dem Erlass zu den Übergangsvorschriften318 behandelt.

3.332

b) Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG durch das JStG 2022 Durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)319 wurde eine Korrekturvorschrift in § 16 Abs. 4a GrEStG eingeführt, die aus Sicht des Gesetzgebers als eine verfahrensrechtliche Grundlage zur Korrektur des § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides bei Signing dienen soll (s. hierzu auch Rz. 3.311 ff.).320

3.333

Vereinfacht sieht § 16 Abs. 4a GrEStG vor, dass eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG auf Antrag aufgehoben oder geändert wird, wenn in Erfüllung des Rechtsgeschäfts beim Übergang der Anteile der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG verwirklicht wird. Die Korrekturvorschrift greift jedoch gem. § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG oder in § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war.

3.334

Beispiel 56: Wirkungsweise § 16 Abs. 4a GrEStG An der grundbesitzenden G GmbH ist bisher A zu 100 % beteiligt. A veräußert seine Beteiligung an der G GmbH mit schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft vom 1.2.2023 an B. Die Anteile gehen am 1.9.2024 auf B über. Sowohl das Signing als auch das Closing wurden durch B bzw. die G GmbH fristgerecht und vollständig angezeigt. Die Finanzverwaltung hat zwischen Signing und Closing bereits einen Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG erlassen.

3.335

Abwandlung 1: B hat der Finanzverwaltung das Signing nicht angezeigt. Abwandlung 2: Die G GmbH hat das Closing nicht angezeigt. Abwandlung 3: B und die G GmbH haben Signing und Closing vergessen, den Vorgang der Finanzverwaltung anzuzeigen. In einer späteren Betriebsprüfung wird der Grunderwerbsteuerfall aufgedeckt.

315 Kritisch zu den etwaigen verfahrensrechtlichen Ansatzpunkten auch Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870 (2872 f.). 316 Vgl. dazu z.B. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 2383 (2384 f.). 317 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801. 318 Gleich lautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. 319 JStG 2022 v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294. 320 S. hierzu auch ausführlich Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73.

Broemel | 291

Kap. 3 Rz. 3.335 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Mit dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft am 1.2.2023 (Signing) wird (nach Auffassung der Finanzverwaltung) der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Mit dem Übergang der Anteile am 1.9.2024 (Closing) wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Da sowohl das Signing (durch B) als auch das Closing (durch die G GmbH) fristgerecht und vollständig angezeigt wurden, kann gem. § 16 Abs. 4a GrEStG beantragt werden, dass der Bescheid gem. § 1 Abs. 3 GrEStG aufgehoben wird. Es kommt in der Folge nur zu einer Besteuerung des Anteilsüberganges gem. § 1 Abs. 2b GrEStG. Abwandlungen: Da in den Abwandlungen jeweils das Signing und/oder das Closing nicht fristgerecht und vollständig angezeigt wurde, droht eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer einzutreten. Letzteres wäre der Fall, wenn die Finanzverwaltung sowohl Grunderwerbsteuer für das Signing (bei B) als auch das Closing (G GmbH) erhebt, § 16 Abs. 4a GrEStG aber aufgrund der Verstöße gegen die Anzeigepflichten nicht einschlägig ist.

3.336 Die Tragweite der „Signing-Closing-Theorie“ hängt maßgeblich davon ab, ob die Finanzverwaltung es in Betracht zieht, auch zu einem Zeitpunkt nach Closing eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorzunehmen.321 Sollte die Finanzverwaltung aufgrund einer Stichtagsbetrachtung auch in Fällen, in denen das Closing bereits erfolgt ist, noch eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG für das Signing vornehmen, droht in einer Vielzahl von Sachverhalten eine zweifache Besteuerung mit Grunderwerbsteuer. Steuerpflichtige sollten sich gegen eine etwaig drohende Doppelbesteuerung zur Wehr setzen. Denn zunächst erscheint es zweifelhaft, ob es überhaupt des § 16 Abs. 4a GrEStG bedarf, um eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Denn eine Korrekturnorm wäre nur dann erforderlich, wenn bei Signing tatsächlich der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht wird. In § 1 Abs. 3 Halbs. 1 GrEStG ist jedoch ausdrücklich ein gesetzlicher Anwendungsvorrang der § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG geregelt. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgt danach nur, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt. Der Anwendungsvorrang wird von der ganz h.M. im Schrifttum dahingehend verstanden, dass die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG so lange unterbleiben muss, wie eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a/2b GrEStG noch möglich ist.322 Zudem ist offen, ob § 16 Abs. 4a GrEStG die einzige Möglichkeit ist, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Denn vieles spricht dafür, dass bei Closing die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt sind,323 sodass eine Aufhebung der § 1 Abs. 3 GrEStG-Festsetzung auch außerhalb des § 16 Abs. 4a GrEStG möglich ist. § 16 Abs. 4a GrEStG vermag die Anwendung des § 175 AO nicht als lex specialis zu verdrängen, da die neue Regelung nach der Gesetzesbegründung nur als begünstigende Verfahrenserleichterung, und nicht als materielle Spezialregelung konzipiert wurde.324 3.337 Da § 16 Abs. 4a GrEStG ohne eine Übergangsregelung eingeführt wurde, findet die Regelung im Grundsatz rückwirkend Anwendung. Dabei ging der Gesetzgeber aber offensichtlich davon aus, dass die Regelung lediglich zum Vorteil des Steuerpflichtigen sein würde. Da die Vorschrift jedoch mit substanziellen Nachteilen für den Steu321 Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (75). 322 S. Nachweise in Fn. 1 sowie Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1668 f.). 323 Vgl. Behrens/Klinger, DStR 2022, 2870 (2873); Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1669), Fn. 13. 324 Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (75).

292 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.340 Kap. 3

erpflichtigen verbunden ist, dürfte eine rückwirkende Anwendung der Norm zulasten des Steuerpflichtigen verfassungswidrig sein.325 Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit die verfahrensrechtlichen Regelungen in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG (insb. Vereinfachungsregelung für Fälle, in denen Closing innerhalb von einem Jahr nach Signing zu erwarten ist, s. Rz. 3.326) auch nach der Einführung von § 16 Abs. 4a GrEStG Bestand haben oder geändert werden.326

3.338

XI. Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 1. § 6 Abs. 3 GrEStG a) Veränderungen in der Beteiligungskette mit Personengesellschaften Gesellschafterwechsel, die gem. § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbar sind, können gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG stellt vereinfacht die Übertragung von Grundbesitz von einer PersGes. auf eine andere PersGes. frei, soweit an beiden PersGes. die gleichen Gesellschafter beteiligt sind und die vermögensmäßige Teilhabe der einzelnen Gesellschafter an beiden Gesellschaften deckungsgleich ist. Weichen die vermögensmäßigen Beteiligungen eines Gesellschafters an den beiden Gesellschaften voneinander ab, bleibt die Grunderwerbsteuer insoweit unerhoben, als die Beteiligungen an beiden Gesamthandsgemeinschaften gleich hoch sind. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die vermögensmäßige Beteiligung an der übertragenden Gesamthand bereits seit 10 Jahren besteht (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG) und die vermögensmäßige Beteiligung an der übernehmenden Gesamthand für 10 Jahre nach dem Übertragungsvorgang aufrechterhalten bleibt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Im Grundsatz wird für die Befreiung auf die unmittelbar beteiligten Gesellschafter abgestellt. Eine Ausnahme gilt allerdings für Erwerbsvorgänge bei sog. doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand ihrerseits Gesellschafterin an der übertragenden Gesamthand ist und damit die Beteiligung an einer Gesamthand durch die Beteiligung an der anderen Gesamthand vermittelt wird. In letzteren Fällen ist Zurechnungssubjekt nicht die Gesamthand als solche, sondern die am Vermögen der Gesamthand beteiligten (mittelbaren) Gesellschafter.327

3.339

§ 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kann bei Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG greifen. Denn die grunderwerbsteuerliche Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG ist, dass der Grundbesitz von der „alten“ grundbesitzenden PersGes. auf eine fiktiv neue grundbesitzende PersGes. übertragen wird. Die Befreiung in § 6 Abs. 3 GrEStG und der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG scheinen auf den ersten Blick keine überschneidenden Anwendungsbereiche zu haben, da die Befreiung in § 6 Abs. 3 GrEStG eine zehnjährige

3.340

325 Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (76). 326 Vgl. hierzu auch Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (76). 327 Vgl. u.a. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 40.

Broemel | 293

Kap. 3 Rz. 3.340 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Vorbehaltensfrist voraussetzt und § 1 Abs. 2a GrEStG auf einen Übergang der Anteile auf Neugesellschafter abstellt. Eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kommt gleichwohl in Betracht, wenn entweder einzelne Gesellschafter nicht zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen haben (für diesen bedarf es ja nur eines Übergangs von 90 % auf neue Gesellschafter) oder wenn der Übergang auf Neugesellschafter auf die Beteiligung einer PersGes. zurückzuführen ist, an der die bisherigen Gesellschafter der grundbesitzenden PersGes. beteiligt sind.

3.341 Beispiel 57: Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG An der grundbesitzenden G KG sind A mit 70 %, B mit 20 % und C mit 10 % beteiligt. Alle drei sind bereits seit mehr als zehn Jahren in diesem Umfang beteiligt. A und B übertragen ihre Anteile nun auf die AB GbR, an der A zu 60 % und B zu 40 % beteiligt sind.

A

B

60 %

A

B 20 %

70 %

C

40 %

AB GbR

10 %

G KG

C 10 %

90 %

G KG

Abb. 40 Durch die Übertragung der Anteile an der G KG auf die AB GbR wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst, da 90 % der Anteile an der G KG auf einen Neugesellschafter übergehen. Der Vorgang ist zu 84 % gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit: – Zum einen ist der unmittelbar von C gehaltene Anteil i.H.v. 10 % begünstigt. – A war bisher zu 70 % beteiligt, ist nun jedoch mittelbar über die AB GbR nur noch zu 54 % (= 60 % * 90 %) beteiligt. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wird insoweit eine Begünstigung i.H.v. 54 % gewährt (deckungsgleiche Beteiligung vorher und nachher). – B war bisher zu 20 % beteiligt und ist nun jedoch mittelbar über die AB GbR zu 36 % (= 40 % * 90 %) beteiligt. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wird insoweit eine Begünstigung i.H.v. 20 % gewährt (deckungsgleiche Beteiligung vorher und nachher).

b) Zeitlich gestreckter Erwerb und Anwachsung

3.342 Wenn der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird, wird den Neugesellschaftern regelmäßig keine Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG gewährt (zur Ausnahme bei 294 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.345 Kap. 3

mehrstöckigen PersGes. s. Rz. 3.339 ff.). Denn die Befreiung nach § 6 GrEStG setzt im Grundsatz voraus, dass die vermögensmäßige Beteiligung an der grundbesitzenden PersGes. bereits seit zehn Jahren gehalten wird. In der Vergangenheit wurde zur Optimierung der Steuerbefreiung beim Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden PersGes. häufig ein sog. zeitlich gestreckter Erwerb vollzogen. Dabei wurden in einem ersten Schritt Anteile an der grundbesitzenden PersGes. in einer Höhe erworben, die keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand auslöst (94,9 % nach altem Recht). Nach Ablauf der (seinerzeit fünfjährigen) Vorbehaltensfrist in § 6 GrEStG wurden die verbleibenden Anteile erworben. Dieser Erwerbsvorgang war (nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG) steuerbar, aber im Umfang von 94,9 % von der Grunderwerbsteuer befreit. Durch die Grunderwerbsteuerreform 2021 wurde die Vorbehaltensfrist in § 6 GrEStG nicht nur von fünf auf zehn Jahre erhöht, sondern für den vorbeschriebenen zeitlich gestreckten Erwerb auf 15 Jahre ausgedehnt. Denn § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG sieht ergänzend vor, dass bei einem Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 (Anteilsvereinigung) oder Abs. 3a GrEStG (Wirtschaftliche Beteiligung) keine Steuerbefreiung gewährt wird, wenn der Erwerber innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil am Vermögen der PersGes. erworben hat, es sei denn, einer der Erwerbe der Anteile am Gesellschaftsvermögen durch diesen Erwerber hat zu einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG geführt.

3.343

Der zeitlich gestreckte Erwerb erfordert damit im Grundsatz nach neuem Recht einen Investitionszeitraum von 15 Jahren (und eine Anpassung des Ersterwerbs auf 89,9 % statt 94,9 %). Eine Reduktion der Fünfzehnjahresfrist auf zehn Jahre sollte indes erreicht werden können, wenn der Erwerb des ausstehenden Anteils nicht als Anteilsvereinigung, sondern als Anwachsung gestaltet wird.328

3.344

Beispiel 58: Die Anwachsung C erwirbt im Oktober 2023 einen 89,9 %-Anteil an der grundbesitzenden G KG. Weiterer Gesellschafter sind der seit mehr als zehn Jahren beteiligte A und die vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementärin B GmbH. Im Oktober 2033 tritt die B GmbH aus der G KG aus. Anschließend erwirbt C den 10,1 %-Anteil von A.

3.345

A 10,1 %

C 89,9 %

B GmbH 0%

G KG

Abb. 41

328 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624.

Broemel | 295

Kap. 3 Rz. 3.345 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Im Zuge des Anteilserwerbs durch C im Oktober 2033 scheidet A als vorletzter Gesellschafter der grundbesitzenden PersGes. aus. Die PersGes. erlischt und ihr Vermögen geht durch Anwachsung auf den letztverbleibenden Gesellschafter C über. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt es im Fall der Anwachsung nicht zu einer grunderwerbsteuerbaren Anteilsvereinigung bei C. Stattdessen ist die Anwachsung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar.329 Da nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgänge nicht vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG erfasst sind, greift die fünfzehnjährige Vorbehaltensfrist nicht. Aufgrund der Einhaltung der zehnjährigen Vorbehaltensfrist ist der Erwerb zu 89,9 % von der Grunderwerbsteuer befreit.

c) Zur Steuerbefreiung bei mittelbarer Beteiligung aufgrund einer Treuhand

3.346 Umstritten ist bei Treuhandstrukturen insbesondere die Fragestellung, wie eine Rückübertragung von Anteilen vom Treuhänder auf den Treugeber im Kontext von § 1 Abs. 2a GrEStG zu beurteilen ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Steuerbarkeit (s. hierzu auch Rz. 3.169) als auch der etwaigen Steuerbefreiung dieses Vorganges. 3.347 Für den Fall, dass der Treugeber beim Erwerb unmittelbarer Anteile als Neugesellschafter gilt, stellt sich die Frage, ob dieser Erwerb gem. § 6 Abs. 3 GrEStG steuerbefreit sein kann, wenn der Erwerb einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgelöst hat. 3.348 Die Finanzverwaltung nimmt in diesem Zusammenhang im Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG zur sog. Vereinbarungstreuhand Stellung.330 Die Vereinbarungstreuhand stellt gedanklich einen Gesellschaftsanteilsverkauf dar, wobei der Verkäufer zugleich in die Stellung eines Treuhänders eintritt, der die Anteile für den Käufer treuhänderisch hält. Der Anteil bleibt mithin im zivilrechtlichen Eigentum des ursprünglichen Eigentümers und zukünftigen Treuhänders. Die Verwaltung vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass der Abschluss einer Vereinbarungstreuhand zu einem Übergang der Anteile auf einen mittelbaren Neugesellschafter führe und insoweit auch keine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG zu gewähren sei.331 Dabei liegt offenbar das Verständnis zugrunde, dass bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG nicht auf die fortwährende Beteiligung des Treuhänders abzustellen ist (denn der Verkäufer ist sowohl vor als auch nach dem Verkauf Gesellschafter der PersGes.). Stattdessen stellt die Verwaltung auf den dahinterstehenden mittelbaren Gesellschafter in Gestalt des Treugebers ab, welcher durch den Erwerb erstmalig mittelbar an der Gesellschaft beteiligt wurde. Diese Sichtweise ähnelt der Behandlung von doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG, bei denen für die Bemessung

329 Vgl. z.B. BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344. 330 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.10. 331 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3.10.

296 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.350 Kap. 3

der Steuerbefreiung ebenfalls nicht auf die PersGes. abzustellen ist, sondern auf die hinter der PersGes. stehenden natürlichen oder juristischen Personen.332 In diesem Sinne wäre es auch konsequent, zu vertreten, dass bei der Aufgabe eines Treuhandverhältnisses und damit dem Wechsel des Treugebers von einer mittelbaren Gesellschafterstellung in eine unmittelbare Gesellschafterstellung ebenfalls eine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Betracht kommt.333 Denn wenn die Finanzverwaltung implizit unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Steuerbefreiung versagt, wenn diese bei Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht gerechtfertigt ist, dann müsste sie konsequenterweise auch eine Steuerbefreiung befürworten, wenn diese unter Beachtung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise angezeigt ist.334 Letzteres tut sie jedoch offenbar nicht. Das FG Hamburg hat die Steuerbefreiung entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung zwar in einem Verfahren bejaht.335 Allerdings hat der BFH erst kürzlich entschieden, dass einem Treugeber trotz seiner wirtschaftlichen Beteiligung an einer PersGes. mangels einer Beteiligung keine Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG zusteht. Ein Treuhandverhältnis allein reiche nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand zuzurechnen.336 Stattdessen wendete der BFH die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG zuletzt lediglich zu Lasten des Steuerpflichtigen aus.337 Dies deutet in der Gesamtschau darauf hin, dass einem mittelbaren Gesellschafter aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen keine Steuervergünstigung nach §§ 5, 6 GrEStG zugesprochen werden kann. Damit ist davon auszugehen, dass keine Steuerbefreiung in diesem Fall gewährt wird.

3.349

Beispiel 59: Treugeber als Steuerbegünstigter gem. § 6 Abs. 3 GrEStG An der grundbesitzenden G KG sind A und B zu jeweils 40 % und C zu 20 % beteiligt. C hält die Anteile treuhänderisch für D. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seit zehn Jahren.

3.350

A überträgt seinen Anteil im Jahr 1 an den bisher nicht beteiligten E. B verkauft seinen Anteil im Jahr 1 an den bisher nicht beteiligten F, hält den Anteil aber aufgrund einer Verwaltungstreuhand zukünftig weiterhin als zivilrechtlicher Eigentümer für F. Im Jahr 2 überträgt C den von ihm treuhänderisch gehaltenen Anteil zurück an D.

332 Vgl. u.a. BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 40. 333 Vgl. Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (193). 334 Vertiefend zu möglichen Anwendungsfällen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei u.a. den grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften §§ 5, 6 GrEStG vgl. auch Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342; a.A. Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 16. 335 FG Hamburg v. 28.12.2016 – 3 K 172/16, EFG 2017, 596 Rz. 91 nach juris; hierzu auch Behrens, UVR 2017, 315; Joisten, Ubg 2017, 132; das Revisionsverfahren war beim BFH bis zur Zurücknahme der Revision unter dem Az. II R 3/17 anhängig. 336 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFH/NV 2022, 999. 337 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521.

Broemel | 297

Kap. 3 Rz. 3.350 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

A 40 %

B 40 %

C

Treuhand

D

20 %

G KG

Abb. 42 Lösung nach Verwaltungsauffassung: Durch die Übertragung auf E und F sind im Jahr 1 80 % der Anteile auf Neugesellschafter gem. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG übergegangen. Der Umstand, dass B zivilrechtlicher Eigentümer des Anteils bleibt, steht dem nicht entgegen, da dieser Anteil mittelbar F als neuem Gesellschafter zuzurechnen ist. Die Übertragung der von C treuhänderisch gehaltenen Anteile zurück an D stellt ebenfalls einen Übergang auf einen Neugesellschafter dar. Mithin ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Die Finanzverwaltung dürfte in diesem Kontext vertreten, dass keine Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zu gewähren ist. Ergänzende Lösungshinweise: Das FG Hamburg vertrat, dass hinsichtlich des Anteils von D (als bisher mittelbarer Gesellschafter) eine Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG zu gewähren sei, sodass der Vorgang zu 20 % von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Allerdings hat der BFH erst kürzlich entschieden, dass einem Treugeber trotz seiner wirtschaftlichen Beteiligung an einer PersGes. mangels einer Beteiligung keine Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG zusteht. Ein Treuhandverhältnis allein reiche nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand zuzurechnen.338 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich auch die Rechtsprechung gegen eine Steuervergünstigung nach §§ 5, 6 GrEStG aussprechen würde.

3.351 Unumstritten ist hingegen, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG bei der Auflösung eines Treuhandverhältnisses zu gewähren sein kann. Wenn die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden PersGes. durch einen Gesellschafter als Treugeber auf einen Treuhänder Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst und die dadurch entstandene Grunderwerbsteuer entrichtet wird, so ist der Rückerwerb der Anteile durch den Treugeber bei Auflösung des Treuhandverhältnisses – soweit hierdurch erneut § 1 Abs 2a GrEStG erfüllt wird – nach § 3 Nr. 8 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.339

338 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFH/NV 2022, 999. 339 Vgl. BFH v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; hierzu auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 465.

298 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.354 Kap. 3

d) Folgen einer Neugesellschafterstellung einer Kapitalgesellschaft für die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG Eine KapGes., die aufgrund eines Wechsels von 90 % ihrer Anteile auf Neugesellschafter gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin gilt, ist nicht von der Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt. Dieser Umstand liegt nicht unmittelbar auf der Hand, da für die Prüfung der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG im Grundsatz auf die unmittelbar dinglich Beteiligten abgestellt wird und die KapGes. auch bei einem Wechsel ihrer Anteilseignerschaft weiterhin die gleiche ist.340 Denn die Neugesellschafterstellung der KapGes. ist im Grunde nur eine Fiktion, die im Regelungszusammenhang von § 1 Abs. 2a GrEStG eingeführt wurde. Allerdings wurde auch bereits durch den BFH bestätigt, dass eine KapGes. als Neugesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht als taugliche Gesellschafterin i.S.d. § 6 Abs. 3 GrEStG gilt.341 Ohne diese Auslegung der Reichweite der Neugesellschafterstellung würde die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG aufgrund der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG auch entgegen der Intention des Gesetzgebers leerlaufen.

3.352

Beispiel 60: Keine Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG bei Neugesellschafterstellung gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG An der grundbesitzenden G KG ist die A GmbH zu 100 % beteiligt. Alleiniger Anteilseigner der A GmbH ist B. Die Beteiligungsstruktur besteht in dieser Form bereits seit zehn Jahren.

3.353

B veräußert sämtliche Anteile an der A GmbH an C. Durch den Verkauf der Anteile von B an C gehen 100 % der Anteile an der A GmbH auf einen neuen Gesellschafter über. Die A GmbH gilt daher gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Neugesellschafter der G KG. Infolge der Klassifikation der A GmbH als neuer Gesellschafter sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt, da 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der G KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Der nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgang ist nicht nach § 6 Abs. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Zwar ist die A GmbH bereits zehn Jahren unmittelbar dinglich an der G KG beteiligt. Aufgrund der Klassifikation der B GmbH als Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG wird allerdings fingiert, dass die B GmbH die zehnjährige Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht erfüllt.

2. Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG a) Anwendungsbereich der sog. Konzernklausel Umwandlungsvorgänge und Einbringungen oder andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage können nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar sein. Eine Steuerbarkeit wird in diesen Fällen hervorgerufen, wenn der relevante Rechtsvorgang dazu führt, dass 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. innerhalb des maßgeblichen Zehnjahreszeitraumes auf Neugesellschafter übergehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der bei dem Rechtsvorgang beteiligte übernehmender Rechtsträger ein Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist.

340 Vgl. Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 40. 341 Vgl. BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917.

Broemel | 299

3.354

Kap. 3 Rz. 3.355 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.355 Der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgang kann durch die sog. Kozernklausel in § 6a GrEStG von einer Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sind (s. im Detail zu den Anwendungsvoraussetzungen des § 6a GrEStG auch Rz. 6.46 ff. und 6.170 ff.). 3.356 Für die Anwendung des § 6a GrEStG ist nicht notwendigerweise erforderlich, dass die grundbesitzende PersGes., für die der § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst, selbst eine abhängige Gesellschaft i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG ist. Dies gilt insbesondere für Sachverhalte, in denen die Anteile der grundbesitzenden PersGes. zum übertragenen Vermögen gehören. Denn die Voraussetzung einer abhängigen Gesellschaft müssen gem. § 6a Satz 3 GrEStG nur die Rechtsträger erfüllen, die am Umwandlungsvorgang „beteiligt“ sind. In diesem Zusammenhang am Umwandlungsvorgang „beteiligt“ sind jedoch nur der übertragende und der übernehmende Rechtsträger, also diejenigen Rechtsträger, die Vermögen übertragen bzw. aufnehmen.342 3.357 Beispiel 61: Konzernklausel bei einem Anwendungsfall des § 1 Abs. 2a GrEStG An der grundbesitzenden G KG ist die A GmbH zu 100 % beteiligt. Die A GmbH hat den Anteil an der G KG vor einem Jahr erworben. Zusätzlich ist die A GmbH seit mehr als fünf Jahren zu 100 % an der B GmbH beteiligt. Die A GmbH gliedert ihren Anteil an der G KG auf die B GmbH aus. Abwandlung: Anstelle der Ausgliederung der Beteiligung an der G KG auf die B GmbH wird die G KG auf die B GmbH verschmolzen.

A GmbH Ausgliederung Beteiligung G KG auf B GmbH

100 %

A GmbH

100 %

100 % B GmbH

G KG

B GmbH

100 %

G KG

Abb. 43

342 Vgl. Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72.

300 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.359 Kap. 3 Die Ausgliederung stellt einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar, da im Zuge der Ausgliederung sämtliche Anteile an der G KG auf die B GmbH als einen Neugesellschafter übergehen. Der Vorgang ist gem. § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiungsnorm erfüllt sind. Der Umstand, dass die Beteiligung an der G KG erst seit einem Jahr gehalten wird, steht dem nicht entgegen. Denn die Befreiung nach § 6a GrEStG setzt lediglich voraus, dass die an dem Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaften abhängige Gesellschaften i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG sind. Beteiligte Gesellschaften sind vorliegend die A GmbH und die B GmbH. Die G KG ist als Ausgliederungsgegenstand jedoch hingegen i.S.d. § 6a Satz 3 GrEStG an dem Rechtsvorgang beteiligt. Abwandlung: Bei einer Verschmelzung der G KG auf die B GmbH ist die G KG hingegen als übertragender Rechtsträger eine an dem Rechtsvorgang beteiligte Gesellschaft. Da die G KG jedoch die Voraussetzungen einer abhängigen Gesellschaft nicht erfüllt (fünfjährige Vorbehaltensfrist), ist die Steuerbefreiung gem. § 6a GrEStG in der Abwandlung nicht einschlägig.

b) Umfang der Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG Umstritten ist im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG, in welchem Umfang die Steuerbefreiung zu gewähren ist, wenn der Steuertatbestand sukzessiv durch mehrere Teilakte ausgelöst wird und der begünstigte Umwandlungsvorgang hierzu lediglich beigetragen hat.343 Die Finanzverwaltung und Teile der Literatur vertreten, dass die Begünstigung nach § 6a GrEStG in diesen Fällen anteilig zu gewähren sei, soweit die Umwandlung zur Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG beiträgt.344 Ein anderer Teil der Literatur spricht sich dafür aus, den durch die Umwandlung ausgelösten Gesellschafterwechsel erst gar nicht in die Zählung der 95 %-Quote des § 1 Abs. 2a GrEStG miteinzubeziehen.345

3.358

Beispiel 62: Die Konzernklausel bei mehraktigen Rechtsvorgängen Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G KG sind A mit 80 % und B mit 20 % beteiligt. A veräußert seinen Anteil im Jahr 1 an C; B gliedert seinen Anteil im Jahr 3 auf die B GmbH aus, an der er seit mehr als fünf Jahren beteiligt ist.

3.359

343 Vgl. auch Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034). 344 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 3; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 9; Pahlke in Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 26; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 55. 345 Vgl. Behrens, Ubg 2010, 845 (854 f.); Jorde/Trinkaus, Ubg 2012, 649 (653); Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 23.

Broemel | 301

Kap. 3 Rz. 3.359 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Jahr 1 Veräußerung

Jahr 3 Ausgliederung Anteil auf B GmbH

C

A

B

80 %

100 %

20 %

B GmbH G KG

B 100 % B GmbH

C 20 %

80 %

G KG

Abb. 44 Lösung nach Verwaltungsauffassung: Die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG ist auf den Vorgang dem Grunde nach anzuwenden. Das nach § 6a Satz 4 GrEStG erforderliche Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen B und der B GmbH. Die G KG muss, obwohl nach § 1 Abs. 2a GrEStG ein Erwerb durch die Gesellschaft selbst fingiert wird, nicht das Abhängigkeitskriterium erfüllen,346 denn sie ist weder aufnehmender noch abgebender Rechtsträger.347 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Steuerbefreiung jedoch nur im Umfang von 20 % zu gewähren, denn nur insoweit trägt die begünstigte Umwandlung zur Änderung des Gesellschafterbestands bei. 346 Vgl. Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 8; gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 3 („Nicht erforderlich ist, dass die grundbesitzende Personengesellschaft selbst zum Verbund gehört.“). 347 Als am Rechtsvorgang „beteiligt“ sind nur die Rechtsträger anzusehen, deren Vermögen durch die (partielle) Gesamtrechtsnachfolge unmittelbar berührt wird, d.h. der übertragende und der übernehmende Rechtsträger. Vgl. Heine in Wilms/Jochum, § 6a GrEStG Rz. 73; van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Einbringungen, Rz. 166.

302 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.363 Kap. 3 Ergänzende Lösungshinweise: Abweichend könnte auch vertreten werden, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG gar nicht ausgelöst wird, da der umwandlungsbedingte Gesellschafterwechsel von 20 % nicht in die Zählung der 95 %-Quote miteingeht.

Beide Sichtweisen sind nicht vollends überzeugend: Gegen die nur anteilige Gewährung der Steuerbefreiung spricht, dass hierbei eine Segmentierung eines einheitlichen Rechtsvorgangs vorgenommen wird, die in der Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht angelegt ist. Der steuerbare Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht der letzte (oder ein vorheriger) Erwerbsakt, sondern die Summe aller Rechtsakte, die zur Verwirklichung der Änderung des Gesellschafterbestands von 95 % führen.348 Hieraus kann geschlossen werden, dass nur eine einheitliche Befreiung im Ganzen zulässig ist. Die Gegenauffassung, der Vorgang sei gar nicht in die Zählung der nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigenden Gesellschafterwechsel miteinzubeziehen, führt zu sachgerechten Ergebnissen, ist aber dogmatisch zweifelhaft, da § 6a GrEStG als Steuerbefreiungsvorschrift grds. nicht auf die Beurteilung der Steuerbarkeit zurückwirken kann.

3.360

Das Rechtsproblem ließe sich dadurch lösen, dass der Vorgang als steuerbar, aber nach § 6a GrEStG im Ganzen steuerfrei behandelt wird. Wenn also einer der Teilakte eine nach § 6a GrEStG begünstigte Umwandlung oder Einbringung ist, so ist der Gesamtvorgang zunächst zwar nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, jedoch im Ganzen nach § 6a GrEStG steuerfrei zu stellen. Diese Sichtweise würde zu keiner Aushöhlung des Steuersubstrats führen, wenn für solche Änderungen im Gesellschafterbestand, die zur Auslösung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen haben, aber nicht unter § 6a GrEStG fallen, die Überwachung innerhalb des maßgeblichen Fünfjahreszeitraums des § 1 Abs. 2a GrEStG weiterhin fortgeführt wird.349 Konzeptionell ähnlich werden auch Schenkungen von Anteilen, für die im Zeitpunkt der Schenkung Nachbehaltensfristen i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG laufen, behandelt. Dort behandelt die Finanzverwaltung die Schenkung als solche nicht als Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist, allerdings werden die bestehenden Nachbehaltensfristen auf Ebene des Beschenkten fortgeführt.350

3.361

Bei der Beurteilung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG sollte somit stets berücksichtigt werden, dass der Umfang der Befreiung in Abhängigkeit davon, welche Betrachtungsweise zugrunde gelegt wird, in unterschiedlicher Höhe ausfallen kann.

3.362

c) Umfang der Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG Unklar ist, inwieweit die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel in Sachverhalten zu gewähren ist, in denen ein nach § 6a GrEStG begünstigter Vorgang als ein Teilakt eine Neugesellschafterstellung einer beteiligten KapGes. hervorgerufen hat und infolgedessen der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist. 348 Vgl. BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422, unter II. 2; FG Düsseldorf v. 15.12.2004 – 7 K 1423/02 GE, EFG 2005, 806, rkr.; FG Niedersachsen v. 3.5.2006 -7 K 374/03, EFG 2007, 282, rkr. 349 Vgl. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034). 350 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1.

Broemel | 303

3.363

Kap. 3 Rz. 3.364 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.364 Beispiel 63: Die Konzernklausel bei mehraktigen Rechtsvorgängen in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G KG ist die A GmbH mit 100 % beteiligt. An der A GmbH sind B zu 60 % und die C GmbH zu 40 % beteiligt. Die C GmbH wird zu 100 % von der D GmbH gehalten. B hat seine Beteiligung kürzlich durch einen Kauf erworben. Die C GmbH wird auf ihre Schwestergesellschaft C2 GmbH verschmolzen. Für die Verschmelzung sollen die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sein.

D GmbH

B

C GmbH 40 %

60 %

C2 GmbH Verschmelzung C GmbH auf C2 GmbH

A GmbH 100 %

G KG

Abb. 45 Vor der Verschmelzung werden bereits 60 % der Anteile an der A GmbH von B als einem Neugesellschafter gehalten. Die Verschmelzung führt nun dazu, dass mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH auf Neugesellschafter übergehen und die A GmbH mithin zur Neugesellschafterin gem. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG wird. § 1 Abs. 2a GrEStG wird ausgelöst, da infolge der Neugesellschafterstellung der A GmbH sämtliche Anteile der G KG als auf neue Gesellschafter übergegangen gelten. Fraglich ist in diesem Fall, in welchem Umfang die Steuerbefreiung gem. § 6a GrEStG zu gewähren ist.

3.365 Vertreten werden könnte in diesem Fall einerseits, dass die nach § 6a GrEStG begünstigte Verschmelzung nur insoweit bei der Steuerbefreiung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorganges zur berücksichtigen ist, als sie zu der Neugesellschafterstellung der beteiligten KapGes. beigetragen hat. Bei dieser mehraktigen Betrachtung von Gesellschafterwechseln einer beteiligten KapGes. wäre im dargestellten Beispiel eine Steuerbefreiung i.H.v. 40 % zu gewähren. Gegen diese Sichtweise spricht, dass bei der Beurteilung von mehraktigen Gesellschafterwechseln einer beteiligten 304 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.368 Kap. 3

KapGes. in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gerade keine quotale Berücksichtigung in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. erfolgt. Während bei Gesellschafterwechseln bei beteiligten PersGes. stets quotal durchgerechnet wird, gilt eine KapGes. erst dann als Neugesellschafterin (und zwar mit ihren sämtlichen Anteilen), wenn 90 % der Anteile an ihr auf Neugesellschafter übergegangen sind. Die Überschreitung der 90 %-Schwelle bei der beteiligten KapGes. löst die Neugesellschafterstellung der Gesellschaft mit ihren sämtlichen Anteilen aus. Der Gesellschafterwechsel in Bezug auf die grundbesitzende PersGes. gem. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vollzieht sich erst in diesem Zuge aufgrund der Neugesellschafterstellung der beteiligten KapGes. Die vorbeschriebene quotale Betrachtungsweise, die von der Verwaltung auch bei mehraktigen Gesellschafterwechseln bei der grundbesitzenden PersGes. selbst angewandt wird, lässt sich daher nicht ohne Weiteres auf beteiligte KapGes. übertragen. Andererseits könnte auch der Standpunkt eingenommen werden, dass der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgang zu 100 % durch § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Hierfür spricht, dass der Übertragungsvorgang bei der beteiligten KapGes., welcher die Neugesellschafterstellung der KapGes. ausgelöst hat, von § 6a GrEStG begünstigt war. Infolgedessen ist der durch die Neugesellschafterstellung der KapGes. begründete Gesellschafterwechsel bei der grundbesitzenden PersGes. durch einen nach § 6a GrEStG begünstigten Rechtsvorgang hervorgerufen worden. Diese Sichtweise kann bei mehraktigen Gesellschafterwechseln bei einer beteiligten KapGes. für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sein, wenn der die Neugesellschafterstellung der KapGes. auslösende Gesellschafterwechsel die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt, während die zuvor erfolgten Gesellschafterwechsel dies nicht tun. Sie kann gleichwohl auch nachteilig sein, wenn ein Gesellschafterwechsel bei einer beteiligten KapGes. die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt, aber dieser Gesellschafterwechsel nicht die Neugesellschafterstellung auslöst, sondern dies durch einen Vorgang geschieht, der die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht erfüllt. In letzterem Fall dürfte nach der vorbeschriebenen Sichtweise konsequenterweise keine Steuerbefreiung zu gewähren sein.

3.366

Bei der Beurteilung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG sollte somit stets berücksichtigt werden, dass der Umfang der Befreiung in Abhängigkeit davon, welche Betrachtungsweise zugrunde gelegt wird, in unterschiedlicher Höhe ausfallen kann.

3.367

d) Zusammenspiel der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG Die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 GrEStG und § 6a GrEStG bestehen gleichrangig nebeneinander. Soweit die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nicht vorliegen oder später entfallen, kann eine andere Steuervergünstigung von Amts wegen gewährt werden, sofern die Voraussetzungen vorliegen.351

351 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 5.

Broemel | 305

3.368

Kap. 3 Rz. 3.369 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.369 Beispiel 64: Zusammenspiel der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G KG ist die A GmbH mit 95 % und B mit 5 % beteiligt. Die A GmbH ist zudem zu 100 % an der C KG beteiligt. Die Beteiligungsstruktur besteht insoweit bereits seit mehr als zehn Jahren. Die Voraussetzungen für die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel seien zwischen der A GmbH als herrschendes Unternehmen und der G KG als abhängiges Unternehmen erfüllt. Die A GmbH bringt ihre Beteiligung an der G KG im Jahr 1 in die C KG ein. Im Jahr 3 verkauft die A GmbH einen 40 %-Anteil an der C KG an die D GmbH.

Jahr 1 Einbringung Beteiligung G KG in C KG A GmbH 100 %

C KG

B

95 %

5%

G KG

Jahr 3 Veräußerung 40 % an D GmbH D GmbH

A GmbH 100 %

C KG 95 %

G KG

Abb. 46

306 | Broemel

B 5%

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.372 Kap. 3 Die Einbringung der Beteiligung an der G KG stellt einen nach § 6a GrEStG grunderwerbsteuerfreien Vorgang dar. Daneben liegen im Jahr 1 auch die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG i.H.v. 100 % vor, da die A GmbH und B weiterhin in gleichem Umfang (mittelbar) an der G KG beteiligt sind. Im Jahr 3 entfallen die Voraussetzungen der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, da die Beteiligung der A GmbH an der G KG auf unter 95 % fällt und somit die G KG nicht mehr als abhängige Gesellschaft gilt. Stattdessen lebt die für den im Jahr 1 steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG gleichrangige Begünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG i.H.v. 60 % auf (unter Berücksichtigung der schädlichen Beteiligungsverminderungen i.H.v. 40 % im Jahr 3), weil die A GmbH und B in diesem Umfang unverändert an der G KG beteiligt sind.

3. Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Änderungen des Gesellschafterbestandes können nach § 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein (s. hierzu auch im Detail Rz. 4.24 ff.).

3.370

Bei schenkweisen Übertragungen, die zur Erfüllung des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragen, greift die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG insoweit, als die Änderungen des Gesellschafterbestandes auf schenkweisen352 Anteilsübertragungen beruhen.353 Irrelevant ist dabei, dass in der Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG eine Übertragung des Grundbesitzes von einer „alten“ PersGes. auf eine „neue“ PersGes. erfolgt und mithin keine Übertragung vom Schenkenden auf den Beschenkten vorliegt. Denn Sinn und Zweck des § 3 Nr. 2 GrEStG ist es, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer einerseits und Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden.354

3.371

Beispiel 65: Die Anteilsschenkung an einen Dritten355 Am Vermögen einer grundbesitzenden G KG ist A zu 100 % beteiligt. A überträgt seine Beteiligung an der G KG unentgeltlich auf einen Dritten.

3.372

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG ist erfüllt, da mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der G KG (100 %) auf einen Neugesellschafter übergegangen sind. Der Vorgang ist nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei.

352 Bei Anteilsübertragungen auf neue Gesellschafter von Todes wegen ist hingegen bereits der Tatbestand des § 1 Abs 2a Satz 1 nicht erfüllt, da § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG diese von der Zählquote des § 1 Abs. 2a GrEStG ausnimmt. 353 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1. 354 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 114. 355 In Anlehnung an gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1.

Broemel | 307

Kap. 3 Rz. 3.373 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.373 Auch die personenbezogenen Steuerbefreiungen in § 3 GrEStG sind auf steuerbare Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden, soweit sie zu diesen beigetragen haben (s. hierzu auch im Detail Rz. 4.25 ff.).356 3.374 Beispiel 66 (in Anlehnung an gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2): Die in der Familie geschenkten Anteile Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind A zu 90 %, B zu 8 % und C zu 2 % beteiligt. Innerhalb eines Zehnjahreszeitraumes überträgt A seinen Anteil auf seinen Sohn Y und B seinen Anteil auf den ihm fremden Z. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG ist erfüllt, da mindestens 90 % der Anteile der G KG (90 % + 8 %) auf Neugesellschafter übertragen werden. Der Vorgang ist zu 90 % nach § 3 Nr. 6 GrEStG befreit. I.H.v. 2 % wird die Steuer nach § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben.

4. Keine Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG

3.375 § 1 Abs. 6 GrEStG regelt, dass bei einer Aufeinanderfolge mehrerer grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgänge unter bestimmten Voraussetzungen eine Anrechnung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage eines grunderwerbsteuerbaren Vorganges auf die nachfolgenden grunderwerbsteuerbaren Vorgänge gewährt wird. Die Grunderwerbsteuer für den späteren Rechtsvorgang wird dabei nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für diesen späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.357 Bereits dem Wortlaut der Norm nach sind gem. § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Gesellschafterwechsel nicht vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 GrEStG umfasst. Ein Grund hierfür mag darin bestehen, dass in der Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG der Grundbesitz von einer PersGes. auf eine neue PersGes. fingiert wird und damit die von § 1 Abs 6 GrEStG vorausgesetzte Erwerberidentität nicht erfüllt ist.358 3.376 Je nach Lage des Einzelfalls können allerdings die Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG an Stelle der Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG greifen, sodass es in diesen Fällen trotz der fehlenden Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG zu keiner Doppelbelastung kommt. 3.377 Beispiel 67: Die doppelte Grunderwerbsteuer mit Befreiung gem. § 6 Abs. 2 GrEStG Am Vermögen einer grundbesitzenden G KG ist A zu 100 % beteiligt. A überträgt seine Beteiligung an der G KG an die bisher nicht beteiligte B GmbH. Anschließend wird die G KG auf die B GmbH verschmolzen.

356 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2; MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 434. 357 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1367. 358 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1369; kritisch hierzu Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1043 ff.

308 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.378 Kap. 3

1) Übertragung an B GmbH B GmbH

A 100 %

G KG

B GmbH 100 %

2) Verschmelzung G KG auf B GmbH

G KG

Abb. 47 Der Erwerb der 100 %-Beteiligung an der G KG durch die B GmbH stellt einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar. Im Zuge der nachfolgenden Verschmelzung geht der Grundbesitz der G KG auf die B GmbH über. Dieser Vorgang ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Eine Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG wird nicht gewährt, da § 1 Abs. 2a GrEStG nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst ist. Da der Erwerb der Beteiligung durch die B GmbH allerdings bereits gem. § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlag, dürfte für die Verschmelzung die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 2 GrEStG zu gewähren sein. Der Umstand, dass die B GmbH die Vorbehaltensfrist gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt, dürfte dem aufgrund des steuerbaren Erwerbs der Beteiligung durch die B GmbH nicht entgegenstehen.359

XII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuld, Anzeigepflicht und Compliance 1. Bemessungsgrundlage Die Bemessungsgrundlage für nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgänge bemisst sich nach dem bewertungsrechtlichen Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG; s. hierzu im Detail Rz. 8.34 ff.). Die Bemessungsgrundlage bezieht sich dabei auf den gesamten von § 1 Abs. 2a GrEStG erfassten Grundbesitz. 359 Vgl. Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 91.

Broemel | 309

3.378

Kap. 3 Rz. 3.378 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Auch bei einer Übertragung von weniger als 100 % der Anteile am Vermögen einer Gesellschaft ist Bemessungsgrundlage der volle Wert des Grundbesitzes.360 2. Steuerschuldner

3.379 Steuerschuldner ist in den Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die grundbesitzende PersGes. selbst (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Gegen sie als Inhaltsadressat wird der Steuerbescheid gerichtet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Bekannt zu geben ist der Bescheid an die im Zeitpunkt der Bekanntgabe vertretungsberechtigten Personen.361 S. hierzu auch im Detail Rz. 7.3 ff. 3. Anzeigepflicht und Anzeigefrist

3.380 Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG sind von der grundbesitzenden PersGes. alle unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafteränderungen anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Wenn die relevante Änderung des Gesellschafterbestandes auf mehrere Übertragungsvorgänge zurückzuführen ist, sind bei der Anzeige alle Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben, anzugeben. Die Anzeigepflicht besteht bei Tatbestandsverwirklichung. Die Anzeige ist nach Kenntniserlangung der grundbesitzenden PersGes. von dem anzeigepflichtigen Vorgang innerhalb der in § 19 Abs. 3 GrEStG genannten Fristen zu erstatten.362 Die Frist verlängert sich auf einen Monat, sofern sich der Ort der Geschäftsleitung der grundbesitzenden PersGes. im Ausland befindet (§ 16 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). S. hierzu auch im Detail Rz. 7.34 ff. 4. Compliance a) Grundbesitzende Gesellschaft als Compliance-Verpflichteter

3.381 Die grundbesitzende Gesellschaft ist Anzeigeverpflichteter und Steuerschuldner bei einem nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang. Sie muss daher laufend überprüfen, ob sie den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Sollte der Tatbestand erfüllt werden, muss die grundbesitzende Gesellschaft sicherstellen, dass ihre Anzeigepflicht fristgerecht beim örtlich zuständigen Finanzamt erfolgt. b) Monitoring der Tatbestandserfüllung

3.382 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wird durch Gesellschafterwechsel an der grundbesitzenden PersGes. verursacht. Daher muss die grundbesitzende PersGes. diese Bewegungen im Gesellschafterbestand verfolgen und festhalten. Als relevante Gesellschafterwechsel kommen dabei unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel in Betracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestands nochmals differenziert werden muss zwischen mittelbaren Änderungen aufgrund von Gesellschafterwechseln auf der Ebene von Gesellschaften, 360 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 11. 361 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 12. 362 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 13.

310 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.385 Kap. 3

die (unmittelbar oder mittelbar) an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt sind, und mittelbaren Änderungen aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen (zu den unterschiedlichen Ausprägungsformen mittelbarer Gesellschafterwechsel s. auch Rz. 3.118). Maßgebend für die Tatbestandserfüllung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist, dass 90 % der Gesellschaftsanteile der grundbesitzenden PersGes. innerhalb von zehn Jahren auf Neugesellschafter übergehen. Mithin sind die Gesellschafteränderungen in einem Zehnjahreszeitraum zu betrachten.

3.383

Da der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG grundstücksbezogen auszulegen ist (zur grundstücksbezogenen Betrachtungsweise s. auch Rz. 3.100), muss für jedes einzelne Grundstück separat geprüft werden, ob in einem für das Grundstück relevanten Zehnjahreszeitraum ein 90%iger Wechsel der Gesellschaftsanteile auf Neugesellschafter erfolgt ist. Dabei kann ein Zehnjahreszeitraum u.a. mit dem Erwerb des Grundstücks durch die PersGes. beginnen und mit einer Veräußerung des Grundstücks durch die Gesellschaft enden.

3.384

Vor dem Hintergrund, dass nicht nur unmittelbare Gesellschafterwechsel, sondern auch mittelbare Gesellschafterwechsel tatbestandsrelevant sind, stellt die Erfassung von relevanten Gesellschafterwechseln für die grundbesitzende Gesellschaft regelmäßig eine schwierige und teilweise eine nicht erfüllbare Pflicht dar (zu den Schwierigkeiten der Erfassung relevanter Gesellschafterwechsel s. auch Rz. 10.52 ff.). Gleichwohl schützt eine Unmöglichkeit der Erfassung sämtlicher Gesellschafterbewegungen nicht vor der Anzeigepflicht des grunderwerbsteuerbaren Vorganges. Die Pflicht, einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorganges anzuzeigen, ist eine objektive Anzeigepflicht. Die Kommentierung steht der Anzeigepflicht bei insbesondere mittelbaren Übertragungsvorgängen zwar kritisch gegenüber363 und spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass keine Anzeigepflicht bestehe, wenn es der grundbesitzenden PersGes. nicht möglich sei, mittelbare Übertragungsvorgänge nachzuvollziehen.364 Der BFH entschied jedoch ausdrücklich, dass kein Grund dafür bestehe, einzelne Erwerbsvorgänge, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auslösen, von der Anzeigepflicht auszunehmen.365 Die grunderwerbsteuerliche Anzeigepflicht ist wie die gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen eine objektive, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht.366 Damit besteht bei der Tatbestandserfüllung des § 1

3.385

363 Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 10; Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 3; Pahlke in Pahlke7, § 19 GrEStG Rz. 6 ff. 364 Vgl. Pahlke in Pahlke7, § 19 GrEStG Rz. 6 ff.; in diese Richtung auch Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 3; nicht eindeutig: Heine in Wilms/Jochum, § 19 GrEStG Rz. 25; Wachter in Behrens/Wachter2, § 19 GrEStG Rz. 97. 365 Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. 366 Vgl. ständige Rechtsprechung des BFH v. 25.3.1992 – II R 46/89, BStBl. II 1992, 680; v. 12.6.1996 – II R 3/93, BStBl. II 1996, 485; v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; v. 29.7.2009 – II R 58/07, BFH/NV 2010, 63; v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667; s. hierzu auch Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 4.

Broemel | 311

Kap. 3 Rz. 3.385 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Abs. 2a GrEStG zwingend eine Anzeigepflicht. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen bekannt ist bzw. bekannt sein kann, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist. Die Nichtanzeige des Vorganges stellt eine Nichtabgabe einer (verpflichtenden) Steuererklärung dar.

3.386 Entlastend ist in diesem Zusammenhang lediglich der Umstand, dass die Frist für die Anzeige des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorganges erst innerhalb von zwei Wochen abläuft, nachdem die anzeigeverpflichtete Gesellschaft von dem anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten hat (§ 16 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Infolgedessen besteht die Anzeigepflicht objektiv unabhängig von der Kenntnis der Gesellschaft, die Frist zur Anzeige läuft allerdings nicht ab, bevor die Gesellschaft Kenntnis von dem grunderwerbsteuerbaren Vorgang erlangt hat. c) Erfüllung der Anzeigepflichten

3.387 Zur Erfüllung der Anzeigepflichten muss die grundbesitzende PersGes. eine Anzeige erstellen. Die inhaltlichen Anforderungen für die Anzeige ergeben sich aus § 20 GrEStG. 3.388 Teilweise werden von den Finanzbehörden standardisierte Formblätter zur Verfügung gestellt, auf denen relevante Angaben zur grunderwerbsteuerlichen Anzeige vorgenommen werden können. Zu beachten ist hierbei, dass das Grunderwerbsteuergesetz keine Pflicht des Steuerpflichtigen vorsieht, nach der die Anzeige auf einem Formblatt der Finanzverwaltung zu erfolgen hat. Demnach dürfte es dem Steuerpflichtigen im Grundsatz freistehen, die Formblätter zu verwenden oder es zu unterlassen. Gleichwohl bietet es sich an, die Formblätter zu verwenden, um die verwaltungsseitige Bearbeitung der Anzeige zu erleichtern. Beachtet werden sollte allerdings, dass auf diesen Formblättern zum Teil weniger Angaben zum grunderwerbsteuerbaren Vorgang zu machen sind, als es die gesetzlichen Anforderungen zum Inhalt der Anzeigen in § 20 GrEStG vorsehen. Vor diesem Hintergrund ist anzuraten, die nach § 20 GrEStG erforderlichen Inhalte einer Anzeige, die nicht durch ein Formblatt der Finanzverwaltung abgedeckt werden, zusätzlich aufzubereiten. 3.389 Die Anzeige ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen einzureichen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG; bei Auslandssachverhalten verlängert sich die Anzeigefrist auf einen Monat, § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Dieser Zeitrahmen ist im Hinblick auf den Umfang einer Grunderwerbsteueranzeige häufig zu knapp bemessen, um eine inhaltlich vollständige Anzeige zu leisten. Der Steuerpflichtige kann jedoch eine Fristverlängerung beantragen.367 Das Finanzamt muss der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgang jedoch trotzdem innerhalb der Anzeigefrist in einer Weise bekannt werden, damit es die Verwirklichung des Tatbestands prüfen kann. Dazu reicht es regelmäßig aus, wenn die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 GrEStG) und ggf. der Gesellschaft (§ 20 Abs. 2 GrEStG) ermöglicht und der Anzeige die in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4

367 Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 36; Pahlke in Pahlke7, § 19 GrEStG Rz. 23 ff.

312 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.391 Kap. 3

Satz 2 GrEStG genannten Abschriften beigefügt werden.368 Erforderlich für die Fristverlängerung ist, dass der Antrag auf Fristverlängerung innerhalb der Anzeigefrist gestellt wird. Die noch fehlenden Angaben zur Anzeige können dann innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Frist nachgereicht werden.369 Die Anzeige ist an das zuständige Finanzamt zu richten (§ 19 Abs. 4 GrEStG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Anwendungsfällen von § 1 Abs. 2a GrEStG eine gesonderte Feststellung vorzunehmen ist, wenn zumindest ein Grundstück (oder ein Grundstücksteil) der grundbesitzenden Gesellschaft außerhalb des Bezirks belegen ist, in dem sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG). In diesem Fall ist das Finanzamt, in dem sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, zuständig. Als Gesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist die grundbesitzende Gesellschaft gemeint.370 Wenn der Grundbesitz hingegen in dem Bezirk belegen ist, in dem sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, erfolgt keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. In diesem Fall ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§ 17 Abs. 1 GrEStG).

3.390

Wenn der nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Gesellschafterwechsel durch eine Umwandlung hervorgerufen wird, stellt sich die Frage, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG oder § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG Anwendung findet. Denn § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG enthält eine Regelung zur gesonderten Feststellung bei Grundstückserwerben durch Umwandlungen, während § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG wie vorbeschrieben eine gesonderte Feststellung bei der Erfüllung des § 1 Abs. 2a GrEStG als Ergänzungstatbestand vorsieht.371 Der BFH hat hierzu entschieden, dass in diesem Fall § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung für Erwerbsvorgänge der Anwendung des § 17 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vorgeht.372 Für nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Vorgänge dürfte die Unterscheidung zwischen § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 GrEStG jedoch letztlich keine Bedeutung zukommen. Zwar unterscheiden sich § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG dergestalt, dass sich die örtliche Zuständigkeit bei § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG danach bestimmt, wo sich der Ort der Geschäftsleitung des Erwerbers befindet, während § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG auf den Ort der Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft abstellt. Der Erwerber des Grundbesitzes ist in Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2a GrEStG jedoch in der Fiktion des Tatbestandes die grundbesitzende Gesellschaft selbst. Somit wäre beim Erwerber i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG und bei der (grundbesitzenden) Gesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG

3.391

368 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492. 369 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; hierzu auch Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 36. 370 Vgl. auch BFH v. 21.9.2005 – II R 33/04, BFH/NV 2006, 609; gleich lautende Ländererlasse v. 1.3.2016, Tz. 4; Joisten in Pahlke7, § 17 GrEStG Rz. 24 ff. 371 Jeweils unter der Voraussetzung, dass die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 3 GrEStG erfüllt sind. 372 Vgl. BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344; hierzu auch Loose in Viskorf20, § 17 GrEStG Rz. 47.

Broemel | 313

Kap. 3 Rz. 3.391 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

bei nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Gesellschafterwechseln ohnehin auf die gleiche Gesellschaft abzustellen. XIII. Rückabwicklung

3.392 § 16 GrEStG eröffnet Steuerpflichtigen die Möglichkeit, grunderwerbsteuerbare Vorgänge unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag wieder rückabzuwickeln (s. hierzu auch im Detail Rz. 7.86 ff.). Die Folge einer Rückabwicklung ist, dass die für den grunderwerbsteuerbaren Vorgang anfallende Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben wird. Dabei sind die Rückgängigmachung gem. § 16 Abs. 1 GrEStG und der Rückerwerb gem. § 16 Abs. 2 GrEStG zu unterscheiden. § 16 Abs. 1 GrEStG betrifft die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, während § 16 Abs. 2 GrEStG beim Rückerwerb des Grundstücks nach Übergang des Eigentums zur Anwendung kommen kann.373 3.393 Nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Vorgänge können bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 16 GrEStG von einer grunderwerbsteuerlichen Rückabwicklung Gebrauch machen. Da in der Fiktion des § 1 Abs. 2a GrEStG eine Grundstücksübertragung von der „alten“ PersGes. auf eine „neue“ PersGes. erfolgt, kann auf § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbare Sachverhalte allein § 16 Abs. 2 GrEStG angewendet werden.374 3.394 Da die Grundstücksübertragung des § 1 Abs. 2a GrEStG fiktiv ist, kann der Rückerwerb entsprechend auch nicht das Grundstück selbst betreffen. Stattdessen kann § 16 Abs. 2 GrEStG im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG in Anspruch genommen werden, wenn einer oder mehrere Gesellschafterwechsel, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben, rückgängig gemacht wird bzw. werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist.375 Es ist mithin nicht erforderlich, dass sämtliche Übertragungsvorgänge, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen haben, rückgängig gemacht werden. Es genügt, wenn Übertragungsvorgänge in einem Umfang rückgängig gemacht werden, dass die relevante 90 %-Grenze nicht mehr überschritten wird. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG verlangt mithin insbesondere nicht, dass die Rückübertragung der Gesellschafterstellung (nochmals) Grunderwerbsteuer auslöst. Sie verlangt auch nicht, dass der den § 1 Abs. 2a GrEStG als letzter Akt auslösende Gesellschafterwechsel rückgängig gemacht wird. Sollte dieser letzte Aktrückgängig gemacht werden, ist nicht erforderlich, dass er vollständig rückgängig gemacht wird.376 Maßgebend ist allein, dass der von § 1 Abs. 2a

373 Vgl. Pahlke in Pahlke7, § 16 GrEStG Rz. 11. 374 Vgl. Pahlke in Pahlke7, § 16 GrEStG Rz. 108. 375 Vgl. BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 10. 376 Vgl. Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 269 ff.

314 | Broemel

B. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften | Rz. 3.397 Kap. 3

GrEStG geforderte Übergang von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter nicht mehr gegeben ist. Wesentliche Voraussetzung für die grunderwerbsteuerliche Rückabwicklung eines nach § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorganges ist, dass der Erwerbsvorgang fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt wurde (s. zu den Anforderungen der Anzeige auch im Detail Rz. 7.50 ff.). Aus Sicht der Finanzverwaltung ist hierbei bei einer sukzessiven Tatbestandserfüllung erforderlich, dass alle Rechtsvorgänge, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen haben, nach der Tatbestandsverwirklichung fristgemäß und in allen Teilen vollständig beim zuständigen Finanzamt angezeigt wurden.377 Wenn eine entsprechende Anzeige unterblieben ist, scheidet die grunderwerbsteuerliche Rückabwicklung nach § 16 Abs. 5 GrEStG aus.

3.395

Beispiel 68 (in Anlehnung an gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 10): Die erfolgreiche Rückabwicklung Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind A zu 70 % und B zu 30 % beteiligt. Im Jahr 1 überträgt A seine Beteiligung auf X. Im Jahr 4 überträgt B 20 % der Anteile am Vermögen der G KG auf Y. Die G KG zeigt die Vorgänge im Jahr 4 fristgemäß und in allen Teilen vollständig nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG beim zuständigen Finanzamt an. Das Finanzamt setzt Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG fest. Ein halbes Jahr später wird die Übertragung der Beteiligung von A auf X i.H.v. 0,1 % rückgängig gemacht.

3.396

Auf Grund der Rückgängigmachung eines Teils der Anteilsübertragung aus dem Jahr 1 wird die 90 %-Grenze unterschritten (89,9 %). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist dadurch nicht mehr erfüllt. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist nicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen, da die Vorgänge fristgemäß und in allen Teilen vollständig beim zuständigen Finanzamt angezeigt wurden. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist aufzuheben. Beispiel 69 (in Anlehnung an gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 10): Keine Rückabwicklung mangels Anzeige Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind A zu 90 % und B zu 10 % beteiligt. Im Jahr 1 überträgt B seine Beteiligung auf X. Im Jahr 4 überträgt A 80 % der Anteile am Vermögen der G KG auf X. Die G KG zeigt die Vorgänge im Jahr 4 nicht beim zuständigen Finanzamt an. Nach einer Außenprüfung im Jahr 5 erhält das Finanzamt von den Vorgängen Kenntnis und setzt Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG fest. In der darauffolgenden Woche wird die Übertragung der Beteiligung von A auf X i.H.v. 0,1 % rückgängig gemacht. Auf Grund der Rückgängigmachung eines Teils der Anteilsübertragung aus dem Jahr 01 wird die 90 %-Grenze unterschritten (89,9 %). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist dadurch nicht mehr erfüllt. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen, da die Vorgänge nicht fristgemäß und in allen Teilen vollständig beim zuständigen Finanzamt angezeigt wurden. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist nicht aufzuheben.

377 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 10.

Broemel | 315

3.397

Kap. 3 Rz. 3.397 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

C. Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften Literatur: Adrian, Neuregelung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer, Das neue Gesetz im Überblick, StuB 2021, 513; Behrens, Auswirkungen des Formwechsel auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG nach den gleich lautenden Länder-Erlassen vom 10.5.2022, UVR 2022, 368; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals am 01.07.2021, DB 2021, 866; Behrens/Wagner/Krohn, Anwendungsfragen zu den gleichlautenden Erlassen zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022, DB 2022, 1667; Behrens/Wagner/Krohn, § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG: Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, DB 2022, 1977, Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der ShareDeals – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1114; Broemel/ Mörwald, Anwendungserlass zu den Übergangsregelung der Grunderwerbsteuerreform: Erkenntnisse und weiterhin offene Fragen, DStR 2021, 2383; Broemel/Mörwald, Die neuen Anwendungserlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG: Neuerungen, Folgen und offene Fragen, DStR 2022, 1689; Broemel/Mörwald, Die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, DStR 2022, 1977; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2018, 605, Ubg 2019, 65; Fleischer/Göring, Die Grunderwerbsteuerreform – ein neuer Höhepunkt der Komplexität des Grunderwerbsteuerrechts, Stbg 2022, 62; Förster/Mendling, Die Neuregelungen des § 1 Abs. 2b, 2c GrEStG für Share Deals im GrESt-Recht, DB 2021, 1974; Graessner, Die Erlasse vom 10.05.2022 zum neuem Grunderwerbsteuerrecht, NWB 2022, 2527; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil I, DStR 2021, 1193; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen – Teil II, DStR 2021, 1272; Krohn, Zurechnung von Grundstücken als Grundlage der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände, AktStR 2022, 659; Krohn, Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen und Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften nach den neuen gesetzlichen Regelungen, AgrB 2022, 126; Krohn, Anmerkungen zu den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zu § 1 Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022 – Überraschende Regelungen und offene Fragen, AktStR 2022, 489; Krohn/Schell, Praxisprobleme aus der Betriebsprüfung, Ubg 2015, 303; Lüdicke, Gesetz zur Änderung des GrEStG: Unnötige Gefährdung grundbesitzender Unternehmen durch massive Ausweitung der Steuerersatztatbestände, DB 2019, 1864; Meding/Müller, Neue grunderwerbsteuerliche Regelungen für Kapitalgesellschaften: Ausgewählte Fragestellungen zu § 1 Abs. 2b GrEStG, DB 2021, 2177; Mörwald, Verfassungswidrigkeit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer, DStZ 2019, 492; Naumann, Share Deals in der Grunderwerbsteuer, Ubg 2022, 291; Riedel, Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft zu einer Obergesellschaft, Der Konzern 2022, 336; Tappe, Share Deals in der Grunderwerbsteuer, verfassungsrechtliche Spielräume für Regelungen zur Missbrauchsabwehr, StuW 2021, 139; Thiede, Verschärfungen bei sog. Share Deals, NWB-EV Online Beitrag vom 30.04.2021; Viskorf, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück? Grenzen der Zurechnung von Grundstücken kraft Tatbestandsverwirklichung bei § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG, DStR 2021, 74; Wachter/ Wiedmann, Grunderwerbsteuer bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft, Überblick über den neuen Referentenentwurf zu § 1 Abs. 2b GrEStG, UVR 2019, 211; Wengerofsky, Reform der Grunderwerbsteuer im Bereich der Share-Deals, UVR 2021, 240; Wernsmann/Bering, Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht, DStZ 2021, 434.

316 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.403 Kap. 3

I. Hintergrund und Entwicklung der Vorschrift Durch das GrEStÄndG 2021378 vom 12.5.2021 wurde ein neuer Ergänzungstatbestand im § 1 Abs. 2b GrEStG eingefügt379. Die Regelung erfasst Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden KapGes. § 1 Abs. 2b GrEStG wurde im Art. 1 Nr. 1 des GrEStÄndG 2021 wie folgt gefasst:

3.398

(2b) Gehört zum Vermögen einer KapGes. ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue KapGes. gerichtetes Rechtsgeschäft. Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer KapGes. beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile der Gesellschaft anteilig berücksichtigt. Ist eine KapGes. an einer KapGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gelten die Sätze 4 und 5. Eine unmittelbar beteiligte KapGes. gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 90 vom Hundert der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Bei mehrstufigen Beteiligungen gilt Satz 4 auf der Ebene jeder mittelbar beteiligten KapGes. entsprechend. Bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes bleibt der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht.

3.399

Diese Regelung ist das Kernstück der gesetzlichen Neuregelungen zur Verhinderung der Vorteile von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer und soll insbesondere das politisch ungewollte, aber steuerlich zulässige sog. „Co-Investor-Modell“ erschweren bzw. verhindern.

3.400

Der Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt einen Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück voraus (z.B. Grundstückskaufvertrag). Der Gesetzgeber hatte den Anwendungsbereich in § 1 GrEStG um die Ergänzungstatbestände der Absätze 2a, 3 und 3a erweitert. Diese lösten Grunderwerbsteuer aus, wenn zivilrechtlich kein Rechtsträgerwechsel an Grundstücken stattfand, sondern lediglich Anteile von mindestens 95 % an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen wurden. Die Gestaltungsmodelle unterschritten regelmäßig die jeweilige 95 %-Grenze in § 1 Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG.

3.401

Dabei war das wesentliche Gestaltungsmodell, das sog. „Co-Investor-Modell“ bei dem mindestens zwei Erwerber die Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. erwarben und keiner der beiden Erwerber das damals notwendige Quantum von mindestens 95 % der Anteile in seiner Person vereinigte.

3.402

Grundbeispiel 70: An der grundbesitzenden T GmbH ist die V GmbH (Verkäuferin) zu 100 % beteiligt. Die V GmbH (Verkäuferin) veräußert 94,9 % der Geschäftsanteile an der T GmbH an die K GmbH (Käuferin). Die übrigen 5,1 % der Geschäftsanteile an der T GmbH werden an eine fremde dritte Person (Co-Investorin) veräußert.

3.403

378 BGBl. I 2021, 986. 379 S. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 19/13437, Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BT-Drucks. 19/28528, Empfehlungen der Ausschüsse BR-Drucks. 355/1/19, Gesetzesbeschluss BR-Drucks. 320/21.

Krohn | 317

Kap. 3 Rz. 3.403 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Vorher:

Nachher:

V GmbH 100 %

Veräußerung

B GmbH

B

94,9 % 5,1 %

T GmbH

T GmbH

Abb. 48 Durch den Anteilserwerb fiel bis zum 30.6.2021 keine Grunderwerbsteuer an, da die Veräußerungen das Quantum von 95 %-Grenze nicht überschreiten und kein Erwerber in seiner Hand die Anteile an der grundbesitzenden KapGes. erwirbt bzw. vereinigt (§ 1 Abs. 3 GrEStG).

3.404 Unter denselben Voraussetzungen wie beim bereits existenten § 1 Abs. 2a GrEStG, der nur PersGes. erfasst, wird nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG nun auch bei KapGes. Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn sich innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren der Gesellschafterbestand derart ändert, dass mindestens 90 Prozent der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Damit sind die bislang möglich gewesenen Co-Investoren-Modelle, bei denen ein Hauptinvestor die Anteile knapp unterhalb der tatbestandsauslösenden Beteiligungsschwelle erwarb und ein Co-Investor gleichzeitig die verbleibenden Anteile, nunmehr ausgeschlossen. 3.405 Nach der Gesetzesbegründung380 soll der § 1 Abs. 2b GrEStG aus Gründen der Missbrauchsverhinderung unter gleichen Voraussetzungen Anteilseignerwechsel an einer KapGes. mit inländischem Grundbesitz erfassen. Besteuert wird die Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe KapGes. anzusehen ist. Unverändert seien in Bezug auf die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände und die Nichterhebungsregelungen die Unterschiede, die aus der unterschiedlichen Rechtsform resultieren, zu beachten mit der Folge, dass diese Regelungen auf KapGes. keine Anwendung finden. Um Umgehungen der Besteuerung zu vermeiden, werden neben unmittelbaren auch mittelbare Gesellschafterwechsel bei der Ermittlung der maßgeblichen Grenze berücksichtigt. An dem Grundgedanken, bei den Ergänzungstatbeständen auf die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des ganzen Grundstücks abzustellen, werde festgehalten. Durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG wird zwar der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG für die Fälle von grundbesitzenden KapGes. verkleinert. Dennoch werden aber weiterhin Fälle vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG erfasst. Dies liegt beispielsweise an

380 BT-Drucks. 19/13437, S. 12.

318 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.409 Kap. 3

der unterschiedlichen Berechnungsmethode in § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG oder an der im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG erforderlichen Qualifizierung als Alt- oder Neugesellschafter. Zur Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung enthält § 1 Abs. 2c GrEStG eine sogenannte Börsenklausel. Diese Ausnahmeregelung soll jedenfalls für solche Anteilsübertragungen gelten, die aufgrund eines Geschäfts über einen qualifizierten Börsenplatz, einen äquivalenten Dritthandelsplatz oder ein sonstiges der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) unterfallendes, multilaterales Handelssystem (MTF) erfolgen.

3.406

§ 1 Abs. 2b GrEStG ist gem. § 23 Abs. 18 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden. Der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG entspricht schon nach dem Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich der Regelung zur steuerbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden PersGes. nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Zur Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2b GrEStG kann deshalb grds. auf die Ausführungen zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG verwiesen werden. Die FinVerw. hat zwar zu jeder Vorschrift gesonderte gleich lautende Erlasse der obersten Landesbehörden veröffentlicht, aber die beiden Erlasse sind inhaltlich in weiten Teilen deckungsgleich.

3.407

II. Tatbestandsmerkmale und Fiktion des § 1 Abs. 2b GrEStG 1. Überblick Tatbestandsvoraussetzungen Die Vorschrift fingiert ein grunderwerbsteuerbares Rechtsgeschäft bei einem unmittelbaren oder mittelbaren Übergang von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter. Dabei werden nur Erwerbe durch „neue“ Gesellschafter für die Berechnung der 90 %Grenze herangezogen. Anteilsübertragungen auf einen Altgesellschafter sind nicht mitzuzählen, was künftig auch bei KapGes. eine Unterscheidung zwischen Alt- und Neugesellschaftern erforderlich macht.

3.408

Die Begünstigungen nach § 3 Nr. 4 und 6 GrEStG und die Vorschriften §§ 5 bis 7 GrEStG finden auf § 1 Abs. 2b GrEStG keine Anwendung. § 1 Abs. 2b GrEStG ist gegenüber § 1 Abs. 3 GrEStG vorrangig zu behandeln (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Die Tatbestände unterscheiden sich dahingehend, dass § 1 Abs. 2b GrEStG die Gesellschaft, und nicht den Gesellschafter, als Steuerschuldner ausweist (vgl. § 13 Nr. 7 GrEStG). § 1 Abs. 2b GrEStG stellt auf die dingliche Abtretung des KapGes.santeils, und nicht auf den Abschluss des obligatorischen Rechtsgeschäfts, ab. So kann es zu einer Verzögerung zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft und damit nach der Verwaltungsauffassung zu einer Verwirklichung von erst § 1 Abs. 3 GrEStG und dann § 1 Abs. 2b GrEStG kommen (s. hierzu Rz. 3.654 ff.).

3.409

Krohn | 319

Kap. 3 Rz. 3.410 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

2. Verwaltungsanweisungen

3.410 Die FinVerw. hat mit den gleich lautenden Ländererlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG vom 10.5.2022381 ausführliche Regelungen zum sachlichen Anwendungsbereich getroffen. Mit den gleich lautenden Ländererlassen vom 29.6.2021382 hat die FinVerw. außerdem zu den Übergangsregelungen aufgrund des GrEStÄndG 2021 ausführlich Stellung genommen. 3. Grunderwerbsteuerliche Fiktion

3.411 Der Tatbestand fingiert die Übereignung der zum Vermögen einer KapGes. gehörendenden Grundstücke von einer KapGes. in „alter“ Zusammensetzung auf eine KapGes. in „neuer“ Zusammensetzung. Es handelt sich um eine Fiktion, die nur für grunderwerbsteuerliche Zwecke gilt. Zivilrechtlich liegt kein Rechtsträgerwechsel vor. 3.412 Steuerschuldnerin der anfallenden Grunderwerbsteuer ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG die grundbesitzende KapGes., die die Grunderwerbsteuer als sofortabzugsfähige Betriebsausgabe absetzen kann. Insoweit sind nach der hier vertretenen Auffassung die Regelungen der ertragsteuerlichen Abzugsfähigkeit der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG analog anzuwenden.383 (vgl. zu Einzelheiten Rz. 9.59 ff.). III. Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke 1. Betroffene Gesellschaften

3.413 KapGes. i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG sind insbesondere – die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), – die Unternehmergesellschaft (UG), – die Aktiengesellschaft (AG), – die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und – die Europäische Gesellschaft (SE). – Ausländische KapGes., deren rechtliche Struktur den inländischen KapGes. entsprechen.384

3.414 Nicht unter die Vorschrift, da es sich nicht um KapGes. handelt, fallen – Stiftungen – Stille Gesellschaften 381 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022 zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG – VI 35 – S 4445-005, BStBl. I 2022, 821. 382 BStBl. I 2021, 1006. 383 BFH, Urt. v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260; FG Münster v. 14.2.2013 – 2 K 2838/10 G, F, EFG 2013, 806; Krohn, AktStR 2015, 337. 384 Zum Rechtstypenvergleich ausgewählter ausländischer Rechtsformen vgl. Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076.

320 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.419 Kap. 3

– Eingetragene oder nicht eingetragene Vereine – Anstalten des öffentlichen Rechts (auch nicht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb)385 – Erbengemeinschaften 2. Anteile der Gesellschaft a) Anteile an der Gesellschaft § 1 Abs. 2b GrEStG stellt typisierend nur auf das Quantum von 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden KapGes. ab. Auf abweichende Stimmrechtsvereinbarungen kommt es nicht an.

3.415

Der jeweilige Anteil386 entspricht bei

3.416

– Gesellschaften mit beschränkter Haftung dem Anteil am Stammkapital (vgl. §§ 5 und 14 ff. GmbHG) – Aktiengesellschaften dem Anteil am Grundkapital (vgl. §§ 8 ff. AktG) – Kommanditgesellschaft auf Aktien sind die Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter Teil des Grundkapitals, wenn sie darauf geleistet wurden (vgl. § 281 Abs. 2 AktG). Bei der Bestimmung des Grundkapitals bei Aktien sind Besonderheiten hinsichtlich der Einbeziehung des zivilrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Übergangs in die maßgebende Zählquote von 90 % zu beachten, die die Praxis vor z.T. unüberwindliche Herausforderungen stellt. Erschwerend kommt hinzu, dass die mehrfache Übertragung desselben Anteils innerhalb des Zehnjahreszeitraums nur einmal zu zählen ist387 (vgl. zu Einzelheiten Rz. 5.14 ff.).

3.417

In den gleichlautenden Erlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG388 führt die FinVerw. in der Tz. 3.1 aus, welche Anteile an KapGes. unter die Regelung des § 1 Abs. 2c GrEStG fallen und welche nicht. Dabei wird ausgeführt, dass keine Anteile i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG Wertpapiere sind, die sich lediglich auf die Anteile an einer KapGes. beziehen, ohne das Eigentum an diesen Anteilen zu vermitteln. Hierzu gehören beispielsweise American Depositary Receipts (ADR). Hieraus ist zu folgern, dass solche Anteile auch nicht als Anteile i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG anzusehen sind.

3.418

Für die Frage, welche Anteile bei einer KGaA zum Grundkapital gehören, führt die FinVerw. wie folgt aus: „Die Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesell-

3.419

385 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 969. 386 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 541. 387 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 905, 979 und Rz. 6 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse v. 10.5.2022 zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG – VI 35 – S 4445-005, BStBl. I 2022, 821. 388 Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein – VI 355 – S 4501-068, BStBl. I 2022, 1451.

Krohn | 321

Kap. 3 Rz. 3.419 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

schafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sind Teil des Grundkapitals, wenn sie darauf geleistet wurden, § 281 Absatz 2 AktG.“389

3.420 Damit ist erstmals in einer Verwaltungsverlautbarung eine Aussage zur grunderwerbsteuerlichen Einordnung der besonderen Beteiligungsstruktur der KGaA enthalten. Zu § 1 Abs. 3 GrEStG wurde in der Literatur vertreten, dass der Komplementäranteil „mangels dinglicher Rechtsqualität“ keinen „Anteil“ darstelle390, was jedoch jedenfalls für sämtliche Fälle, in denen der Komplementär eine Vermögenseinlage geleistet hat, unzutreffend ist. Die Vermögenseinlage des Komplementärs, die gemäß § 281 Abs. 2 AktG „nicht auf das Grundkapital geleistet“ wird, ist Teil des Eigenkapitals der KGaA391 und vermittelt aufgrund der damit verbundenen Vermögensrechte, die nicht nur schuldrechtlicher Natur sind, sondern originär aus der Mitgliedschaft resultieren392, einen „Anteil“, der auch grunderwerbsteuerlich zu berücksichtigen ist.393 3.421 Die oben angeführte Aussage im Anwendungserlass ist jedoch etwas missverständlich formuliert. Denn in Fällen des § 281 Abs. 2 AktG wird die Einlage gerade nicht auf das Grundkapital geleistet, sondern als sog. „Sondereinlage“ erbracht (eine Beteiligung des Komplementärs am Grundkapital würde bedeuten, dass er zusätzlich auch Kommanditaktionär ist;394 dies ist ebenfalls zulässig, betrifft dann aber keinen Anwendungsfall des § 281 Abs. 2 AktG395 – die Übernahme von Kommanditaktien gehört somit per definitionem nicht zu den „Vermögenseinlagen“.396 Die nicht auf das 389 Vgl. Rz. 4 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 390 So Behrens/Schmitt, UVR 2006, 118 (122 ff.); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1093. 391 Der Kapitalanteil des Komplementärs ist in der Bilanz nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ gesondert auszuweisen (§ 286 Abs. 2 Satz 1 AktG). Vgl. z.B. Koch in Koch17, § 286 AktG Rz. 2; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Teilband 46, § 286 AktG Rz. 28; Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, S. 50. 392 Vgl. mit gründlicher Analyse Rothenöder, Der Anteil i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, 2009, S. 152 ff. Der Begriff „Gesellschaftsanteil“ (synonym: „die Mitgliedschaft“) bezeichnet den Inbegriff der einem Gesellschafter aus seiner Mitgliedschaft in einem Verband zustehenden Rechte und Pflichten. Vgl. z.B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 47 III.1.a, S. 1380; Rothenöder, Der Anteil i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, 2009, 115; grundlegend Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und ‚sonstiges‘ Recht, 1996. 393 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Anhang 10 Rz. 129. 394 Soweit ein Komplementär Einlagen auf das Grundkapital leistet, wird er als Kommanditaktionär behandelt, allerdings mit der Besonderheit, dass er in Bezug auf seine Kommanditaktien partiellen Stimmverboten in der Hauptversammlung unterliegt, um in bestimmten Fällen Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 285 Abs. 1 AktG); vgl. z.B. Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 9 KStG Rz. 51; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, Großkommentar zum AktG5, § 281 AktG Rz. 14. 395 § 281 Abs. 2 AktG lautet: „Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden.“ 396 Vgl. K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter4, § 281 AktG Rz. 7; Servatius in Grigoleit2, § 281 AktG Rz. 5.

322 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.425 Kap. 3

Grundkapital geleistete Vermögenseinlage des Komplementärs bildet zusammen mit den Kommanditaktien das Gesamtkapital der KGaA. Richtigerweise ist für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG auf das Gesamtkapital und nicht auf das Grundkapital abzustellen, so dass auch der Kapitalanteil eines Komplementärs mit Vermögenseinlage als „Anteil“ zu erfassen ist (vgl. zu Einzelheiten Rz. 5.28 ff.). b) Eigene Anteile Die Behandlung der eigenen Anteile der grundbesitzenden KapGes. im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bisher noch unklar. Zum einen gibt es noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage, zum anderen nimmt auch die FinVerw. in den gleich lautenden Ländererlassen vom 10.5.2022 zu dieser Frage keine Stellung. Die Behandlung eigener Anteile wurde dagegen durch den BFH im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG397 schon mehrfach entschieden. Dabei verfolgt der BFH den Ansatz, die eigenen Anteile vollständig zu ignorieren. Dies scheint auch die einhellige Auffassung in der Literatur398 zu sein. Nach der hier vertretenden Auffassung sind die eigenen Anteile auch für die Ermittlung der Zählquote des § 1 Abs. 2b GrEStG vollständig außer Acht zu lassen.

3.422

Für die Ermittlung des schädlichen Quantums von 90 % sind bei dieser Betrachtungsweise zwei Fallvarianten denkbar, die wie folgt zu beurteilen sind:

3.423

Die grundbesitzende KapGes. hält schon eigene Anteile und danach erwerben Neugesellschafter Anteile an dieser KapGes. Für die Ermittlung der 90%igen Zählquote sind nur die außenstehenden Anteile heranzuziehen und das Quantum von 90 % ist mathematisch zu ermitteln.

3.424

Beispiel 71: Jahr 01: Die KapGes. B hält 20 % eigene Anteile und 80 % der Anteile werden von dem Altgesellschafter A gehalten.

3.425

Jahr 02: D erwirbt von A 75 % der Anteile an der KapGes.

Jahr 01:

Jahr 02: Veräußerung

A 80 % 20 %

B GmbH

B

A 75 %

5%

B GmbH

Abb. 49 397 Vgl. z.B. BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053. 398 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 545.

Krohn | 323

Kap. 3 Rz. 3.425 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Für die 90 %-Zählquote i.S.d. des § 1 Abs. 2b GrEStG beträgt die „mathematische 90%-Grenze“ 72 % (90 % von 80 %). Durch den Erwerb des D im Jahr 02 von insgesamt 75 % der Anteile werden mind. 72 % (90 %-Zählquote) innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übertragen. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar und die KapGes. B schuldet die Grunderwerbsteuer und muss diesen Vorgang anzeigen.

3.426 Die grundbesitzende KapGes. erwirbt nach einem Erwerb von Anteilen durch Neugesellschafter eigene Anteile. Für die Ermittlung der 90%igen Zählquote sind nachträglich die eigenen Anteile zu ignorieren und das nunmehr notwendige Quantum von 90 % ist mathematisch zu ermitteln.399 3.427 Beispiel 72: Jahr 01: An der KapGes. B hält A (Altgesellschafter) insgesamt 25 % der Anteile. D erwirbt von A 75 % der Anteile an der KapGes. Jahr 02: Die KapGes. B erwirbt 20 % der Anteile von A, die damit zu eigenen Anteilen der KapGes. werden.

Jahr 01:

Jahr 02:

B

A 75 % B GmbH

B

Veräußerung 25 %

A 75 %

20 %

5%

B GmbH

Abb. 50 Durch den Erwerb des D im Jahr 01 von insgesamt 75 % der Anteile wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht ausgelöst, da nicht mind. 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren übergehen. Durch den Erwerb der KapGes. von 20 % der Anteile, die damit zu eigenen Anteilen werden, ist die „mathematische 90%-Zählquote“ zu ermitteln. Sie beträgt 72 % (90 % von 80 %). Da D im Jahr 01 insgesamt 75 % der Anteile an der KapGes. erworben hat und die mathematische 90 %-Zählquote im Jahr 02 durch den Erwerb von eigenen Anteilen mit 72 % zu berechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG im Jahr 02 erfüllt und der Vorgang ist steuerbar und die KapGes. B schuldet die Grunderwerbsteuer und muss diesen Vorgang anzeigen. 399 A.A wohl in Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 454 zur Einziehung von Anteilen einer an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligten KapGes. Dabei ist m.E. zu differenzieren, denn es liegt zwar kein schädlicher Erwerb von Anteilen vor, allerdings ist die mathematische Bezugsgröße nach dem Erwerb der eigenen Anteile nicht mehr 100 %, sondern nur der prozentuale Wert der Anteile, die nicht durch die KapGes. gehalten werden.

324 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.432 Kap. 3 Der Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist der Tag des dinglichen Übergangs der Anteile von A auf die KapGes. B.

3. Grundstücksbezogene Betrachtungsweise und Zugehörigkeit des Grundstücks Wie § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG setzt auch der § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG ein zum Vermögen der KapGes. gehörendes inländisches Grundstück voraus. Dabei folgt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung eines Grundstücks zum Vermögen der KapGes. den gleichen Voraussetzungen, die für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG gelten (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.31 ff.).

3.428

Es liegen so viele Steuerfälle vor, wie der KapGes. Grundstücke im grunderwerbsteuerlichen Sinne „gehören“. Berücksichtigt werden nur diejenigen Grundstücke, die im gesamten Zeitraum der den Tatbestand erfüllenden Anteilsübertragungen zum Vermögen der KapGes. gehört haben. Für die Einstufung einer Gesellschaft als grundbesitzende Gesellschaft ist auf die grunderwerbsteuerliche Zurechnung eines inländischen Grundstücks zum Vermögen einer KapGes. abzustellen.

3.429

Das bedeutet, dass ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, wenn

3.430

– sie aufgrund eines Verpflichtungsgeschäfts einen Übereignungsanspruch gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG hat, – ihr das Grundstück gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG aufgelassen worden ist, – ihr die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG zusteht, – sie aufgrund eines unter § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs mit mindestens 90 % (ab 1.7.2021) an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist.400 Da sich die Änderung im Gesellschafterbestand der KapGes. auch durch mehrere Teilakte innerhalb des maßgebenden Zehnjahreszeitraums vollziehen kann, muss das Grundstück durchgängig zum Vermögen der KapGes. gehören.401

3.431

Die Grunderwerbsteuer erstreckt sich auf alle Grundstücke, welche zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG der Gesellschaft im Sinne der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung gehören (d.h. maßgebend ist die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung). Umgekehrt gilt, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung

3.432

400 Vgl. Tz. 3 Satz 5 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 401 Vgl. Tz. 3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821; BFH, Urt. v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 99; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 279; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 551 ff.

Krohn | 325

Kap. 3 Rz. 3.432 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war.402.

3.433 Grundstücke im Eigentum der Gesellschaft, an denen sie einem anderen die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt hat, gehören nach Auffassung der FinVerw. weiter zum Vermögen der Gesellschaft.403 Der BFH hat im Urteil v. 11.12.2014 – II R 26/12404, in dem es um einen aufschiebend bedingten Erwerb eines Grundstücks nach § 1 Abs. 1 GrEStG ging, ausgeführt, dass Grundstücke, deren Verwertungsbefugnis übertragen wurde, trotz zivilrechtlichen Eigentums nicht mehr dem zivilrechtlichen Eigentümer (im Urteilsfall einem Personengesellschafter) zuzurechnen sind. Diese Grundsätze würden nach der hier vertretenen Auffassung deckungsgleich im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG gelten.405 Die Regelung der FinVerw. in den gleich lautenden Länderlassen vom 10.5.2022 zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG unter Rz. 3 Abs. 4 Satz 2 steht also im Gegensatz zur BFH-Rechtsprechung. Da das zitierte BFH-Urteil ohne einen Nichtanwendungserlass der FinVerw. veröffentlicht wurde, ist die Regelung in den gleich lautenden Ländererlassen zumindest überraschend und kann nur als Nichtanwendungsregelung verstanden werden. Mit Urteil vom 14.12.2022 – II R 40/20, DStRE 2023, 508, hat der BFH erneut seine Rechtsprechung bestätigt.

3.434 Ein Grundstück gehört nach Auffassung der FinVerw. der KapGes., wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist406. Aus dieser Formulierung leitet die FinVerw. häufig in der Praxis immer noch ab, dass ein Grundstück einer Tochtergesellschaft immer dann einer KapGes., Personenvereinigung oder natürlichen Person zuzurechnen ist, wenn die Voraussetzungen des jeweiligen Erwerbstatbestands im Zeitpunkt der Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt ist (z.B. mind. 90%ige Beteiligung an der grundbesitzenden Tochtergesellschaft)407

402 BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 981; (hinsichtlich Erwerbs i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 894). 403 Tz. 3 Abs. 4 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 404 BStBl. II 2015, 402. 405 Vgl. Messbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 895; Viskorf, DStR 2021, 74 Rz. 2. 406 Tz. 3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 553 vertritt die Auffassung, dass § 1 Abs. 3, Abs. 3a für die Zugehörigkeit von Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG keine Bedeutung haben. 407 Diese Vorgehensweise resultiert wohl noch aus der Formulierung der Tz. 3 in den gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, 764 „Grundstücke, die der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind, gehören ebenfalls zu ihrem Vermögen.“.

326 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.439 Kap. 3

In der jüngsten Vergangenheit hatten zwei Finanzgerichte Gelegenheit, in dieser Frage erneut zu entscheiden. Dabei ist es zu dem kuriosen Ergebnis gekommen, dass sich die beiden FG-Urteile grundsätzlich unterscheiden. Beide Verfahren waren beim II. Senat des BFH anhängig. Das FG Hessen408 geht von einer grunderwerbsteuerlichen Zurechnung eines Grundstücks einer Tochtergesellschaft zum Vermögen der Muttergesellschaft schon dann aus, wenn eine entsprechende Beteiligung an der Tochter i.S.d. § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG im Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Vorgangs besteht und bestätigt damit die bisherige Auffassung der FinVerw.

3.435

Das FG München409 führt dagegen aus, dass die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des im zivilrechtlichen Eigentum einer (Unter-)Gesellschaft stehenden Grundvermögens an deren Obergesellschaft voraussetzt, dass letztere aufgrund eines (früheren) unter § 1 GrEStG fallenden Erwerbsvorganges als Erwerberin des Grundvermögens anzusehen ist.410

3.436

Der BFH hat mit seinem Urteil vom 1.12.2021411 dieses Verfahren entschieden und seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und für die Verwirklichung der Fiktionstatbestände des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG a.F. präzisiert, wann ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“. Diese Rechtsprechung wird auch auf den ab 1.7.2021 eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG zu übertragen sein, da auch dieser voraussetzt, dass zum Vermögen einer KapGes. ein inländisches Grundstück „gehört“.412

3.437

Im Tenor des Urteils führt der BFH die Grundsätze der Zurechnung von Grundstücken zum Vermögen einer Gesellschaft wie folgt aus:

3.438

1. Ein inländisches Grundstück „gehört“ einer Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG fallenden und verwirklichten413 Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. 2. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG erworben hat. Das Urteil bringt der Praxis eine Klarstellung, wann ein Grundstück grunderwerbsteuerlich einer Gesellschaft gehört und wann es ihr nicht mehr gehört. Für die Grundstückszurechnung ist nunmehr darauf abzustellen, ob eine Untergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs von mind. 90 % der Anteile durch eine Obergesellschaft schon ein Grundstück im grunderwerbsteuerlichen Sinne gehörte oder nicht.

408 FG Hessen v. 30.9.2020 – 5 K 2390/1, BeckRS 2020, 317177. 409 FG München v. 24.10.2018 – 4 K 1101/15, EFG 2019, 65, BeckRS 2018, 31690. 410 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 891, Viskorf, DStR 2021, 74; Behrens, BB 2019, 2048. 411 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375. 412 Vgl. Anmerkungen Kugelmüller-Pugh, DStR 2022, 1375 (1382). 413 Hervorhebungen durch den Verfasser.

Krohn | 327

3.439

Kap. 3 Rz. 3.440 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.440 Gehörte ein Grundstück zu diesem Zeitpunkt schon der Untergesellschaft, gehört es im grunderwerbsteuerlichen Sinne nach dem Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft jeweils der Gesellschaft, bei der ein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG erfüllt wird und keiner anderen Gesellschaft.414 3.441 Wurde das Grundstück durch die Tochtergesellschaft erst nach dem Erwerb der Anteile durch die Muttergesellschaft erworben, gehört das Grundstück nur der Tochtergesellschaft und ist grunderwerbsteuerlich nicht einer anderen Gesellschaft zuzurechnen. 3.442 Das Grundstück gehört also nach Auffassung des BFH, die im Gegensatz zur bisherigen Auffassung der FinVerw. steht, entweder der Obergesellschaft oder der Untergesellschaft, je nach dem auf welcher Ebene ein Tatbestand nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG ausgelöst wurde. 3.443 Die FinVerw. verfolgt bisher die Auffassung, dass das Grundstück neben dem zivilrechtlichen Eigentümer durch eine grunderwerbsteuerliche Zurechnung auch der Obergesellschaft gehört. Diese Grundsätze müssten dann auch gelten, wenn die Anteile an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft vor dem 1.7.2021 erworben wurden. Dabei stellt sich die Frage, welches Quantum zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung ausreichend ist. Nach der hier vertretenden Auffassung ist dabei auf das notwendige Quantum (90 %) des aktuellen Rechts abzustellen. 3.444 Besonders hervorzuheben ist die Aussage des BFH, dass ein Grundstück einer Untergesellschaft einer Obergesellschaft nur zuzurechnen ist, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Um die Weiterentwicklung der rechtlichen Würdigung durch den BFH aufzuzeigen, hier noch einmal die bisherige Formulierung: „Ein Grundstück gehört der KapGes., wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist.“415 3.445 Auffällig ist, dass der BFH nunmehr „fordert“, dass die Obergesellschaft selbst durch einen Erwerbsvorgang das Grundstück erworben haben muss. Hier spezifiziert der BFH in der Rz. 23 diese Vorgabe wie folgt: „Danach „gehört“ ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer414 Rz. 24 des BFH-Urt. v. 1.12.2021: „Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war (vgl. BFH v. 15.12.2010 – II R 45/08, BFHE 232, 218, BStBl. II 2012, 292, DStR 2011, 310 Rz. 12, und in BFHE 247, 343, BStBl. II 2015, 402, DStR 2015, 116 Rz. 18). Umgekehrt „gehört“ ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.“ 415 Tz. 3 Satz 5 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

328 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.448 Kap. 3

schuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (vgl. BFH in BFHE 247, 343 = BStBl. II 2015, 402 = DStR 2015, 116 Rz. 18 m.w.N.).“ Durch den ausdrücklichen Hinweis, dass der Erwerbsvorgang bei der Obergesellschaft verwirklicht sein muss, ist die von der FinVerw. bisher verfolgte Auffassung, dass schon das Vorliegen des im jeweiligen Ergänzungstatbestands notwendigen Quantums von aktuell 90 % ausreichend für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken der Untergesellschaft zur Obergesellschaft ist, nicht mehr haltbar.416 Nunmehr muss ein Erwerbsvorgang durch die jeweilige Obergesellschaft verwirklicht worden sein. Eine tatsächliche Besteuerung des Vorgangs ist aber nach der hier vertretenden Auffassung nicht zwingend notwendig.

3.446

Der Umfang der Tatbestände, die nach Auffassung des BFH zu einer Zurechnung eines Grundstücks führen hat sich ebenfalls geändert. Waren bisher nur die Tatbestände des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG erfasst, sind nunmehr auch die Tatbestände des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG („Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG“) nach Auffassung des BFH geeignet, ein Grundstück einer Gesellschaft zuzurechnen. An dieser Stelle entwickelt der BFH seine bisherige Auffassung ausdrücklich weiter. Bisher waren die Tatbestände des § 1 Abs .2a und 2b GrEStG nicht erwähnt worden. Diese Tatbestände führen in ihrer Anwendung nicht dazu, dass ein Grundstück einer anderen Gesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Der Grund lag darin, dass in beiden Tatbeständen durch die grunderwerbsteuerliche Erwerbsfiktion die Gesellschaft selbst als „Erwerberin“ der Grundstücke gilt. Der Hinweis des BFH kann somit nur so verstanden werden, dass die Grundstücke nach Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG nur noch der PersGes. oder des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG nur noch der KapGes. zuzurechnen sind.

3.447

Der BFH hat mit Urteil vom 14.12.2022417 klargestellt, dass die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht zu einer Änderung der Zurechnung des Grundstücks bei einer Obergesellschaft führt. Das Grundstück wird grunderwerbsteuerlich in diesen Tatbeständen nur der jeweiligen grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet. Insoweit war das oben dargestellte Verständnis der Rechtsprechung folgerichtig.

3.448

Der BFH hat erkannt, dass seine Formulierung „Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG“ zu Irritationen beim Rechtsanwender geführt hat. Aus diesem Grund hat der erkennende Senat in der Rz. 27 des Urteils vom 14.12.2022 ausgeführt: „Soweit der Senat für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis (!) 3a GrEStG abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG, die lediglich eine neue Gesellschaft fin-

416 Vgl. BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 703 Rz. 30 Sätze 2, 3, und BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DB 2022, 1688 Rz. 25 Satz 4. 417 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 703.

Krohn | 329

Kap. 3 Rz. 3.448 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

gieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. Der Senat hält insoweit daran nicht fest.“ In Rz. 30 kehrt der BFH dann auch folgerichtig wieder zu seiner alten Formulierung zurück, nach der ein Grundstück einer Untergesellschaft einer Obergesellschaft nur zuzurechnen ist, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat.

3.449 Die Auswirkungen dieser neuen Grundsätze und die Unterschiede zur Auffassung der FinVerw. werden in Rz. 3.634 ff. ausführlich anhand von Beispielsfällen dargestellt. 3.450 Die Reaktion der FinVerw. bleibt abzuwarten. Sollte das BFH-Urteil im BStBl. veröffentlicht werden, wird die FinVerw. zwingend die gerade neu veröffentlichten gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG vom 10.5.2022 überarbeiten und anpassen müssen. Für den Praktiker ist aber unbedingt darauf hinzuweisen, dass die gleich lautenden Ländererlasse bis zu einer Berichtigung in der jeweils veröffentlichten Fassung durch die Finanzämter bindend anzuwenden sind. 3.451 Die Zurechnung eines Grundstücks einer Untergesellschaft zur Obergesellschaft erfolgt in den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nach gleichen Grundsätzen (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.34 ff.). IV. Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel 1. Unmittelbare Gesellschafterwechsel

3.452 Für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG ist zu prüfen, ob ein relevanter Gesellschafterwechsel vorliegt. Dies ist grds. in 3 Stufen zu prüfen: – Liegt ein Gesellschafterwechsel vor? – Wurde der Anteil durch einen Neugesellschafter erworben? – Wurde durch den Erwerb das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert?

3.453 Der Gesellschafterbestand ändert sich unmittelbar, wenn – die Anteilsrechte von einem Dritten erworben werden (derivativer Erwerb) oder – ein neuer Gesellschafter Anteilsrechte im Zuge der Gründung oder bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung erwirbt (originärer Erwerb).

3.454 Ein unmittelbarer Anteilsübergang liegt vor, wenn ein Anteil dinglich wirksam auf einen anderen Rechtsträger übergeht, ohne dass es auf wirtschaftliche Aspekte ankommt.418.

418 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 562.

330 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.459 Kap. 3

Die Veräußerung eines Geschäftsanteils einer GmbH erfolgt durch Abtretung gem. §§ 413, 398 BGB. Die Abtretung kann aufschiebend bedingt oder befristet erfolgen. Häufig wird beispielsweise vereinbart, dass die Abtretung eines Geschäftsanteils einer GmbH erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung erfolgt. § 15 Abs. 3 GmbHG regelt, dass die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen unter Lebenden nur möglich ist, wenn das dingliche Abtretungsgeschäft notariell beurkundet wird. Auch der schuldrechtliche Vertrag, mit dem eine Abtretungsverpflichtung begründet wird, bedarf nach § 15 Abs. 3 GmbHG der notariellen Form.419 Das heißt, für eine Übertragung von GmbH-Anteilen ist es im Inland erforderlich, dass Erwerber und Veräußerer einen Notar aufsuchen.

3.455

Auch die Übertragung von Anteilen im Ausland sind für die Ermittlung des notwendigen Quantums von 90 % einzubeziehen, soweit sie sich unmittelbar oder mittelbar auf inländische grundbesitzende KapGes. beziehen. Vollzieht sich die Übertragung von Anteilen im Ausland ist aber in kaum einem ausländischen Staat die Beglaubigung eines Notars notwendig, so dass nur noch die Beteiligten und der jeweilige Steuerschuldner die jeweiligen Anzeigepflichten zu erfüllen haben.

3.456

Der BFH hat entschieden, dass beim Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG kein verfassungswidriges Vollzugsdefizit bei mittelbaren Anteilen im Ausland anzunehmen ist.420 Diese Entscheidung ist analog auch in Bezug auf den Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG anzuwenden.

3.457

Da auch börsennotierten Aktiengesellschaften in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG fallen, stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen ein strukturelles Vollzugsdefizit droht. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG wird ausgelöst, wenn – vorbehaltlich des § 1 Abs. 2c GrEStG – mindestens 90 % der börsennotierten Anteile an einer AG durch den Handel an der Börse umgeschlagen werden. Die FinVerw. steht für den Nachweis dieser Übergänge vor einem fast unlösbaren Problem. Diese Vollzugsprobleme könnten als strukturelles Vollzugsdefizit gewertet werden, woraus eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift abzuleiten wäre.

3.458

Allerdings besteht aufgrund verschiedener außersteuerrechtlicher Mitteilungspflichten und Auskunftsansprüche nach dem Wertpapierhandelsgesetz421 auch bei börsennotierten Aktiengesellschaften keine vollständige Anonymität des Aktienmarktes (vgl. zu Einzelheiten Rz. 5.133 ff.). So sieht § 22 WpHG sanktionierte Mitteilungspflichten hinsichtlich Beteiligungsveränderungen in Umsetzung der europäischen Beteiligungstransparenz-Richtlinie in erster Stufe an die Bafin vor. Die mitzuteilenden Anteilsveränderungen beziehen sich auf Stimmrechte an Aktien, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.422 Die für die Mitteilungspflicht maßgeblichen Schwellenwerte der Stimmrechtsanteile liegen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WpHG

3.459

419 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 563. 420 BFH v. 9.4.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529. 421 Das Recht börsennotierter Gesellschaften zur Identifikation ihrer Aktionäre gemäß der EU-Aktionärsrichtlinie, AG 2017, 464. 422 Zimmermann in Fuchs/Zimmermann2, § 21 WpHG Rz. 20.

Krohn | 331

Kap. 3 Rz. 3.459 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

bei 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 % der Stimmrechte des Emittenten423. Für das Bestehen der Meldepflicht ist entscheidend, ob eine der gesetzlichen Stimmrechtsschwellen berührt wird424. Auch kurzzeitige Über- und Unterschreitungen begründen eine Meldepflicht425. Die Mitteilungspflicht wird ausgelöst, wenn der Stimmrechtsanteil eines Meldepflichtigen eine (oder mehrere) der genannten Schwellen erreicht, überschreitet oder unterschreitet426. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist ein strukturelles Vollzugsdefizit anzunehmen, wenn das Verfahrensrecht im Regelfall des Besteuerungsverfahrens nicht auf eine wirksame Ermittlung und Kontrolle des Steuertatbestandes angelegt ist427. Dabei beurteilt das BVerfG das „Zusammenspiel … ermittlungsbeschränkender und ermittlungsfördernder Normen“ hinsichtlich des konkreten Steuertatbestandes428. Darum bedeutet nicht jeder Nichtvollzug ein Vollzugsdefizit429.

3.460 Angewendet auf § 1 Abs. 2b GrEStG sind die Informationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz bei Verfügbarkeit für die Finanzbehörden auf der Seite der ermittlungsfördernden Normen zu verbuchen. Ermittlungsbeschränkungen resultieren vielmehr allein aus der Weite des grunderwerbsteuerrechtlichen Ergänzungstatbestandes, der partiellen Anonymität des Aktienmarktes und der allgemein beschränkten Ermittlungsressourcen der FinVerw. Da es keine absolute Vollzugssicherheit430 geben kann und der Gesetzgeber diese auch nicht garantieren kann, sollte es verfassungsrechtlich ausreichen, dass strukturell keine kontrollfreien Räume bestehen. Da aber keine rechtlichen Ermittlungsbeschränkungen für die Finanzbehörden gelten, vielmehr bei börsennotierten Aktiengesellschaften auch nur für eine wohl eher untergeordnete Zahl von Fällen nicht völlig ausräumbare faktische Ermittlungserschwernisse bestehen, sollte insgesamt für den geplanten Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht von einem strukturellen Vollzugsdefizit auszugehen sein.431 3.461 Ein Gesellschafterwechsel liegt auch dann vor, wenn sich dieser durch übertragende Umwandlungen (Verschmelzungen oder Spaltungen) und Einbringungen nach den §§ 20 und 21 UmwStG im Rahmen der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Rechtsträger vollzieht432.

Zimmermann in Fuchs/Zimmermann2, § 21 WpHG Rz. 36. Zu Einzelheiten Hirte in Kölner Komm.WpHG3, § 21 WpHG Rz. 78 ff. Assmann/Schneider7, § 21 WpHG Rz. 24. Zimmermann in Fuchs/Zimmermann2, § 21 WpHG Rz. 36. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 Rz. 83 ff., 110. BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 Rz. 83. So auch F. Reimer, Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in Hoffmann-Riem/Schmidt-Assmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2012, § 9 Rz. 88 mit dem Zusatz: „Eine Rechtsordnung ohne Sockelvollzugsdefizit werde wäre entweder anspruchslos oder totalitär“. 430 Insoweit ist auch der „Sicherstellungsauftrag“ des § 85 AO zu weitgehend und irreführend. 431 S. ausführlich Drüen, Ubg 2019, 65 „Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer Teil 2“. 432 Vgl. BFH v. 29.1.1997 – II R 15/96, BStBl. II 1997, 296. 423 424 425 426 427 428 429

332 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.463 Kap. 3 Beispiel 73: Die 100%ige Gesellschafterin der grundbesitzenden G GmbH ist die H GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die natürliche Person V ist. Mit notariellen Verschmelzungsvertrag vom 17.8.02 wird die H GmbH mit ertragsteuerlicher Wirkung auf den 31.12.01 auf die D GmbH verschmolzen. Alleiniger Gesellschafter der D GmbH ist vor der Verschmelzung die natürliche Person K, nach der Verschmelzung sind V und K zu je 50 % an der D GmbH beteiligt. Die Eintragung der Verschmelzung im öffentlichen Register erfolgt am 2.10.02.

Vorher:

3.462

Nachher (Jahr 02):

V

V 100 %

K 50 %

H GmbH

50 %

D GmbH Seitwärtsverschmelzung

100 % G GmbH

100 % G GmbH

Abb. 51 Die Anteile an der grundbesitzenden G GmbH werden zivilrechtlich im Zeitpunkt der Eintragung (2.10.02) im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge von der H GmbH auf die D GmbH übertragen. Der Vorgang ist steuerbar nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG, da innerhalb von 10 Jahren mind. 90 % (hier 100 %) auf neue Anteilseigner (D GmbH) übertragen worden sind. Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG die G GmbH, die die Grunderwerbsteuer als sofortabzugsfähige Betriebsausgabe behandeln darf.

Bis zum 30.6.2021 (vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG) wäre dieser Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar gewesen, da die D GmbH einen vereinigten Anteil (damals mind. 95 % der Anteile) erworben hätte. Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer wäre nach § 13 Nr. 5a GrEStG die D GmbH gewesen, die diese Grunderwerbsteuer zunächst als sofortabzugsfähige Betriebsausgabe433 gebucht hätte. Da die Grunderwerbsteuer aber durch die Verschmelzung der T GmbH auf die D GmbH ausgelöst wurde, war die Grunderwerbsteuer nach landläufiger Auffassung

433 BMF-Schr. v. 11.11.2011 – IV C2 S 1978 b/08/10001, BStBl. I, 1314 Tz. 04.34; BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II, 761.

Krohn | 333

3.463

Kap. 3 Rz. 3.463 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

der FinVerw.434 und des BFH435 im vollen Umfang als Kosten für den Vermögensübergang zu qualifizieren und damit Teil der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 12 Abs. 2 UmwStG. Das Übernahmeergebnis ist abhängig von der Verschmelzungsrichtung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht steuerbar (Verschmelzungen in der Seitenlinie – sidestream – und Verschmelzungen von oben nach unten – downstream) oder nach § 8b KStG steuerfrei (Verschmelzung von unten nach oben – upstream). In allen Fällen führte die Zuordnung der Grunderwerbsteuer zu den Kosten für den Vermögensübergang zur außerbilanziellen Hinzurechnung und damit zur 100%igen Rückgängigmachung des Betriebsausgabenabzugs. Insoweit stellt der neue Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG eine zumindest ertragsteuerliche Verbesserung gegenüber dem vorherigen Stand dar. Eine Zuordnung dieser Grunderwerbsteuer als Kosten für den Vermögensübergang schließt sich schon dadurch aus, dass die Grunderwerbsteuer nicht beim „erwerbenden“ übernehmenden Rechtsträger, sondern bei der grundbesitzenden KapGes. anfällt.

3.464 In den Fällen von Ab- und Aufspaltungen nach § 123 Abs. 1 und 2 UmwG, Ausgliederungen nach § 123 Abs. 3 UmwG und Verschmelzungen nach § 2 UmwG auf PersGes. bzw. natürliche Personen sind die gleichen Folgen denkbar, wenn ein Teil des vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger übergehenden Vermögens eine mind. 90 % Beteiligung an einer grundbesitzenden KapGes. ist. Auch bei schlichten Einbringungen nach § 20 UmwStG und Anteilstauschvorgängen nach § 21 UmwStG kommt es zu diesem günstigeren Effekt bei der Abzugsfähigkeit der Grunderwerbsteuer in der Ertragsteuer. 2. Mittelbare Gesellschafterwechsel durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen

3.465 Zivilrechtlich kann es keinen mittelbaren Erwerb von Anteilen an einer KapGes. geben, so dass die Frage von mittelbaren Gesellschafterwechseln durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen erfolgen muss. Ob ein mittelbarer Anteilsübergang vorliegt, entscheidet sich allein in wirtschaftlicher Betrachtung. 3.466 Danach liegt eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes vor, wenn436 – ein Mitgliedschaftsrecht an einer PersGes., die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes. an der grundbesitzenden KapGes. beteiligt ist, zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied übergeht,

434 FG München v. 13.5.2010 – 6 K 75/19. 435 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20; DStR 2023, 212; „Zur Auslegung des Rechtsbegriffs „Kosten für den Vermögensübergang“ ist auf das Veranlassungsprinzip und auf den Begriff der Veräußerungskosten i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG abzustellen. Dabei ist auf das „auslösende Moment“ für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn abzustellen.“ 436 Gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.1.2.

334 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.471 Kap. 3

– eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes.an der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. nach § 1 Abs. 2b Satz 3 bis 5 GrEStG fiktiv neue Gesellschafterin der grundbesitzenden KapGes. wird oder 3. Mittelbare Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen (inkl. Treuhandverhältnisse) Liegen lediglich schuldrechtliche Bindungen (z.B. Kaufoption437, Vereinbarungstreuhand438) vor, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden.439

3.467

Die Abgrenzung des mittelbaren Gesellschafterwechsels aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen erfolgt in den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nach gleichen Grundsätzen (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.76 ff.).

3.468

4. Unschädlichkeit Übergang von Todes wegen Beim Übergang von Anteilen an grundbesitzenden KapGes. von Todes wegen auf neue Gesellschafter, wird dieser Erwerb bei der Ermittlung des Satzes von mindestens 90 % i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht erfasst. § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG ist mE. auch insoweit anzuwenden, als Anteile an einer als Gesellschafterin an der grundbesitzenden KapGes. beteiligten PersGes. oder KapGes. von Todes wegen übergehen (mittelbarer Übergang).

3.469

5. Schenkweiser Übergang von Anteilen Im Gegensatz zum Übergang der Anteile an KapGes. von Todes wegen, zählt die schenkweise Übertragung von Anteilen an KapGes. auf Neugesellschafter zu den relevanten Gesellschafterwechseln i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG440.

3.470

§ 1 Abs. 2b GrEStG fingiert einen Grundstücksübergang von einer KapGes. auf eine fiktiv neue KapGes. Eine unmittelbare Schenkung des Grundstücks liegt zivilrechtlich nicht vor, da insbesondere zivilrechtlich keine Übertragung des Eigentums an dem Grundstück erfolgt.

3.471

437 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57. 438 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 439 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 und v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783 und Tz. 5.1.2 Abs. 3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 440 Die Grundsätze in BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409, in dem klargestellt wird, dass der nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Gesellschafterwechsel bei schenkweiser Übertragung der Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. steuerfrei ist (§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG) sind insoweit analog bei den relevanten Gesellschafterwechseln i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG anzuwenden.

Krohn | 335

Kap. 3 Rz. 3.472 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.472 Die Grundsätze des BFH441 werden auch von der FinVerw. im Rahmen des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG angewendet442. Danach finden die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Anwendung, soweit die Anteile der grundbesitzenden KapGes. durch Schenkung unter Lebenden i.S.d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes übertragen werden. 3.473 Steuerbefreit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung von grundbesitzenden KapGes. als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen an der grundbesitzenden KapGes. unabhängig von deren Schenkungszeitpunkten. Die Begünstigung vorangegangener schenkweiser Anteilsübertragungen an der KapGes. setzt voraus, dass das jeweilige Grundstück der Gesellschaft bereits zu den damaligen Schenkungszeitpunkten grunderwerbsteuerlich zuzurechnen war. Bei einer Schenkung von Anteilen an grundbesitzenden KapGes. gilt § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (vgl. zu Einzelheiten Rz. 4.30). 3.474 Beispiel 74: An der grundbesitzenden G GmbH sind seit Gründung die natürlichen Personen V zu 60 % und B zu 40 % beteiligt. Im Jahr 01 veräußert B seine Anteile an D. Im Jahr 02 überträgt V 50 % seiner Anteile schenkweise auf seinen Sohn S.

Vorher:

Nachher (Jahr 02): Schenkweise Übertragung

V

B 60 % G GmbH

Veräußerung 40 %

S D

V 40 %

50 %

10 %

G GmbH

Abb. 52 Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 40 % der Anteile an der G GmbH durch D vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil nicht innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 40 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Auch im Jahr 02 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 50 % der Anteile an der G GmbH durch den Sohn S vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b 441 BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409. 442 Gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Rz. 9 Abs. 2.

336 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.477 Kap. 3 GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 40 % + 02: 50 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Die G GmbH gilt grunderwerbsteuerlich als fiktiv neue KapGes. und „erwirbt“ fiktiv alle Grundstücke von der fiktiv alten KapGes. Dabei entsteht trotz des nur 90 % Übergangs von Anteilen an der G GmbH für 100 % der Bemessungsgrundlage für die Grundstücke im Vermögen der G GmbH Grunderwerbsteuer. Nach den Grundsätzen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG sind 40 % der Bemessungsgrundlage steuerfrei. Danach sind 60 % der Bemessungsgrundlage grunderwerbsteuerpflichtig.443

6. Anwendung der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG Um nachteilige Auswirkungen auf den Börsenhandel zu vermeiden, wurde für Unternehmen, die an einer inländischen Börse, einer Börse des EWR oder an einer als Äquivalent angesehenen Drittlandbörse notiert sind, in § 1 Abs. 2c GrEStG eine Ausnahmeregelung geschaffen (sog. Börsenklausel).444

3.475

Die Börsenklausel setzt voraus, dass bei der Ermittlung der Anteilsübergänge von mindestens 90 % i.R.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG u.a. ein Anteilsübergang an einer Börse mitgezählt wurde. Wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG u.a. durch Einbeziehung eines solchen Erwerbs ausgelöst, können die Anteilsübergänge an der Börse unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2c GrEStG als unschädlich, also als nicht zu erfassende Anteilsübergänge beurteilt werden. Die Folge ist dann die Berechnung des notwendigen Quantums ohne diese Anteilsübergänge. Sollte dann ohne die Berücksichtigung dieser Anteilsübergänge das notwendige Quantum des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG nicht mehr erreicht werden, ist der Tatbestand nicht mehr erfüllt (zu Einzelheiten vgl. Rz. 5.45).

3.476

Führt die Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG zur Nichterfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG, weil das notwendige Quantum von 90% nicht erreicht wird, können die Vorgänge aber immer noch nach § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerber zur Steuerbarkeit führen. Die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG ist bei einer Nichtanwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht ausgeschlossen. Dies ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen, denn wird durch die Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2c GrEStG ein Anteilsübergang im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mitgezählt, kommt es nicht zum steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Die Subsidiaritätsregelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist nach dem Wortlaut nur anwendbar, wenn ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG gleichzeitig mit einem Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG gegeben ist. Da in diesen Fällen kein Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG vorliegt, kann der § 1 Abs. 3 GrEStG – in dem die Regelung des § 1 Abs. 2c GrEStG ausdrücklich keine Anwendung findet – einschlägig sein.

3.477

443 Analoge Anwendung des BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409: „Nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft sind insoweit nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei, als sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruhen.“ 444 BT-Drucks. 19/13437, Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD – Stichwort Börsenklausel.

Krohn | 337

Kap. 3 Rz. 3.477 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Beispiel 75: Die A AG erwirbt im Jahr 01 90% der Aktien an der B AG, die an der Frankfurter Börse gelistet ist. Der Erwerb der Aktien soll für dieses Beispiel vollständig über den Handel an der Frankfurter Börse erfolgt sein. Der Vorgang wäre grds. nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90% der Aktien der B-AG auf den neuen Anteilseigner A AG übergegangen sind. Da diese Anteilsübergänge an einem anerkannten Börsenplatz erfolgt sind und die Aktien der B AG an einem anerkannten Börsenplatz gelistet waren, ist für die gesamten Erwerbe von 90% die Regelung des § 1 Abs. 2c GrEStG anwendbar. Die Folge ist, dass diese Erwerbe bei der Berechnung der schädlichen Anteilsübergänge im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mehr erfasst werden dürfen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist somit nicht erfüllt. Da aber die A AG mindestens 90% der Anteile an der B AG in ihrer Person vereinigt, ist dieser Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Steuerschuldnerin ist gem. § 13 Nr. 5a GrEStG die A AG.

V. Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter 1. Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter a) Unmittelbare Altgesellschafter

3.478 Die Vorschrift erfasst unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands. Dabei stellen § 1 Abs. 2b Sätze 1 bis 5 GrEStG ausschließlich auf Anteilsübertragungen auf neue Gesellschafter ab. Im Umkehrschluss sind Erwerbe durch Altgesellschafter bei der Ermittlung des tatbestandsauslösenden Quantums von 90 % nicht einmal mitzuzählen. 3.479 Bisher ist sowohl auf Seiten der FinVerw. als auch in der einschlägigen Literatur die Frage, wie der Erwerb durch einen Altgesellschafter von einem Neugesellschafter im Zehnjahreszeitraum zu beurteilen ist, nicht problematisiert bzw. diskutiert worden. Der Erwerb durch den Altgesellschafter selbst stellt keinen Zählerwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG dar. M.E. ist aber zusätzlich der bisher erfasste Zählerwerb durch den veräußernden Neugesellschafter für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG nachträglich nicht mehr bei der Ermittlung des notwendigen 90%-Quantums zu erfassen. 3.480 Beispiel 76: An der grundbesitzenden G GmbH sind seit Gründung die natürlichen Personen V zu 60 % und B zu 40 % beteiligt. Im Jahr 01 veräußert B seine Anteile an D. Außerdem veräußert V 45 % ebenfalls an B. Im Jahr 02 veräußert B 20 % seiner Anteile an V. V ist als Gründungsgesellschafter der G GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. insgesamt 85 % der Anteile an der G GmbH durch B vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil nicht innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 85 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Auch im Jahr 02 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 20 % der Anteile an der G GmbH durch V vor. Da V Altgesellschafter ist, wird der Erwerb von 20 % nicht als schädlicher Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 85 % + 02: 0 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Zusätzlich wird m.E. der Erwerb im Jahr 01 durch den Neugesellschafter B um

338 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.483 Kap. 3 20 % vermindert. Für die restliche Überwachungszeit des Zehnjahreszeitraums sind danach im Jahr 01 „nur“ 65 % auf neue Gesellschafter übergegangen. Vereinfacht sollte überprüft werden, ob die Person des jeweiligen Erwerbers eines Anteils i.S.d. Vorschrift als Altgesellschafter eingeordnet werden kann. Zur Einordnung eines Erwerbers als unmittelbar beteiligter Altgesellschafter hat die FinVerw. folgende Regelung in den gleich lautenden Ländererlassen vom 10.5.2022 unter Tz. 5.2.1.1 aufgenommen: „Unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligter Altgesellschafter ist unabhängig von seiner Rechtsform, wer – mit Ablauf des 30. Juni 2021 beteiligt war, – Gründungsgesellschafter ist, – vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG beteiligt war, – im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks beteiligt war oder – bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Absatz 2b GrEStG beteiligt war. Ein unmittelbar beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als Altgesellschafter mit Aufgabe seiner Gesellschafterstellung. Erwirbt der ausgeschiedene (Alt-)Gesellschafter erneut einen Anteil an der KapGes., ist er Neugesellschafter i.S.d. § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG. Dies gilt auch dann, wenn das Ausscheiden eines Altgesellschafters aus der KapGes. und dessen Wiedereintritt innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.2013 – II R 3/11, BStBl II, 963).“

Die Abgrenzung, wann und ob ein Gesellschafter einer grundbesitzenden KapGes. Altgesellschafter wird oder doch die Neugesellschafterstellung zugeordnet bekommt, kann sich auch aus der zeitlichen Abfolge der jeweiligen Erwerbsvorgänge ergeben. Zu diesen Fallvarianten hat sich die FinVerw. in den gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022 nicht ausdrücklich positioniert.

3.481

Die folgenden Beispiele sollen diese Fallvarianten und die – nach der hier vertretenden Auffassung – Folgen auf die Alt- und Neugesellschafterstellung verdeutlichen:

3.482

Beispiel 77: An der grundbesitzenden A GmbH war X zu 100 % beteiligt. Die natürlichen Personen A und B erwerben mit dinglicher Wirkung zum 1.1.01 insgesamt 100 %. Dabei erwirbt A 91,9 % und B 8,1 %. Im Jahr 05 veräußert A an B 2 % und an D 89,9 % seiner Anteile an der A GmbH.

3.483

Vorher (1.1.01):

A

B 91,9 %

A GmbH

Nachher (Jahr 05): Veräußerung 8,1 %

D

B 89,9 %

10,1 %

A GmbH

Abb. 53

Krohn | 339

Kap. 3 Rz. 3.483 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Zum 1.1.01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. insgesamt 100 % der Anteile durch A und B vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (100 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Da die Anteilserwerbe durch A und B gemeinsam den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zum 1.1.2001 verwirklicht haben, gelten sie beide ab diesem Zeitpunkt als Altgesellschafter445. Im Jahr 05 gehen wiederum 89,9 % auf den unmittelbaren Neugesellschafter D über. Außerdem gehen weitere 2 % auf B über. Da B ab dem 1.1.2001 als Altgesellschafter einzuordnen ist, ist dieser Erwerb kein schädlicher Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (05: 89,9 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

3.484 Beispiel 77a (Abwandlung 1): An der grundbesitzenden A GmbH war X zu 100 % beteiligt. Die natürlichen Personen A und B erwerben mit dinglicher Wirkung zum 1.1.01 insg. 100 %. Dabei erwirbt A 91,9 % und B 8,1 %. Im Jahr 05 veräußert A an B 91,9 % seiner Anteile an der A GmbH.

Vorher (1.1.01): A

Nachher (Jahr 05):

B 91,9 %

B 8,1 %

100 % Veräußerung

A GmbH

A GmbH

Abb. 54 Im Jahr 05 gehen 91,9 % auf den unmittelbaren Altgesellschafter B über. B ist zu diesem Zeitpunkt Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG, der Erwerb wird für den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht als Zählvorgang erfasst. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 05 nicht erfüllt, da kein Zählvorgang i.S.d. Vorschrift vorliegt. Da B durch den Erwerb der restlichen 89,9 % der Anteile an der A GmbH auf eine Beteiligungsquote von insgesamt 100 % kommt, ist dieser Vorgang grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung). Steuerschuldner ist nach § 13 Nr. 5b) GrEStG der Gesellschafter B, der diesen Vorgang auch nach § 19 Abs. 3 GrEStG beim örtlich zuständigen FA anzuzeigen hat.

445 Rz. 5.2.1.1 5. Bullet der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

340 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.486 Kap. 3 Beispiel 77b (Abwandlung 2): An der grundbesitzenden A GmbH war X zu 100 % beteiligt. Die natürliche Person B erwirbt mit dinglicher Wirkung zum 1.1.01 8,1 % und die natürliche Person A erwirbt zum 2.1.2001 die restlichen 91,9 % Im Jahr 05 veräußert A an B 10 % und an D 81,9 % seiner Anteile an der A GmbH.

Vorher (1.1.01): A

Nachher (Jahr 05):

B 91,9 %

3.485

D 8,1 %

B 81,9 %

18,1 %

Veräußerung A GmbH

A GmbH

Abb. 55 Zum 2.1.01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. insgesamt 91,9 % der Anteile durch A vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist am 2.1.2001 verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (B: 8,1 % und A: 91,9 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Da der Anteilserwerb des A den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zum 2.1.01 verwirklicht hat, gilt A ab diesem Zeitpunkt als Altgesellschafter.446 Da der Anteilserwerb des B am 1.1.01 ebenfalls einen schädlichen Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG darstellt und B zum 2.1.01 bei Verwirklichung des Tatbestands als Neugesellschafter beteiligt war, gilt auch B ab dem 2.1.01 als Altgesellschafter. Im Jahr 05 gehen 81,9 % der Anteile an der A GmbH auf den Neugesellschafter D und weitere 10 % auf B über. Da B ab dem 2.1.01 als Altgesellschafter einzuordnen ist, ist der Zuerwerb von 10 % nicht als schädlicher Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG mitzuzählen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG wird im Jahr 05 nicht verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (05: D 81,9 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Beispiel 77c (Abwandlung 3): An der grundbesitzenden A GmbH war X zu 100 % beteiligt. Die natürliche Person A erwirbt mit dinglicher Wirkung zum 1.1.01 insgesamt 91,9 %. Mit dinglicher Wirkung zum 2.1.01 erwirbt B 8,1 % der Anteile an der A GmbH. Im Jahr 05 veräußert A an B 2 % und an D 89,9 % seiner Anteile an der A GmbH.

446 Tz. 5.2.1.1 5. Bullet der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 341

3.486

Kap. 3 Rz. 3.486 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Vorher (1.1.01): A

X 91,9 %

Nachher (Jahr 05):

Nachher (2.1.01): Veräußerung 8,1 %

A GmbH

A

B 89,9 %

A GmbH

D 8,1 %

B 89,9 %

10,1 %

A GmbH

Abb. 56 Zum 1.1.01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. insgesamt 91,9 % der Anteile durch A vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (100 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Da A den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zum 1.1.01 verwirklicht hat, gilt A ab diesem Zeitpunkt als Altgesellschafter. Zum 2.1.2001 gehen 8,1 % auf den unmittelbaren Neugesellschafter B über. B ist zu diesem Zeitpunkt Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG, der Erwerb reicht aber zu diesem Zeitpunkt nicht aus, um den Tatbestand des § 1 Abs 2b GrEStG zu verwirklichen. Im Jahr 05 gehen 89,9 % der Anteile an der A GmbH auf D über und weitere 2 % auf B. Da B ab dem 2.1.01 als Neugesellschafter einzuordnen ist, ist auch der Zuerwerb von 2 % als schädlicher Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG mitzuzählen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 05 wiederum verwirklicht worden, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (100 % = 2.1.01: B: 8,1 % + 05: D: 89,9 %, B 2 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

b) Mittelbare Altgesellschafter

3.487 Mittelbare Altgesellschafter können im Rahmen dieser Vorschrift nach Ansicht der FinVerw. nur vorliegen, wenn an der grundbesitzenden KapGes. unmittelbar eine PersGes. beteiligt ist. Insoweit gilt für PersGes. in der Grunderwerbsteuer das Transparenzprinzip. Die Gesellschafter der vermittelnden PersGes. können bezogen auf die grundbesitzende KapGes. eine Altgesellschafterstellung erlangen. Dies gilt auch dann, wenn an der vermittelnden PersGes. wiederum PersGes. beteiligt sind (mehrstöckige Personengesellschaftsstrukturen) für die Gesellschafter dieser PersGes.

342 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.494 Kap. 3

Zur Einordnung eines Erwerbers als mittelbar beteiligter Altgesellschafter hat die FinVerw. folgende Regelung in den gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022 unter Tz. 5.2.1.2 aufgenommen.

3.488

„Mittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligter Altgesellschafter ist unabhängig von seiner Rechtsform, wer über eine oder mehrere Personengesellschaften

3.489

– mit Ablauf des 30. Juni 2021 beteiligt war, – im Zeitpunkt der Gründung der grundbesitzenden KapGes. beteiligt war, – vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG beteiligt war, – im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks beteiligt war oder – bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG beteiligt war. Ein mittelbar beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als Altgesellschafter mit Aufgabe seiner Gesellschafterstellung.“

3.490

Die Abgrenzung eines unmittelbaren und mittelbaren Altgesellschafters erfolgt im Rahmen dieser Vorschrift nach den gleichen Grundsätzen wie beim Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.138 ff.).

3.491

2. Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter Erwerber, die nicht als Altgesellschafter im Sinne der vorstehenden Grundsätze eingeordnet werden können und Inhaber von Anteilen an der grundbesitzenden KapGes. werden, sind als unmittelbarer Neugesellschafter i.S.d. Vorschrift anzusehen.

3.492

Dabei stellt das Gesetz nicht auf eine bestimmte Rechtsform eines Neugesellschafters ab. Neugesellschafter können somit sein:

3.493

– Natürliche Personen, – Juristische Personen, – Personenvereinigungen. Zur Abgrenzung eines über eine vermittelnde PersGes. mittelbaren Neugesellschafters einer grundbesitzenden KapGes. hat die FinVerw. in den gleich lautenden Ländererlassen v. 12.5.2022 unter Tz. 5.2.2.2 folgende ergänzende Ausführungen aufgenommen:

Krohn | 343

3.494

Kap. 3 Rz. 3.494 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

„Mittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligter Neugesellschafter ist unabhängig von seiner Rechtsform, wer durch – Eintritt, – Abtretung eines Mitgliedschaftsrechts oder – einen Vorgang nach dem Umwandlungsgesetz einer Personengesellschaft beitritt, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften am Gesellschaftskapital der grundbesitzenden KapGes. beteiligt ist.“

3.495 Die Abgrenzung eines unmittelbaren und mittelbaren Neugesellschafters erfolgt im Rahmen dieser Vorschrift nach den gleichen Grundsätzen, wie beim Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.138 ff.). 3.496 Ist an der grundbesitzenden KapGes. wiederum eine KapGes. beteiligt, erfolgt die Abgrenzung der Alt- oder Neugesellschafterstellung in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. nach besonderen Grundsätzen, die in den gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022 unter Rz. 5.2.3 erläutert werden (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.504). 3. Folgen eines Wechsels von mittelbarer in unmittelbare Stellung

3.497 In der Praxis wird sich im Rahmen der gestaltenden Beratung die Frage stellen, ob ein mittelbarer Altgesellschafter beim Wechsel in eine unmittelbare Gesellschafterstellung zur grundbesitzenden KapGes. seine Altgesellschafterstellung behält und der Übertragungsvorgang insoweit nicht bei der Ermittlung des notwendigen Quantums von 90 % zu berücksichtigen ist. 3.498 Bezogen auf die grundbesitzende KapGes. kann es nach der hier vertretenden Auffassung nur mittelbare Altgesellschafter über eine unmittelbar beteiligte PersGes. geben. Erwirbt in diesen Fällen ein mittelbarer Altgesellschafter unmittelbar Anteile an der grundbesitzenden KapGes., wird der mittelbare Altgesellschafter m.E. insoweit unmittelbarer Altgesellschafter. 3.499 Beispiel 78: Am Vermögen der grundbesitzenden A GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 10 % und die B GmbH & Co. KG zu 90 % beteiligt. Gründungsgesellschafter der B GmbH & Co. KG sind X (90 %) und Y (10 %). X erwirbt im Jahr 01 von der B GmbH & Co. KG 80 % der Anteile an der A GmbH. Im Jahr 02 erwirbt D insg. 20 % der Anteile an der A GmbH (jeweils 10 % von der B GmbH & Co. KG und von A)

344 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.499 Kap. 3

Vorher:

Nachher im Jahr 01: X

Y

X

10 %

90 %

Y 90 %

10 %

80 %

A 10 %

B KG

A

90 %

10 %

A GmbH

B KG 10 %

A GmbH

Nachher im Jahr 02: D

X 20 %

80 %

A GmbH

Abb. 57 A und die B GmbH & Co. KG sind als Gründungsgesellschafter der A GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. X und Y sind als Gründungsgesellschafter der B GmbH & Co. KG mittelbare Altgesellschafter der A GmbH. Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. 80 % durch X vor. Da X mittelbarer Altgesellschafter der grundbesitzenden A GmbH war, wird er durch diesen Erwerb unmittelbarer Altgesellschafter der A GmbH. Für Zwecke der Erfüllung des steuerauslösenden Quantums von 90 % wird dieser Erwerb nicht gezählt, da X ein Altgesellschafter und kein Neugesellschafter ist. Im Jahr 02 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. 20 % der Anteile an der A GmbH durch D vor. D ist Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren nicht mind. 90 % der Anteile an der A GmbH (01: 0 % + 02: 20 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

Krohn | 345

Kap. 3 Rz. 3.500 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.500 Ist an der grundbesitzenden KapGes. unmittelbar eine andere KapGes. (vermittelnde KapGes.) beteiligt, gelten die Gesellschafter der vermittelnden KapGes. bezogen auf die grundbesitzende KapGes. nach Auffassung der FinVerw. nicht als Altgesellschafter.447 3.501 Erwirbt ein Gesellschafter der vermittelnden KapGes. unmittelbar Anteile an der grundbesitzenden KapGes., liegt insoweit ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel auf einen Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG vor. 3.502 Beispiel 79: Am Vermögen der grundbesitzenden A GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 10 % und die B GmbH zu 90 % beteiligt. Gründungsgesellschafter der B GmbH sind X (90 %) und Y (10 %). X erwirbt im Jahr 01 von der B GmbH 80 % der Anteile an der A GmbH. Im Jahr 02 erwirbt D insgesamt 20 % der Anteile an der A GmbH (jeweils 10 % von der B GmbH und von A).

Vorher:

Nachher im Jahr 01: X

X

Y 90 %

10 %

Y 90 %

10 %

80 % B GmbH

B GmbH

A 10 %

A 90 %

10 %

A GmbH

10 %

A GmbH

Nachher im Jahr 02: D

X 20 %

80 %

A GmbH

Abb. 58 447 Vgl. Tz. 5.2.3.1 Abs. 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821; a.A. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257, Rev. BFH II R 28/21.

346 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.507 Kap. 3 A und die B GmbH sind als Gründungsgesellschafter der A GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. X und Y sind als Gründungsgesellschafter der B GmbH Altgesellschafter der B GmbH aber nicht mittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden A GmbH. Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. 80 % durch X vor. Da X nicht als mittelbarer Altgesellschafter der grundbesitzenden A GmbH einzuordnen ist, wird er durch diesen Erwerb unmittelbarer Neugesellschafter der A GmbH. Für Zwecke der Erfüllung des steuerauslösenden Quantums von 90 % wird dieser Erwerb gezählt. Im Jahr 02 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A GmbH i.H.v. 20 % der Anteile an der A GmbH durch D vor. D ist Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der A GmbH (01: 80 % + 02: 20 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

Die Abgrenzung eines Wechsels von mittelbarer in unmittelbare Gesellschafterstellungen erfolgt im Rahmen dieser Vorschrift nach den gleichen Grundsätzen, wie beim Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.183 ff.).

3.503

4. Beteiligte Kapitalgesellschaften als Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG Nach der auch hier vertretenden Rechtsauffassung der FinVerw. kann nur die beteiligte KapGes. selbst unmittelbare oder mittelbare Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. sein, die Gesellschafter der unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligten KapGes. jedoch nicht.

3.504

Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte KapGes. wird nach § 1 Abs. 2b Satz 3 bis 5 GrEStG in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar innerhalb des einheitlichen Zehnjahreszeitraums448 zu mindestens 90 % ändern („Alles-oder-Nichts-Prinzip“). Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der KapGes. den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllen würde.

3.505

Bei mehrstufigen Beteiligungen von KapGes. ist die Prüfung, ob die 90 %-Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorzunehmen. Ist die Grenze erreicht, ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen.

3.506

Beispiel 80: An der grundbesitzenden G GmbH ist die T GmbH zu 100 % beteiligt. Sämtliche Anteile an der T GmbH hält die H GmbH, deren Anteile die natürliche Person V zu 100 % hält. Im Jahr 01 veräußert V sämtliche Anteile an der H GmbH an die natürliche Person D.

3.507

448 Hierbei ist auf den Zehnjahreszeitraum bezogen auf die grundbesitzende KapGes. abzustellen. Gesonderte Zehnjahreszeiträume auf Ebene von unmittelbar und mittelbar beteiligter KapGes. für die Einordnung als fiktiv neue KapGes. gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Ein Kaskadeneffekt ist damit ausgeschlossen.

Krohn | 347

Kap. 3 Rz. 3.507 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Vorher:

Nachher: V

D 100 %

H GmbH 100 % T GmbH 100 % G GmbH

100 % H GmbH 100 % T GmbH 100 % G GmbH

Abb. 59 Durch die Veräußerung von mind. 90 % der Anteile (100 %) an der H GmbH gilt diese grunderwerbsteuerlich fiktiv neue Gesellschaft. Die Anteile an der T GmbH gelten danach ebenfalls als zu 100 % unmittelbar auf neue Gesellschafter gewechselt. Dies führt dazu, dass auch die T GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als „fiktiv“ neu gilt und somit die G GmbH ebenfalls zu 100 % einen neuen Gesellschafter hat, der die Anteile von der „fiktiv“ alten T GmbH (mit anderem Gesellschafterbestand) erworben hat. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2b Satz 1 i.V.m. Satz 4 und 5 GrEStG grunderwerbsteuerbar.

3.508 Bei Gesellschaftsstrukturen mit PersGes. und KapGes. ist durch PersGes. durchzurechnen und auf der Ebene jeder KapGes. die 90 %-Grenze zu prüfen. Ist eine PersGes. an der mittelbar oder unmittelbar beteiligten KapGes. beteiligt, können die Mitunternehmer dieser PersGes. bezogen auf die KapGes. mittelbare Altgesellschafter sein. Erwirbt in diesen Fällen ein mittelbarer Altgesellschafter unmittelbar Anteile an der beteiligten KapGes., wird der mittelbare Altgesellschafter m.E. insoweit unmittelbarer Altgesellschafter. 5. Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten a) Verlängerung der Beteiligungsketten

3.509 Eine Beteiligungskette liegt vor, soweit KapGes. auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mind. 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl KapGes. als auch PersGes. beteiligt sind. Bei PersGes. in der Kette ist zu beachten, dass die 90%ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung 348 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.512 Kap. 3

noch vorhanden ist. Bei der Verkürzung der Kette muss, die der grundbesitzenden Gesellschaft am nächsten stehende KapGes. erhalten bleiben. Wird die Kette der Beteiligungen an einer KapGes., die unmittelbar an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligt ist, verlängert, löst dieser Vorgang regelmäßig eine schädliche Anteilsübertragung i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG aus. Die unmittelbar beteiligte KapGes. gilt insoweit als „fiktiv“ neu, wenn im Rahmen der Verlängerung der Beteiligungskette mind. 90 % an der unmittelbar beteiligten KapGes. mittelbar oder unmittelbar übertragen wurden.

3.510

Dabei ist es unbeachtlich, welcher zivilrechtlicher Vorgang die Verlängerung der Beteiligungskette begründet. Es sind insbesondere folgende Übertragungsvorgänge denkbar:

3.511

– Entgeltlicher Erwerb der Anteile, – Anteilstausch nach § 21 UmwStG, – Einbringungen nach § 20 UmwStG (die Beteiligung muss dabei Teil des Einbringungsobjekts Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil sein), – Verdeckte Einlage. Beispiel 81: An der grundbesitzenden G GmbH ist die T GmbH zu 100 % beteiligt. Die Anteile an der T GmbH hält die natürliche Person V zu 100 %. Im Jahr 01 bringt V sämtliche Anteile an der T GmbH in die H GmbH zur Neugründung ein. Der Vorgang ist nach § 21 UmwStG ertragsteuerlich grds. begünstigt.

Vorher:

Nachher: V

V 100 % 100 %

H GmbH 100 %

T GmbH 100 % G GmbH

T GmbH 100 % G GmbH

Abb. 60

Krohn | 349

3.512

Kap. 3 Rz. 3.512 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Es liegt ein Fall der Verlängerung der Beteiligungskette an der grundbesitzenden KapGes. G GmbH vor. Die Anteile an der unmittelbar an der G GmbH beteiligten T GmbH sind zu 100 % unmittelbar auf neue Gesellschafter gewechselt. Dies führt dazu, dass die T GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als „fiktiv“ neu gilt und somit die G GmbH ebenfalls zu 100 % einen neuen Gesellschafter hat, der die Anteile von der „fiktiv“ alten T GmbH (mit anderem Gesellschafterbestand) erworben hat. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2b Satz 1 i.V.m. Satz 4 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Der Anwendung des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass die natürliche Person V auch nach der Übertragung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung an der grundbesitzenden G GmbH weiterhin mittelbar zu 100 % an der G GmbH beteiligt bleibt und die Übertragung der Anteile auf die H GmbH sich im Ergebnis als bloße Verlängerung der Beteiligungskette darstellt.

b) Verkürzung der Beteiligungsketten

3.513 Auch wenn eine bisher unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. abwärts auf die grundbesitzende KapGes. oder aufwärts auf ihren einzigen oder einen ihrer Gesellschafter verschmolzen wird, liegt nach Auffassung der FinVerw. ein tatbestandsmäßiger Übergang des Anteils an der grundbesitzenden KapGes. auf einen neuen Gesellschafter vor. Denn der bisher nur mittelbar über die verschmolzene KapGes. an der grundbesitzenden KapGes. Beteiligte könne – so die FinVerw. – kein sog. Altgesellschafter der grundbesitzenden KapGes. sein. 3.514 Im folgenden Beispiel fällt nach Ansicht der FinVerw. mithin nach § 1 Abs. 2b GrEStG Steuer auf Ebene der grundbesitzenden KapGes. an, unabhängig davon, ob die unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. abwärts oder aufwärts verschmolzen wird: 3.515 Beispiel 82: Vorher:

Nachher: V

V 100 %

100 %

H GmbH

H GmbH

100 % T GmbH 100 % G GmbH

Abb. 61

350 | Krohn

100 % Abwärtsverschmelzung

T GmbH 100 % G GmbH

Aufwärtsverschmelzung

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.520 Kap. 3

Nur KapGes. selbst können unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. sein, deren Gesellschafter jedoch nicht.449 Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte KapGes. wird nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mind. 90 % ändern. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der KapGes. den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllen würde. Die Gesellschafter der KapGes. sind nur in Bezug auf die KapGes., an der sie unmittelbar beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende KapGes.

3.516

Bezogen auf das Beispiel ist also die T GmbH als Altgesellschafter bezogen auf die grundbesitzende G GmbH anzusehen und die H GmbH ist Altgesellschafterin bezogen auf die T GmbH. Die H GmbH ist aber nicht als Altgesellschafterin der grundbesitzenden G GmbH anzusehen.

3.517

Wenn nun die T GmbH downstream auf die grundbesitzende G GmbH verschmilzt, wird die H GmbH unmittelbare Anteilseignerin der G GmbH und der Vorgang löst Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der G GmbH aus, weil mind. 90 % auf neue Anteilseigner innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren übergegangen sind. Dasselbe Ergebnis tritt ein, wenn die T GmbH upstream auf die H GmbH verschmilzt, weil auch in diesem Fall die H GmbH Neugesellschafterin der grundbesitzenden G GmbH wird.

3.518

Vor der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG (vor dem 1.7.2021) waren diese Verschmelzungen grunderwerbsteuerlich im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG zu prüfen. Im Rahmen dieser Vorschrift läge eine unschädliche Verkürzung der Beteiligungskette vor.450 Der grunderwerbsteuerliche Tatbestand wäre nicht einschlägig gewesen. Insoweit führt § 1 Abs. 2b GrEStG in diesen Fallkonstellationen zu einer Ausweitung der grunderwerbsteuerbaren Vorgänge, die m.E. aber zwingende Konsequenz der Einführung des neuen Erwerbstatbestand ist.

3.519

In der Literatur wird mit Blick auf die Einordnung des § 1 Abs. 2b GrEStG als Missbrauchsverhinderungsregelung auch ein anderer Lösungsansatz vertreten.451 Begründet wird diese hier ausdrücklich nicht vertretende Auffassung damit, dass es sich nach den Gesetzesmaterialien bei § 1 Abs. 2b GrEStG um eine typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift handeln soll. Da im obigen Beispiel nicht ersichtlich ist, dass die objektive Möglichkeit einer missbräuchlichen Gestaltung besteht, dürfte nach dieser Auffassung der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt werden. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich nicht, dass die Frage der Klassifizierung als sog. Alt- oder sog. Neugesellschafter auf jeder Ebene der Kapitalgesellschafts-Beteiligungs-Kette sepa-

3.520

449 Tz. 5.2.3.1 Abs. 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821; a.A. FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257, Rev. BFH II R 28/21. 450 Tz. 3 der gleich lautenden Ländererlasse v. 2.12.1999 – S 4500, BStBl.1999 I, 991; BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408. 451 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.2.

Krohn | 351

Kap. 3 Rz. 3.520 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

rat zu beantworten ist452. Nach diesen Ausführungen wären sowohl die H GmbH als auch die T GmbH als mittelbare und unmittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden G GmbH einzuordnen und die jeweiligen Verschmelzungen würden keine mittelbare oder unmittelbare Übertragung der Anteile auf Neugesellschafter darstellen.

3.521 Mit Blick auf das beim BFH anhängige Verfahren II R 28/21453 sollten diese Sachverhalte bis zur Entscheidung dieser Rechtssache durch die Beratung offengehalten werden. 3.522 Wird dagegen die unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. in Vorgängen einer Beteiligungskettenverkürzung nicht berührt, sondern verkürzt sich lediglich die Kette, der an ihr beteiligten KapGes. soll nach Auffassung der FinVerw.454 eine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung vorliegen, die nicht dazu führt, dass die unmittelbar beteiligte KapGes. zu einer „fiktiv“ neuen KapGes. wird. 3.523 Beispiel 83: An der grundbesitzenden G GmbH ist die T GmbH zu 100 % und an der T GmbH ist die H GmbH ebenfalls zu 100 % beteiligt. Die Anteile an der H GmbH hält die natürliche Person V zu 100 %. Im Jahr 01 wird die H GmbH auf die T GmbH downstream verschmolzen.

Vorher:

Nachher: V

V 100 %

100 %

H GmbH 100 % T GmbH 100 % G GmbH

H GmbH Abwärtsverschmelzung

100 % T GmbH 100 % G GmbH

Abb. 62 Die unmittelbar an der grundbesitzenden G GmbH beteiligte T GmbH bleibt als Rechtsträger auch nach der Verschmelzung erhalten. Für die Grunderwerbsteuer ist nunmehr zu prüfen,

452 Ebenso, allerdings in Bezug auf eine andere Fallkonstellation, Niedersächsisches FG v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, juris, Leitsatz: „Ein „Altgesellschafter“ der grundbesitzenden Personengesellschaft kann nicht als neuer Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG qualifiziert werden“; Rev. BFH II R 28/21. 453 Vorinstanz FG Niedersachsen v. 10.3.2021 – 7 K 101/18, EFG 2022, 257. 454 Tz. 5.2.3.1 Abs. 5 Satz 1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

352 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.528 Kap. 3 ob die T GmbH als „fiktiv“ neu einzustufen ist. Dazu müssten die Anteile an der T GmbH zu mind. 90 % unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter gewechselt worden sein. Nach der downstream Verschmelzung ist unmittelbarer Gesellschafter der T GmbH nicht mehr die H GmbH, sondern die natürliche Person V. Grundsätzlich sind damit mind. 90 % (hier 100 %) an der T GmbH gewechselt. Aber durch die Verschmelzung wird lediglich die Kette der an der T GmbH beteiligten Personen (bestehend aus H GmbH und V) verkürzt. Dies führt dazu, dass die T GmbH i.S.d § 1 Abs. 2b GrEStG nicht als „fiktiv“ neu gilt. Der Vorgang ist nicht nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar.

6. Sonderfälle des Formwechsels Die identitätswahrende formwechselnde Umwandlung einer grundbesitzenden KapGes. ist nicht steuerbar. Das Gleiche gilt bei einer identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung einer an der grundbesitzenden KapGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligten PersGes. oder KapGes. (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.567).

3.524

Formwechselnde Umwandlungen der grundbesitzenden Gesellschaft bzw. einer unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft bergen umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung von grunderwerbsteuerbaren Vorgängen. Gerade im Zusammenspiel der beiden grunderwerbsteuerlichen Bewegungstatbestände der §§ 1 Abs. 2a und 2b GrEStG, für die im GrEStG keine Subsidiarität geregelt wurde, ist das sog. Kombinationsmodell ausführlich zu betrachten (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.576).

3.525

VI. Zeitraumbetrachtung und Bestimmung der schädlichen Zählquote 1. Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum Sukzessive Übertragungen unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligungen am Kapital der grundbesitzenden PersGes. auf Neugesellschafter innerhalb von zehn Jahren sind zusammenzurechnen. Soweit ein Neugesellschafter einen Anteil an der grundbesitzenden KapGes. an einen weiteren Neugesellschafter oder Altgesellschafter veräußert, ist dieser bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes nicht mitzuzählen.

3.526

Der Zehnjahreszeitraum ist für jedes Grundstück im Vermögen der KapGes. gesondert zu beurteilen.

3.527

Beispiel 84: An der grundbesitzenden G GmbH ist die T GmbH zu 100 % und an der T GmbH die natürliche Person V zu 100 % beteiligt. Im Vermögen der G GmbH befindet sich seit Gründung das Grundstück 1. Im Jahr 01 erwirbt D1 von der T GmbH 50 % der Anteile an der G GmbH. Im Jahr 02 erwirbt die G GmbH das Grundstück 2. Im Jahr 03 erwirbt D2 40 % der Anteile an der G GmbH.

3.528

Krohn | 353

Kap. 3 Rz. 3.528 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Nachher im Jahr 01:

Vorher: V

V 100 %

100 %

T GmbH

T GmbH

100 %

50 %

G GmbH

50 %

G GmbH

1

1

Nachher im Jahr 02:

Nachher im Jahr 03:

V

V 100 %

100 %

T GmbH 50 %

D1

T GmbH

50 %

50 %

G GmbH 1

D1

D1 50 %

D2 40 %

G GmbH 2

1

2

Abb. 63 Der Eintritt des D1 (50 %) im Jahr 01 ist i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als unmittelbarer Gesellschafterwechsel zu werten. Dabei ist D1 Neugesellschafter für das Grundstück 1, also für die Grundstücke, die sich im Zeitpunkt des Eintritts des Neugesellschafters im Vermögen der grundbesitzenden KapGes. befinden. Für das Grundstück 2 (Erwerb durch die G GmbH in 02) sind die T GmbH und D1 als Altgesellschafter anzusehen.455

455 Tz. 5.2.1.1 4. Bullet der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

354 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.531 Kap. 3 Der Erwerb von 40 % der Anteile an der G GmbH durch D2, der ebenfalls als unmittelbarer Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG anzusehen ist, führt zusammen mit dem Erwerb des Neugesellschafters D1 im Jahr 01 (50 %) zu einem Wechsel von mind. 90 % der Anteile an der G GmbH auf unmittelbare Neugesellschafter. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 50 % + 03: 40 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Die Steuerbarkeit bezieht sich aber nur auf das Grundstück 1, da D1 für das Grundstück 2 als Altgesellschafter gilt. Für das Grundstück 2 sind bis zum Jahr 03 lediglich 40 % auf Neugesellschafter (D2) übergegangen. Sollten in der Folgezeit bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums (03 bis 13) noch weitere 50 % an der G GmbH auf Neugesellschafter übergehen, würde der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG für das Grundstück 2 ausgelöst.

2. Ewigkeitsthese bei beteiligten Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG) Die sog. „Ewigkeitsklausel“ war in den gleich lautenden Ländererlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018456 in der Tz. 5.2.3.1. Sätze 6 und 7 geregelt und erfasste Gesellschafterwechsel bei einer KapGes., die an einer grundbesitzenden PersGes. i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG beteiligt ist, ohne zeitliche Begrenzung457. Für die Prüfung, ob die unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden PersGes. beteiligte KapGes. als „fiktiv neu“ anzusehen ist, werden nach der Ewigkeitsklausel sämtliche Übertragungen auf neue Gesellschafter, ohne Beachtung eines Zeitraums, in dem diese Übertragungen stattgefunden haben, einbezogen.

3.529

Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf Gesellschafterwechsel bei einer unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligten KapGes. im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG war mit Blick auf den grundsätzlichen Gleichlauf der Vorschriften des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu erwarten.

3.530

Beispiel 85: Am Vermögen der grundbesitzenden A KG sind der Gründungsgesellschafter X und die D GmbH zu je 50 % beteiligt.

3.531

Im Jahr 2022 erwirbt D die Anteile des Gründungsgesellschafters X. An der D GmbH, an der Y und Z als Gründungsgesellschafter beteiligt waren, hat B im Jahr 2017 Anteile i.H.v. 50 % erworben. Im Jahr 1997 wurden auf A ebenfalls 50 % an der D GmbH übertragen.

456 BStBl. I 2018, 1314. 457 Formulierung der FinVerw.: „Der Fünf-Jahres-Zeitraum gilt nicht. Es gibt keine zeitliche Begrenzung.“

Krohn | 355

Kap. 3 Rz. 3.531 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Vorher:

Nachher: Y

Z 50 %

D GmbH

X

50 %

50 %

A KG

A 50 %

B 50 % Jahr 1997

50 % Jahr 2017

D GmbH

A

50 %

50 % Jahr 2022

A KG

Abb. 64 Im Jahr 2022 liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel auf D (50 %) vor und zusätzlich gilt die D GmbH seit 2017 als „fiktiv“ neue Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG, da an ihr mind. 90 % neue Anteilseigner übergegangen sind (2017: B mit 50 % und 1997: A mit 50 %). Nach § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG sind Übergänge von Anteilen für Zwecke der Anwendung des § 1 Abs. 2a Sätze 3 bis 5 GrEStG auch auf vor dem 1.7.2021 erfolgte Anteilsübergänge anzuwenden. Der Übergang der Anteile auf B (50 %) an der D GmbH liegt im Zehnjahreszeitraum (bezogen auf den Erwerb in 2022) und führt zusammen mit dem Anteilserwerb von A i.H.v. 50 % im Jahr 1997 dazu, dass die D GmbH als fiktiv neue Gesellschafterin der A KG gilt458. Zusammen mit dem unmittelbaren Gesellschafterwechsel im Jahr 2022 gehen insgesamt 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der A KG auf neue Gesellschafter über und der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt.

3.532 Diese Rechtsauffassung führt u.a zu sehr praktischen Problemen sowohl auf Ebene der FinVerw. als auch auf Ebene des Stpfl. Im Rahmen der Anzeigepflicht des Steuerschuldners (hier die A-KG) nach § 13 Nr. 6 GrEStG müsste der Erwerb aus dem Jahre 1997 auf Ebene der beteiligten KapGes. D GmbH den handelnden Akteuren (z.B. Geschäftsführer der A KG) noch bekannt sein oder sich aus den Unterlagen ergeben. Da die Aufbewahrungsfristen des § 147 Abs. 3 Satz 1 AO aber maximal zehn Jahre betragen, dürften diese Informationen nur in Ausnahmefällen und eher zufällig vorhanden sein. Sieht man in der Nichtabgabe der Anzeige den Versuch einer leichtfer-

458 Rz. 5.2.3.1 Sätze 6 und 7 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018 – S 4501-10-V A 6, BStBl. I 2018, 1314.

356 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.536 Kap. 3

tige Steuerverkürzung nach § 378 AO459, könnten sich sehr drastische Folgen für den Stpfl. ergeben. Auch die FinVerw. dürfte kaum in der Lage sein, diesen Sachverhalt im Rahmen z.B. einer Außenprüfung aufzudecken. In der Literatur wird diese Regelung einhellig als nicht vereinbar mit der Auslegung der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG als spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift gesehen460. Insbesondere Behrens461 führt aus, dass „die Frage nach der Geltung des Fünfjahreszeitraums462 oberhalb einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligter KapGes.“ zwar nicht im Gesetzeswortlaut völlig eindeutig geregelt sei. Dennoch läge der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG zumindest nahe, dass stets nur solche Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter aufzuaddieren sind, die (bezogen auf alle Beteiligungsebenen) innerhalb desselben Zeitraums sachenrechtlich wirksam werden.“

3.533

Auf Initiative Bayerns hat der Bundesrat in seinen Empfehlungen zum Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes gefordert, dass „§ 1 Abs. 2a Satz 4 dahingehend ergänzt werden (sollte), dass für die Bestimmung der Neugesellschaftereigenschaft bei einer an einer PersGes. beteiligten KapGes. lediglich Gesellschafterwechsel innerhalb eines Zeitraums entsprechend § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG und nicht unbefristet maßgebend sind.463 In der Gegenäußerung hat die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrats uneingeschränkt zugestimmt.464

3.534

Der Bundestag hat im Rahmen der Beschlussfassungen zum GrEStÄndG 2021 aber davon abgesehen, eine Ergänzung des Gesetzes in diesem Sinne vorzunehmen. Dies lässt meines Erachtens nur den Schluss zu, dass der Bundestag eine Ergänzung des Gesetzes für nicht notwendig erachtete, da die angestrebte Rechtsauffassung schon aus der bis dahin geltenden Regelung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG abgeleitet werden kann und es insoweit keinen Änderungsbedarf gab.

3.535

Sehr zu begrüßen ist, dass die FinVerw. sich nunmehr in den gleich lautenden Länderlassen zur Anwendung der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vom 10.5.2022 von ihrer bisherigen Auffassung verabschiedet hat. In den gleich lautenden Ländererlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG wurden die Sätze 6 und 7 in der Tz. 5.2.3.1. nicht mehr aufgenommen.465 In den erstmaligen gleich lautenden Länderlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG wurde in der Tz. 5.2.3.1. keine ent-

3.536

459 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, zu § 169 AO. 460 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 743 und 809; Behrens in Behrens/ Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 402; Behrens/Hofmann, UVR 2019, 105; Wischott/Graessner, Ubg 2019, 1658; Broemel/Lange, DStR 2019, 185. 461 Behrens, BB 2019, 30-38. 462 Die Abhandlung wurde vor der Verlängerung des Ermittlungszeitraums auf 10 Jahre durch das GrEStÄndG verfasst und bezieht sich deshalb auf den damals gültigen Fünfjahreszeitraum. Die grundsätzlichen Aussagen gelten aber auch für den verlängerten Ermittlungszeitraum von 10 Jahren. 463 Vgl. Nr. 3 der BR-Drucks. 355/19 (Beschluss) v. 20.9.2019. 464 Vgl. BT-Drucks. 19/13546. 465 Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 Tz. III.

Krohn | 357

Kap. 3 Rz. 3.536 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

sprechende Regelung eingefügt. Die FinVerw. hat also durch „Weglassen“ der bisherigen Ausführungen die Änderung ihrer Rechtsauffassung bekanntgegeben466.

3.537 Daraus ist m.E. zu folgern, dass nunmehr – ohne Änderung des gesetzlichen Wortlauts – die Auffassung vertreten werden kann, dass für die Prüfung, ob die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. beteiligte KapGes. „fiktiv neu“ ist oder nicht, auf denselben Zehnjahreszeitraum abzustellen ist, der auch für die Prüfung des der grundbesitzenden Gesellschaft anzuwenden ist („Einheitlicher Zehnjahreszeitraum“). 3.538 Beispiel 86: Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind der Gründungsgesellschafter X und die D GmbH zu je 50 % beteiligt. Im Jahr 12 erwirbt D die Anteile des Gründungsgesellschafters X. An der D GmbH hat B im Jahr 07 Anteile i.H.v. 50 % erworben. Im Jahr 03 wurden auf A ebenfalls 50 % an der D GmbH übertragen. Vorher:

Y 50 %

X 50 %

Nachher:

Z 50 %

D GmbH 50 %

B 50 % Jahr 03

A 50 % Jahr 12

G GmbH

A

50 % Jahr 07

D GmbH 50 %

G GmbH

Einheitlicher 10-Jahreszeitraum Jahre 02 - 12 Jahr 03

Jahr 07 Jahr 12

Abb. 65 466 Bei den Ausführungen der Erlasse zum Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. weist die Verwaltung indes ausdrücklich darauf hin, dass Gesellschafterwechsel an der formgewechselten KapGes. nur zu berücksichtigen sind, wenn „diese im Zehnjahreszeitraum erfolgt sind“ (vgl. Tz. 5.2.5.2. der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022). Dass die Verwaltung in diesem Kontext auf den Zehnjahreszeitraum abstellt, belegt, dass sie im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a bzw. 2b Satz 4 GrEStG einen zehnjährigen Betrachtungszeitraum anwendet.

358 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.544 Kap. 3 Im Jahr 12 liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel auf D (50 %) vor und zusätzlich gilt die D GmbH seit dem Jahr 07 als „fiktiv“ neue Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG, da an ihr mind. 90 % neue Anteilseigner übergegangen sind (07: B mit 50 % und 03: A mit 50 %). Der Übergang der Anteile auf B (50 %) an der D GmbH liegt im Zehnjahreszeitraum (bezogen auf den Erwerb im Jahr 12) und führt zusammen mit dem Anteilserwerb von A i.H.v. 50 % im Jahr 03 (der ebenfalls im Zehnjahreszeitraum bezogen auf den Erwerb im Jahr 12 liegt) dazu, dass die D GmbH als fiktiv neue Gesellschafterin der G GmbH gilt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 12 erfüllt.

3. Ermittlung des Vomhundertsatzes a) Ermittlungsmethoden bei beteiligten Kapital- und Personengesellschaften Zur Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG ist auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen. Maßgebend ist hierfür der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gesellschaftskapital nach dem Gesellschafterwechsel. Für die Höhe des Anteils kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Wirkung der schuldrechtlichen (gesellschaftsrechtlichen) Vereinbarungen an. Die Wirkung tritt frühestens mit dem Vertragsabschluss ein. Der Zeitpunkt der Leistung der Einlagen ist unerheblich.467

3.539

Stockt ein Neugesellschafter seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftskapital nach dem erstmaligen Erwerb des Gesellschaftsanteils auf, werden sowohl der erstmalige Erwerb als auch die Hinzuerwerbe bei der Berechnung der Quote berücksichtigt.468

3.540

§ 1 Abs. 2b GrEStG erfasst keine Änderungen der Beteiligung am Gesellschaftskapital der Altgesellschafter im Verhältnis zueinander.

3.541

Bei Gesellschaftsstrukturen mit PersGes. und KapGes. ist durch PersGes. durchzurechnen und auf der Ebene jeder KapGes. die 90 %-Grenze i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 3 bis 5 GrEStG zu prüfen:

3.542

Änderungen im Gesellschafterbestand der an der grundbesitzenden KapGes. beteiligten PersGes. werden § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Kapital der Gesellschaft mit den Anteilen am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt.

3.543

Bei Beteiligungen von KapGes. an einer grundbesitzenden KapGes. ist auf das erforderliche Quantum von 90 % der Anteile an der beteiligten KapGes. abzustellen. Gehen bei einer beteiligten KapGes. mindestens 90 % der Anteile auf Neugesellschafter in Bezug auf die beteiligte KapGes. über, so gilt diese nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG als Neugesellschafterin der grundbesitzenden KapGes. Die Beteiligung der KapGes. ist in voller Höhe bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1

3.544

467 Gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.3. 468 Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II, 966.

Krohn | 359

Kap. 3 Rz. 3.544 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

GrEStG zu berücksichtigen (nicht nur i.H.v. 90 %). Bei mehrstufigen Beteiligungen gelten diese Grundsätze nach § 1 Abs. 2b Satz 5 GrEStG auf der Ebene jeder KapGes. entsprechend.

3.545 Grundfall (entnommen aus Tz. 5.3.1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821): In nachstehender Ausgangsstruktur wird die Beteiligung der A GmbH am Kapital der grundbesitzenden B GmbH an die C GmbH übertragen. Zeitgleich veräußert X 80 % seiner Beteiligung am Vermögen der A KG an Y.

Vorher:

Nachher: D

X

X

20 % 80 %

0%

100 %

Y

D 0%

80 % A GmbH 50 % B GmbH

A KG 50 %

C GmbH 50 %

B KG 50 %

B GmbH

Abb. 66 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist erfüllt. Innerhalb von zehn Jahren gehen mind. 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden KapGes. (50 % unmittelbar und 80 % × 50 % = 40 % mittelbar) auf Neugesellschafter über.

3.546 Im Gegensatz zur bei unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligten Personengesellschaften geltenden „Durchrechnungsmethode“ ist bei der Änderung des Gesellschafterbestandes in Bezug auf beteiligte KapGes. auf das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ abzustellen. 3.547 Beispiel 87 (entnommen aus Tz. 5.3.3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821): An einer grundbesitzenden A GmbH sind A zu 85 %, B zu 10 % und die C GmbH zu 5 % beteiligt. Die Anteile der C GmbH halten D zu 85 %, E zu 10 % und F zu 5 %. Im Jahr 01 überträgt A seine Beteiligung an der A GmbH auf X. Im Jahr 02 übertragen D und F ihre Anteile an der C GmbH auf Y und Z.

360 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.549 Kap. 3

Vorher:

Nachher: D

E 85 %

A

10 %

Y 5%

C GmbH

B 85 %

F

10 %

5%

B GmbH

E 85 %

X

10 %

5%

C GmbH

B 85 %

Z

10 %

5%

B GmbH

Abb. 67 Die Übertragung der Beteiligung des A auf X führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i.H.v. 85 %. Durch die Übertragungen von D auf Y und F auf Z im Jahr 02 wird die C GmbH fiktive Neugesellschafterin der A GmbH nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG, da mind. 90 % der Anteile an der C GmbH (85 % + 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die C GmbH (Y und Z) übergegangen sind. Die mittelbare Anteilsänderung ist nicht anteilig (90 % von 5 %), sondern voll mit 5 % zu berücksichtigen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 02 erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Kapital der A GmbH (01: 85 % + 02: 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die A GmbH (X und C GmbH) übergegangen sind.

b) Betrachtung des nämlichen Anteils Die Frage, welche Anteilsübergänge im Rahmen des auf zehn Jahre verlängerten Überwachungszeitraums, als schädliche Zählvorgänge einzubeziehen sind, führt beim mehrfachen Handel desselben Anteils immer wieder zu Herausforderungen in der Praxis. Die FinVerw. hat in Tz. 6 der gleich lautenden Ländererlasse vom 10.5.2022 folgende Regelung getroffen:

3.548

„Sukzessive Übertragungen unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligungen am Kapital der grundbesitzenden KapGes. auf Neugesellschafter innerhalb von zehn Jahren sind zusammenzurechnen. Soweit ein Neugesellschafter einen Anteil der grundbesitzenden KapGes. an einen weiteren Neugesellschafter oder Altgesellschafter veräußert, ist dieser bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes nicht mitzuzählen.469 Übertragungen von mindestens 90 % der Anteile, die in einem Rechtsakt vollzogen werden, vollziehen sich in einer logischen Sekunde, also immer innerhalb eines Zeit-

3.549

469 Hervorhebungen durch den Verfasser.

Krohn | 361

Kap. 3 Rz. 3.549 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

raums von zehn Jahren. Der Zehnjahreszeitraum ist für jedes Grundstück im Vermögen der KapGes. selbständig zu beurteilen.“

3.550 Zusätzlich wurde durch die FinVerw. in Tz. 5.3 Abs. 4 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse vom 10.5.2022 folgende Regelung aufgenommen: „Veränderungen der Kapitalbeteiligung zwischen Neugesellschaftern werden bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes nicht erneut berücksichtigt.“

3.551 Die FinVerw. hat mit diesen Regelungen die gesetzliche Vorgabe, dass nur der Gesellschafterwechsel auf neue Gesellschafter im Rahmen der Vorschrift zu erfassen ist, auch folgerichtig für den Zehnjahreszeitraum umgesetzt. Der Erwerb des nämlichen Anteils durch Neugesellschafter ist innerhalb des Zehnjahreszeitraums immer nur einmal zu zählen.470 Als Regel ist festzuhalten, dass immer der erste Übergang eines Anteils zu zählen ist, wenn dieser auf einen Neugesellschafter erfolgt. Allerdings ist darauf zu achten, dass im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG jeder Anteilsübergang zugleich einen neuen Zehnjahreszeitraum auslöst. Hier sollte aus Sicht der Stpfl. auch eine besondere Erfassung dieser Vorgänge für den gesamten Überwachungszeitraum erfolgen, da ansonsten, der für ihn einschlägigen Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG nur sehr schwer nachgekommen werden kann. Mit Blick auf die evtl. auf ihn zukommenden Folgen aus dem Versuch einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO sollte hierauf ein besonderes Augenmerk geworfen werden. 3.552 Beispiel 88: An einer grundbesitzenden A GmbH A (Gründungsgesellschafter) zu 100 % beteiligt. Im Jahr 01 erwirbt D1 80 % der Anteile an der A GmbH. Im Jahr 03 erwirbt D2 40 % der Anteile an der A GmbH von D1. Im Jahr 08 erwirbt D3 40 % der Anteile an der A GmbH von D1. Im Jahr 09 erwirbt D4 20 % der Anteile an der A GmbH von A.

Inhaber A D1 D2 D3 D4

Erwerb in

Erwerb von

Jahr 01 Jahr 03 Jahr 08 Jahr 09

A D1 D1 A

Anteil in % Zählvorgang 100 80 Ja 40 Nein 40 Nein 20 Ja

Die Übertragung der Beteiligung des A auf den Neugesellschafter D1 führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i.H.v. 80 % und ist unstreitig ein Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Durch die Übertragung im Jahr 03 von D1 auf D2 werden 40 % der Anteile von einem Neugesellschafter (D1) auf einen anderen Neugesellschafter (D2) übertragen. Dieser Anteilsübergang ist im Rahmen der Vorschrift nicht mitzuzählen, da es in Bezug auf den Altgesellschafterbestand keine Veränderung gibt.

470 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 403 zum § 1 Abs. 2a GrEStG.

362 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.554 Kap. 3 Auch die Übertragung im Jahr 08 von D1 auf D3 ist nicht mitzuzählen, da D1 immer noch als Neugesellschafter gilt (der Zehnjahreszeitraum ist noch nicht abgelaufen) und D3 ebenfalls ein Neugesellschafter ist. Es liegt also wiederum ein Übergang von einem Neugesellschafter auf einen anderen Neugesellschafter vor. Der Erwerb (20 %) im Jahr 09 durch D4 von A ist aber als Zählvorgang i.S.d. Vorschrift zu erfassen, da D4 als Neugesellschafter von dem Altgesellschafter A (Gründungsgesellschafter) erworben hat. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 09 erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren mind. i.S.d. 90 % der Anteile am Kapital der A GmbH (01: 80 % + 09: 20 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die A GmbH (D1 und D4) übergegangen sind. Das im Jahr 09 D1 nicht mehr an der grundbesitzenden A GmbH beteiligt ist, spielt dabei keine Rolle.

Bei der Frage, ob der nämliche Anteil mehrmals im Zehnjahreszeitraum gehandelt wurde, ist grundsätzlich auf die zivilrechtliche Einordnung von Anteilen an KapGes. abzustellen. Aus diesem Grundsatz können sich aber besondere Abgrenzungsfragen ergeben. Für die GmbH gilt dabei, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG die Satzung die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter übernimmt, angeben muss. Der Nennbetrag eines Geschäftsanteils muss auf volle Euro lauten (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), somit beträgt der Mindestnennbetrag eines solchen einen Euro. Ein Gesellschafter kann mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Die Höhe der einzelnen Geschäftsanteile kann jedoch unterschiedlich ausgestaltet sein (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Die Anteilsinhaber sind in einer Gesellschafterliste beim Handelsregister aufzunehmen. Dieser Liste kommt eine hoher Bedeutung zu, denn an die Eintragung als Gesellschafter in die Gesellschafterliste einer GmbH sind bedeutsame Rechtsfolgen geknüpft: Nur wer in der Gesellschafterliste steht, gilt gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter – und zwar selbst dann, wenn ihm der Geschäftsanteil materiell-rechtlich nicht (mehr) gehört (§ 16 Abs. 1 GmbHG, sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste).

3.553

Für das vorstehende Beispiel führt diese zivilrechtliche Einordnung zu einer bisher ungeklärten Rechtsfrage. Unter der Annahme, dass die Stückelung der gesamten Beteiligung des A aus einem Anteil von 80 % und einem weiteren Anteil 20 % bestand, hat D1 einen zivilrechtlichen Anteil von 80 % erworben (schädlicher Zählvorgang). Da D1 im Jahr 03 von diesem Anteil 40 % weiterveräußert, muss er seinen Gesamtanteil geteilt haben. Das GmbHG enthält zur Teilung eines Geschäftsanteils nach der Streichung von § 17 GmbHG durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008471 keine Regelungen mehr, außer dass wie bisher – die Teilung der Bestimmung der Gesellschafter unterliegt (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Da der Gesetzgeber mit der Streichung des § 17 GmbHG die Teilung freigeben, also erleichtern und nicht erschweren wollte472, ist die Durchführung einer Teilung entsprechend dem gestrichenen § 17

3.554

471 BGBl. I, 2026. 472 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drucks. 16/6140, S. 45.

Krohn | 363

Kap. 3 Rz. 3.554 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

GmbHG durch Veräußerung mit Zustimmung der Gesellschafter, soweit der Gesellschaftsvertrag keine gegenteilige Regelung enthält, weiterhin möglich.473

3.555 Durch die Veräußerung von 40 % entstehen nach diesen Grundsätzen zivilrechtlich zwei neue Anteile von je 40 % und der bisherige Anteil von 80 % geht unter. Zivilrechtlich würde damit nicht mehr der nämliche Anteil von einem Neugesellschafter auf einen anderen Neugesellschafter übergehen. Bei dieser strengen zivilrechtlichen Auslegung läge ein im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG zu erfassender Zählvorgang vor. Nach der hier vertretenden Auffassung ginge diese Auslegung zu weit und stünde nicht im Einklang mit dem Sinn dieser Vorschrift. Auch würden dann rechnerisch in der Summe Anteilsübertragungen von mehr als 100 % vorkommen (Jahr 01: 80 % und Jahr 03: 40 %). 3.556 Für die Auslegung, ob der nämliche Anteil im Zehnjahreszeitraum mehrmals von einem Neugesellschafter auf einen anderen Neugesellschafter übertragen wurde, ist nur nach den prozentualen und nicht nach den zivilrechtlichen Vorgaben, vorzugehen. Gestützt wird diese Auffassung auch darauf, dass zur Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen ist.474 3.557 Bei Anteilen an Aktiengesellschaften, die regelmäßig eine Stückelung von 1-Euro-Aktien aufweisen, sollte sich diese Problematik nicht ergeben. 3.558 Neben den Fällen der mehrfachen Übertragungen des nämlichen Anteils von Neugesellschaftern auf andere Neugesellschafter sind auch die Fälle besonders zu betrachten, in denen der nämliche Anteil im Zehnjahreszeitraum von einem Neugesellschafter wieder zurück auf einen Altgesellschafter übertragen wird. In diesen Fällen ist nach der hier vertretenden Auffassung der Übergang nicht als schädlicher Zählvorgang i.S.d. Vorschrift zu erfassen.475 Der vorherige zu erfassende Zählvorgang auf den nunmehr veräußernden Neugesellschafter ist dabei m.E rückwirkend für die Berechnung des Quantums von mind. 90 % innerhalb von zehn Jahren wieder zu streichen. Dies gilt aber nur dann, wenn im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile der Erwerber noch die Altgesellschafterstellung innehat. Sollte er vorher seine gesamten Anteile veräußert haben, hat er seine Altgesellschafterstellung verloren476. Erwirbt er danach wieder Anteile an dieser grundbesitzenden KapGes., gilt er als Neugesellschafter und die Anteilsübertragungen wären als Zählvorgänge zu erfassen.

473 BGH v. 17.12.2013 – I I ZR 21/12, NZG 2014, 184. 474 Tz. 5.3 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 475 Tz. 6 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 476 Tz. 5.2.1.1 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

364 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.562 Kap. 3 Beispiel 89: An einer grundbesitzenden A GmbH A (Gründungsgesellschafter) zu 100 % beteiligt. Im Jahr 01 erwirbt D1 80 % der Anteile an der A GmbH. Im Jahr 08 erwirbt A 40 % der Anteile an der A GmbH von D1. Im Jahr 09 erwirbt D4 20 % der Anteile an der A GmbH von A.

Inhaber A D1 A D4

Erwerb in Jahr 01 Jahr 08 Jahr 09

Anteil in % Zählvorgang 100 80 Ja 40 Nein 20 Ja

3.559

Nachträglich auf 40 % herabzusetzen!

Die Übertragung der Beteiligung des A auf den Neugesellschafter D1 führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i.H.v. 80 % und ist unstreitig ein Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Auch die Übertragung im Jahr 08 von D1 auf A ist nicht mitzuzählen, da D1 immer noch als Neugesellschafter gilt (der Zehnjahreszeitraum ist noch nicht abgelaufen) und A als Gründungsgesellschaft die Altgesellschafterstellung innehat. Es liegt also ein Übergang von einem Neugesellschafter auf einen Altgesellschafter vor. Die Folge dieser Anteilsübertragung ist, dass der Vorgang im Jahr 03 nunmehr rückwirkend neu einzustufen ist. I.H.v. 40 % ist der damalig zu erfassende Zählvorgang nunmehr rückwirkend nicht mehr zu erfassen, da die Veränderung in Bezug auf die fortbestehende Altgesellschafterstellung des A nicht mehr gegeben ist. Der Erwerb (20 %) im Jahr 09 durch D4 von A ist als Zählvorgang i.S.d. Vorschrift zu erfassen, da D4 als Neugesellschafter von dem Altgesellschafter A (Gründungsgesellschafter) erworben hat. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 09 nicht erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile am Kapital der A GmbH (01: 40 % + 09: 20 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die A GmbH (D1 und D4) übergegangen sind. A hält im Jahr 09 immer noch 40 %.

Dieselben Grundsätze gelten in den Fällen, in denen an der grundbesitzenden KapGes. eine weitere KapGes. beteiligt ist, für die mehrfache Übertragung von Anteilen an dieser Gesellschaft im Rahmen der Prüfung, ob diese Gesellschaft als fiktiv neu gilt oder nicht.

3.560

In mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen sind ebenfalls diese Grundsätze für die jeweilige Prüfung, ob die mittelbar oder unmittelbar beteiligte KapGes. als fiktiv neue KapGes. einzustufen ist, anzuwenden.

3.561

c) Eigene Anteile Eigene Gesellschaftsanteile, die eine KapGes. als Zwischengesellschaft oder grundbesitzende Gesellschaft selbst hält, bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht477. Maßgebend ist somit, dass mindestens 90 % der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. 477 Vgl. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326, und Tz. 5.3 Abs. 4 Satz 4 und 5 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 365

3.562

Kap. 3 Rz. 3.563 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

d) Ermittlung des Gesellschafterwechsels bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen

3.563 Veränderungen der Kapitalbeteiligung von Neugesellschaftern durch Kapitalerhöhung bei deren Eintritt führen zum Übergang von Anteilen am Gesellschaftskapital und sind bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen.478 3.564 Beispiel 90: Am Kapital der grundbesitzenden A GmbH ist A zu 100 % beteiligt. Das Kapital der A GmbH beträgt im Zeitpunkt seiner Gründung 25.000 Euro. Im Jahr 01 überträgt A 50 % seiner Beteiligung an B. Im Jahr 02 tritt C in die A GmbH ein und erhöht das Kapital auf 100.000 Euro (Einlage C 75.000 Euro), so dass nunmehr C zu 75 % A zu 12,5 % und B zu 12,5 % an der A GmbH beteiligt sind.

Nachher (Jahr 01):

Vorher: A

A 100 % 25.000 Euro

50 % 12.500 Euro

A GmbH

B 50 % 12.500 Euro

A GmbH

Nachher (Jahr 02): A 12,5 % 12.500 Euro

B 12,5 % 12.500 Euro

C 75 % 75.000 Euro

A GmbH

Abb. 68 Durch die Übertragung von A auf B im Jahr 01 gehen 50 % der Anteile (auf Basis eines Nominalkapitals von 25.000 Euro) an der A GmbH unmittelbar auf einen Neugesellschafter über.

478 Tz. 5.3.9 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

366 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.569 Kap. 3 Durch die Kapitalerhöhung durch C im Jahr 02 gehen 75 % der Anteile an der A GmbH auf einen Neugesellschafter über. Der Übergang von 50 % im Jahr 01 wird nun rückwirkend neu berechnet und entspricht nach der Kapitalerhöhung rechnerisch nunmehr 12,5 % (12.500 Euro zum neuen Kapital von 100.000 Euro). Im Jahr 02 wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden A GmbH (01: 12,5 % + 02: 75 %) auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

Auch in den Fällen der Kapitalherabsetzung innerhalb des Zehnjahreszeitraums kommt es zu Veränderungen in der Berechnung des notwendigen Quantums von 90%. Durch diese Vorgänge können steuerbare Vorgänge ausgelöst werden.

3.565

e) Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten Die Grundsätze für die Ermittlung des Vomhundertsatzes bei der Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten entsprechen den gleichen Grundsätzen wie bei der Anwendung des Tatbestands § 1 Abs. 2a GrEStG. Es wird daher auf die Kommentierung in Rz. 3.202 ff. verwiesen.

3.566

VII. Besonderheiten beim Formwechsel 1. Wirkung Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft auf die Alt- und Neugesellschafterstellung Bei der formwechselnden Umwandlung ist die Kontinuität des Unternehmens im Sinne einer umfassenden Rechtskontinuität wirtschaftlich und rechtlich vollkommen. Der Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) ist identitätswahrend. Es ändert sich lediglich das „rechtliche Kleid“, die Trägerin des Vermögens bleibt jedoch dieselbe Person.

3.567

Die identitätswahrende formwechselnde Umwandlung einer grundbesitzenden KapGes. ist nicht steuerbar.479 Das Gleiche gilt bei einer identitätswahrenden formwechselnden Umwandlung einer an der grundbesitzenden KapGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligten PersGes. oder KapGes.480 Diese allgemeinen Ausführungen beziehen sich auf die BFH-Rechtsprechung481 und haben nur grundsätzliche Bedeutung. Insb.wird keine Regelung zur Frage der Alt- und Neugesellschafterstellung der an den formgewechselten „Gesellschaften“ beteiligten Gesellschafter getroffen.

3.568

Zur Frage der Alt- und Neugesellschafterstellung bei formwechselnden Umwandlungen nimmt die FinVerw. wie folgt Stellung482:

3.569

479 Tz. 5.2.5 Satz 1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 480 Tz. 5.2.5 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022. 481 BFH, Beschl. v. 4.12.1996 – II B 116/96; BStBl. II 1997, 661. 482 Tz. 5.2.5.1 Satz 1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 367

Kap. 3 Rz. 3.569 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

„Wird eine grundbesitzende KapGes. in eine andere KapGes. formwechselnd umgewandelt, führen die an ihr beteiligten Gesellschafter ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. fort.“

3.570 Beispiel 91: Am Kapital der grundbesitzenden A GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 60 % und B (Erwerb der Beteiligung im Jahr 01) zu 40 % beteiligt. Im Jahr 05 wird die A GmbH formwechselnd in die A AG umgewandelt.

Vorher: A

Nachher (Jahr 05): B

60 % A GmbH

A 40 %

B 60 %

Formwechsel

40 %

A AG

Abb. 69 Durch den Formwechsel der A GmbH in die A AG wird kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. A führt bezogen auf die grundbesitzende A AG seine Altgesellschafterstellung als Gründungsgesellschafter fort. B ist seit seinem Erwerb der Anteile an der A GmbH Neugesellschafter und führt diese Neugesellschafterstellung nunmehr bezogen auf die A AG fort. Auch der Ermittlungszeitraum des § 1 Abs. 2b GrEStG wird auf der Ebene der A AG fortgeführt. Der bisherige Gesellschafterwechsel von 40 % durch A wird ebenfalls auf Ebene der A AG für das steuerauslösende Quantum von 90 % innerhalb des Zehnjahreszeitraums mitgezählt.

3.571 Wird eine grundbesitzende PersGes. formwechselnd in eine KapGes. umgewandelt (heterogener Formwechsel) gelten nach der Auffassung der FinVerw. dieselben Grundsätze483: „Wird eine grundbesitzende Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft formwechselnd umgewandelt, führen die an ihr beteiligten Gesellschafter ihre Neu- oder Altgesellschafterstellung in Bezug auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft fort. Relevante Gesellschafterwechsel bei der Personengesellschaft gelten auch für die Kapitalgesellschaft als zu erfassende Gesellschafterwechsel, wenn diese im Zehnjahreszeitraum und nach dem 30. Juni 2021 erfolgt sind. Gesellschafterwechsel vor dem 1. Juli 2021 sind nicht zu berücksichtigen (§ 23 Absatz 23 GrEStG).“

483 Tz. 5.2.5.1 Satz 2 und 3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

368 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.575 Kap. 3

Diese Ausführungen sind überraschend und stellen eine grundsätzliche Neuausrichtung der FinVerw. zu den Folgen eines heterogenen Formwechsels für die Alt- und Neugesellschafterstellung dar. Die gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018484 enthielten in der Tz. 5.2.5.1 Satz 2 noch folgende Ausführungen:

3.572

„Wird eine grundbesitzende KapGes. in eine Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt, sind die an ihr beteiligten Gesellschafter Altgesellschafter485, da sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Tatbestandes des § 1 Absatz 2a GrEStG beteiligt sind.“

Diese Regelung führte dazu, dass die Altgesellschafterstellung bezogen auf eine grundbesitzende PersGes. ohne Auslösung eines steuerbaren Tatbestandes und ohne auf den Ablauf des tatbestandsauslösenden Zeitraums erreicht werden konnte. Diese Regelung entsprach auch nicht den Grundsätzen des Tatbestandes § 1 Abs. 2a GrEStG. Beteiligte sich ein Gesellschafter z.B. kurz vor dem Formwechsel noch an der grundbesitzenden KapGes. gilt er bezogen auf diese Gesellschaft als neuer Gesellschaft. Nur weil es vor dem 1.7.2021 noch keinen vergleichbaren grunderwerbsteuerbaren Vorgang gab, konnte dies keine Auswirkung für die Frage der Alt- bzw. Neugesellschafterstellung, bei der durch den heterogenen Formwechsel entstehenden PersGes. haben. Gerade die zivilrechtliche Wirkung eines Formwechsels als eine umfassende wirtschaftliche und rechtliche Rechtskontinuität (Wechsel des Rechtskleids) muss auch für die beteiligten Gesellschafter gelten. Die Begründung der FinVerw., dass die Altgesellschafterstellung „verschenkt“ wird, da sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG beteiligt sind, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Die Frage, wann und ob ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang eröffnet wird oder nicht, darf keine Auswirkung auf die Frage einer Alt- bzw. Neugesellschafterstellung der beteiligten Gesellschafter haben. Nach der hier vertretenden Auffassung ist die Neuausrichtung der FinVerw., die sie im Übrigen auch für den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG vorgenommen hat486, folgerichtig und rechtlich nachvollziehbar.

3.573

Die mit der bisherigen Auffassung der FinVerw. verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten werden durch die Neuausrichtung ebenfalls verhindert. Zur Vermeidung eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs konnte bisher wie folgt vorgegangen werden:

3.574

1. Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden KapGes. durch neue Gesellschafter 2. Formwechsel der grundbesitzenden KapGes. in eine PersGes. 3. Erwerb von Anteilen an der grundbesitzenden PersGes. durch neue Gesellschafter Da die Erwerber im 1. Schritt schon im Zeitpunkt des Formwechsels als Altgesellschafter der durch den Formwechsel entstehenden PersGes. galten, wurden diese Erwerbe im Rahmen des Tatbestandes nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht mehr mitgezählt.

484 BStBl. I 2018, 1314. 485 Hervorhebung durch den Verfasser. 486 Tz. 5.2.5.1 Satz 2 und 3 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022 – S 4501, BStBl. I 2022, 801.

Krohn | 369

3.575

Kap. 3 Rz. 3.575 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

So konnten sämtliche Gesellschafter wechseln, ohne dass ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand ausgelöst wurde.487 2. Formwechsel zur gezielten Vermeidung eines § 1 Abs. 2b GrEStG

3.576 Nach der Einführung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG eröffnete sich in der Praxis unter Berücksichtigung der bisherigen Auffassung der FinVerw. zur Altgesellschafterstellung nach einem Formwechsel die Möglichkeit die beide Tatbestände des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG legal zu umgehen. 3.577 Zur Verhinderung des sog. Kombinationsmodells wird nunmehr geregelt (vgl. Ausführungen in Rz. 3.576), dass bei einer formwechselnden Umwandlung einer grundbesitzenden PersGes. in eine KapGes. die Gesellschafter ihre Neu- oder Altgesellschafterstellung fortführen und dass die Gesellschafterwechsel bei der PersGes. auch für die KapGes. als zu erfassende Gesellschafterwechsel mitzurechnen sind488. 3.578 Beispiel 92: Am Vermögen der grundbesitzenden G KG sind A (Gründungsgesellschafter) zu 80 % und B zu 20 % beteiligt. B hat die Anteile im Jahr 01 erworben und ist Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG. Im Jahr 04 wir die G KG formwechselnd in die G GmbH umgewandelt. Im Jahr 08 erwirbt D von A 70 % der Anteile an der G GmbH

Vorher (Jahr 01): A

Nachher (Jahr 08):

B

A

20 %

80 %

G KG

B 10 %

Formwechsel (Jahr 04)

D 20 %

70 %

G GmbH

Abb. 70 Lösung (nach bisheriger Auffassung der FinVerw.): A ist als Gründungsgesellschafter der G KG Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und gilt nach dem Formwechsel auch als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die A GmbH.

487 Vgl. auch Broemel/Lange, DStR 2019, 185 (190 ff.). 488 Tz. 5.2.5.1 Satz 2 und 3 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

370 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.579 Kap. 3 B ist seit dem Jahr 01 Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und wäre nach der bisherigen Auffassung der FinVerw.489 nach dem Formwechsel (Jahr 04) Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die G GmbH. Durch den Formwechsel der A GmbH in die A-AG wird kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. Im Jahr 08 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 70 % der Anteile an der G GmbH durch D vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG wäre nicht verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (08: 70 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Lösung (nach neuer Auffassung der FinVerw.): A ist als Gründungsgesellschafter der G KG Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und gilt nach dem Formwechsel auch als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die A GmbH. B ist seit dem Jahr 01 Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und führt die Neugesellschafterstellung i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die G GmbH nach dem Formwechsel fort. Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der A KG i.H.v. 20 % am Vermögen der A KG durch B vor. Durch den nicht steuerbaren Formwechsel im Jahr 04 ist dieser Gesellschafterwechsel bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG zu berücksichtigen. Im Jahr 08 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 70 % der Anteile an der G GmbH durch D vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 20 % + 08: 70 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die neue Auffassung der FinVerw. zu einer mit dem Gesetz nicht vereinbaren Zusammenfassung der Tatbestände der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu einem einheitlichen Tatbestand bei heterogenen Formwechsel führt.490 Nach der hier vertretenden Auffassung ist die Neuausrichtung der FinVerw. zumindest hinsichtlich der „Mitnahme“ der Alt- bzw. Neugesellschafterstellung folgerichtig und rechtlich nachvollziehbar. Fraglich könnte aber die zusätzliche Regelung sein, mit der die Anteilsübertragungen vor einem Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft bei der Ermittlung der schädlichen Zählquote für den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst werden soll. Diese Regelung ist offensichtlich zur Verhinderung des Kombinationsmodell aufgenommen worden. Ob diese Regelung einer Überprüfung durch die Rechtsprechung standhält, ist abzuwarten. Dabei sollte aber in die rechtliche Beurteilung auch einfließen, dass es im Regelfall für das sog. Kombinationsmodell kaum außersteuerliche Gründe geben wird, sodass auch ein Blick auf die Frage der missbräuchlichen Gestaltungen nach § 42 AO gerechtfertigt sein könnte.

489 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 5.2.5.1. 490 Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 Tz. V.

Krohn | 371

3.579

Kap. 3 Rz. 3.580 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3. Formwechselnde Umwandlung einer unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft a) Grundlegende Einordnung der formwechselnden Umwandlung (FinVerw.)

3.580 Erfolgt ein Formwechsel bezogen auf die grundbesitzende KapGes. auf mittelbarer Ebene gelten die gleichen Grundsätze.491 Dabei sind die jeweiligen Folgen für die Alt- und Neugesellschafterstellung und die Einbeziehung von Übertragungen von Anteilen in den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG getrennt nach den Rechtsformen vor und nach dem Formwechsel, zu beurteilen: 3.581 Dabei wird die FinVerw. von der Prämisse geleitet, dass wir die beiden Tatbestände des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG, wie ein gemeinsamer Tatbestand zu denken ist. Der nicht steuerbare Formwechsel verlagert die grunderwerbsteuerliche Rechtsfolge entweder in den § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG, abhängig davon auf welche Zielrechtsform der Formwechsel erfolgt. 3.582 Auch hält die FinVerw. an der Intransparenz einer KapGes. und der Transparenz der PersGes. fest. Somit gilt, dass ein Anteilseigner einer beteiligten KapGes. niemals in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. die Altgesellschafterstellung erlangen kann. Dagegen kann ein Gesellschafter einer beteiligten PersGes.bezogen auf die grundbesitzende KapGes. die Altgesellschafterstellung erlangen. 3.583 Diesen Grundsätzen folgend, sind die formwechselnden Umwandlungen von beteiligten Gesellschaften mit Blick auf die Alt- und Neugesellschafterstellung bezogen auf die grundbesitzende KapGes. und die Einbeziehung von vorherigen Anteilsbewegungen, wie folgt zu beurteilen: b) Formwechsel von einer Personengesellschaft in eine Personengesellschaft

3.584 Wird eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften am Kapital der grundbesitzenden KapGes. beteiligte Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft formwechselnd umgewandelt, führt sie ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. fort492. Gleiches gilt für die an ihr beteiligten Gesellschafter. c) Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft

3.585 Wird eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften am Kapital der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. in eine andere KapGes. formwechselnd umgewandelt, führt sie ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. fort. Die Gesellschafter

491 Tz. 5.2.5.2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 492 Tz. 5.2.5.2 Satz 1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

372 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.588 Kap. 3

der formwechselnd umgewandelten KapGes. führen ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die beteiligte KapGes. fort.493 d) Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft Wird eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes. am Kapital der grundbesitzenden KapGes. beteiligte KapGes. in eine PersGes. formwechselnd umgewandelt, führt sie ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafterin fort. Die an der umgewandelten Gesellschaft beteiligten Gesellschafter werden durch die formwechselnde Umwandlung Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende KapGes.494

3.586

Die im Zeitpunkt der formwechselnden Umwandlung vorhandenen Beteiligungen der Gesellschafter an der formgewechselten Gesellschaft werden nicht in die Berechnung des Quantums des § 1 Abs. 2b GrEStG einbezogen, da es aufgrund der umwandlungsrechtlich geregelten Besonderheiten für diese Beteiligungen an dem Tatbestandsmerkmal „Übergang von Anteilen“ fehlt.495 Durch den Formwechsel werden vorangegangene Anteilsübertragungen auf Neugesellschafter an der formgewechselten Gesellschaft in Bezug auf die grundbesitzende KapGes. erstmals einbezogen und sind im Rahmen des § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG im Zeitpunkt des Anteilsübergangs zu berücksichtigen.496

3.587

Beispiel 93: Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 60 % und die B GmbH (ebenfalls Gründungsgesellschafter) zu 40 % beteiligt. An der B GmbH sind X (Gründungsgesellschafter) zu 15 % und Y zu 85 % beteiligt. Y hat die Anteile im Jahr 01 erworben und ist unmittelbarer Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die beteiligte B GmbH.

3.588

Im Jahr 04 wird die B GmbH formwechselnd in die B KG umgewandelt. Im Jahr 09 erwirbt B von A 60 % der Anteile an der G GmbH.

493 Tz. 5.2.5.2 Satz 3 und 4 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 494 Tz. 5.2.5.2 Satz 5 und 6 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 495 Tz. 5.2.5.2 Satz 7 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 496 Tz. 5.2.5.2 Satz 8 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 373

Kap. 3 Rz. 3.588 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Jahr 01:

Jahr 04: X

Y 85 %

15 %

A

X

B GmbH

Y 85 %

15 %

B KG

Formwechsel (Jahr 04) A

60 %

40 %

40 %

60 %

G GmbH

G GmbH

Jahr 09: X

Y 85 %

15 %

B KG B 40 %

60 % G GmbH

Abb. 71 A und die B GmbH sind als Gründungsgesellschafter der G GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Nach dem Formwechsel der beteiligten B GmbH in die B KG gilt die B KG als Altgesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG in Bezug auf die grundbesitzende G GmbH. A ist als Gründungsgesellschafter auch im Jahr 04 als Altgesellschafter einzustufen.

374 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.591 Kap. 3 Im Jahr 01 liegt eine unmittelbare Änderung i.H.v. 85 % durch Y bezogen auf die beteiligte B GmbH vor. Nach dem Formwechsel gilt Y bezogen auf die grundbesitzende G GmbH als mittelbarer Neugesellschafter i.H.v. 34 % (85 % von 40 %) und dieser Erwerb ist bei der Anwendung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG mitzurechnen. Im Jahr 09 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 60 % der Anteile an der G GmbH durch B vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mind. 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 34 % + 09: 60 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

e) Formwechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft Wird eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes. am Kapital der grundbesitzenden KapGes. beteiligte PersGes. in eine KapGes. formwechselnd umgewandelt, führt sie ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafterin fort.497 Die an der umgewandelten Gesellschaft beteiligten Gesellschafter verlieren durch die formwechselnde Umwandlung ihre Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende KapGes.498 Die Gesellschafter der formwechselnd umgewandelten PersGes. führen ihre bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die beteiligte KapGes. fort.499

3.589

Relevante Gesellschafterwechsel bei der PersGes. gelten auch für die KapGes. als zu erfassende Gesellschafterwechsel, wenn diese im Zehnjahreszeitraum und nach dem 30.6.2021 erfolgt sind.500 Gesellschafterwechsel vor dem 1.7.2021 sind nicht zu berücksichtigen.501

3.590

Beispiel 94: Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 60 % und die B KG (ebenfalls Gründungsgesellschafter) zu 40 % beteiligt. An der B KG sind X (Gründungsgesellschafter) zu 15 % und Y zu 85 % beteiligt. Y hat die Anteile im Jahr 01 (dabei ist das Jahr 01 ein Jahr nach dem 30.6.2021) erworben und ist mittelbarer Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzende G GmbH geworden.

3.591

Im Jahr 04 wir die B KG formwechselnd in die B GmbH umgewandelt. Im Jahr 09 erwirbt B von A 60 % der Anteile an der G GmbH.

497 Tz. 5.2.5.2 Satz 9 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 498 Tz. 5.2.5.2 Satz 10 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 499 Tz. 5.2.5.2 Satz 11 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 500 Tz. 5.2.5.2 Satz 12 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 501 § 23 Abs. 23 GrEStG und Tz. 5.2.5.2 Satz 13 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 375

Kap. 3 Rz. 3.591 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Jahr 01:

Jahr 04: X

Y 85 %

15 %

A

X

B KG

Y 85 %

15 %

B GmbH

Formwechsel (Jahr 04) A

60 %

40 %

40 %

60 %

G GmbH

G GmbH

Jahr 09: X

Y 85 %

15 %

B GmbH B 40 %

60 % G GmbH

Abb. 72 A und die B KG sind als Gründungsgesellschafter der G GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Nach dem Formwechsel der beteiligten B KG in die B GmbH gilt die B GmbH als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG in Bezug auf die grundbesitzende G GmbH. A ist als Gründungsgesellschafter auch im Jahr 04 als Altgesellschafter einzustufen.

376 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.592 Kap. 3 Im Jahr 01 liegt eine mittelbare Änderung i.H.v. 34 % (85 % von 40 %) durch Y vor. Auch nach dem nicht steuerbaren Formwechsel im Jahr 04 ist dieser Gesellschafterwechsel bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG zu berücksichtigen. Bezogen auf die nunmehr beteiligte B GmbH gilt Y zu 85 % als Neugesellschafter. Dabei ist die abgelaufene Zeit vom Jahr 01 bis zum Jahr 04 auf den Zehnjahreszeitraum für die Frage, ob die beteiligte B GmbH insgesamt als fiktiv neue Gesellschaft gilt, anzurechnen. Im Jahr 09 liegt eine unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand der G GmbH i.H.v. 60 % der Anteile an der G GmbH durch B vor. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 34 % + 09: 60 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.

f) Zusammenfassende Darstellung Die bisher dargestellten Fallvarianten und deren Folgen auf den Übergang der Altund Neugesellschafterstellung und der Berücksichtigung vorheriger Übertragungen von Anteilen an der Gesellschaft vor dem Formwechsel sind in der folgenden Übersicht zusammenfassend dargestellt: Formwechsel einer unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft (Tz. 5.2.5.2) Maßnahme

Personengesellschaft in Personengesellschaft

Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft

Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft

Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft

Gesellschaftsebene

Fortführung Alt-/Neugesellschafterstellung bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Fortführung Alt-/Neugesellschafterstellung bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Fortführung Alt-/Neugesellschafterstellung bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Fortführung Alt-/ Neugesellschafterstellung bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft Berücksichtigung von Anteilsübertragungen aus Zeiten der PersG (also vor dem Formwechsel) auch nach dem Formwechsel als zählquotenrelevanter Vorgang in Bezug auf die grundbesitzende KapG

Krohn | 377

3.592

Kap. 3 Rz. 3.592 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Maßnahme

Personengesellschaft in Personengesellschaft

Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft

Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft

Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft

Gesellschafterebene der umgewandelten Gesellschaft

Fortführung Alt-/Neugesellschafterstellung bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Fortführung Alt-/Neugesellschafterstellung bzgl. beteiligter Kapitalgesellschaft

Neugesellschafter bzgl. grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Verlust ihrer Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter bzgl. der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft

Keine Einbeziehung der im Zeitpunkt des Formwechsels vorhandenen Beteiligungen bei § 1 Abs. 2b GrEStG.

Fortführung der Alt-/Neugesellschaftereigenschaft bzgl. beteiligter Kapitalgesellschaft

g) Rückwirkender Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG durch Formwechsel

3.593 Die Auffassung der FinVerw. kann in der folgenden Fallkonstellation dazu führen, dass der Formwechsel einer beteiligten PersGes. in eine KapGes. zur rückwirkenden Erfüllung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG führt. 3.594 Beispiel 95: Rückwirkender § 1 Abs. 2b GrEStG durch Formwechsel? Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind A (Gründungsgesellschafter) zu 10 % und die B KG (ebenfalls Gründungsgesellschafterin) zu 90 % beteiligt. An der B KG sind B zu 90 % und C (Gründungsgesellschafter)zu 10 % beteiligt. B hat die Anteile im Jahr 01 (dabei ist das Jahr 01 ein Jahr nach dem 30.6.2021) erworben und ist mittelbarer Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzende G GmbH geworden. Im Jahr 04 wir die B KG formwechselnd in die B GmbH umgewandelt.

378 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.597 Kap. 3

Jahr 01:

Jahr 04: B

C 10 %

90 %

A

B

B KG

C 10 %

90 %

B GmbH

Formwechsel (Jahr 04) A

10 %

90 %

G GmbH

90 %

10 % G GmbH

Abb. 73 A und die B KG sind als Gründungsgesellschafter der G GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Nach dem Formwechsel der beteiligten B KG in die B GmbH gilt die B GmbH als Altgesellschafterin i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG in Bezug auf die grundbesitzende G GmbH. A ist als Gründungsgesellschafter auch im Jahr 04 als Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende G GmbH einzustufen.

Im Jahr 01 liegt eine mittelbare Änderung i.H.v. 81 % (90 % von 90 %) durch B vor. Auch nach dem nicht grunderwerbsteuerbaren Formwechsel im Jahr 04 ist dieser Gesellschafterwechsel bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG weiter zu berücksichtigen.

3.595

Bezogen auf die nunmehr beteiligte B GmbH gilt B zu 90 % als Neugesellschafter. Für die Frage, ob eine beteiligte KapGes. insgesamt als fiktiv neu gilt, müssen mind. 90 % der Anteile an der beteiligten KapGes. auf neue Gesellschafter übergegangen sein.502 Nach diesen Grundsätzen gilt die nunmehr nach dem Formwechsel beteiligte B GmbH insgesamt als fiktiv neu und bezogen auf die grundbesitzende G GmbH sind somit 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen.

3.596

Insgesamt sind nunmehr rechnerisch 171 % (Jahr 01: 81 % und Jahr 04: 90 %) übergegangen, dabei handelt es sich bei der Übertragung im Jahr 04 aber zu 90 % von 90 % = 81 % um den nämlichen Anteil des A, der schon im Jahr 01 als Zählvorgang

3.597

502 Tz. 5.2.3.1 Satz 4 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 379

Kap. 3 Rz. 3.597 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

erfasst wurde. Die restlichen 9 % (10 % von 90 %) gelten als Übergang auf einen Neugesellschafter (B GmbH).

3.598 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nach diesen Ausführungen verwirklicht, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der G GmbH (01: 81 % + 04: 9 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. 3.599 Das Ergebnis ist aber fraglich, denn der nicht grunderwerbsteuerbare Formwechsel, bei dem auch die Gesellschafter der formgewechselten Gesellschaft keine Anteile „erwerben“, sondern lediglich ihre Anteile in eine andere Form auswechseln, führt im Ergebnis zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG.503 Damit löst der Übergang im Jahr 01 (isoliert betrachtet nicht ausreichend für das notwendige Quantum von 90 %) rückwirkend zu einem steuerbaren Vorgang. Fraglich ist in dieser Fallvariante auch der Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands, an dem das GrEStG die Anzeigepflicht und die Festsetzungsverjährung knüpft. Nach dem chronologischen Ablauf wäre der zivilrechtliche Vollzug des Formwechsels (Tag der Eintragung des Formwechsels im zuständigen öffentlichen Register) als Tag der Verwirklichung anzusehen. 3.600 Nach der hier vertretenden Auffassung darf der Formwechsel nicht zu einem rückwirkenden grunderwerbsteuerlichen Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG führen. In diesen Fällen dürfte mE. die durch den Formwechsel entstehende B GmbH nicht als „fiktiv neu“ i.S.d. Vorschrift gelten. VIII. Besonderheiten bei Treuhandstrukturen 1. Übergänge von Anteilen in Treuhandfällen

3.601 Die FinVerw. lässt sich bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen von folgenden rechtlichen Prämissen leiten. Grds. ist festzustellen, dass die Grunderwerbsteuer die Fälle des zivilrechtlichen Übergangs eines Grundstücks vom Treugeber zum Treuhänder und zurück jeweils als grunderwerbsteuerbar qualifiziert. Um eine Übermaßbesteuerung zu vermeiden, wurde eine Steuerbefreiung im § 3 Nr. 8 GrEStG für die Rückübertragung eingeführt, die allerdings unter der Voraussetzung steht, dass der erste Übergang durch den Steuerschuldner ordnungsgemäß nach § 19 GrEStG angezeigt wurde. 3.602 Diese Grundsätze wurden durch den BFH504 auf die Übertragungen von Gesellschaftsanteilen übertragen. Mit dem Urteil vom 25.11.2015505, entschied der BFH, dass der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden PersGes. sich i.S.v. § 1 Abs. 2a

503 Da die FinVerw. in Tz. 5.2.5. Satz 1 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 ausdrücklich regelt, dass die identitätswahrende formwechselnde Umwandlung einer grundbesitzenden KapGes. ist nicht steuerbar ist, verwundert dieses Ergebnis. 504 BFH, Beschl. v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341 Nr. 7 und BFH, Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 505 BFH, Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783.

380 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.606 Kap. 3

Satz 1 GrEStG mittelbar ändert, wenn ein an der PersGes. unmittelbar beteiligter Gesellschafter mit einem oder mehreren Treugebern vereinbart, den Gesellschaftsanteil treuhänderisch für diese zu halten, und die Treuhandvereinbarungen im maßgeblichen Zeitraum dazu führen, dass den Treugebern das notwendige tatbestandsauslösende Quantum der Anteile am Gesellschaftsvermögen der PersGes. als neuen Gesellschaftern zuzurechnen sind. Die FinVerw. hat diese Auffassung übernommen und regelt in Rz. 5.2.4 der gleich lautenden Ländererlasse: „Neugesellschafter ist:

3.603

– derjenige, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter der grundbesitzenden KapGes. nach deren Gründung bzw. nach einem Grundstückserwerb durch diese oder nach einer früheren Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Absatz 2b GrEStG dessen Treugeber wird, – der neue Treugeber eines Gesellschafters nach Treugeberwechsel, – der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder übertragen oder rückübertragen werden (zur anteiligen Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenen Anteile auf den Treugeber vgl. § 3 Nummer 8 GrEStG analog) oder – der neue Treuhänder beim Wechsel des Treuhändergesellschafters.“

Diese Ausführungen sind davon geprägt, dass nur die Frage der Neugesellschafterstellung im Rahmen von Treuhandverhältnissen problematisiert wird. Daraus lässt sich ableiten, dass aus Sicht der FinVerw. insbesondere ein Treugeber keine geschützte Altgesellschafterstellung erlangen kann. Dies folgt aus den rein zivilrechtlichen Grundsätzen, nach dem Treugeber der jeweilige Anteil des Treuhänders zivilrechtlich nicht zugerechnet werden kann.

3.604

Die Einbeziehung von mittelbaren und unmittelbaren Übergängen von Anteilen an grundbesitzenden KapGes. im Rahmen von Treuhandverhältnissen erfolgen nach den gleichen Grundsätzen, wie bei der Anwendung des Tatbestands § 1 Abs. 2a GrEStG. Es wird daher auf die Kommentierung in Rz. 3.178 verwiesen.

3.605

2. Weiterentwicklung der rechtlichen Würdigung bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen a) Rechtliche Weiterentwicklung Die streng zivilrechtliche Betrachtung von unmittelbaren Anteilsübertragungen bei Treuhandverhältnissen sollte unter Berücksichtigung des BFH-Urteils im Jahre 2014506 weiterentwickelt werden. Nach dieser Entscheidung kann die Zurechnung eines Gesellschaftsanteils auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beim Vorliegen von schuldrechtlichen Bindungen auf eine andere Person erfolgen. Hierbei wird auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Besonderheiten abgestellt. Treuhandverhältnisse an Gesellschaftsanteilen sind als schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder einzuordnen. Insoweit könnte die Rechtsprechung des BFH zur Anteilszurechnung 506 BFH, Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

Krohn | 381

3.606

Kap. 3 Rz. 3.606 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beim Vorliegen von schuldrechtlichen Bindungen vollständig auf Treuhandverhältnisse angewendet werden. Unter Beachtung dieser Rechtsprechung sollten die Rechtsfolgen auf unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel und Alt- und Neugesellschafterstellungen bezogen auf die grundbesitzende Gesellschaft bzw. einer beteiligten Gesellschaft überdacht werden.507 Dabei würde nach der hier vertretenden Auffassung in diesen Fällen eine generelle Abkehr von zivilrechtlichen Vorgängen notwendig sein. Diese neue Einordnung wäre dann für alle Ergänzungstatbestände unter Beachtung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale anzuwenden.

3.607 Bezogen auf den Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG wäre für die Prüfung eines schädlichen Gesellschafterwechsel und der Einordnung als Alt- bzw. Neugesellschafter nach meiner Auffassung entgegen der bisherigen Auffassung der FinVerw. wie folgt vorzugehen: b) Prüfung eines unmittelbaren Gesellschafterwechsels

3.608 (1) Wird ein Anteil an einer grundbesitzenden KapGes. unmittelbar von einem Treugeber (Altgesellschafter) auf einen Treuhänder übertragen, liegt zivilrechtlich ein schädlicher Gesellschafterwechsel vor. Der Anteil ist wirtschaftlich nach den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Besonderheiten auch dem Treugeber zuzurechnen. 3.609 Es liegt kein schädlicher Gesellschafterwechsel i.S.d. Tatbestandes § 1 Abs. 2b GrEStG vor, da dem Treugeber grunderwerbsteuerlich nach wirtschaftlichen Grundsätzen der Anteil immer noch zuzurechnen ist. Obwohl ein zivilrechtlicher Übergang auf den Treugeber vollzogen wurde, wäre dieser nicht einzubeziehen. 3.610 (2) Wird ein Anteil an einer grundbesitzenden KapGes. unmittelbar von einem Treugeber auf einen neuen Treugeber übertragen, liegt ein zivilrechtlicher schädlicher Gesellschafterwechsel vor. Dabei wäre es unbeachtlich, dass der Treuhänder nicht wechselt. c) Prüfung, ob eine unmittelbar beteiligte KapGes. als „fiktiv neu“ einzuordnen ist

3.611 (1) Wird ein Anteil einer an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligten KapGes. von einem Treugeber auf einen Treuhänder übertragen, liegt zivilrechtlich ein schädlicher Gesellschafterwechsel bezogen auf die beteiligte KapGes. vor. Der Anteil ist wirtschaftlich nach den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Besonderheiten auch dem Treugeber zuzurechnen. Obwohl ein zivilrechtlicher Übergang auf den Treugeber vollzogen wurde, wäre dieser nicht einzubeziehen. 507 Auch in der Literatur wird die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Rechtsgrundsätze angeregt – Behrens, UVR 2017, 315 „Anteilsübergang auf bisher wirtschaftlichen Eigentümer“.

382 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.617 Kap. 3

(2) Wird ein Anteil einer an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligten KapGes. von einem Treugeber auf einen anderen Treugeber übertragen, liegt zivilrechtlich ein schädlicher Gesellschafterwechsel bezogen auf die beteiligte KapGes. vor. Unbeachtlich wäre, wenn der Treuhänder nicht wechselt.

3.612

d) Einordnung als Alt- und Neugesellschafter aa) Unmittelbarer Gesellschafterwechsel Der Treuhänder könnte die Altgesellschafterstellung in keinem Fall erlangen, da der Anteil, den er zwar zivilrechtlich hält, immer dem Treugeber nach wirtschaftlichen Grundsätzen unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Grundsätze zuzuordnen wäre. Jeglicher Wechsel des Treuhänders bei gleichbleibenden Treugeber wäre unbeachtlich. Der Treugeber wäre Neugesellschafter, wenn er als Treugeber erstmalig eintritt. Nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums bzw. der Erfüllung der anderen Möglichkeiten zur Altgesellschafterstellung zu gelangen, wird er Altgesellschafter.

3.613

bb) Mittelbarer Gesellschafterwechsel Der Treuhänder könnte die Altgesellschafterstellung bezogen auf die beteiligte KapGes. in keinem Fall erlangen, da der Anteil, den er zwar zivilrechtlich hält, immer dem Treugeber nach wirtschaftlichen Grundsätzen unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Grundsätze zuzuordnen wäre. Jeglicher Wechsel des Treuhänders bei gleichbleibenden Treugeber wäre unbeachtlich.

3.614

Der Treugeber ist Neugesellschafter bezogen auf die beteiligte KapGes., wenn er als Treugeber erstmalig eintritt. Nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums bzw. der Erfüllung der anderen Möglichkeiten, zur Altgesellschafterstellung zu gelangen, wird er Altgesellschafter bezogen auf die beteiligte KapGes.

3.615

cc) Wechsel von mittelbarer in eine unmittelbare Treugeberstellung Erwirbt der Treugeber eines Anteils an der beteiligten KapGes. einen Anteil an der grundbesitzenden KapGes. oder erlangt er für einen solchen Anteil die unmittelbare Treugeberstellung, liegt ein unmittelbarer Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG vor, auch wenn der Treugeber bezogen auf die beteiligte KapGes. die Altgesellschafterstellung schon erlangt hatte. Bezogen auf die grundbesitzende KapGes. wäre er nicht als Altgesellschafter anzusehen.

3.616

e) Zusammenfassung der notwendigen Weiterentwicklung Nach diesen Ausführungen zur – aus meiner Sicht notwendigen – Weiterentwicklung der grunderwerbsteuerlichen Einordnung von Treuhandverhältnissen mit Blick auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Beachtung der grunderwerbsteuerlichen Besonderheiten, ergeben sich folgende Thesen: – Der Wechsel auf neue Treuhänder bei gleichbleibenden Treugeber wäre grunderwerbsteuerlich unbeachtlich. Krohn | 383

3.617

Kap. 3 Rz. 3.617 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

– Die Altgesellschafterstellung könnten nur Treugeber erlangen. – Der Wechsel vom Treuhänder auf den Treugeber und umgekehrt wäre grunderwerbsteuerlich unbeachtlich. – Der Wechsel eines Treugebers bezogen auf eine beteiligte KapGes. in eine unmittelbare Gesellschafterstellung wäre immer als Zählvorgang anzusehen.

3.618 Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in weiteren anhängigen Verfahren, seine Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten auch auf Treuhandstrukturen anwendet und am Ende zu einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Umstände auch beim unmittelbaren Gesellschafterwechsel kommt. Eine vollständige Abkehr von den zivilrechtlichen Vorgängen erscheint zumindest in den mittelbaren Übertragungsvorgängen aus Sicht des BFH notwendig zu sein, so dass die Übernahme dieser Grundsätze auf Treuhandstrukturen geradezu geboten wäre, da es sich insoweit auch um mittelbare Übertragungsvorgänge bezogen auf die grundbesitzende Gesellschaft handelt. IX. Erstmalige Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG 1. Zu erfassende Gesellschafterwechsel

3.619 Der neue Ergänzungstatbestand in § 1 Abs. 2b GrEStG ist gem. § 23 Abs. 18 GrEStG „erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden“. 3.620 Gem. § 23 Abs. 23 GrEStG „bleiben bei der Anwendung von § 1 Abs. 2b Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1.7.2021 erfolgen, unberücksichtigt“. Unberücksichtigt bleiben Übergänge von Anteilen sowohl unmittelbar an der grundbesitzenden KapGes. als auch mittelbare Anteilsübergänge, d. h. Übergänge von Anteilen an Gesellschaften, die ihrerseits einen Anteil an der grundbesitzenden KapGes.halten. Auch wirtschaftliche Anteilsübergänge, die ausschließlich auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruhen, werden im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2b GrEStG nur berücksichtigt, wenn die schuldrechtlichen Vereinbarungen nach dem 30.6.2021 geschlossen werden. 2. Altgesellschafterstellungen a) Grundsatz Altgesellschafter zum 1.7.2021

3.621 Die FinVerw. hat in Bezug auf die Auslegung von § 23 Abs. 23 GrEStG erfreulicherweise klargestellt, dass alle Gesellschafter, die am 30.6.2021 24 Uhr/1.7.2021 0.00 Uhr an der grundbesitzenden KapGes. beteiligt sind, als sog. Alt-Gesellschafter gelten508. 3.622 Beispiel 96: Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind der Gründungsgesellschafter X und Y zu je 50 % beteiligt. 508 Vgl. Tz. 3 Satz 2 und Beispiel 10 der gleich lautenden Ländererlasse zu den Übergangsregelungen v. 29.6.2021 – VI 35 – S 4445-005, BStBl. I 2021, 1006.

384 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.623 Kap. 3 Am 30.6.2021 erwirbt D1 von dem Gründungsgesellschafters X einen Anteil von 1 %. Am 1.8.2021 erwirbt D1 die restlichen Anteile des Gründungsgesellschafters X (49 %) Im Jahr 2022 erwirbt auf D2 die Anteile vom Gründungsgesellschafter Y (50 %).

Stand 30.06.2021 X

Y 50 %

Stand 1.8.2021 D1

49 %

G GmbH

X 1%

Stand Jahr 2022 D1 50 %

50 %

G GmbH

D2

D1 50 %

50 %

G GmbH

Abb. 74 Der Erwerb des Zwerganteils am 30.6.2021 durch D1 wird nach § 23 Abs. 23 GrEStG nicht als Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG einbezogen, da der Erwerb vor dem 1.7.2021 erfolgte. D1 ist nunmehr am 30.6.2021 24 Uhr an der grundbesitzenden KapGes. beteiligt und gilt nach der Regelung der FinVerw. für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG als Altgesellschafter. Auf die Höhe der Beteiligung und den Zeitraum des Haltens der Beteiligung kommt es dabei nicht an. Der Erwerb des D1 am 1.8.2021 von 49 % der Anteile an der grundbesitzenden KapGes. erfolgt durch einen Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG und ist nicht als Zählvorgang einzubeziehen. Im Jahr 2022 liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel auf D2 (50 %) vor, der im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG einzubeziehen ist, da D2 ein Neugesellschafter ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 2022 nicht erfüllt, da nicht mind. 90 % auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zehnjahreszeitraums übergangen sind.

b) Sonderfall der beteiligten Kapitalgesellschaften Ungeklärt war die Frage, ob die Aussage, dass „alle mit Ablauf des 30. Juni 2021 Beteiligten als Altgesellschafter gelten“509 auch für die Gesellschafter einer KapGes., die an der grundbesitzenden KapGes. beteiligt sind, gelten soll. In den gleich lautenden Ländererlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG510 ausgeführt, dass als Altgesellschafter der beteiligten KapGes. ist, wer mit Ablauf des 30.6.2021 an ihr beteiligt war. 509 Vgl. Tz. 3 Satz 2 der gleich lautenden Ländererlasse zu den Übergangsregelungen vom 29.6.2021 – VI 35 – S 4445-005, BStBl. I 2021, 1006. 510 Vgl. Tz. 5.2.3.2 Satz 3 1. Bullet der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 385

3.623

Kap. 3 Rz. 3.624 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.624 Beispiel 97: Am Vermögen der grundbesitzenden G GmbH sind der Gründungsgesellschafter X und die A GmbH zu je 50 % beteiligt. An der A GmbH sind B zu 60 % und C zu 40 % beteiligt. Am 30.6.2021 erwirbt D1 Anteile an der A GmbH von dem Gründungsgesellschafters B i.H.v. 1 %. Am 1.8.2021 erwirbt D1 die restlichen Anteile an der A GmbH von B (59 %) Im Jahr 2022 erwirbt auf D2 die Anteile des Gründungsgesellschafters C der A GmbH (40 %). Gleichzeitig erwirbt D2 Anteile an der grundbesitzenden G GmbH i.H.v. 50 % von X.

Stand 30.06.2021

Stand 1.8.2021

B

C 59 %

D1 40 %

D1

A GmbH

X

50 %

50 %

50 %

50 %

G GmbH

G GmbH

Stand Jahr 2022 D1

D2 40 %

60 %

D2

G GmbH

386 | Krohn

A GmbH 50 %

50 %

Abb. 75

40 %

60 %

1%

A GmbH

X

C

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.626 Kap. 3 Der Erwerb des Zwerganteils am 30.6.2021 durch D1 wird nach § 23 Abs. 23 GrEStG nicht als Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG auf der Ebene der beteiligten KapGes. A GmbH einbezogen, da der Erwerb vor dem 1.7.2021 erfolgte. D1 hält nunmehr am 30.6.2021 24 Uhr auf Ebene der an der grundbesitzenden KapGes. beteiligten KapGes.(A GmbH) Anteile und gilt für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG als Altgesellschafter bezogen auf die beteiligte KapGes.511. Auf die Höhe der Beteiligung und den Zeitraum des Haltens der Beteiligung kommt es dabei nicht an. Der Erwerb des D1 am 1.8.2021 von 59 % der Anteile an der beteiligten KapGes. erfolgt durch einen Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG und ist nicht als Zählvorgang für die Prüfung, ob die beteiligte A GmbH insgesamt als fiktiv neue KapGes. gilt oder nicht, einzubeziehen. Der Erwerb der Anteile an der beteiligten KapGes. A GmbH im Jahr 2022 durch D2 (40 %) ist im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG für die Prüfung, ob die A GmbH insgesamt als fiktiv neue KapGes. gilt oder nicht, einzubeziehen, da D2 ein Neugesellschafter bezogen auf die beteiligte KapGes.ist. Insgesamt werden bis zum Jahr 2022 aber nur 40 % auf Neugesellschafter übertragen, so dass die A GmbH im Jahr 2022 noch nicht als fiktiv neue KapGes. gilt. Der Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden KapGes. G GmbH im Jahr 2022 durch D2 (50 %) ist im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG als Zählvorgang zu erfassen, da D2 bezogen auf die grundbesitzende KapGes. als Neugesellschafter einzuordnen ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 2022 nicht erfüllt, da nicht mind. 90 % auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zehnjahreszeitraums übergangen sind (D2: 50 %). Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG ist für D2 bezogen auf die grundbesitzende KapGes. G GmbH nicht erfüllt, da D2 durchgerechnet nicht mind. 90 % der Anteile an der G GmbH in seiner Hand wirtschaftlich vereinigt (unmittelbar 50 %, mittelbar 20 % (40 % von 50 %)).

X. Verhältnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG 1. Fehlende Subsidiaritätsregelung im § 1 Abs. 2b GrEStG Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG keine Regelung zur Subsidiarität des Tatbestands zum bisherigen Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG aufgenommen. Diese fehlende Vorrangregelung führt in der Praxis zu ungeklärten Anwendungsfragen. Dabei spielt die Frage, wann ein Grundstück grunderwerbsteuerlich neben dem zivilrechtlichen Eigentümer auch noch einer anderen Person zugerechnet werden darf bzw. muss, eine wesentliche Rolle. Auf die grundsätzlichen Ausführungen unter Rz. 3.428 wird insoweit verwiesen.

3.625

Die FinVerw. führt zur Frage der Anwendung der beiden grunderwerbsteuerlichen Tatbestände lediglich wie folgt aus: „§ 1 Absatz 2a und § 1 Absatz 2b GrEStG sind gleichrangig. Es besteht kein Vorrang.“512

3.626

511 Vgl. Tz. 5.2.3.2 Satz 3 1. Bullet der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 512 Vgl. Tz. 7 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 387

Kap. 3 Rz. 3.626 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Auch diese Ausführungen sind im Zusammenhang mit der Frage der Grundstückszurechnung nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen zu werten. Dazu führt die FinVerw. aus, dass „ein Grundstück der KapGes. gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Absatz 1, 2, 3 oder513 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.“514 Diese Formulierung wurde aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH515 und aus der Formulierung516 in den gleich lautenden Ländererlassen zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG übernommen.

3.627 Abweichend davon stellt die FinVerw. für die Grundstückszurechnung bei einer Obergesellschaft bislang lediglich darauf ab, ob die Untergesellschaft im Zeitpunkt der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestands auf Ebene der Obergesellschaft (z.B. Obergesellschaft ist eine KapGes. und die Anteile an dieser KapGes. werden innerhalb von 10 Jahren zu mind. 90% auf neue Gesellschafter übertragen, Folge: Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG auf Ebene der Obergesellschaft) ein Grundstück im Eigentum hatte oder nicht.517 Das jeweilige Grundstück ist nach Auffassung der FinVerw. damit neben dem zivilrechtlichen Eigentümer – der Untergesellschaft – in diesen Fällen auch der Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen. Dabei soll es lediglich darauf ankommen, ob die Obergesellschaft das i.S.d. Tatbestände des § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG notwendige Quantum von 90% an der Untergesellschaft hält. 3.628 Die FinVerw. führt in der Rz. 3 der gleich lautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG zwar aus, dass „ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der KapGes. gehört, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht oder ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Absatz 1, 3 oder 3a GrEStG war (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl 2015 II S. 402).“ 3.629 Diese Ausführungen beziehen sich aber aus Sicht der FinVerw. nur auf die Frage, ob das Grundstück z.B. wegen einer aufschiebenden Bedingung im Rahmen eines grunderwerbsteuerbaren Kaufvertrags nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG noch der Gesellschaft gehört oder bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung schon dem Erwerber zuzurechnen ist.

513 Hervorhebung durch den Verfasser. 514 Vgl. Tz. 3 Satz 5 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 515 Vgl. BFH v. 18.9.1974 – II B 69/73, BStBl. II 1974, 751; v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18. 516 Tz. 3 der gleich lautenden Ländererlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314. 517 Diese Vorgehensweise resultiert wohl noch aus der Formulierung der Tz. 3 in den gleich lautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, 764 „Grundstücke, die der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind, gehören ebenfalls zu ihrem Vermögen.“

388 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.633 Kap. 3

Für die Fallvariante, dass ein Grundstück grunderwerbsteuerlich auch einem anderen (Obergesellschaft) zuzurechnen ist, kann es nach Auffassung der Finanzverwaltung gleichzeitig zur Erfüllung mehrerer grunderwerbsteuerlicher Tatbestände kommen, obwohl nur dieselben Grundstücke betroffen sind. Dazu ausführlich unter Rz. 3.634 ff.

3.630

Nunmehr hat der BFH518 entschieden, „dass ein Grundstück einer Untergesellschaft einer Obergesellschaft nur zuzurechnen ist, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis519 3a GrEStG erworben hat.“ Nach dieser Klarstellung bzw. Weiterentwicklung sind die zwei Fallvarianten zu unterscheiden:

3.631

– War schon ein Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung durch die Obergesellschaft von mind. 90 % der Anteile im Eigentum der Untergesellschaft – Wurde das Grundstück durch die Untergesellschaft erst nach dem Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Allerdings sind bei der Frage, wem das Grundstück grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist, nunmehr auch die Tatbestände der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu beachten. Dies ist eine völlig neue Sicht des BFH, da bei Erfüllung dieser Tatbestände der Erwerber des Grundstücks jeweils die grundbesitzende PersGes. bzw. KapGes. selbst ist und es damit nicht mehr zu einer grunderwerbsteuerlichen Zurechnung dieser Grundstücke zu einer anderen Gesellschaft (Obergesellschaft) kommen kann. Diese neue Rechtsauffassung ist aus meiner Sicht aber sehr zu begrüßen, da damit die meisten Fälle einer drohenden Doppelbesteuerung vermieden werden können. Denn wenn das Grundstück in diesen Fällen nicht mehr der Obergesellschaft zugerechnet werden dürfen, kann es auf Ebene der Obergesellschaft bezogen auf diese Grundstücke auch nicht mehr zur Verwirklichung eines erneuten grunderwerbsteuerlichen Tatbestand kommen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die FinVerw. dieser neuen Rechtsauffassung anschließt und im Nachgang die gerade veröffentlichten gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG überarbeitet und diesen neuen Rechtsgrundsätzen des BFH anpasst.

3.632

Der BFH hat in seinen Urteilen vom 14.12.2022520 die Gelegenheit genutzt, die in der Literatur nach dem BFH-Urteil vom 1.12.2021521 aufgekommenen Irritationen aufzuklären. Damit dürften aus Sicht des BFH und auch aus Sicht des Rechtsanwenders fast alle offenen Fragen geklärt sein. Nach den Klarstellungen des erkennenden Senats gelten insgesamt folgende Grundsätze:

3.633

518 BFH, Urt. v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 519 Hervorhebung durch den Verfasser. 520 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 703, und BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DB 2022, 1688. 521 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375.

Krohn | 389

Kap. 3 Rz. 3.633 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

– Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung522 – Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. – Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat. – Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist ein Grundstück der Obergesellschaft jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. – Dasselbe gilt, wenn die Beteiligung der Obergesellschaft an der grundbesitzenden Untergesellschaft unter 90 % sinkt oder die Untergesellschaft das Grundstück nach § 1 Abs. 1 GrEStG veräußert hat. 2. „Doppelter“ Erwerbsvorgang

3.634 In Beteiligungsketten-Fällen stellt sich, wenn 90 % der Anteile an der Obergesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen werden, die Frage, auf welcher Ebene Steuer nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG angefallen ist. Diese Fallkonstellationen lassen sich wie folgt veranschaulichen:

522 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 Rz. 18, und v. 1.12.2021 – II R 44/18, BFHE 275, 373.

390 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.635 Kap. 3

Fall 1

Fall 2

Veräußerung Verkäufer Käufer

Veräußerung Verkäufer Käufer

100 %

100 %

100 %

Mutter GmbH

100 %

Mutter KG

100 %

100 %

Tochter GmbH

Tochter GmbH

Fall 3

Fall 4

Veräußerung Verkäufer Käufer

Veräußerung Verkäufer Käufer

100 %

100 %

Mutter GmbH

100 %

Tochter KG

100 %

100 %

Mutter KG 100 %

Tochter KG

Abb. 76

In allen vier Fällen werden jeweils die Anteile an der Obergesellschaft insgesamt vom Verkäufer an den Käufer nach dem 30.6.2021 veräußert, dabei verfügen die jeweiligen Obergesellschaften zivilrechtlich über keinen Grundbesitz. Die jeweiligen UnKrohn | 391

3.635

Kap. 3 Rz. 3.635 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

tergesellschaften sind jeweils zivilrechtlicher Eigentümer des Grundbesitzes und ihre Anteile wurden von der jeweiligen Obergesellschaft nach dem 30.6.2021 erworben. Für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung aus Sicht des BFH kommt es nun darauf an, wann die jeweilige Untergesellschaft das Grundstück erworben hat, entweder vor und nach dem Erwerb der Beteiligung an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft. Nach Auffassung der FinVerw. kommt es lediglich darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestands auf Ebene der Obergesellschaft, die Obergesellschaft das notwendige Quantum von mind. 90 % als Beteiligung an der Untergesellschaft hält. Die sich durch diese unterschiedlichen Sichtweisen ergebenden grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen werden im Folgenden an den einzelnen Fallvarianten dargestellt.

3.636 Fall 1 Variante 1: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft vor Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, da die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als fiktiv neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende TochterGmbH gilt. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-GmbH (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Auch die Mutter-GmbH hat den Vorgang nach § 13 Nr. 7 GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Auf das Grundstück der Tochter-Gesellschaft darf nach der hier vertretenden Auffassung nur einmal Steuer festgesetzt werden. Dazu, dass ein- und derselbe Lebenssachverhalt, d.h. die Veräußerung der 100%igen Beteiligung an der Mutter-Gesellschaft vom Verkäufer an den Käufer, auf Ebene beider Gesellschaften zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, darf es nicht kommen. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft, da lediglich die Frage zu klären ist, auf welcher Ebene der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zur Besteuerung führt. Auch die bisherige Praxis der FinVerw. zur Anwendung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG führte nicht zu einer doppelten Besteuerung, sondern nur zur Klärung der Frage, auf welcher Ebene das Grundstück der Grunderwerbsteuer, bezogen auf den verwirklichten Vorgang, zu unterwerfen war. Mit Einführung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG der subsidiär zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG anzuwenden ist, wird vorrangig der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG

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C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.637 Kap. 3 auf Ebene der grundbesitzenden KapGes. und eben nicht beim Erwerber i.S.d. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG verwirklicht. Für den Fall 1 in der Variante 1 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang nur auf Ebene der Obergesellschaft nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht worden, da der Obergesellschaft das Grundstück der Untergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Ober- und Untergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Obergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Der vorherige Erwerb von 100 % der Anteile an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft hat zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Untergesellschaft geführt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Das Grundstück gehört nach Auffassung des BFH nunmehr nur der Untergesellschaft, da der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG durch den Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft ausgelöst wurde. Eine Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft kommt nach dieser Auffassung nicht in Frage, so dass sich die Frage einer möglichen doppelten Grunderwerbsteuer auf zwei Ebenen nicht mehr stellt. Die Veräußerung der von 100 % der Anteile an der Mutter-GmbH führt dazu, dass die Mutter-GmbH i.S.d. Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG nunmehr als „fiktiv“ neu anzusehen ist. Da die Mutter-GmbH an der grundbesitzenden Tochter-GmbH zu 100 % beteiligt ist und sie als „fiktiv“ neu gilt, gelten ihre sämtlichen Anteile an der Tochter-GmbH als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen. Damit sind bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH mindestens 90 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen und der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bei der Tochter-GmbH erfüllt. Die TochterGmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Fall 1 Variante 2: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft nach dem Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, da die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeit-raums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als fiktiv neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende TochterGmbH gilt. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-GmbH (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %).

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3.637

Kap. 3 Rz. 3.637 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Auch die Mutter-GmbH hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Auf das Grundstück der Tochter-Gesellschaft darf nach der hier vertretenden Auffassung nur einmal Steuer festgesetzt werden. Dazu, dass ein- und derselbe Lebenssachverhalt, d.h. die Veräußerung der 100%igen Beteiligung an der Mutter-Gesellschaft vom Verkäufer an den Käufer, auf Ebene beider Gesellschaften zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, darf es nicht kommen. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft, da lediglich die Frage zu klären ist, auf welcher Ebene der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zur Besteuerung führt. Auch die bisherige Praxis der FinVerw. zur Anwendung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG führte nicht zu einer doppelten Besteuerung, sondern nur zur Klärung der Frage, auf welcher Ebene das Grundstück der Grunderwerbsteuer, bezogen auf den verwirklichten Vorgang, zu unterwerfen war. Mit Einführung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG der subsidiär zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG anzuwenden ist, wird vorrangig der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG auf Ebene der grundbesitzenden KapGes. und eben nicht beim Erwerber i.S.d. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG verwirklicht. Für den Fall 1 in der Variante 2 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang nur auf Ebene der Obergesellschaft nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht worden, da der Obergesellschaft das Grundstück der Untergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Ober- und Untergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Obergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer und nicht der Obergesellschaft zuzurechnen, da es im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nicht aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs schon der erworbenen Untergesellschaft gehörte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG als „fiktiv“ neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende TochterGmbH gilt. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Da der Mutter-GmbH das Grundstück der Tochter-GmbH grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die Mutter-GmbH mangels Grundstücks nicht erfüllt. Es kann keine „doppelte“ Grunderwerbsteuer für das Grundstück der Tochter-GmbH entstehen.

3.638 Fall 2 Variante 1: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft vor Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält.

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C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.638 Kap. 3 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Die TochterGmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die grundbesitzende Mutter-KG (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Die Mutter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Diese „doppelte“ Grunderwerbsteuer für dasselbe Grundstück scheint nach Auffassung der FinVerw. zumindest in „Kauf genommen“ zu werden, denn die Formulierung „§ 1 Absatz 2a und § 1 Absatz 2b GrEStG sind gleichrangig. Es besteht kein Vorrang.“ lässt mE keinen anderen Schluss zu. Auf das Grundstück der Tochter-Gesellschaft darf nach der hier vertretenden Auffassung aber nur einmal Steuer festgesetzt werden. Dazu, dass ein- und derselbe Lebenssachverhalt, d. h. die Veräußerung der 100%igen Beteiligung an der Mutter-Gesellschaft vom Verkäufer an den Käufer, auf Ebene beider Gesellschaften zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, darf es nicht kommen. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft. Für den Fall 2 in der Variante 1 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang m.E. nur auf Ebene der Muttergesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden, da der Muttergesellschaft das Grundstück der Tochtergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Muttergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Der vorherige Erwerb von 100 % der Anteile an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft hat zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Untergesellschaft geführt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Das Grundstück gehört nach Auffassung des BFH nunmehr nur der Untergesellschaft, da der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG durch den Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft aus-gelöst wurde. Eine Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft kommt nach dieser Auffassung nicht in Frage, so dass sich die Frage einer möglichen doppelten Grunderwerbsteuer auf zwei Ebenen nicht mehr stellt. Die Veräußerung der von 100 % der Anteile an der Mutter-KG führt dazu, dass mittelbar bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH mindestens 90 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen sind und der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Tochter-GmbH erfüllt ist. Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen.

Krohn | 395

Kap. 3 Rz. 3.639 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.639 Fall 2 Variante 2: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft nach dem Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die grundbesitzende Mutter-KG (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbarbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Die Mutter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Diese „doppelte“ Grunderwerbsteuer für dasselbe Grundstück scheint nach Auffassung der FinVerw. zumindest in „Kauf genommen“ zu werden, denn die Formulierung „§ 1 Absatz 2a und § 1 Absatz 2b GrEStG sind gleichrangig. Es besteht kein Vorrang.“ lässt mE keinen anderen Schluss zu. Auf das Grundstück der Tochter-Gesellschaft darf nach der hier vertretenden Auffassung aber nur einmal Steuer festgesetzt werden. Dazu, dass ein- und derselbe Lebenssachverhalt, d. h. die Veräußerung der 100%igen Beteiligung an der Mutter-Gesellschaft vom Verkäufer an den Käufer, auf Ebene beider Gesellschaften zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, darf es nicht kommen. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Verbot der Übermaßbesteuerung vor. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft. Auch für den Fall 2 in der Variante 2 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang m.E. nur auf Ebene der Muttergesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden, da der Muttergesellschaft das Grundstück der Tochtergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Muttergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer und nicht der Obergesellschaft zuzurechnen, da es im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nicht aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs schon der erworbenen Untergesellschaft gehörte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH erfüllt, da mittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %). Die Tochter-GmbH ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen.

396 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.640 Kap. 3 Da der Mutter-KG das Grundstück der Tochter-GmbH grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die Mutter-KG mangels Grundstücks nicht erfüllt. Es entsteht keine „doppelte“ Grunderwerbsteuer für das Grundstück der Tochter-GmbH und Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist die zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks. Fall 3 Variante 1: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft vor Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält.523 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG als fiktiv neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende TochterGmbH gilt. Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-GmbH (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Auch die Mutter-GmbH ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 7 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft. Auch für den Fall 3 in der Variante 1 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang m.E. nur auf Ebene der Mutter-GmbH nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht worden, da der MutterGmbH das Grundstück der Tochter-GmbH grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Mutter-GmbH ausgegangen wird. Lösung BFH: Der vorherige Erwerb von 100 % der Anteile an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft hat zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Untergesellschaft geführt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Tochter-KG ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Das Grundstück 523 Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Muttergesellschaft sowohl den gesamten Mitunternehmeranteil als auch den gesamten Anteil der Komplementär-GmbH erworben hat.

Krohn | 397

3.640

Kap. 3 Rz. 3.640 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen gehört nach Auffassung des BFH nunmehr nur der Untergesellschaft, da der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG durch den Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft ausgelöst wurde. Eine Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft kommt nach dieser Auffassung nicht in Frage, so dass sich die Frage einer möglichen doppelten Grunderwerbsteuer auf zwei Ebenen nicht mehr stellt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG als „fiktiv“ neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende TochterKG gilt. Die Tochter-KG ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Da der Mutter-GmbH das Grundstück der Tochter-KG grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die Mutter-GmbH mangels Grundstücks nicht erfüllt.

3.641 Fall 3 Variante 2: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft nach dem Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält.524. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die MutterGmbH i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG als fiktiv neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende Tochter-GmbH gilt. Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-GmbH (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Auch die Mutter-GmbH ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 7 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft. Auch für den Fall 3 in der Variante 2 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang m.E. nur auf Ebene der Mutter-GmbH nach § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht worden, da der Mutter-GmbH das Grundstück der Tochter-GmbH grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene

524 Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Muttergesellschaft sowohl den gesamten Mitunternehmeranteil als auch den gesamten Anteil der Komplementär-GmbH erworben hat.

398 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.642 Kap. 3 der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Mutter-GmbH ausgegangen wird. Lösung BFH: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer und nicht der Obergesellschaft zuzurechnen, da es im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nicht aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbs-vorgangs schon der erworbenen Untergesellschaft gehörte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an der beteiligten Mutter-GmbH mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %) und die Mutter-GmbH i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG als fiktiv neue KapGes. bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG gilt. Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Da der Mutter-GmbH das Grundstück der Tochter-KG grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezogen auf die Mutter-GmbH mangels Grundstücks nicht erfüllt. Es entsteht keine „doppelte“ Grunderwerbsteuer für das Grundstück der Tochter-GmbH und Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist die zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks. Fall 4 Variante 1: Das Grundstück wurde von der Untergesellschaft vor Erwerb ihrer Anteile durch die Obergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält.525. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %). Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-KG (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Auch die Mutter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft.

525 Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Muttergesellschaft sowohl den gesamten Mitunternehmeranteil als auch den gesamten Anteil der Komplementär-GmbH erworben hat.

Krohn | 399

3.642

Kap. 3 Rz. 3.642 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Für den Fall 4 in der Variante 1 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang nur auf Ebene der Muttergesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden, da der Muttergesellschaft das Grundstück der Tochtergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Muttergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Der vorherige Erwerb von 100 % der Anteile an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft hat zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Untergesellschaft geführt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Tochter-KG ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Das Grundstück gehört nach Auffassung des BFH nunmehr nur der Untergesellschaft, da der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG durch den Erwerb der Anteile durch die Obergesellschaft ausgelöst wurde. Eine Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft kommt nach dieser Auffassung nicht in Frage, so dass sich die Frage einer möglichen doppelten Grunderwerbsteuer auf zwei Ebenen nicht mehr stellt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %). Die Tochter-KG ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG Steuerschuldnerin des Vorgangs und hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Da der Mutter-KG das Grundstück der Tochter-KG grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die Mutter-KG mangels Grundstücks nicht erfüllt.

3.643 Fall 4 Variante 2: Das Grundstück wurde von der Tochtergesellschaft nach dem Erwerb ihrer Anteile durch die Muttergesellschaft erworben. Lösung FinVerw.: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Tochtergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer zuzurechnen. Gleichzeitig ist das Grundstück aber auch der Muttergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, die Obergesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an ihr durch den Käufer das notwendige Beteiligungsquantum von mind. 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG an der Untergesellschaft hält.526 Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %). Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Gleichzeitig ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die grundbesitzenden Mutter-KG (grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks) erfüllt, da an ihr unmittelbar mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf neue Gesellschafter übergegangen sind (Käufer 100 %). Auch die Mutter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 6 GrEStG hat

526 Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Muttergesellschaft sowohl den gesamten Mitunternehmeranteil als auch den gesamten Anteil der Komplementär-GmbH erworben hat.

400 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.645 Kap. 3 den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Nach der hier vertretenden Auffassung führt die grunderwerbsteuerliche Zurechnung des Grundstücks „auch“ bei der Muttergesellschaft nicht zu einer doppelten Besteuerung auf der Ebene der Mutter- und Tochtergesellschaft. Für den Fall 4 in der Variante 2 ist der grunderwerbsteuerbare Vorgang nur auf Ebene der Muttergesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden, da der Muttergesellschaft das Grundstück der Tochtergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Aus Vorsichtsgründen sollte aber eine Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs sowohl auf Ebene der Tochter- und Muttergesellschaft erfolgen. Dabei sollte aber auch der Hinweis aufgenommen werden, dass von einer Besteuerung auf Ebene der Muttergesellschaft ausgegangen wird. Lösung BFH: Das Grundstück ist grunderwerbsteuerlich der Untergesellschaft als zivilrechtlicher Eigentümer und nicht der Obergesellschaft zuzurechnen, da es im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nicht aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs schon der erworbenen Untergesellschaft gehörte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist bezogen auf die grundbesitzende Tochter-KG erfüllt, da an ihr mittelbar über die beteiligte Mutter-KG mind. 90 % der Anteile innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch neue Gesellschafter erworben wurden (Käufer 100 %). Die Tochter-KG ist Steuerschuldnerin nach § 13 Nummer 6 GrEStG hat den Vorgang nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG dem zuständigen Finanzamt innerhalb von zwei Wochen nach der Kenntniserlangung anzuzeigen. Da der Mutter-KG das Grundstück der Tochter-KG grunderwerbsteuerlich nicht zuzurechnen ist, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG bezogen auf die Mutter-KG mangels Grundstücks nicht erfüllt. Es entsteht keine „doppelte“ Grunderwerbsteuer für das Grundstück der Tochter-KG und Steuerschuldnerin der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist die zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks.

Fazit: Die neuen bzw. deutlicheren Grundsätze des BFH führen bezogen auf die Anwendung der Tatbestände des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu einer grundsätzlichen Einmalbesteuerung derselben Grundstücke. Dieses Ergebnis ist sehr zu begrüßen und die FinVerw. sollte sich dieser Auffassung anschließen und die jeweiligen Passagen der gleich lautenden Erlasse zur Anwendung der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG anpassen. Sollte sich die FinVerw. zu diesem Schritt entschließen, bleiben aber auch nach diesen Grundsätzen noch zu klärende Fallvarianten.

3.644

Noch zu klärende Fallvarianten:

3.645

Fall 1 Abwandlung 1: Der Erwerb der Untergesellschaft erfolgte vor dem 1.7.2021 und der Untergesellschaft gehörte zu diesem Zeitpunkt grunderwerbsteuerlich das Grundstück Nach den Grundsätzen des BFH gehört das Grundstück nunmehr der Obergesellschaft, da im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an der Untergesellschaft der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG (mangels § 1 Abs. 2b GrEStG der zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierte) bei der Obergesellschaft (Mutter-GmbH) erfüllt wurde. Nach den Ausführungen des BFH in den Urteilsgrundsätzen527 gehört das Grundstück nicht mehr der Untergesellschaft (Tochter-GmbH).

527 Tz. 24 des BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375.

Krohn | 401

Kap. 3 Rz. 3.645 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Werden nun die Anteile an der Mutter-GmbH vom Verkäufer auf den Käufer übertragen wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Mutter-GmbH ausgelöst, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der Mutter-GmbH unmittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Bei der Tochter-GmbH kommt es nicht zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG, da die Tochter-GmbH nach diesen Grundsätzen über kein Grundstück verfügt. In diesen Fällen kommt es also auch nur zur einmaligen Besteuerung des Vorgangs, allerdings bei einem anderen Steuerschuldner und nicht mehr beim zivilrechtlichen Eigentümer. Würde aber die Mutter-GmbH die Anteile an der Tochter-GmbH im Nachgang zu 100 % an einen Erwerber veräußern, stellt sich die Frage, ob dieser Vorgang der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen wäre. Denn nach den Grundsätzen des BFH verfügt die Tochter-GmbH über kein Grundstück, obwohl sie zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks ist. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG könnte bei der Tochter-GmbH aber mangels Grundstücks nicht erfüllt werden, obwohl innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der Tochtergesellschaft auf neue Erwerber übergegangen sind. In diesen Fällen müssten die Grundsätze des BFH fortentwickelt werden und die Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft müsste im Zeitpunkt des Übergangs von mind. 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter der Untergesellschaft beendet werden. Das Grundstück würde dann an den zivilrechtlichen Eigentümer auch grunderwerbsteuerlich zurückgehen und die Veräußerung von mind. 90 % der Anteile an der Untergesellschaft innerhalb von zehn Jahren würde den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG auslösen. Nur mit dieser Weiterentwicklung würde das richtige grunderwerbsteuerliche Ergebnis zu erzielen sein.

3.646 Fall 1 Abwandlung 2: Der Erwerb der Untergesellschaft erfolgte vor dem 1.7.2021, der Untergesellschaft gehörte zu diesem Zeitpunkt grunderwerbsteuerlich das Grundstück und im Nachgang veräußert die Obergesellschaft 11 % der Anteile an einen Erwerber. Nach den Grundsätzen des BFH gehört das Grundstück nunmehr der Obergesellschaft, da im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an der Untergesellschaft der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG (mangels § 1 Abs. 2b GrEStG der zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierte) bei der Obergesellschaft (Mutter-GmbH) erfüllt wurde. Nach den Ausführungen des BFH in den Urteilsgrundsätzen528 gehört das Grundstück nicht mehr der Untergesellschaft (Tochter-GmbH). Werden nun die Anteile an der Mutter-GmbH vom Verkäufer auf den Käufer übertragen wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Mutter-GmbH ausgelöst, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an der Mutter-GmbH unmittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Bei der Tochter-GmbH kommt es nicht zur Erfüllung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG, da die Tochter-GmbH nach diesen Grundsätzen über kein Grundstück verfügt. Nachdem die Obergesellschaft 11 % der Anteile an der Untergesellschaft z.B. im Juli 2021 an einen neuen Erwerber veräußert hat, gehören ihr nur noch 89 % der Anteile an der Untergesellschaft. Aber das Grundstück wäre ihr nach den Grundsätzen des BFH immer noch zuzurechnen, da im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt war. Würde die Obergesellschaft die restlichen 89 % der Anteile an der Untergesellschaft auf einen neuen Erwerber übertragen, würde der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Untergesellschaft mangels Grundstücks nicht ausgelöst. Hier sollte eine Weiterentwicklung der Grundsätze des BFH dergestalt erfolgen, dass bei Absinken des für die Anwendung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG notwen528 Tz. 24 des BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375.

402 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.649 Kap. 3 digen Quantums von 90 % die Zurechnung des Grundstücks bei der Obergesellschaft zugunsten des zivilrechtlichen Eigentümers, der Untergesellschaft, wieder wegfällt.

3. Änderungsvorschläge an den Gesetzgeber Der Gesetzgeber ist aufgerufen, zur Anwendung der Tatbestände nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG eine eigene Subsidiaritätsregelung aufzunehmen. Damit könnten die unter Rz. 3.634 ff. dargestellten Anwendungsprobleme und drohenden „doppelten“ Grunderwerbsteuerfestsetzungen verhindert werden.

3.647

Alternativ sollte die sog. grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken zu anderen Personen bzw. Personenvereinigungen als den zivilrechtlichen Eigentümern aufgegeben werden. Nach der hier vertretenden Auffassung sollte in allen Fällen, das Grundstück der Unter-Gesellschaft für die Zwecke von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht zugleich auch als zum Vermögen einer Obergesellschaft gehörend, gewertet werden529. Bei § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG geht es darum, das Grundstück einer fiktiv neuen Gesellschaft zuzurechnen. Es geht nicht darum, das Grundstück einem Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen530. Diese den Tatbeständen von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b zugrundeliegende Fiktion des Erwerbs der Gesellschaftsgrundstücke durch eine neue Gesellschaft muss auch für die Frage, welche Grundstücke zum Vermögen der Gesellschaft gehören, maßgebend sein. Eine Zurechnung der Tochter-Gesellschafts-Grundstücke zum Vermögen der Mutter-Gesellschaft auf Grundlage von § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sollte von vorherein und für alle Fälle ausgeschlossen sein531. Danach ist in allen Fällen Grunderwerbsteuer nur gegenüber der jeweiligen Tochter-Gesellschaft festzusetzen.

3.648

Dass die Ansicht, der Muttergesellschaft sei das Tochtergesellschaft-Grundstück allein aufgrund mindestens (seit 1.7.2021) 90%iger Beteiligung zuzurechnen, zu unlösbaren Folgefragen führt, veranschaulicht der Fall, in dem die Muttergesellschaft das ursprünglich von ihr erworbene Grundstück an ihre mindestens 90%ige Tochter-KG veräußert. Denn es erscheint ausgeschlossen, das von der Muttergesellschaft an die Tochter-KG veräußerte Grundstück auch anschließend noch als zum Vermögen der GmbH gehörend zu werten. Die Muttergesellschaft hat in Bezug auf dieses Grundstück als Verkäuferin einen Grunderwerbsteuer-Tatbestand dadurch verwirklicht, dass sie das Grundstück an die Tochter-KG verkauft bzw. in die Tochter-KG eingebracht hat532.

3.649

529 So zu § 1 Abs. 2a GrEStG bereits Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 331 ff.; vgl. auch Brühl, GmbHR 2019, 199 (202). 530 Vgl. BFH, Beschl. v. 11.9.2021 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777 (778 f.). 531 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 553 ff.; a.A. Viskorf, DStR 2021, 74, der es für richtig hält, die Frage nach der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft wegen der Identität des Gesetzeswortlauts für alle Ergänzungstatbestände nach denselben Kriterien zu beantworten. 532 Vgl. BFH, Urt. v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402.

Krohn | 403

Kap. 3 Rz. 3.650 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.650 Handelt es sich bei der Muttergesellschaft um eine KapGes., endet die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2b GrEStG mit der Veräußerung ihres Grundstücks an ihre Tochter-KG. XI. Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 1. Zukünftige Bedeutung der § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG

3.651 § 1 Abs. 2b GrEStG geht der Anwendung des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG vor. Dieser Vorrang ist auch dann gegeben, wenn auf Grund einer Befreiungsvorschrift die Steuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erhoben wird. 3.652 Durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG wird der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (Übertragung eines vereinigten Anteils von 90 % an einer Gesellschaft auf einen Erwerber) für die Fälle von grundbesitzenden KapGes. zwar verkleinert. Dennoch werden weiterhin Fälle vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfasst. Dies liegt beispielsweise an der unterschiedlichen Berechnungsmethode in § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG oder an der im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG erforderlichen Qualifizierung als Alt- oder Neugesellschafter.533 3.653 Fälle der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und nach § 1 Abs. 3a GrEStG sind mit Blick auf den im Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG geltenden Zehnjahreszeitraums regelmäßig denkbar. 2. „Doppelte“ Grunderwerbsteuer a) Auseinanderfallen von sog. Signing und Closing

3.654 In Bezug auf Anteilskäufe, bei denen der Zeitpunkt des Abschlusses des Anteilskaufvertrags (sog. Signing) und der Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäfts (sog. Closing) zeitlich auseinander liegen, wird bereits beim sog. Signing durch die rechtsgeschäftliche Begründung des unbedingt wirksamen Anspruchs auf Abtretung einer Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft einer der Tatbestände in § 1 Abs. 1, Nr. 3, ggf. i.V.m. Abs. 3a GrEStG verwirklicht, obwohl beim späteren sog. Closing durch die dingliche Abtretung der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zusätzlich verwirklicht wird. b) Beurteilung im Zeitpunkt des Signing und Closing (beide Zeitpunkte nach dem 30.6.2021) aa) Zeitpunktbezogene Betrachtung

3.655 Die FinVerw. vertritt die Auffassung534, dass bei Erreichen bzw. Überschreiten der 90%igen Beteiligungsschwelle beim Anteilserwerber 533 BT-Drucks. 19/13437 v. 23.9.2019 zu Art. 1 Nr. 1 Buchst. B. 534 Tz. 8.1 Satz 3 bis 5 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

404 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.661 Kap. 3

– im Zeitpunkt des sog. Signing (Verpflichtungsgeschäft) einer der Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 bzw. Abs. 3a GrEStG und – im Zeitpunkt des sog. Closing (Erfüllungsgeschäft) sowohl der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG als auch einer der Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder 4 GrEStG verwirklicht wird. Ausdrücklich weist die FinVerw. darauf hin, dass die beiden Rechtsvorgänge (Signing und Closing) zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge darstellen.535

3.656

Diese Auffassung der FinVerw. ist folgerichtig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Da die Grunderwerbsteuer eine zivilrechtlich geprägte stichtagsbezogene Steuer ist, muss zu dem jeweiligen Zeitpunkt des Signing und Closing geprüft werden, welche grunderwerbsteuerbaren Tatbestände erfüllt werden.

3.657

Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Anteilskaufvertrags (sog. Signing) kommt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nie in Betracht. Mithin ist § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bzw. 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt. Im Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäfts (sog. Closing) kommen sowohl die Anwendung der § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bzw. § 1 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 GrEStG als auch des § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht, so dass in Bezug auf diesen Stichtag die Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG bestimmt.

3.658

Diese enge Auslegung der Subsidiaritätsklausel ergibt sich schon aus der zivilrechtlichen Prägung des GrEStG. Das GrEStG stellt regelmäßig auf die zivilrechtlichen Rechtsvorgänge ab und lässt nur wenig Raum für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Das sich daraus ergebende Ergebnis wäre eine zweifache Besteuerung eines Erwerbsvorgangs bei unterschiedlichen Steuerschuldnern. Diese Betrachtungsweise führt zu einem klar überschießenden Gesamtergebnis und darf so nicht eintreten.

3.659

Die FinVerw. löst diesen Konflikt verfahrensrechtlich536.

3.660

„Im Zeitpunkt des Signing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Closing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 2b GrEStG und die Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG (im Zeitpunkt des Signing) ist bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern. Eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 GrEStG ist grundsätzlich nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der FinVerw. von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Absatz 2b GrEStG nicht zu erwarten ist. Zudem muss der Grundstücksbestand im Zeitpunkt des Closing und Signing identisch sein.“ Mit diesen verfahrensrechtlichen Abläufen wird sichergestellt, dass der gesamte Lebenssachverhalt über zwei Steuerschuldner nur einmal der Grunderwerbsteuer unter535 Tz. 8.1 Satz 6 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 536 Tz. 8.2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 405

3.661

Kap. 3 Rz. 3.661 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

liegt. Vereinfachend soll grundsätzlich nur der Steuerbescheid im Zeitpunkt des Closing nach § 1 Abs. 2b GrEStG an die grundbesitzende KapGes. ergehen, wenn zwischen den Zeitpunkten des Signing und Closing weniger als ein Jahr liegt.

3.662 Diese Regelung ist für die Praxis sehr zu begrüßen, allerdings ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass für den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG im Zeitpunkt des Signing trotzdem eine Anzeige nach § 19 Abs. 3 GrEStG an das örtlich zuständige Finanzamt erfolgt.537 Nur in den Fällen in denen zwischen den Zeitpunkten des Signing und Closing mehr als ein Jahr liegt, wird die FinVerw. einen Grunderwerbsteuerbescheid an den Erwerber im Zeitpunkt des Signing erlassen. 3.663 Von dieser Vorgehensweise gibt es noch eine Ausnahme, die nicht sofort offenkundig ist. Sollte z.B. im Rahmen einer Außenprüfung der gesamte Vorgang erst nachträglich bekannt werden (die Vorgänge waren also nicht ordnungsgemäß angezeigt) und liegen zwischen Signing und Closing mehr als ein Jahr, aber das Closing ist schon erfolgt, muss die FinVerw. nur noch den Bescheid auf Basis des § 1 Abs. 2b GrEStG an die grundbesitzende KapGes. erlassen. Der Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG an den Erwerber ist in diesen Fällen nicht mehr bekanntzugeben. Dies ergibt sich aus der Formulierung „…in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der FinVerw. von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Absatz 2b GrEStG nicht zu erwarten ist.“ 3.664 Fraglich ist jedoch, wie die im Ergebnis nur einmalige Besteuerung, und zwar nach § 1 Abs. 2b GrEStG, erreicht werden kann. In den gleich lautenden Ländererlassen weist die FinVerw. zwar darauf hin, dass der Bescheid nach § 1 Abs. 3 GrEStG zu ändern bzw. aufzuheben ist, sie führt aber keine Änderungsvorschrift der Abgabenordnung an. Die Anwendung der Änderungsvorschriften der §§ 174 und 175 AO scheinen insoweit aus Sicht der FinVerw. nicht anwendbar zu sein. 3.665 Praxistipp: Es sollte darauf geachtet werden, dass der Grunderwerbsteuerbescheid nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG an den jeweiligen Erwerber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO erlassen wird, damit eine spätere Änderung bzw. Aufhebung dieses Bescheids keine Probleme bereitet. Sollten in Erstbescheiden zum Zeitpunkt des sog. Signing keine Vorbehalte der Nachprüfung nach § 164 AO enthalten sein, ist zwingend Einspruch einzulegen und zu beantragen, dass der Erstbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wird, um eine Bestandskraft zu vermeiden.

3.666 Das von der FinVerw. mit diesen verfahrensrechtlichen Regelungen verfolgte Ziel der „Einmalbesteuerung“ eines Lebenssachverhalts ist sehr zu begrüßen. Nach der bisherigen Systematik des Grunderwerbssteuerrechts werden vom Gesetzgeber ungewollte Doppelbesteuerungen durch die sog. Anrechnungsmethode des § 1 Abs. 6 GrEStG vermieden. Die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG ist nach der aktuellen Fassung der Regelung nicht möglich (vgl. zu Einzelheiten Rz. 3.710).

537 Wird das sog. Signing nicht angezeigt, drohen Verspätungszuschläge.

406 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.670 Kap. 3

§ 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG setzt die Identität des Erwerbers voraus. Das ist aber in diesen Sachverhalten nicht der Fall, da nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Erwerber und nach § 1 Abs. 2b GrEStG die KapGes. die Steuerschuldner sind. Der Gesetzgeber könnte für diese Fallkonstellationen die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG für zukünftige Sachverhalte in einem kommenden Gesetzgebungsverfahren regeln. Da rückwirkende Gesetzesänderungen grundsätzlich nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen möglich sind, würde diese Gesetzesänderung für die Vergangenheit keine Wirkung entfalten können. Eine Gesetzesänderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen ist schon deshalb ausgeschlossen, da es sich um unterschiedliche Steuerschuldner handelt, die auch unterschiedliche Interessen verfolgen.

3.667

bb) Zeitraumbezogene Betrachtung Demgegenüber steht nach in der Literatur538 auch vertretener Ansicht der Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG im Zeitpunkt des sog. Signing539 entgegen, dass „eine Besteuerung nach Abs. 2b in Betracht kommt“ (§ 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Solange nicht feststünde, dass eine oder mehrere der Vollzugsbedingungen in Bezug auf ein Grundstück der verkauften Gesellschaft endgültig nicht mehr erfüllt, werden können, sei das Tatbestandsmerkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ nicht erfüllt und die Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgeschlossen.

3.668

Wenn es in Bezug auf ein oder alle Gesellschaftsgrundstücke nicht zum sog. Closing komme, etwa

3.669

– weil eine Vollzugsvoraussetzung nicht erfüllt werden kann und die Transaktion insgesamt scheitert oder – weil die Gesellschaft ihren Grundbesitz vor dem sog. Closing verkauft,540 sei mangels dinglichem Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter bzw. mangels Vorhandenseins des Grundstücks im Vermögen der Gesellschaft eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG ausgeschlossen. Nach dem Gesetzeswortlaut wäre dann der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG erfüllt, weil insgesamt bzw. in Bezug auf das betreffende Grundstück keine Besteuerung mehr in Betracht komme. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmal „soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a und 2b nicht in Betracht kommt“ ist mit dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Stichtagssteuer nicht vereinbar.

538 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 495 ff., und Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 Tz. IV. 539 In den hier diskutierten Fallkonstellationen wird unterstellt, dass § 14 GrEStG nicht einschlägig ist, es also keine das Verpflichtungsgeschäft betreffenden aufschiebenden Bedingungen oder Genehmigungsvorbehalte gibt. 540 Zu diesem Fall Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870.

Krohn | 407

3.670

Kap. 3 Rz. 3.671 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

cc) Beispiele

3.671 Die betroffene Sachverhalts-Konstellationen und die unterschiedlichen Lösungsansätze sollen anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht werden: 3.672 Beispiel 98 (Grundstücksgleichheit): Der bisherige Alleingesellschafter (Verkäufer) einer grundbesitzenden GmbH verkauft seine 100%ige Beteiligung am 1.7.2021 unbedingt wirksam an K. Der am 1.7.2021 notariell beurkundete Anteilskaufvertrag macht jedoch den Vollzug vom Eintritt mehrerer Bedingungen abhängig, deren Herbeiführung einige Zeit in Anspruch nimmt. Nach Eintritt der letzten Vollzugsbedingung am 30.9.2023 geht die dingliche Rechtsinhaberschaft der 100%igen Beteiligung am 30.9.2023 auf K über.

Signing 1.7.2021 Verkauf 100 %

Verkäufer

Käufer

Closing 30.09.2023 100 % G GmbH

Abb. 77 Lösung (Auffassung der FinVerw. – Stichtagsbetrachtung): Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist im Zeitpunkt des Signing (1.7.2021) verwirklicht worden. Die Grunderwerbsteuer schuldet nach § 13 Nr. 5 GrEStG der Erwerber K und er hat diesen Erwerbsvorgang nach § 19 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung bei dem örtlich zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Mit dem dinglichen Übergang der 100%igen Beteiligung an der G GmbH auf K am 30.9.2023 wird zusätzlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht. Die G GmbH schuldet nach § 13 Nr. 7 GrEStG, die nach dem sog. Grundbesitzwert ihres Grundstücks zu berechnende Steuer. Die FinVerw. löst diesen Konflikt und die drohende Doppelbesteuerung in der Art auf, dass für den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nach Tz. 8.2. ein Steuerbescheid erlassen wird (Zeitraum zwischen Signing und Closing beträgt mehr als ein Jahr, der dann aber im Zeitpunkt des Closing und der Erteilung des Steuerbescheids nach § 1 Abs. 2b GrEStG an die grundbesitzende GmbH wieder aufgehoben wird. Lösung – Zeitraumbetrachtung: Nach der hier nicht vertretenden anderen Auffassung einer weiten Auslegung des Subsidiaritätsprinzips des § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wäre die Verwirklichung des Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG im Zeitpunkt des Signing zu verneinen, da, solange die vertraglichen Vollzugsbedingungen erfüllbar sind, die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG möglich ist. Insoweit würde der Gesetzeswortlaut – „in Betracht

408 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.673 Kap. 3 kommt“541 so ausgelegt werden, dass es aus der Sicht des Tages des Signing ausreichend sein soll, dass „irgendwann“ in der Zukunft das Closing und damit der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG eintritt. Daraus folgend wäre dieser Vorgang auch nicht anzuzeigen. Im Zeitpunkt des Closing wäre dann durch die grundbesitzende KapGes. eine Anzeige an das örtlich zuständige Finanzamt zu erteilen und die Grunderwerbsteuer wäre nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der grundbesitzenden GmbH festzusetzen. Im Ergebnis würde aber auch bei dieser Betrachtung nur der Steuerbescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG an die grundbesitzende KapGes. erlassen werden. Beispiel 99 (Grundstücksungleichheit): Der bisherige Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH verkauft seine 100%ige Beteiligung am 1.7.2021 unbedingt wirksam an K. Zu diesem Zeitpunkt sind zehn Grundstücke der GmbH zuzurechnen. Der am 1.7.2021 notariell beurkundete Anteilskaufvertrag macht jedoch den Vollzug vom Eintritt mehrerer Bedingungen abhängig, deren Herbeiführung einige Zeit in Anspruch nimmt. Außerdem werden am 2.10.2022 sechs Grundstücke von der GmbH an einen Dritten veräußert. Nach Eintritt der letzten Vollzugsbedingung am 30.9.2023 geht die dingliche Rechtsinhaberschaft der 100%igen Beteiligung am 30.9.2023 auf K über. Zu diesem Zeitpunkt sind der GmbH noch vier Grundstücke zuzurechnen.

Signing 1.7.2021 Verkäufer

Verkauf GrSt 2.10.2022 Verkauf 100%

Käufer

Verkauf 100%

Verkäufer

100 %

Käufer

100 %

G GmbH

G GmbH 10

5 Veräußerung 5 Grundstücke

Dritter Closing 30.09.2023 Verkäufer

Verkauf 100%

Käufer

100 % G GmbH 5 Abb. 78 541 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624.

Krohn | 409

3.673

Kap. 3 Rz. 3.673 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Lösung (Auffassung der FinVerw. – Stichtagsbetrachtung): Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist im Zeitpunkt des Signing (1.7.2021) verwirklicht worden. Die Grunderwerbsteuer schuldet nach § 13 Nr. 5 GrEStG der Erwerber K und er hat diesen Erwerbsvorgang nach § 19 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung bei dem örtlich zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Das Finanzamt erlässt für diesen Erwerbsvorgang einen Steuerbescheid über zehn Grundstücke an K. Im Zeitpunkt der Veräußerung von sechs Grundstücken durch die GmbH an den Erwerber D, sind auch diese Vorgänge anzuzeigen und die Grunderwerbsteuer ist nach § 1 Abs. 1 GrEStG gegenüber den Erwerber D festzusetzen. Mit dem dinglichen Übergang der 100%igen Beteiligung an der G GmbH auf K am 30.9.2023 wird zusätzlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht. Die G GmbH schuldet nach § 13 Nr. 7 GrEStG, die nach dem sog. Grundbesitzwert der noch vorhandenen vier Grundstücke zu berechnende Steuer. Nunmehr erfolgt eine Änderung des Steuerbescheids ggü. dem Erwerber K zum Zeitpunkt des Signing und es werden nur noch sechs Grundstücke der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterworfen. Lösung – Zeitraumbetrachtung: Nach der hier nicht vertretenden anderen Auffassung einer weiten Auslegung des Subsidiaritätsprinzips des § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wäre die Verwirklichung des Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG im Zeitpunkt des Signing zu verneinen, da, solange die vertraglichen Vollzugsbedingungen erfüllbar sind, die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG möglich ist. Eine Anzeige des Vorgangs würde nicht erfolgen. Am 2.10.2022 (Verkauf der Grundstücke an D) wäre für diese sechs Grundstücke nach dieser Auffassung eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mehr möglich, so dass nunmehr zu diesem Zeitpunkt eine Anzeige durch K an das örtlich zuständige Finanzamt für den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG für diese sechs Grundstücke erfolgen müsste. Diese Anzeige würde dann grds. einen Steuerbescheid nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nach sich ziehen. Jetzt zeigt sich die eigentliche Schwäche dieser Auffassung, denn der Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nicht der Tag des „nicht mehr in Betracht kommen einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, sondern der Tag des Verpflichtungsgeschäfts (Signing), hier der 1.7.2021. Eine Anzeige am 2.10.2022 wäre als immer verspätet und würde die entsprechenden Sanktionen, z.B. Verspätungszuschläge nach sich ziehen. Im Ergebnis würde aber auch bei dieser Betrachtung nur der Steuerbescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG an die grundbesitzende KapGes. erlassen werden. Im Zeitpunkt des Closing wäre dann eine Anzeige durch die grundbesitzende KapGes. an das örtlich zuständige Finanzamt für die verbliebenden vier Grundstücke zu erteilen und die Grunderwerbsteuer wäre nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der grundbesitzenden GmbH festzusetzen.

c) Beurteilung im Zeitpunkt des Signing (vor dem 1.7.2021) und Closing (nach dem 30.6.2021)

3.674 Nach dem Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. und § 1 Abs. 2b GrEStG in der Fassung des GrEStÄndG vom 12.5.2021 könnte es zu einer zweifachen Erhebung von Grunderwerbsteuer kommen, wenn – dass unbedingt wirksame Verpflichtungsgeschäft vor dem 1.7.2021 abgeschlossen worden war, 410 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.681 Kap. 3

– dinglich die Rechtsinhaberschaft an der mindestens 95 %igen Beteiligung jedoch erst nach dem 30.6.2021 auf den Erwerber übergegangen ist bzw. übergeht. Nach dem Gesetzeswortlaut könnten sowohl der Anteilserwerber nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. als auch die grundbesitzende Gesellschaft selbst nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu besteuern sein.542 Denn § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. bezog sich der „soweit“-Halbsatz in § 1 Abs. 3 GrEStG nur auf § 1 Abs. 2a GrEStG, jedoch noch nicht auf § 1 Abs. 2b GrEStG, weil dieser Tatbestand vor dem 1.7.2021 noch nicht in Kraft getreten war. Der Gesetzgeber hat in § 23 GrEStG und auch an keiner sonstigen Stelle des GrEStG eine Regelung getroffen, wonach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht anzuwenden ist, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG a.F. in Betracht kommt.

3.675

Auch in dieser Fallkonstellation findet die Regelung der Tz. 8 in den gleich lautenden Ländererlassen vom 10.5.2022 Anwendung. Die Beispiele in den gleich lautenden Ländererlassen beziehen sich zwar ausdrücklich nur auf Zeiträume nach dem 30.6.2021, allerdings ist es für die Frage der Beurteilung im Zeitpunkt des Signing und Closing unbeachtlich, ob diese Zeitpunkte vor dem 1.7.2021 liegen oder danach. Die offenkundige Absicht der FinVerw. ist es, die drohende Doppelbesteuerung bei einer Betrachtung von zwei unterschiedlichen grunderwerbsteuerlichen Tatbeständen nach § 1 Abs. 2b und 3 GrEStG einheitlich für alle Fallvarianten und unabhängig vom jeweiligen Zeitpunkt zu regeln.

3.676

Nach der hier vertretenden Auffassung sind die Regelung in der Tz. 8 ebenfalls auf die Vorgänge anzuwenden, in denen der Zeitpunkt des Signing vor dem 1.7.2021 liegt.

3.677

3. Auswirkung auf die Steuerschuldnerschaft Im Zeitpunkt des sog. Signing (Verpflichtungsgeschäft) ist einer der Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 bzw. Abs. 3a GrEStG erfüllt. In den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG ist Steuerschuldner der Erwerber der Anteile nach § 13 Nr. 5a GrEStG.

3.678

Liegt ein Fall der Vereinigung der Anteile beim wirtschaftlichen Eigentümer nach § 1 Abs. 3a GrEStG ist nach § 13 Nr. 8 GrEStG der Rechtsträger als Steuerschuldner anzusehen, der die wirtschaftliche Beteiligung innehat.

3.679

Im Zeitpunkt des sog. Closing (Erfüllungsgeschäft) ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht und als Steuerschuldner gilt die grundbesitzende KapGes. (§ 13 Nr. 7 GrEStG).

3.680

4. Anzeigepflichten Die aus Sicht der FinVerw. anzuwendende strenge Stichtagsbetrachtung führt somit in jedem Fall zur Verwirklichung von zwei grunderwerbsteuerbaren Tatbeständen mit unterschiedlichen Steuerschuldner. Die Praxis sollte nun unbedingt die Anzeigepflichten des § 19 Abs. 1 GrEStG beachten, um evtl. steuerlich nachteilige Folgen, 542 Vgl. hierzu z.B. Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (869).

Krohn | 411

3.681

Kap. 3 Rz. 3.681 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

z.B. Festsetzung Verspätungszuschlag, Gefahr der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO zu vermeiden. Im Zeitpunkt des Signing hat der Erwerber i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG eine Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis (Notartermin) beim örtlich zuständigen Finanzamt einreichen. Im Zeitpunkt des Closings hat dann die grundbesitzende KapGes. eine ordnungsgemäße Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG abzugeben. 5. Gesetzliche Verankerung einer Verfahrensvorschrift a) Neuregelung durch das JStG 2022

3.682 Nach Veröffentlichung der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG wurden Stimmen in der Literatur und Wirtschaft laut, die zwar grundsätzlich die Absicht der FinVerw. eine zweimalige Besteuerung desselben Lebenssachverhalts zu vermeiden, begrüßten, aber die fehlende Rechtssicherheit einer Änderungs- bzw. Berichtigungsmöglichkeit eines Verwaltungsakts bezogen auf das Signing beklagten. Eine Änderung bzw. Berichtigung dieses Verwaltungsaktes sei auf Basis der Berichtigungsvorschriften der Abgabenordnung nicht rechtssicher möglich. Der Wunsch für eine eigene grunderwerbsteuerliche Änderungsvorschrift wurde laut und der Gesetzgeber ist diesem Wunsch im Art. 22 JStG 2022543 v. 16.12.2022 nachgekommen. Zu den Einzelheiten der gesetzlichen Regelungen wird auch auf die Ausführungen in der Rz. 3.11 ff. verwiesen.

3.683 Der Gesetzgeber hat folgende Ergänzungen vorgenommen: Dem § 16 GrEStG wird folgender Absatz angefügt: (4a) Wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts i.S.d. § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder des § 1 Absatz 3a nach Abschluss dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b verwirklicht wird, so wird auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder § 1 Absatz 3a aufgehoben oder geändert. In den Fällen des Satzes 1 endet die Festsetzungsfrist für den aufgrund des Übergangs der Anteile erfüllten Tatbestand nach § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist der aufzuhebenden oder zu ändernden Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder nach § 1 Absatz 3a.“ Dem Absatz 5 wird folgender Satz angefügt: „Die Vorschrift des Absatzes 4a gilt nicht, wenn einer der in § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder in § 1 Absatz 3a oder in § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war.“

543 BGBl. I 2022, 2294.

412 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.687 Kap. 3

Dem § 19 wird folgender Absatz 7 angefügt: „(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 4 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das in Absatz 4 Satz 1 genannte Finanzamt von der anzeigepflichtigen Änderung Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die anzeigepflichtige Änderung eingetreten ist.“ b) Ziel der Neuregelung Ziel dieser gesetzlichen Verankerung ist denselben Lebenssachverhalt rechtssicher nur einmal der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Dabei soll vorrangig auf den Zeitpunkt des Closings abgestellt werden und der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt des Signings aufgehoben oder geändert werden. Der neue § 16 Abs. 4a GrEStG ermöglicht daher auf Antrag eine Aufhebung oder Änderung der aufgrund des Rechtsgeschäfts nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG festgesetzten Grunderwerbsteuer. Gleiches gilt für Festsetzungen nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Es erfolgt – soweit eine Grundstücksidentität herrscht – nur eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG.

3.684

Damit im Falle eines Antrags nach § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG sichergestellt werden kann, wird deren Festsetzungsfrist gem. § 16 Abs. 4a Satz 2 GrEStG verlängert (Einführung einer Ablaufhemmung)

3.685

c) Folgen der Anzeigepflicht – Doppelbesteuerung Die Ergänzung des § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG flankiert die verfahrensrechtliche Neuregelung und birgt leider auch großes Streit- bzw. Gefahrenpotential in der Praxis. Die Vorschriften des § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG setzen für ihre Anwendung eine fristgerechte und in allen Teilen vollständige Anzeige (§§ 18 bis 20 GrEStG) voraus. Dies gilt nun auch für die neu eingeführte Änderungsvorschrift des § 16 Abs. 4a GrEStG sowohl in Bezug auf den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder des § 1 Abs. 3a GrEStG, dessen Festsetzung auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a GrEStG aufzuheben oder zu ändern ist, als auch in Bezug auf den in § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgang. Daraus ist zu folgern, dass eine Berichtigung bzw. Änderung des ersten Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt des Signings nicht möglich sein soll, wenn einer der beiden grunderwerbsteuerbaren Vorgänge nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde. Im Ergebnis kommt es in diesen Fällen dann doch zu einer Doppelbesteuerung, die allerdings von Gesetzes wegen entsteht. Damit steigen die Anforderungen in der Praxis für die Anzeige der beiden Vorgängen, denn neben dem engen zeitlichen Rahmen (zwei Wochen ab Kenntniserlangung) sind auch die örtlichen Zuständigkeiten nach § 17 GrEStG und die Vorgaben für eine vollständige Anzeige nach § 20 GrEStG zu beachten.

3.686

Ein Regelfall dieser drohenden Doppelbesteuerung dürfte ein Aufgriff im Rahmen einer Betriebsprüfung werden, der regelmäßig der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle über eine Kontrollmitteilung der Bp mitgeteilt wird. Diese Vorgänge sind dann

3.687

Krohn | 413

Kap. 3 Rz. 3.687 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

regelmäßig nicht ordnungsgemäß angezeigt worden. Nach der bisherigen Regelung der FinVerw.544 wäre dieser Vorgang wie folgt behandelt worden:

3.688 Zwischen Signing und Closing liegt weniger als 1 Jahr: Die FinVerw. erlässt – bei Grundstücksgleichheit – nur einen Verwaltungsakt auf Basis des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG im Zeitpunkt des Closings gegen die grundbesitzende KapGes. 3.689 Zwischen Signing und Closing liegt mehr als 1 Jahr: Die FinVerw. erlässt auch in diesem Fall – bei Grundstücksgleichheit – nur einen Verwaltungsakt auf Basis des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG, da im Zeitpunkt „der Kenntnisnahme“ durch die Grunderwerbstelle beide Vorgänge schon vergangen sind und die „eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG“ nicht mehr zu erwarten ist, sondern schon verwirklicht wurde. 3.690 Nach der gesetzlichen Neuregelung, die leider die Jahresfrist nicht erwähnt, müsste ein Verwaltungsakt nach § 1 Abs. 3 GrEStG an den Erwerber erteilt werden (der Tatbestand ist unstreitig i.Z.d. Signing erfüllt und die Neuregelung sieht nicht vor, dass dieser Verwaltungsakt nicht zu erlassen wäre). Dieser Verwaltungsakt kann aber nach den Voraussetzungen des jetzigen § 16 Abs. 5 GrEStG nicht mehr geändert oder aufgehoben werden, da der Vorgang nicht anzeigt wurde. 3.691 Der Erlass dieses Verwaltungsakts ist aus Sicht des Fiskus aber auch zwingend geboten, denn würde er nicht erlassen werden, könnte der Fiskus bei einer angenommenen „Nicht-gleichheit“ des Grundstücksbestandes, keine Möglichkeit bestehen, die in dem Zeitraum zwischen Signing und Closing veräußerten Grundstücke zum Zeitpunkt des Signings zu erfassen. 3.692 Da auch der zweite Rechtsvorgang des Closings in diesen Fällen regelmäßig nicht angezeigt wurde, erfolgt nunmehr auch noch eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der grundbesitzenden KapGes. Im Ergebnis würde der Lebenssachverhalt an beiden Stichtagen der Besteuerung unterworfen. Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung dieser verfahrensrechtlichen Änderungsvorschrift so ganz „nebenbei“ auch geregelt, dass nach dem Stichtagsprinzip zwei steuerbarere Vorgänge vorliegen. Wenn es unter Beachtung von zwei steuerbaren Vorgängen dann dazu kommt, dass beide der Besteuerung unterworfen werden müssen, z.B. wegen der fehlenden Anzeige, liegt kein Fall der ungerechtfertigten Doppelbesteuerung vor, sondern ein Fall in dem es zum zweifachen Anfall der Grunderwerbsteuer auf Basis von zwei steuerbaren Vorgänge kommt („Zweimal Einmal“). Das Ergebnis wäre m.E. im Kontext des aktuellen Grunderwerbsteuerrechts dann auch vertretbar. Ansonsten ergäbe sich eine Besserstellung z.B. bei den Treuhandfällen (§ 3 Nr. 8 GrEStG) und den ganz normalen Rückgängigmachungen nach § 16 GrEStG die m.E. nur schwer begründbar wäre.

544 Tz. 8.2 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

414 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.698 Kap. 3

d) Antragspflicht Etwas unverständlich ist, dass der Gesetzgeber die Änderung bzw. Berichtigung des ersten Verwaltungsakts im Zeitpunkt des Signings gegenüber den Erwerber der Anteile nur auf Antrag des Steuerpflichtigen vornehmen will. Da das gesetzgeberische Ziel ausweislich der Gesetzesbegründung eine Vermeidung der doppelten Besteuerung desselben Lebenssachverhalts ist, hätte man annehmen können, dass der Gesetzgeber die verfahrensrechtliche Änderung bzw. Berichtigung von Amts wegen und als Ausfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes ausgestaltet. Hier scheint der Gesetzgeber aber die FinVerw. von eigenen Überwachungsarbeiten entlasten zu wollen. Damit obliegt es nunmehr nur dem Steuerpflichtigen die drohende Doppelbesteuerung durch einen Antrag auf Änderung bzw. Berichtigung zu vermeiden.

3.693

Dabei wurde leider im Gesetzestext versäumt Aussagen über die Form und Frist dieses Antrags zu treffen, so dass mit Spannung auf die Auslegung durch die FinVerw. erwartet werden kann. Dem Stpfl. ist anzuraten, entsprechende Anträge möglichst zeitnah nach dem Closing und unbedingt schriftlich beim örtlich zuständigen Finanzamt für den Vorgangs des Signings zu senden.

3.694

6. Auswirkung auf die ertragsteuerliche Behandlung und die Verhandlungen über den Kaufpreis Eine aufgrund des Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerber anfallende Grunderwerbsteuer ist ertragsteuerlich als Betriebsausgabe zu behandeln, wenn der Erwerber einen Betrieb unterhält.

3.695

Bereits 2011 hat der BFH545 für den Fall der Anteilsvereinigung den sofortigen Betriebsausgabenabzug aus folgenden Erwägungen zugelassen: ertragsteuerlich fehlt es an einem inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Anschaffungsvorgang.

3.696

– Die GrESt wird nicht für den Anteilserwerb, sondern aufgrund einer spezifischen grunderwerbsteuerlichen Fiktion erhoben. – Aus ertragsteuerlicher Sicht kann sie nicht dem hinzuerworbenen Geschäftsanteil zugeordnet werden. Das im BStBl amtlich veröffentlichte Urteil wendet die FinVerw. auf alle Fälle der Anteilsübertragungen546 nach § 1 Abs. 3 GrEStG an.547

3.697

Für die nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der grundbesitzenden KapGes. anfallende Grunderwerbsteuer kann es noch keine BFH-Rechtsprechung geben. Auch hat sich die FinVerw. zu dieser Frage bisher nicht geäußert. Nach der hier vertretenden Auf-

3.698

545 BFH, Urt. v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. 546 Übertragung von schon in einer Hand vereinigten Anteilen auf einen Erwerber § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG; vgl. Messner, AktStR 2011, 564. 547 Landesamt für Steuern Niedersachsen v. 16.7.2018 – S 2171-65-St 222/St 221 Tz. I.

Krohn | 415

Kap. 3 Rz. 3.698 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

fassung können aber die für die nach § 1 Abs. 2a GrEStG entwickelten Grundsätze analog angewendet werden.

3.699 Mit Urteil vom 2.9.2014548 hat der BFH klargestellt, dass die infolge eines Wechsels im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelösten Grunderwerbsteuern nicht den Anschaffungs(neben)kosten der erworbenen Kommanditanteile oder des vorhandenen Grundbesitzes der Objektgesellschaft zuzuordnen sind, sondern sofort abziehbare Werbungskosten darstellen. Die FinVerw. hat auch diese Rechtsprechung umgehend anerkannt und behandelt die in den Fällen des Wechsels des Gesellschafterbestands eine PersGes. nach § 1 Abs. 2a GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer als sofortabzugsfähige Betriebsausgabe/Werbungskosten.549 Diese Grundsätze sind auch die nach § 1 Abs. 2b GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer anzuwenden. 3.700 Für den Erwerber einer grundbesitzenden KapGes. hat die Einführung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG einen positiven ertragsteuerlichen Nebeneffekt. Da als Steuerschuldner die grundbesitzende KapGes. gilt, muss nicht mehr wie bis zum 30.6.2021 der Erwerber, sondern die erworbene KapGes.selbst die Grunderwerbsteuer zahlen und kann diese auch noch als sofortabzugsfähige Betriebsausgabe ertragsteuerlich gelten machen. Diese Neuregelung sollte auch schon im Rahmen der Kaufpreisermittlung aus Sicht des Erwerbers bzw. Verkäufers beachtet werden. XII. Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 1. Keine Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG

3.701 Die Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 und 7 GrEStG sind nach Verwaltungsauffassung nicht auf KapGes. anzuwenden.550 Es liegen bei Anteilsübertragungen bei KapGes. keine Übergänge auf oder von einer Gesamthand vor. 3.702 Die steuerbefreienden Vorschriften der §§ 5 bis 7 GrEStG gelten grds. nur für PersGes.551 Auf Erwerbsgeschäfte zwischen juristischen Personen und ihren Anteilseignern sind §§ 5 und 6 GrEStG nicht anzuwenden. Dies begründet sich auf dem zivilrechtlichen Dualismus, der sich knapp auf folgende Formel bringen lässt: Bei juristischen Personen steht das Vermögen anders als bei Gesamthandsgemeinschaften nicht im gemeinschaftlichen Eigentum der Mitglieder, sondern Eigentümerin ist die juristische Person selbst. Die Anteile der Mitglieder sind deshalb keine dinglichen Anteile am Vermögen der juristischen Person oder an den dazu gehörenden Gegenständen. Diesen grundsätzlichen Erwägungen folgend, wendet der BFH § 6 GrEStG bislang auch nicht analog auf Erwerbe durch KapGes. an.552 KapGes. sind danach im

548 BFH, Urt. v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2014, 260. 549 Landesamt für Steuern Niedersachsen v. 16.7.2018 – S 2171-65-St 222/St 221 Tz. II. 550 Vgl. Tz. 9 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 551 Kaiser, Grunderwerbsteuerplanung bei Umstrukturierung und Unternehmenserwerb, 2007, S. 343. 552 BFH, Urt. v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526 Rz. 27 m.w.N.

416 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.706 Kap. 3

Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG grds. nicht transparent.553 Auf den hinter einer KapGes. stehenden – mittelbar – Beteiligten kann nicht „durchgeschaut“ werden. Auf dem Boden dieser gefestigten Rechtsprechung ist die Vorenthaltung der Steuerbegünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG bei juristischen Personen mangels unmittelbarer dinglicher Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen verfassungsrechtlich offenbar unproblematisch. Die nur partielle Gleichbehandlung von PersGes. und KapGes. als grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsträger wäre demnach auf dem Boden der zitierten Rechtsprechung verfassungsrechtlich zulässig.

3.703

2. § 6a GrEStG Im GrEStÄndG 2021 wurde der § 6a GrEStG kaum geändert. Insbesondere wurde die Absenkung des Quantums von 95 % auf 90 % und die Verlängerung der Vorund Nachhaltensfristen von fünf auf zehn Jahre in dieser Vorschrift nicht vorgenommen. Lediglich der Umfang der unter die Konzernklausel fallenden Erwerbstatbestände wurde um den § 1 Abs. 2b GrEStG erweitert. Die Begünstigung nach § 6a GrEStG ist in den Fällen des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG insoweit anteilig zu gewähren, als durch den begünstigungsfähigen Vorgang der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG erfüllt wird oder der begünstigungsfähige Vorgang innerhalb der vorangehenden Fünfjahresfrist zur Erfüllung des Tatbestands beiträgt.

3.704

Zu Einzelheiten der Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel nach § 6a GrEStG wird auf die Kommentierung in Rz. 6.46 ff. verwiesen.

3.705

3. § 3 GrEStG Nicht abschließend gesichert schien bei der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG, ob nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG fallen können.554 Hintergrund hierfür war insbesondere, dass die Gesetzesbegründung darauf hindeutete, dass personenbezogene Steuerbefreiungen nicht auf nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge anwendbar sind. In der Rechtsprechung wird aber auch § 3 Nr. 2 GrEStG zu den personenbezogenen Steuerbefreiungen gezählt.555 In diesem Sinne bestätigt nun auch der Erlass zu § 1 Abs. 2b GrEStG, dass § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung findet, soweit die Anteile der grundbesitzenden KapGes. durch Schenkung unter Lebenden i.S.d. ErbStG übertragen werden.556

553 BFH, Urt. v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917 Rz. 20 und v. 3.6.2014 – II R 1/ 13, BStBl. II 2014, 855 Rz. 17. 554 S. hierzu auch detailliert Lange, DStR 2019, 2348. 555 Vgl. Lange, DStR 2019, 2348 (2349 f.). 556 Vgl. Tz. 9 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821.

Krohn | 417

3.706

Kap. 3 Rz. 3.707 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.707 Diese Unsicherheit ist nunmehr durch die FinVerw. beseitigt worden. § 1 Abs. 2b GrEStG fingiert einen Grundstücksübergang von einer KapGes. auf eine fiktiv neue KapGes. Die personenbezogenen Steuerbefreiungen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG kommen nicht in Betracht. 3.708 Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG findet Anwendung, soweit die Anteile der grundbesitzenden KapGes. durch Schenkung unter Lebenden i.S.d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes übertragen werden. Steuerbefreit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung von grundbesitzenden KapGes. als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen an der grundbesitzenden KapGes. unabhängig von deren Schenkungszeitpunkten. Die Begünstigung vorangegangener schenkweiser Anteilsübertragungen an der KapGes. setzt voraus, dass das jeweilige Grundstück der Gesellschaft bereits zu den damaligen Schenkungszeitpunkten grunderwerbsteuerlich zuzurechnen war. 3.709 Der Erwerb von Anteilen von Todes wegen bleibt gem. § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht. 4. Keine Anrechnung § 1 Abs. 6 GrEStG

3.710 Auf Grundlage des Gesetzeswortlauts kommt eine Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG nicht in Betracht. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG auch dann der Steuer, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. 3.711 Die Steuer wird gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG jedoch nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den späteren Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden. Es ist dabei ohne Bedeutung, ob einem Haupttatbestand nach § 1 Abs. 1 GrEStG ein Ergänzungstatbestand nach § 1 Abs. 2, 3 oder 3a GrEStG folgt oder umgekehrt. § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Steuer für den vorausgegangenen Erwerb festgesetzt und auch später nicht mehr aufgehoben wurde.557 Auch darf der vorausgegangene Erwerb nicht steuerbefreit gewesen sein.558 3.712 Gegen die Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG spricht, dass § 1 Abs. 2b GrEStG in dieser Vorschrift gar nicht genannt ist: Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass, weil es sich in den Fällen von § 1 Abs. 2b GrEStG um fiktive Erwerber handelt, ein zweifacher Erwerb durch diesen fiktiven Erwerber nach verschiedenen Absätzen von § 1 GrEStG nicht denkbar sein kann.

557 BFH, Urt. v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431. 558 BFH, Urt. v. 30.8.1961 – II 15/60, BStBl. III 1961, 519.

418 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.717 Kap. 3

XIII. Bemessungsgrundlage, Steuerschuldner, Anzeigepflicht und Compliance 1. Bemessungsgrundlage Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG ist die Bemessungsgrundlage in den Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG der Grundbesitzwert i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. Die Bemessungsgrundlage ist nicht auf die Anteile der eintretenden Gesellschafter und der Altgesellschafter an der grundbesitzenden KapGes. aufzuteilen. Auch bei einer Übertragung von weniger als 100 % der Anteile am Kapital einer grundbesitzenden KapGes. ist die Bemessungsgrundlage der volle Wert des Grundbesitzes.

3.713

2. Steuerschuldner Steuerschuldner ist in den Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG die grundbesitzende KapGes. (§ 13 Nr. 7 GrEStG). Der Steuerbescheid ist an sie als Inhaltsadressat zu richten (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO).

3.714

3. Anzeigepflicht Zu den in § 18 GrEStG umfassend geregelten Anzeigepflichten gelten für die Gerichte, Behörden und Notare. Diese Anzeigepflicht gilt z.B. auch für Vorgänge, die die Übertragung von Anteilen an einer KapGes. betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegendes Grundstück gehört (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).

3.715

Der Notar handelt bei einer Anzeige i.S.v. § 18 GrEStG – mangels rechtsgeschäftlicher Beauftragung – nicht in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Steuerpflichtigen i.S.d. § 378 Abs. 1 Satz 1 AO. Der Notar haftet dem Fiskus gegenüber nicht für die Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht.559 Die Anzeigepflichten der Beteiligten i.S.v. § 19 GrEStG sind vom Steuerschuldner (§ 13 GrEStG) zu erfüllen.

3.716

Hierbei ist u.a. Folgendes zu beachten:

3.717

– Die Anzeige ist eine Steuererklärung i.S.d. Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 AO). – Sofern eine Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG als auch nach § 19 GrEStG gegeben ist und lediglich der Notar eine ordnungsgemäße Anzeige vornimmt, wird der Beginn der Festsetzungs-/Feststellungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht weiter hinausgeschoben.560

559 Loose in Viskorf20, § 18 GrEStG Rz. 46 und 50. 560 Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 7.

Krohn | 419

Kap. 3 Rz. 3.718 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.718 Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG sind von der grundbesitzenden KapGes. alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG geführt haben. Die Anzeigepflicht besteht bei Tatbestandsverwirklichung. Bei sukzessiver Änderung des Gesellschafterbestandes der grundbesitzenden KapGes. sind bei der Anzeige die vorausgegangenen Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben, anzugeben.561 3.719 Die Anzeige ist nach Kenntniserlangung der grundbesitzenden KapGes. von dem anzeigepflichtigen Vorgang innerhalb der in § 19 Abs. 3 GrEStG genannten Fristen zu erstatten. Diese Frist ist zwar als Steuererklärungspflicht grds. verlängerbar, allerdings muss in diesem Fall der Antrag auf Verlängerung der Anzeigefrist innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgen. 3.720 Der Inhalt der Anzeige richtet sich nach § 20 GrEStG, insbesondere muss sie bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht enthalten (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). 3.721 Die Anzeige ist nach § 17 GrEStG beim örtlich zuständigen Finanzamt zu erstatten. Verfügt die KapGes. über mehrere Grundstücke in verschiedenen Finanzamtsbezirken ist eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu erstellen. Für diese gesonderte Feststellung ist nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der KapGes. befindet. Allerdings ist bei der Ermittlung des örtlich zuständigen Finanzamts zu beachten, dass es in diversen Ländern gesonderte Zuständigkeitsregelungen für die Grunderwerbsteuer gibt. Diese sind vor Erstattung der Anzeige genau zu überprüfen, denn nur eine Anzeige innerhalb der gesetzlichen Frist beim örtlich zuständigen Finanzamt gilt als ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben. Ansonsten tritt für den Beginn der Festsetzungsfrist die Anlaufhemmung von drei Jahren nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ein. Die Festsetzungsverjährung tritt in diesen Fällen dann erst nach insgesamt sieben Jahren ein. 3.722 Zusätzlich fallen in diesen Fällen Verspätungszuschläge nach § 152 Abs. 5 AO i.H.v. 0,25 % pro angefangenen Verzugsmonat auf die zu entrichtende Grunderwerbsteuer an. Nach § 19 Abs. 6 GrEStG562 sind sowohl die Deckelung des Verspätungszuschlags auf 25.000 Euro pro Steuererklärung nach § 152 Abs. 10 AO als auch die Regelung der Berechnung des Verspätungszuschlags mit 25 Euro pro angefangenen Verzugsmonats für Feststellungserklärungen nach § 152 Abs. 6 AO nicht für die Grunderwerbsteuer anzuwenden. Es ist also in allen Fällen der Verspätungszuschlag mit 0,25 % pro angefangenen Verzugsmonat zu ermitteln. Dabei ist die Regelung des § 19 Abs. 6 GrEStG erstmalig auf alle Rechtsvorgänge anzuwenden, die nach dem 28.12.2020 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 17 GrEStG).

561 Vgl. Tz. 13 der gleich lautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821. 562 Eingefügt mit Art. 32 JStG 2020, BGBl. I 2020, 3096.

420 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.726 Kap. 3

4. Gefahr der leichtfertigen Steuerverkürzung Wird ein grunderwerbsteuerliche Vorgang nicht angezeigt besteht die Gefahr, dass diese Nichtanzeige als eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO gewertet wird.

3.723

Der Stpfl. hat durch die Nichtabgabe der Steuererklärung und Versäumung der Abgabefrist selbst verursacht, dass die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt werden konnte.563 Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung kann der Schuldner der Grunderwerbsteuer sein, nicht aber der Notar, der eine Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG verletzt. Der Notar ist weder Stpfl. noch nimmt er im Hinblick auf die Anzeigepflicht Angelegenheiten des Stpfl. wahr.

3.724

5. Compliance Compliance-Maßnahmen zur Vermeidung von Verstößen gegen Steuergesetze in den Unternehmen, sind nach den gleichen Grundsätzen wahrzunehmen, wie bei der Anwendung des Tatbestands § 1 Abs. 2a GrEStG. Es wird daher auf die Kommentierung in Rz. 3.381 verwiesen.

3.725

XIV. Rückabwicklung nach § 16 GrEStG § 16 GrEStG ist als reine Korrekturvorschrift konzipiert. Unter bestimmten Voraussetzungen werden das Scheitern des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs oder die Herabsetzung der BMG im Wege der Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung oder Änderung der GrESt berücksichtigt.

563 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, zu § 169 AO.

Krohn | 421

3.726

Kap. 3 Rz. 3.727 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.727 Die Vorschrift sieht folgende Tatbestände vor: § 16 GrEStG

Abs. 1

Abs. 2

Abs. 3

Rückgängigmachung vor Eigentumsübergang

Rückgängigmachung nach Eigentumsübergang

Herabsetzung Gegenleistung

Nr. 1 Durch Vereinbarung/ Ausübung vorbehaltenen Rücktrittsrecht/ Wiederkaufsrechts

Nr. 2 Wenn Vertragsbedingungen nicht erfüllt aufgrund gesetzl./ vertragl. Rechtsanspruchs

Nr. 1 Rückerwerb

Innerhalb 2-Jahresfrist

Ohne Frist

Innerhalb 2-Jahresfrist

Nr. 2 Nr. 3 Rechtsge- Wenn sellschaft Vertragsnichtig bedinoder an- gungen gefochten nicht erfüllt aufgrund Rechtsanspruchs

Ohne Frist

Ohne Frist

Steuer wird nicht festgesetzt oder festgesetzte Steuer wird aufgehoben

Steuer wird für ursprünglichen Erwerbsvorgang und Rückerwerb nicht festgesetzt bzw. aufgehoben

Ein Vorgang wird steuerlich entlastet

Zwei Vorgänge werden steuerlich entlastet

Nr. 1 Innerhalb 2-Jahresfrist

Nacherfüllung

Nr. 2 Auf Grund von Sachmängeln gem. § 437 BGB

Rücktritt

Schadensersatz

Steuer wird niedriger festgesetzt/geändert

Abb. 79

3.728 Die Rückgängigmachung von grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgängen setzt nach § 16 Abs. 5 GrEStG eine ordnungsgemäße Anzeige des ursprünglichen Erwerbsvor422 | Krohn

C. Gesellschafterwechsel bei KapGes | Rz. 3.729 Kap. 3

gangs voraus. Diese Regelung ist als Missbrauchsvorschrift anzusehen. Das bedeutet, dass bei einer Nichtanzeige des ursprünglichen Erwerbsvorgangs sowohl der Ersterwerb als auch der Rückerwerb in voller Höhe der GrESt unterliegen. § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG sind grds. auch auf grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a (Wechsel im Gesellschafterbestand) und Abs. 3 GrEStG (Vereinigung in einer Hand) anwendbar. Nach einer Entscheidung des BFH ist die GrESt nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei einem teilweisen Rückerwerb eines Kommanditanteils nach § 16 Abs. 2 GrEStG i.v.H. rückabzuwickeln.564 Diese teilweise Rückgängigmachung führt zum einen dazu, dass keine Grunderwerbsteuer im Zeitpunkt der damaligen Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG mehr entsteht. Zum anderen löst aber auch der teilweise Rückerwerb keinen neuen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand aus, da regelmäßig das notwendige Quantum von mind. 90 % durch den Rückerwerb nicht erreicht wird. Ausgangslage

Stand nach unentgeltlicher Übertragung

Kpl GmbH

Kpl GmbH

D 100 %

0%

M 100 %

0%

KG

KG

Stand nach Rückerwerb

Kpl GmbH

M

D

94 % 6 %

0%

KG

Abb. 80 564 BFH, Urt. v. 18.4.2012 – II R 51/11, BFH/NV 2012, 1390.

Krohn | 423

3.729

Kap. 3 Rz. 3.730 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.730 In dem Streitfall hatte D seinen Kommanditanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen auf seinen Sohn M übertragen. M hatte in der Vergangenheit bereits von zwei Kommanditisten Mitunternehmeranteile erworben. Zusammen mit dem von D übertragenen Anteil wurde der Erwerbsvorgang des § 1 Abs. 2a GrEStG (Übertragung von mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile) ausgelöst. Das Finanzamt setzte gegen die KG GrESt fest.565 I.R.d. Einspruchsverfahrens hoben D und M die Übertragung der Anteile durch eine „Teilrückabwicklung“ eines Kommanditanteils von 6 % auf, so dass D nunmehr mit 6 % und M mit 94 % an der Klägerin beteiligt waren. 3.731 Der BFH hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben: – Durch die Teilrückabwicklung war M nur noch mit 94 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt. – Da der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer erfolgte, ist die Steuerfestsetzung aufzuheben. – Dass der Kommanditanteil nur zum Teil auf D rückübertragen wurde, steht dem nicht entgegen. Es reicht vielmehr aus, einen Gesellschafterwechsel insoweit rückgängig zu machen, als dadurch im Ergebnis ein Übergang von weniger als 95 % erfolgt.566

3.732 Es liegt zwar noch keine Rechtsprechung und auch keine explizite Verlautbarung der FinVerw. zu dieser Problematik bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG vor, aber wegen der in großen Teilen gleichen Ausgestaltung der beiden Vorschriften § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sind diese Grundsätze nach der hier vertretenden Auffassung auch auf den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG anzuwenden.

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft I. Die fingierten Rechtsgeschäfte bei Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile 1. Allgemeines

3.733 § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst unter den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen den Lebenssachverhalt der Anteilsübertragung. Damit ist der Anteilserwerb das die Steuer auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete grunderwerbsteuerliche geänderte Zuordnung des Grundvermögens der im zivilrechtlichen Sinne grundbesitzenden Gesell-

565 Dabei dürfte auf den vom Vater i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge übertragenen Mitunternehmeranteil die Steuerbefreiung des § 3 GrEStG anzuwenden sein. 566 BFH, Urt. v. 19.3.2003 – II R 12/01, BStBl. II 2003, 770; v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726.

424 | Krohn und Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.736 Kap. 3

schaft.567 Nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegen folgende Vorgänge der Grunderwerbsteuer, sofern zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt: (1) ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft vereinigt werden würden („rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung“); (2) die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist („dingliche Anteilsvereinigung“); (3) ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft begründet („rechtsgeschäftliche Übertragung vereinigter Anteile“); (4) der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist („dingliche Übertragung vereinigter Anteile“). Eine rechtsgeschäftliche oder dingliche Anteilsvereinigung ist dabei dergestalt denkbar, dass die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft (Variante a) in der Hand des Erwerbers, (Variante b) in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen allein oder (Variante c) in der Hand von abhängigen Unternehmen allein vereinigt werden.

3.734

Die Vereinigung in der Hand eines Erwerbers (Variante a) kann einerseits aufgrund unmittelbaren Anteilserwerbs erfolgen, aber auch teils mittelbar, teils unmittelbar sowie ausschließlich mittelbar. Die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, die eine andere Gesellschaft hält, an der eine Person zu mindestens 90 % beteiligt ist, sind dieser wie eigene Anteile zuzurechnen (mittelbare Anteilsvereinigung).568

3.735

Bei den Varianten b und c handelt es sich um Fälle der sog. grunderwerbsteuerlichen Organschaft, die gem. ihrer Normierung in § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG immer dann vorliegt, wenn eine juristische Person (Unternehmen) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Die Voraussetzungen entsprechen somit denen der umsatzsteuerlichen Organschaft. Eine grunderwerbsteuerliche Organschaft kann sowohl in Fällen der rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung als auch in Fällen der dinglichen Anteilsvereinigung vorliegen. Liegt eine grunderwerbsteuerliche Organschaft vor, bleiben die Rechtsträger des Organkreises eigenständig, zugleich bildet der Organkreis für Zwecke der Anteilsvereinigung eine Hand.

3.736

567 BFH v. 31.3.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424. 568 BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156.

Joisten | 425

Kap. 3 Rz. 3.737 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

2. Die grunderwerbsteuerlichen Fiktionen der § 1 Abs. 3, 3a GrEStG

3.737 § 1 Abs. 3 GrEStG besteuert, auch wenn sich dies, anders als bei den Ergänzungstatbeständen des § 1 Abs. 2a („gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft“) und 2b GrEStG („gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft“), dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen lässt, nicht den Lebenssachverhalt „Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft“ als solchen, sondern hinterlegt den Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft mit einer Fiktion: 3.738 Im Falle der rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Anteilsvereinigung wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.569 Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst.570 Die anteilsvereinigende Person beherrscht nach Auffassung des Gesetzgebers die grundbesitzende Gesellschaft in der Weise, dass sie auch über den Grundund Anteilsbesitz der Gesellschaft allein verfügen kann. 3.739 Im Falle der rechtsgeschäftlichen bzw. dinglichen Übertragung bereits vereinigter Anteile wird ebenfalls nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke besteuert. In diesen Fällen wird der Übergang von mindestens 90 % der Anteile einem Grundstücksübergang gleichgestellt. Diesen Steuertatbeständen liegt ein (fingierter) Grundstückserwerb von dem Überträger der vereinigten Anteile zugrunde. Der grunderwerbsteuerrechtlichen Fiktion zufolge ist die Veräußerung (bereits vereinigter) Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft wie eine Veräußerung des Grundstücks selbst zu behandeln. Diese Fiktion rechtfertigt es somit bspw., bei einer Übertragung vereinigter Anteile auf eine Gesamthand die Steuervergünstigung des § 5 GrEStG zu gewähren.571 Ebenfalls rechtfertigt diese Fiktion die Anwendung der personenbezogenen Befreiungsvorschrift nach § 3 Nr. 6 GrEStG.572

569 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536 m.w.N. 570 BFH v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2014, 536 m.w.N. 571 BFH v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544; v. 16.1.2002 – II R 52/00, BStBl. II 1972, 590. 572 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 Rz. 1.

426 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.741 Kap. 3

Überblick über die fingierten Rechtsgeschäfte der Ergänzungstatbestände Norm

Fiktion

§ 1 Abs. 2a/2b GrEStG

Fiktives, auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue PersGes./KapGes. gerichtetes Rechtsgeschäft

Rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG), dingliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG)

Fiktive Übertragung der Grundstücke von der Gesellschaft auf den Erwerber der Anteile

Rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG), dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG),

Fiktive Übertragung der Grundstücke von dem Veräußerer auf den Erwerber der Anteile

Wirtschaftliche Anteilsvereinigung/ wirtschaftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

Fiktiver Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG; die Erwerbsfiktionen entsprechen denen des § 1 Abs. 3 GrEStG

Beispiel 100: A und B sind zu je 50 % an der G GmbH beteiligt. Nunmehr erwirbt B die Beteiligung von A. Es ergibt sich somit folgender fiktiver Erwerb:

A

B

50 % G GmbH

A

B

50 %

100 %

Fiktiver Grundstückserwerb

G GmbH

Abb. 81 Lösung: Nicht der Anteilserwerb selbst löst die Grunderwerbsteuer aus, sondern die durch den Anteilserwerb ausgelöste veränderte Grundstückszuordnung. Nicht geklärt ist, ob hierdurch das Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke aus dem Vermögen der G GmbH ausscheidet. Die Finanzverwaltung ist bislang der Auffassung, dass das Grundstück weiterhin (auch) dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist.

Joisten | 427

3.740

3.741

Kap. 3 Rz. 3.742 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.742 Beispiel 101: A ist zu 95 %, B zu 5 % an der G GmbH beteiligt. Nunmehr erwirbt B die Beteiligung von A.

Fiktiver Grundstückserwerb

A

B

95 % G GmbH

A

B

5%

100 % G GmbH

Abb. 82 Lösung: Nicht der Anteilserwerb selbst unterliegt der Grunderwerbsteuer, sondern die durch den Anteilserwerb ausgelöste veränderte Grundstückszuordnung. Nicht geklärt ist, ob das Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke aus dem Vermögen der G GmbH ausgeschieden ist.

3.743 Die Anzahl der verwirklichten Erwerbsvorgänge und somit der Steuerfälle hängt jeweils von der Anzahl der Grundstücke ab, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes zum Vermögen der Gesellschaft gehören. Ob ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, bestimmt sich wiederum nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen und weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Ein inländisches Grundstück gehört der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (s. hierzu Rz. 3.28). 3. Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG a) Grundsätzlicher Vorrang der § 1 Abs. 2 und 2b GrEStG

3.744 Die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG gehen den Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG vor. Nach dem Gesetz kommt ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3, 3a GrEStG immer nur dann in Betracht, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt. Dieser Vorrang ist auch

428 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.748 Kap. 3

dann gegeben, wenn aufgrund einer Steuervergünstigung (§§ 3–7 GrEStG) nicht erhoben wird.573 Der Gesetzeswortlaut lässt offen, unter welchen Umständen eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt. Eine Besteuerung kann unter Umständen nicht in Betracht kommen, wenn 1. die Absätze 2a und 2b tatbestandlich nicht erfüllt sein können, oder 2. die Absätze 2a und 2b zwar tatbestandlich erfüllt sind, der Erwerbsvorgang nach Abs. 3, 3a jedoch zeitlich vor dem Erwerbsvorgang nach Abs. 2a, 2b GrEStG verwirklicht wird.

3.745

Die Finanzverwaltung vertritt die umstrittene Auffassung, dass eine Besteuerung nur dann nicht in Betracht kommt, wenn die Erwerbsvorgänge zeitgleich verwirklich werden (stichtagsbezogene Betrachtung).574 Um zu prüfen, ob die §§ 1 Abs. 3, 3a GrEStG bei der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung außer Betracht gelassen werden können, ist daher zunächst zu prüfen, ob der Erwerbsvorgang nach §§ 1 Abs. 3, 3a GrEStG vor dem Erwerbsvorgang nach §§ 1 Abs. 2a, 2b GrEStG verwirklicht wird.

3.746

b) Zeitpunkt Verwirklichung Steuertatbestand bei Share Deals Die Erwerbsvorgänge nach §§ 1 Abs. 2a und 2b GrEStG werden mit Closing, d.h. dem Verfügungsgeschäft, verwirklicht. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG wird entsprechend erfüllt, wenn es zum Übergang der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes. bzw. KapGes. kommt. Hingegen ist das sog. Signing, d.h. der Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts, für Abs. 2a, 2b irrelevant. Die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG wiederum werden mit Signing verwirklicht. Somit kommt bei zeitlichem Auseinanderfallen von Signing und Closing im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG streng genommen keine Besteuerung nach den § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG in Betracht. Entsprechendes gilt für § 1 Abs. 3a GrEStG. Die beiden Rechtsvorgänge stellen nach der Verwaltungsauffassung dennoch zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar (s. hierzu auch Rz. 3.799).575

3.747

Hingegen werden die Tatbestände des § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG stets gleichzeitig verwirklicht. Mit Übergang der Anteile (Closing) werden sowohl § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG als auch § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder 4 GrEStG verwirklicht. Da somit eine Besteuerung nach Abs. 2a, 2b GrEStG in Betracht kommt, scheidet eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG aus. Eine echte Rangstufe im Sinne einer normausschließenden Konkurrenz besteht nach der Verwaltungsauffassung nur bei gleichzeitigem Eintritt mehrerer Grunderwerbsteuer auslösender Tatbestände. Nur dann liegt unstreitig nur „ein“ grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor.

3.748

573 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 8.1. 574 Kritisch z.B. Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1668 ff.); Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695). 575 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 8.

Joisten | 429

Kap. 3 Rz. 3.749 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.749 Überblick – Zeitpunkt Verwirklichung Steuertatbestand bei Share Deals Norm

Verwirklichung

Relevant

§ 1 Abs. 2a GrEStG

mit Erlangung der Gesellschafterstellung, d.h. dingliche Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung, welche frühestens mit Vertragsabschluss eintritt

Closing oder Übergang wirtschaftlichen Eigentums (nicht: Signing)

§ 1 Abs. 2b GrEStG

mit Erlangung der Gesellschafterstellung, d.h. dingliche Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung, welche frühestens mit Vertragsabschluss eintritt

Closing oder Übergang wirtschaftlichen Eigentums (nicht: Signing)

§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG

mit wirksamen Abschluss des Vertrages bzgl. der übertragenen Anteile

Signing oder Übergang wirtschaftlichen Eigentums (nicht: Closing)

§ 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG

mit Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen

Zu 1. Closing oder Übergang wirtschaftlichen Eigentums (nicht: Signing)

1. aufgrund Umwandlung: mit Eintragung im maßgeblichen Handelsregister 2. von Todes wegen: Zeitpunkt des Erbanfalls

§ 1 Abs. 3a GrEStG

mit wirksamen Abschluss des Vertrages bzgl. der übertragenen Anteile

Signing (nicht: Closing)

mit Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen

Zu 1. Closing oder Übergang wirtschaftlichen Eigentums (nicht: Signing)

1. aufgrund Umwandlung: mit Eintragung im maßgeblichen Handelsregister 2. von Todes wegen: Zeitpunkt des Erbanfalls

3.750 Da es nach Auffassung der Finanzverwaltung zu einer doppelten steuerlichen Erfassung desselben Lebenssachverhalts kommen kann, versucht die Finanzverwaltung diese Thematik wie folgt zu lösen: (1) Im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 oder Abs. 3a GrEStG. (2) Im Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden PersGes./KapGes. erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG und die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 oder Abs. 3a GrEStG ist bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern.576 Fehlt es an der Grundstücksidentität, ist die vorangehende Festsetzung insoweit nicht aufzuheben. Dabei ist zu beachten, dass die Aufhebung oder Änderung der ersten Steuerfestsetzung nach der mittlerweile vom Gesetzgeber ergänzten Verfahrensvorschrift des § 16 Abs. 4a GrEStG nur auf Antrag erfolgt (s. Rz. 3.11).

3.751 Offen bleibt, wann von Grundstücksidentität auszugehen ist, wie bspw. bei Baufortschritt und sonstigen Wertänderungen bspw. durch Anstieg des Bodenrichtswerts oder aber bei Verschmelzung von Flurstücken, die dann unter einer neuen Flurstücks576 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 8.

430 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.753 Kap. 3

nummer im Liegenschaftskataster geführt werden. Das Kriterium entspricht demjenigen des § 1 Abs. 6 GrEStG. Es ist zu empfehlen, stets darauf zu achten, dass die Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vorläufig erfolgt (§ 165 AO), sodass die Finanzverwaltung die Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO im Zeitpunkt der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG aufheben kann. Gesetzlich geregelt wurde lediglich, dass die Festsetzungsfrist für den zweiten Erwerbsvorgang nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist des ersten Erwerbsvorgangs endet (§ 16 Abs. 4a Satz 2 GrEStG). Aufgrund der neuen Auffassung der Finanzverwaltung und den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 16 Abs. 4a GrEStG ist ungeachtet eines möglichen Nachrangs zunächst der nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklichte Erwerbsvorgang anzuzeigen:

3.752

Beispiel 102: A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden G GmbH. Mit Kaufvertrag vom 1.1.2022 (Tag des Signings) veräußert A seine Beteiligung an B. Closing soll am 1.7.2022 sein. Der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG wird angezeigt, eine Anzeige des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterbleibt.

3.753

A

B

100 % G GmbH

Abb. 83 Mit Signing (1.1.2021) wird nach der Verwaltungsauffassung der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Mit Closing zum 1.7.2021 wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung ist eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht geboten, da es innerhalb von einem Jahr zu einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG gekommen ist.577 Nach § 16 Abs. 4a GrEStG kann eine etwaig festgesetzte Steuer auf den ersten Erwerbsvorgang auf Antrag aufgehoben werden, wobei offen ist, welche Folgen sich aus der fehlenden Anzeige bei Signing ergeben. Es ist zweifelhaft, ob zu einem Zeitpunkt nach dem Closing noch eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgen darf.578 Abwandlung: Wie Beispiel 102. Allerdings kommt es zum 1.6.2022 zu einem Ereignis, aufgrund dessen B vom Kaufvertrag zurücktreten darf. Von dieser Möglichkeit macht B Ge-

577 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2. 578 Ablehnend Broemel/Mörwald, DStR 2023, 73 (75).

Joisten | 431

Kap. 3 Rz. 3.753 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen brauch, sodass es zu einer Aufhebung des Kaufvertrags kommt. Folglich kommt es nicht zum Closing am 1.7.2022. Auch in der Abwandlung stellt sich wieder die Frage, ob § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt war oder ob der Umstand, dass eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG zu erwarten war, die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG sperrt. Dies ist wie dargestellt nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht der Fall, sodass nunmehr eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu erwarten ist. Eine Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 GrEStG dürfte von der Finanzverwaltung mit Verweis auf die fehlende Anzeige (§ 16 Abs. 5 Satz 1 GrEStG) abgelehnt werden.

3.754 Beispiel 103: Wie vorstehend. Allerdings werden zwischen Signing und Closing verschiedene Grundstücke veräußert.

B

A

100 % Dritter

G GmbH

Verkauf zwischen Signing und Closing Abb. 84 Mit Signing liegen zunächst für die zwei Grundstücke auch zwei Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vor. Mit Closing liegt hingegen nur ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG vor. Da der Grundstücksbestand bei Signing und Closing nicht identisch ist, verbleibt es hinsichtlich des zwischen Signing und Closings an den Dritten veräußerten Grundstücks bei der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Es ist fraglich, ob eine doppelte Besteuerung des ausgeschiedenen Grundstücks sachgerecht ist und ob dies rechtmäßig ist.579 Es ist empfehlenswert, die Veranlagung nach § 1 Abs. 3 GrEStG offenzuhalten.

579 Vgl. Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1669); Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695).

432 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.756 Kap. 3

c) Prüfung der Nachrangigkeit stichtagsbezogen vorzunehmen § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG gehen § 1 Abs. 3 GrEStG ausdrücklich vor. § 1 Abs. 3 GrEStG geht wiederum ausdrücklich § 1 Abs. 3a GrEStG vor. D.h., die Besteuerung eines Rechtsvorgangs nach der jeweils subsidiären Vorschrift ist nur dann zu prüfen, wenn eine Besteuerung nicht bereits nach einer vorrangigen Vorschrift in Betracht kommt, wobei für diese Prüfung jeweils auf denselben Stichtag abzustellen ist. Die Anwendung einer subsidiären Vorschrift wird auch dann ausgeschlossen, wenn die Steuer aufgrund einer Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschrift nicht erhoben wird. Im Extremfall können Signing und Closing auch am gleichen Tag, jedoch zu unterschiedlichen Uhrzeiten stattfinden.

3.755

Beispiel 104: Die V GmbH veräußert zugleich 100 % der Anteile an der grundbesitzenden G KG sowie alle Anteile an der Komplementärin an die K GmbH. Signing ist (a) zeitgleich mit Closing; (b) vor Closing.

3.756

V GmbH

K GmbH

100 % Komplementärin

100 %

G KG

Abb. 85 Durch die Anteilsübertragung wird § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht, weil hierdurch insgesamt 100 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden G KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG scheidet in Variante (a) aufgrund der Zeitgleichheit aus. Dagegen unterliegt in Variante (b) der Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Steuer. Die Festsetzung kann bei Closing unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 2 GrEStG wieder aufgehoben werden.

Joisten | 433

Kap. 3 Rz. 3.757 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.757 Beispiel 105: Die V GmbH wird auf die K GmbH verschmolzen.

V GmbH

K GmbH

100 % G GmbH

Abb. 86 Durch die verschmelzungsbedingte Anteilsübertragung wird § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht, ein Verpflichtungsgeschäft nach § 1 Abs. 3 GrEStG geht dem Vorgang nicht voraus. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des § 1 Abs. 2b GrEStG wird nicht zeitgleich § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht.

3.758 Beispiel 106: Die V GmbH veräußert mit Vertrag vom 1. Juli die Anteile an der G GmbH i.H.v. 100 % an die K GmbH. Die G GmbH hält das Grundstück 1. Im Vertrag wurde geregelt, dass die Anteile an der M GmbH mit Wirkung vom 15. September übergehen. Die grundbesitzende G GmbH erwirbt mit notariellem Kaufvertrag vom 1. August ein weiteres Grundstück (Grundstück 2) .

V GmbH

K GmbH

100 % G GmbH

01.07.2023 Vertragsabschluss

01.07.2023

Abb. 87

434 | Joisten

01.08.2023 Erwerb Grundstück 2

15.09.2023 Closing

15.09.2023

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.759 Kap. 3 Durch die Anteilsübertragung wird zum Zeitpunkt des Signing (1. Juli) eine rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) hinsichtlich des Grundstücks 1 verwirklicht. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3a GrEStG scheidet daher aus. Am 1. August verwirklicht die T GmbH durch den Erwerb des Grundstücks 2 den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Zum Zeitpunkt des Closing (15. September) wird hinsichtlich der Grundstücke 1 und 2 der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht. Durch die Übertragung der Anteile auf die K GmbH am 15. September wird ebenfalls § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG verwirklicht, soweit die Grundstücke am 1. August hinzuerworben wurden. Hinsichtlich dieser Grundstücke ist kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen. Allerdings ist keine grunderwerbsteuerliche Anzeige des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erforderlich, da § 1 Abs. 2b GrEStG insoweit Anwendungsvorrang hat.

d) Praktisch relevante Unterschiede in den Tatbestandsvoraussetzungen der Ersatztatbestände Auf den ersten Blick kommt den Erwerbsvorgängen nach Abs. 3, 3a GrEStG nur eine geringe praktische Relevanz zu. Diese Auffassung wurde nicht zuletzt durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG verstärkt. Wie bereits vorstehend aufgezeigt, darf aber die praktische Relevanz der Abs. 3, 3a GrEStG nicht unterschätzt werden. Dies ist nicht nur deswegen der Fall, weil eine unterbliebene Anzeige eines Erwerbsvorgangs nach Abs. 3, 3a GrEStG ungewünschte steuerliche Konsequenzen haben kann, sondern auch deswegen, weil sich die Tatbestände der Vorschriften in ihren Voraussetzungen unterscheiden: (1) Während § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG auf einen Zeitraum von jeweils zehn Jahren abstellen, kennen die § 1 Abs. 3, 3a GrEStG keine zeitliche Beschränkung. (2) Während für § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG Übertragungen auf Altgesellschafter nicht tatbestandsrelevant sind, kennt Abs. 3, 3a eine solche Differenzierung nicht. Dies ist insb. relevant, da zum 30.6.2021 alle Gesellschafter einer grundbesitzenden KapGes. zu Altgesellschaftern geworden sind. (3) Während § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG Anteilsübertragungen von Todes wegen von der Zählquotenermittlung ausnehmen, kennen die § 1 Abs. 3, 3a GrEStG eine solche Einschränkung nicht. (4) Während Übertragungen, die aufgrund der Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) keine Zählvorgänge darstellen, für Zwecke des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG unbeachtet bleiben, werden solche Anteilsübertragungen für Zwecke des § 1 Abs. 3, 3a GrEStG unverändert einbezogen.

Joisten | 435

3.759

Kap. 3 Rz. 3.760 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.760 Beispiel zu (1): A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden G GmbH. Zum 1.1.2022 (Tag des Signings und Closings) veräußert A 50 % seiner Beteiligung an B. Zum 31.12.2031 (entspricht Tag des Signings und Closings) veräußert A die übrigen 50 % seiner Beteiligung an B.

Ausgangssituation

A

100 % G GmbH

01.01.2022 Erste Veräußerung an B (Signing/Closing)

01.01.2022

Situation nach erster Übertragung A

B

50 % G GmbH

Situation nach zweiter Übertragung A

B

50 %

100 % G GmbH

30.12.2031 ZweiteVeräußerung an B (Signing/Closing)

31.12.2031

Abb. 88 Da lediglich A Altgesellschafter der G GmbH ist, wird durch die Übertragungen zum 1.1.2022 sowie zum 31.12.2031 der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt (Tag des Erwerbsvorgangs: 31.12.2031).

436 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.760 Kap. 3 Abwandlung: Die zweite Veräußerung findet zum 1.1.2032 statt.

Ausgangssituation

A

100 % G GmbH

01.01.2022 Erste Veräußerung an B (Signing/Closing)

01.01.2022

Situation nach erster Übertragung A

B

50 % G GmbH

Situation nach zweiter Übertragung A

B

50 %

100 % G GmbH

01.01.2032 ZweiteVeräußerung an B (Signing/Closing)

31.12.2031

Abb. 89 Da die zweite Übertragung außerhalb des Zehnjahreszeitraums stattfindet, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt. Hingegen ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.

Joisten | 437

Kap. 3 Rz. 3.761 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.761 Beispiel zu (2): A und B sind zu je 50 % an der G GmbH beteiligt. Zum 1.1.2023 erwirbt die AB GmbH ein Grundstück. Zum 2.1.2023 veräußert A seine Beteiligung an der AB GmbH an B.

Ausgangssituation

A

B

50 %

50 %

G GmbH

01.01.2023 Grundstückserwerb

01.01.2023

Situation nach Grundstückserwerb A

B

50 % G GmbH

Situation nach Übertragung A

B

50 %

100 % G GmbH

02.01.2023 Veräußerung an B

02.01.2023

Abb. 90 § 1 Abs. 2b GrEStG ist tatbestandsmäßig nicht erfüllt, da A und B im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks Altgesellschafter der G GmbH geworden sind. Die Übertragung von A an B ist entsprechend nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG. Allerdings vereinigt B durch den Erwerb die Anteile in seiner Hand (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Eine Steuervergünstigung kommt nicht in Betracht.

438 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.762 Kap. 3 Beispiel zu (3): A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden G GmbH. Zum 1.1.2022 (Tag des Signings und Closings) schenkt A 50 % seiner Beteiligung an B. Zum 1.12.1931 verstirbt B. A erbt die übrigen 50 %. Zeitpunkt des Erbanfalls ist der 31.12.2031.

Ausgangssituation

A

100 % G GmbH

01.01.2023 Schenkung an B

01.01.2023

Situation nach erster Übertragung (Schenkung) A

B

50 % G GmbH

Situation nach zweiter Übertragung (Erbschaft) B

50 %

100 % G GmbH

31.12.2031 Zeitpunkt des Erbanfalls

31.12.2031

Abb. 91 Die Schenkung stellt einen Zählvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG dar. Zunächst ergeben sich keine weiteren grunderwerbsteuerlichen Folgen. Die zweite Übertragung bleibt für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG als Anteilserwerb von Todes wegen außer Betracht (§ 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG). B vereinigt nunmehr aber alle Anteile der G GmbH in seiner Hand, sodass ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG vorliegt. Zugleich ist der Erwerbsvorgang nach § 3 Nr. 2 GrEStG zu 50 % steuerbefreit.

Joisten | 439

3.762

Kap. 3 Rz. 3.763 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

II. Anteilsvereinigung und -übertragungen nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1. Anteilsbegriff i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG

3.763 Ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 GrEStG bzw. die Übertragung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 GrEStG bezieht sich dem Wortlaut nach auf Anteile der Gesellschaft. Offen ist, wann solche Anteile vorliegen oder inwieweit Anteilen ihre Rechte entzogen werden können, sodass noch ein Anteil i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG vorliegt. Ein solcher Anteil liegt nach hier vertretener Auffassung immer dann vor, wenn der Gesellschafter noch über seine unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte verfügt, wobei diese Mitgliedschaftsrechte bei KapGes. und PersGes. im Wesentlichen gleich sind. 3.764 So können bei einer GmbH können insb. einzelne GmbH-Anteile vom Gewinnund Stimmrecht einstimmig ausgeschlossen werden, wenn ihre Inhaber andere Anteile an derselben GmbH halten, die ein Gewinn- und Stimmrecht haben. In diesem Fall ist aber auch der Ausschluss von Gewinn- und Stimmrecht möglich, wenn für die betroffenen Geschäftsanteile nicht auch noch die Beteiligung am Liquidationserlös, die Mitverwaltungsrechte und das Recht zur Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse ausgeschlossen werden.580 Darüber hinaus ist die Frage, welche Gesellschafterrechte kumulativ entzogen werden können, ohne dass das „Wesen“ der Mitgliedschaft unzulässig ausgehöhlt wird, zweifelhaft.581 So ist unter Umständen bspw. ein Stimmrechtsausschluss für satzungsmäßig festgelegte Beschlussgegenstände oder Tatbestände möglich. Die Reichweite eines solchen Stimmrechtsausschlusses hängt insb. von der Ausgestaltung und Auslegung der Satzung ab. Möglich ist z.B. eine Satzungsklausel, nach der ein Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, solange er ein Konkurrenzunternehmen betreibt oder unternehmerisch an einer Konkurrenzgesellschaft beteiligt ist. Weiterhin schreibt § 51a Abs. 3 GmbHG Auskunftsund Einsichtsrecht als unverzichtbar vor. Weiterhin unverzichtbar sind das außerordentliche Kontrollrecht, das Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung samt dem Rede- und Antragsrecht, das Recht zur Anfechtung von rechtswidrigen Beschlüssen und das Austrittsrecht aus wichtigem Grund (§ 723 Abs. 3 BGB).582 Überdies werden teilweise zusätzliche Minderheitenrechte gefordert, insb. das Recht auf Einberufung der Gesellschafterversammlung und Ankündigung von Beschlussgegenständen gem. § 50 GmbHG, die Befugnis zur Erhebung der Auflösungsklage gem. § 61 Abs. 2 GmbHG, das Recht auf gerichtliche Bestellung von Liquidatoren gem. § 66 Abs. 2 GmbHG. 3.765 Bei PersGes. muss der Gesellschafter ein Kontrollrecht haben und Einfluss in der Gesellschaft zur Steuerung seiner Haftungslage ausüben können.583 Im Einzelnen sind folgende Rechte unverzichtbar: außerordentliches Kontrollrecht (§ 118 Abs. 2 HGB), Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung samt dem Rede- und

580 581 582 583

BGH v. 14.7.1954 – II ZR 342/53, BGHZ 14, 264. K. Schmidt in Scholz12, § 47 GmbHG Rz. 11. Blath, RNotZ 2017, 218 (220). Enzinger in MünchKomm.HGB5, § 119 HGB Rz. 68.

440 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.767 Kap. 3

Antragsrecht, Recht zur Anfechtung von rechtswidrigen Beschlüssen, Austrittsrecht aus wichtigem Grund (§ 723 Abs. 3 BGB). Daneben werden teilweise folgende Rechte zusätzlich genannt: keine Kündigung der Mitgliedschaft ohne wichtigen Grund, Informationsrecht (gehört wiederum zu Kontrollrecht), Recht auf anteiligen Liquidationserlös584, Stimmrecht, soweit es sich auf die unverzichtbaren Rechte bezieht. Auf das Recht auf Gleichbehandlung und die Treuepflicht darf nur im Einzelfall verzichtet werden.585 Unmittelbare Beteiligungen an grundbesitzenden PersGes. und KapGes. werden im Bereich des § 1 Abs. 3, 3a GrEStG unterschiedlich behandelt.586 Bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden PersGes. ist die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen und bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden KapGes. die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgebend. Bei grundbesitzenden PersGes. gilt somit zumindest nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH die sog. Pro-Kopf-Betrachtung. Danach hat jeder Gesellschafter aufgrund seiner sachenrechtlichen Beteiligung am Gesamthandsvermögen (gesamthänderische Mitberechtigung) einen Anteil an der Gesellschaft inne. Diese ist unabhängig von seiner vermögensmäßigen Beteiligung. Somit hat insb. auch der nicht am Vermögen einer PersGes. beteiligte Komplementär einen Anteil inne. Dies sperrt grds. eine Anteilsvereinigung, sofern Komplementär nicht eine Gesellschaft ist, deren Anteile zu mindestens 90 % von dem vermögensmäßig beteiligten Gesellschafter gehalten wird. Zu beachten ist aber einerseits, dass oftmals eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung vorliegt sowie der Umstand, dass der BFH in einem Obiter Dictum zu II R 45/17587 ausgeführt hat, dass er an der Pro-Kopf-Betrachtung auch bei unmittelbarer Beteiligung an PersGes. nicht beabsichtigt festzuhalten.

3.766

Beispiel 107: An der G KG ist A alleinig vermögensmäßig beteiligter Kommanditist. Die A GmbH, deren Alleingesellschafter A ist, ist nicht am Vermögen beteiligte Komplementärin. Weiterer Komplementär ist B. B erwirbt den Kommanditanteil von A.

3.767

584 BGH v. 14.7.1954 – II ZR 342/53 zu GmbH; a.A. Trölitzsch in BeckOk.GmbHG, § 53 GmbHG Rz. 18a. 585 Böttcher in BeckOGK.HGB, § 119 HGB Rz. 124. 586 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, DStR 2018, 2207. 587 BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315.

Joisten | 441

Kap. 3 Rz. 3.767 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Ausgangssituation Verkauf

100 %

A

B

100 %

A GmbH 0%

0% G KG

Ziel 100 %

A

B

A GmbH 0%

100 % G OHG

Abb. 92 Es liegt keine rechtsgeschäftliche oder dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile vor. Es liegt ebenfalls keine rechtsgeschäftliche oder dingliche Anteilsvereinigung vor. Es kommt allerdings zu einer wirtschaftlichen Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3a GrEStG). Der Formwechsel der KG in die OHG ist nicht grunderwerbsteuerbar. Fortsetzung: Nach einem halben Jahr erwirbt B ebenfalls den Anteil an der A GmbH.

442 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.768 Kap. 3

Ausgangssituation 100 %

A

B

A GmbH 0%

100 % G OHG

Ziel A

B

A GmbH 100 % 0%

100 % G OHG

Abb. 93 Es kommt zu einer rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung bei B. In diesen Fall ist die Vorschrift des § 1 Abs. 6 GrEStG zu beachten.

Die Pro-Kopf-Betrachtung findet nach der Rechtsprechung des BFH jedoch keine Anwendung bei zwischengeschalteten PersGes.588 Danach ist bei einer zwischengeschalteten PersGes., die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, als Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG – wie bei einer zwischengeschalteten KapGes. – die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen (gesamthänderische Mitberechtigung) maßgebend. Zwischengeschaltete PersGes. und KapGes. werden somit beim mittelbaren Anteilserwerb gleichbehandelt. Ein Anteilserwerb kann bei einer zwischengeschalteten PersGes. somit zu einer mittelbaren Anteilsvereinigung beitragen oder führen, wenn dem Erwerber nach dem Anteilserwerb mindes588 BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315.

Joisten | 443

3.768

Kap. 3 Rz. 3.768 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

tens 90 % der Beteiligung am Gesellschaftskapital der PersGes. zuzurechnen sind. Dies gilt entsprechend für die Übertragungen bereits vereinigter Anteile.

3.769 Beispiel 108: Am Kapital der grundbesitzenden G GmbH sind eine OHG zu 50 %, A zu 49 % und C zu 1 % beteiligt. Am Vermögen der OHG sind A zu 10 % und B zu 90 % beteiligt. A überträgt seine Beteiligung am Kapital der G GmbH und B seine Beteiligung am Vermögen der OHG an C.

Ausgangssituation A

B

10 % 49 %

C

90 % OHG 50 % 1%

G GmbH

Situation nach Übertragung A

C

10 %

90 % OHG 50 %

G GmbH

Abb. 94

444 | Joisten

50 %

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.774 Kap. 3 Der Tatbestand von § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG sind vorliegend nicht erfüllt, da C Altgesellschafter der G GmbH ist. Es kommt durch die Übertragungen aber zu einer Anteilsvereinigung, da teils unmittelbar, teils mittelbar mindestens 90 % der Anteile – vorliegend 100 % – an der grundbesitzenden G GmbH in der Hand des C vereinigt werden. Die Beteiligung der OHG am Kapital der G GmbH wird dem C in voller Höhe (50 %) zugerechnet, da C zu mindestens 90 % am Vermögen der OHG beteiligt ist.

Aufgrund der Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung besteht die größte Bedeutung des § 1 Abs. 3a GrEStG bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden PersGes. (bspw. bei nicht quotenwahrender Kapitalerhöhung).

3.770

Beispiel 109: An der im Jahr 01 gegründeten grundbesitzenden G GbR sind die Gründungsgesellschafter A zu 89 % und B zu 11 % am Vermögen beteiligt. A erwirbt im Jahr 03 einen Vermögensanteil i.H.v. 1 % von B hinzu.

3.771

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wird nicht verwirklicht, weil es sich lediglich um eine Anteilsverschiebung zwischen Altgesellschaftern handelt. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommt wegen der weiterhin bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung von B ebenfalls nicht in Betracht. Die Anteilsübertragung ist aber steuerbar gem. § 1 Abs. 3a GrEStG. A ist aufgrund des Anteilserwerbs i.H.v. 1 % unmittelbar mit insgesamt 90 % am Vermögen der grundbesitzenden G GbR wirtschaftlich beteiligt. Die Steuer wird i.H.v. 89 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben. § 6 Abs. 4 GrEStG schließt § 6 Abs. 2 GrEStG nicht aus, da A Gründungsgesellschafter ist. Beispiel 110: An der im Jahr 01 gegründeten grundbesitzenden G GbR sind die Gründungsgesellschafter A zu 89 % und B zu 11 % am Vermögen beteiligt. A führt eine Kapitalerhöhung bei der AB GbR durch, sodass A danach zu 90 % am Vermögen der AB GbR beteiligt ist.

3.772

Lösung wie zu Beispiel 109.

2. Unmittelbare und mittelbare Anteilsvereinigung Rechtsgeschäftliche und dingliche Anteilsvereinigung können sowohl unmittelbar als auch mittelbar über eine andere Gesellschaft oder teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar über eine andere Gesellschaft erfolgen. Sobald eine Person mehr als 90 % an einer Zwischengesellschaft hält, sind ihr die Anteile, die diese Gesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft hält, wie eigene Anteile zuzurechnen.

3.773

Beispiel 111: An der G GmbH, zu deren Vermögen drei Grundstücke gehören, waren zunächst die AB GmbH und die C GmbH zu je 50 % beteiligt. Gesellschafter der AB GmbH waren A und B je zur Hälfte, Gesellschafter der C GmbH waren zu 50 % der C sowie andere Personen. In 2022 erwarb A 90 % der bis dahin von der C GmbH gehaltenen Anteile, d.h. 45 %-Punkte, an der G GmbH.

3.774

Joisten | 445

Kap. 3 Rz. 3.774 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Ausgangssituation A

C

B Verkauf von 90 %/ 45 %-Punkten

50 %

50 %

50 %

AB GmbH

C GmbH

50 %

50 %

G GmbH

Situation nach erster Übertragung A

B

50 %

50 %

C

45 %

50 %

AB GmbH 50 %

C GmbH 5%

G GmbH

Abb. 95 Durch den Erwerb ist B zu 45 % unmittelbar und wertmäßig zu 25 % mittelbar (über die von der AB GmbH gehaltenen Anteile an der G GmbH) beteiligt. Es liegt keine rechtsgeschäftliche, dingliche oder wirtschaftliche Anteilsvereinigung vor. Aufgrund der bloß 50%igen Beteiligung des B an der AB GmbH kann ihm die Beteiligung an der G GmbH nicht wie eine eigene Beteiligung zugerechnet werden.

446 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.774 Kap. 3 Fortsetzung: Im Jahr 2022 erwirbt B die bisher von A gehaltenen Anteile an der AB GmbH.

Situation nach erster Übertragung A

B

50 %

50 %

C

45 %

AB GmbH

50 % C GmbH

50 %

5%

G GmbH

Situation nach zweiter Übertragung A

B

100 % AB GmbH 50 %

C

50 %

45 %

C GmbH 5%

G GmbH

Abb. 96

Joisten | 447

Kap. 3 Rz. 3.774 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Durch diesen Erwerb werden 95 % der Anteile an der G GmbH teils unmittelbar (45 %), teils mittelbar (50 % über die AB GmbH) rechtsgeschäftlich in der Hand von B vereinigt. Denn aufgrund der nunmehr 100%igen Beteiligung des B an der AB GmbH wird ihm die Beteiligung an der G GmbH wie eine eigene Beteiligung zugerechnet. Eine dingliche Anteilsvereinigung liegt aufgrund des Vorrangs der rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung nicht vor. Ebenfalls nachrangig ist eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Hinsichtlich der zum Vermögen der G GmbH gehörenden drei Grundstücke liegen drei Grunderwerbsteuerfälle vor.589

3.775 Beispiel 112: Alleingesellschafterin der G GmbH, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, ist die AB GmbH (Gründungsgesellschafterin). Gründungsgesellschafter der AB GmbH sind A und B zu gleichen Anteilen. Im Jahr 2022 erwirbt A 39,9 %-Punkte der bisher von B gehaltenen Anteile an der AB GmbH. Im Jahr 2023 erwirbt A weitere 0,1 %-Punkte der Anteile am der AB GmbH. Im Jahr 2022 kommt es nicht zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, da A die Beteiligung der AB GmbH an der G GmbH nicht zugerechnet werden kann. Es kommt auch nicht zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Durch den Erwerb von 0,1 %Punkten im Jahr 2023 vereinigt A mittelbar (über die AB GmbH) 90 % der Anteile an der G GmbH in seiner Hand. Hierdurch erwirbt A fiktiv das Grundvermögen der G GmbH.

3. Rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung

3.776 Eine rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung setzt ein Rechtsgeschäft voraus, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden würden. Bei der Formulierung „werden würden“ handelt es sich um einen „Irrealis“, wodurch ein Ereignis beschrieben wird, das nicht real stattgefunden hat. Zudem steht der Satz im Konjunktiv 2, wodurch man sich etwas vorstellt, was zurzeit noch nicht stattgefunden hat. D.h., im Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts ist so zu tun, als würde zeitgleich das Verfügungsgeschäft vollzogen. Ob es tatsächlich zu dem Verfügungsgeschäft kommt, ist für die Frage, ob eine rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung vorliegt, irrelevant. Wird das Verpflichtungsgeschäft später nicht erfüllt, ist es Aufgabe des § 16 GrEStG die Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung zu beseitigen. 3.777 Ein Rechtsgeschäft als Tatbestandsmerkmal einer rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung liegt immer dann vor, wenn ein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht. Ein solcher Anspruch wird bspw. durch einen Kaufvertrag begründet, aber auch bspw. durch den Widerruf einer Schenkung. Denn auch im Falle des Widerrufs einer Schenkung ist (bereits) in dem Schenkungsvertrag ist der Anspruch auf die (Rück-)Übertragung angelegt gewesen. Auch die Übertragung von

589 BFH v. 28.6.1972 – II 77/64, BStBl. II 1972, 719.

448 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.780 Kap. 3

Anteilen mittels Einbringung stellt ein Rechtsgeschäft i.S.d. rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung dar.590 4. Dingliche Anteilsvereinigung Die dingliche Anteilsvereinigung ist subsidiär zur rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung. D.h., es darf gerade kein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen bestehen. Eine dingliche Anteilsvereinigung liegt somit insb. in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge vor, somit insb. bei Umwandlungen nach UmwG, d.h. Verschmelzung, Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung) und Vermögensübertragung. Denn die Umwandlungsverträge sind keine Rechtsgeschäfte, durch die ein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet wird.591 Auch umfasst hiervon sind Anwachsung oder Erbschaft.

3.778

Allerdings kommt es immer dann zu einer dinglichen Anteilsvereinigung, wenn zwar ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist, zwischen Signing (Verpflichtungsgeschäft) und Closing (Verfügungsgeschäft) Grundstücke (hinzu)erworben wurden. Dies hat seinen Grund darin, dass die rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung rein grundstücksbezogen zu verstehen ist und das Tatbestandsmerkmal „Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück“ im Zeitpunkt des Signing noch nicht erfüllt sein kann. Somit ist in Bezug auf das hinzuerworbene Grundstück gerade „kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 1“ vorausgegangen.

3.779

Beispiel 113: Gesellschafter der grundbesitzenden G GmbH, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört, sind zu gleichen Teilen A und B (Gründungsgesellschafter). Im Jahr 2023 erwirbt B die bisher von A gehaltenen Anteile an der G GmbH (Signing: 1.1.2023; Closing: 30.6.2023). Zum 15.4.2023 erwirbt die G GmbH ein weiteres Grundstück.

3.780

590 BFH v. 22.2.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653. 591 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137.

Joisten | 449

Kap. 3 Rz. 3.780 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Ausgangssituation

Situation nach Signing

Situation nach Closing

Anspruch

A

B

50 %

50 %

G GmbH

01.01.2023 Signing

A

B

50 %

B

50 %

G GmbH

15.04.2023 Erwerb eines weiteren Grundstücks

01.01.2023

100 % G GmbH

30.06.2023 Closing

30.06.2023

Abb. 97 Zum 1.1.2023 wird ein Erwerbsvorgang des B von der B GmbH hinsichtlich des zu diesem Zeitpunkt zum Vermögen der G GmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fingiert. Zum 30.6.2023 wird ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hinsichtlich des zum 15.4.2023 hinzuerworbenen Grundstücks fingiert.

5. Übertragung bereits vereinigter Anteile

3.781 Bezieht sich ein Rechtsgeschäft auf bereits vereinigte Anteile oder werden bereits vereinigte Anteile übertragen, kann der Tatbestand einer rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Anteilsvereinigung nicht erfüllt werden. Diese Fälle werden von § 1 Abs. 3 Nr. 3 (rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile) und Nr. 4 (dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile) GrEStG erfasst. 3.782 Ein Rechtsgeschäft als Tatbestandsmerkmal einer rechtsgeschäftlichen Übertragung bereits vereinigter Anteile liegt immer dann vor, wenn ein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen besteht. Ein solcher Anspruch wird bspw. durch einen 450 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.783 Kap. 3

Kaufvertrag begründet, aber auch bspw. durch den Widerruf einer Schenkung. Im Falle des Widerrufs einer Schenkung ist (bereits) in dem Schenkungsvertrag der Anspruch auf die (Rück-)Übertragung angelegt. Auch die Übertragung von Anteilen mittels Einbringung stellt ein Rechtsgeschäft i.S.d. rechtsgeschäftlichen Übertragung bereits vereinigter Anteile dar. Beispiel 114: B ist Alleingesellschafter der G GmbH. Er veräußert die Anteile an der G GmbH an C.

Grundstücksübergang (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG)

C

B Zivilrecht: Anteilsübertragung

100 %

100 % G GmbH

G GmbH (fiktiv neu)

Grundstücksübergang (§ 1 Abs. 2b GrEStG) Abb. 98 Vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG hätte der Vorgang einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG ausgelöst. Nunmehr unterliegt der Vorgang vorrangig § 1 Abs. 2b GrEStG. Finden Signing und Closing nicht zeitgleich statt, ist allerdings zu beachten, dass nach Verwaltungsauffassung auch ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, 4 GrEStG verwirklicht wird, dessen spätere Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (nur) unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a GrEStG möglich ist. Sofern C aufgrund einer Beteiligung an der G GmbH Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG wäre, scheidet eine vorrangige Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG aus. Der Vorgang unterliegt dann der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG.

Joisten | 451

3.783

Kap. 3 Rz. 3.784 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.784 Die dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile ist subsidiär zur rechtsgeschäftlichen Anteilsvereinigung. D.h., es darf gerade kein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen bestehen. Eine dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile liegt somit insb. in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge vor, somit insb. bei Umwandlungen nach UmwG (Verschmelzung; Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung); Vermögensübertragung nach § 174 UmwG). Denn Umwandlungsverträge sind keine Rechtsgeschäfte, durch die ein Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet wird.592 Auch umfasst hiervon sind Anwachsung oder Erbschaft. 3.785 Allerdings kommt es immer dann zu einer dinglichen Übertragung bereits vereinigter Anteile, wenn zwar ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist, zwischen Signing (Verpflichtungsgeschäft) und Closing (Verfügungsgeschäft) Grundstücke (hinzu)erworben wurden. Dies hat seinen Grund darin, dass die rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile rein grundstücksbezogen zu verstehen ist und das Tatbestandsmerkmal „Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück“ im Zeitpunkt des Signing noch nicht erfüllt sein kann. Somit ist in Bezug auf dieses Grundstück gerade „kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 3“ vorausgegangen. 6. Übertragung bereits vereinigter Anteile auf eine Tochtergesellschaft

3.786 Ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang liegt vor, wenn ein Alleingesellschafter einer grundbesitzenden KapGes. in seiner Hand vereinigte Anteile auf eine von ihm gehaltene KapGes. überträgt (Beteiligungskettenverlängerung, bspw. Konzernmutter bringt eine mindestens 90%ige Beteiligung an einer Tochtergesellschaft in eine andere Tochtergesellschaft ein). Durch die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft auf eine vom Anteilsveräußerer zu 90 % beherrschte KapGes. kommt es zu einer rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Übertragung bereits vereinigter Anteile. Die hierdurch ausgelöste veränderte Zuordnung der Grundstücke unterliegt gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Der Besteuerung steht nicht entgegen, dass die Anteile an der Gesellschaft mit Grundbesitz zugleich mittelbar in der Hand des bisherigen Alleingesellschafters vereinigt bleiben.593 Dies entspricht der Behandlung von Grundstückserwerben, die nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbar sind. 3.787 Beispiel 115: A ist zu 99,9 % an der G GmbH beteiligt, die übrigen 0,1 % hält die A GmbH, deren Alleingesellschafter A ist. A überträgt seine Anteile an der G GmbH an die A GmbH.

592 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. 593 BFH v. 4.12.1996 – II B 110/96, BFH/NV 1997, 440.

452 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.789 Kap. 3

A

100 %

A

99,9 %

100 % 0,1 %

G GmbH

A GmbH

A GmbH 100 % G GmbH

Abb. 99 Die Beteiligungskettenverlängerung ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG, da die A GmbH fiktiv das Grundstück von A erwirbt (erstmalige Grundstückszurechnung in der Hand der A GmbH).

7. Verstärkung und Abschwächung bestehender Anteilsvereinigungen unter Beachtung der ewigen Fortgeltung alten Rechts Es stellt sich die Frage, ob eine rechtsgeschäftliche oder dingliche Übertragung bereits vereinigter Anteile auch dann vorliegt, wenn dadurch eine in der Hand des Erwerbers schon bestehende Anteilsvereinigung lediglich verstärkt wird. Da es nicht zu einer Veränderung in der Zurechnung der Anteile kommt, liegt kein (erneuter) grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang vor.594 Anders verhält es sich hingegen, wenn es durch den Zuerwerb von Anteilen erstmalig zu einer rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Anteilsvereinigung kommt.

3.788

Die Verstärkung einer schon bestehenden Anteilsvereinigung (insb. durch Verkürzung von Beteiligungsketten) löst keine (erneute) rechtsgeschäftliche oder dingliche Anteilsvereinigung aus.595 Auch sonstige „anteilige“ Steuerfolgen ergeben sich im Bereich der Anteilsvereinigung nicht. Dies ist konsequent, da das Grundstück bereits fiktiv von der Gesellschaft erworben wurde und entsprechend der ungekürzte Grund-

3.789

594 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. 595 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121.

Joisten | 453

Kap. 3 Rz. 3.789 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

besitzwert Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist. Allerdings ist zu beachten, dass wenn am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar weniger als 95 % und mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt waren, das alte Recht zeitlich unbegrenzt weitergilt (Ewigkeitsklausel; § 23 Abs. 21 GrEStG). Die Ewigkeitsklausel endet jedoch nach hier vertretener Auffassung dann, wenn das alte Recht erstmalig verwirklicht wurde, da dann entweder das Grundstück nicht mehr der Gesellschaft zuzurechnen ist oder aber es sich für grunderwerbsteuerliche Zwecke um eine fiktiv neue Gesellschaft handelt.

3.790 Beispiel 116: A ist Gründungsgesellschafter der A GmbH, die 90 % der Anteile an der G GmbH hält. Die übrigen 10 % hält A unmittelbar. A GmbH und A sind Gründungsgesellschafter der G GmbH. A erwirbt alle bis dahin von der A GmbH gehaltenen Anteile an der G GmbH.

A

10 %

100 % A GmbH

A

100 %

100 % G GmbH

A GmbH

90 % G GmbH

Abb. 100 Mit dem Anteilserwerb wird die bisher bestehende teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung lediglich zu einer ganz unmittelbaren verstärkt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG wird dadurch nicht ausgelöst.

3.791 Die Ausnahme von der Besteuerung gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren, in dem die mittelbare bzw. teils unmittelbare, teils durch die beherrschte Gesellschaft vermittelte Anteilsvereinigung eintrat, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbe-

454 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.792 Kap. 3

ner Grundstücke.596 Unbeachtlich ist nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls, ob die durch die vorausgegangene Anteilsvereinigung ausgelösten Erwerbsvorgänge besteuert oder durch diese Anteilsvereinigung mangels Grundbesitz im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung kein Erwerbsvorgang verwirklicht wurde oder das Beteiligungsverhältnis schon seit Gründung der Gesellschaft bestand.597 Beispiel 117: A ist Alleingesellschafter der A GmbH. Die A GmbH erwirbt 90 % der Anteile an der grundbesitzenden G GmbH von B.

Ausgangsstruktur

Struktur nach 1. Übertragung

A

B

B

A

100 %

100 %

A GmbH 100 %

A GmbH 10 %

G GmbH

90 % G GmbH

Abb. 101 Es kommt zu einer unmittelbaren Übertragung vereinigter Anteile auf die A GmbH. Aufgrund des Anwendungsvorrangs ist jedoch ggf. nur § 1 Abs. 2b GrEStG einschlägig.

596 Gleich lautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. 1999, 991 Tz. 3. Dieser Erlass ist weiterhin anwendbar, s. Gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 11.3.2022, IV A 2-O 2000/21/10005:001, FMNR202200488, Ordnungsnummer: 1334. 597 Gleich lautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. 1999, 991 Tz. 3 unter Bezugnahme auf BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408.

Joisten | 455

3.792

Kap. 3 Rz. 3.792 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Fortsetzung: A erwirbt die Anteile von der A GmbH.

Struktur nach 1. Übertragung B

A

Struktur nach 2. Übertragung B

A

100 %

100 %

A GmbH 10 %

90 %

A GmbH 10 %

G GmbH

90 % G GmbH

Abb. 102 Der Anteilserwerb stellt eine Anteilsverstärkung dar, die nicht grunderwerbsteuerbar ist. Allerdings unterliegt die Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Steuer, da nach Auffassung der Finanzverwaltung keine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung vorliegt. Vermieden werden kann tatbestandlich § 1 Abs. 2b GrEStG, indem sich A bereits im Zeitpunkt des Erwerbs durch die A GmbH zumindest mit einem Anteil an der G GmbH erwirbt und somit zum Altgesellschafter der G GmbH wird.

8. Seitwärtsübertragungen bereits vereinigter Anteile

3.793 Während Verkürzungen (Verstärkungen einer Anteilsvereinigung) durch Anteilskettenverkürzungen keine Grunderwerbsteuer aufgrund einer Anteilsvereinigung oder aber aufgrund der Übertragung bereits vereinigter Anteile nach sich ziehen, sind Seitwärtsbewegungen (z.B. Konzernmutter verschmilzt Schwestergesellschaften, wobei die untergehende Gesellschaft zu mindestens 90 % an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligt ist) grunderwerbsteuerbar, da es hierdurch zu einer Änderung der Zuordnung des Grundstücks zu einem anderen Rechtsträger kommt. Für solche Fälle ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Begünstigungsvorschrift einschlägig sind. III. Wirtschaftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3a GrEStG)

3.794 Mit § 1 Abs. 3a GrEStG wurde ein neuer, rechtsformneutraler und nach Auffassung der Finanzverwaltung eigenständiger598 Fiktionstatbestand eingeführt. Die fiktiven 598 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078.

456 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.797 Kap. 3

Grundstückserwerbe entsprechen denen des § 1 Abs. 3 GrEStG. Mit der Regelung sollen insbesondere Erwerbsvorgänge mit sog. Real Estate Transfer Tax Blocker-Strukturen (RETT-Blocker) erfasst werden. RETT-Blocker zielen darauf ab, bei einem Rechtsträgerwechsel die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung eines inländischen Grundstücks durch Zwischenschaltung eines fremden Drittens, der wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, zu verhindern. Die Regelung ist rechtsformneutral und gilt für grundbesitzende KapGes. und PersGes. gleichermaßen. Nach § 1 Abs. 3a GrEStG gilt subsidiär, d.h. soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a, 2b und 3 nicht in Betracht kommt, als Rechtsvorgang i.S.d Abs. 3 auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft (wiederum im grunderwerbsteuerlichen Sinne), innehat. Streitig ist, ob für das Tatbestandsmerkmal „Innehaben“ der Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts ausreicht oder ob der Übergang des rechtlichen Eigentums an den Gesellschaftsanteilen erforderlich ist.599 Die wirtschaftliche Beteiligung kann nach Auffassung der Finanzverwaltung in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden.600 Dies bedeutet, dass das Merkmal „Innehaben“ sowohl beim Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts als auch beim Eigentumsübergang (Abtretung der Anteile) erfüllt sein kann und der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts – wie bei § 1 Abs 3 – gegenüber dem dinglichen Eigentumsübergang vorrangig ist.601 In der Beratungspraxis ist die Auffassung der Finanzverwaltung zu beachten.

3.795

Steuerbar gem. § 1 Abs. 3a GrEStG sind Rechtsvorgänge, die dazu führen, dass ein Rechtsträger erstmalig eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehat. Dabei ist es unerheblich, ob der Rechtsträger diese wirtschaftliche Beteiligung unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar hält. § 1 Abs. 3a GrEStG ist wie § 1 Abs. 3 GrEStG stichtagsbezogen. Die Grundsätze zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG gelten entsprechend. Ebenfalls gilt, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG nur dann nicht anzuzeigen ist, wenn ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a, 2b, 3 GrEStG zeitgleich verwirklicht wurde.

3.796

Die wirtschaftliche Beteiligung stellt auf die unmittelbare und/oder mittelbare Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab (§ 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG). Damit gilt hier nicht die sachenrechtliche Betrachtungsweise. Vielmehr sind alle Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligung am Kapital oder am Vermögen sind die Prozentsätze zu multiplizieren, d. h. es ist unabhängig von der Gesellschaftsform durch die verschiedenen Beteiligungsebenen „durchzurechnen“. Die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen eines Rechts-

3.797

599 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1327. 600 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078. 601 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1327.

Joisten | 457

Kap. 3 Rz. 3.797 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

trägers an der grundbesitzenden Gesellschaft werden für die Ermittlung der maßgeblichen wirtschaftlichen Beteiligung zusammengerechnet, d.h. die wirtschaftliche Gesamtbeteiligung ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen. Hat durch einen Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG ein Rechtsträger insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % erstmals inne, ist § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht.602

3.798 Beispiel 118: A vereinigt über nachfolgend dargestellte Beteiligungskette die Anteile an der G KG. Nunmehr überträgt A die Anteile an der A GmbH auf die A KG.

A

100 %

A KG 94 % A GmbH 100 % 100 % B Komplementär 0% 100 %

B KG 94,5 %

G Komplementär 0% G KG

Abb. 103

602 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078.

458 | Joisten

6%

5,5 %

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.800 Kap. 3 Die A KG vereinigt die Anteile an der G KG nicht i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, da sie bereits mehr als 90 % an der G KG hält. § 1 Abs. 3 GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung ist nicht einschlägig, da die A GmbH aufgrund der fortbestehenden Beteiligung des A i.H.v. 5,5 % nicht mindestens 95 % der Anteile an der G KG in ihrer Hand vereinigt. Es ist jedoch § 1 Abs. 3a GrEStG einschlägig, da die A KG nunmehr erstmalig eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. 94,9 % innehat (vorher: 88,83 %).

IV. Aufeinanderfolgen von Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und wirtschaftlicher Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) Soweit keine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG in Betracht kommt, ist stets die Frage zu stellen, ob ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG vorliegen kann. Einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG nachfolgen.603 Die Finanzverwaltung und Teile der Kommentarliteratur vertreten die Auffassung, dass auch einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ein steuerbarer Erwerb nach § 1 Abs. 3a GrEStG nachfolgen kann.604 Nach vorzugswürdiger anderer Ansicht ist § 1 Abs. 3a GrEStG nur ein unselbständiger Annextatbestand, der einen Erwerbsvorgang nach § Abs. 3 GrEStG fingiert, d.h. „auch eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung ist eine Anteilsvereinigung.“605

3.799

Folgt einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ein Rechtsvorgang, aufgrund dessen ein Rechtsträger erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % innehat, so unterliegt dieser Vorgang nach streitiger Auffassung der Finanzverwaltung der Besteuerung nach § 1 Abs. 3a GrEStG auch dann, wenn dem Erwerber der Grundbesitz der Gesellschaft bereits aufgrund des vorangegangenen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.606 Die Befürworter dieser Sichtweise leiten dies mittelbar aus § 1 Abs. 6 GrEStG ab, wonach ein in § 1 Abs. 3 GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann unterliegt, wenn ihm ein Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG vorausgegangen ist.607 Dies erfordert ein zeitliches Auseinanderfallen zwischen dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG. Bei Zeitgleichheit kommt es zu einem vorrangigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Sichtweise abzulehnen. Mit Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist der Grundbesitz für grunderwerbsteuerliche Zwecke nicht mehr der zivilrechtlichen Eigentümerin zuzurechnen. Ein nachfolgender Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG kann tatbestandlich somit nicht mehr erfüllt werden.

3.800

603 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.9.2018, Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG, BStBl. I 2018, 1078. 604 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 1; MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1344; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 193. 605 Behrens, DStR 2013, 1405 (1408); Joisten/Liekenbrock, Ubg 2013, 469 (478); Schaflitzl/ Schrade, BB 2013, 343 (346); Wagner/Lieber, DB 2013, 1387 (1389); Wagner/Mayer, BB 2014, 279 (286); Glutsch/Meining, GmbHR 2013, 743 (744). Zur teleologischen Reduktion: Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 446 ff. 606 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 1. 607 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1344.

Joisten | 459

Kap. 3 Rz. 3.801 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

3.801 Beispiel 119: An der M GmbH sind X zu 50 %, Y zu 40 % und Z zu 10 % beteiligt. Die M GmbH ist zu 90 % an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt. Weiterer Gesellschafter mit 10 % ist der C. Im Jahr 2023 erwirbt X die Anteile von Y. Im Jahr 2024 erwibt X zudem die von C gehaltenen 10 % der Anteile an der G GmbH. Zum Vermögen der G GmbH gehörte durchgehend dasselbe Grundstück.

2023: Verkauf Geschäftsanteile

Y

X

50 %

C

Struktur nach Verkauf

40 %

10 %

10 %

G GmbH

X

Y

Z

90 %

10 %

M GmbH 10 %

90 % G GmbH

460 | Joisten

90 % G GmbH

2024: Verkauf Geschäftsanteile

Abb. 104

10 %

M GmbH

90 %

C

Z

90 %

C

M GmbH 10 %

Y

X

Z

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.803 Kap. 3 Im Jahr 2023 haben sich in der Hand des X 90 % der Anteile an der M GmbH, die wiederum 90 % der Anteile an der grundstücksbesitzenden G GmbH innehat, vereinigt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist verwirklicht. Im Jahr 2024 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht, weil lediglich eine Aufstockung der bereits bestehenden Beteiligung von 90 % auf 100 % erfolgt, sodass nach Auffassung der Finanzverwaltung der Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht gegeben ist. Die Aufstockung der Anteile führt nach Auffassung der Finanzverwaltung somit erstmalig zu einer wirtschaftlichen Beteiligung von 91 % (= 90 % × 90 % + 10 %) des X an der grundbesitzenden G GmbH (vorher: 90 % × 90 % = 81 %), sodass § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht ist.608 Wegen angenommener Grundstücks- und Erwerberidentität ist § 1 Abs. 6 GrEStG anzuwenden. Soweit Wertsteigerungen erfolgt sind, unterliegen diese der Besteuerung.

Ist einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG ein anderer grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang (§ 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG) vorausgegangen, so wird bei gegebener Grundstücksidentität die Steuer gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für den nachfolgenden Rechtsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Gleiches gilt, wenn ein steuerbarer Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG einem steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG nachfolgt. In diesen Fällen liegt aufgrund der Fiktionen des Grunderwerbsteuerrecht die erforderliche Erwerberidentität vor. Eine Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG in Bezug auf die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG kommt nicht in Betracht, da den Fiktionen jeweils der Erwerb durch eine neue PersGes. bzw. KapGes. zugrunde liegt, eine Erwerberidentität somit tatbestandlich ausgeschlossen ist.

3.802

Beispiel 120: A erwirbt im Jahr 2022 90 % der Anteile an der nicht grundbesitzenden M GmbH von Z. Im Januar 2023 erwirbt A 1 % der Anteile an der G GmbH von C. Im Februar 2023 erwirbt die M GmbH 90 % der Anteile an der grundbesitzenden G GmbH. Im Jahr 2024 erwirbt A 89 % der Anteile an der grundbesitzenden G GmbH von der M GmbH. Zum Vermögen der G GmbH gehört durchgehend dasselbe Grundstück.

3.803

608 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Beispiel 8.

Joisten | 461

Kap. 3 Rz. 3.803 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen 2022: Verkauf 90 % Geschäftsanteile

A

Januar 2023: Verkauf 1 % Geschäftsanteile

Z

100 %

C

A

90 %

C

M GmbH

10 %

M GmbH

100 %

100 % G GmbH

A

1%

C

G GmbH

A

Z

90 %

10 %

1%

C

M GmbH

9%

Z

Februar 2023: Verkauf 90 % Geschäftsanteile

90 %

G GmbH

Z

90 %

90 %

10 %

M GmbH 1%

9% G GmbH

462 | Joisten

10 %

90 % 2024: Verkauf 89 % Geschäftsanteile

9%

A

Abb. 105

90 % M GmbH

G GmbH

C

Z

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.805 Kap. 3 Im Jahr 2022 liegt mangels grundbesitzender Gesellschaft kein grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang vor. Im Januar wird lediglich 1 % an der G GmbH übertragen. Im Februar 2023 liegt eine steuerbare Anteilsübertragung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auf die M GmbH vor, wobei wiederum der Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 2b GrEStG zu beachten ist. Im Jahr 2024 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht, weil lediglich eine Verstärkung der bereits bestehenden teils unmittelbaren, teils mittelbaren Beteiligung von 91 % zu einer unmittelbaren Beteiligung von 91 % erfolgt. Die Verstärkung führt aber erstmalig zu einer wirtschaftlichen Beteiligung des A i.H.v. 90 % an der grundbesitzenden G GmbH (§ 1 Abs. 3a GrEStG), da er vor der Übertragung durchgerechnet nur zu 82 % beteiligt war. Nach der Übertragung in 2024 beträgt die wirtschaftliche Beteiligung 91 %. Mangels Erwerberidentität (im Jahr 2023: M GmbH; im Jahr 2024: A) ist § 1 Abs. 6 GrEStG nicht anwendbar. Ob der Vorgang besteuert werden darf, hängt von der streitigen Frage ab, ob eine Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG eine Verwirklichung des § 1 Abs. 3a GrEStG sperrt oder nicht (s. Rz. 3.799).

V. Sonderfälle der Anteilsvereinigung 1. Neuabschluss und Vertragsübernahme Für den Fall, dass die Parteien eines Anteilskaufvertrags vor dessen Vollzug mit einem Dritten vereinbaren, dass dieser an die Stelle des Käufers treten solle, liegt entweder eine Vertragsübernahme durch den Dritten oder ein Neuabschluss des Kaufvertrages mit dem ursprünglichen Veräußerer vor. Eine Vertragsübernahme liegt dann vor, wenn sich die Beteiligten im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken, während die Änderung des Anteilskaufvertrags in weiteren Punkten, insbesondere mit Blick auf den Vertragsgegenstand und den Kaufpreis, einem Neuabschluss eines Anteilskaufvertrages zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten gleichkommen kann. Neuabschluss und Vertragsübernahme unterscheiden sich dabei nicht darin, zwischen welchen Personen bei der Vertragsdurchführung zivilrechtlich der Inhaberwechsel an den Anteilen stattfindet, weil sich der Eigentumsübergang in beiden Fällen rechtsnotwendig zwischen dem ursprünglichen Veräußerer als dem bisherigen Anteilsinhaber und dem Dritten vollzieht. Beide Alternativen unterscheiden sich allerdings darin, zwischen welchen Personen grunderwerbsteuerrechtlich maßgebliche Rechtsträgerwechsel stattfinden.

3.804

Im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts wird zunächst ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Beim Neuabschluss kommt es zunächst zu einer Aufhebung dieses Rechtsgeschäfts, wobei sich die Möglichkeit einer Nichtfestsetzung bzw. Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 GrEStG richtet. Nachfolgend wird wiederum ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Bei der Vertragsübernahme ist der Vorgang ggf. nach § 1 Abs. 2b GrEStG, nicht jedoch nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG unterliegt der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen der Grunderwerbsteuer. Der Tatbestand ist jedoch ausgeschlossen, wenn dem Übergang der Anteile ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, durch das ein Anspruch auf Übertragung der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG begründet wurde.609

3.805

609 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748 Rz. 21.

Joisten | 463

Kap. 3 Rz. 3.806 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

2. Formwechsel und Anteilsvereinigung a) Quotenwahrender heterogener Formwechsel

3.806 Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel (genauer: formwechselnde Umwandlung) eine andere Rechtsform erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 190 ff. UmwG). Handelsrechtlich ist der Formwechsel für nachfolgend aufgeführte Rechtsformen zulässig. Andere Formwechsel, bspw. derjenige eines Einzelunternehmens, sind nicht möglich, selbst wenn das Handelsregister dies fälschlicherweise eintragen sollte. GbR

PersHG

PartG

GmbH

AG KGaA

eG

PersHG/PartG

+

+

+

+

+

+

+

GmbH inkl. UG

+

+

+

-

+

+

+

AG

+

+

+

+

-

+

+

KGaA

+

+

+

+

+

-

+

eG

-

-

-

+

+

+

-

eV/wirtsch. Verein

-

-

-

+

+

+

+

VVaG

-

-

-

-

+

-

-

Körpersch./Anstalt des öff. Rechts

-

-

-

+

+

+

-

von/auf

3.807 Bei einem Formwechsel innerhalb derselben Normstruktur liegt ein sog. „homogener Formwechsel“ vor (z.B. OHG in KG als Formwechsel zwischen PersGes. oder AG in GmbH als Formwechsel zwischen KapGes.). Erfolgt der Formwechsel in eine Rechtsform anderer Normstruktur (z.B. KG in GmbH oder AG in OHG), spricht man von einem sog. „heterogenen Formwechsel“. Eine formwechselnde Umwandlung führt nicht zum Erlöschen des ursprünglich bestehenden und zum Entstehen eines neuen Rechtsträgers (Identität des Rechtsträgers; vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Vielmehr besteht vor und nach dem Formwechsel ein und dasselbe Rechtssubjekt. Diese zivilrechtlichen Vorgaben sind, vorbehaltlich steuerrechtlicher Sonderregelungen wie bspw. im Umwandlungssteuerrecht, auch maßgebend für das Steuerrecht.610 3.808 Kennzeichnend für eine formwechselnde Umwandlung ist, dass an ihr nur ein Rechtsträger beteiligt ist, es nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen Rechtsträgers kommt, noch es der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände bedarf. D.h., zivilrechtlich findet beim Formwechsel keine Vermögensübertragung statt. Die formwechselnde Umwandlung wird durch das Prinzip der Identität des Rechtsträgers (rechtliche Identität), der Kontinuität seines Vermögens (wirtschaftliche Identität) und der Diskontinuität seiner Verfassung bestimmt.611 Der Formwechsel beschränkt sich somit auf die Änderung der Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung seiner rechtlichen Identität. Grundsätzlich wird der Kreis der Anteilsinhaber dabei beigehalten, wobei stets das Ausscheiden des vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementärs zu beachten ist. 610 BFH v. 30.9.2003 – III R 6/02, BStBl. II 2004, 85. 611 BFH v. 30.9.2003 – III R 6/02, BStBl. II 2004, 85.

464 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.811 Kap. 3

Die Umwandlung wird mit Eintragung des Formwechsels in das Register des Rechtsträgers neuer Rechtsform wirksam (§ 198 Abs. 2 i.V.m. § 202 UmwG). Die Eintragung beim formgewechselten Rechtsträger ist lediglich Eintragungsvoraussetzung beim Register des Rechtsträgers neuer Rechtsform. Der Formwechsel hat keinen Rechtsträgerwechsel zur Folge und unterliegt folglich nicht der Grunderwerbsteuer. Dass ertragsteuerlich eine Übertragung fingiert wird, ist für die Grunderwerbsteuer unerheblich. Dies gilt unabhängig von der Art des Formwechsels, also sowohl für einen (quotenwahrenden) homogenen als auch (quotenwahrenden) heterogenen Formwechsel. Bei quotenverschiebenden Formwechseln ist jedoch zu differenzieren.

3.809

Ein quotenwahrender, heterogener Formwechsel von einer Personen- in eine KapGes. führt nicht zu einer dinglichen Anteilsvereinigung, da es an einer „Übertragung“ von Anteilen mangelt. Der Formwechselbeschluss stellt zudem keinen Anspruch i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG dar. Einen Erwerbsvorgang könnte man deshalb annehmen, da es durch den Rechtsformwechsel zu einer erstmaligen Zurechnung von Grundbesitz i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG zugunsten eines Anteilseigners des grundbesitzenden Rechtsträger kommen kann. Da sich in Bezug auf den Kreis der Anteilsinhaber allerdings keine Veränderung ergibt, ist mangels „Übertragung“ der Tatbestand der Anteilsvereinigung nicht erfüllt. Insofern ist zwar denkbar, dass § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllt ist. Dieser setzt aber ebenfalls eine „Übertragung“ voraus, an der es bei einem Formwechsel (anders bspw. als bei einer Kapitalerhöhung) mangelt.

3.810

Beispiel 121: A und B sind gemeinsam an einer grundbesitzenden PersGes. G KG beteiligt. Die G KG wird in eine KapGes. (G GmbH) formgewechselt.

3.811

90 %

Formwechsel

A

B

A

10 %

G KG

B

90 %

10 %

G GmbH

Abb. 106 Zwar ist A zu (mindestens) 90 % an der G KG beteiligt. Aufgrund der Pro-Kopf-Betrachtung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG ist ihm das Grundstück der G KG jedoch nicht i.S.d. § 1 Abs. 3

Joisten | 465

Kap. 3 Rz. 3.811 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen GrEStG zuzurechnen. Die Anteile sind bei A i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG vereinigt, was nach Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht hindert, dass nachfolgend noch der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden kann. Durch den Formwechsel entfällt die ProKopf-Betrachtung, sodass A nunmehr (mindestens) 90 % der Anteile an der G GmbH in seiner Hand vereinigt. Mangels Übertragung von Anteilen ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG (dennoch) nicht erfüllt.

3.812 Ein Formwechsel ist zwar auch dann quotenwahrend, wenn einem nicht an dem formgewechselten Rechtsträger vermögensmäßig beteiligten Rechtsträger (bspw. dem Komplementär einer Kommanditgesellschaft) kein Anteil an dem formgewechselten Rechtsträger zugesprochen wird. Scheidet im Zuge des Formwechsels der an der grundbesitzenden KG vermögensmäßig nicht beteiligte Komplementär aus, so kann das Argument der fehlenden „Übertragung“ allerdings angezweifelt werden, sodass in diesem Fall durchaus eine Anteilsvereinigung denkbar ist.612 Es bietet sich folglich an, den Komplementär vorab an der Kommanditgesellschaft zu beteiligen, um diesem Risiko vorzubeugen, da ein „anteilsloser“ Gesellschafter bei einer KapGes. nicht möglich ist. Zur Lösung bietet sich an, den vermögensmäßig nicht beteiligten Gesellschafter vorab bspw. treuhänderisch für den bisherigen Alleingesellschafter an der Kommanditgesellschaft zu beteiligen. Nach dem Formwechsel kann der Anteil auf den Treugeber zurückübertragen werden, da sodann eine unschädliche Anteilsverstärkung vorliegt. Im Übrigen erübrigt sich diese absichernde Maßnahme, sollte es zukünftig zu einer Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung auf unmittelbarer Ebene grundbesitzender PersGes. kommen. b) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft

3.813 Allerdings kann ein Formwechsel auch „quotenverschiebend“ erfolgen, wobei beim Formwechsel keine neuen Gesellschafter eintreten können. Es können lediglich Quotenverschiebungen zwischen bereits beteiligten Gesellschaftern stattfinden, um bspw. den Wegfall von Sonderrechten zu kompensieren. Durch die Verschiebung kommt es zu einer „Übertragung“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Mit Eintragung im Register des Rechtsträgers neuer Rechtsform kann daher der Tatbestand i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zugunsten des erstmals zu mindestens 90 % beteiligten Gesellschafters erfüllt werden. Im Umfang der Quotenverschiebung dürfte ein vom Formwechsel zu trennender selbständiger Rechtsakt vorliegen, so dass im Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister des Rechtsträgers neuer Rechtsform der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht wird. Unerheblich ist dies, sofern durch die Quotenverschiebung keine tatbestandsrelevante Beteiligungsgrenze überschritten wird. Wird durch die Quotenverschiebung aber die tatbestandsrelevante Beteiligungsgrenze (mittelbar oder unmittelbar) an einer grundbesitzenden Gesellschaft überschritten, dürfte es zu einem steuerbaren Erwerbsvorgang aufgrund einer Anteilsvereinigung oder aber Übertragung bereits vereinigter Anteile kommen. Nicht eindeutig ist hingegen, wonach die Quote zu bestimmen ist.

612 FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, juris.

466 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.815 Kap. 3

Für die Frage, ob ein Formwechsel quotenwahrend ist, kann einerseits die vermögensmäßige Beteiligung (Alternative 1) des Gesellschafters an der formwechselnden Gesamthand mit der Höhe der Beteiligung an der formgewechselten KapGes. verglichen werden. Regelmäßig dürfte sich die Höhe der Beteiligung an dem formgewechselten Rechtsträger nach der vormaligen vermögensmäßigen Beteiligung am formwechselnden Rechtsträger bestimmen. Dann käme es auf den Anteil i.S.v. § 1 Abs. 3 GrEStG an der formwechselnden PersGes. nicht an. Denn § 1 Abs. 3 GrEStG stellt nicht auf die vermögensmäßige Beteiligung ab. Wenn § 1 Abs. 3 GrEStG von Anteil redet, meint er damit den Geschäftsanteil (Alternative 2). Dieser ist aber nicht gleichbedeutend mit der vermögensmäßigen Beteiligung. Daher ist nur auf den Anteil am Stammkapital (GmbH) bzw. den Anteil am Festkapital (PersGes.) abzustellen.

3.814

Beispiel 122: An der grundbesitzenden G KG sind als Komplementärin A mit 11 % vermögensmäßiger Beteiligung und 10 % der Geschäftsanteile (Anteil am Festkapital) sowie B als Kommanditist mit 89 % vermögensmäßiger Beteiligung und 90 % der Geschäftsanteile (Anteil am Festkapital) beteiligt. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 1.8.2023 soll die G KG in die G GmbH formwechselnd umgewandelt werden. Anteilseigner der G GmbH werden A mit nunmehr 10 % vermögensmäßiger Beteiligung sowie 10 % der Geschäftsanteile und B mit 90 % vermögensmäßiger Beteiligung sowie 90 % der Geschäftsanteile. Der Formwechsel wird am 29.9.2023 in das Handelsregister der G GmbH eingetragen.

3.815

B

A

11 % verm. Bet. 10 % Geschäftsanteil

89 % verm. Bet. 90 % Geschäftsanteil G KG

Formwechsel

A

B

10 % verm. Bet. 10 % Geschäftsanteil

90 % verm. Bet. 90 % Geschäftsanteil G GmbH

Abb. 107

Joisten | 467

Kap. 3 Rz. 3.815 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Der Formwechsel unterliegt auf Ebene des formgewechselten Rechtsträgers (G KG) mangels Rechtsträgerwechsels nicht der Grunderwerbsteuer. Ob es zu einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommt, hängt davon ab, wie der Anteilsbegriff i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zu verstehen ist. Alternative 1: Da B nach dem Formwechsel erstmals mit mindestens 90 % vermögensmäßig beteiligt ist, löst der Formwechsel Grunderwerbsteuer aus. Aufgrund des Formwechsels wird dem B erstmals der Grundbesitz der G GmbH zugerechnet (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Da es sich hierbei um einen quotenverschiebenden heterogenen Formwechsel handelt, unterliegt diese erstmalige Zurechnung des Grundbesitzes im Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister der G GmbH (29.9.2022) der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Alternative 2: Aufgrund des Wechsels von der Pro-Kopf-Betrachtung zur Betrachtung der Beteiligung am Gesellschaftskapital kommt es ebenfalls erstmals zu einer Anteilsvereinigung. Diese beruht jedoch nicht auf einer Übertragung von Anteilen i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, sodass der Formwechsel nicht grunderwerbsteuerbar sein sollte.

3.816 Beispiel 123: An der grundbesitzenden G KG sind als Komplementärin die K GmbH ohne Anteil am Festkapital sowie die AB OHG als Kommanditist mit alleiniger vermögensmäßiger Beteiligung und 100 % der Geschäftsanteile (Anteil am Festkapital) beteiligt. Alleinige Gesellschafter der AB OHG sind A mit 11 % vermögensmäßiger Beteiligung und 10 % der Geschäftsanteile (Anteil am Festkapital) sowie B mit 89 % vermögensmäßiger Beteiligung und 90 % der Geschäftsanteile (Anteil am Festkapital). Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 1.8.2023 soll die AB OHG in die AB GmbH formwechselnd umgewandelt werden. Anteilseigner der AB GmbH werden A mit nunmehr 10 % vermögensmäßiger Beteiligung sowie 10 % der Geschäftsanteile und B mit 90 % vermögensmäßiger Beteiligung sowie 90 % der Geschäftsanteile. Der Formwechsel wird am 29.9.2022 in das Handelsregister der G GmbH eingetragen.

468 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.816 Kap. 3

A

B

11 % verm. Bet. 10 % Geschäftsanteil

89 % verm. Bet. 90 % Geschäftsanteil

AB OHG

Formwechsel

K GmbH

B KG

A

B

10 % verm. Bet. 10 % Geschäftsanteil

90 % verm. Bet. 90 % Geschäftsanteil AB GmbH

K GmbH

B KG

Abb. 108 Der Formwechsel unterliegt auf Ebene des formgewechselten Rechtsträgers (AB OHG) mangels Rechtsträgerwechsels nicht der Grunderwerbsteuer. Da auf mittelbarer Ebene die ProKopf-Betrachtung keine Anwendung findet, kommt es durch den Formwechsel nicht erstmals zu einer Anteilsvereinigung. Zudem würde diese nicht auf einer Übertragung von Anteilen

Joisten | 469

Kap. 3 Rz. 3.816 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG beruhen, sodass der Formwechsel auch aus diesem Grunde nicht grunderwerbsteuerbar sein sollte.

3.817 Ein durch einen quotenverschiebenden, heterogenen Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. ausgelöster Erwerbsvorgang kann zwar grds. weder nach den §§ 5, 6 GrEStG begünstigt sein. Auch eine begünstigte Umwandlung i.S.d. § 6a Satz 1 GrEStG liegt nicht vor, da hiernach nur Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG begünstigt sind. Zwar kann es sich nach hier vertretener Auffassung um einen anderen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage i.S.d. § 6a GrEStG handeln. Aufgrund der Anforderungen des § 6a Satz 3 GrEStG kann dieser jedoch nicht begünstigt sein. c) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft

3.818 Ein quotenverschiebender heterogener Formwechsel einer KapGes. in eine PersGes., der potenziell der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist aufgrund der Pro-Kopf-Betrachtung nicht möglich. Der Formwechsel einer an einer grundbesitzenden PersGes. beteiligten KapGes. in eine PersGes. ist insofern ohne Besonderheiten, da die Pro-KopfBetrachtung auf mittelbarer Ebene keine Anwendung findet. 3. Eigene Anteile

3.819 Für die grunderwerbsteuerrechtliche Betrachtung nach § 1 Abs. 3 GrEStG werden die im Besitz einer Gesellschaft selbst befindlichen Anteile (eigene Anteile) nicht berücksichtigt. Von einer Gesellschaft unmittelbar gehaltene eigene Anteile bleiben bei der Beurteilung der Frage, ob Anteile an ihr in erforderlicher Höhe auf einen anderen Rechtsträger übertragen wurden, unberücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass der grunderwerbsteuerliche Tatbestand der Übertragung vereinigter Anteile immer dann erfüllt ist, wenn mindestens 90 % der nicht im eigenen Vermögen befindlichen Anteile übertragen werden.613 Dies gilt sowohl hinsichtlich eigener Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft selbst als auch hinsichtlich eigener Anteile zwischengeschalteter Gesellschaften. Eigene Anteile sind daher für die Ermittlung der tatbestandsrelevanten Quote von 90 % „herauszurechnen“. Eine rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung liegt auch dann vor, wenn eine grundbesitzende KapGes. eigene Anteile erwirbt und hierdurch ein Gesellschafter, unter Herausrechnung der eigenen Anteile der Gesellschaft, die Schwelle von 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft überschreitet. Das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung begründet (bspw. der Kaufvertrag) ist auch in diesem Fall darauf gerichtet, dass der verbleibende Gesellschafter eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück erwirbt. Zivilrechtlich kann eine GmbH zwar eigene Anteile halten (§ 33 Abs. 2 und 3 GmbHG); dies ändert aber nichts daran, dass sie begrifflich keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Gesellschafter, der mindestens 90 % der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile an dieser hält, beherrscht somit das Vermögen der Gesellschaft in 613 BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053.

470 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.821 Kap. 3

gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Anteile zustünden. Dieselben Grundsätze gelten gleichermaßen im Rahmen für die dingliche Anteilsvereinigung.614 In der Praxis genügt es somit nicht zu prüfen, ob ein Gesellschafter mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft hält. Zusätzlich ist zu prüfen, ob die übrigen Anteile nicht zugleich eigene Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft sind. 4. Wechselseitige Beteiligungen und Einheitsgesellschaften Wechselseitige Beteiligungen sind wie „eigene gehaltene Anteile“ zu behandeln und somit bei der Berechnung des für § 1 Abs. 3 GrEStG maßgeblichen Quantums i.H.v. 90 % auszuscheiden und nicht zu berücksichtigen.615 Dies ist der Fall, wenn Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft von einer mindestens 90%igen Tochtergesellschaft gehalten werden. Dies ergibt sich aus der grunderwerbsteuerspezifischen Zurechnung von Beteiligungen bei der Obergesellschaft, die mindestens 90 % der Anteile an einer anteilsbesitzenden Gesellschaft hält,616 da es keinen Unterschied macht, ob die grundbesitzende Gesellschaft unmittelbar selbst oder mittelbar über von ihr beherrschte Gesellschaften eigene Anteile hält.

3.820

Beispiel 124: A ist zu 80 % an der A GmbH beteiligt. Die restlichen 20 % an der A GmbH hält die grundbesitzende G GmbH, eine 100%ige Tochtergesellschaft der A GmbH. A veräußert seine Anteile an der A GmbH an den B.

3.821

A

Verkauf

B

80 % A GmbH

100 %

20 %

G GmbH

Abb. 109 614 BFH v. 20.1.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553. 615 OFD NRW v. 28.10.2013, DB 2013, 2831; BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BFH/NV 2014, 450. 616 Oberfinanzdirektion Münster v. 1.12.2010 – S 4501-46-St 24-35, FMNR5f0430010.

Joisten | 471

Kap. 3 Rz. 3.821 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Mit der Übertragung von 80 % der Anteile an der A GmbH von A an B wird der Tatbestand der rechtsgeschäftlichen Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) bezogen auf den der G GmbH gehörenden Grundbesitz erfüllt, da die 20 %, die die G GmbH an der A GmbH hält, bei der Berechnung des für § 1 Abs. 3 GrEStG maßgeblichen Quantums i.H.v. 90 % wie eigene gehaltene Anteile auszuscheiden und nicht zu berücksichtigen sind. D. h. die von A an B veräußerten 80 % an der M GmbH entsprechen einer Beteiligung von A an der A GmbH i.H.v. 100 %.

3.822 Ungeklärt ist bislang, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen die Obergesellschaft in geringerem Umfang (d.h. unterhalb der „Zurechnungsschwelle“ von 90 %) an der Untergesellschaft beteiligt ist, die die Rückbeteiligung an ihr hält. Eine Beteiligung unterhalb dieser Schwelle vermittelt nicht die von § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzte Herrschaftsmacht und sollte deshalb eine Anteilsvereinigung ausschließen.617 Dessen ungeachtet ist in derartigen Fällen parallel zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3a GrEStG vorliegt. 3.823 In den Fällen einer sog. Einheitsgesellschaft, die in der Regel in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG auftritt, bei der die GmbH als Komplementärin nicht am Vermögen der GmbH & Co. KG beteiligt ist, während die GmbH & Co. KG selbst 100 % der Anteile der Komplementär GmbH hält, liegt gleichfalls eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG vor, wenn die Kommanditanteile in einer Hand vereinigt werden.618 Zwar ist der Kommanditist in einem solchen Fall nicht unmittelbar an der GmbH beteiligt, sodass sich die Frage stellt, ob eine Anteilsvereinigung vorliegen kann. Es liegt allerdings eine Anteilsvereinigung vor, da der Kommanditist über seine Beteiligung der KG an der Komplementärin unmittelbar und mittelbar alle Anteile in einer Hand vereinigt. 3.824 Beispiel 125: A ist zu 80 %, B zu 20 % als Kommanditist an der G GmbH & Co. KG beteiligt. Komplementärin ist die G GmbH, deren Anteile zu 100 % von der KG selbst gehalten werden (sog. Einheitsgesellschaft). Nun veräußert A seinen Anteil an der der G GmbH & Co. KG an B, sodass dieser alleiniger Kommanditist der KG wird.

617 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GmbHG Rz. 1100; Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1695 f.). 618 BFH, Urt. v. 12.3.2014 – II R 51/12, DStR 2014, 1389.

472 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.825 Kap. 3

Verkauf

B

A

80 %

B

A

20 %

100 %

G GmbH & Co.KG 100 %

0%

G GmbH

G GmbH & Co.KG 100 %

0%

G GmbH

Abb. 110 Durch die Übertragung kommt es zu einer Anteilsvereinigung bei B, da dieser über seine Beteiligung der KG an der Komplementärin unmittelbar und mittelbar alle Anteile in seiner Hand vereinigt.

5. Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung und tatsächlichem Grundstückserwerb Werden zunächst grunderwerbsteuerbar Anteile in einer Hand vereinigt, erwirbt der vereinigende Gesellschafter aufgrund der Fiktionen des Grunderwerbsteuerrechts das Grundstück von der grundbesitzenden Gesellschaft. Schließen Gesellschaft und Gesellschafter später einen Kaufvertrag über das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück, unterliegt der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Steuer für diesen Erwerbsvorgang wird jedoch gem. § 1 Abs. 6 GrEStG nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage für diesen späteren Erwerbsvorgang den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG die Grunderwerbsteuer für das entsprechende Grundstück berechnet wurde. Das Erfordernis der Erwerberidentität ist nicht gewahrt, wenn der Anteilsvereinigung in der Hand einer von einem Alleingesellschafter beherrschten

Joisten | 473

3.825

Kap. 3 Rz. 3.825 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

grundstücksbesitzenden Gesellschaft der Erwerb dieses Grundbesitzes durch den Alleingesellschafter nachfolgt.619 VI. Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen 1. Überblick

3.826 Auch Treuhandgeschäfte sowie Erwerbsvorgänge durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger erlangen für die Grunderwerbsteuer Bedeutung, sofern sie sich auf Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz beziehen. Wird hinsichtlich eines Gesellschaftsanteils ein Treuhandverhältnis begründet, ist für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG der Treuhänder unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter.620 Bei der Frage, ob alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden, sind daher von Treuhändern gehaltene Anteile beim Treugeber zu berücksichtigen.621 Die Obersten Finanzbehörden der Länder haben hierzu ausführlich in einem Erlass Stellung genommen.622 3.827 Treuhänder bzw. Treunehmer ist grds., wer von einem anderen, dem Treugeber, Vermögensrechte (z.B. an Gesellschaftsanteilen) zu eigenem Recht erworben hat und diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse (auf fremde Rechnung) ausübt. Der unentgeltliche Auftrag (§ 662 BGB) sowie der entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) verpflichten den Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger, ein ihm vom Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn übertragenes Geschäft, z.B. den Erwerb und/oder die Verwertung von Gesellschaftsanteilen, für diesen vorzunehmen. Somit können Treuhandverhältnisse auch einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklichen, wobei stets der Vorrang der § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG zu beachten ist. 3.828 Einen typischen Treuhandvertrag gibt es bürgerlich-rechtlich nicht. Zwar existieren Regelungen, die auf das Bestehen eines Treuhandverhältnisses Bezug nehmen, doch weder Zivil- noch Steuerrecht enthalten eine feststehende und explizite, über Einzelaspekte hinausgehende Rechtsfolgen bestimmende begriffliche Definition. Daher verkörpern sich Treuhandverhältnisse in den unterschiedlichsten Erscheinungstypen.623 Übereinstimmendes Merkmal aller Treuhanddefinitionen der rechtsgeschäftlich ausgestalteten Treuhandschaft ist das Vorhandensein eines „Treugebers“ und mind. eines „Treuhänders“, dem der Treugeber nach außen hin eine Rechtsmacht einräumt, die im Innenverhältnis durch einen Treuhandvertrag (bzw. eine Treuhandvereinbarung) 619 OFD Chemnitz v. 15.7.1996 – S 4501-6/1-St 34, BeckVerw 155914. 620 Vgl. BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 Rz. 16; v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 Rz. 14. 621 Vgl. BFH v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81 Rz. 17 in juris; v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412 Rz. 14 f. m.w.N. 622 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 623 Vgl. Brockmeyer/Ratschow in Klein16, § 39 AO Rz. 33; Richter/Rösch, BBV 2005, 15.

474 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.830 Kap. 3

begrenzt ist. Infolgedessen muss der Inhalt der Treuhandabrede stets im Einzelfall sachverhaltsbezogen festgestellt und grunderwerbsteuerrechtlich gewürdigt werden. Insb. muss gewürdigt werden, ob das Treuhandverhältnis alle Merkmale erfüllt, die für eine grunderwerbsteuerliche Zurechnung der Anteile erforderlich sind (insb. Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Ausübung der Gesellschaftsrechte und jederzeitige Herausgabepflicht).624 Differenziert nach den Zweckvarianten der Treuhand ist zwischen der uneigennützigen und der eigennützigen Treuhand zu unterscheiden. Daneben wird die rechtsgeschäftlich ausgestaltete Treuhand aufgrund der Eigentumsverhältnisse des Treuhänders am Treugut als unechte (bzw. Ermächtigungs- oder Vereinbarungstreuhand) (z.B. Liquidationstreuhand) und echte Treuhand (z.B. Sicherungstreuhand, eigennützige Verwaltungstreuhand im Interesse der Gläubiger des Treugebers) unterschieden. Unter unechten Treuhandverhältnissen versteht man Treuhandverhältnisse, bei denen der Treuhänder bzgl. des Treuguts nur über „treuhänderische Befugnisse“ verfügt. Kennzeichnend ist, dass der Treugeber Vollrechtsinhaber (Eigentümer bzw. Inhaber) des Treuguts bleibt.625 Folglich kommt der unechten Treuhand mangels Übertragungsanspruch bzw. mangels Übertragung von Anteilen grunderwerbsteuerlich keine Relevanz zu. Die Differenzierung zwischen (echter) eigennütziger und uneigennütziger Treuhand ist für grunderwerbsteuerliche Zwecke insoweit von Bedeutung, da bei der uneigennützigen Treuhand regelmäßig auf Grund der Vereinbarung nur die Pflicht des Treuhänders aus Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 662, 675 Abs. 1 BGB) besteht, die Übertragung der Anteile anzunehmen, nicht aber das Recht, diese zu verlangen. Mangels Übertragungsanspruchs des Treuhänders unterliegt die Übertragung der Anteile bei der uneigennützigen Treuhand daher der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG. Hingegen unterliegt im Fall einer echten eigennützigen Treuhand der Abschluss des Treuhandvertrags der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, wenn für den Treuhänder durch Rechtsgeschäft ein Anspruch auf Übertragung begründet wird.626

3.829

2. Begründung und Beendigung von Treuhand- und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen a) Definition Ein echtes Treuhandverhältnis wird durch zweiaktige Rechtsgeschäfte begründet und zeichnet sich neben einer schuldrechtlichen durch eine dingliche Komponente aus.627 Eine echte Treuhand an einer Beteiligung liegt vor, wenn ein Gesellschafter (Treuhänder) Eigentümer der Beteiligung für Rechnung eines anderen in dem Sinne 624 Vgl. BFH v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81 Rz. 17 in juris. 625 Vgl. Richter/Rösch, BBV 2005, 15. Anders als bei der Vereinbarungstreuhand, der ebenfalls das dingliche Element fehlt, ist und bleibt bei der unechten Treuhand der Treugeber Eigentümer des Gesellschaftsanteils. 626 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 627 Vgl. Richter/Rösch, BBV 2005, 16.

Joisten | 475

3.830

Kap. 3 Rz. 3.830 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

ist, dass er die Rechte aus der Beteiligung nur nach Maßgabe einer mit einem Dritten (Treugeber) geschlossenen Treuhandvereinbarung ausüben darf.628 Auch hier gilt: Fallen schuldrechtliche und dingliche Komponente zeitlich auseinander, ist, trotz dessen, dass in der Zukunft ggf. ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG verwirklicht werden wird, zunächst ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG anzuzeigen. b) Treuhandvereinbarung

3.831 Im Zuge einer schuldrechtlichen Vereinbarung, in der die beteiligten Parteien neben dem Treugut und dem Zweck des Geschäfts insb. auch die Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen, verpflichtet sich der (zukünftige) Eigentümer des Treuguts, seine Befugnisse an dem Treugut nur in einer inhaltlich mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise und zur Erreichung des Vertragszwecks auszuüben.629 Die formale (äußere) Rechtsmacht des in eigenem Namen handelnden Treuhänders wird durch die Treuhandvereinbarung im Innenverhältnis zugunsten des Treugebers begrenzt.630 Entscheidende Kriterien sind das Weisungsrecht des Treugebers sowie Vereinbarungen über den Anspruch des Treuhänders auf Vorschuss und Ersatz von Aufwendungen (§§ 669, 670 BGB).631 Dies sind insb. Regelungen zur Befreiung von Haftungsrisiken durch Freistellung oder Erstattung von Aufwendungen,632 die allerdings nur in den durch das Innenverhältnis gezogenen Grenzen gelten.633 c) Rechtszuordnung des Treuguts

3.832 Die dingliche Komponente bestimmt die Rechtszuordnung des Treuguts. Diese kann auf drei Wegen erfolgen. (1) Bei der Übertragungstreuhand geht das Eigentum am Treugut mit Abschluss der Treuhandvereinbarung zwecks Wahrnehmung des Treuhandverhältnisses durch unmittelbare Übertragung des Treuguts vom Treugeber an den Treuhänder in dessen Eigentum über. (2) Bei der Erwerbstreuhand erwirbt der Treuhänder das Treugut in eigenem Namen für Rechnung und im Auftrag des Treugebers von einem Dritten.634 (3) Bei der Vereinbarungstreuhand hingegen vereinbart der bisherige weisungsungebundene Eigentümer des zukünftigen Treuguts mit einem Dritten (dem nunmehrigen Treugeber), seinen Vermögensgegenstand künftig treuhänderisch für diesen zu halten und zu verwalten. Ihr fehlt es daher an einer (zivilrechtlichen) Eigentumsüber-

628 629 630 631 632 633 634

Vgl. Schmidt in MünchKomm.HGB4, vor § 230 HGB Rz. 36. Vgl. BGH v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227. Vgl. BFH v. 4.2.1998 – XI R 35/97, BStBl. II 1998, 542. Vgl. Hopt in Hopt42, § 105 HGB Rz. 35. Vgl. Ulmer in Staub5, § 105 HGB Rz. 105 m.w.N. Vgl. Schmidt in MünchKomm.HGB4, vor § 230 HGB Rz. 75. Vgl. BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152; v. 14.10.2003 – VIII R 22/02, BFH/NV 2004, 620.

476 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.836 Kap. 3

tragung, es besteht nur eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder. Beispiel 126: A als Inhaber aller Geschäftsanteile der grundbesitzenden G GmbH vereinbart mit B, dass er dessen Treuhänder wird (Vereinbarungstreuhand). A erlangt hierdurch die Rechtsstellung eines Treuhänders, bleibt aber Anteilsinhaber.

A

Vereinbarungstreuhand

100 % G GmbH

B

Anspruch auf Übertragung

A

3.833

B

100 % G GmbH

Abb. 111 Der Treuhandvertrag enthält ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet. Daher unterliegt der Erwerb des Übertragungsanspruchs durch den Dritten als neuen Treugeber der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG.

d) Anteilsübertragungen bei Treuhandverhältnissen und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen In allen drei Fällen, der Übertragungstreuhand, der Erwerbstreuhand sowie der Vereinbarungstreuhand ist, aufgrund der Rechtszuordnung des Treuguts zum Treuhänder, aus zivilrechtlicher Sicht der Treuhänder Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaften. Grds. kommt allen drei Arten grunderwerbsteuerliche Relevanz zu.

3.834

Beispiel 127: A und B schließen einen eigennützigen Treuhandvertrag, aufgrund dessen A 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf B als Treuhänder überträgt. Die übrigen 10 % hält B in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, sodass er als Altgesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG qualifiziert.

3.835

Durch den Treuhandvertrag wird für den Treuhänder ein Anspruch auf Übertragung der Anteile begründet, sodass er Inhaber des für eine Anteilsübertragung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG erforderlichen Quantums der Gesellschaftsanteile wird (rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile).

Handelt es sich aus der Sicht des Treuhänders (B) um eine uneigennützige Treuhand, besteht regelmäßig auf Grund der Vereinbarung nur die Pflicht des TreuhänJoisten | 477

3.836

Kap. 3 Rz. 3.836 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

ders aus Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 662, 675 Abs. 1 BGB), die Übertragung der Anteile anzunehmen, nicht aber das Recht, diese zu verlangen. Mangels Übertragungsanspruchs des Treuhänders führt die Übertragung der Anteile bei der sog. uneigennützigen Treuhand zu einer dinglichen Übertragung bereits vereinigter Anteile.635

3.837 Sind die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits in der Hand einer Person über einen Treuhänder oder Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger vereinigt, so führt die bloße Auswechslung des Treuhänders oder Auftragnehmers bzw. Geschäftsbesorgers nicht zu einem Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG.636 Ebenfalls unterliegt die Übertragung der Anteile vom Treuhänder auf den Treugeber nicht der Grunderwerbsteuer, soweit bereits der Erwerb seiner Rechte als Treugeber hinsichtlich der bei Begründung des Treuhandverhältnisses zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterlegen hat.637 Denn es kommt lediglich zu einer bloßen Verstärkung einer bereits mittelbar bestehenden Anteilsvereinigung hin zu einer unmittelbaren Anteilsvereinigung. Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits dadurch in einer Hand vereinigt, dass alle Anteile an der Gesellschaft von Treuhändern für einen Treugeber gehalten werden, so wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht dadurch (erneut) verwirklicht, dass unter Auflösung eines der Treuhandverhältnisse ein Teil der Anteile unmittelbar auf den bisherigen Treugeber übertragen wird. Die Übertragung ist jedoch insoweit nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG grunderwerbsteuerbar als durch die Gesellschaft seit Begründung des Treuhandverhältnisses Grundstücke hinzuerworben wurden, da insoweit ein Rechtsgeschäft i.S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht vorausgegangen ist.638 3.838 Erwirbt ein Auftragnehmer mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, erwirbt der Auftraggeber bzw. der Geschäftsherr zugleich einen Anspruch auf Übertragung der Anteile (§ 667 BGB). Der Erwerb der Anteile durch den Auftragnehmer bzw. den Geschäftsbesorger unterliegt der Steuer, wenn er mindestens 90 % der Anteile von einem Dritten erwirbt. Erwirbt er die Anteile sukzessive von mehreren Personen, unterliegt die Anteilsvereinigung in seiner Hand bei Erreichung des Quantums von mindestens 90 % der Steuer. Der sich auf mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft beziehende Herausgabeanspruch des Auftraggebers bzw. des Geschäftsherrn unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG.639

635 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 636 BFH v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81. 637 Vgl. BFH v. 16.7.1997 – II R 8/95, BFH/NV 1998, 81 Rz. 17 in juris. 638 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. 639 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074.

478 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.841 Kap. 3 Beispiel 128: Der Geschäftsbesorger überträgt die erworbenen Anteile von mindestens 90 % auf den Geschäftsherrn.640

3.839

Überträgt der Geschäftsbesorger die erworbenen Anteile auf den Geschäftsherren, unterliegt der Vorgang insoweit nicht der Grunderwerbsteuer, wie bereits der Erwerb seiner Rechte als Geschäftsherr hinsichtlich der bei Begründung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterlegen hat Die Übertragung ist jedoch insoweit nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG grunderwerbsteuerbar, als durch die Gesellschaft seit Begründung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses Grundstücke hinzuerworben wurden; insoweit ist kein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen.

e) Beendigung eines Treuhandverhältnisses bzw. Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnis Die rechtlichen Gründe für die Beendigung eines Treuhandverhältnisses ergeben sich primär aus den Vereinbarungen der Parteien. Als solche kommen insb. die Befristung, die auflösende Bedingung oder aber vertraglich vereinbarte Kündigungstatbestände in Betracht. Treuhandverhältnisse, die für eine bestimmte Zeit vereinbart wurden, enden nach § 620 Abs. 1 BGB automatisch mit Zeitablauf.641 Ein unentgeltliches Treuhandverhältnis kann nach § 671 Abs. 1 BGB jederzeit von dem Treugeber widerrufen und von dem Treuhänder gekündigt werden. Entgeltliche Treuhandverhältnisse können grds. nur dann jederzeit widerrufen werden, wenn die Kündigungsfristen des § 621 BGB vertraglich abbedungen wurden. Andernfalls ist deren Wahrung zwingend einzuhalten, wenn nicht aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB eine fristlose Kündigung in Betracht kommt. Als gesetzliche Gründe zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses an Personengesellschaftsanteilen kommen u. a. das Erreichen des Vertragszwecks, die Insolvenz der PersGes. oder die Unmöglichkeit einer weiteren Treuhandtätigkeit, bspw. wenn die Gesellschaft selbst erlischt, in Betracht. Unmittelbare Folge der Beendigung des Treuhandvertrags ist nicht die automatische Rückübertragung des Kommanditanteils. Auch wenn der Treuhänder hierzu grds. verpflichtet ist, bestehen desgleichen die Möglichkeiten, dass das Treugut auf einen Dritten übertragen wird, die Beteiligung aufgrund einer Vereinbarung im Treuhandvertrag beim Treuhänder verbleibt oder aber der Treugeber bei Beendigung des Treuhandverhältnisses auf die Rückübertragung verzichtet.

3.840

Bei uneigennützigen Treuhandverhältnissen erwächst dem Treugeber gleichzeitig mit der Übertragung der Anteile ein Rückübertragungsanspruch aus § 667 BGB. Da dieser Anspruch nicht rechtsgeschäftlich begründet wurde, sondern kraft Gesetzes entsteht, liegt im Falle der Rückübertragung eine dingliche, keine rechtsgeschäftliche Übertragung bereits vereinigter Anteile vor. Wird bei eigennützigen Treuhandverhältnissen rechtsgeschäftlich eine aufschiebend bedingte Rückübertragungsverpflich-

3.841

640 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074 Beispiel 3.2.1. 641 Vgl. Schaub, DStR 1995, 1639.

Joisten | 479

Kap. 3 Rz. 3.841 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

tung begründet, entsteht die Steuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nach § 14 Nr. 1 GrEStG erst mit Bedingungseintritt.642

3.842 Beispiel 129: Der Treuhänder überträgt die Anteile auf den Treugeber zurück. Beruht die Rückübertragung auf rechtsgeschäftlich begründeter aufschiebend bedingter Verpflichtung, kommt es mit Vertragsschluss bereits zu einer rechtsgeschäftlichen Übertragung vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Aufgrund der ausschiebenden Bedingung entsteht die Steuer jedoch erst mit Eintritt der Bedingung. Erfolgt sie in Erfüllung des dem Treugeber zustehenden Herausgabeanspruchs (§ 667 BGB), so unterliegt der Vorgang bezüglich aller der Gesellschaft gehörenden Grundstücke der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Allerdings werden die Erwerbsvorgänge zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklicht, sodass sich insbesondere mit Blick auf § 16 Abs. 5 GrEStG unterschiedliche Anzeigezeitpunkte ergeben.

3.843 Bei Beendigung eines Treuhandverhältnisses ist die Anwendbarkeit von § 3 Nr. 8 GrEStG ebenso wie § 16 Abs. 2 GrEStG zu prüfen. Die Vorschriften gelten jeweils insoweit als die Grundstücke bereits bei der Anteilsübertragung auf den Treuhänder zum Vermögen der Gesellschaft gehörten und in diesem verblieben sind. Unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG ist für den Erwerb durch den Treugeber bei Begründung des Treuhandverhältnisses keine Steuer festzusetzen oder die Steuerfestsetzung aufzuheben.643 3.844 Verzichtet der Treugeber auf seinen Herausgabeanspruch bzw. vor Bedingungseintritt auf den rechtsgeschäftlich begründeten Rückübertragungsanspruch, kommt es nicht zu einer rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Übertragung bereits vereinigter Anteile.644 3.845 Überträgt der Treuhänder die von ihm treuhänderisch gehaltenen Anteile unter Auflösung des Treuhandverhältnisses, unterliegt das Rechtsgeschäft der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, durch das der Dritte den Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft erwirbt. Beruht die Anteilsübertragung nicht auf einem hierauf gerichteten Rechtsgeschäft, so unterliegt sie der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Ein weiterer grunderwerbsteuerbarer Vorgang wird durch die Auflösung des Treuhandverhältnisses nicht verwirklicht. Für den bei Begründung des Treuhandverhältnisses verwirklichten Erwerb durch den Treugeber kommt

642 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 643 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 644 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074.

480 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.847 Kap. 3

allerdings § 16 GrEStG nicht zur Anwendung, weil der Treuhänder den Übertragungsanspruch nicht wieder zurückerlangt.645 3. Beteiligung mehrerer Treuhänder oder Treugeber bzw. mehrerer Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger Weiterhin ist es denkbar, dass es durch mehr als ein Treuhandverhältnis zur Verwirklichung einer rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Anteilsvereinigung kommen kann, bspw. durch Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses unter Gesellschaftern, die dazu führt, dass einem Mitgesellschafter die Rechtsposition eines Treugebers eingeräumt wird, in dessen Hand sich mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft vereinen. Die rechtsgeschäftliche Begründung einer Rückübertragungsverpflichtung zu Gunsten mehrerer Treugeber, bei denen kein Treugeber einen Anspruch auf Rückübertragung von mehr als 90 % der Anteile erlangt unterliegt nicht § 1 Abs. 3 GrEStG, ggf. aber § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG. Dasselbe gilt für die Abtretung der Rückübertragungsverpflichtung bzw. des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB an einen anderen Treugeber und für die Übertragung der Anteile auf einen Treuhänder bzw. anderen Treuhänder. Grunderwerbsteuerbare Vorgänge werden jeweils nicht verwirklicht, wenn die Rückübertragungsverpflichtung bzw. der Herausgabeanspruch auf mehrere Treugeber übergeleitet wird oder mehrere Treuhänder die Anteile erwerben. Erwerben mehrere Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger Anteile für einen Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn, die zusammengerechnet mindestens 90 % der Anteile ausmachen, wird mit deren Erwerb bei Erreichung des Quantums nur beim Auftraggeber bzw. Geschäftsherrn ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang verwirklicht.646 Zu beachten ist aber, dass es in diesen Fällen oftmals vorrangig zu einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG kommen wird. Dasselbe gilt, wenn durch einen Auftragnehmer oder Geschäftsbesorger weitere Anteile hinzuerworben werden, die dazu führen, dass mindestens 90 % der Anteile in der Hand des Auftraggebers bzw. Geschäftsherrn vereinigt werden.

3.846

4. Treuhandverhältnisse im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3a GrEStG Ob treuhänderisch gehaltene Anteile für Zwecke des § 1 Abs. 3a GrEStG zu berücksichtigen sind, ist umstritten.647 Die Finanzverwaltung hat sich dazu zwar nicht explizit geäußert. Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass für § 1 Abs. 3a GrEStG die Grundsätze zu § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechend gelten.648 Damit gemeint ist offenbar

645 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 646 Gleich lautende Erlasse betr. Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen v. 19.9.2018, BStBl. I, 1074. 647 Für eine Zurechnung treuhänderisch gehaltener Anteile zum Treugeber MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1338; dagegen Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 749; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 190. 648 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 1.

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3.847

Kap. 3 Rz. 3.847 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

die zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG bei Treuhandverhältnissen ergangene Rechtsprechung. Verneint man die Zurechnung von treuhänderisch gehaltenen Anteilen für Zwecke des § 1 Abs. 3a GrEStG, könnte durch die Auflösung von Treuhandverhältnissen eine erstmalige wirtschaftliche Anteilsvereinigung eintreten. Hintergrund des Streits ist die Frage, ob es für das Innehaben allein auf das dingliche Rechtsgeschäft ankommt, oder ob auch der schuldrechtliche Anspruch den Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllen kann. VII. Grunderwerbsteuerliche Organschaft (§ 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 GrEStG) 1. Relevanz der Organschaft für das Grunderwerbsteuerrecht

3.848 Der Begriff der Organschaft wird vom Grunderwerbsteuergesetz nicht verwendet. Dem Rechtsinstitut der Organschaft kommt im Grunderwerbsteuerrecht keine besondere eigenständige Bedeutung zu. Allerdings gelten als abhängig i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG juristische Personen, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert sind. Dies entspricht weitestgehend dem Wortlaut der Legaldefinition der umsatzsteuerlichen Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, sodass dementsprechend von der grunderwerbsteuerlichen Organschaft gesprochen wird. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind. Organschaft kann deshalb auch gegeben sein, wenn die Eingliederung auf einem dieser drei Gebiete nicht vollständig, dafür aber auf den anderen Gebieten umso eindeutiger ist, so dass sich die Eingliederung aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergibt. Herrschendes Unternehmen ist der Organträger und abhängige Gesellschaft (en) ist bzw. sind die Organgesellschaft(en), d.h. es kann nur einen Organträger geben, jedoch mehrere Organgesellschaften. Zusammen bilden diese Unternehmen einen Organkreis. 3.849 Die Unternehmen eines Organkreises bleiben grunderwerbsteuerrechtlich selbständige Rechtsträger. Grundstücksübertragungen zwischen Unternehmen des Organkreises unterliegen daher der Grunderwerbsteuer.649 Bedeutung erlangt die Organschaft allerdings im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG, weil bei Bestehen eines umsatzsteuerlichen Organschaftsverhältnisses zugleich die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung von Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG gegeben ist. In derartigen Fällen werden das herrschende Unternehmen (Organträger) und das oder die abhängigen Unternehmen (Organgesellschaften), die einen Organkreis bilden, als „eine“ Hand i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt. Der Organkreis ist jedoch selbst nicht Rechtsträger i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt lediglich die sonst für die mittelbare Anteilsvereinigung in einer einzigen Hand erforderliche direkte oder indirekte mindestens 90%ige Beteiligung des Erwerbers an zwischengeschalteten Gesellschaften.650

649 BFH v. 30.3.1988 – II R 81/85, BStBl. II 1988, 682. 650 BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156.

482 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.852 Kap. 3

Organträger (herrschendes Unternehmen) i.S.d. GrEStG kann jeder Unternehmer sein. Die Anteile an den untergeordneten juristischen Personen dürfen bei einer natürlichen Person jedoch nicht im Privatvermögen gehalten werden.651 Daraus ergibt sich, dass neben den Organgesellschaften auch der Organträger in einem grunderwerbsteuerlichen Organschaftsverhältnis zwingend Unternehmer sein muss. Eine Vereinigung in der Hand von Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 2 UStG liegt entsprechend nicht vor, wenn die Beteiligungen an den erwerbenden Unternehmen zum Privatvermögen einer natürlichen Person gehören. Die EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft mit einer PersGes. als Organgesellschaft wurde für die Grunderwerbsteuer bislang nicht umgesetzt. Abhängige Unternehmen sind somit grundsätzlich nur juristische Personen. Herrschendes Unternehmen kann jeder Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sein. Anders als bei der Umsatzsteuer ist das grunderwerbsteuerliche Organschaftsverhältnis nicht auf das Inland beschränkt.652 Allerdings muss das Grundstück, dessen Erwerb bei den Rechtsvorgängen des § 1 Abs. 3 GrEStG fingiert wird, im Inland belegen sein.

3.850

Als abhängige Unternehmen kommen nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht. PersGes. sind keine juristischen Personen i.S.v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG,653 dies gilt ungeachtet dessen, dass der BFH die begriffsgleiche Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in teleologischer Extension auf PersGes. anwendet.654 Aufgrund der gegensätzlichen Teleologie der umsatzsteuerlichen und der grunderwerbsteuerlichen Organschaft ist eine erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG abzulehnen.655 Soweit die Finanzverwaltung vertritt, abhängiges Unternehmen kann auch eine PersGes. sein, wenn deren Gesellschafter entweder das herrschende Unternehmen und abhängige juristische Personen oder nur abhängige juristische Personen sind,656 so ist diese Auffassung abzulehnen. Insb. das für diese Auffassung herangezogene BFH-Urteil vertritt gerade die gegenteilige Auffassung.

3.851

Unter der finanziellen Eingliederung einer juristischen Person ist der Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft zu verstehen, die es dem Organträger ermöglicht, durch Mehrheitsbeschlüsse seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen (Eingliederung mit Durchgriffsrechten). Entsprechen die Beteiligungsverhältnisse den Stimmrechtsverhältnissen, ist die finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 % beträgt, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für die Beschlussfassung in der Organgesellschaft erforderlich ist. Wirt-

3.852

651 BFH v. 20.3.1974 – II R 185/66, BStBl. II 1974, 769. 652 BFH v. 21.9.2005 – II R 33/04, BFH/NV 2006, 609; v. 18.11.2005 – II B 23/05, BFH/NV 2006, 612. 653 BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156. 654 Vgl. BFH v. 2.12.2015 – V R 25/13, BStBl. II 2017, 547; v. 19.1.2016 – XI R 38/12, BStBl. II 2017, 567; jeweils in Umsetzung der EuGH-Entscheidung v. 16.7.2015 – C-108/14 und C-109/14 „Larentia + Minerva“, ECLI:EU:C:2015:496. 655 Vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 213 ff. 656 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung des § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 unter Verweis auf BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156.

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Kap. 3 Rz. 3.852 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

schaftliche Eingliederung bedeutet, dass die Organgesellschaft nach dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, wirtschaftlich tätig ist. Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Ob eine Organschaft vorliegt, bedarf im Einzelfall einer genauen Prüfung. Liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, so kann in der Praxis i.d.R. auch von einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft ausgegangen werden. 2. Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung in einer Hand und Organschaft

3.853 Die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen bzw. nur von abhängigen Unternehmen ist ein besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung.657 Die grunderwerbsteuerliche Organschaft spielt keine Rolle für die unmittelbare Anteilsvereinigung. Der Tatbestand der grunderwerbsteuerlichen Anteilsvereinigung wird aufgrund des Vorrangs der rechtsgeschäftlichen oder dinglichen Anteilsvereinigung nicht verwirklicht, wenn eine rechtsgeschäftliche oder dingliche Anteilsvereinigung vorausgegangen ist. 3.854 Beispiel 130: Die M-GmbH ist zu 80 % an der grundbesitzenden G1 GmbH beteiligt, die 90 % der Anteile an der grundbesitzenden G2 GmbH hält. Im November 22 erhöht die M-GmbH ihre Beteiligung an der G1 GmbH auf 90 %. Im Dezember 22 wird zwischen der M GmbH und der G1 GmbH ein Organschaftsverhältnis begründet. Durch die Aufstockung der Anteile an der G1 GmbH ist der Tatbestand der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG in der Hand der M-GmbH verwirklicht worden. Diese Anteilsvereinigung ist einmal unmittelbar im Verhältnis zur G1 GmbH und zum anderen mittelbar im Verhältnis zur G2 GmbH eingetreten (über die Beteiligung der G1 GmbH). In der Hand des Organkreises erfolgt keine zusätzliche Anteilsvereinigung.658

3.855 Die Zusammenfassung von juristisch selbständigen Unternehmen zu einem Organkreis ist nur dann zulässig, wenn die Anteile der grundstücksbesitzenden Gesellschaft nicht bereits zu mindestens 90 % unmittelbar oder mittelbar in der Hand des Organträgers oder einer Organgesellschaft vereinigt sind. Allerdings gilt auch hier, dass einer Anteilsvereinigung im Organkreis eine wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG durch ein Mitglied des Organkreises nachfolgen kann. In diesem Fall ist keine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG möglich, da der Organkreis und seine Mitglieder verschieden sind.659

657 BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II, 360. 658 Vgl. BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl II, 839. 659 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 unter Verweis auf BFH v. 8.8.2001 – II R 66/98, BStBl. II 2002, 156.

484 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.860 Kap. 3 Beispiel 131: Die M GmbH ist zu 85 % an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt. Zudem hält die M GmbH 80 % an der O GmbH, zu der ein Organschaftsverhältnis besteht. Nunmehr erwirbt die A GmbH 5 % an der G GmbH.

3.856

Es kommt zu einer Anteilsvereinigung im Organkreis. Beispiel 132: Die M GmbH ist zu 85 % an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt. Zudem hält die M GmbH 80 % an der O GmbH, zu der ein Organschaftsverhältnis besteht. Nunmehr erwirbt die A GmbH 5 % an der G GmbH (Jahr 1). Im Jahr 2 stockt die A GmbH ihre Beteiligung an der G GmbH auf 10 % auf.

3.857

Im Jahr 1 kommt es zu einer Anteilsvereinigung im Organgkreis. Im Jahr 2 kommt zu einer wirtschaftlichen Anteilsvereinigung auf Ebene der M GmbH. Die Anteilsvereinigung im Organkreis steht dem nicht entgegen, weil der Organkreis und seine einzelnen Mitglieder nicht identisch sind. Entsprechend kommt eine Steueranrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG nicht in Betracht.

Ein Übergang zu einer steuerbaren Anteilsvereinigung im Organkreis ist auch bei Reduktion einer Beteiligung denkbar. Risiken ergeben sich in dem Zusammenhang unter anderem bei der Auflösung alter „RETT-Blocker-Strukturen“. Eine Auflösung der RETT-Blocker-Strukturen durch Erwerb der RETT-Blocker-Beteiligung ist grds. keine Option, da es hierdurch aufgrund der Fortgeltung alten Rechts zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung kommen kann (wobei stets die Begünstigung nach §§ 5, 6 GrEStG in Betracht zu ziehen sind). Hingegen ist denkbar, dass die Reduktion der Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft, bspw. durch Verkauf an einen Dritten, zur erstmaligen Begründung einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft führen kann. Fraglich ist aber, ob die eintretende Anteilsvereinigung steuerbar ist oder ob, was zutreffend erscheint, in der „Anteilsreduktion“ kein Erwerbsvorgang zu sehen ist. Aus Compliance-Sicht empfiehlt es sich jedoch, solche Vorgänge vorsorglich anzuzeigen.

3.858

Beispiel 133: An der grundbesitzenden G GmbH sind die A GmbH zu 94 % sowie die M GmbH zu 6 % beteiligt. Die A GmbH ist zu 51 % an der M GmbH beteiligt. Zwischen der M GmbH und der A GmbH besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft. Nunmehr veräußert die A GmbH 5 %Punkte ihrer Beteiligung an der G GmbH an einen fremden Dritten.

3.859

Der Verkauf der 5 %-Punkte führt zu einem Übergang von einer Anteilsvereinigung bei der A GmbH zu einer Anteilsvereinigung im Organkreis. Es stellt sich die Frage, ob die Anteilsreduktion steuerbar sein kann. Nach hier vertretener Auffassung ist dies nicht der Fall, da es an einem zur Anteilsvereinigung führenden Rechtsgeschäft mangelt, sodass die Anteilsreduktion keine Grunderwerbsteuer auslösen kann.

3. Begründung oder Änderung eines Organschaftsverhältnisses ohne Anteilsübertragung Die bloße Begründung eines Organschaftsverhältnisses oder dessen Änderung, z.B. eine Erweiterung des Organkreises, löst keinen fiktiven Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 3 GrEStG aus, wenn nicht zugleich ein auf den Erwerb von Anteilen gerichtetes Joisten | 485

3.860

Kap. 3 Rz. 3.860 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Rechtsgeschäft (z.B. Anteilsübertragung) oder der Übergang von Anteilen (z.B. Verschmelzung) damit verknüpft ist.660 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG, der tatbestandlich stets einen Anspruch auf Übertragung von Anteilen oder die Übertragung bzw. den Übergang von Anteilen selbst zur Bedingung für einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG macht.

3.861 Beispiel 134: Die M GmbH ist zu 80 % an der grundbesitzenden G1 GmbH beteiligt. Die G1 GmbH hält 95 % der Anteile der grundbesitzenden G2 GmbH. Zwischen der M GmbH und der G1 GmbH wird ein Organschaftsverhältnis begründet. Die bloße Begründung eines Organschaftsverhältnisses ohne Veränderung der Zuordnung von Anteilen erfüllt nicht den Tatbestand der mittelbaren Anteilsvereinigung (Anteilsvereinigung im Organkreis), weil weder ein Rechtsgeschäft, das die Vereinigung oder Übertragung von Anteilen an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft begründet, noch eine tatsächliche Anteilsvereinigung bzw. Anteilsübertragung stattfindet, so dass sich die bestehenden Anteilsverhältnisse nicht ändern. Zudem sind die Anteile der G2 GmbH ausschließlich in der Hand der G1 GmbH vereinigt.661

4. Begründung eines Organschaftsverhältnisses unter Veränderung bestehender Anteilsverhältnisse

3.862 Findet gleichzeitig mit einem Anteilserwerb die Begründung eines Organschaftsverhältnisses statt, kann dies den Tatbestand der Anteilsvereinigung erfüllen. Erforderlich ist allerdings weiterhin, dass das erforderliche Quantum von 90 % überschritten wird. Erfolgen Anteilserwerb und Begründung des Organschaftsverhältnisses nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang, besteht zwischen dem Anteilserwerb bzw. -übergang und der Begründung des Organschaftsverhältnisses aber ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang im Sinne eines vorgefassten Plans ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob der Anteilserwerb bzw. -übergang und die Begründung eines Organschaftsverhältnisses aufgrund eines vorgefassten Plans erfolgt sind.662 Erfolgt in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anteilserwerb bzw. -übergang die Begründung eines Organschaftsverhältnisses, besteht hiernach eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung, dass beide Vorgänge auf einem vorgefassten, auf ein einheitliches Ziel gerichteten Plan beruhen. Diese Vermutung kann der Steuerpflichtige allerdings dadurch widerlegen, dass er substantiiert belegbare Tatsachen vorträgt, die einen anderen Geschehensablauf möglich erscheinen lassen. Dem tatsächlichen Vollzug eines solchen Plans kommt dabei keine eigene tatbestandsbegründende, sondern indizielle Bedeutung für die Vorstellungen und Absichten (den Plan) der Beteiligten im Erwerbszeitpunkt zu. Ein zeitlicher Zusammenhang wird von der Finanzverwaltung regelmäßig noch angenommen, wenn zwischen beiden Vorgängen ein Zeitraum von nicht mehr als 15 Monaten liegt.663

660 661 662 663

Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078. BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II, 839. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078.

486 | Joisten

D. Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft | Rz. 3.866 Kap. 3

5. Übertragung von bereits aufgrund eines Organschaftsverhältnisses vereinigter Anteile Liegt eine Organschaft vor, werden für die Frage einer (mittelbaren) grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Anteile an grundstücksbesitzenden Gesellschaften auch Beteiligungen mit einer geringeren Quote als 90 % berücksichtigt. Die Tatbestandserfüllung im Übrigen – dass mindestens 90 % unmittelbar oder mittelbar übergehen müssen – bleibt hiervon aber unberührt. Die organschaftliche Zurechnung ersetzt nicht die Voraussetzung, dass mindestens 90 % der Anteile übergehen müssen. Das Abhängigkeitsverhältnis ist grunderwerbsteuerrechtlich demnach ohne Bedeutung, wenn eine unveränderte Beteiligung eines nicht zum Organkreis gehörenden Gesellschafters i.H.v. mindestens 10 % dem Erwerb von mindestens 90 % der Anteile an der die grundstückshaltenden GmbHs durch die zu mindestens 90 % beherrschende Hand entgegensteht. Diese Beteiligung verhindert, dass eine ununterbrochene Beteiligungskette von der erwerbenden Gesellschaft bis zu den grundbesitzenden Gesellschaften im quantitativ erheblichen Ausmaß (bis 31.12.1999: 100 %; ab 1.1.2000: mindestens 95 %, ab 1.7.2021: mindestens 90 %) besteht.664

3.863

Beispiel 135: Die M GmbH beteiligt sich zu 80 % an der grundbesitzenden G1 GmbH und begründet gleichzeitig ein Organschaftsverhältnis. Die G1 GmbH hält 90 % der Anteile an der grundstücksbesitzenden G2 GmbH.

3.864

Mit der Begründung des Organschaftsverhältnisses findet gleichzeitig ein Anteilserwerb an der G1 GmbH statt. Der Erwerb der Anteile an der G1 GmbH i.H.v. 80 % erfüllt nicht den Tatbestand der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG), denn die von der M GmbH gehaltenen Anteile der G1 GmbH unterschreiten das erforderliche Quantum von 90 %. In Bezug auf die G2 GmbH wird der Tatbestand der mittelbaren Anteilsvereinigung (Anteilsvereinigung im Organkreis) nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG nicht erfüllt, denn die Anteile der G2 GmbH sind ausschließlich in der Hand der G1 GmbH vereinigt.

6. Erweiterung des Organschaftsverhältnisses Sind die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht bereits in der Hand des Organkreises vereinigt, führt die Erweiterung des Organkreises um eine Gesellschaft, die ebenfalls Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält, zu einer Anteilsvereinigung, wenn hierdurch erstmals die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft im Organkreis vereinigt werden.665

3.865

Beispiel 136: Die M GmbH ist zu 80 % an der T GmbH beteiligt. Zwischen der M GmbH und der T GmbH besteht ein Organschaftsverhältnis. Die Z GmbH (Alleingesellschafter: Z) hält 60 % und die T GmbH 30 % der Anteile an der grundstücksbesitzenden G GmbH. Die M GmbH erwirbt 80 % der Anteile an der Z GmbH und erweitert gleichzeitig das Organschaftsverhältnis auf diese.

3.866

664 BFH v. 20.7.2005 – II R 30/04, BStBl. II 2005, 839. 665 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078.

Joisten | 487

Kap. 3 Rz. 3.866 | Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen Der Erwerb der Anteile der Z GmbH durch die M GmbH unter gleichzeitiger Begründung eines Organschaftsverhältnisses und der daraus folgenden Erweiterung des Organschaftsverhältnisses ist darauf gerichtet, alle Anteile an der G GmbH in der Hand von abhängigen Unternehmen zu vereinigen.666 In der Hand des Organkreises findet somit eine Anteilsvereinigung im Organkreis in Bezug auf die G GmbH statt, da mindestens 90 % der Anteile dieser Gesellschaft in der Hand von zwei abhängigen Gesellschaften (Z GmbH: 60 % und T GmbH: 30 %) des Organkreises vereinigt werden.

3.867 Sind die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits in der Hand einer Gesellschaft vereinigt, führt die Erweiterung des Organkreises um eine Gesellschaft, die ebenfalls Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält, nicht zu einer erneuten Anteilsvereinigung. Es handelt sich um eine bloße Verstärkung der Beteiligung im Organkreis, die grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich ist.

666 Vgl. BFH v. 16.1.1980 – II R 52/76, BStBl. II, 360.

488 | Joisten

Kapitel 4 Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge A. Nachfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer I. Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung von Steuerbefreiungen 1. Überblick und Definition der persönlichen Steuerbefreiung i.S.d. § 3 GrEStG . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG im Überblick a) Steuerbarkeit nach ErbStG und GrEStG aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung von Steuerbefreiungen nach dem ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht erfasste Erwerbe a) Erwerbe zwischen Geschwistern . . . . . . . . . . . b) Nicht eheliche Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . 4. Interpolierende Betrachtungsweise und Zusammenschau von Steuerbefreiungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG a) Überblick und Relevanz . . b) Anteilsvereinigung bei Personengesellschaften . . .

4.1

4.3

4.8

4.10 4.13 4.14 4.15

4.16

4.22 4.24 4.30 4.42 4.44

c) Anteilsvereinigung bei Kapitalgesellschaften . . . . . . . 5. Erwerbe durch Gesellschaften und juristische Personen a) Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8 ErbStG) . . . . . b) Schenkungen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . c) Erwerbe durch Stiftungen d) Erwerbe durch Gesamthandsgemeinschaften . . . . 6. § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung a) „Reine“ Schenkung . . . . . . b) Gemischte Schenkungen aa) Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis . . . . . . . . . bb) Ermittlung des grunderwerbsteuerbefreiten Betrags nach § 3 Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . c) Schenkung unter Auflage aa) Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis . . . . . . . . . bb) Bewertung der Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . cc) Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG in Fällen des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG . . . . . . . 7. Sukzessive Verwirklichung der Erwerbstatbestände a) Nacheinander erfolgende Erwerbe und Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenzeitliche Werterhöhungen im Grundstücksbestand bei sukzessiven Anteilsübertragungen

4.49

4.53 4.58 4.61 4.64 4.67

4.69

4.72

4.75 4.79

4.84

4.85

4.90

Riedel | 489

Kap. 4 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge IV. Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen 1. Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 4.95 2. Schenkung gegen Gewährung von Versorgungsleistungen und Veräußerungsrenten . . . . 4.100 3. Unentgeltliche Einräumung einer atypisch stillen Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.101 4. Schenkung unter Vereinbarung von Mehrstimmrechten 4.108 5. Schenkung unter Vereinbarung von disquotalen Gewinnverteilungen . . . . . . . . . . 4.114 6. Ausscheiden von Gesellschaftern und Anwachsungserwerb (§ 7 Abs. 7 ErbStG) a) Überblick zum Anwachsungserwerb . . . . . . . . . . . 4.120 b) Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . 4.122 c) Auswirkungen auf grunderwerbsteuerliche Behaltensfristen . . . . . . . . . . . . . 4.124 7. Kettenschenkungen . . . . . . . . 4.128 8. Übertragung von Anteilen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften vs. Übertragung von Mitunternehmeranteilen . . . . . . . . . . . . . . . 4.133 9. Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen und verwandte Rechtsformen a) Deutsche (Familien-) Stiftungen . . . . . . . . . . . . . 4.139 b) Ausländische Stiftungen . 4.142 V. Strukturmaßnahmen im Vorfeld der vorweggenommenen Erbfolge 1. Aufteilen von Vermögensgegenständen in verschiedene Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . 4.143 2. Auf- und Abstockung des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 4.146 3. Auflösung von Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . 4.150 4. Auflösung von Betriebsaufspaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.152

490 | Riedel

5. Errichtung von (Familien-) Holdingstrukturen . . . . . . . . . 6. Abschluss von Poolvereinbarungen a) Hintergrund und Inhalt eines Poolvertrags . . . . . . b) Beurteilung der Poolvereinbarung in der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . VI. Auswirkungen der vorweggenommenen Erbfolge auf grunderwerbsteuerliche Nachbehaltensfristen 1. Wesentliche Voraussetzungen nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 und 6 Abs. 4 GrEStG . . . . . . . 2. Kein Behaltensfristverstoß aufgrund teleologischer Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gestaltungen in Schenkungsund Gesellschaftsverträgen 1. Bedeutung und Beeinträchtigung der Mitunternehmerstellung a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . b) Widerrufsrechte in Schenkungsverträgen . . . . . . . . . c) Auswirkungen der fehlenden Mitunternehmerstellung des Beschenkten . . . 2. Ausübung eines im Schenkungsvertrag eingeräumten Widerrufsrechts a) Steuerbarkeit bei der Ausübung von Widerrufsrechten . . . . . . . . . . . . b) Anwendung von Steuerbefreiungen bei der Ausübung von Widerrufsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung von § 16 GrEStG bei der Ausübung von Widerrufsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erbfall und Grunderwerbsteuer I. Steuerbarkeit beim Erbfall 1. Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . .

4.154

4.156 4.160

4.165 4.168

4.173 4.176 4.179

4.184

4.186

4.190

4.196

A. Nachfolgeplanung | Rz. 4.1 Kap. 4 2. Reichweite der Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG a) Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG . . . b) Definition des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG . . . c) Abfindungsleistungen im Rahmen von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erbengemeinschaft als Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung von Steuerbefreiungen 1. Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG a) Erwerb von Todes wegen . b) Vor- und Nacherbschaft . . c) Ausschlagung und Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erbvergleich . . . . . . . . . . . .

4.198

4.203

4.208 4.210

4.212 4.214 4.215 4.216

e) Vermächtnis . . . . . . . . . . . 2. Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG a) Grundstückserwerb zur Teilung des Nachlasses . . . b) Erwerb aus dem Vermögen einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerbe nach § 1 Abs. 2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . f) Wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des Erbfalls auf frühere Erwerbsvorgänge 1. Auswirkungen auf Behaltensfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf bereits gewährte Befreiungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . .

4.217

4.218 4.221 4.223 4.226 4.227 4.231

4.232 4.234

A. Nachfolgeplanung Die vorweggenommene Erbfolge lässt sich als ein der künftigen Erbfolge vorweggenommener Generationenwechsel umschreiben.1 Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist dabei kein gesetzlich definierter Begriff. Die zivilrechtliche Rechtsprechung versteht unter der vorweggenommenen Erbfolge die Übertragung des Vermögens oder eines wesentlichen Teils davon durch den künftigen Erblasser auf einen oder mehrere als künftige Erben in Aussicht genommene Empfänger.2 Dabei besteht bei der Vertragsgestaltung Flexibilität. So kann Unternehmensvermögen z.B. vollständig unentgeltlich im Wege der Schenkung und/oder (teilweise) gegen Gewährung von Gegenleistungen auf die nachfolgende Generation übergehen oder aber mit Auflagen oder weiteren Regelungen im Vorgriff auf den Erbfall verbunden werden. Typischerweise wird bei der vorweggenommenen Erbfolge auch der Versorgungsbedarf des Übertragenden sowie seines Ehegatten und der nicht das Unternehmen fortführenden Abkömmlinge berücksichtigt.

1 Zum Ganzen Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Kap. 9. 2 Z.B. BGH v. 30.1.1991 – IV R 299/89, NJW 1991, 1345.

Riedel | 491

4.1

Kap. 4 Rz. 4.2 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.2 Im Rahmen der Planung der vorweggenommenen Erbfolge spielen besonders die folgenden steuerlichen und nicht-steuerlichen Aspekte eine Rolle3: – Interesse des Schenkers (künftigen Erblassers) an der Einflussnahme auf sein Unternehmen bis zu seinem Ableben (etwa durch die Einräumung von (Mehr-) Stimmrechten), – Versorgungsbedürfnis des Schenkers (künftigen Erblassers) und seines Ehegatten (etwa durch Einräumung von lebenslangen Renten oder Nießbrauchsrechten), – Vermeidung der ertragsteuerlichen Realisierung stiller Reserven im übergehenden Vermögen, – Nutzung des Sonderausgabenabzugs beim Beschenkten für eventuelle Versorgungsleistungen, – Nutzung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonung für Betriebsvermögen i.S.d. §§ 13a, 13b und 28a ErbStG.

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer I. Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge

4.3 Bei Übertragungsvorgängen der vorweggenommenen Erbfolge ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der jeweilige Vorgang steuerbar i.S.d. GrEStG ist. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang ein Vorgang nach § 3 bis 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.4 4.4 Maßgebend ist also zunächst, ob die Übertragung von Grundstücken oder Gesellschaftsanteilen oder die Einräumung eines bestimmten Rechts an Gesellschaftsanteilen zugunsten der nachfolgenden Generation unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fällt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Grunderwerbsteuer einer eigenen Regelungssystematik folgt. Insb. weichen die Tatbestände des GrEStG und des ErbStG voneinander ab. Die Vorgänge i.S.d. § 7 ErbStG sollen die Bereicherung erfassen, die ein Erwerber durch Schenkung oder einer Schenkung gleichgestellten Vorgänge erlangt. Die Tatbestände des GrEStG sind demgegenüber auf die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer ausgerichtet, sodass § 1 GrEStG keine speziellen Regelungen für die vorweggenommene Erbfolge beinhaltet. Hieraus folgt, dass ein Vorgang, welcher zu einer Steuerbarkeit nach § 7 ErbStG führt, auch grunderwerbsteuerbar sein kann, dies aber nicht zwingend der Fall sein muss. Das Grunderwerbsteuerrecht sieht also im Rahmen der Steuerbarkeit keinen expliziten Ausschluss von Vermögensübertragungen zur privaten Nachfolge und zur Unternehmensnachfolge vor.

3 Weitergehende Ausführungen bei Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Kap. 9. 4 Bei sog. Vorbereitungsmaßnahmen im Vorfeld einer vorweggenommenen Erbfolge im Unternehmen kann zudem auch die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG zur Anwendung kommen.

492 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.9 Kap. 4

Für die Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft aufgrund von Todes wegen kommen § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG zur Anwendung (Rz. 4.198 ff.). Eine Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personen- oder KapGes. liegt dann vor, wenn zum Vermögen der Gesellschaft (mindestens) ein inländisches Grundstück gehört und sich der Gesellschafterbestand innerhalb von zehn Jahren unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Hierbei bleiben jedoch bei der Ermittlung dieses Prozentsatzes gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG Anteilserwerbe von Todes wegen außer Betracht. Die übrigen Tatbestände, insb. § 1 Abs. 1 sowie Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG, enthalten keine Ausnahmebestimmungen für Erwerbe von Todes wegen. Vielmehr kann bei Erwerben i.S.d. § 1 Abs. 1, Abs. 2 sowie Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG auch der Erwerb von Todes wegen eine Steuerbarkeit begründen.

4.5

Eine steuerbare Übertragung von Grundstücken oder Gesellschaftsanteilen oder die Einräumung eines bestimmten Rechts an Gesellschaftsanteilen zugunsten eines Erwerbers kann sodann gem. § 3 bis 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Hierbei können im Ausgangspunkt auch mehrere Steuerbefreiungstatbestände parallel anwendbar sein, s. Rz. 4.22.

4.6

Losgelöst, aber im Zusammenhang mit der Nachfolgeplanung stehen oftmals Vorgänge und Strukturmaßnahmen, die im Vorfeld oder im Nachgang der eigentlichen Erwerbsvorgänge stattfinden. Hierbei ist stets zu prüfen, ob diese Strukturmaßnahmen grunderwerbsteuerbar und ggf. steuerbefreit sind und welche Auswirkungen bei der konkreten Vermögensübertragung zu beachten sind, insb. ob hiermit in Bezug auf den nachfolgebedingten Erwerbsvorgang gegen eine Vor- oder Nachbehaltensfrist verstoßen wird (Rz. 4.165).

4.7

II. Anwendung von Steuerbefreiungen 1. Überblick und Definition der persönlichen Steuerbefreiung i.S.d. § 3 GrEStG § 3 GrEStG regelt – ebenso wie § 4 GrEStG – Befreiungen von der GrEStG. Ein Antrag ist hierbei nicht notwendig, die Befreiung wird von Amts wegen gewährt.5 Die in § 3 GrEStG geregelten Befreiungen werden teilweise auch als sog. persönliche Steuerbefreiungen bezeichnet. Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge sowie der Nachfolgeplanung ist insb. die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von Bedeutung, welche die Befreiung von Grundstückserwerben von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG zum Gegenstand hat. Ähnliches gilt hinsichtlich § 3 Nr. 6 GrEStG, die Befreiung des Grundstückserwerbs durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind oder deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist.

4.8

Eine persönliche Steuerbefreiung i.S.d. § 3 GrEStG hat folgende Merkmale: Es wird nur diejenige Person von der Grunderwerbsteuer befreit bzw. die Grunderwerbsteuerbefreiung greift nur insoweit ein, als dass die Voraussetzungen bei den konkret be-

4.9

5 S. zum Ganzen Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 13 ff.

Riedel | 493

Kap. 4 Rz. 4.9 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

troffenen Personen vorliegen, während die Steuerpflicht im Übrigen unberührt bleiben soll.6 Die Steuerbefreiung wird dabei aus Gründen gewährt, die in der Person des Erwerbers liegen oder in dessen Verhältnis zum Veräußerer (vgl. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG).7 Allerdings sieht der BFH auch § 3 Nr. 2 GrEStG als einen Fall der personenbezogenen Steuerbefreiung an.8 Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass § 3 Nr. 2 GrEStG an den Rechtsgrund des Anteilserwerbs anknüpft.9 Da es bei § 3 Nr. 2 GrEStG jedoch nicht auf das persönliche Verhältnis der beteiligten Personen ankommt, sondern vielmehr auf die Art des Erwerbs (Erwerb von Todes wegen oder Schenkung unter Lebenden), spricht nach hier vertretener Ansicht vieles dafür, die Regelung eher als sachliche Steuerbefreiung und nicht als persönliche Steuerbefreiung zu qualifizieren.10 2. Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG im Überblick a) Steuerbarkeit nach ErbStG und GrEStG aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts

4.10 Maßgebend für die Anwendung der Regelung nach § 3 Nr. 2 GrEStG ist, dass der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang zugleich aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts auch einen steuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. ErbStG darstellt.11 Der Erwerbsvorgang muss damit zugleich aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts unter § 3 ErbStG oder § 7 ErbStG fallen. Für Erwerbe durch Schenkung handelt es sich bei § 3 Nr. 2 GrEStG um eine dynamische Verweisung auf § 7 ErbStG in seiner jeweils zum Stichtag geltenden Fassung.12 Der Tatbestandskatalog des § 7 ErbStG ist abschließend,13 sodass auch die von der Befreiung i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG erfassten Schenkungsvorgänge zum jeweiligen Stichtag abschließend skizziert werden können. 4.11 Sofern der Zeitpunkt der Steuerentstehung bzw. der Stichtag i.S.d. § 14 GrEStG und § 9 ErbStG identisch sind, dürfte die Thematik des Vorliegens eines einheitlichen Lebenssachverhalts in zeitlicher Hinsicht im Grundsatz unproblematisch sein. Denn in diesem Fall hat ein einziger Lebenssachverhalt offenkundig sowohl die GrESt als auch die ErbSt ausgelöst. Wird hingegen z.B. eine Anteilsvereinigung aufgrund einer Einbringung von schenkweise erhaltenen Gesellschaftsanteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft verwirklicht, kann nach Ansicht der Rechtsprechung Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 13. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 17. BFH v. 31.8.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424. BFH v. 31.8.1982 – II R 92/81, BStBl. II 1982, 424. Vgl. auch im Ergebnis Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 17. Vgl. aus der Rechtsprechung z.B. BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322; v. 16.1.2019 – II R 7/16, BStBl. II 2019, 617; v. 22.2.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653; Finanzverwaltung: gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069; ebenso die Literatur, s. z.B. Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 37, und Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 221. 12 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. 13 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

6 7 8 9 10 11

494 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.14 Kap. 4

nicht (mehr) von einem einheitlichen Lebenssachverhalt gesprochen werden, sodass für die Anteilsvereinigung § 3 Nr. 2 GrEStG nicht gewährt wird.14 Grund ist in diesem Fall, dass der grunderwerbsteuerliche Tatbestand erst nach der Schenkung als weiterer Rechtsvorgang verwirklicht wird und dieser später verwirklichte Erwerb erst zur mehrfachen Steuerbarkeit (ErbSt und GrESt) führt.15 Noch nicht abschließend geklärt sind diejenigen Fälle, in denen der Steuerpflichtige i.S.d ErbStG und des GrEStG nicht personenidentisch sind, etwa bei disquotalen Einlagen gem. § 7 Abs. 8 ErbStG (Rz. 4.55).

4.12

b) Bedeutung von Steuerbefreiungen nach dem ErbStG Maßgebend für die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG ist, dass der Erwerb aufgrund eines einheitlichen Lebensvorgangs nach dem ErbStG und dem GrESt steuerbar ist.16 Auf die Anwendung von Steuerbefreiungen i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts kommt es nicht an.17 § 3 Nr. 2 GrEStG gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob tatsächlich ErbSt entstanden ist.18 Daher spielt auch der Umfang der Begünstigungen i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG keine Rolle. Folglich ist es auch unerheblich, ob im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge übergehendes Grundvermögen als schädliches (junges) Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1, Abs. 7 ErbStG qualifiziert wird und damit der (Brutto-)Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt.

4.13

Beispiel 1: A überträgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge 100 % seiner Geschäftsanteile an der grundbesitzenden G-GmbH auf seinen Sohn S. Der Erwerb unterliegt nach Anwendung von §§ 13a, b ErbStG mit einer Belastungsquote von ca. 20 % der Schenkungsteuer. Der Erwerbsvorgang ist gem. § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar und vollständig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.19 Die konkrete Schenkungsteuerbelastung oder die Anwendung von Steuerbefreiungen bei der ErbSt ist hier irrelevant. Für § 3 Nr. 2 GrEStG kommt es lediglich darauf an, dass der Erwerb aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts zugleich auch steuerbar i.S.d. ErbStG ist.

3. Nicht erfasste Erwerbe a) Erwerbe zwischen Geschwistern Für steuerbare Erwerbe zwischen Geschwistern ist keine ausdrückliche Steuerbefreiung vorgesehen. § 3 Nr. 6 GrEStG erfasst Erwerbe durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind oder deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Aufgrund des eindeutigen Wort14 BFH v. 22.7.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653. 15 BFH v. 22.7.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 53. 16 Statt vieler Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 221. 17 Z. B. Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 37. 18 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 9.1. 19 Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9.

Riedel | 495

4.14

Kap. 4 Rz. 4.14 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

lauts ist die Regelung auf den Erwerb zwischen Geschwistern, die nur über die Seitenlinie verwandtschaftlich verbunden sind, nicht analog anwendbar.20 Übertragungen zwischen Geschwistern sind damit im Rahmen der Verkehrssteuern insgesamt schlechter gestellt, da auch für Schenkungen in der Seitenlinie nur der geringe Freibetrag von 20.000 Euro zur Anwendung kommt.21 b) Nicht eheliche Lebensgemeinschaften

4.15 Der Erwerb von Grundstücken zwischen Personen, die in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft leben, ist in den Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG nicht geregelt. Insb. erfasst § 3 Nr. 5a GrEStG nur den Grundstückserwerb durch den früheren Lebenspartner i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes und nicht den Erwerb durch den früheren Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.22 § 3 Nr. 4 GrEStG ist seinem Wortlaut nach nicht einschläig. Nach der Rechtsprechung besteht für nicht eheliche Lebensgemeinschaften allerdings kein Korrekturbedarf.23 4. Interpolierende Betrachtungsweise und Zusammenschau von Steuerbefreiungsvorschriften

4.16 Die interpolierende Betrachtungsweise beschreibt – vereinfacht gesagt – eine verklammernde Betrachtung von Steuerbefreiungen. Eine wertende Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften, die im Wortlaut der Einzelvorschriften für sich allein betrachtet nicht zum Ausdruck kommt, kann in der Zusammenschau mit anderen Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung ergeben.24 Bei der interpolierenden Betrachtungsweise handelt es sich um eine Auslegungsmethode.25 Durch eine wertende Auslegung zweier gesetzlicher Befreiungsvorschriften (Interpolation) kann ein dritter, gesetzlich nicht normierter Befreiungstatbestand anerkannt werden, wenn das betroffene Steuergesetz anderenfalls zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde.26 Die interpolierende Betrachtungsweise beruht zudem auf dem Gedanken, dass sich ein zu beurteilender Erwerb als abgekürzter Weg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wären sie durchgeführt worden, ebenfalls steuerbefreit wären.27 20 Vgl. z.B. FG Münster v. 28.5.2008 – 8 K 1597/06 GrE, EFG 2008, 1998. 21 S. § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Wenn eine Schenkung der Schenkungsteuer unterliegt, greift auch unter Geschwistern die „allgemeine“ Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG ein. 22 BFH v. 1.2.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540. 23 BFH v. 1.2.2020 – II B 53/20, BFH/NV 2021, 540. 24 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 228; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 33. 25 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 34. 26 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5; Halaczinsky, UVR 2022, 21 (23); Pahlke6, Vorbemerkung zu §§ 3 bis 7 GrEStG Rz. 10; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 14. 27 Z.B. BFH v. 25.5.2021 – II B 87/20, BFH/NV 2021, 1208; v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322; v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5; s. auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 33. Vgl. BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

496 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.19 Kap. 4

In diesem Sinne kann der Erwerb von dem geschiedenen Ehegatten durch den neuen Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung in Zusammenschau mit § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbefreit sein.28 Erwirbt eine Gesamthand, an der der frühere Ehegatte des Veräußerers beteiligt ist, im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung der Ehegatten ein Grundstück, führt die interpolierende Betrachtungsweise dazu, dass der Erwerb so zu behandeln ist, als wäre er durch den geschiedenen Ehegatten erfolgt.29 Gem. § 3 Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 GrEStG ist der Grundstückserwerb in Höhe der Quote steuerfrei, zu der der frühere Ehegatte an der Gesamthand beteiligt ist.30 Entsprechendes gilt, wenn die beiden früheren Ehegatten an einer Gesamthand beteiligt sind und im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung auf diese Gesellschaft Grundstücke übertragen.31

4.17

Die interpolierende Betrachtungsweise ist jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen möglich. So darf im Rahmen der interpolierenden Betrachtungsweise stets nur an einen tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt angeknüpft werden.32 Wird z.B. ein Grundstück mit einem geschenkten oder geerbten Geldbetrag erworben, so kann nicht über eine wertende Zusammenschau die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG angewendet werden.33 Denn § 3 Nr. 2 GrEStG setzt voraus, dass das Grundstück selbst und nicht die Mittel zu dessen Erwerb geschenkt oder geerbt wurden.34 Auf die sog. mittelbare Schenkung ist die Norm daher nicht anwendbar. Für die (grunderwerb-)steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts hat außer Acht zu bleiben, dass eine andere Sachverhaltsgestaltung, etwa eine unmittelbare Grundstücksschenkung, denkbar gewesen wäre und die Alternativgestaltung im Anwendungsbereich der Steuerbefreiung gelegen hätte.35

4.18

Eine interpolierende Betrachtung darf zudem nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Sinn und Zweck hinaus führen.36 Dies wäre etwa dann der Fall, wenn man eine bestimmte Regelung in § 3 GrEStG ohne jeden Bezug zu einer anderen Befreiungsvorschrift interpolierend auf eine Gestaltung anwendete, die nach der Systematik der Befreiungsvorschriften gerade nicht von der Grunderwerbsteuer befreit sein soll.37

4.19

28 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 228. 29 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 228. 30 BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 228. 31 BFH v. 20.12.2011 – II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 228. 32 BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292; v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 15; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 35. 33 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 37. 34 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 37. 35 Vgl. BFH v. 12.9.1973 – II R 90/72, BStBl. II 1974, 171; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 37. 36 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5. 37 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5.

Riedel | 497

Kap. 4 Rz. 4.20 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.20 Ferner gilt § 42 AO als allgemeine Gestaltungsgrenze. Das bedeutet, es darf im Einzelfall kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegen.38 Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO ist in aller Regel ausgeschlossen, wenn für den konkret gewählten Weg auch außersteuerliche Gründe bestehen.39 Die interpolierende Betrachtungsweise ist z.B. nicht durch § 42 AO ausgeschlossen, wenn die Übertragung von Miteigentumsanteilen auf später geborene Geschwister auf der Intention des schenkenden Elternteils beruht, den Kindern und den künftigen Kindern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu gleichen Teilen zu übertragen.40 § 42 AO steht der interpolierenden Betrachtungsweise auch nicht entgegen, wenn die Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern bei einer (Neu-)Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge auf dem Interesse eines Elternteils beruht, gegenüber einem begünstigten Kind selbst als Schenker aufzutreten.41 Für die Praxis bedeutet dies, dass insb. bei Übertragungen zwischen Geschwistern klar erkennbar und entsprechend dokumentiert sein sollte, auf welchen (außersteuerlichen) Gründen die Übertragung von Grundstücken oder Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften beruht.42 4.21 Beispiel 2 (Beispiel und Lösungsansätze vereinfacht nach BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5): Schwester S und Bruder B waren je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks, das ihnen ihr Vater V im Jahr 2006 unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen hatte. Mit Vertrag vom 19.3.2019 übertrug V im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen gesamten KG-Anteil sowie sämtliche von ihm gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf B. Im Gegenzug verpflichtete sich B gegenüber V und S, „zum Zwecke der Gleichstellung“ seinen im Jahre 2006 schenkweise erhaltenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf S zu übertragen. Die Übertragung erfolgte unter Übernahme des zugunsten von V bestehenden Nießbrauchsrechts. Der Erwerb des Miteigentumsanteils durch S bzw. der Abschluss der vertraglichen Vereinbarung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Fraglich ist allerdings, ob die Befreiungen nach § 3 Nr. 2 und/oder § 3 Nr. 6 GrEStG hier Anwendung finden. Der Tatbestand beider Vorschriften ist nicht erfüllt. § 3 Nr. 2 GrEStG verlangt eine Grundstücksschenkung unter Lebenden, die im Verhältnis B zu S nicht vorliegt. Denn B hat S den Miteigentumsanteil nicht im Zuge einer freigiebigen Zuwendung übertragen. Vielmehr lag der Übertragung eine Auflage, also eine schuldrechtliche Verpflichtung des B, die er V gegenüber zu erfüllen hatte, zugrunde. Schenkungsteuerlich ist danach nicht der mit der Auflage beschwerte B, sondern V als Zuwendender anzusehen. § 3 Nr. 6 GrEStG verlangt einen Erwerb von einer Person, die mit dem Erwerber in gerader Linie verwandt ist. Dies ist im Verhältnis B zu S ebenso nicht der Fall, da die beiden Beteiligten lediglich in Seitenlinie miteinander verwandt sind. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung unter Anwendung der interpolierenden Betrachtungsweise eine (teilweise) Befreiung des Grundstückserwerbs der S gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG in Betracht, soweit dieser als freigiebige Zuwen-

38 39 40 41 42

Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 15; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 11. Vgl. z.B. BFH v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539. BFH v. 16.12.2015 – II R 49/14, BStBl. II 2016, 292. BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 38.

498 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.24 Kap. 4 dung des V anstelle der Zahlung eines Gleichstellungsgelds erfolgte.43 Die Übertragung des Miteigentumsanteils von B auf V wäre gem. § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei gewesen. Eine anschließende Übertragung dieses Miteigentumsanteils von V auf S wäre nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit gewesen. Der interpolierenden Betrachtungsweise steht § 42 AO hier nicht entgegen, da für die vorliegend gewählte Gestaltung ein beachtlicher Grund vorliegt. Das berechtigte Interesse kommt hier darin zum Ausdruck, dass B seinen Miteigentumsanteil am Grundstück anstelle der Zahlung eines Gleichstellungsgeldes ausdrücklich auf Veranlassung des V auf die S übertragen hatte.

III. Anwendung der Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 1. Überblick Die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG sind ihrem Wortlaut nach jeweils auf den Erwerb von Grundstücken zugeschnitten. Gleichwohl fallen nach wohl h.M. nicht nur Erwerbe von Grundvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG unter die Befreiungstatbestände. Vielmehr sind die Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG grundsätzlich auf sämtliche Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG anwendbar.44 Im Einzelnen ist die Anwendung der Steuerbefreiungen insb. im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände jedoch nur insoweit möglich, als dass der einzelne Befreiungstatbestand und die grunderwerbsteuerliche Qualifikation des Erwerbsvorgangs einer Anwendung der Befreiung nicht entgegenstehen.45

4.22

Bei einer PersGes. sind nach der derzeit geltenden grunderwerbsteuerlichen Betrachtungsweise die Gesellschafter selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer des Gesellschaftsvermögens (Gesamthandsprinzip). Dies rechtfertigt es, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft zu berücksichtigen und daher auch die personenbezogenen Befreiungsvorschriften, die an das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber anknüpfen, anzuwenden.46 Für die einzelnen steuerbaren Erwerbsvorgänge ergibt sich hieraus Folgendes:

4.23

2. Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG Bei einer steuerbaren Änderung im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert das Gesetz den Übergang des Grundbesitzes von einer „alten“ auf eine „neue“ PersGes.: Gehört zum Vermögen einer PersGes. (mindestens) ein inländisches Grundstück und ändert sich der Gesellschafterbestand innerhalb von zehn Jahren unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue PersGes. gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Finanzverwaltung geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass bei Erwerbsvorgän43 BFH v. 11.8.2014 – II B 131/13, BFH/NV 2015, 5. 44 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 5; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 18. 45 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 5; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 8. 46 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 11; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 359; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 18 und 210.

Riedel | 499

4.24

Kap. 4 Rz. 4.24 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

gen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, die nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar sind, die Steuerbefreiungen des § 3 GrEStG zu beachten sind.47

4.25 Die Anwendung der personenbezogenen Steuerbefreiungen (insb. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG) beruht dabei auf einer Gesamtbetrachtung mit § 6 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 GrEStG.48 Hieraus folgt, dass auch die Vorbehaltensfristen nach § 6 Abs. 4 GrEStG und die Nachbehaltensfrist i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 ff. GrEStG erfüllt sein müssen.49 Die für PersGes. geltenden Befreiungen, z.B. gem. § 6 GrEStG, stehen dabei gleichrangig neben der Anwendung von § 3 GrEStG. S. Rz. 4.65 Überträgt ein Gesellschafter z.B. seinen Gesellschaftsanteil an einer KG auf seinen Sohn und wird anlässlich dieser Anteilsübertragung ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbarer Vorgang ausgelöst, ist die Grunderwerbsteuer in Höhe des dem Sohn zugewendeten Anteils am Gesellschaftsvermögen gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG nicht zu erheben (s. Beispiel 4, Rz. 4.28 und 4.29). Findet die Anteilsübertragung im Wege einer (reinen) Schenkung statt, kann die Steuerfreiheit insoweit auch auf § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gestützt werden, Rz. 4.28.50 Handelt es sich um einen Vorgang, der schenkungsteuerlich als gemischte Schenkung zu qualifizieren ist, kommt in der Regel hinsichtlich des Teils, der als Schenkung zu qualifizieren ist, § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, im Übrigen § 3 Nr. 6 GrEStG und ggf. auch § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zur Anwendung (vgl. Rz. 4.73). 4.26 Beispiel 351: A ist seit mehr als 10 Jahren alleiniger Kommanditist einer gewerblich geprägten und originär gewerblich tätigen KG, welche umfangreichen Grundbesitz innehat. Er überträgt mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 21.3.2022 sämtliche Kommanditanteile sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf seine Tochter T im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt, da mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der KG innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf einen Neugesellschafter übergegangen sind. Schenkweise übertragen wurden 100 % der Kommanditanteile an der grundbesitzenden KG. Der Vorgang ist jedoch nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. Zweck der Vorschrift ist, die doppelte Belastung desselben Lebenssachverhalts mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer zu vermeiden. Dies gilt auch, wenn Gegenstand der freigiebigen Zuwendung ein Anteil an einer grundbesitzenden PersGes. ist. § 3 Nr. 2 GrEStG ist anwendbar, wenn ein Vorgang aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts zugleich unter das ErbStG fällt. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich Erbschaft- oder Schenkungsteuer entstanden ist. Auf die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommt es nicht (mehr) an. Die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG wird durch den Vorrang von § 1 Abs. 2a GrEStG auch dann ausgeschlossen, wenn im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Steuer auf Grund einer Befreiungsvorschrift nicht erhoben wird.

47 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 9. 48 Vgl. BFH v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2005, 649; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 47. 49 Zu möglichen Fällen der teleologischen Reduktion s. Rz. 4.168. 50 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409. 51 Vgl. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 9.1.

500 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.30 Kap. 4

Zu beachten ist hinsichtlich des Umfangs der Steuerbefreiung, dass der (fiktive) Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG durch die fiktiv neue Gesellschaft nur insoweit gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als er auf (vorangegangenen) Schenkungen beruht.52 Der Umfang der Steuerbefreiung entspricht also dem prozentualen Anteil des schenkweisen übertragenen Gesellschaftsanteils, der zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat (Beispiel 4, Rz. 4.29 und 4.85 ff.).53

4.27

Sofern ein Gesellschafter einer grundbesitzenden PersGes. seine Beteiligung nicht vollständig, sondern nur teilweise auf die nachfolgende Generation überträgt, ist der Umstand, dass er weiterhin an der PersGes. beteiligt ist, im Rahmen der grunderwerbsteuerlichen Würdigung der Vorgänge zu berücksichtigen. Da § 1 Abs. 2a GrEStG die Übertragung der Grundstücke des Gesellschaftsvermögens auf eine fiktiv neue PersGes. fingiert, findet § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG insoweit Anwendung, als dass im Rahmen des Erwerbsvorgangs Gesellschafteridentität besteht. Soweit der alte und der neue Gesellschafterkreis übereinstimmt, ist der Vorgang steuerfrei gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und die Nachbehaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist zu beachten. Im Übrigen kommt eine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG (i.V.m. § 6 Abs. 1, Abs. 3 GrEStG) in Betracht.

4.28

Beispiel 4 (nach gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 9.2): Am Vermögen der grundbesitzenden oHG sind A zu 89 %, B zu 9 % und C zu 2 % beteiligt. Innerhalb des Zehnjahreszeitraums überträgt A seinen Anteil auf seinen Sohn Y und B seinen Anteil im Wege der entgeltlichen Veräußerung auf Z, einen fremden Dritten.

4.29

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt, da mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der oHG innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf Neugesellschafter übertragen werden. Der Vorgang ist zu 89 % nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit. Die Steuer wird zudem i.H.v. 2 % nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht erhoben, da insoweit C am Vermögen der fiktiv alten und der fiktiv neuen oHG beteiligt ist. Die Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist zu beachten. Der Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist daher i.H.v. 9 % steuerbar und steuerpflichtig. Zu beachten ist, dass Steuerschuldner die KG ist (§ 13 Nr. 6 GrEStG), obgleich die maßgebende Ursache für die Entstehung dieser Steuerschuld durch den einen Gesellschafter B gesetzt wurde.

3. Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG Gehört zum Vermögen einer KapGes. ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies gem. § 1 Abs. 2b GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue KapGes. gerichtetes Rechtsgeschäft. Steuerbar i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG ist demnach auch die (vollständige oder teilweise) unentgeltliche Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden KapGes. auf die nächste Generation im 52 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 49. 53 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 49.

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4.30

Kap. 4 Rz. 4.30 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob auf eine solche Änderung im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG die Befreiungstatbestände nach § 3 Nr. 2 sowie die (sonstigen) personenbezogenen Steuerbefreiungen, insb. § 3 Nr. 6 GrEStG, anwendbar sind.

4.31 Beispiel 5: A ist Alleingesellschafter einer GmbH mit umfangreichem Grundbesitz. Er überträgt im Wege einer Schenkung mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 21.3.2022 sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH auf seine Tochter T. Durch die Übertragung von mindestens 90 % der Geschäftsanteile an der grundbesitzenden GmbH auf T wird ein steuerbarer Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG verwirklicht (unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden KapGes.).

4.32 Beispiel 6: Gesellschafter A und B sind zu jeweils 50 % als Kommanditisten an einer Holding-KG beteiligt. Die Holding-KG ist 100%ige Gesellschafter in einer Holding-GmbH, die wiederum 100 % der Geschäftsanteile einer grundbesitzenden GmbH hält. Die grundbesitzende GmbH hat die ihr zuzurechnenden Grundstücke ursprünglich zivilrechtlich von einem Dritten erworben. A und B planen beide, ihre Kommanditanteile im Laufe des Jahres 2023 vollständig auf die nächste Generation zu übertragen.

Vorher:

Nachher:

A

B

Schenkungen der Kommanditanteile an 50 % die nachfolgende Generation von A und B

50 %

Holding KG

Summe 100 %

Holding KG

100 %

100 %

Holding GmbH

Holding GmbH

100 %

100 %

GmbH

Abb. 1

502 | Riedel

GmbH

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.35 Kap. 4 Durch den vollständigen Wechsel der Gesellschafter der Holding-KG im Laufe des Jahres 2023 findet hinsichtlich der grundbesitzenden GmbH eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG statt.54

Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2b GrEStG sollen die personenbezogenen Befreiungstatbestände sowie die Nichterhebungsregelungen auf KapGes. bzw. auf die Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden KapGes. i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG keine Anwendung finden.55 Grund für die Nichtwendung personenbezogener Steuerbefreiungen bei § 1 Abs. 2b GrEStG soll nach Ansicht des Gesetzgebers sein, dass sich bei der Verwirklichung von § 1 Abs. 2b GrEStG aufgrund der Rechtsform der grundbesitzenden Gesellschaft als KapGes. Unterschiede zu den sonstigen steuerbaren Anteilserwerben ergeben.56 Zur Frage, ob § 3 Nr. 2 GrEStG als personenbezogene Befreiung angesehen wird bzw. auf Erwerbe i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG anwendbar ist, findet sich in den Gesetzesmaterialien allerdings keine Aussage.

4.33

Die Finanzverwaltung spricht sich in ihren gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2b GrEStG ausdrücklich für eine Anwendung von § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG aus.57 Steuerbefreit sind demnach sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung an grundbesitzenden KapGes. als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen an der grundbesitzenden KapGes. unabhängig von den Schenkungszeitpunkten.58 Die Begünstigung vorausgegangener schenkweiser Anteilsübertragungen an der KapGes. setzt voraus, dass das jeweilige Grundstück der Gesellschaft bereits zu den damaligen Schenkungszeitpunkten grunderwerbsteuerlich zuzurechnen war.59

4.34

Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG auf durch unentgeltliche Anteilsübertragungen an grundbesitzenden KapGes. ausgelöste Erwerbsvorgänge ist nach hier vertretener Ansicht unter steuersystematischen Aspekten folgerichtig.60 § 3 Nr. 2 GrEStG zielt darauf ab, eine Doppelbelastung mit Verkehrssteuern zu vermeiden. Dieser Sinn und Zweck ist nicht nur bei der Schenkung von Anteilen an grundbesitzenden PersGes., sondern ebenso bei der Schenkung von Anteilen an KapGes. verwirklicht.61 Für eine Differenzierung zwischen Anteilsübergängen

4.35

54 Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen zugleich auch ein Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG vorliegt. Dies kann dann der Fall sein, wenn das von der grundbesitzenden Tochter-GmbH zivilrechtlich gehaltene Grundstück grunderwerbsteuerlich zugleich der Holding GmbH und/oder der Holding-KG zuzurechnen ist. Diese Themen sind umstritten. Siehe hierzu aus Compliance-Sicht Rz. 10.52 ff., allgemein: Rz. 1.79 ff. und Rz. 3.28 ff. 55 BT-Drucks. 19/13437, S. 11 f. 56 BT-Drucks. 19/13437, S. 11 f. 57 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9. 58 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9. 59 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9. 60 Ebenso Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (871); Wachter/Wiedemann, UVR 2019, 211 (216 f.); Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 8.1. 61 Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (871).

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Kap. 4 Rz. 4.35 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

von PersGes. und KapGes. bei den Bewegungstatbeständen besteht vor diesem Hintergrund kein sachlicher Grund.

4.36 Fortsetzung Beispiel 5: Die schenkweise Übertragung der GmbH-Anteile von A an seine Tochter zum 21.3.2022 ist nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG steuerbar, aber gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit.

4.37 Fortsetzung Beispiel 6: Entsprechendes gilt für die Schenkung der Kommanditanteile seitens A und B an ihre beiden Kinder im Laufe des Jahres 2023. Beide schenkweise Übertragungen der Kommanditanteile von in Summe jeweils 50 % sind nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit, auch wenn sie nicht zum selben Übertragungsstichtag stattfinden. Denn nach Ansicht der Finanzverwaltung fallen unter § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung an grundbesitzenden KapGes. als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen an der grundbesitzenden KapGes. unabhängig von deren Schenkungszeitpunkten. Sofern der Grundstücksbestand der grundbesitzenden GmbH zu beiden Schenkungszeitpunkten identisch gewesen ist, also die maßgeblichen Grundstücke der GmbH zu den beiden Schenkungszeitpunkten grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sind, ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG für die schenkweisen Anteilsübertragungen uneingeschränkt zu gewähren.

4.38 Die Finanzverwaltung bezieht sich in ihren gleichlautenden Ländererlassen ausdrücklich nur auf die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG. Diese soll zur Anwendung kommen, soweit die Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft durch Schenkung unter Lebenden i.S.d. ErbStG übertragen werden. Hiermit dürfte auch gemeint sein, dass bei Vorgängen, die als gemischte Schenkung i.S.d. ErbStG zu qualifizieren sind, der entgeltliche Teil des Geschäfts nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit ist. Adressiert sein dürften auch Schenkungen unter Auflage, die nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, der Grunderwerbsteuer unterliegen. Insb. in den Fällen des Verkaufs oder der gemischten Schenkung stellt sich daher die Frage, ob der Teil des Erwerbsvorgangs, der nicht als Schenkung i.S.d. ErbStG und des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu qualifizieren ist, gleichwohl nach § 3 GrEStG befreit sein kann. 4.39 Nach Ansicht der Finanzverwaltung62 sowie Teilen in der Literatur63 sollen die personenbezogenen Steuerbefreiungen i.S.d. § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG – anders als die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG – ausdrücklich nicht in Betracht kommen, da § 1 Abs. 2b GrEStG seiner Regelungstechnik nach einen Grundstücksübergang von der grundbesitzenden KapGes. auf eine fiktiv neue KapGes. unterstellt. Gleiches lässt sich auch der Gesetzesbegründung entnehmen.64 4.40 (Höchstrichterliche) Rechtsprechung zu dieser Thematik existiert aktuell (noch) nicht, sodass Fragen hinsichtlich der Anwendung von personenbezogenen Steuerbefreiungen im Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG noch offen sind. Gegen eine Anwendung der personenbezogenen Befreiungen, z.B. § 3 Nr. 6 GrEStG. mag zwar die 62 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9. 63 S. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 18. 64 BT-Drucks. 19/13437, S. 11 f.

504 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.41 Kap. 4

Erwägung sprechen, dass bei KapGes. steuerrechtlich im Grundsatz keine Durchgriffsbetrachtung auf die dahinterstehenden (natürlichen) Personen stattfindet und § 1 Abs. 2b GrEStG gerade die Übertragung des Grundbesitzes einer KapGes. auf eine neue KapGes. fingiert. Ein argumentativer Rückgriff auf den Transparenzgedanken ist daher – anders z.B. im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG – eher weniger naheliegend. Allerdings ist auch zu beachten, dass § 1 Abs. 2b GrEStG der Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG nachgebildet ist. Es dürfte daher im Hinblick auf den im Steuerrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG eher sachgerecht sein, auf einen durch die Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen ausgelösten steuerbaren Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG im Einzelfall auch die personenbezogenen Befreiungen nach § 3 GrEStG zur Anwendung zu bringen. Würde man Vorgänge nach § 1 Abs. 2b GrEStG von den Befreiungen ausnehmen, hinge es von der Rechtsform der grundbesitzenden Gesellschaft ab, ob die Anteilsübertragung im Einzelfall von der Grunderwerbsteuer befreit wäre oder nicht. Denn dann würde die Rechtsform der grundbesitzenden Gesellschaft sowie der im Einzelfall verwirklichte Erwerbstatbestand über die Anwendung von Steuerbefreiungen und damit über die Steuerbelastung entscheiden. Beispiel 7: A ist alleiniger Inhaber eines gewerblichen Unternehmens, welches über umfangreichen Grundbesitz verfügt. Er plant, zeitnah sämtliche Unternehmensanteile auf seine Tochter T zu übertragen. Variante 1: Die grundbesitzende Gesellschaft hat die Rechtsform einer GmbH. A veräußert seine GmbH-Anteile zu einem fremdüblichen Preis an T. Der Erwerb ist nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG kommt nach Ansicht der Finanzverwaltung hingegen nicht zur Anwendung, Variante 2: Die grundbesitzende Gesellschaft hat die Rechtsform der KG. A veräußert seine KG-Anteile zu einem fremdüblichen Preis an T. Der Erwerb ist nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 (i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 GrEStG) kommt nach Ansicht der Finanzverwaltung hier zur Anwendung. Die Vor- und Nachbehaltensfristen (§ 6 Abs. 4, Abs. 3 Satz 2 GrEStG) sind zu beachten. Vor diesem Hintergrund könnte im Einzelfall die Umwandlung einer (grundbesitzenden) KapGes. in eine PersGes. erwogen werden, wobei hier jedoch die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG zu beachten ist. Variante 3: Die grundbesitzende Gesellschaft hat die Rechtsform der GmbH. Die GmbH wird im Wege des Formwechsels in eine KG umgewandelt. Im Anschluss hieran veräußert A seine KG-Anteile zu einem fremdüblichen Preis an T. Der Formwechsel der GmbH in die KG ist nicht grunderwerbsteuerbar. Die Veräußerung der KG-Anteile ist steuerbar nach § 1 Abs. 2a GrEStG.65 Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 GrEStG kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Vorbehaltensbedingungen i.S.d. § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sind. Problematisch ist hier insb. die Vorbehaltensfrist von zehn Jahren nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG, da der maßgebende Gesamthänder (hier A) – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Le65 Vgl. zum Formwechsel auch die Ansicht der Finanzverwaltung nach gleich lautenden Ländererlassen v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.1.

Riedel | 505

4.41

Kap. 4 Rz. 4.41 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge benden erworben hat. Eine Person hält einen Anteil i.S.d. § 6 GrEStG an einer grundbesitzenden Gesamthand, wenn sie am Vermögen der Gesamthand unmittelbar beteiligt ist.66 Wird eine grundbesitzende KapGes. formwechselnd in eine Gesamthandsgemeinschaft umgewandelt, stellt die Beteiligung der späteren Gesamthänder der vormaligen KapGes. allerdings keine solche unmittelbare dingliche Mitberechtigung an dem Grundstück dar.67 Es erfolgt keine Anrechnung der Beteiligungs- oder Besitzzeiten. Vielmehr beginnt die Vorbehaltensfrist i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GrEStG erst mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister.68 A hat den Kommanditanteil an der grundbesitzenden KG (erst) im Zuge des Formwechsels erworben. Seine vormalige Beteiligung an der grundbesitzenden GmbH wird für Zwecke des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht „angerechnet“. Demnach ist der Erwerbsvorgang grds. erst nach dem Ablauf von zehn Jahren nach Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister gem. § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit.

4. Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG a) Überblick und Relevanz

4.42 Bei steuerbaren Vorgängen i.S.d. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG kommt es für die Anwendung von Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG darauf an, ob Anteile an PersGes. oder KapGes. übertragen werden bzw. es insoweit zu einer Anteilsvereinigung kommt und welche konkrete Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG in Frage steht. Anders als bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ist die Thematik der Steuerbefreiungen auch bei Anteilserwerben von Todes wegen von besonderer Bedeutung, da das Gesetz in § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG für den Anteilserwerb von Todes wegen keinerlei Ausnahmen bei der Steuerbarkeit vorsieht (Rz. 4.5). 4.43 Für die Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG ist zu beachten, dass § 1 Abs. 3 GrEStG – anders als § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG – keine Grundstücksübertragung aus dem Gesellschaftsvermögen in ein fiktiv neues (Gesellschafts)Vermögen fingiert, sondern Besteuerungstatbestand die durch die Anteilsvereinigung begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand ist.69 Derjenige, in dessen Hand die Anteilsvereinigung erfolgt, wird so betrachtet, als hätte er das Grundstück von der Gesellschaft erworben.70 Dieser Grundgedanke der Regelungen hat bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG teilweise Folgewirkungen für die Beurteilung der Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG. Im Einzelnen: b) Anteilsvereinigung bei Personengesellschaften

4.44 Bei der Anteilsvereinigung von Anteilen an PersGes., die nicht bereits unter die vorrangig anzuwendende Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG fallen, wird der Gesellschaf-

66 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 80; BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587; FG Niedersachsen v. 20.7.1989 – III 109/85, EFG 1990, 73. 67 Viskorf in Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 80; BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587. 68 BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587. 69 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 10. 70 BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 10.

506 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.47 Kap. 4

ter, in dessen Händen sich die Anteile vereinigen, für grunderwerbsteuerliche Zwecke so behandelt, als habe er das Grundstück von der PersGes. erworben.71 § 3 Nr. 2 GrEStG ist nach Ansicht der Finanzverwaltung auf die schenkweise Anteilsvereinigung von grundbesitzenden PersGes. anwendbar.72 Die Rechtsansicht beruht auf dem Zweck der Vorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG. Dieser besteht darin, dass ein Lebenssachverhalt, der jeweils zu einem steuerbaren Vorgang i.S.d. ErbStG und i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG führt, nur einmalig mit Verkehrsteuern belastet wird.73 § 3 Nr. 2 GrEStG dürfte nach hier vertretener Ansicht auch künftig nach MoPeG zur Anwendung kommen, da der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Vermeidung einer doppelten steuerlichen Belastung desselben Lebenssachverhalts mit Verkehrsteuern, auch bei geänderter zivilrechtlicher Betrachtungsweise der PersGes. erfüllt ist.

4.45

Beispiel 8: A war seit mehreren Jahrzehnten alleiniger Kommanditist einer grundbesitzenden KG. Er übertrug zunächst 80 % seiner Kommanditanteile mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 1.1.2015 auf seine Tochter T. Mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 21.3.2021 hat A sodann die restlichen Kommanditanteile schenkweise auf seine Tochter T übertragen. Der Anteilserwerb zum 21.3.2021 ist nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar. § 6 Abs. 2 und 3 GrEStG sind nach Ansicht der Finanzverwaltung74 anwendbar, da derjenige, in dessen Hand sich die Vereinigung der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG vollzieht, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt wird, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Für den Anwendungsbereich des § 6 GrEStG liegen somit fiktive Grundstücksübertragungen von der KG auf T vor. Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG können gleichzeitig sowohl nach einer personenbezogenen Befreiungsvorschrift als auch nach § 6 GrEStG begünstigt sein.75

4.46

Demnach ist der Vorgang i.H.v. 80 % gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG und i.H.v. 20 % nach § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG steuerbefreit. Die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG a.F. ist erfüllt.

Bei der Beurteilung, ob neben § 3 Nr. 2 GrEStG auch die personenbezogenen Befreiungen nach § 3 GrEStG auf Anteilsvereinigungen bei Personengesellschaften anwendbar sind, ist die Rechtsnatur der PersGes. als Gesamthand zu beachten. PersGes. sind nach aktueller Rechtslage nach Ansicht der Finanzverwaltung grunderwerbsteuerrechtlich nicht uneingeschränkt als selbständig anzusehen (vgl. §§ 5, 6 GrEStG).76 Eigentümer des Vermögens einer PersGes. sind die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die besondere Rechtsnatur der PersGes. rechtfertigt es daher nach den Ansichten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesell-

71 Vgl. Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 875. 72 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069; Berke in Behrens/ Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 52. 73 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 52. 74 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069. 75 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069. 76 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069.

Riedel | 507

4.47

Kap. 4 Rz. 4.47 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

schaft, d.h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen.77 Daher sind die personenbezogenen Befreiungsvorschriften nach § 3 GrEStG bei Erwerbsvorgängen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG bei PersGes anzuwenden.78 Vor dem Hintergrund des MoPeG ist allerdings fraglich, ob und inwieweit diese Betrachtungsweise in Zukunft uneingeschränkt gelten wird. S. Rz. 6.134.

4.48 Beispiel 9: A war ursprünglich alleiniger Kommanditist einer grundbesitzenden KG. Er übertrug zunächst 80 % seiner Kommanditanteile mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 1.1.2022 auf seine Tochter T. Die restlichen Anteile sollen (frühestens) nach Ablauf von fünfzehn Jahren (nach dem 1.1.2037) gegen Leistung eines Kaufpreises übertragen werden. Die Anteilsübertragung zum 1.1.2022 ist nicht steuerbar. Die geplante weitere schenkweise Anteilsübertragung der verbleibenden 20 % ist nach § 1 Abs. 3 GrEStG als Anteilsvereinigung steuerbar. Hier ist fraglich, inwieweit die Steuerbefreiungen zur Anwendung kommen. Nach derzeitiger Ansicht der Finanzverwaltung kann hinsichtlich der 80 %, welche T im Erwerbszeitpunkt bereits innehat, § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zur Anwendung gelangen. Für Erwerbsvorgänge in diesem Zeithorizont sind zudem die strengeren Vorbehaltensbedingungen gem. § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG zu beachten. Im Übrigen dürfte der Erwerb nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreit sein. Im Blick zu behalten ist, ob dies nach Umsetzung des MoPeG weiterhin gilt.

c) Anteilsvereinigung bei Kapitalgesellschaften

4.49 Bei der Anteilsvereinigung bei grundbesitzenden KapGes. ist § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nach Ansicht der BFH-Rechtsprechung und der Finanzverwaltung anwendbar.79 In einem solchen Fall ist der Sinn und Zweck der Regelung – die doppelte steuerliche Erfassung eines Lebenssachverhaltes mit Verkehrssteuern zu vermeiden – erfüllt. Begünstigungsfähig i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG sind dabei sowohl die tatbestandsauslösende Anteilsübertragung als auch eine oder mehrere vorangegangene schenkweise Anteilsübertragungen unabhängig von den Schenkungszeitpunkten.80 4.50 Beispiel 10: A war ursprünglich Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Mit zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung zum 21.3.2012 übertrug A 80 % der Geschäftsanteile schenkweise an seine Tochter B. Mit zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung zum 1.4.2022 übertrug A schenkweise die restlichen 20 % an B.

77 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069; BFH v. 21.11.1979 – II R 96/76, BStBl. II 1980, 217; v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl. II, 528. 78 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069. 79 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793, hieran anknüpfend: gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069. 80 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069.

508 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.52 Kap. 4

Vorher:

21.3.2012: Schenkung Nr. 1 (21.3.2012)

A

100 %

GmbH

A

Nachher (ab 1.4.2022):

B 20 %

G GmbH

Schenkung Nr. 2 (1.4.2022)

80 %

B 100 %

GmbH

Abb. 2 Die Anteilsübertragung am 1.4.2022 ist nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar und vollständig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit.

Die personenbezogenen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG, welche auf ein persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Veräußerer abstellen (vgl. z.B. § 3 Nr. 6 und Nr. 4 GrEStG), sind bei der Anteilsvereinigungen bei KapGes. nach Ansicht von Rechtsprechung und Finanzverwaltung nicht anwendbar.81 Hintergrund dessen sind die Rechtsnatur der Anteilsvereinigung und die (grunderwerb)steuerliche Qualifikation der Kapitalgesellschaft. Mit dem Anteilserwerb i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.82 Besteuert wird also ein fingierter Grundstückserwerb des erwerbenden Gesellschafters von der KapGes. Im Verhältnis zwischen KapGes. und ihrem Gesellschafter sind jedoch keine persönlichen Beziehungen gegeben, da die KapGes. nicht mit ihrem Gesellschafter verwandt, verschwägert oder verheiratet sein kann.83 Diese Erwägungen sollen auch bei Vorgängen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG gelten.

4.51

Beispiel 11: An der grundbesitzenden GmbH sind seit elf Jahren V zu 60 % und Sohn S zu 40 % beteiligt. V überträgt seine Geschäftsanteile mit zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Wirkung auf den 19.1.2022 entgeltlich an S.

4.52

81 Vgl. BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 (zu § 3 Nr. 6 GrEStG); MeßbacherHönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 51; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 10; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 186b; gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 18, 1069 Tz. 1; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 12. 82 BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 Rz. 11; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 51. 83 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 51.

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Kap. 4 Rz. 4.52 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Der Vorgang ist nicht nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar, da S zum Erwerbszeitpunkt als Altgesellschafter zu qualifizieren ist. Der Erwerb ist als Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Eine Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG scheidet aus, wenn die Anteile (vollständig) entgeltlich übertragen werden. § 3 Nr. 6 GrEStG ist nach Ansicht der Finanzverwaltung und Rechtsprechung ebenso nicht anwendbar, da S gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerlich so angesehen wird, als hätte er das Grundstück der GmbH von ihr erworben und eine Verwandtschaft zwischen S und der GmbH nicht besteht.

5. Erwerbe durch Gesellschaften und juristische Personen a) Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8 ErbStG)

4.53 Bei Grundstückserwerben i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG oder Erwerben von Anteilen an Grundstücksgesellschaften durch KapGes. ist noch nicht abschließend geklärt, ob und in welchen Fallkonstellationen § 3 Nr. 2 GrEStG und die personenbezogenen Steuerbefreiungen i.S.d. § 3 GrEStG zur Anwendung kommen können. Erfüllen die Übertragungs- bzw. Erwerbsvorgänge die Voraussetzungen einer sog. disquotalen Einlage, kann zugleich ein schenkungsteuerbarer Vorgang nach § 7 Abs. 8 ErbStG gegeben sein. Die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung haben zu dieser Thematik bisher noch nicht Stellung bezogen. 4.54 Im Allgemeinen gilt auch im Grunderwerbsteuerrecht bei KapGes. der Rechtsgedanke des Durchgriffsverbots. Die personenbezogenen Steuerbefreiungen sind gemessen an der h.M. daher bei Erwerben durch KapGes. von ihren Gesellschaftern grundsätzlich nicht anwendbar.84 Allerdings kann eine KapGes. selbst im Rahmen einer Schenkung Erwerberin i.S.d. § 7 Abs. 1 ErbStG sein. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch die Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG. Als Schenkung gilt gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auch die Werterhöhung von Anteilen an einer KapGes., die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Freigebig sind gem. § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG auch Zuwendungen zwischen KapGes., soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. 4.55 Problematisch ist bezüglich der Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG bei der (unentgeltlichen) Übertragung eines Grundstücks an die KapGes., dass § 7 Abs. 8 ErbStG eine Schenkung des Leistenden an die beteiligten Gesellschafter fingiert, sodass sich für die Grunderwerbsteuer und die Schenkungsteuer unterschiedliche technische Anknüpfungspunkte ergeben.85 Während die Grunderwerbsteuer an die Übertragung des Grundstücks oder der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft anknüpft, knüpft § 7 Abs. 8 ErbStG an die Werterhöhung der Anteile der anderen

84 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 51; s. auch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9, und BT-Drucks. 19/13437, S. 11 f. zu § 1 Abs. 2b GrEStG; vgl. auch BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 85 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 248.

510 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.57 Kap. 4

Gesellschafter der grundbesitzerwerbenden KapGes. an.86 Bereicherte Gesellschafter und damit Steuerpflichtige nach dem ErbStG sind bei der disquotalen Einlage die Gesellschafter der KapGes.87 Im Ergebnis liegt gleichwohl nur ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der sowohl einen grunderwerbsteuerbaren als auch einen schenkungsteuerbaren Vorgang auslöst. § 3 Nr. 2 GrEStG fordert seinem Wortlaut nach nicht, dass der Erwerber des Grundstücks oder des Gesellschaftsanteils zugleich auch der Bereicherte i.S.d. ErbStG sein muss. Vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG, eine Doppelbelastung desselben Vorgangs mit mehreren Verkehrsteuern möglichst zu vermeiden, spricht daher viel für eine Anwendung bei Vorgängen i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG.88 Offen ist zudem, in welchem Umfang die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in Fällen des § 7 Abs. 8 ErbStG zu gewähren ist. Denkbar ist hier zum einen, den Erwerb gem. § 3 Nr. 2 GrEStG generell vollständig von der Grunderwerbsteuer zu befreien.89 Zum anderen ist es jedoch auch möglich, die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG nur insoweit zu gewähren, als dass die Mitgesellschafter aufgrund der disquotalen Einlage gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG als bereichert gelten90. Nur insoweit greift die Regelung nach § 7 Abs. 8 ErbStG, sodass der Erwerbsvorgang auch nur insoweit i.S.d. ErbStG schenkungsteuerbar und zugleich grunderwerbsteuerbar ist. Da bei der disquotalen Einlage nur in Höhe der Wertsteigerung der Anteile der Mitgesellschafter eine Doppelbelastung droht, spricht m.E. viel dafür, dass § 3 Nr. 2 GrEStG auch nur anteilig und zwar insoweit zur Anwendung gelangt, als dass der Vorgang nach § 7 Abs. 8 ErbStG steuerbar ist.91

4.56

Beispiel 12: Gesellschafter einer GmbH sind Vater A und Tochter B zu jeweils 50 %. Im Eigentum von A befindet sich ein Grundstück. Der gemeine Wert des Grundstücks sowie sein Grundbesitzwert betragen 500.000 Euro. A legt dieses Grundstück gegen Verbuchung auf der Kapitalrücklage in die GmbH ein.

4.57

Hier erwirbt die KapGes. das Grundstück von A. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbar. Zugleich ist er als disquotale Einlage nach § 7 Abs. 8 ErbStG schenkungsteuerbar. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung gelangt. Da § 3 Nr. 2 GrEStG verlangt, dass ein Lebenssachverhalt sowohl nach dem GrEStG als auch nach dem ErbStG steuerbar ist, spricht vorliegend viel für die Anwendung der Vorschrift. Denn Anknüpfungspunkt für die Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 1 GrEStG und § 7 Abs. 8 ErbStG ist die Übertragung des Grundstücks durch A auf die GmbH. Offen ist zudem, in welcher Höhe die Steuerbefreiung bei disquotalen Einlagen zur Anwendung gelangen kann. M.E. ist vorliegend die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG i.H.v. 50 % sachgerecht, da nach der Rege-

86 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 248. 87 Sächsisches FG v. 6.5.2021 – 8 K 34/21, EFG 2021, 22019, Revision unter II R 22/21 anhängig. 88 Gl. A. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 248 unter Bezugnahme auf BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 bzgl. der Anteilsvereinigung. 89 Dahingehend wohl Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 248. 90 Vgl. Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 159. 91 Gl. A. Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 159; Hönel/Nienhaus, UVR 2012, 306 (308).

Riedel | 511

Kap. 4 Rz. 4.57 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge lungssystematik des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der Gesellschafter B insoweit als bereichert angesehen wird. In Höhe der eigenen Beteiligung des A fällt der Vorgang nicht unter § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG.92 Nach hier vertretener Ansicht unterliegt der Erwerbsvorgang damit grundsätzlich i.H.v. 250.000 Euro der Grunderwerbsteuer.93

b) Schenkungen an Kapitalgesellschaften

4.58 Im Fall der Übertragung von Vermögensgegenständen eines Gesellschafters an „seine“ KapGes. dürfte regelmäßig, insb. wenn keine weiteren Anhaltspunkte erkennbar sind, eine disquotale Einlage und keine Schenkung an die Gesellschaft selbst vorliegen.94 Übertragen die Gesellschafter im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses Vermögen auf die KapGes., dient dies dem Gesellschaftszweck. Eine solche Vermögensübertragung ist regelmäßig als gesellschaftsrechtlicher Vorgang und nicht als freigiebige Zuwendung an die Gesellschaft zu beurteilen.95 4.59 Allerdings ist es auch denkbar, dass im Rahmen der Schenkung i.S.d. ErbStG die KapGes. selbst Erwerberin ist. Eine KapGes. kann Grundstücke oder Gesellschaftsanteile im Wege der Schenkung oder von Todes wegen von einem Dritten zugewandt bekommen. In diesem Fall ist § 7 Abs. 1 ErbStG vorrangig gegenüber § 7 Abs. 8 ErbStG anzuwenden. Sofern die Leistung auf eine unmittelbare Bereicherung der KapGes. abzielt, soll eine steuerbare Zuwendung an die KapGes. i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen.96 Die Absicht, die Gesellschaft selbst mittels einer Vermögensübertragung zu bereichern, sollte dabei in der Schenkungsvereinbarung zum Ausdruck kommen. In einem solchen Fall liegt m.E. auch ein Anwendungsfall des § 3 Nr. 2 GrEStG vor. 4.60 Beispiel 13: Die A-GmbH erhält im Wege der Schenkung von einem fremden Dritten ein Grundstück. Der Schenkungsvertrag sowie die Begleitumstände ergeben, dass die GmbH Bereicherte sein soll. Der Grundstückserwerb durch die GmbH ist nach § 1 Abs. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Ein Fall des § 7 Abs. 8 ErbStG liegt annahmegemäß nicht vor, da die Leistung des Dritten an die GmbH auf die Bereicherung der GmbH selbst abzielt. Vielmehr ist hier von einer Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auszugehen. Folglich kommt auch § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung.

92 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 159. 93 Vereinfachte Darstellung. Maßgebend für die Ermittlung der Bereicherung ist nach Ansicht der Finanzverwaltung zunächst die Erhöhung des gemeinen Werts der Anteile an der KapGes. bei den Mitgesellschaftern, wobei der gemeine Wert der an die KapGes. zugeführten Leistungen die Obergrenze bildet (vgl. R E 7.5 Abs. 12 ErbStR 2019). 94 Vgl. R E 7.5 Abs. 10 Satz 5 ErbStR 2019. 95 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – II R 63/05, BStBl. II 2008, 381. 96 R E 7.5 Abs. 10 Satz 4 ErbStR 2019.

512 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.62 Kap. 4

c) Erwerbe durch Stiftungen Bei der Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen ist zu beachten, dass Stiftungen rechtsfähige Personen ohne einen Gesellschafterkreis sind. Die Errichtung und Vermögensausstattung der Stiftung ist regelmäßig nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG (Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden) oder § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG („normale“ freigiebige Zuwendung) schenkungsteuerbar. Umfasst die Vermögensausstattung in Deutschland belegenen Grundbesitz oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften, so wird im Zuge eines einheitlichen Lebenssachverhalts jeweils ein Erwerbsvorgang nach dem ErbStG und dem GrEStG verwirklicht. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist daher auf die Ausstattung von Stiftungen anzuwenden.97

4.61

Beispiel 14: A und B sind zu jeweils 50 % als Kommanditisten an einer Holding-KG beteiligt. Die HoldingKG ist 100%ige Gesellschafterin einer grundbesitzenden KG sowie einer grundbesitzenden GmbH.

4.62

A und B planen, eine deutsche Familienstiftung zu errichten. Im Zuge der Ausstattung der Stiftung sollen die Kommanditanteile der Holding KG auf die Stiftung übertragen werden. Begünstigte sollen insb. Familienmitglieder und Stammesverwandte von A und B sein.

Vorher: A 50 %*

Nachher: B

Familienstiftung 100 %*

50 %* Ausstattung Familienstiftung

Holding KG

Holding KG

jeweils 100 %

jeweils 100 % G GmbH

G KG

G GmbH G KG

* Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 3

97 Gl. A. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 272.

Riedel | 513

Kap. 4 Rz. 4.62 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Hinsichtlich der grundbesitzenden KG und der grundbesitzenden GmbH ist der Vorgang nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerbar. Die Übertragung der Holding KG-Anteile auf die Familienstiftung ist zudem als Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG (Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden) steuerbar. Der gleiche Lebenssachverhalt ist daher sowohl nach dem ErbStG als auch nach dem GrEStG steuerbar, sodass m.E. § 3 Nr. 2 GrEStG hier Anwendung findet. Die Ausstattung der Familienstiftung kann gemäß den Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen nach §§ 13a-c ErbStG begünstigt sein. Je nach Höhe und Umfang des auf die Stiftung übertragenen Betriebsvermögens kommt die Verschonungsbedarfsprüfung i.S.d. § 28a ErbStG (Erlassmodell) in Betracht. Die Ausstattung der Familienstiftung ist ungeachtet dessen gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da es auf die Schenkungsteuerbefreiungen für die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG nicht ankommt (vgl. Rz. 4.13).

Bei einem (entgeltlichen) Erwerb von Grundbesitz durch Stiftungen ist noch nicht abschließend geklärt, ob die personenbezogenen Steuerbefreiungen (insb. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG) Anwendung finden, wenn als Destinatäre der Ehegatte und als (entfernteste) Berechtigte die Abkömmlinge des Stifters eingesetzt werden.

4.63 Gegen eine Anwendung der persönlichen Steuerbefreiungen dürfte die Rechtsnatur der Stiftung als juristische Person sowie der Umstand sprechen, dass die Stiftung keinen Gesellschafterkreis hat. Die Destinatäre sind insb. nicht an der Stiftung und dem Stiftungsvermögen vermögensmäßig beteiligt. Die Familienstiftung unterscheidet sich jedoch von der Kapitalgesellschaft insoweit, als dass sie regelmäßig auf eine Begünstigung von Ehegatten und Familienmitgliedern (begünstigter Personenkreis i.S.d. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG) angelegt ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist es daher m.E. möglich, für Zwecke der Anwendung der persönlichen Steuerbefreiungen eine Durchgriffsbetrachtung auf die begünstigten Destinatäre anzunehmen. Beispiel 15: Entgeltliche Übertragung von Grundbesitz auf eine Familienstiftung A verfügt über einen hohen Immobilienbestand in seinem Privatvermögen. Der Erwerb sämtlicher Objekte liegt mehr als zehn Jahre zurück. A entschließt sich eine Familienstiftung zu errichten und seinen Immobilienbestand entgeltlich auf die Stiftung zu übertragen. Aufgrund der Entgeltlichkeit der Immobilienübertragungen liegt kein schenkungsteuerbarer Vorgang vor. Der Erwerb ist daher zwar steuerbar nach § 1 Abs. 1 GrEStG, aber nicht i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob der Erwerb durch die Stiftung unter eine Steuerbefreiung i.S.d. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG fällt, wenn als Destinatäre der Ehegatte und als entfernteste Berechtigte die Abkömmlinge des Stifters eingesetzt werden. Die Familienstiftung unterscheidet sich von der Kapitalgesellschaft insoweit, als dass sie auf eine Begünstigung von Ehegatten und Familienmitgliedern (begünstigter Personenkreis i.S.d. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG) angelegt sein kann. Unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es daher durchaus möglich, für Zwecke der Anwendung der persönlichen Steuerbefreiungen eine Durchgriffsbetrachtung auf die begünstigten Destinatäre anzunehmen.

514 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.66 Kap. 4

d) Erwerbe durch Gesamthandsgemeinschaften Gesamthandsgemeinschaften, also insb. PersGes., sind zwar grunderwerbsteuerrechtlich selbstständige Rechtsträger.98 Nach § 5 GrEStG und § 6 GrEStG wird die Steuer jedoch (teilweise) nicht erhoben, wenn an dem Erwerbsvorgang Gesamthandsgemeinschaften beteiligt sind und weitere Voraussetzungen vorliegen. S. Rz. 4.165 und 4.168.

4.64

Hintergrund der Regelungen nach §§ 5 und 6 GrEStG ist, dass – anders als bei KapGes. – bei Gesamthandsgemeinschaften keine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens in der Hand der PersGes. eintritt.99 Jeder Gesellschafter ist allein kraft seines Mitgliedschaftsrechts sachenrechtlich am Gesamthandsvermögen beteiligt (gesamthänderische Mitberechtigung).100 Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind die personenbezogenen Befreiungen nach § 3 GrEStG in Verbindung mit den Befreiungsvorschriften nach §§ 5 und 6 GrEStG auf Grundstückserwerbe durch PersGes. anwendbar. Insb. bei Erwerben von einer Gesamthand oder durch eine Gesamthand sind persönliche Eigenschaften der Gesamthänder, die für eine Steuerbefreiung nach § 3 GrEStG relevant sind, quotal in dem Maße zu berücksichtigen, wie der jeweilige Gesamthänder am Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft beteiligt ist.101 Insb. Vorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG können daher – je nach Fallkonstellation – gleichzeitig sowohl nach einer personenbezogenen Befreiungsvorschrift nach § 3 GrEStG als auch nach § 6 GrEStG begünstigt sein.102 Soweit die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nicht vorliegen oder später entfallen, ist eine andere Steuervergünstigung zu gewähren, sofern deren Voraussetzungen vorliegen.103

4.65

Beispiel 16: A ist zu 50 % als Kommanditist an einer grundbesitzenden KG beteiligt. Die weiteren 50 % der Kommanditanteile hält bereits sein Sohn. A legt ein von ihm bisher im Sonderbetriebsvermögen gehaltenes Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der KG ein. Der Grundstückserwerb der KG ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 GrEStG, jedoch nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG vollständig steuerbefreit.104 Aus § 5 Abs. 2 GrEStG ergibt sich, dass der Vorgang in Höhe des Anteils steuerbefreit ist, zu dem der Gesellschafter A am Vermögen der KG beteiligt ist (50 %). Insoweit ist die Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu beachten. In Höhe der weiteren 50 % ist sein Sohn an der KG beteiligt. Der Vorgang wird insoweit so behandelt, als hätte A seinem Sohn das Grundstück zu diesem Bruchteil übertragen.

4.66

98 99 100 101

Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 1. Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1. Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 1. BFH v. 11.6.2008 – II R 58/06, BStBl. II 2008, 879; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 6. 102 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5. 103 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5. 104 Eine Befreiung nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 2 GrEStG scheidet vorliegend aus, da die Grundstücksübertragung an die KG nicht unentgeltlich im Wege der Schenkung i.S.d. ErbStG, also gegen Verbuchung auf der gesamthänderisch gebundenen Rücklage, erfolgt. Ein solches Vorgehen dürfte wegen der schenkungsteuerlichen Folgen in der Regel auch nicht gewünscht sein (vgl. BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, BStBl. II 2020, 658).

Riedel | 515

Kap. 4 Rz. 4.67 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

6. § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung a) „Reine“ Schenkung

4.67 Ob ein steuerbarer Vorgang unter den Befreiungstatbestand nach § 3 Nr. 2 GrEStG fällt, bestimmt sich zunächst danach, ob er als steuerbarer Vorgang i.S.d. ErbStG zu qualifizieren ist (Rz. 4.10). Aus § 3 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 GrEStG ergibt sich, dass die „reine“ Schenkung, bei der Grundbesitz oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften vom Schenker auf den Erwerber übertragen werden, ohne dass dieser an den Schenker eine Gegenleistung erbringt oder die Schenkung mit einer Auflage verbunden ist, grundsätzlich vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die „reine Schenkung“ richtet sich – in Abgrenzung zur „gemischten Schenkung“ dabei nach hier vertretener Ansicht nach den im Schenkungsteuerrecht geltenden Grundsätzen. 4.68 Die mittelbare Grundstücksschenkung fällt nicht unter § 3 Nr. 2 GrEStG.105 Bei der mittelbaren Schenkung erhält der Bedachte die Geldmittel für den Erwerb eines Grundstücks.106 Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 GrEStG kommt es auf das Verhältnis zwischen Zuwendendem und Bedachtem an. In diesem Verhältnis findet bei der mittelbaren Schenkung zwar eine Schenkung statt. Diese führt jedoch nicht im gleichen Verhältnis auch zu dem Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG.107 b) Gemischte Schenkungen aa) Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis

4.69 Zivilrechtlich liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird und die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, dass der überschießende Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zugewandt werden soll.108 Typisches Beispiel hierfür ist das sog. Unterpreisgeschäft. Hierbei erwirbt der Erwerber vom Veräußerer einen Vermögensgegenstand zu einem Kaufpreis unterhalb des Marktwerts. Zivilrechtlich handelt es sich hierbei um einen typengemischten Vertrag, da die Vereinbarung grds. sowohl ein Element „Kauf“ als auch ein Element „Schenkung“ beinhaltet und daher den Regelungen des Kaufvertragsrechts sowie den Bestimmungen über Schenkungen unterliegen kann. 4.70 Schenkungsteuerlich liegt eine gemischte Schenkung bzw. eine gemischte freigiebige Zuwendung unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.109 Unter den Begriff der gemischten Schenkung i.S.d. ErbStG wird allerdings zugleich auch die 105 Z. B. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 136; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 236; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 144. 106 Vgl. hierzu Meincke/Hannes/Holtz18, § 7 ErbStG Rz. 19 und § 9 ErbStG Rz. 50. 107 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 136. 108 S. z.B. Esskandari in von Oertzen/Loose2, § 7 ErbStG Rz. 43. 109 BFH v. 21.10.1981 – II R 176/78, BStBl. II 1982, 83; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 142.

516 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.73 Kap. 4

Schenkung unter Auflage gefasst. Die Unterscheidung zwischen zivilrechtlichen gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Auflage ist für die Erbschaft- und Schenkungsteuer kaum relevant (Rz. 4.75 und 4.73).110 Schenkungsteuerlich relevant ist bei einer gemischten Schenkung nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der Zuwendung, da es im Übrigen an einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden fehlt.111 In Höhe des entgeltlichen Teils ist der Bedachte nicht bereichert, da er insoweit ein Entgelt für den übertragenen Vermögensgegenstand geleistet hat. Die Ermittlung der Bereicherung bzw. Bemessungsgrundlage im Rahmen der Schenkungsteuer erfolgt dabei nach Ansicht der Finanzverwaltung in der Weise, dass von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden.112 Auch nach der (neueren) Rechtsprechung113 ist der Wert der Bereicherung durch Abzug der Gegenleistung zu ermitteln.114

4.71

bb) Ermittlung des grunderwerbsteuerbefreiten Betrags nach § 3 Nr. 2 GrEStG § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG sieht für Schenkungen unter Auflage vor, dass der Wert solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, der Besteuerung unterliegen. Bei streng formaler Betrachtungsweise und strikter Anknüpfung an das Zivilrecht bestünde daher bei der gemischten Schenkung i.S.d. Zivilrechts für die Grunderwerbsteuerbefreiung keine eindeutige Regelung. Insb. wäre § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG mangels Auflagenschenkung nicht einschlägig.

4.72

Für die Rechtsprechung ist die zivilrechtliche Differenzierung zwischen gemischter Schenkung und Schenkung unter Auflage im Rahmen von § 3 Nr. 2 GrEStG allerdings nahezu unerheblich.115 Die gemischte Schenkung eines Grundstücks ist nach Ansicht des BFH von der Grunderwerbsteuer nur insoweit befreit, als das Rechtsgeschäft unentgeltlich ist.116 Soweit sich der Erwerber zu einer Gegenleistung verpflichtet, ist für die Anwendung der Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kein Raum.117 Insoweit liegt keine (potenzielle) doppelte Belastung eines Lebenssachverhalts mit Verkehrsteuern vor.

4.73

110 111 112 113

114 115 116 117

Esskandari in von Oertzen/Loose2, § 7 ErbStG Rz. 59. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 142. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019. Für Schenkungen bis zum Stichtag 31.12.2018 war der freigiebige Teil bzw. die Höhe der freigiebigen Zuwendung prozentual nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Bedachten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers zu ermitteln, vgl. hierzu Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 254. Vgl. BFH v. 5.7.2018 – II B 122/17, BStBl. II 2018, 660; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 255. BFH v. 20.4.1977 – II R 48/76, BStBl. II 1977, 676. BFH v. 20.4.1977 – II R 48/76, BStBl. II 1977, 676; ebenso Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 254. BFH v. 20.4.1977 – II R 48/76, BStBl. II 1977, 676.

Riedel | 517

Kap. 4 Rz. 4.74 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.74 Beispiel 17: A veräußert ein Grundstück zum Preis von 700.000 Euro an seine nicht eheliche Lebensgefährtin B. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt 1 Mio. Euro. Es liegt ein steuerbarer Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Zu ermitteln ist, in welchem Umfang die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG zu gewähren ist. Es liegt annahmegemäß eine gemischte Schenkung vor. Der Vorgang unterliegt i.H.v. 300.000 Euro als Schenkung der Schenkungsteuer und ist zu 700.000 Euro als Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren. Gemessen an dem Rechtsgedanken des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG und der Rechtsprechung des BFH ist der als Gegenleistung zu qualifizierenden Betrag von 700.000 Euro bei der Grunderwerbsteuer anzusetzen. Insoweit wird der Vorgang nicht zugleich mit GrESt und Schenkungsteuer belastet. Dieses Ergebnis entspricht der Regelung des § 8 Abs. 1 GrEStG, wonach als Bemessungsgrundlage der Wert der Gegenleistung anzusetzen ist.

c) Schenkung unter Auflage aa) Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis

4.75 Eine Schenkung unter Auflage i.S.d. § 525 BGB liegt vor, wenn eine unentgeltliche Zuwendung unter einer Nebenbestimmung erfolgt, die den Bedachten zu einer Leistung (Tun oder Unterlassen) verpflichtet.118 In Abgrenzung zur gemischten Schenkung soll dabei die Leistung nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage bzw. aus dem Wert der Zuwendung erfolgen.119 Schenkungen unter Auflage i.S.d. § 525 BGB werden schenkungsteuerlich einheitlich – gemeinsam mit den zivilrechtlichen gemischten Schenkungen – als gemischte Schenkung angesehen. S. Rz. 4.70. 4.76 Bei Schenkungen unter Auflage sind die Leistungsauflage und die Duldungsauflage zu unterscheiden. 4.77 Eine Schenkung unter Leistungsauflage liegt vor, soweit dem Bedachten Geld- oder Sachleistungen auferlegt sind, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Vermögensgegenstands auch aus seinem persönlichen Vermögen erbringen kann.120 Bei der Verpflichtung zu reinen Geldleistungen ist dies in aller Regel der Fall.121 Zu nennen ist hier insb. die Schenkung von Grundvermögen oder Gesellschaftsanteilen gegen regelmäßige Rentenzahlung, wenn sich die Rente nach einem fixen Betrag bemisst, der losgelöst von den Erträgen aus dem übertragenen Vermögensgegenstands steht. 4.78 Eine Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage liegt vor, wenn der Bedachte zwar um das Eigentum am Grundstück bzw. dem Gesellschaftsanteil bereichert wird, ihm hieraus aber die Nutzungen nicht vollständig zustehen.122 Das un118 BGH v. 2.10.1981 – V ZR 134/80, NJW 1982, 818; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 146; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 257. 119 Böing/Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 146; aus zivilrechtlicher Sicht: Koch in MünchKomm.BGB9, § 525 BGB Rz. 2 und 4. 120 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 148. 121 BFH v. 13.4.2011 – II R 27/09, BStBl. II 2011, 730; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 148. 122 Vgl. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 149.

518 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.80 Kap. 4

ternehmerische Vermögen selbst ist daher bereits auf die nachfolgende Generation übergegangen, während der Übertrager noch von den Nutzungen hieraus profitiert. Zu nennen ist hier insb. die Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Bei einer Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt stehen die Gewinne (Früchte und Nutzungen aus dem geschenkten Anteil) grundsätzlich (zum Teil) noch dem Schenker zu, obwohl der Beschenkte bereits die Verfügungsmacht über den Anteil innehat. Nutzungs- und Duldungsauflagen sind gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei der Ermittlung der schenkungsteuerlichen Bereicherung grundsätzlich abziehbar. bb) Bewertung der Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG Schenkungen unter Auflage unterliegen gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG mit dem Wert der Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, der GrESt. In Höhe des Werts der Auflage entsteht jeweils grds. Grunderwerbsteuer, da die Reichweite der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG insoweit gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG reduziert wird.123 Das zivilrechtliche Verständnis der Auflage wird auch der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung bei § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zugrunde gelegt.124 Eine Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG kann in Leistungen jeder Art bestehen.125 § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG erfasst daher die Leistungs- und die Duldungsauflage gleichermaßen.

4.79

In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, wie der Wert der grunderwerbsteuerpflichtigen „Bereicherung“ gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zu ermitteln ist. Die Thematik wird insbesondere dann relevant, wenn der Erwerb ganz oder teilweise von der Schenkungsteuer befreit ist. Dann wirkt sich der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer nicht oder teilweise nicht bereicherungsmindernd aus. Denn § 10 Abs. 6 ErbStG sieht vor, dass Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen, nicht abzugsfähig sind. Schulden und Lasten, die mit i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind bei der Schenkungsteuer nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach der Anwendung von §§ 13a und 13c ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung der §§ 13a und 13c ErbStG entspricht. Nach Ansicht des BFH kommt es bei der Schenkung unter Auflage im Rahmen von § 3 Nr. 2 GrEStG allerdings nur darauf an, dass die Auflage dem Grunde nach bereicherungsmindernd abziehbar ist.126 Dabei ist unerheblich, ob der konkrete Wert tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde oder nicht. Das soll auch dann gelten, wenn die Grundstücksschenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit und damit der Wert der Auflage gem. § 10 Abs. 6 ErbStG nicht ab-

4.80

123 Stein, ZEV 2021, 362. 124 BFH v. 29.1.1992 – II R 41/89, BStBl. II 1992, 420; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 257. 125 Stein, ZEV 2021, 362; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 37. 126 BFH v. 12.7.2016 – II R 57/14, BStBl. II 2016, 897; v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479.

Riedel | 519

Kap. 4 Rz. 4.80 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

ziehbar ist.127 Maßgebend ist nach der Rechtsansicht des BFH insb. der Wortlaut der Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, wonach der bei der Schenkungsteuer abziehbare Wert der Besteuerung unterliegt und gerade nicht der „bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogene Wert“. Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt die Auflage mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Bewertungsvorschriften ermittelten Wert gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Besteuerung.

4.81 Beispiel 18: A überträgt seinen 100%igen Kommanditanteil an der grundbesitzenden KG schenkweise unter Nießbrauchsvorbehalt an B. Der nach §§ 14 ff. BewG Wert der Nießbrauchslast am Stichtag beträgt 1 Mio. Euro Die Schenkung ist annahmegemäß in voller Höhe nach §§ 13a, 13b ErbStG von der Schenkungsteuer befreit. Gem. § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG sind Schulden und Lasten, die mit nach den §§ 13a und c ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung der §§ 13a und c ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung der §§ 13a und c ErbStG entspricht. Nach Anwendung der §§ 13a ff. ErbStG bleibt hier bei vollständiger Steuerbefreiung ein Betrag von 0,00 Euro. Der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts ist damit nicht bei der Schenkungsteuer abziehbar. Gleichwohl ist der Betrag von EUR 1 Mio. gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG als Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer anzusetzen, da es nach der Rechtsprechung lediglich auf dessen abstrakte Abzugsfähigkeit bei der Schenkungsteuer und nicht auf die konkrete Berücksichtigung ankommt.

4.82 Für die Bewertung der Auflage nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG sind regelmäßig die Vorschriften nach §§ 14 ff. BewG maßgebend, insb. in Fällen der Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt oder Einräumung einer lebenslänglichen Rente. Bewertungsunterschiede in der ErbSt und der GrESt bei der Ermittlung des Kapitalwerts der vom Erwerber zu erfüllenden Auflage (vgl. §§ 14 ff. BewG) können sich allerdings dann ergeben, wenn die Regelung nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG einschlägig ist. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG gilt die Regelung des § 16 BewG (Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen)128 nicht für die Grunderwerbsteuer. Diese Vorschrift führt dazu, dass der Jahreswert der Auflage (z.B. für den Nießbrauch oder die Einräumung eines Wohnungsrechts) für die Schenkungsteuer und die Grunderwerbsteuer unterschiedlich sein kann.129 4.83 Zu beachten ist, dass der Kapitalwert eines Nutzungsrechts oder einer geldwerten Gegenleistung in gewissen Fällen nachträglich nach unten zu korrigieren ist. Geregelt sind derartige Fälle in § 14 Abs. 2 BewG: Eine lebenslängliche Nutzung oder Leistung, deren Kapitalwert gemäß der Bestimmungen nach § 14 Abs. 1 BewG ermittelt wurde, und die nachträglich aufgrund des Todes des Berechtigten oder des Verpflichteten entfällt, ist ab einem gewissen Alter des Bezugsberechtigten oder -verpflichteten zu korrigieren (vgl. § 14 Abs. 2 BewG). Eine solche Korrektur wirkt sich 127 BFH v. 12.7.2016 – II R 57/14, BStBl. II 2016, 897. 128 § 16 BewG lautet: bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. 129 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 261.

520 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.85 Kap. 4

nachträglich auch auf die Bewertung der Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG aus, Rz. 4.234. cc) Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG in Fällen des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG Noch nicht abschließend geklärt ist, wie der Wert der Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG bei steuerbaren Erwerbsvorgängen von Gesellschaftsanteilen zu ermitteln ist. Die Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG haben die Gemeinsamkeit, dass die Bemessungsgrundlage nicht auf der Basis der Gegenleistung zu ermitteln ist, sondern sich nach den Grundbesitzwerten richtet (§ 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GrEStG). Aufgrund dessen ist denkbar, eine Unentgeltlichkeitsquote auf das gesamte Rechtsgeschäft zu bilden und diese für die Ermittlung des steuerbefreiten Betrags i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG auf die Grundbesitzwerte anzuwenden. M.E. spricht jedoch mindestens ebenso viel dafür, die oben dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Ermittlung des Werts der Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG entsprechend anzuwenden (Rz. 4.79 ff.).

4.84

Beispiel 19: A ist geschäftsführender Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Er überträgt mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 21.3.2022 sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH auf seine Tochter T. T wird mit Wirkung zum 21.3.2023 als Geschäftsführerin der GmbH bestellt. Zugleich verpflichtet sich T, ihrem Vater bis zu seinem Lebensende zur Bestreitung seines Unterhalts Geldleistungen i.H.v. jährlich 50.000 Euro zukommen zu lassen, die voraussichtlich aus den künftigen Gewinnausschüttungen aus der GmbH bedient werden können. Der Kapitalwert dieser Rentenleistung bezogen auf den 21.3.2022 beträgt ca. 500.000 Euro. Hintergrund für die gewählte Übertragungsform ist, dass die Rentenzahlungen bei T idealerweise ertragsteuerlich als Sonderausgaben (Versorgungsleistungen) abziehbar sein sollen (vgl. § 10 Abs. 1a Nr. 2c EStG). Die Schenkung der GmbH-Anteile ist nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt nicht vollständig zur Anwendung. Vielmehr unterliegt der Erwerbsvorgang in Höhe des Werts Auflage, die bei der Schenkungsteuer abziehbar ist, der GrESt. Der Wert der bei der ErbSt abziehbaren Auflage beträgt 500.000 Euro. Bei wortlautgetreuer Anwendung der Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ergibt sich, dass der Erwerb i.H.v. 500.000 Euro grds. grunderwerbsteuerpflichtig ist. Denkbar ist jedoch auch, eine Unentgeltlichkeitsquote auf das gesamte Rechtsgeschäft zu bilden und diese für die Ermittlung des steuerbefreiten Betrags i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG auf die Grundbesitzwerte der GmbH anzuwenden. Die Thematik ist noch nicht abschließend geklärt. Zu beachten ist, dass im Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG die Befreiung nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG hinsichtlich des entgeltlichen Teils des Rechtsgeschäfts keine Anwendung findet (Rz. 4.39).

7. Sukzessive Verwirklichung der Erwerbstatbestände a) Nacheinander erfolgende Erwerbe und Schenkungen Für die Bewegungstatbestände nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b Satz 1 GrEStG gilt, dass die Erwerbsvorgänge insoweit nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit sind, als dass sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruhen.130 130 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 112 und 117.

Riedel | 521

4.85

Kap. 4 Rz. 4.86 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.86 Gleiches gilt bei der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG: Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt nur insoweit zur Anwendung, als die Anteilsvereinigung auf dem schenkweisen Übergang von Gesellschaftsanteilen beruht.131 Im Übrigen ist sie grds. steuerpflichtig, sofern keine sonstige Steuerbefreiung in Betracht kommt. Relevant wird die Thematik insbesondere bei der sukzessiven Verwirklichung von Erwerbsvorgängen, wenn sich der Grundstücksbestand der Gesellschaft im Zeitverlauf ändert. Zur Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung ist eine Rechnung aufzustellen. Zu ermitteln ist, inwieweit die Anteilsvereinigung insgesamt auf schenkweisen und entgeltlichen Anteilserwerben beruht. Dazu ist hinsichtlich aller Anteilserwerbe auf der Basis der Verkehrswerte zunächst festzustellen, inwieweit die Anteile in der Hand des Erwerbers zu den jeweiligen Stichtagen jeweils unentgeltlich oder entgeltlich erworben wurden und sodann zu berechnen, wie viel Prozent der Anteile insgesamt auf unentgeltlichen Erwerben beruhen.132

4.87 Beispiel 20 (gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, Beispiel 2): Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 – Anschaffung am 1.1.1990 und Grundstück 2 – Anschaffung am 1.1.2012. Mit Vertrag vom 1.9.2002 übertrug V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil i.H.v. 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom 1.10.2012 übertrug V seine restliche Beteiligung i.H.v. 55 % unentgeltlich im Wege einer Schenkung an S.

Vorher:

Nach Schenkung 1 (1.9.2002):

V

V 100 %

V GmbH

Nach Schenkung 2 (1.10.2012):

S 55 %

S 45 %

V GmbH

Grundstück 1: Anschaffung am 1.1.1990

100 %

V GmbH

+ Grundstück 2: Anschaffung am 1.1.2012

Abb. 3a

131 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 57 f.; BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793. 132 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 57; gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069.

522 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.89 Kap. 4 Mit Abschluss des Vertrags vom 1.10.2012 vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren: Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang in voller Höhe nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang nur insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf der tatbestandsauslösenden Schenkung (55 %) beruht. Der Vorgang ist i.H.v. 45 % grunderwerbsteuerpflichtig133. Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus (Rz. 4.51).

Sofern die Anteilsvereinigung durch Anteilsbewegungen in mehreren Rechtsakten ausgelöst wird, von denen Rechtsakte unentgeltlich im Wege der Schenkung und andere Rechtsakte entgeltlich erfolgen, ist für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG weiter zu differenzieren.

4.88

Beispiel 21 (gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069, Beispiel 3): Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstücke 1 – Anschaffung am 1.1.1990 und Grundstück 2 – Anschaffung am 1.1.2012. Mit Vertrag vom 1.9.2002 übertrug V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil i.H.v. 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom 1.10.2012 übertrug V seine restliche Beteiligung i.H.v. 55 % entgeltlich an S.

4.89

Vorher:

Nach Schenkung (1.9.2002):

V

V 100 %

V GmbH

Nach Anteilsveräußerung (1.10.2012):

S 55 %

S 45 %

V GmbH

Grundstück 1: Anschaffung am 1.1.1990

100 %

V GmbH

+ Grundstück 2: Anschaffung am 1.1.2012

Abb. 3b

133 Vgl. auch BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405.

Riedel | 523

Kap. 4 Rz. 4.89 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Mit Abschluss des Vertrags vom 1.10.2012 vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht i.H.v. 45 % auf einem Erwerbsvorgang, der dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegt. Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren: Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden entgeltlichen Anteilsübertragung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang nur insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf der vorangegangenen Schenkung beruht (45 %). Der Vorgang ist i.H.v. 55 % grunderwerbsteuerpflichtig. Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden entgeltlichen Anteilsübertragung zuzurechnen. Der Vorgang ist in voller Höhe grunderwerbsteuerpflichtig. Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus (Rz. 4.51).

b) Zwischenzeitliche Werterhöhungen im Grundstücksbestand bei sukzessiven Anteilsübertragungen

4.90 Eine weitere, im Rahmen von § 3 Nr. 2 GrEStG relevante Thematik für die Beurteilung des Umfangs der Steuerbefreiung sind etwaige Wertveränderungen der Grundstücke zwischen den einzelnen Übertragungsvorgängen, welche zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG führen.134 Werterhöhungen können z.B. durch Änderungen im Bauplan oder eine Grundstücksbebauung entstehen. Werterhöhungen, die bis zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG eintreten, aber bei einer früheren Anteilsübertragung noch nicht eingetreten waren, konnten zu diesem früheren Zeitpunkt keine Schenkungsteuer auslösen.135 Demnach sollen solche Werterhöhungen bei der Ermittlung des steuerbefreiten Betrags bzw. der Begünstigungsquote außer Acht bleiben.136 4.91 Beispiel 22137: Vater V ist zu 100 % an der grundbesitzenden GmbH beteiligt. Zum 1.1.2018 übertrug er unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge 50 % der Geschäftsanteile an seinen Sohn S. Zu diesem Zeitpunkt hat der Grundbesitz der GmbH einen Grundbesitzwert von 10.000 Euro. Zum 1.1.2021 übertrug V die restlichen 50 % der Geschäftsanteile an S. Zu diesem Zeitpunkt hat der Grundbesitz der GmbH einen Grundbesitzwert von 100.000 Euro.

134 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 63; BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 135 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 63. 136 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 63. 137 Vgl. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 63; BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405.

524 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.92 Kap. 4

Vorher:

Nach Schenkung 1 (1.1.2018):

V

V 100 %

V GmbH

S 50 %

Grundbesitzwerte EUR 10.000

S 50 %

V GmbH

Nach Schenkung 2 (1.1.2021):

100 %

V GmbH

Grundbesitzwerte EUR 100.000

Abb. 3c Der Erwerb am 1.1.2021 ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Nach Ansicht des BFH138 ist dieser Erwerb zu 55 % nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Der Umfang der Begünstigung ergibt sich dergestalt, dass i.H.v. 50 % eine Begünstigung aufgrund der zweiten Anteilsübertragung und i.H.v. 5 % aufgrund der ersten Anteilsübertragung zu gewähren ist (50 * 10.000/100.000 Euro). I.H.v. 5 % unterliegt der Vorgang gedanklich einer Schenkungsteuerpflicht. Diese Ermittlung ist im Hinblick auf die Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG kritisch zu sehen. Denn es genügt für die Anwendung der Befreiung, wenn der jeweilige Vorgang nach dem ErbStG steuerbar gewesen ist. Auf die konkrete Steuerpflicht bzw. den Umfang der Besteuerung im Rahmen des ErbStG kommt es bei § 3 Nr. 2 GrEStG üblicherweise nicht an, was auch im Fall zwischenzeitlicher Werterhöhungen im Grundstücksbestand bei sukzessiven Anteilsübertragungen Beachtung finden sollte.139

Die dargestellte Ermittlungstechnik der Rechtsprechung140 dürfte in der Praxis allerdings zu erheblichen Problemen führen. Denn die „sukzessive Tatbestandsverwirklichung“ kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Dabei müsste für jede Anteilsübertragung, selbst wenn diese für sich genommen (noch) nicht steuerbar ist, eine Verkehrswertermittlung des Grundbesitzes der Gesellschaft auf diesen jeweiligen Stichtag vorgenommen werden. Nach Ansicht des BFH soll bei Nachweisschwierigkeiten „auf die allgemeinen Beweislastregeln“ zurückzugreifen sein.141 Da es sich bei § 3 Nr. 2 GrEStG um eine Regelung zu Gunsten des Steuerpflichtigen handelt, dürfte die Nachweispflicht insoweit beim Erwerber liegen.142 Konkret bedeutet 138 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 139 Bron, BB 2015, 1438 (1440); Rutemöller, DStZ 2016, 239 (244); Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 63; BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 140 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 141 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405; kritisch dazu Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 66. 142 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 66.

Riedel | 525

4.92

Kap. 4 Rz. 4.92 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

dies, dass im Fall der Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG der Erwerber, der die Begünstigung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in Anspruch nehmen will, das Vorliegen einer unentgeltlichen Anteilsübertragung sowie sämtliche sonstigen Umstände nachweisen muss, die Einfluss auf die Höhe der Steuerbegünstigung haben.143

4.93 Bei einer Anteilsvereinigung in mehreren Rechtsakten, wovon einer unentgeltlich und einer teilentgeltlich erfolgt, sind bei der Ermittlung des steuerbefreiten Betrags i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG weitere Differenzierungen vorzunehmen. 4.94 Beispiel 23144: Vater V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstücke 1 – Anschaffung am 1.1.1990 und Grundstück 2 – Anschaffung am 1.1.2012. Mit Vertrag vom 1.9.2002 übertrug V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil i.H.v. 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom 1.10.2012 überträgt V seine restliche Beteiligung i.H.v. 55 % gegen eine monatliche Rente von 2.500 Euro über einen Zeitraum von 15 Jahren an S. Der gemeine Wert des erworbenen Anteils zum 1.10.2012 beträgt 450.000 Euro. Mit Abschluss des Vertrags vom 1.10.2012 vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegen, wobei der Anteilserwerb vom 1.10.2012 als gemischte Schenkung bzw. teilentgeltlicher Erwerb zu qualifizieren ist. Die Entgeltlichkeitsquote für den Anteilserwerb vom 1.10.2012 ermittelt sich wie folgt (Wertverhältnisse zum 1.10.2012): Wert der Verpflichtung: Wer der erhaltenen Anteile: Entgeltlichkeitsquote: Unentgeltlicher Anteil:

10,314 × 30.000 Euro

=

309.420/450.000 100 % – 68,76 %

= =

309.420 Euro 450.000 Euro 68,76 % 31,24 %

Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren: Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG befreit, als er auf der Schenkung (45 %) und dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 55 % = 17,18 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 1 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil i.H.v. 62,18 % (45 %+ 17,18 %) nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist i.H.v. 37,82 % grunderwerbsteuerpflichtig. Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden gemischten Schenkung zuzurechnen. Daher ist dieser Vorgang soweit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, als er auf dem unentgeltlichen Anteil der gemischten Schenkung (31,24 % von 55 % = 17,18 %) beruht. Vom festgestellten Bedarfswert des Grundstücks 2 zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung bleibt ein Anteil i.H.v. 17,18 % nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der Vorgang ist i.H.v. 82,82 % grunderwerbsteuerpflichtig. Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift nach § 3 Nr. 6 GrEStG scheidet aus (Rz. 4.51).

143 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 66. 144 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 106 Beispiel 4.

526 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.97 Kap. 4

IV. Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen 1. Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Nießbrauchsvorbehalt ist ein beliebtes Instrument im Rahmen der Nachfolgeplanung. Der Vorteil besteht darin, dass die Vermögenssubstanz auf den Übernehmer übertragen wird, während dem Übergeber weiterhin (teilweise) die Erträge zustehen (Auseinanderfallen von Substanz und Nutzungsbefugnis).145 Je nach Ausgestaltung des Nießbrauchsrechts kann der Übergeber zudem weiterhin Einfluss auf das Unternehmen ausüben.

4.95

Ertragsteuerliches Gestaltungsziel ist es regelmäßig, die Beteiligungen auch beim Nießbrauchsvorbehalt unter Buchwertfortführung, d.h. ohne Realisierung stiller Reserven, auf den Übernehmer zu übertragen. Schenkungsteuerlich ist Gestaltungsziel regelmäßig, die Beteiligungen unter Anwendung der Begünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) zu übertragen.146 Im Ausgangspunkt wird die Anteilsschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt schenkungsteuerlich als gemischte Schenkung qualifiziert. Im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung des Schenkers ist der Kapitalwert des Nießbrauchs vom Steuerwert des Anteils in Abzug zu bringen. § 3 Nr. 2 GrEStG findet auf Anteilsschenkungen unter Vorbehaltsnießbrauch Anwendung, wobei gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts (Wert der Auflage) grds. der Grunderwerbsteuer unterliegt (Rz. 4.75, 4.79). Zu beachten ist, dass der Wert des Nießbrauchsrechts, der gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliegt, und der Wert des Nießbrauchsrechts im Rahmen der Schenkungsteuer nicht zwingend deckungsgleich sind.147 Der Wert des Nießbrauchs ist für Zwecke des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften zu ermitteln.148 Die Rechtsprechung leitet aus der Formulierung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG her, dass der Gesetzgeber bei der Bewertung gerade keine Korrespondenz zwischen ErbStG und GrEStG erzielen wollte.149 Maßgebend ist nach der Rechtsansicht des BFH insb. der Wortlaut der Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, wonach der bei der Schenkungsteuer abziehbare Wert der Besteuerung unterliegt und gerade nicht der „bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogene Wert“ (Rz. 4.80).

4.96

Beispiel 24: Gesellschafter A schenkt seiner Schwiegertochter B mit Wirkung zum 4.2.2020 seinen 100% igen Kommanditanteil an einer grundbesitzenden Personengesellschaft. Hierbei behält er sich hinsichtlich 60 % des entnahmefähigen Gewinns den Nießbrauch vor. Der Grundbesitzwert des KG-Vermögens sowie der gemeine Wert der übertragenen KG-Beteiligung beträgt 50 Mio. Euro, der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts i.S.d. §§ 14 ff. BewG beträgt 30 Mio. Euro.

4.97

145 Zum Ganzen: Möller in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 22.1 ff. 146 Zu den ertragsteuerlichen und schenkungsteuerlichen Erwägungen im Überblick Möller in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 22.42 ff. 147 BFH v. 9.2.2017 – II B 38/15, BFH/NV 2017, 617. 148 BFH v. 9.2.2017 – II B 38/15, BFH/NV 2017, 617. 149 BFH v. 9.2.2017 – II B 38/15, BFH/NV 2017, 617.

Riedel | 527

Kap. 4 Rz. 4.97 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

Vorher:

Nachher: Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch A

A 100 %

G KG

Nießbraucher bzgl. 60 % des entnahmefähigen Gewinns

B Kommanditist 100 %

G KG

Abb. 4 Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG findet Anwendung (Rz. 4.81). Gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG unterliegen Schenkungen unter Auflage jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, der Besteuerung. Der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts (30 Mio. Euro) mindert die schenkungsteuerliche Bereicherung der Erwerberin (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Denn die Bereicherung i.S.d. ErbStG wird ermittelt, in dem von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem Wert nach § 12 ErbStG abgezogen werden.150 Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH selbst dann, wenn die Schenkung des KG-Anteils teilweise oder insgesamt von der Schenkungsteuer befreit sein sollte.151 Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG beträgt daher 30 Mio. Euro.

4.98 Aufgrund der besonderen Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG können sich bei der GrESt und der ErbSt abweichende Bewertungen des Nießbrauchsrechts ergeben. Im Einzelnen: 4.99 § 16 BewG begrenzt für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Wert des Nießbrauchs als Gegenleistung durch Begrenzung des Jahreswerts auf den Divisor 18,6 des bewertungsrechtlichen Grundstückswerts.152 Gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 GrEStG gilt die Regelung des § 16 BewG (Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen)153

150 151 152 153

R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019. BFH v. 12.7.2016 – II R 57/14, BStBl. II 2016, 897. Stein, ZEV 2021, 362. § 16 BewG lautet: Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt,

528 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.100 Kap. 4

nicht für die Grunderwerbsteuer. Diese Vorschrift führt dazu, dass der Jahreswert der Auflage (z.B. für den Nießbrauch) und damit auch der Wert des Nießbrauchs für die Grunderwerbsteuer bei der Berechnung nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG höher ausfallen kann als im Rahmen der Schenkungsteuer.154 Zu beachten ist weiterhin, dass der nach §§ 14 ff. BewG ermittelte Wert des Nießbrauchs ggf. nach § 14 Abs. 2 BewG auf einen niedrigeren Wert zu korrigieren ist, insbesondere wenn der Schenker nach der Schenkung zeitnah verstirbt. Eine solche Korrektur hat dann folgerichtig auch Auswirkungen auf den Umfang der Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG.155 S. Rz. 4.234. 2. Schenkung gegen Gewährung von Versorgungsleistungen und Veräußerungsrenten Als Alternative zur Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch kommt eine Schenkung gegen Gewährung von wiederkehrenden Leistungen in Form einer ewigen Rente oder einer dauernden Last in Betracht. In diesem Fall wird die an den Schenker zu gewährende regelmäßige Leistung nicht zwingend an die aus dem geschenkten Anteil generierten Erträge geknüpft. Vielmehr erhält der Beschenkte die Zusage für eine von vornherein fest vereinbarte regelmäßige (z.B. monatlich) zu leistende Geldleistung vom Beschenkten. Von einer dauernden Last ist dabei die Rede, wenn wiederkehrende Leistungen einer Anpassung an sich ändernde Umstände unterliegen (Änderbarkeit).156 Wenn eine wiederkehrende Leistung nicht an geänderte Umstände angepasst wird, handelt es sich um eine (Leib-)Rente.157 Mit dem JStG 2008 ist die Unterscheidung beider Arten allerdings nicht mehr relevant. Denn beide Formen fallen grundsätzlich unter die begünstigten Versorgungsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG.158 Die Einzelheiten des Sonderausgabenabzugs, wie sie nach Ansicht der Finanzverwaltung gegeben sein müssen, regelt derzeit das BMF-Schreiben v. 11.3.2010.159 Im Rahmen der Schenkungsteuer ist die Schenkung von Anteilen gegen Gewährung von Versorgungsleistungen oder Veräußerungsrenten als gemischte Schenkung zu qualifizieren. Zivilrechtlich handelt es sich bei derartigen Schenkungen regelmäßig um Schenkungen unter Auflage. Demzufolge gelten hier für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG die unter Rz. 4.79 dargestellten Grundsätze.

154 155 156 157 158 159

wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479; v. 17.9.1975 – II R 42/70, BStBl. II 1976, 126; Stein, ZEV 2021, 362. Stein, ZEV 2021, 362. Möller in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 23.13. Möller in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 23.13. S. hierzu im Einzelnen Möller in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 23.13. BMF v. 11.3.2010, BStBl. I 2010, 227.

Riedel | 529

4.100

Kap. 4 Rz. 4.101 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

3. Unentgeltliche Einräumung einer atypisch stillen Unterbeteiligung

4.101 Die schenkweise Einräumung einer Unterbeteiligung ist ein weiteres Instrument im Zuge der Nachfolgeplanung. Sie kommt insb. als Alternative zu einer schenkweisen Übertragung des Gesellschaftsanteils in Betracht, etwa dann, wenn Gesellschaftsverträge und Satzungen für Anteilsübertragungen höhere Zustimmungserfordernisse vorsehen. 4.102 Die stille Unterbeteiligung beruht auf einer Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter des Unternehmens (Hauptbeteiligter) und einem Dritten (Unterbeteiligter) und hat zum Inhalt, dass der Dritte am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt werden soll.160 Weiterhin kann dem Unterbeteiligten jedoch eine gewisse Teilhabe an den Verwaltungsrechten bezüglich der Hauptbeteiligung eingeräumt werden. Wirtschaftlich gesprochen handelt es sich um eine „Beteiligung an der Beteiligung.“161 Da die Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter und dem Unterbeteiligten geschlossen wird, ist die Gesellschaft selbst nicht Vertragspartei. Der Unterbeteiligte wird dabei an der Hauptbeteiligung nur schuldrechtlich mitberechtigt, während der Hauptbeteiligte alleiniger Inhaber der Beteiligung bleibt.162 4.103 Die Unterbeteiligung ist von der stillen Gesellschaft zu unterscheiden: Bei der stillen Gesellschaft ist Gegenstand der Beteiligung des Stillen das Unternehmen selbst, während bei der Unterbeteiligung Gegenstand der Beteiligung des Stillen die Beteiligung an der Gesellschaft ist.163 4.104 Die Unterbeteiligung kann aus steuerrechtlicher Sicht typisch still oder atypisch still ausgestaltet werden. Bei der typischen Unterbeteiligung hat der Unterbeteiligte nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf einen Anteil am Jahresgewinn des Hauptbeteiligten und im Fall der Beendigung der Unterbeteiligungsgesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der Einlage.164 Eine atypische Unterbeteiligung liegt hingegen vor, wenn der Unterbeteiligte zusätzlich ein Mitspracherecht bei der Verwaltung der Hauptbeteiligung eingeräumt bekommt und/oder an den Wertveränderungen des Gesellschaftsanteils sowie an den offenen und stillen Reserven der Gesellschaft teilhaben soll.165 4.105 Für die Nachfolgeplanung dürfte sich in der Regel die Ausgestaltung des Beteiligungsverhältnisses als atypisch stille Unterbeteiligung anbieten, bei der der Unterbeteiligte als Mitunternehmer zu qualifizieren sein sollte. Auf diese Weise können für die Einräumung der Unterbeteiligung die Begünstigungen für Betriebsvermögen i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG zur Anwendung kommen. Das Unterbeteiligungsverhältnis ist dabei so auszugestalten, dass dem Unterbeteiligten Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko eingeräumt wird. Hierfür ist im Einzelfall eine 160 161 162 163 164 165

Zum Ganzen Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.31. Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.35. Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.36. Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.31. Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.36. Rundshagen in Wiese, Unternehmensnachfolge, Rz. 9.36.

530 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.107 Kap. 4

Gesamtwürdigung sämtlicher Regelungen des Unterbeteiligungsverhältnisses vorzunehmen. Wird dem Unterbeteiligten eine solche mitunternehmerische Unterbeteiligung schenkweise eingeräumt, wird ertragsteuerlich die Beteiligungsstruktur auf der Gesellschafterebene des Hauptbeteiligten um eine (weitere) Mitunternehmerschaft verlängert. Die unentgeltliche Einräumung der Beteiligung mit Mitunternehmerstellung an dieser neu entstehenden atypisch stillen Obergesellschaft dürfte überdies im Grundsatz auch ertragsteuerlich neutral erfolgen können, sodass im Vergleich zur Anteilsübertragung kein Nachteil entsteht. Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings, wie die (unentgeltliche) Einräumung einer atypisch stillen Unterbeteiligung grunderwerbsteuerrechtlich zu beurteilen ist. Nach hier vertretener Ansicht führt die Einräumung der Unterbeteiligung nicht zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang. Maßgebend für die Steuerbarkeit eines Vorgangs ist im Ausgangspunkt eine zivilrechtliche Betrachtungsweise, wonach Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften bewegt bzw. zivilrechtlich auf andere Rechtsträger übertragen werden.166 Dies ist bei der Einräumung von stillen Unterbeteiligungen an Gesellschaftsanteilen nicht der Fall. Rechtsträger i.S.d. GrEStG und damit potenzielle Veräußerer oder Erwerber sind natürliche Personen sowie Gesamthandsgemeinschaften, insb. Personengesellschaften.167 Hierunter fallen nicht die typisch stillen und die atypisch stillen Gesellschaften oder Unterbeteiligungen.168

4.106

Zu prüfen ist jedoch, ob im Rahmen der Einräumung einer Unterbeteiligung eine Anteilsübertragung im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung des BFH vorliegt.169 Demnach soll eine Anteilsübertragung i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG auch dann zu bejahen sein, wenn der Erwerber in Bezug auf den Gesellschaftsanteil eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position innehat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind. Gemessen an diesen Kriterien dürfte nach hier vertretener Ansicht eine Anteilsübertragung zu verneinen sein. Es besteht m.E. für den Unterbeteiligten keine rechtlich gesicherte Position in Bezug auf den Gesellschaftsanteil an der grundbesitzenden Gesellschaft. Denn die Vereinbarung des Unterbeteiligungsverhältnisses führt nicht dazu, dass der Unterbeteiligte unmittelbare Gesellschaftsrechte oder eine Verwertungsbefugnis in Bezug auf die Hauptbeteiligung erwirbt. Diese Rechte verbleiben stets beim Hauptbeteiligten. Dies gilt selbst dann, wenn das Unterbeteiligungsverhältnis mitunternehmerisch ausgestaltet ist. Beispiel 25: An der grundbesitzenden KG sind A und 5 zu jeweils 50 % an Kapital und Vermögen als Kommanditisten beteiligt. Beide räumen ihren Kindern jeweils in Bezug auf Ihre Kommanditbeteiligung i.H.v. 40 % eine atypisch stille Unterbeteiligung ein. 166 167 168 169

Vgl. z.B. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 4. Van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Anh. 10 Rz. 2. Van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, UmwStG, Anh. 10 Rz. 2. Vgl. z.B. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 Rz. 19; an die Rechtsprechung anknüpfend gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 4.

Riedel | 531

4.107

Kap. 4 Rz. 4.107 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Einräumung dieser atypisch stillen Unterbeteiligungen für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG als Anteilsbewegungen in die 90 % – Grenze im Betrachtungszeitraum von 10 Jahren einzubeziehen sind. § 1 Abs. 2a GrEStG verlangt, dass innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Entscheidend ist an dieser Stelle, wie der Begriff des Anteils zu verstehen ist und ob unter die „Übertragung des Anteils“ i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG auch die Einräumung einer atypisch stillen Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil fällt. Hierzu existiert aktuell noch keine Rechtsprechung oder Aussage der Finanzverwaltung. M.E. lässt sich hier wie folgt argumentieren: Mit der Einräumung der beiden atypisch stillen Unterbeteiligungen an den Kommanditbeteiligungen gehen zivilrechtlich keine Anteile am Gesellschaftsvermögen auf die Unterbeteiligten über. Die Unterbeteiligung als reine Innengesellschaft ist grundsätzlich kein tauglicher Erwerber i.S.d. GrEStG. Die ertragsteuerliche Würdigung, dass mit Abschluss der Unterbeteiligungsverhältnisse zwei Obergesellschaften entstehen, wird grunderwerbsteuerrechtlich nicht nachvollzogen, da die Grunderwerbsteuer an das Zivilrecht anknüpft. Auch unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergibt sich hier kein anderes Ergebnis, da der Unterbeteiligte in Bezug auf die Hauptbeteiligung nur schuldrechtlich abgeleitet am wirtschaftlichen Erfolg des Anteils an der grundbesitzenden Gesellschaft partizipiert. Der Unterbeteiligte erlangt keine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des KG-Anteils gerichtete Position, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden könnte.

4. Schenkung unter Vereinbarung von Mehrstimmrechten

4.108 Mehrstimmrechte dienen dazu, dem oder den bisherigen Unternehmensinhabern (vorerst) weiterhin ihren Einfluss in der Gesellschafterversammlung zu sichern und so die Geschicke des Unternehmens zu leiten. Die Vermögenssubstanz (Gesellschaftsanteile) kann währenddessen bereits auf die nachfolgende Generation übertragen werden. Bei einer Anteilsübertragung unter Einräumung von Mehrstimmrechten gehen zivilrechtlich die Anteile auf den Erwerber über, wobei den Erwerbern Stimmrechte zustehen, die von ihren übernommenen Geschäfts- oder Kommanditanteilen abweichen. Bei einer aus mehreren Gesellschaftern bestehenden Ges. werden im Fall der isolierten Einräumung eines Mehrstimmrechts für die Vorbereitung der vorweggenommenen Erbfolge die Stimmrechte der übrigen Gesellschafter beschränkt. Ertragsteuerlich wird diskutiert, wie sich die Einräumung von Mehrstimmrechten auf das wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 AO an den Geschäftsanteilen170 und die Bewertung der Anteile171 auswirkt. 4.109 Noch nicht geklärt ist insb. vor diesem Hintergrund, wie sich Mehrstimmrechte bei der Grunderwerbsteuer auswirken. Die Finanzverwaltung vertritt hinsichtlich der Frage, wie ein Anteil i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zu verstehen ist, die Ansicht, dass die Mehrstimmrechte – jedenfalls für sich genommen – ohne Auswirkungen auf den Anteil sind.172 § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG setzen unter anderem voraus, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft überge-

170 Zum Ganzen Kotzenberg/Geißler, Ubg 2018, 448 (449 f.). 171 S. hierzu kürzlich BFH v. 16.11.2022 – X R 17/20, BFH/NV 2023, 607. 172 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 4 und v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4.

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B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.111 Kap. 4

hen. Unter „Anteilen der Gesellschaft“ sind bei KapGes. die Beteiligungen am Gesellschaftskapital zu verstehen.173 Bei der GmbH soll es sich beim übergehenden Anteil um die Geschäftsanteile am Stammkapital handeln.174 § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sollen so zu verstehen sein, dass sie typisierend nur auf das Quantum von 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. abstellen.175 Auf die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht soll es nicht ankommen, sodass z.B. Vorzugsaktien nicht anders als die mit Stimmrecht ausgestatteten Aktien zu behandeln sein sollen.176 Bei dem „Vorbehalt von Mehrstimmrechten“ im Rahmen einer Anteilsschenkung oder der isolierten Einräumung von Mehrstimmrechten dürften sich daher grunderwerbsteuerlich keine Auswirkungen auf die Inhaberschaft der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft ergeben. Schwieriger ist die Rechtslage allerdings zu beurteilen, wenn dem Mehrstimmrechtsinhaber neben seinen Mehrstimmrechten weitere Rechte eingeräumt werden, die über das gesetzliche Leitbild eines Gesellschafters (z.B. gemäß GmbHG oder HGB) hinausgehen.177 In solchen Fällen ist – ähnlich wie bei der ertragsteuerlichen Prüfung des wirtschaftlichen Eigentums – für Zwecke der Grunderwerbsteuer sorgsam zu prüfen, ob eine mittelbare Beteiligung bzw. ein mittelbarer Übergang von Anteilen i.S.d. §§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG vorliegt. Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG kann sich nach Ansicht der Finanzverwaltung aus schuldrechtlichen Bindungen der an der KapGes. unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergeben.178

4.110

Liegen solche schuldrechtlichen Bindungen vor, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnung der Anteile unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden. Entscheidend ist, dass über die schuldrechtliche Vereinbarung einem anderen als dem an der grundbesitzenden KapGes. unmittelbar Beteiligten eine Wertteilhabe an den Grundstücken der KapGes. vermittelt wird. Die Finanzverwaltung179 sieht für diese Fälle folgende Kriterien als maßgebend an:

4.111

– Der mittelbar Beteiligte hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses). – Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und 173 174 175 176 177 178

Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. S. auch Kotzenberg/Geißler, Ubg 2018, 448 (449) zum wirtschaftlichen Eigentum. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4 mit Verweis auf die Rechtsprechung zur Kaufoption (BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57) und zur Vereinbarungstreuhand (BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783). 179 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.1.2.

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Kap. 4 Rz. 4.111 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

Kontrollrechte) sind auf den mittelbaren Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben. – Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Kapital der Gesellschaft oder an einem etwaigen Liquidationserlös) sind auf den mittelbaren Beteiligten übergegangen.

4.112 Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Im Rahmen dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine vom Zivilrecht abweichende grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des Anteils auch anzunehmen sein, wenn die vorstehenden Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die Finanzverwaltung betont allerdings ingesamt, dass für eine vom Zivilrecht abweichende grunderwerbsteuerliche Anteilszurechnung entscheidend ist, dass über die schuldrechtliche Vereinbarung einem anderen als dem an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar Beteiligten eine Wertteilhabe an den Grundstücken der Gesellschaft vermittelt wird.180 Dieses Kriterium spricht m. E. gegen die Relevanz von Mehrstimmrechten bei den grunderwerbsteuerbaren Tatbeständen, jedenfalls sofern keine weiteren wirtschaftlichen Besonderheiten hinzutreten. Gesamtwürdigungen der tatsächlichen Verhältnisse gehen gleichwohl naturgemäß in der Gestaltungspraxis mit einem erheblichen Risiko einher. Für die Gestaltungspraxis kann den Steuerpflichtigen daher nur angeraten werden, zu versuchen, die grunderwerbsteuerliche Zuordnung von Anteilen im Rahmen einer verbindlichen Auskunft bei der Finanzverwaltung abzufragen. 4.113 Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung des Gesellschaftsanteils hingegen soll nach Ansicht der Finanzverwaltung, für die Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes nicht ausreichen, selbst wenn die Vollmacht unwiderruflich erteilt worden ist.181 Grund hierfür ist, dass durch eine derartige Vollmacht die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z.B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten übergehen.182 5. Schenkung unter Vereinbarung von disquotalen Gewinnverteilungen

4.114 Im Rahmen der Nachfolgeplanung wird vielfach auch dem Versorgungsbedürfnis des Schenkers Rechnung getragen. Bewährt hat sich die Übertragung des Anteils unter (Vorbehalts-)Nießbrauch oder gegen Einräumung einer Versorgungsrente (vgl. hierzu unter Rz. 4.95 und 4.100). Alternativ hierzu kann die Vereinbarung einer disquotalen Gewinnausschüttung oder Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag angedacht werden, insb. dann, wenn beabsichtigt ist, das Versorgungsbedürfnis des Schenkers aus den laufenden Erträgen des Unternehmens zu erfüllen. Die ertragsteuerliche Rechtsprechung des BFH erkennt mittlerweile auch bei KapGes. die sog.

180 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.1.2. 181 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. 182 Vgl. auch BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786.

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B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.117 Kap. 4

gespaltene Gewinnverwendung183 an, die eine gesellschafterbezogene Thesaurierung und Ausschüttung ermöglicht. Noch nicht abschließend geklärt ist, welche grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen sich bei der Vereinbarung disquotaler Gewinnverteilungen ergeben.

4.115

Hierfür kommt es zunächst auf das Verständnis des Anteils i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3 GrEStG an. Ausgangspunkt ist dabei die zivilrechtliche Anteilsübertragung.184 Auf die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht soll es für den Begriff des Anteils nach Ansicht der Finanzverwaltung zwar im Grundsatz nicht ankommen.185 Allerdings ist bei der Einräumung von besonderen Gewinnverteilungsregelungen stets zu prüfen, ob der jeweilige Gesellschafter hiermit eine (zusätzliche) mittelbare Beteiligung i.S.d. GrEStG eingeräumt bekommt.186 Entscheidend ist dabei, ob der Berechtigte durch die konkrete Regelung im Gesellschaftsvertrag eine (weitere) Wertteilhabe an den Grundstücken des Gesellschaftsvermögens innehat. Hierbei sind im Rahmen einer Gesamtschau aller Regelungen des Schenkungs- und Gesellschaftsvertrags insb. die Kriterien der schuldrechtlichen Bindung, die zu einer mittelbaren Beteiligung führen (Rz. 4.111) zu prüfen. Besondere Relevanz haben in diesem Zusammenhang daher Gewinnverteilungsregelungen, die sich nicht (nur) auf die laufenden Gewinne, sondern auch auf die Substanzgewinne der Gesellschaft beziehen.

4.116

Bei der Einräumung von disquotalen Gewinnverteilungen zugunsten des Schenkers im Zusammenhang mit der Anteilsschenkung gilt für die Ermittlung des steuerbefreiten Betrags nach § 3 Nr. 2 GrEStG nach hier vertretener Ansicht Folgendes: Es liegt kein Fall des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG vor, auch dann nicht, wenn die entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung im Zusammenhang mit einer Anteilsschenkung gefasst wird. Vielmehr fällt die Anteilsschenkung grundsätzlich vollständig unter § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, auch wenn der Gesellschaftsvertrag eine disquotale Gewinnverteilung zugunsten des Schenkers vorsieht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Bei der Vereinbarung von disquotalen Bezugsrechten handelt sich m.E. nicht um eine Schenkung unter Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Eine Schenkung unter Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ist unter Anlehnung an die zivilrechtliche Begriffsbestimmung nur dann gegeben, wenn die Schenkung des Anteils selbst unter einer Nebenbestimmung erfolgt, die den Bedachten zu einer Leistung verpflichtet (vgl. hierzu unter Rz. 4.75). Eine disquotale Gewinnverteilung ist jedoch regelmäßig im Gesellschaftsvertrag vorgesehen und bindet daher sämtliche Gesellschafter, sodass nicht allein der Beschenkte in Form einer Nebenbestimmung beim Erwerb des Gesellschaftsanteils verpflichtet wird.

4.117

183 Gleich lautende Ländererlasse v. 28.9.2021 – VIII R 25/19, BFHE 274, 457. 184 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 4 und 5.1.1. 185 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. 186 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.1.2.

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Kap. 4 Rz. 4.118 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.118 Beispiel 26: Ursprünglich war A alleiniger Kommanditist einer grundbesitzenden KG. Im Dezember 2022 übertrug A 80 % seiner Kommanditbeteiligung schenkweise auf B. A und B sind daher aktuell mit einer Beteiligung von 20 % und 80 % an Gewinn und Vermögen als Kommanditisten an der grundbesitzenden KG beteiligt. Variante 1: Im Jahr 2023 überträgt A einen weiteren Kommanditanteil von 10 % schenkweise an B, wobei er sich hinsichtlich der hieraus künftig zu erzielenden Erträge ein Nießbrauchsrecht vorbehält. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbar und teilweise nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Das vorbehaltene Nießbrauchsrecht ist als Auflage im Rahmen von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG mit seinem Kapitalwert anzusetzen. Insoweit unterliegt der Erwerb der Grunderwerbsteuer, Rz. 4.79 und 4.95. Variante 2: Im Jahr 2023 überträgt A einen weiteren Kommanditanteil von 10 % schenkweise an B. Die Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag wird in diesem Zusammenhang steuerrechtlich zulässig in der Weise geändert, dass die Verteilung der laufenden Gewinne (nicht: Erträge aus der Vermögenssubstanz) weiterhin bei 20/80 liegen soll. Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbar und vollständig nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit. Die neue Gewinnverteilungsrede ist nach hier vertretener Ansicht nicht von 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG erfasst.

4.119 Bei der Vereinbarung disquotaler Gewinnverteilungsregelungen im Nachgang zu steuerbefreiten Vorgängen i.S.d. §§ 5 und 6 GrEStG ist stets zu prüfen, ob diese einen Behaltenspflichtverstoß auslösen können. Maßgebend ist dabei, ob die Vereinbarung ihrem Regelungsgehalt nach einer Veräußerung des Gesellschaftsanteils gleichkommt oder hiermit eine Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung bzw. Teilhabe am wirtschaftlichen Wert des eingebrachten Grundstücks verbunden ist.187 S. Rz. 4.166. Maßgebend ist auch in diesem Zusammenhang, ob sich die disquotale Gewinnverteilungsabrede lediglich auf die laufenden Erträge oder auch auf die Substanzgewinne des Gesellschaftsvermögens bezieht. 6. Ausscheiden von Gesellschaftern und Anwachsungserwerb (§ 7 Abs. 7 ErbStG) a) Überblick zum Anwachsungserwerb

4.120 Überträgt ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil nicht an die nachfolgende Generation, sondern scheidet auf andere Weise aus der Gesellschaft aus (z.B. durch Kündigung der Gesellschaft), wächst sein Gesellschaftsanteil regelmäßig den zu diesem Stichtag noch verbleibenden Gesellschaftern an (vgl. § 738 BGB). Sofern der letzte Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ausscheidet, wächst das Vermögen dem verbleibenden Gesellschafter an. 4.121 Ein solcher Anwachsungserwerb ist gem. § 7 Abs. 7 ErbStG schenkungsteuerbar, soweit der Wert, der sich für den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters nach § 12 ErbStG ergibt, seinen Abfindungsanspruch übersteigt. Anders ausgedrückt: ein Gesellschafter scheidet zu Lebzeiten aus der Gesellschaft aus und erhält eine Ab187 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521.

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B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.123 Kap. 4

findung unterhalb des steuerlichen Anteilswerts.188 Ein Anwendungsfall von § 7 Abs. 7 ErbStG liegt daher insb. dann vor, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Abfindung zu Buchwerten vorsieht.189 Die Regelung betrifft jedoch auch alle anderen Fälle, in denen die Abfindung über dem Buchwert, jedoch unter dem Steuerwert des Anteils liegt.190 § 7 Abs. 7 ErbStG ist eine Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, die einen gleichen Fall für das Ausscheiden des Gesellschafters durch Tod regelt.191 b) Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG In der Literatur wird für Fälle des § 7 Abs. 7 ErbStG die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG bejaht.192 In welchem Umfang § 3 Nr. 2 GrEStG anwendbar und der Anwachsungserwerb damit von der Grunderwerbsteuer befreit ist, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Zu beachten ist, dass das Vorliegen einer steuerbaren Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 7 ErbStG darauf beruht, dass der Ausscheidende unterhalb des Verkehrswerts des Anteils abgefunden wird. In Höhe des Werts der Abfindung liegt bereits keine Schenkung vor, sodass es insoweit nicht zu einer Doppelbelastung von ErbSt und GrESt kommen kann.193 Es spricht also viel dafür, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG nur anteilig zum Tragen kommt. Denkbar ist an dieser Stelle die Vornahme einer Verhältnisrechnung, wonach sich die anteilige Befreiung nach dem Verhältnis der gemeinen Werte des Gesellschaftsanteils einerseits und des Abfindungsanspruchs andererseits bestimmt.194 Der Wert der Abfindung, die der ausscheidende Gesellschafter erhält, ist nach der Regelungstechnik des § 7 Abs. 7 ErbStG zwar nicht im Rahmen der Ermittlung der schenkungsteuerlichen Bereicherung als Gegenleistung abziehbar. Allerdings führt der Abfindungsanspruch des Gesellschafters dazu, dass der Vorgang in dieser Höhe nicht schenkungsteuerbar ist. Es spricht daher m.E. aufgrund des „gemischten Charakters“ eines Ausscheidens gegen Abfindung i.S.d. § 7 Abs. 7 ErbStG viel dafür, die für die gemischte Schenkung und die Schenkung unter Auflage geltende Ermittlungstechnik i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG entsprechend anzuwenden. S. Rz. 4.79 und 4.84. Konkret bedeutet dies, dass der Umfang der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in der Weise ermittelt wird, dass vom Steuerwert des Anteils der Steuerwert der Abfindung in Abzug zu bringen ist.

4.122

Beispiel 27: An der grundbesitzenden ABC KG sind A, B und C zu jeweils einem Drittel als Kommanditisten am Vermögen und Gewinn beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der KG sieht vor, dass im

4.123

Esskandari in von Oertzen/Loose2, § 7 ErbStG Rz. 530. Esskandari in von Oertzen/Loose2, § 7 ErbStG Rz. 537. Esskandari in von Oertzen/Loose2, § 7 ErbStG Rz. 530. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 154 und Rz. 118; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 274. 192 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 154. 193 Vgl. auch Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 15 zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. 194 Dahingehend Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 191; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 15. 188 189 190 191

Riedel | 537

Kap. 4 Rz. 4.123 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern durch Kündigung eine Abfindung zu Buchwerten geleistet wird. A entschließt sich altersbedingt, aus der KG auszuscheiden und kündigt die Gesellschaft. A erhält eine Abfindung in Höhe seines Kapitalkontos i.H.v. 1 Mio. Euro. Der Steuerwert der von ihm aufgegebenen Beteiligung beträgt 2 Mio. Euro. In der jüngeren Vergangenheit haben Anteilsbewegungen bei der ABC KG stattgefunden, sodass mit dem Ausscheiden von A die maßgebende Grenze von 90 % innerhalb des Betrachtungszeitraums von zehn Jahren überschritten wird und der Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar ist. Das kündigungsbedingte Ausscheiden von A führt zu einer Anwachsung seines vormaligen KG-Anteils zu B und C. Auf diese Weise erhöht sich die vormalige Beteiligung von B und C am Vermögen der grundbesitzenden KG von vormals einem Drittel auf jeweils 50 %. Fraglich ist, ob und inwieweit Steuerbefreiungen zur Anwendung gelangen. I.H.v. jeweils einem Drittel dürfte hier ein Anwendungsfall von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG gegeben sein, sofern die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt ist. Demnach wird die Grunderwerbsteuer in Höhe der vormaligen Beteiligung von B und C (2/3) nicht erhoben. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit der Vorgang im Übrigen nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit ist. Als Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 7 ErbStG gilt auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder KapGes. auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Der Erwerbsvorgang ist zugleich aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts schenkungsteuerbar. A scheidet gegen eine Abfindung (1 Mio. Euro) aus, welche wertemäßig deutlich unterhalb des Steuerwerts seines KG-Anteils (2 Mio. Euro) liegt. Folglich ist i.H.v. 1 Mio. Euro eine gleichzeitige Schenkungsteuerbarkeit des Erwerbsvorgangs zu bejahen, sodass m.E. § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung kommt. Ebenso noch nicht abschließend geklärt ist, wie der grunderwerbsteuerfreie Betrags i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG bei schenkungsteuerbaren Vorgängen iS.d. § 7 Abs. 7 ErbStG zu ermitteln ist. Denkbar ist hier, in Höhe der „Schenkungsquote“ von 50 % eine Steuerbefreiung anzunehmen und den Umfang der Befreiung in der Weise zu ermitteln, dass auf den (ggf. nach Anwendung von § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG verbleibenden) Grundbesitzwert die Quote von 50 % angewendet wird. Möglich ist es aber auch, den Umfang der Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in der Weise zu ermitteln, dass vom Steuerwert des KG-Anteils der Steuerwert der Abfindung in Abzug gebracht wird. Folgt man dieser Sichtweise, unterliegt der Erwerb in entsprechend dem Rechtsgedanken des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG in Höhe des Werts der Abfindung (hier: 1 Mio. Euro) der Grunderwerbsteuer.

c) Auswirkungen auf grunderwerbsteuerliche Behaltensfristen

4.124 Anwachsungsvorgänge können Auswirkungen auf Behaltensfristen bei zuvor gewährten Steuerbefreiungen haben. Die Finanzverwaltung legt hier im Allgemeinen jedoch einen großzügigen Maßstab an. Eine Anwendung von § 5 Abs. 3 und Abs. 3 Satz 2 GrEStG scheidet aus, wenn das Grundstück innerhalb der Behaltensfrist im Rahmen einer Anwachsung übergeht auf: den grundstücksübertragenden Gesamthänder (in einem oder mehreren Rechtsakten), einen Gesellschafter, der das Grundstück nicht übertragen hat (in einem Rechtsakt) oder einen fremden Dritten (in einem Rechtsakt).195 Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Anwachsung zu 195 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6.

538 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.125 Kap. 4

einem steuerbaren Rechtsvorgang führt und ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist.196 In den Fällen, in denen der grundstücksübertragende Gesamthänder seine Beteiligung an der Gesamthand veräußert, ohne dass hierdurch zugleich eine steuerbare Anwachsung verwirklicht wird, finden die Sperrfristen nach §§ 5 Abs. 5 bzw. 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG hingegen grundsätzlich Anwendung.197 Beispiel 28 (nach gleich lautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6 Beispiel 9): Am Vermögen der GbR sind A zu 40 % sowie B und C zu jeweils 30 % beteiligt. A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf die GbR. Im Jahr 04 übernimmt A die Anteile der anderen Gesellschafter der GbR und führt das Unternehmen als Einzelunternehmen fort.

Jahr 01:

Vorher: A

B 40 %

C 30 %

A

30 %

B 40 %

GbR

C 30 %

30 %

GbR

Übertragung Grundstück Jahr 02: A

B

C

Anwachsung Grundstück

GbR

Abb. 5 (Anwachsung 1) 196 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6. 197 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6.

Riedel | 539

4.125

Kap. 4 Rz. 4.125 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Im Jahr 01 ist die Grundstücksübertragung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber die Steuer wird gem. § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 40 % nicht erhoben. Die im Jahr 04 erfolgte Anwachsung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbar, aber die Steuer wird i.H.v. 40 % nicht erhoben. Die Anwachsung führt in Bezug auf die Grundstücksübertragung aus dem Jahr 01 nicht zu einem Sperrfristverstoß nach § 5 Abs. 3 GrEStG, weil A in Höhe seines bisherigen Anteils am Vermögen der GbR weiterhin am Wert des Grundstücks beteiligt ist. Die Überwachung i.S.d. § 5 Abs. 3 GrEStG endet.

4.126 Beispiel 29 (nach gleich lautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6 Beispiel 10): Am Vermögen der GbR sind A zu 40 % sowie B und C zu jeweils 30 % beteiligt. A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf die GbR. Im Jahr 04 übernimmt B die Anteile der anderen Gesellschafter der GbR in einem Rechtsakt und führt das Unternehmen als Einzelunternehmen fort.

Jahr 01:

Vorher: A

B 40 %

C 30 %

A

30 %

B 40 %

GbR

C 30 %

30 %

GbR

Übertragung Grundstück Jahr 02: Anwachsung Grundstück A

B

GbR

Abb. 6 (Anwachsung 2)

540 | Riedel

C

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.127 Kap. 4 Im Jahr 01 ist die Grundstücksübertragung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber die Steuer wird gem. § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 40 % nicht erhoben. Die im Jahr 04 erfolgte Anwachsung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbar, aber die Steuer wird nach § 6 Abs. 2 GrEStG i.H. des seit der Übertragung des Grundstücks im Jahr 01 unverändert bestehenden Anteils des B am Vermögen der GbR (30 %) nicht erhoben. Die Anwachsung führt in Bezug auf die Übertragung im Jahr 01 nicht zur Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG, weil die Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung des A an der GbR unmittelbar mit einem steuerbaren Rechtsvorgang im Zusammenhang steht und eine Steuerumgehung insoweit objektiv ausgeschlossen ist. Die Überwachung i.S.d. § 5 Abs. 3 GrEStG endet. Beispiel 30 (nach gleich lautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6 Beispiel 11): Am Vermögen der GbR sind A zu 50 % sowie B und C zu jeweils 25 % beteiligt. A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf die GbR. Im Jahr 03 übernimmt B zunächst den Anteil des A und im Jahr 04 den Anteil des C und führt das Unternehmen als Einzelunternehmen fort.

Jahr 01:

Jahr 03: B erwirbt Anteil des A

A

B 50 %

C 25 %

B

C 75 %

25 %

GbR

25 %

GbR

Übertragung Grundstück Jahr 04: B erwirbt Anteil des C B

C

Anwachsung Grundstück GbR

Abb. 7 (Anwachsung 3)

Riedel | 541

4.127

Kap. 4 Rz. 4.127 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Im Jahr 01 ist die Grundstücksübertragung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber die Steuer wird gem. § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 50 % nicht erhoben. Durch sein Ausscheiden im Jahr 03 aus der GbR hat A die an die Vergünstigung seiner Grundstücksübertragung anknüpfende zehnjährige Behaltensfrist nicht eingehalten. Die bisher gewährte Steuervergünstigung von 50 % ist nach § 5 Abs. 3 GrEStG rückwirkend zu versagen. Die Überwachung i.S.d. § 5 Abs. 3 GrEStG endet. Für die im Jahr 04 gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbare Anwachsung infolge der Übernahme des Gesellschaftsanteils des vorletzten ausscheidenden Gesellschafters C wird die Steuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG in Höhe der seit dem Anteilserwerb von A bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung des B an der GbR (75 %) nicht erhoben. § 6 Abs. 4 GrEStG ist nicht anzuwenden, weil der Erwerb des Anteils des A durch B im Zusammenhang mit einer rückwirkenden Versagung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG stand und damit der Grunderwerbsteuer unterlegen hat.

7. Kettenschenkungen

4.128 Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung in Form eines Grundstücks oder eines Anteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft, welche er selbst entsprechend einer bestehenden Verpflichtung an einen Dritten weiterzugeben hat und tatsächlich weitergibt, liegen zwei grunderwerbsteuerbare Vorgänge vor.198 4.129 Allerdings soll nach der Rechtsprechung die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG bei keinem der beiden Erwerbsvorgänge zur Anwendung kommen, da es jeweils an einer freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 ErbStG fehlen soll.199 Im Einzelnen: Der erste Erwerbsvorgang ist für sich genommen nicht schenkungsteuerbar, da es aufgrund der Verpflichtung zur Weitergabe des geschenkten Vermögensgegenstands an einer eigenen Entscheidungsmöglichkeit und damit an einer Bereicherung der Mittelsperson im Verhältnis zum Zuwendenden fehlt.200 Die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG auf den ersten Erwerbsvorgang scheidet daher mangels Vorliegen einer Schenkung aus. Die Weiterübertragung des Grundstücks von der Mittelsperson auf den Dritten (zweiter Erwerbsvorgang) soll ebenso nicht unter § 3 Nr. 2 GrEStG fallen.201 Denn die Übertragung des Vermögensgegenstands erfolgt hier nicht freigiebig, sondern aufgrund der der Mittelsperson auferlegten Weitergabeverpflichtung. Damit ist § 3 Nr. 2 GrEStG bei beiden Erwerbsvorgängen streng formal betrachtet nicht erfüllt. Allerdings wird schenkungsteuerlich eine wertende Gesamtbetrachtung aus beiden Vorgängen vorgenommen, die eine freigiebige Zuwendung des Schenkers an den bedachten Dritten zum Gegenstand hat und in diesem Verhältnis gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerbar ist.202 Die im Grunderwerbsteuerrecht geltende streng

198 199 200 201 202

Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 140. Vgl. auch kürzlich BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 140. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 140. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 140; BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128 sowie BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

542 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.130 Kap. 4

formale Betrachtung wird daher vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks des § 3 Nr. 2 GrEStG zu Recht kritisch gesehen.203 Beispiel 31204: A und B sind Kommanditisten der grundbesitzenden G KG. Die G KG ist Eigentümerin von 13 Grundstücken. Zum 18.11.2008 schenkten A und B u.a. ihre Kommanditanteile an der GKG im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihre beiden Söhne C und D. C und D verpflichteten zugleich wechselseitig und gegenüber ihren Eltern, sich zeitnah nach der Schenkung in der Weise auseinanderzusetzen, dass fünf Grundstücke der G KG in eine neue GmbH & Co. KG eingebracht werden, deren alleiniger Kommanditist C sein sollte, und die übrigen acht Grundstücke in eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist D sein sollte.

Vorher:

A

nach Schenkung zum Zielstruktur laut Schenkungsauflage: 18.11.2008: B 50 %

50 %

C

D 50 %

50 %

C 100 %

D 100 %

G KG

G KG

C KG

D KG

13 Grundstücke

13 Grundstücke

5 Grundstücke

8 Grundstücke

Abb. 8 (Schenkung mit Auflage zur Herstellung einer Zielstruktur) Durch notarielle Verträge vom 3.7.2012 setzten sich C und D auseinander. C übertrug seinen Kommanditanteil an der G KG auf eine neue KG, deren alleiniger Kommanditist er wurde (C KG); D übertrug seinen Kommanditanteil an der G KG auf eine neue KG, deren alleiniger Kommanditist er wurde (D KG) (Schritt 1: Verlängerung der Beteiligungskette). In einer darauffolgenden Urkunde beendeten die beiden KGs die G KG und schlossen einen „Auseinandersetzungs- und Einbringungsvertrag“, um die Abwicklung im Wege der Realteilung vorzunehmen. Die im Gesellschaftsvermögen der G KG befindlichen Grundstücke wurden entsprechend den Beteiligungsverhältnissen auf die beiden KGs übertragen. Hierbei wurden acht Grundstücke auf die D KG und die übrigen fünf Grundstücke auf die C KG übertragen (Schritt 2: Auseinandersetzungs- und Einbringungsvertrag). Im Ergebnis wurden durch die Strukturmaßnahmen die Verpflichtungen aus dem Schenkungsvertrag vom 18.11.2018 erfüllt und umgesetzt.

203 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 141. 204 BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322.

Riedel | 543

4.130

Kap. 4 Rz. 4.130 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Vorher (18.11.2008): C

Schritt 1: Verlängerung der Beteiligungskette

D

50 %

C

D

100 %

50 %

G KG

100 %

C KG

D KG

50 %

50 %

G KG

13 Grundstücke Abb. 9 (Weg in die Zielstruktur)

Schritt 2: Auseinandersetzungsund Einbringungsvertrag C

D

100 %

100 %

C KG

D KG

50 %

50 %

G KG

5 Grundstücke Abb. 10 (Weg in die Zielstruktur)

544 | Riedel

8 Grundstücke

Nachher (Zielstruktur laut Schenkungsauflage): C 100 %

D 100 %

C KG

D KG

5 Grundstücke

8 Grundstücke

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.132 Kap. 4 Die Übertragung der KG-Anteile auf C und D zum 18.11.2008 ist steuerbar nach § 1 Abs. 2a GrEStG, aber gem. § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Die sich anschließenden Einbringungen in die beiden KGs am 3.7.2012 sind ebenso nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG von der Steuer befreit, sofern die Vorbehaltensbedingungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sind. Die Auseinandersetzung des Vermögens der G KG und die Aufteilung der Grundstücke auf die beiden KGs ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber nach Ansicht der Rechtsprechung nur in Höhe ihrer Beteiligung an der G KG nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG steuerbefreit. Hinsichtlich des verbleibenden Anteils liegt kein Anwendungsfall von § 3 Nr. 2 GrEStG vor. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG setzt voraus, dass sich der Erwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht, was bei der Vollziehung einer Schenkungsauflage grds. ausgeschlossen ist. Die Schenkung vollzieht sich zwischen dem ursprünglichen Schenker und dem Beschenkten. Schenker sind hier A und B im Verhältnis zu C und D. A und B sind jedoch nicht an den weiteren Grundstücksgeschäften beteiligt, sondern vielmehr C und D sowie „deren“ KGs und die G KG. Die Schenkung unter Auflage kann jedoch auch als abgekürzter Leistungsweg beurteilt werden, sodass ggf. eine Zusammenschau von grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften (hier § 3 Nr. 6 GrEStG) möglich ist. Ein abgekürzter Leistungsweg liegt jedoch nicht vor, wenn der Gegenstand einer Schenkungsauflage bereits ganz oder teilweise Gegenstand der Zuwendung des ursprünglichen Schenkers an den Erstbeschenkten war (Verlängerung des Leistungswegs). Dies ist hier der Fall. Sofern die Auseinandersetzung v. 3.7.2012 als Erfüllung der Auflage aus dem Schenkungsvertrag v. 18.11.2008 zu werten ist, hat sie keinen Leistungsweg abgekürzt, sondern verlängert. Vielmehr war der gewählte Weg in zwei Schritten ertragsteuerlich motiviert und wäre nicht zwingend erforderlich gewesen.

§ 3 Nr. 2 GrEStG ist jedoch dann bei beiden grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgängen erfüllt, wenn es sich bei beiden Vorgängen jeweils um Schenkungen i.S.d. § 7 ErbStG in dem jeweiligen Rechtsverhältnis handelt. In dem Fall liegt schenkungsteuerlich regelmäßig keine Kettenschenkung und auch kein als Auflagenschenkung zu qualifizierender Erwerbvorgang vor.

4.131

Beispiel 32: An der grundbesitzenden KG ist A zu 100 % als Kommanditist beteiligt. Zum 1.1.2021 übertrug er seinen gesamten Mitunternehmeranteil schenkweise auf seine Ehefrau E. Diese übertrug den Anteil wiederum im Wege der Schenkung mit Wirkung zum 1.1.2023 auf die gemeinsame Tochter T.

4.132

Zum 1.1.2021 und zum 1.1.2023 wird jeweils ein steuerbarer Tatbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht. Fraglich ist, ob beide Vorgänge nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit sind. Hierbei kommt es darauf an, ob der Erwerb zwischen Schenker und Beschenktem erfolgt und in diesem Verhältnis als Schenkung oder Erwerb i.S.d. ErbStG zu qualifizieren ist. Dies ist hier bei beiden Erwerbsvorgängen der Fall. Denn im Verhältnis A zu E sowie im Verhältnis E zu T liegt eine Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 ErbStG vor. Die Weitergabe des Anteils von E an T erfolgte nicht aufgrund einer Verpflichtung, die ihr im Rechtsverhältnis zu A im Zusammenhang mit der Schenkung zum 1.1.2021 auferlegt wurde, sondern aufgrund ihrer eigenen Entscheidung. E hatte ihre Beteiligung zwei Jahre gehalten hat, sodass die entsprechenden Erträge und in diesem Zeitraum begründete Wertsteigerungen ausschließlich ihr zustehen. Im Übrigen kann in diesem Fall auch auf § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG zurückgegriffen werden.

Riedel | 545

Kap. 4 Rz. 4.133 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

8. Übertragung von Anteilen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften vs. Übertragung von Mitunternehmeranteilen

4.133 Die Anteilübertragung bei vermögensverwaltenden PersGes. und Mitunternehmerschaften unterscheiden sich in ertragsteuerlicher und schenkungsteuerlicher Hinsicht. Hervorzuheben ist bei vermögensverwaltenden PersG. insb. die gesteigerte Reichweite der Transparenzbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO und § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG. 4.134 Bei vermögensverwaltenden PersGes. sind gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens grundsätzlich den jeweiligen Gesellschaftern zuzurechnen, soweit nicht für die Besteuerung eine abweichende Betrachtung erforderlich ist. Der Gesellschaftsanteil wird damit nicht als eine Einheit angesehen, welche auf den Erwerber übertragen wird. Vielmehr sollen gedanklich die einzelnen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens auf den Erwerber übergehen. Im Einzelfall kann streitig sein, welche vom Erwerber übernommenen Passivpositionen des Gesellschaftsvermögens unter die steuerlich relevanten Gegenleistungen fallen oder als Anschaffungskosten zu qualifizieren sind.205 4.135 Eine nahezu identische Transparenzbetrachtung sieht auch § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG vor. Demnach gilt der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden PersGes. oder einer anderen Gesamthandsgemeinschaft, die nicht unter § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG fällt, als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter; die dabei übergehenden Schulden und Lasten der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln206. Der Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer vermögensverwaltenden PersGes. wird schenkungsteuerlich nicht als Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit „Beteiligung“ angesehen.207 Vielmehr sind den Gesellschaftern die einzelnen Wirtschaftsgüter und sonstigen Besitzposten des Gesamthandsvermögens und die Gesellschaftsschulden anteilig als Bruchteilseigentum zuzurechnen.208 Hieraus ergibt sich für den Anteilserwerb Folgendes:209 Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb eines solchen Gesellschaftsanteils gilt als Erwerb der Miteigentumsanteile an den zum Gesamthandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern und sonstigen Besitzposten. Daneben tritt (gedanklich) die mit dem Übergang des Gesellschaftsanteils verbundene Verpflichtung des Erwerbers, für die Gesellschaftsschulden einzustehen. Sie kann als eigenständige Belastungsposition nicht unmittelbar durch Abzug vom Wert der Besitzposten, sondern nur im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung des Erwer-

205 Vgl. hierzu BFH v. 6.9.2016 – IX R 27/15, BStBl. II 2018, 335 (Gesellschaftsverbindlichkeiten sind grds. keine Gegenleistung i.S.d. § 23 Abs. 1 EStG); BFH v. 3.5.2022 – IX R 22/19, FR 2022, 1030 (Gesellschaftsverbindlichkeiten führen regelmäßig zu Anschaffungskosten beim Erwerber). 206 R E 10.4 Abs. 2 i.V.m. R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2019. 207 R E 10.4 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019. 208 R E 10.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019. 209 R E 10. 4 Abs. 2 ErbStR 2019.

546 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.137 Kap. 4

bers i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG wie eine Gegenleistung berücksichtigt werden. Die Grundsätze der gemischten Schenkung gelten hier entsprechend.210 Für die Steuerbarkeit bei der Grunderwerbsteuer hat diese Transparenzbetrachtung keine Auswirkungen. Denn die vermögensverwaltende PersGes. fällt – ebenso wie die Mitunternehmerschaft – unter die Gesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 3, Abs. 3a GrEStG. Das Grunderwerbsteuerrecht differenziert lediglich zwischen PersGes. und KapGes., während die ertragsteuerliche oder schenkungsteuerliche Qualifikation des Anteils unerheblich ist. Der Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden PersG (z.B. von Todes wegen oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) wird daher grunderwerbsteuerlich grundsätzlich nicht als anteiliger Erwerb des Grundbesitzes i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG betrachtet, sondern nach den Vorschriften der § 1 Abs. 2a und Abs. 3, Abs. 3a GrEStG beurteilt.

4.136

Allerdings können sich bei der Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG Auswirkungen ergeben, da der Anteilserwerb als gemischte Schenkung zu qualifizieren ist. Die Thematik, ob und inwieweit die Transparenzbetrachtung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ErbStG im Rahmen der Auslegung von § 3 Nr. 2 GrEStG zu berücksichtigen ist, ist allerdings noch nicht von der Finanzverwaltung adressiert oder (höchstrichterlich) geklärt, sodass hier im Einzelfall mehrere Auslegungsergebnisse möglich sein dürften. Beispiel 33: A ist zu 100 % als Kommanditist an einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG beteiligt, bei der er zugleich als Geschäftsführer tätig ist. Die Gesellschaft ist daher nicht gewerblich geprägt i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, sondern ertragsteuerlich als vermögensverwaltende PersGes. zu qualifizieren. Sie verfügt nicht über Betriebsvermögen. A überträgt seine KG-Beteiligung vollständig unentgeltlich im Wege der Schenkung auf B. Der Steuerwert der Grundstücke der KG i.S.d. BewG beträgt 3 Mio. Euro. Die Gesellschaft hat zum Schenkungsstichtag Verbindlichkeiten i.H.v. 2 Mio. Euro. Über sonstiges aktives und passives Vermögen verfügt die KG nicht. Die Anteilsübertragung ist gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt zur Anwendung. Allerdings ist im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG noch nicht abschließend geklärt, in welchem Umfang die Befreiung gilt. Schenkungsteuerlich regelt die Transparenzbetrachtung i.S.d § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG, dass B die Vermögensgegenstände der KG (hier: Grundstücke), erwirbt und hierfür die Verbindlichkeiten der KG als fiktive Gegenleistung übernimmt. Zieht man § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG im Rahmen von § 3 Nr. 2 GrEStG heran, sollte der Umfang der Steuerbefreiung von der Höhe des fiktiv unentgeltlichen Teils der Anteilsschenkung abhängen. Aus der Anwendung der Grundsätze der gemischten Schenkung (R E 10.10 Abs. 2 i.V.m. R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2019) ergibt sich bezüglich der Ermittlung der Bereicherung, dass von dem nach § 12 ErbStG zu bewertenden Vermögensgegenständen des Gesamthandsvermögens der Steuerwert der Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Abzug zu bringen ist. Den (fiktiv) unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens i.H.v. 3 Mio. Euro stehen vom Erwerber (fiktiv) übernommene Verbindlichkeiten i.H.v. 2 Mio. Euro gegenüber. Daher liegt i.H.v. EUR 2 Mio. keine Schenkung, sondern ein Verkauf des Grundbesitzes vor. Im Umfang von EUR 2 Mio. unterliegt der Vorgang demnach auch nicht der Schenkungsteuer.

210 R E 10.10 Abs. 2 i.V.m. R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2019.

Riedel | 547

4.137

Kap. 4 Rz. 4.137 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG dürften 1 Mio. Euro von der Grunderwerbsteuerbefreiung erfasst sein.

4.138 Anders ist die Rechtslage beim unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils. Hier normiert bereits das Ertragsteuerrecht, dass der Mitunternehmeranteil, bestehend aus dem Anteil am Gesamthandsvermögen des Gesellschafters sowie seinem (funktional wesentlichem) Sonderbetriebsvermögen, als Übertragungsgegenstand eine wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. §§ 16 Abs. 1, 6 Abs. 3 EStG). Schulden des Gesamthandsvermögens stellen keine Gegenleistungen dar. Die Transparenzbetrachtung gilt auch schenkungsteuerlich hier nicht, da § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG Personengesellschaftsanteile, die Betriebsvermögen i.S.d. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG darstellen, explizit ausklammert. 9. Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen und verwandte Rechtsformen a) Deutsche (Familien-)Stiftungen

4.139 Werden anlässlich der Errichtung einer Stiftung und ihrer (Erst-)Ausstattung Grundbesitz oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften von den Stiftern auf die Stiftung übertragen, ist in einem ersten Schritt nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob der Vorgang i.S.d. § 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar ist. In einem zweiten Schritt stellt sich sodann die Frage, ob und inwieweit Steuerbefreiungen nach §§ 3 bis 6a GrEStG zur Anwendung gelangen. § 3 Nr. 2 GrEStG nimmt auf Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG Bezug. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG betrifft die Erstausstattung einer Stiftung. Besteuert wird hierbei der Vermögensübergang auf die Stiftung, zu dem der Stifter mit der Anerkennung der Stiftung verpflichtet wird bzw. er sich von selbst mit der Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig vollzieht.211 Ist die Stiftung bereits errichtet worden und erfolgen später sogenannte Zustiftungen, unterliegen diese als freigiebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer.212 § 3 Nr. 2 GrEStG ist regelmäßig auf die Ausstattung von Stiftungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG oder § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzuwenden.213 S. Rz. 4.61. 4.140 Beispiel 34: Anteilsübertragung auf eine deutsche Familienstiftung im Rahmen des Errichtungsgeschäfts A und B sind zu jeweils 50 % als Kommanditisten an einer Holding-KG beteiligt. Die Holding-KG ist 100%ige Gesellschafterin einer grundbesitzenden KG sowie einer grundbesitzenden GmbH. A und B planen, eine deutsche Familienstiftung zu errichten. Im Zuge der Ausstattung der Stiftung sollen die Kommanditanteile auf die Stiftung übertragen werden. Begünstigte sollen insb. Familienmitglieder und Stammesverwandte von A und B sein.

211 Vgl. FG Münster v. 7.6.2017 – 8 K 2338/14 GrE, EFG 2017, 1360, rkr. 212 FG Münster v. 7.6.2017 – 8 K 2338/14 GrE, EFG 2017, 1360, rkr. 213 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 273.

548 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.141 Kap. 4

Vorher: A 50 %*

Nachher: B

Familienstiftung 100 %*

50 %* Ausstattung Familienstiftung

Holding KG

Holding KG

jeweils 100 %

jeweils 100 % G GmbH

G GmbH G KG

G KG

* Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 11 Hinsichtlich der grundbesitzenden KG und der grundbesitzenden GmbH ist der Vorgang nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerbar. Die Übertragung der Holding KG-Anteile auf die Familienstiftung ist zudem als Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG (Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden) steuerbar. Der gleiche Lebenssachverhalt ist daher sowohl nach dem ErbStG als auch nach dem GrEStG steuerbar, sodass § 3 Nr. 2 GrEStG hier Anwendung findet. Die Ausstattung der Familienstiftung kann gemäß den Regelungen für Betriebsvermögen nach §§ 13a-c ErbStG begünstigt sein. Je nach Höhe und Umfang des auf die Stiftung übertragenen Betriebsvermögens kommt die Verschonungsbedarfsprüfung i.S.d. § 28a ErbStG (Erlassmodell) in Betracht. Die Ausstattung der Familienstiftung ist gleichwohl gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da es auf die Schenkungsteuerbefreiungen für die Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG nicht ankommt (vgl. Rz. 4.61). Beispiel 35: Entgeltliche Übertragung von Grundbesitz auf eine Familienstiftung A verfügt über einen hohen Immobilienbestand in seinem Privatvermögen. Der Erwerb sämtlicher Objekte liegt mehr als zehn Jahre zurück. A entschließt sich eine Familienstiftung zu errichten und seinen Immobilienbestand entgeltlich auf die Stiftung zu übertragen.

Riedel | 549

4.141

Kap. 4 Rz. 4.141 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Aufgrund der Entgeltlichkeit der Immobilienübertragungen liegt kein schenkungsteuerbarer Vorgang vor. Der Erwerb ist daher zwar steuerbar nach § 1 Abs. 1 GrEStG, aber nicht i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit. Fraglich ist allerdings, ob der Erwerb durch die Stiftung unter eine Steuerbefreiung i.S.d. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG fällt, wenn als Destinatäre der Ehegatte und als entfernteste Berechtigte die Abkömmlinge des Stifters eingesetzt werden. Gegen eine Anwendung der persönlichen Steuerbefreiungen dürfte zwar die Rechtsnatur der Stiftung als juristische Person sowie der Umstand sprechen, dass die Stiftung keinen Gesellschafterkreis hat. Die Destinatäre sind insb. nicht an der Stiftung und dem Stiftungsvermögen vermögensmäßig beteiligt. Vielmehr steht den Destinatären lediglich ein Recht zu, im Rahmen ihrer Bezüge an den Erträgen des Stiftungsvermögens zu partizipieren. Die Familienstiftung unterscheidet sich von der Kapitalgesellschaft allerdings insoweit, als dass sie auf eine Begünstigung von Ehegatten und Familienmitgliedern (begünstigter Personenkreis i.S.d. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG angelegt ist. Unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es daher durchaus möglich, für Zwecke der Anwendung der persönlichen Steuerbefreiungen eine Durchgriffsbetrachtung auf die begünstigten Destinatäre vorzunehmen (Rz. 4.63).

b) Ausländische Stiftungen

4.142 Bei Zuwendungen an eine ausländische Stiftung oder der Erstvermögenausstattung einer ausländischen Stiftung ist für die Fragen, ob ein i.S.d. § 1 GrEStG steuerbarer Vorgang vorliegt und/oder ob die Steuerbefreiungen (auch nach §§ 5, 6 GrEStG) zur Anwendung gelangen, vor allem die zivilrechtliche Qualifikation der ausländischen Stiftung entscheidend. Die Merkmale einer ausländischen Stiftung können von einer deutschen Stiftung abweichen. Wird diese nach dem Zivilrecht des ausländischen Staates als eigenständiger Rechtsträger qualifiziert, soll dies nach der Rechtsprechung des FG Münster214 für die grunderwerbsteuerliche Würdigung maßgebend sein. Hierbei soll es auch unerheblich sein, ob die Stiftung nach dem Ertragsteuerrecht des ausländischen Staates (z.B. Niederlande) als transparent angesehen wird.215 Hierbei ist ein Rechtstypenvergleich anzustellen, wonach die ausländische Stiftung im konkreten Anwendungsfall die wesentlichen Merkmale einer deutschen Stiftung aufweist. Auch für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG kommt es darauf an, dass die konkrete Übertragung nach dem ausländischen Recht gemessen an den Grundsätzen des deutschen Schenkungsteuerrechts als freigiebige Zuwendung einzuordnen ist. V. Strukturmaßnahmen im Vorfeld der vorweggenommenen Erbfolge 1. Aufteilen von Vermögensgegenständen in verschiedene Gesellschaften

4.143 Im Vorfeld der Übertragung von Vermögen kann es aus persönlichen, wirtschaftlichen oder steuerlichen Gründen sinnvoll sein, den Vermögensbestand des künftigen Schenkers bzw. Erblassers neu zu strukturieren. So kann es sich z.B. im Hinblick auf die Grenze von 26 Mio. Euro i.S.d. § 13a Abs. 1 ErbStG anbieten, Teilschenkungen

214 FG Münster v. 10.3.2022 – 8 K 1945/19 GrE, EFG 2022, 869, Rev. unter Az. II R 11/22 anhängig. 215 FG Münster v. 10.3.2022 – 8 K 1945/19 GrE, EFG 2022, 869, Rev. unter Az. II R 11/22 anhängig.

550 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.145 Kap. 4

von Unternehmensvermögen in Zehnjahresschritten vorzunehmen oder Unternehmensvermögen separat zu übertragen. Soll vermieden werden, dass Nachlassgegenstände als Teil des gesamten Nachlasses der gemeinschaftlichen Verwaltung der Erbengemeinschaft unterliegen oder sollen zielgerichtet an nur einzelnen Vermögensgegenständen testamentarische Verfügungen getroffen werden, kann erwogen werden, (potenzielle) Nachlassgegenstände in separate Gesellschaften (z.B. gewerblich geprägte oder vermögensverwaltende GmbH & Co. KG) einzulegen, so dass insoweit nur Gesellschaftsanteile zu übertragen oder zu vererben sind. Ebenso ist es denkbar, bereits über Gesellschaften gebundenes Vermögen neu zu strukturieren, damit lediglich die Anteile an der Zielgesellschaft auf die nachfolgende Generation übertragen werden müssen. Sind solche oder ähnliche Strukturmaßnahmen bei grundbesitzenden Gesellschaften geplant, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob die konkreten Strukturmaßnahmen sowie die sich ggf. anschließende Schenkung von Anteilen grunderwerbsteuerbar sind, Steuerbefreiungen eingreifen und ob Vor- und Nachbehaltensfristen einzuhalten oder ggf. teleologisch zu reduzieren sind.

4.144

Beispiel 36: A und B sind jeweils zu 50 % an Vermögen und Gewinn der grundbesitzenden G KG beteiligt. Die beiden Gesellschafter planen jeweils ihre vorweggenommene Erbfolge. Hierzu sollen die Vermögensgegenstände der G KG jeweils auf „eigene KGs“ von A und B aufgeteilt werden.

4.145

Vorher:

Zielstruktur:

A

B 50 %

50 %

G KG

A 100 %

A KG

B 100 %

B KG

Abb. 12 (Separierung von Vermögen auf Schwestergesellschaften) In einem ersten Schritt bringen hierzu A und B jeweils ihren Mitunternehmeranteil an der G KG gem. § 24 UmwStG in eine „eigene KG“ ein, an der sie zu 100 % als Kommanditisten beteiligt sind (A KG und B KG) In einem zweiten Schritt wird das Vermögen der G KG auf die A KG und die B KG im Wege der Realteilung gem. § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG aufgeteilt.

Riedel | 551

Kap. 4 Rz. 4.145 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

Schritt 1: Verlängerung der Beteiligungskette A

Schritt 2: Realteilung i.S.d. § 16 Abs. 3 Sätze 2 ff. EStG B

100 %

A 100 %

A KG

B KG

50 %

50 %

G KG

B

100 %

100 %

A KG

B KG

50 %

50 %

G KG

Abb. 13 (Separierung von Vermögen auf Schwestergesellschaften) Im Anschluss möchten A und B jeweils ihre Kommanditanteile an der A KG und der B KG im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Kinder übertragen (Schritt 3). Ertragsteuerliche Überlegungen: Das Vorgehen gemäß der Schritte 1 und 2 dürfte von der Rechtsprechung geklärt und durch die Erlasslage gedeckt sein. Die Verlängerung der Beteiligungskette erfolgt nach § 24 UmwStG. Die sich anschließende Vermögensaufteilung erfolgt nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG steuerneutral, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Unschädlich ist dabei, wenn im Zuge der Realteilung im Ergebnis stille Reserven von A auf B übergehen216. Die vorherige Einbringung der Anteile an einer Mitunternehmerschaft in andere PersGes. steht einer Realteilung der Mitunternehmerschaft mit Buchwertfortführung nicht entgegen, wenn an den anderen PersGes. vermögensmäßig nur die Personen beteiligt sind, die zuvor auch an der Mitunternehmerschaft vermögensmäßig beteiligt waren217. Schritt 3, nämlich die Beteiligung weiterer Gesellschafter an den neuen KGs, steht nur auf den ersten Blick dieser Bedingung entgegen. Denn die Voraussetzung, dass an den beiden KGs dieselben Personen wie zuvor an der G KG beteiligt gewesen sind, bezieht sich auf den Realteilungsstichtag. Eine sich anschließende Anteilsübertragung an der A KG und der B KG erfolgt hiervon losgelöst zu einem späteren Stichtag und ist für sich genommen anhand von § 6 Abs. 3 EStG zu beurteilen.

216 BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, BStBl. II 2017, 766. 217 So ausdrücklich Realteilungserlass Tz. 7; BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, BStBl. II 2017, 766.

552 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.146 Kap. 4 Grunderwerbsteuerliche Überlegungen: Die Verlängerung der Beteiligungskette nach Schritt 1 ist steuerbar nach § 1 Abs. 2a GrEStG, jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 GrEStG befreit. Die Realteilung der G KG, bei der der Grundbesitz der G KG auf die A KG und die B KG übergeht, ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar, jedoch gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG i.H.v. 50 % von der Grunderwerbsteuer befreit (soweit die beiden aufnehmenden KGs jeweils an den neu zugeordneten Grundstücken vorher über die G KG beteiligt waren). Zu prüfen ist, ob Schritt 2 zu einem Nachbehaltensfristverstoß i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG für den nach Schritt 1 verwirklichten Vorgang führt oder ob die Nachbehaltensfrist teleologisch reduziert werden kann. Eine teleologische Reduktion ist nach Ansicht der Finanzverwaltung dann möglich, wenn die nach Schritt 2 erfolgende Realteilung durch einen einzigen grunderwerbsteuerbaren Rechtsakt erfolgt oder die nachfolgenden Erwerbe nach § 3 GrEStG von der Steuer befreit sind oder wären.218 Es lässt sich auch für den Beispielsfall vertreten, dass eine teleologische Reduktion zu erfolgen hat. Denn trotz der mit der Realteilung einhergehenden Aufgabe der jeweiligen gesamthänderischen Mitberechtigung bzw. der Verminderung der vermögensmäßigen Beteiligung der A KG und der B KG dürfte ein Missbrauch hier zu verneinen sein, da sämtlicher von der G KG gehaltener Grundbesitz aufgrund eines Rechtsakts zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang führt. Für den Fall der Anwachsung vertritt die Finanzverwaltung z.B., dass eine teleologische Reduktion in Betracht kommt, wenn das Grundstück innerhalb der Behaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG übergeht auf den grundstücksübertragenden Gesamthänder (in einem oder mehreren Rechtsakten), einen Gesellschafter, der das Grundstück nicht übertragen hat (in einem Rechtsakt) oder einen Dritten219 (Rz. 4.124). In diesen Fällen soll jeweils ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbarer Rechtsvorgang vorliegen, der einen Missbrauch objektiv ausschließen soll. Diese Erwägungen können auch bei der grunderwerbsteuerbaren Realteilung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG zum Tragen kommen.

2. Auf- und Abstockung des Vermögens Eine Aufstockung und Umverteilung von Immobilienvermögen in Gesellschaften kann insbesondere vor dem Hintergrund der schenkungsteuerlichen Verschonungsregelungen nach §§ 13a, 13b ErbStG sinnvoll sein. Bei einem höheren Bestand von Immobilien wird die Regelung nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG (Wohnungsunternehmen) relevant. Im Einzelnen: Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gehören zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten. Allerdings gilt für sog. Wohnungsunternehmen eine Ausnahme. Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG ist eine Nutzungsüberlassung an Dritte nicht anzunehmen, wenn die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer PersGes. oder zum Vermögen einer KapGes. gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert. Insb. das letzte Kriterium, wann

218 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1. 219 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.6.

Riedel | 553

4.146

Kap. 4 Rz. 4.146 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

die Erfüllung der Vermietungstätigkeit einen sog. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert, wird von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung allerdings unterschiedlich beurteilt.220 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in aller Regel anzunehmen ist, wenn zu dem Betrieb mehr als 300 eigene Wohnungen221 gehören.222 Außerhalb dieser quantitativen Grenze sprechen nach Ansicht der Finanzverwaltung folgende Indizien für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs: Umfang der Geschäfte, Unterhalten eines Büros, Buchführung zur Gewinnermittlung, umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte, Bewerbung der Tätigkeit, Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber. Nach Ansicht der Rechtsprechung223 kommt beim wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine rein qualitative Beurteilung zum Tragen. Maßgebend soll für § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG sein, dass die Vermietungstätigkeit nach ertragsteuerlichen Kriterien eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG darstellt. Die Grundstücksvermietung hat einen gewerblichen Charakter, wenn hierbei eine Tätigkeit entfaltet wird, die über das normale Maß einer Vermietertätigkeit hinausgeht. Von einer gewerblichen Vermietungstätigkeit in diesem Sinne ist nach den Kriterien der Rechtsprechung auszugehen, wenn der Vermieter bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen – wie z.B. die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes – erbringt oder wegen eines besonders schnellen, sich aus der Natur der Vermietung ergebenden Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume eine Unternehmensorganisation erforderlich ist.224 Die Rechtsprechung des BFH zum Verständnis der Regelung gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG ist bisher mit einem Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung belegt.225

4.147 Auf der Basis der Verwaltungsmeinung kann es daher im Einzelfall aus schenkungsteuerlicher Sicht sinnvoll sein, den Wohnungsbestand einer Gesellschaft im Vorfeld der vorweggenommenen Erbfolge um weitere Wohneinheiten aufzustocken, um auf diese Weise am Schenkungsstichtag die Voraussetzungen der Regelung des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG zu erfüllen. Im Rahmen dieser Aufstockung ist stets im Blick zu behalten, ob die Grundstücksübertragung ertragsteuerneutral erfolgen

220 Zum Ganzen z.B. Meincke/Hannes/Holtz18, § 13b ErbStG Rz. 57 ff. 221 Vgl. zum Wohnungsbegriff § 181 Abs. 9 BewG: Die Wohnung muss demnach so beschaffen sein, dass hierin die Führung eines eigenen Haushalts möglich ist (Küche, Bad, Dusche sowie Toilette). 222 R E 13b. 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019. 223 BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018, 358; s. auch FG Münster v. 25.6.2020 – 3 K 13/20 F, EFG 2020, 1316, rkr. 224 BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018, 358 mit Verweis auf die ertragsteuerliche Rechtsprechung, vgl. insb. die BFH-Urteile v. 12.3.1964, IV 136/61 S, BStBl III 1964, 364; v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, BStBl. II 2001, 359; v. 27.2.1987 III R 217/82, BFH/NV 1987, 441. 225 Gleich lautende Ländererlasse v. 23.4.2018, BStBl. I 2018, 692.

554 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.148 Kap. 4

kann (z.B. gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) und ob die darauffolgenden Schenkungen der Mitunternehmeranteile in der Zukunft Sperrfristen auslösen (z.B. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG oder § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Die gleichen Erwägungen gelten für die Grunderwerbsteuer. Die Aufstockung von Gesellschaftsvermögen um weitere Grundstücke ist in der Regel nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuer und nach §§ 5 und 6 GrEStG befreit. Insb. bei sich anschließenden Strukturmaßnahmen und Anteilsschenkungen ist sodann zu prüfen, ob hinsichtlich der Nachbehaltensfristen eine teleologische Reduktion in Betracht kommt. Das ist nach Ansicht der Finanzverwaltung in der Regel dann der Fall, wenn die Erwerber in den Kreis der Personen nach § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG fallen (Rz. 4.124). Beispiel 37: Aufstockung des KG-Vermögens durch Einlagen und Veräußerungen in Vorbereitung der Nachfolge An der grundbesitzenden gewerblich geprägten A KG ist A zu 100 % als Kommanditist an Gewinn und Vermögen beteiligt. Die A KG verfügt derzeit über 285 Wohnungen in deutschen Großstädten, die allesamt vermietet sind. Weiteren Immobilienbesitz hält A in seinem Privatvermögen. Im Zuge der Vorbereitung seiner Vermögensnachfolge plant A, ein vermietetes Grundstück mit zehn Wohneinheiten an die KG zu veräußern. Ein weiteres Grundstück mit zehn Wohneinheiten plant A in die KG einzulegen. Im Nachgang zu diesen Maßnahmen plant A, seine Kommanditbeteiligung an der KG in den nächsten Jahren voraussichtlich in mehreren Schritten auf seine Kinder zu übertragen. Schenkungsteuerliche Überlegungen: Nach Durchführung der geplanten Strukturmaßnahmen verfügt die A KG über mehr als 300 Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG, sodass sie – gemessen an den Kriterien nach R E 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019 – die Voraussetzungen eines begünstigten Wohnungsunternehmens erfüllt. Der von ihr gehaltene, Dritten zur Nutzung überlassene Grundbesitz fällt daher gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG nicht unter das Verwaltungsvermögen. Die kürzlich eingelegten oder erworbenen Wohneinheiten stellen der A-KG auch kein sog. junges Verwaltungsvermögen dar. Junges Verwaltungsvermögen ist gem. § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG definiert als Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Bei den erworbenen bzw. eingelegtem Grundvermögen handelt es sich jedoch dem Grunde nach bereits nicht um Verwaltungsvermögen im Sinne der gesetzlichen Definition, sodass auch die Qualifikation als junges Verwaltungsvermögen ausgeschlossen ist. Durch die Vermögensaufstockung – sei es in Form der Einlage oder aber eines Erwerbsvorgangs – kann die schenkungsteuerliche Begünstigung erreicht werden. Grunderwerbsteuerliche Überlegungen: Die Veräußerung und die Einlage des Grundbesitzes an bzw. in die A-KG ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG. Beide Vorgänge sind jedoch nach § 5 Abs. 2 GrEStG vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, da A zu 100 % am Vermögen der aufnehmenden A KG beteiligt ist. Die Steuerbefreiung ist jedoch nach § 5 Abs. 3 GrEStG insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Allerdings kommt die Behaltensfrist aufgrund teleologischer Reduktion nach Ansicht der Finanzverwaltung in solchen Fällen nicht zur Anwendung, in denen die sich anschließende Anteilsübertragung als Erwerbsvorgang in Form eines Rechtsakts steuerbar ist oder sich die Beteiligung des A zugunsten von Personen verringert, auf die eine Grundstücksübertragung nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG steuerbefreit

Riedel | 555

4.148

Kap. 4 Rz. 4.148 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge wäre.226 Ähnliches gilt hinsichtlich der Schenkung von Anteilen, die unter § 3 Nr. 2 GrEStG fallen. Wenn das Grundstück nach § 3 Nr. 2 GrEStG (anteilig) steuerfrei im Wege der Schenkung übertragen werden kann, kann für die Beteiligung eines neuen Gesellschafters an der grundbesitzenden KG auch im Rahmen der Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG nichts anderes gelten.227 Es liegt daher hier – unabhängig davon, in welchen Beteiligungshöhen A in der Zukunft und ggf. sukzessive jeweils Teile seines Mitunternehmeranteils an seine Kinder übertragen möchte – kein Nachbehaltensfristverstoß vor (Rz. 4.165 ff.).

4.149 Beispiel 38: Seitwärtsverschmelzungen von PersGes. in Vorbereitung auf die Nachfolge An der grundbesitzenden A KG und der grundbesitzenden B KG ist A jeweils zu 100 % als Kommanditist an Gewinn und Vermögen beteiligt. Die A KG verfügt aktuell über 120 Wohneinheiten i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG. Die B KG verfügt derzeit über 280 Wohneinheiten i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG. Zur Vorbereitung der Nachfolge ist geplant, die A KG auf die B KG zu verschmelzen (Alternative: die B KG auf die A KG). Schenkungsgegenstand sollen zu einem späteren Zeitpunkt die Mitunternehmeranteile an der B KG (Alternative: A KG) sein. Schenkungsteuerliche Ausgangsüberlegungen: Nach der Seitwärtsverschmelzung erfüllt die B KG die Anforderungen an ein begünstigtes Wohnungsunternehmen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG auf der Grundlage der Verwaltungsansicht (R E 13b. 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019). Schenkungsgegenstand sollen die Mitunternehmeranteile an der B KG sein. Bei der Wahl des Schenkungsstichtags ist zu beachten, dass die Rückwirkungsfiktion nach § 24 Abs. 4, 20 Abs. 5 und Abs. 6 UmwStG nicht für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gilt.228 Für die schenkungsteuerliche Beurteilung, ob bei der B KG zum Schenkungsstichtag mehr als 300 Wohneinheiten vorhanden sind, kommt es daher auf das zivilrechtliche Eigentum der B KG an den Wohneinheiten am zivilrechtlichen bzw. schenkungsteuerlichen Stichtag (§§ 9, 11 ErbStG) an.229 Es sollte daher ein Schenkungsstichtag gewählt werden, der (deutlich) außerhalb des ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraums liegt. Grunderwerbsteuerliche Überlegungen: Der Übergang der Grundstücke der A KG auf die B KG durch die Seitwärtsverschmelzung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Allerdings greift hier die vollständige Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ein, sofern die Vorbehaltensbedingungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sind. Die Nachbehaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist zu beachten. Die angedachten Schenkungen der Mitunternehmeranteile an der B KG dürften unschädlich sein, wenn sie in einem Rechtsakt zu einer Steuerbarkeit führen oder nach § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStG steuerbefreit sind oder wären (teleologische Reduktion).

226 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4. und Tz. 7.8.1. ff.; BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302. 227 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 und 7.4.2; vgl. auch Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 128. 228 S. auch FG München v. 26.2.2020 – 15 K 2779/18, EFG 2020, 863, rkr. 229 Vgl. auch R E 11 ErbStR 2019.

556 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.151 Kap. 4

3. Auflösung von Sonderbetriebsvermögen Anlässlich der Nachfolgeplanung kann es sich anbieten, bestehendes Sonderbetriebsvermögen in einer Mitunternehmerschaftsstruktur zu bereinigen. Insb. im Vorfeld einer Nachfolgegestaltung oder bei einem drohenden Erbfall kann dies sinnvoll sein, um vermeiden, dass das Sonderbetriebsvermögen und der Gesellschaftsanteil isoliert auf verschiedene Personen übergehen und so die Buchwertfortführung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG gefährden.230 Durch Einlage von Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer KG zu Lebzeiten kann einem solchen Risiko der Zersplitterung des Mitunternehmeranteils entgegen gewirkt werden.

4.150

Beispiel 39: An der AB KG sind Vater A und Sohn B zu jeweils 50 % an Gewinn und Vermögen beteiligt. A hatte vor einiger Zeit bereits 50 % seines Mitunternehmeranteils auf B übertragen. Zur Verschlankung der Struktur und im Vorgriff auf weitere Schenkungen legt A sein Grundstück aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der AB KG ein. Auf diese Weise soll auch einer Zersplitterung des Mitunternehmeranteils des A im Fall eines Ablebens des A entgegengewirkt werden.

4.151

Ertragsteuerliche und schenkungsteuerliche Ausgangsüberlegungen: Die Einlage des Grundstücks durch A in das Gesamthandsvermögen der AB KG erfolgt ertragsteuerneutral nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG. Die später erfolgende weitere unentgeltliche Übertragung des (Teil-)Mitunternehmeranteils dürfte nach § 6 Abs. 3 EStG erfolgen und keinen Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG darstellen.231 Zur Vermeidung einer steuerbaren freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch eine disquotale Einlage sollte die Verbuchung des Grundstücks auf dem Kapitalkonto I und/oder dem personenbezogenen Rücklagenkonto (Kapitalkonto II) des A vorgenommen werden.232 Grunderwerbsteuerliche Überlegungen: Die Einlage des Grundstücks ist steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG. Der Vorgang ist jedoch zu 50 % nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da A zu 50 % am Vermögen der aufnehmenden A KG beteiligt ist. In Höhe der übrigen 50 % ist der Vorgang nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der Steuer befreit, da der Mitgesellschafter B der Sohn des einlegenden A ist. Hinsichtlich der 50 % ist die Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG zu beachten. Diese kommt allerdings aufgrund teleologischer Reduktion nach Verwaltungsansicht in den Fällen nicht zur Anwendung, in denen die sich anschließende Anteilsübertragung in einem Rechtsakt steuerbar ist oder sich die Beteiligung des A zugunsten von Personen verringert, auf die eine Grundstücksübertragung nach § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG steuerbefreit wäre.233

230 Zur Übertragung von Gesellschaftsanteil und funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen vgl. BMF v. 20.11.2019, BStBl. I 2019, 1291 Tz. 6; BFH v. 29.11.2017 – I R 7/ 16, BStBl. II 2019, 738; v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BStBl. II 2021, 367. 231 Vgl. BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, BFH/NV 2021, 1588; v. 18.8.2021 – XI R 43/20, BFH/NV 2022, 459. 232 Zur Schenkungsteuer bei disquotaler Einlage in das Gesellschaftsvermögen einer KG s. BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, BStBl. II 2020, 658. 233 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.

Riedel | 557

Kap. 4 Rz. 4.152 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4. Auflösung von Betriebsaufspaltungen

4.152 Ähnlich wie im Fall von Sonderbetriebsvermögen (Rz. 4.150) sollten mögliche Betriebsaufspaltungen im Unternehmen anlässlich einer Nachfolgeplanung identifiziert und ggf. bereinigt werden. Auf diese Weise kann einer Zersplitterung des Betriebs, welche die Buchwertfortführung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG gefährdet, entgegengewirkt werden. 4.153 Beispiel 40: A ist zu 100 % an der A GmbH beteiligt. Zugleich vermietet er ein Grundstück an die A GmbH, die das Grundstück für ihre betrieblichen Zwecke nutzt. Es liegt eine Betriebsaufspaltung vor. A plant, sowohl seine GmbH-Anteile als auch das Grundstück in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG einzulegen, an der er zu 100 % am Vermögen und Gewinn als Kommanditist beteiligt sein soll. In der Zukunft ist eine ratierliche Übertragung der Kommanditanteile auf die nachfolgende Generation geplant. Die Einlage der GmbH-Anteile und des Grundstücks dürfte ertragsteuerlich als Einlage eines gesamten Betriebs i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (bei Verbuchung auf die gesamthänderisch gebundene Rücklage) zu qualifizieren sein oder, falls anlässlich dessen auch Gesellschaftsrechte bzw. eine Mitunternehmerstellung bei der KG gewährt werden, als ein Fall des § 24 UmwStG. Der Vorgang ist hinsichtlich des auf die KG zu übertragenen Grundstücks nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Umstritten ist zwar, ob die Ausgliederung von Einzelunternehmen auf neu gegründete Gesellschaften unter § 6a GrEStG fällt.234 Jedenfalls ist die Übertragung des Grundstücks auf die KG gem. § 5 Abs. 2 GrEStG vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit. Die zehnjährige Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG ist zu beachten. Bei Anteilsschenkungen an die nachfolgende Generation, welche nach § 3 Nr. 2 und Nr. 6 GrEStG steuerbefreit sind, dürfte die Nachbehaltensfrist jedoch in der Regel aufgrund teleologischer Reduktion nicht zur Anwendung gelangen.235

5. Errichtung von (Familien-)Holdingstrukturen

4.154 Im Vorfeld der Beteiligung der nachfolgenden Generation am Unternehmen kann es sich unter Umständen anbieten, eine bereits bestehende Struktur um eine (weitere) obere Holdinggesellschaft zu erweitern. So bietet sich etwa die Errichtung von Familienholding KGs- oder GmbHs an, mittels derer insb. durch entsprechende Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge einer Zersplitterung des Gesellschafterkreises in künftigen Generationen entgegengewirkt werden kann.

234 Vgl. zur Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine GmbH FG Sachsen v. 30.6.2021 – 2 K 121/21, DStR 2021, 2969 sowie zu weiteren Themen in diesem Zusammenhang Broemel, DStR 2021, 2953. 235 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 und 7.4.2; BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302.

558 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.155 Kap. 4 Beispiel 41: Die zu jeweils 50 % an einer Holding-GmbH beteiligten Gesellschafter A und B planen, ihre Geschäftsanteile jeweils sukzessive auf die nächste Generation zu übertragen. Die HoldingGmbH ist 100%ige Gesellschafterin einer grundbesitzenden KG (G KG) sowie einer grundbesitzenden GmbH (G GmbH). Im Vorfeld soll für jeden der beiden Gesellschafter eine eigene Holding-KG (A KG und B KG) errichtet werden, an denen die derzeitigen Gesellschafter zu jeweils 100 % als Kommanditisten beteiligt werden sollen. Es erfolgt jeweils eine Verlängerung der Beteiligungskette. Die Holding-KGs sollen den jeweiligen Familienstamm repräsentieren. Durch entsprechende Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der KGs soll einer Zersplitterung des Gesellschafterkreises entgegengewirkt werden. Anschließend planen die Gesellschafter, Teile ihrer Mitunternehmeranteile an den Holding-KGs auf die nachfolgende Generation zu übertragen.

Vorher:

Nachher: A

A

100 %

A

B

100 %

A KG

B KG

jeweils 50 %

jeweils 50 %

Holding GmbH

Holding GmbH

100 %

100 %

100 %

G GmbH G KG

100 % G GmbH

G KG

Abb. 14 (Errichtung von Familienholding-KGs)

Riedel | 559

4.155

Kap. 4 Rz. 4.155 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Später (noch offen):

Gesellschafter des Familienstammes A

Gesellschafter des Familienstammes B

A KG

B KG jeweils 50 % Holding GmbH

100 %

100 % G GmbH

G KG

Abb. 15 (Errichtung von Familienholding-KGs) Hinsichtlich der G KG ist der Vorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, da innerhalb des maßgebenden Zehnjahreszeitraums eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 4 und 5 GrEStG eingetreten ist. Entsprechendes gilt bezüglich der G GmbH gem. § 1 Abs. 2b Satz 3 und 4 GrEStG. Vorliegend sind innerhalb des Zehnjahreszeitraums in Summe 100 % der Anteile an der Holding-GmbH und damit auch mittelbar 100 % an der G KG und der G GmbH auf zwei neue Gesellschafter, nämlich die beiden neu gegründeten Familieholding-KGs übergegangen. Dass die beiden Gesellschafter A und B weiterhin im Ergebnis zu 50 % am Vermögen der beiden grundbesitzenden Gesellschaften beteiligt bleiben, ist für die Steuerbarkeit unbeachtlich.

6. Abschluss von Poolvereinbarungen a) Hintergrund und Inhalt eines Poolvertrags

4.156 Ein sog. Poolvertrag wird oftmals aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Erwägungen eingesetzt, nämlich damit die Begünstigungen für Betriebsvermögen i.S.d. §§ 13a–c, 28a ErbStG gewährt werden können. Der Abschluss eines Poolvertrags kann auf mehreren Erwägungen beruhen. Zum einen kann mittels des Abschlusses eines Poolvertrags zwischen mehreren Gesellschaftern der „Einstieg“ in die Verschonung erreicht werden, in dem gem. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG für die Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen begünstigungsfähiges Vermögen 560 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.158 Kap. 4

hergestellt wird. Zum anderen kann über die Vereinbarung von Poolverträgen auf nachgelagerten Ebenen der Bestand an nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen reduziert werden.236 Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG zählen Anteile an KapGes. zum Verwaltungsvermögen, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger beträgt. Erreicht ein Gesellschafter nicht die erforderliche Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 %, sind die Anteile dennoch in die Verschonungsregelung einzubeziehen, wenn für die Anteile die Voraussetzungen der Poolvereinbarung i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG erfüllt sind.237 In diesen Fällen ist die Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter (Poolmitglieder) bei der Berechnung der Mindestbeteiligungsquote maßgebend.238 Die Poolvereinbarung kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus anderen schriftlichen Vereinbarungen ergeben und muss im Besteuerungszeitpunkt vorliegen.239 Die Kennzeichen einer Poolvereinbarung i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG umschreibt die Finanzverwaltung wie folgt: Für eine Poolvereinbarung ist erforderlich, dass der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind,

4.157

1. über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und 2. das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben.240 Verfügung in diesem Sinne ist dabei die Übertragung des Eigentums an einem Anteil.241 Eine einheitliche Verfügung242 setzt voraus, dass in der Poolvereinbarung für die Poolmitglieder die gleichen Verfügungsregeln hinsichtlich der gepoolten Anteile festgelegt sind. Daraus muss sich ergeben, dass die Anteile nur an einen bestimmten Personenkreis, z.B. Familienmitglieder, einen Familienstamm oder eine Familienstiftung, übertragen werden dürfen oder dass eine Übertragung der Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder bedarf. Es ist nicht erforderlich, dass alle Poolmitglieder zum selben Zeitpunkt über ihre Anteile verfügen oder die Anteile auf dieselbe Person übertragen. Eine Übertragung ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner ist auch gegeben, wenn der Erwerber zeitgleich mit der Übertragung der Poolvereinbarung beitreten muss.243

236 237 238 239 240 241 242 243

Vgl. hierzu R E 13b.20 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 6 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 3 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 4 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 4 ErbStR 2019. R E 13b.6 Abs. 4 Satz 5 ErbStR 2019.

Riedel | 561

4.158

Kap. 4 Rz. 4.159 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

4.159 Eine einheitliche Stimmrechtsausübung244 über die im Pool vorhandenen Stimmrechte bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss; daraus folgt, dass stimmrechtslose Anteile nicht in eine Poolvereinbarung einbezogen werden können. Die einheitliche Stimmrechtsausübung kann in unterschiedlicher Weise geregelt werden. Neben der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichtsoder Leitungsgremiums kann die einheitliche Stimmrechtsausübung auch dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht zugunsten der Poolgemeinschaft verzichten. Voraussetzung für die Einbeziehung der Anteile in die Entlastung ist daher nicht die tatsächliche Stimmrechtsausübung. Ferner ist nicht erforderlich, dass die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft ausschließlich durch Anteilseigner (z.B. Familienmitglieder) erfolgt.

4.160

b) Beurteilung der Poolvereinbarung in der Grunderwerbsteuer In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, ob der Abschluss einer Poolvereinbarung im Vorfeld der unentgeltlichen unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen grunderwerbsteuerliche Konsequenzen auslöst. Erforderlich hierfür war zunächst, dass der Abschluss eines Poolvertrags als Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerbar ist bzw. als Zählerwerb zu einer Steuerbarkeit beiträgt.

4.161 Voraussetzung für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist, dass innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % „der Anteile“ an der grundbesitzenden Gesellschaft auf neue Gesellschafter „übergehen“. § 1 Abs. 3 GrEStG verlangt eine Vereinigung von 90 % „der Anteile“ an der grundbesitzenden Gesellschaft. Die Finanzverwaltung versteht unter „Anteilen der Gesellschaft“ die Beteiligungen am Gesellschaftskapital, z.B. am Stammkapital einer GmbH.245 § 1 Abs. 2b GrEStG soll so zu verstehen sein, dass es typisierend nur auf das Quantum von 90 % der Anteile am Kapital der grundbesitzenden KapGes. ankommt.246 Die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht soll im Übrigen unbeachtlich sein.247 Hieraus folgt, dass der Abschluss einer Poolvereinbarung für § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG unbeachtlich ist. Die Voraussetzungen, die für die unmittelbare oder mittelbare Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften erforderlich sind, werden durch den Abschluss eines Poolvertrags nicht erfüllt. Im Einzelnen: 4.162 Eine Poolvereinbarung vermittelt den hieran gebundenen Gesellschaftern keinen Anteil am Kapital bzw. am Vermögen der grundbesitzenden Gesellschaft, die über ihren bereits bestehenden Anteil am Kapital hinausgehen würde. Eine Übertragung des Gesellschaftsanteils findet durch Abschluss eines Poolvertrags gerade nicht statt. Auch wird den jeweils anderen, über die Poolvereinbarung gebundenen Gesellschaftern keine (weitere) Beteiligung an den Wertsteigerungen des Gesellschafts- bzw. Grundstücksvermögens eingeräumt. Vielmehr beinhaltet die Poolvereinbarung Re244 245 246 247

R E 13b.6 Abs. 5 ErbStR 2019. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4.

562 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.164 Kap. 4

gelungen für den Fall, dass die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt über ihren Gesellschaftsanteil verfügen möchten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die durch den Poolvertrag gebundenen Gesellschafter ihre Stimmrechte nur einheitlich ausüben dürfen. Denn auch unter Beachtung dieser Eigenschaft der Anteile liegt keine Einräumung von mittelbaren Beteiligungen und keine Einräumung von (wechselseitigem) wirtschaftlichem Eigentum an den jeweiligen Beteiligungen vor. Erforderlich für die Einräumung einer mittelbaren Beteiligung ist, dass der mittelbar Beteiligte aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses), dass die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) auf den mittelbaren Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben sind und das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Kapital der Gesellschaft oder an einem etwaigen Liquidationserlös) auf den mittelbar Beteiligten übergegangen sind. Alle drei Kriterien sind beim Abschluss einer Poolvereinbarung zu verneinen. Mit dem Abschluss des Poolvertrags wird zwar eine Bestimmung darüber getroffen, dass im Fall einer künftigen Übertragung von gepoolten Anteilen nur eine einheitliche Verfügung getroffen werden kann oder die Anteile ausschließlich auf andere, ebenso der Poolvereinbarung unterliegende Anteilseigner übertragen werden dürfen. Eine Erwerbsposition oder ein Anwartschaftsrecht der durch die Poolvereinbarung gebundenen Gesellschafter hinsichtlich der Gesellschaftsanteile folgt hieraus im Zeitpunkt des Abschlusses des Poolvertrags jedoch nicht. Zudem gehen die wesentlichen Rechte, insb. die Stimmrechte der gepoolten Anteile, nicht auf andere Vertragspartner der Vereinbarung über. Denn jeder Gesellschafter übt nach wie vor seine Gesellschaftsrechte, insb. sein Stimmrecht, auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung aus. Die Vereinbarung eines Poolvertrags führt nicht zu einer Abtretung der Stimmrechte auf die anderen gebundenen Gesellschafter, sondern regelt lediglich eine Pflicht zur einheitlichen Stimmausübung der gebundenen Gesellschafter gegenüber den nicht gebundenen Gesellschaftern. Die Chance auf Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen aus den Anteilen gehen ebenfalls nicht auf die anderen gebundenen Gesellschafter über, da die Poolvereinbarung nach den o.g. Grundsätzen hierüber gar keine Regelung trifft. Der Abschluss einer Poolvereinbarung hat damit keine Auswirkungen im Rahmen der Steuerbarkeit i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG.

4.163

Aus den gleichen Erwägungen ergeben sich aus dem Abschluss einer Poolvereinbarung auch keine Auswirkungen auf die grunderwerbsteuerlichen Vor- oder Nachbehaltensfristen. So ist Voraussetzung z.B. für die Gewährung der Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG, dass an dem maßgebenden Rechtsvorgang (z.B. Umwandlung nach UmwG oder sonstiger Erwerbsvorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage) ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften „beteiligt“ sind. Die Finanzverwaltung stellt in diesem Zusammenhang

4.164

Riedel | 563

Kap. 4 Rz. 4.164 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

auf die Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermögen bzw. die kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung ab.248 Folgerichtig ist gemessen an den o.g dargestellten Grundsätzen (Rz. 4.162), dass der Abschluss einer Poolvereinbarung auch in diesem Zusammenhang unbedeutend ist, da typisierend auf das Quantum der Beteiligung am Kapital abgestellt wird. VI. Auswirkungen der vorweggenommenen Erbfolge auf grunderwerbsteuerliche Nachbehaltensfristen 1. Wesentliche Voraussetzungen nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 und 6 Abs. 4 GrEStG

4.165 Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG, welche die entsprechende Anwendung der Befreiung nach § 6 Abs. 1 GrEStG normiert, wird rückwirkend versagt, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert. Die Steuerbefreiungen nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG sind gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. § 6 Abs. 4 GrEStG enthält weitere Bedingungen für die Anwendung der Steuerbefreiungen nach § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG. Demnach gelten die Regelungen insoweit nicht, 1. als der Gesamthänder – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat oder 2. die vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Auflösung der Gesamthand vereinbart worden ist oder 3. bei einem Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 oder Abs. 3a GrEStG der Erwerber – im Fall der Erbfolge sein Rechtsvorgänger – innerhalb von 15 Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil am Vermögen der PersGes. erstmals durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, es sei denn, einer der Erwerbe der Anteile am Gesellschaftsvermögen durch diesen Erwerber – im Fall der Erbfolge durch seinen Rechtsvorgänger – hat zu einem steuerpflichtigen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG geführt. 4.166 Eine Anteilsminderung i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Eine Verminderung des Anteils am Vermögen der Gesellschaft in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Gesamthänder entweder seine unmittelbare dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, die sich aus der Stellung als Gesamthänder ableitet, verliert oder sich seine vermögensmäßige Beteiligung an der Gesamthand bzw. am Grundstück verringert.249 Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst oder auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung aller Gesellschafter am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung 248 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.2.1. 249 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 75.

564 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.169 Kap. 4

oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.250 Ob aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen einem Gesamthänder sein Anteil am wirtschaftlichen Wert des Gesamthandsvermögens nicht mehr zuzurechnen ist, ergibt sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.251 Die Finanzverwaltung nennt als Beispiele für die Verminderung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand das Ausscheiden aus der Gesellschaft, die Herabsetzung der Beteiligung durch Verkauf, Übertragung usw. auf andere Gesellschafter oder auf einen Treuhänder und die Aufnahme neuer Gesellschafter.252 Auch die Umwandlung des grundstücksübertragenden Gesamthänders sowie die formwechselnde Umwandlung der erwerbenden Gesamthand in eine KapGes. führt zum Wegfall der Steuervergünstigung für die Grundstücksübertragung.253

4.167

2. Kein Behaltensfristverstoß aufgrund teleologischer Reduktion Die Nachbehaltensfristen i.S.d. §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG sollen der Vermeidung von Steuerumgehungen dienen.254 Denn durch die dort geregelten Mindestbehaltensfristen soll verhindert werden, dass Grundbesitz steuerbegünstigt in eine Gesamthand eingebracht und unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Anteilsübertragung steuerfrei weitergegeben wird.255 Die Vorschrift zielt darauf ab, nur für solche Einbringungsvorgänge die Steuervergünstigungen bestehen zu lassen, bei denen der grundstückseinbringende Gesamthänder auch nach der Einbringung seine gesamthänderische Mitberechtigung aufrecht erhält und darüber an dem eingebrachten Grundstück vermögensmäßig beteiligt bleibt.256

4.168

Soweit eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist, sind die Vorschriften nach § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ihrer Zielrichtung sowohl nach Ansicht der Finanzverwaltung257 als auch nach Ansicht der Rechtsprechung258 entsprechend einschränkend auszulegen (teleologische Reduktion).259 Insb. in folgenden Konstellationen wird eine teleologische Reduktion diskutiert260:

4.169

250 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521. 251 Vgl. BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521; v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786. 252 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1. 253 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1. 254 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 7.1; BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302; v. 25.8.2020 – II R 23/18, BStBl. II 2021, 162. 255 BT-Drucks. 14/265, S. 204; BR-Drucks. 910/98, S. 203; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 101. 256 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 101. 257 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1. 258 Z.B. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302. 259 Vgl. zum Ganzen z.B. Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 101; Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 123 ff. und § 6 GrEStG Rz. 86 ff.; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 16 ff. 260 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 101; Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 124 und § 6 GrEStG Rz. 86 ff.

Riedel | 565

Kap. 4 Rz. 4.169 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

– Im Zeitpunkt der Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung befindet sich das Grundstück nicht mehr im Gesamthandsvermögen, da es zuvor durch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang ausgeschieden ist; – Die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung löst einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG in einem Rechtsakt aus; – auf die Verringerung der vermögensmäßigen Beteiligung finden die Rechtsgedanken der allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG Anwendung. Zu weiteren Beispielen s. Rz. 4.171, Rz. 4.145, Rz. 4.148, Rz. 4.149.

4.170 Für die Nachfolgeplanung ist daher insb. die letzte Fallkonstellation relevant, sofern der jeweilige Vorgang, welcher einer steuerbefreiten Umstrukturierung im Zusammenhang mit PersGes. nachfolgt, unter § 3 GrEStG fällt. Die Vergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG fallen daher insb. regelmäßig nicht nachträglich weg, wenn der Gesamthänder stirbt, mit dem Eintritt seines Todes aus der Gesamthand ausscheidet und es zur Anwachsung seines mit der Gesellschafterstellung verbundenen Vermögens auf die verbleibenden Gesellschafter kommt.261 In diesen Fällen scheidet eine Steuerumgehung deshalb aus, weil der Erwerb des Gesellschaftsgrundstücks durch die Erwerber bzw. die verbleibenden Gesellschafter zwar steuerbar ist, aber grds. aufgrund der Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer auslösen würde.262 Aus gleichen Erwägungen kommt ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfristen regelmäßig nicht in Betracht, wenn es zu einer Verminderung des Anteils des einbringenden Gesamthänders zu Gunsten eines Ehegatten, eines Lebenspartners, eines früheren Lebenspartners oder Ehegatten oder eines Verwandten in gerader Linie kommt, da auch hier der Rechtsgedanke der Regelung nach § 3 Nr. 4, 5, 5a und 6 GrEStG dazu führt, dass die Aufgabe oder Verringerung der gesamthänderischen Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesamthänders zu Gunsten dieses Personenkreises der Gewährung der ursprünglichen Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG nicht entgegensteht.263 Gleiches gilt folgerichtig in den Fällen, in denen ein weiterer Gesellschafter aus diesem Personenkreis und/oder unentgeltlich der Gesellschaft innerhalb der Behaltensfristen beitritt.264 In den Fällen, in denen der nachfolgende Erwerb als gemischte Schenkung zu qualifizieren ist und die Übertragungen nicht in einem durch § 3 Nr. 4 bis 6 GrEStG abgedeckten persönlichem Verhältnis stattfinden, greift die teleologische Reduktion ggf. nur teilweise, während der Vorgang teilweise als Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist zu qualifizie-

261 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 103. 262 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 103. 263 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.2; BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302; v. 16.1.2013 – II R 66/11, BStBl. II 2014, 266; v. 17.12.2014 – II R 24/13, BStBl. II 2015, 504; v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 101; Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 124 und § 6 GrEStG Rz. 86 ff. 264 Vgl. Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 106.

566 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.171 Kap. 4

ren ist.265 In Höhe des Teils, der als Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren ist, findet aufgrund des Verstoßes eine Nachversteuerung statt. Beispiel 42 (nach gleich lautenden Ländererlassen v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 Beispiel 6): Am Vermögen einer GmbH & Co. KG sind A zu 50 %, B zu 50 % sowie die Komplementär GmbH zu 0 % beteiligt. A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück zum Kaufpreis von 100.000 Euro auf die GmbH & Co. KG. Im Jahr 03 überträgt A seine Anteile i.H.v. 30 % am Vermögen der KG (Verkehrswert 500.000 Euro) auf seine Nichte gegen Zahlung eines Kaufpreises i.H.v. EUR 100.000. Nichte N veräußert innerhalb der zehnjährigen Behaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG Anteile i.H.v. 10 % am Vermögen der KG an den fremden Dritten D.

Vorher:

Jahr 01:

A

B 50 %

A

B 50 %

50 %

KG

50 %

G KG

Übertragung Grundstück Jahr 03:

Jahr 04:

A

N 20 %

30 %

B 50 %

A 20 %

N

D

20 %

10 %

B 50 %

G KG

G KG

Teilentgeltliche Anteilsveräußerung A an N

Anteilsveräußerung N an D

* Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 16 265 Insb. sofern die Folgeübertragung nicht auch in einem Rechtsakt steuerbar ist.

Riedel | 567

4.171

Kap. 4 Rz. 4.171 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Für die im Jahr 01 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksübertragung wird die Steuer gem. § 5 Abs. 2 GrEStG i.H.v. 50 % nicht erhoben. Da A im Jahr 03 innerhalb der Behaltensfrist seinen Anteil am Vermögen der Gesamthand vermindert hat, ist die rückwirkende Versagung der Steuervergünstigung gem. § 5 Abs. 3 GrEStG zu prüfen. Die Anteilsübertragung erfolgte im Wege der gemischten Schenkung (Entgeltlichkeitsquote 20 %, da 100.000 Euro/500.000 Euro). Soweit die Anteile entgeltlich übertragen worden sind, ist die Steuerfestsetzung zu ändern und die Steuer i.H.v. weiteren 6 % (20 % von 30 %), also insgesamt von 56 % festzusetzen. Soweit die Anteile unentgeltlich übertragen worden sind (24 %), bleibt es bei der Steuervergünstigung. Die Überwachung der für die nicht übertragenen 20 % sowie die unentgeltlich übertragenen 24 % (= 44 %) ist bis zum Ende der Zehnjahresfrist fortzusetzen. Soweit die N mit der Schenkung in die Rechtsposition des A eingetreten ist, führt sie dessen bereits laufende Zehnjahresfrist fort. Aufgrund des teilentgeltlichen Erwerbs der N entfällt die Steuervergünstigung für 80 % der von ihr weiterveräußerten Anteile gem. § 5 Abs. 3 GrEStG, weil die Steuer für die restlichen 20 % bereits im vorangegangenen Änderungsbescheid nacherhoben wurde. Die gewährte Steuervergünstigung von 44 % ist um weitere 8 % (80 % von 10 %) rückwirkend zu versagen. Es verbleibt eine Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG von 36 % (20 % für die bei A verbliebenen Anteile und 16 % für die auf den Dritten übertragenen Anteile).

4.172 Der Erwerber, dessen Erwerbsvorgang unter § 3 Nr. 2 oder Nr. 4 bis 6 GrEStG fällt, führt die Behaltensfristen fort.266 Der Erwerber tritt also in den Anwendungsfällen der teleologischen Reduktion in Bezug auf die Fristen § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG in die Rechtsstellung seines Vorgängers ein. Für eine solche steuerliche Rechtsnachfolge spricht, dass z.B. in den Fällen, in denen der Beschenkte seine Gesellschafterstellung verringert oder aufgibt, der Sinn und Zweck der Nachbehaltensfristen (wieder) zum Tragen kommen kann. Die Annahme, es liege bei einer schenkweisen Aufgabe der Gesamthänderstellung keine Möglichkeit der Steuerumgehung vor, trifft jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn die Gesamthänderstellung des Beschenkten zugunsten eines Dritten aufgegeben oder vermindert wird, ohne dass für diesen Vorgang wiederum § 3 GrEStG die objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung ausschließt.267. VII. Gestaltungen in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen 1. Bedeutung und Beeinträchtigung der Mitunternehmerstellung a) Grundsätze

4.173 In der Regel soll im Zuge der Schenkung von Anteilen an gewerblichen PersGes. erreicht werden, dass der Beschenkte Mitunternehmer der Gesellschaft wird, um die Anwendung der Begünstigung für Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG und die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz EStG sicherzustellen.

266 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 Beispiel 6, Tz. 7.4.2. 267 Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 108; vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.1 Beispiel 6, Tz. 7.4.2.

568 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.176 Kap. 4

Als Mitunternehmer ist derjenige anzusehen, der zivilrechtlich Gesellschafter einer PersGes. ist und unternehmerisches Risiko (Mitunternehmerrisiko) sowie eine gewisse unternehmerische Initiative (Mitunternehmerinitiative) trägt.268 Die beiden Merkmale können jedoch im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein, wobei das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend ist.269 Mitunternehmerinitiative definiert sich vor allem als Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen.270 Ausreichend ist die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB zustehen.271 Mitunternehmerrisiko liegt vor, wenn der Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn und ggf. Verlust, sondern auch an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt ist.272 Ein zivilrechtlicher Gesellschafter einer PersGes. ist Mitunternehmer, wenn seine rechtliche und wirtschaftliche Position nach dem Gesellschaftsvertrag, den gesetzlichen Bestimmungen und den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall nicht wesentlich hinter dem zurückbleibt, was nach den dispositiven Vorschriften des HGB (Regelstatut) das Bild eines persönlich haftenden Gesellschafters einer oHG oder KG oder eines Kommanditisten einer KG bestimmt.273

4.174

Bei der Gestaltung von Gesellschafts- und Schenkungsverträgen, die zu einer Abweichung der Gesellschafterstellung von Schenker und Beschenkten vom Regelstatut nach HGB führen, ist daher besondere Vorsicht geboten. Insb. Entnahme- und Ausschüttungsbeschränkungen, Regelungen für den Umgang und die Verwaltung der ausgeschütteten Erträge, Laufzeitregelungen, Abfindungsregeln (Bemessung der Höhe, Auszahlungsmodalitäten), Zustimmungserfordernisse Dritter für bestimmte Handlungen, Auflagen bei der Ausübung der Stimmrechte sowie bestimmte Widerrufsrechte können in ihrer Gesamtschau dazu führen, dass der beschenkte Gesellschafter nicht als Mitunternehmer zu qualifizieren ist.274 Im Zweifel kann nur empfohlen werden zu versuchen, vorab Rechtssicherheit durch Einholung einer verbindlichen Auskunft bei der Finanzverwaltung zu erlangen.

4.175

b) Widerrufsrechte in Schenkungsverträgen Widerufsklauseln in Schenkungsverträgen beruhen regelmäßig auf dem Sicherungsbedürfnis des Schenkers. Überträgt der Schenker im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Vermögensgegenstände auf seine Kinder, sind diese Vermögenswerte nach 268 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 269 H 15.8 EStH; BFH v. 25.6.1984 – BStBl. II 1984, 751 und BFH v. 15.7.1986, BStBl. II 1986, 896. 270 S. z.B. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; so auch BFH v. 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631. 271 Vgl. BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631; v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. II 1981, 663; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 272 Z. B. BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. II 1996, 269; v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994, 700. 273 Zum Ganzen Wacker in Schmidt42, § 15 EStG Rz. 266. 274 Einzelheiten bei Wacker in Schmidt42, § 15 EStG Rz. 267 ff.

Riedel | 569

4.176

Kap. 4 Rz. 4.176 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

der Schenkung grundsätzlich seinem Einflussbereich entzogen. Der Schenker hat daher oftmals ein berechtigtes Interesse, bei unvorhergesehenen Ereignissen oder in den Fällen, in denen der Beschenkte nicht nach seinen Vorstellungen mit dem Schenkungsgegenstand verfährt (z.B. den geschenkten Vermögensgegenstand unter Wert an Dritte veräußert), die Schenkung rückgängig zu machen. Es bietet sich daher an, neben den im BGB gesetzlich vorgesehenen Widerufsgründen bei einer Schenkung (vgl. §§ 528 bis 530 BGB, z.B. grober Undank), im Schenkungsvertrag zusätzliche Widerrufsgründe mit der Folge der Rückabwicklung(smöglichkeit) der Schenkung für den Schenker vorzusehen.

4.177 Allerdings ist bei der Ausgestaltung der Widerrufsgründe bei einer geplanten Übertragung von Anteilen an gewerblichen bzw. gewerblich geprägten PersGes. insoweit Vorsicht geboten, als dass diese, ggf. in der Gesamtschau mit den sonstigen Umständen des Einzelfalls nicht dazu führen dürfen, dass der Beschenkte für ertragsteuerliche Zwecke nicht als Mitunternehmer qualifiziert wird und dementsprechend auch kein Mitunternehmeranteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf ihn übergegangen ist. Nach der Rechtsprechung wird dem Beschenkten keine Mitunternehmerbeteiligung eingeräumt, wenn der Schenkungsvertrag sog. unbedingte und freie Widerrufsgründe vorsieht, nach denen es dem Schenker (nahezu) jederzeit möglich ist, den Anteil zurückzufordern.275 Anders liegt der Fall jedoch dann, wenn es sich lediglich um bedingte Widerrufs- bzw. Rückfallmöglichkeiten handelt, der Eintritt der (bedingten) Widerrufs- bzw. Rückfallmöglichkeiten nicht überwiegend wahrscheinlich ist und der Schenker, auf den die Beteiligung zurückfallen soll, keine in Betracht zu ziehende Möglichkeit hat, die Voraussetzung für den Rückfall herbeizuführen.276 Als solche bedingte und damit für die Mitunternehmerstellung unschädliche Widerrufsgründe werden in der Literatur277 folgende Gründe diskutiert: Vorversterben des Beschenkten, grober Undank gegen den Schenker sowie sonstige bereits im BGB angelegte Rückfallklauseln, Vermögensverfall bzw. wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Beschenkten, Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erwerber (§ 807 ZPO) und Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschenkten, Heirat des Beschenkten ohne Vereinbarung von Gütertrennung oder Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder Krankheit oder Drogen- bzw. Alkoholabhängigkeit des Beschenkten oder dessen Eintritt in eine Sekte bzw. einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung. 4.178 Die Ausübung des Widerrufsrechts führt regelmäßig dazu, dass die Schenkungsteuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt. Der Beschenkte ist allerdings für den Zwischenzeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln.

275 BFH v. 30.5.2006 – IV B 168/04, BFH/NV 2006, 1828; v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877; v. 18.7.1974 – IV R 34/74, BStBl. II 1974, 740. 276 BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635. 277 Vgl. Escher, FR 2008, 985; Stenger in Scherer, Unternehmensnachfolge6, § 22 Rz. 121 ff.

570 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.180 Kap. 4

c) Auswirkungen der fehlenden Mitunternehmerstellung des Beschenkten Wird der Beschenkte nicht Mitunternehmer, besteht das Risiko, dass der Vorgang für den Schenker als Aufgabe eines (Teil-)Mitunternehmeranteils i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG mit entsprechender Realisierung stiller Reserven verbunden ist und/oder die an den beschenkten Gesellschafter in Zukunft ausgeschütteten bzw. ihm zugerechneten Erträge steuerrechtlich als Erträge des Schenkers zu qualifizieren sind, die auf Ebene der privaten Einkommensverwendung an den Beschenkten weitergeleitet werden. Weitere Folge ist, dass die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht zur Anwendung gelangen, da zwar zivilrechtlich ein Gesellschaftsanteil auf den Erwerber übergeht, nicht jedoch ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinne. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang stets eine Würdigung der Gesamtumstände insb. anhand der Bestimmungen des Schenkungs- und Gesellschaftsvertrags sowie weiterer Besonderheiten des Einzelfalls.

4.179

Grunderwerbsteuerrechtlich sind Themen in diesem Grenzbereich noch ungeklärt. Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass die Mitunternehmereigenschaft des Erwerbers bei grundbesitzenden PersGes. von der Finanzverwaltung nicht als relevantes Kriterium angesehen wird und daher grundsätzlich unerheblich ist.278 Sofern demnach zivilrechtlich wirksam ein PersGes.-Anteil an den Beschenkten abgetreten wird, handelt es sich grundsätzlich um einen relevanten Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG279, der jedoch nach den Grundsätzen des § 3 Nr. 2 (und ggf. Nr. 6) GrEStG steuerbefreit sein kann. Ist der Beschenkte zugleich auch als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren und ist ertragsteuerlich der Mitunternehmeranteil auf ihn übergangen, ergeben sich keine Besonderheiten. Fraglich ist allerdings, wie der Fall grunderwerbsteuerlich zu beurteilen ist, wenn der Anteilserwerber aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls die Mitunternehmerstellung nicht erlangt. In diesem Fall kann der Beschenkte auch unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO kein wirtschaftliches Eigentum an dem Anteil erlangt haben.280 Die Finanzverwaltung stellt für die Frage, ob eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer Gesellschaft vorliegt, ebenso auf die Kriterien i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ab.281 Entscheidend ist dabei bei Würdigung des Gesamtbilds der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall, dass dem anderen die Wertteilhabe an den Grundstücken der Gesellschaft vermittelt wird, die jeweilige Person aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses), die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) auf den mittelbaren Beteiligten

4.180

278 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.1. 279 Vgl. z.B. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. 280 Vgl. BFH v. 22.6.2017 – IV R 42/13, BFHE 259, 258. 281 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils 5.1.2.

Riedel | 571

Kap. 4 Rz. 4.180 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben sind, und das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Kapital der Gesellschaft oder an einem etwaigen Liquidationserlös) auf den mittelbar Beteiligten übergegangen sind.

4.181 Gemessen an dieser Argumentation ist es folgerichtig, in den Fallkonstellationen, in denen zivilrechtlich zwar ein Gesellschaftsanteil vom Schenker auf den Beschenkten übergeht, der Beschenkte jedoch nicht als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist und das wirtschaftliche Eigentum an dem Mitunternehmeranteil gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sowie nach den dargestellten grunderwerbsteuerlichen Kriterien der mittelbaren Beteiligung beim Schenker verbleibt, auch keine für die Steuerbarkeit i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG relevante Anteilsbewegung anzunehmen. 4.182 Für die Anteilsschenkung selbst dürfte die Thematik dann wenig relevant sein, wenn hiermit zwar eine Steuerbarkeit ausgelöst wird und der Erwerbsvorgang aufgrund der zivilrechtlichen Betrachtungsweise des Schenkungsteuerrechts unter § 3 Nr. 2 GrEStG fällt. Jedoch können sich zum einen im weiteren zeitlichen Verlauf Folgewirkungen ergeben, etwa für den Fall, in dem der Schenker von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht und die Steuerbarkeit der Rückübertragung bzw. des widerrufsbedingten Anspruchs auf Rückübertragung der Anteile zu beurteilen ist. Zum anderen kann die Übertragung eines „leeren“ Anteils auch im Rahmen der Gesamtschau mit anderen Anteilsübertragungen relevant werden. 4.183 Beispiel 43: An der grundbesitzenden, gewerblich geprägten GmbH & Co. KG sind zwei Kommanditisten (A und B) mit Beteiligungsquoten von jeweils 45 % sowie ein Kommanditist (C) mit einer Beteiligungsquote von 10 % beteiligt. Die KG wiederum hält jeweils 100 % der Geschäftsanteile einer grundbesitzenden KapGes. A überträgt seinen KG-Anteil mit Wirkung auf den 30.4.2022 (Stichtag) schenkweise auf seinen Sohn S. Im Schenkungsvertrag sind einige Widerrufsrechte vorgesehen. Die Finanzverwaltung ist der Ansicht, dass der Sohn aufgrund dieser Widerrufsrechte, die einseitig zugunsten des Schenkers ausfallen und es ihm jederzeit ermöglichen, den Anteil zurückzufordern, nicht Mitunternehmer und nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Mitunternehmeranteils geworden ist und versagt daher die Anwendung von §§ 13a, 13b ErbStG. Aus dem Schenkungsvertrag ergibt sich zudem auch, dass die Wertteilhabe an den Grundstücken der Gesellschaft weiterhin uneingeschränkt bei A liegt. Dass der Sohn zivilrechtlich wirksam Gesellschafter der KG geworden ist, steht außer Streit. B veräußert seinen KG-Anteil mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung auf den 1.6.2022 an einen externen Investor I.

572 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.183 Kap. 4

Vorher:

A

B 45 %

C 45 %

10 %

G KG 100 %

G GmbH

Nachher: Entgeltlicher Erwerb zum 1.6.2022 Schenkung KG-Anteil zum 30.4.2022, aber keine Mitunternehmereigenschaft

S

I 45 %

C 45 %

10 %

G KG 100 %

G GmbH

Abb. 17 (Schenkung ohne MU-Eigenschaft)

Riedel | 573

Kap. 4 Rz. 4.183 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Entscheidend für die Beurteilung der Steuerbarkeit ist, ob aufgrund der Schenkung des KGAnteils seitens A an S (45 %) sowie die Veräußerung durch B an I (45 %) die 90 %-Grenze i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG überschritten wurde. Zivilrechtlich wurde ein Gesellschaftsanteil von A auf S übertragen. Allerdings liegt das wirtschaftliche Eigentum an dem Mitunternehmeranteil weiterhin bei A bzw. der Mitunternehmeranteil wurde ertragsteuerlich nicht von A auf S übertragen, sondern ist bei A verblieben. Dies beruht darauf, dass sich aus dem Schenkungsvertrag ergibt, dass die Wertteilhabe an den Grundstücken der Gesellschaft weiterhin uneingeschränkt bei A liegt, A aufgrund der Bedingungen des Schenkungsvertrags eine rechtlich geschützte Position hinsichtlich des geschenkten KG-Anteils innehat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit diesem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) und das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Kapital der Gesellschaft oder an einem etwaigen Liquidationserlös) nach wie vor bei ihm liegen. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob diese auf den Kriterien des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sowie dem Begriff des Mitunternehmers beruhende Betrachtungsweise auch für die Beurteilung von Anteilsübertragungen als Zählerwerbe i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG gilt. Jedenfalls bei mittelbaren Übertragungen ziehen die Finanzverwaltung282 und die Rechtsprechung283 im Rahmen einer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmenden Zuordnungsentscheidung die Kriterien i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO heran. Eine solche Betrachtungsweise würde auch hier dazu führen, dass bei der Anteilsschenkung keine für Zwecke der Regelungen nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG relevante Übertragung eines Anteils vorliegt. Es lässt sich hier wie Folgt argumentieren. Gedanklich wird lediglich der unmittelbare Anteil als „leere Hülle“ von A auf S übertragen, während der mittelbare Anteil mit Berechtigung an der Vermögenssubstanz bei A verbleibt, und damit in Summe keine (substanzielle) Anteilsübertragung im Sinne der Bewegungstatbestände stattfindet. Dieses Auslegungsergebnis entspricht wohl den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Allerdings ist eine solche Auslegung nicht sicher. Insbesondere wird bei der unmittelbaren Anteilsübertragung, soweit ersichtlich, eine Bezugnahme auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO bisher nicht vorgenommen.284 Sollte A die Schenkung widerrufen und S anlässlich dessen seine Anteile an A (zivilrechtlich) zurückübertragen, ist zu beachten, dass die zivilrechtliche (Rück-)Übertragung der Anteile erneut zu einer Grunderwerbsteuerbarkeit führen kann (Rz. 4.184)

2. Ausübung eines im Schenkungsvertrag eingeräumten Widerrufsrechts a) Steuerbarkeit bei der Ausübung von Widerrufsrechten

4.184 Die Ausübung eines Widerrufsrechts, das dem Schenker gemäß den Bestimmungen seines Schenkungsvertrags zusteht, kann wiederum zu einer (erneuten) Steuerbarkeit nach § 1 GrEStG führen. Der BFH hat kürzlich einen Streitfall in der Weise entschieden, dass der Schenkungswiderruf zu einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3

282 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 822, jeweils Tz. 5.1.2. 283 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 284 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 822, jeweils Tz. 5.1.1.

574 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.184 Kap. 4

Nr. 1 GrEStG führt285. Denn der Schenkungswiderruf kann – so der BFH – ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Anteile in einer Hand an. Beispiel 44: Ursprünglich war Vater A zu 100 % als Kommanditist an Gewinn und Vermögen einer KG beteiligt, welche wiederum zu 25 % als Kommanditistin an der grundbesitzenden G KG beteiligt ist. Im Jahr 1995 trat der Vater jeweils 45 % seines Kommanditanteils im Wege der Schenkung an seine beiden Söhne ab. Im Jahr 2003 erwarb A 75 % der Kommanditanteile an der G KG von ausscheidenden Kommanditisten. Mit Verträgen vom 9.2.2007 widerrief der Kläger die Schenkungen und verlangte die Rückübertragung der Anteile. Die Söhne traten ihre Kommanditanteile sodann an A ab.

Schenkungen 1995 unter Widerrufsvorbehalt:

Vorher:

A

A

100 %

KG 25 %

G KG

S1 10 %

45 %

S2

Widerruf Schenkungen 2007: Anspruch auf Rückübertragung der geschenkten Anteile A

45 %

G KG

S2

10 % 45 % 45 %

KG 25 %

S1

KG 75 %

25 %

G KG

Abb. 18 (Widerruf einer Schenkung)

285 BFH v. 4.4.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511.

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Kap. 4 Rz. 4.184 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge Grunderwerbsteuerliche Beurteilung durch die Rechtsprechung: Streitig war in diesem vom BFH286 entschiedenen Fall, wie der Widerruf der Schenkung grunderwerbsteuerlich zu würdigen ist. Der Schenkungswiderruf führt nach Ansicht der Rechtsprechung zu einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und zwar als teils unmittelbare und teils mittelbare Anteilsvereinigung. Zur Begründung führt der BFH an, dass auch ein Schenkungswiderruf ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein kann, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Anteile in einer Hand an. Es reicht daher aus, dass der Widerruf einen Anspruch auf Übertragung der Anteile an der KG begründet hat.

4.185 Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auf die Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG übertragen werden kann. Maßgebend für eine relevante Anteilsbewegung in Sinne der Bewegungstatbestände ist im Grundsatz die zivilrechtliche Abtretung eines Gesellschaftsanteils an einen neuen Gesellschafter: Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden PersGes. liegt nach Ansicht der Finanzverwaltung287 und der Rechtsprechung288 vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) oder ein Anteil am Gesellschaftskapital (§ 1 Abs. 2b GrEStG) zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der PersGes. oder KapGes. übergeht. Maßgebend ist daher im Rahmen der Bewegungstatbestände grundsätzlich der Zeitpunkt der zivilrechtlichen (Rück-)Abtretung der Beteiligung vom Beschenkten an den Schenker, die infolge des Widerrufs erfolgt. Ob und wann dies der Fall ist, hängt von der Ausgestaltung der Bestimmungen der Schenkungsvereinbarung ab, insb. ob dem Schenker hiermit lediglich ein Anspruch auf (Rück-)Abtretung der Anteile eingeräumt wird oder aber ob mit der Ausübung des Widerrufs automatisch eine Abtretung erfolgt (z.B. aufgrund aufschiebender oder auflösender Bedingungen). In dem Fall, in dem der Beschenkte lediglich einen Anspruch auf Rückübertragung der Anteile aufgrund seines Widerrufs hat, sollte im Einzelfall geprüft werden, ob die Ausübung Widerrufsrechts bereits zu einem mittelbaren Anteilsübergang i.S.d. § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG führt. (vgl. Rz. 4.111). b) Anwendung von Steuerbefreiungen bei der Ausübung von Widerrufsrechten

4.186 In Fällen des steuerbaren Schenkungswiderrufs ist weiterhin zu prüfen, inwieweit die Steuerbefreiungen nach § 3 bis 6 GrEStG zur Anwendung gelangen. Die Anwendung von (materiell-rechtlichen) Steuerbefreiungen ist m.E. losgelöst von einer möglichen Korrektur der beiden Erwerbsvorgänge nach § 16 GrEStG zu beurteilen. Dies ergibt sich daraus, dass § 16 GrEStG keine Steuerbefreiungsvorschrift, sondern eine besondere Korrekturvorschrift i.S.d. §§ 172 ff. AO ist (zu § 16 GrEStG Rz. 3.725 ff.).289

286 BFH v. 4.4.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511. 287 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.1.1. 288 BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783. 289 Vgl. Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 12.

576 | Riedel

B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.190 Kap. 4

§§ 5 und 6 GrEStG sind, da sie allein auf die vermögensmäßige Beteiligung von Gesellschaftern abstellen, auch im Fall eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs aufgrund des Schenkungswiderrufs anwendbar. In Bezug auf die ursprüngliche Schenkung führt die Rückübertragung von Anteilen aufgrund des Schenkungswiderrufs nicht zu einem Nachbehaltensfristverstoß i.S.d. §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG. Dies ergibt sich m.E. daraus, dass die Voraussetzungen der Nachbehaltensfristen ihrem Wortlaut und dem Missbrauchsgedanken nach nicht erfüllt sind. Denn der Anteil des ursprünglichen Schenkers am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft wird anlässlich des Schenkungswiderrufs und einer hiermit einhergehenden Rückübertragung der Beteiligung(en) nicht verringert, sondern in seine Ausgangsposition zurückversetzt.

4.187

Ob die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG bei der unentgeltlichen Rückübertragung aufgrund Schenkungswiderrufs erfüllt ist, ist allerdings fraglich. Bei diesem Erwerbsvorgang dürfte es sich nicht um eine Schenkung i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG handeln, da die Rückübertragung seitens des Beschenkten an den Schenker nicht freigiebig erfolgt und damit auch die Voraussetzungen i.S.d. § 7 ErbStG nicht erfüllt sind.290

4.188

Anders ist die Situation jedoch bezüglich der personenbezogenen Befreiungen, insb. nach § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG. Diese sind m.E.– in Abhängigkeit von der Rechtsform der grundbesitzenden Gesellschaft und vom verwirklichten Erwerbstatbestand – anwendbar. Dies ergibt sich daraus, dass diese persönlichen Steuerbefreiungen an das Verhältnis zwischen übertragender Person und Erwerber abstellen und der Rechtsgrund für den Erwerbsvorgang keine Rolle spielt (vgl. hierzu Rz. 4.24, 4.33, 4.39, 4.43, 4.51).

4.189

c) Anwendung von § 16 GrEStG bei der Ausübung von Widerrufsrechten Anders als etwa § 29 ErbStG sieht das Grunderwerbsteuerrecht für die Rückabwicklung von Schenkungen zwar keine gesonderten Regelungen oder den Erlass der Steuer vor. Es ist jedoch denkbar, dass die Rückabwicklung der Schenkung aufgrund der Ausübung eines Widerrufsrechts einen Fall des § 16 GrEStG darstellt. § 16 GrEStG enthält für Erwerbsvorgänge eine spezielle Korrekturvorschrift, die es ermöglicht, spätere Änderungen des Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich nachzuvollziehen.291 § 16 GrEStG gilt auch für Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG.292 Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 16 Abs. 5 GrEStG für die anteilsbezogenen Erwerbstatbestände eine vollständige und fristgemäße Erwerbsanzeige

290 Vgl. auch die Regelung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wonach die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Angesprochen wird hier vom Gesetzgeber lediglich die ursprüngliche Schenkung, nicht aber die Rückübertragung des Vermögensgegenstands vom Beschenkten auf den Schenker. 291 S. hierzu im Einzelnen z.B. Koppermann in Behrens/Wachter2, § 16 GrEStG Rz. 1 ff. 292 Statt vieler Koppermann in Behrens/Wachter2, § 16 GrEStG Rz. 1 ff. und Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 20 f.

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4.190

Kap. 4 Rz. 4.190 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG voraussetzt. Zu beachten ist, dass § 16 GrEStG lediglich auf Antrag gewährt wird.

4.191 Nach Ansicht der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung ist § 16 Abs. 2 GrEStG im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG anzuwenden, wenn einer oder mehrere der Gesellschafterwechsel, die zur Verwirklichung der § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG geführt haben, ganz oder teilweise rechtlich und tatsächlich i.S.d. § 16 GrEStG rückgängig gemacht wird oder werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen bzw. Kapital der grundbesitzenden Gesellschaft im Ergebnis nicht mehr gegeben ist.293 Werden bei sukzessiver Tatbestandserfüllung nicht alle Rechtsvorgänge, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG beigetragen haben, nach der Tatbestandsverwirklichung fristgemäß und in allen Teilen vollständig beim zuständigen Finanzamt angezeigt, scheidet die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG aus.294 Dies gilt auch für Beteiligungsaufstockungen.295 4.192 Sofern die Ausübung des Widerrufsrechts bzw. die damit einhergehende Rückübertragung der Anteile nach Ablauf von zwei Jahren nach Entstehung der Steuer für den ursprünglichen Erwerbvorgang (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) erfolgt, kommt es darauf an, dass der Rückerwerb der Anteile durch den Schenker aufgrund des Widerrufsrechts die Voraussetzungen gem. § 16 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 GrEStG erfüllt. Vorgänge gem. § 16 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 GrEStG sind ohne zeitliche Begrenzung begünstigt296 (zu den weiteren Einzelheiten s. Rz. 7.90 ff.). 4.193 Entscheidend ist demnach, ob ein (Rück-)Erwerb aufgrund Schenkungswiderruf dadurch bedingt ist, dass das dem ursprünglichen Erwerbsvorgang zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) oder dass die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG verlangt nach Ansicht der Literatur, dass das Rechtsgeschäft objektiv nichtig ist. Es darf dabei nicht zur Disposition der Parteien stehen, den jeweils in Rede stehenden Anspruch zu begründen.297 § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG setzt voraus, dass einer der Vertragsbeteiligten auf Grund nachträglich eingetretener Umstände ein einseitig durchsetzbares Recht auf Rückerwerb der Anteile hat.298 Dies kann m.E. auch bei vertraglich eingeräumten Widerrufs- und Rücktrittsrechten der Fall sein, wenn deren Ausübung dem Berechtigten nicht ohne Weiteres von Anfang an möglich, sondern an den Ein293 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 10; BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. 294 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 10. 295 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 10; BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. 296 Statt vieler Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 161 und 176. 297 Koppermann in Behrens/Wachter2, § 16 GrEStG Rz. 130. 298 Vgl. Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 177.

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B. Vorweggenommene Erbfolge in der Grunderwerbsteuer | Rz. 4.195 Kap. 4

tritt bestimmter – nachträglich eintretender und im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags noch ungewisser – Umstände geknüpft ist.299 Mit § 16 Abs. 2 GrEStG wird nicht nur der ursprüngliche Erwerbsvorgang, sondern auch der durch die Rückübertragung des Eigentums verwirklichte weitere Erwerbsvorgang begünstigt. Bei den vom Gesetz adressierten Rückabwicklungen und Änderungen eigentumsmäßiger Zuordnungen sollen weder die Herbeiführung des nur vorübergehend bestehend gelassenen Zustands noch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu einer Steuerlast führen.300 Dies ist vor dem Hintergrund des Rechtsgedankens der Regelung jedoch nicht so zu verstehen, dass beide Erwerbsvorgänge auch der Grunderwerbsteuer unterlegen haben müssen.301 Auch eine bestimmte Art des Rückerwerbs verlangt § 16 GrEStG nicht.302 § 16 Abs. 2 GrEStG ist daher auch dann anzuwenden, wenn allein die Rückabwicklung eines Erwerbsvorgangs zur Grunderwerbsteuerpflicht führt.303 Damit ist m.E. für die Anwendung von § 16 Abs. 2 GrEStG ebenso nicht entscheidend, ob die ursprüngliche Schenkung grunderwerbsteuerbar und z.B. nach § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStG steuerbefreit war. Gleiches muss m. E. vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Regelung gelten, wenn es hinsichtlich des ursprünglichen Anteilserwerbs – etwa aufgrund der Übertragung von lediglich geringen Beteiligungsquoten – bereits an der Steuerbarkeit gefehlt hat.

4.194

Beispiel 45: Variante 1: A war ursprünglich Alleingesellschafter der grundbesitzenden G GmbH. Mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 1.8.2021 übertrug A schenkweise sämtliche seiner Geschäftsanteile an B. Dieser Vorgang wurde dem zuständigen Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt. Im weiteren Verlauf widerruft A die Schenkung aufgrund eines Widerrufsrechts, welches im Schenkungsvertrag vorgesehen ist. Die Rückübertragung der Geschäftsanteile von B an A erfolgt am 1.8.2022.

4.195

Die ursprüngliche schenkweise Übertragung von 100 % der Anteile an der grundbesitzenden GmbH zum 1.8.2021 war nach § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerbar, aber vollständig nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Rückübertragung sämtlicher Anteile von B auf A ist ebenso nach § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerbar. Gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 GrEStG wird die Steuer auf Antrag vorliegend nicht erhoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangen Erwerb stattfindet. Auf den Rechtsgrund des Rückerwerbs kommt es bei § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nicht an. Bei der Anwendung von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist unerheblich, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang vollständig steuerbefreit war. Variante 2: A war ursprünglich Alleingesellschafter der grundbesitzenden G GmbH. Mit zivilrechtlicher und steuerlicher Wirkung zum 1.8.2021 übertrug A schenkweise 20 % seiner Geschäftsanteile an seinen Sohn S. Im weiteren Verlauf widerruft A die Schenkung aufgrund ei-

299 Vgl. im Allgemeinen Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 177. 300 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 20 f. 301 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 17; Koppermann in Behrens/Wachter2, § 16 GrEStG Rz. 98; BFH v. 17.2.1954 – II 14/53 U, BStBl. III 1954, 99. 302 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 184. 303 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 17 und Rz. 130.

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Kap. 4 Rz. 4.195 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge nes Widerrufsrechts, welches im Schenkungsvertrag vorgesehen ist. Die Rückübertragung der Geschäftsanteile von S an A erfolgt am 1.8.2022. Die ursprüngliche schenkweise Übertragung von 20 % der Anteile an der G GmbH war nicht grunderwerbsteuerbar. Die Rückübertragung der Anteile bzw. – je nach vertraglicher Ausgestaltung – bereits die Ausübung des Widerrufsrechts ist gem. § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar (vgl. Rz. 4.184). Gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 GrEStG wird die Steuer auf Antrag vorliegend nicht erhoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangen Erwerb stattfindet. Bei der Anwendung von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist es unerheblich, wenn der ursprüngliche Erwerbsvorgang vollständig steuerbefreit war. Entsprechendes sollte m.E. auch in dem hier gegebenen Fall gelten, in dem der ursprüngliche Erwerb nicht steuerbar war.

C. Erbfall und Grunderwerbsteuer I. Steuerbarkeit beim Erbfall 1. Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge

4.196 Der Erbfall ist im GrEStG lediglich vereinzelt geregelt. Daher ist bei der Prüfung der grunderwerbsteuerlichen Folgen eines Erbfalls ebenso wie bei einer Schenkung nach allgemeinen Grundsätzen vorzugehen. Es ist also zu prüfen, ob der Erwerb steuerbar ist (Schritt 1) und eine Befreiung nach §§ 3 bis 6 GrEStG ganz oder teilweise zur Anwendung gelangt (Schritt 2) (vgl. Rz. 4.3 und 4.4). 4.197 Der Erwerb eines Grundstücks von Todes wegen ist ein steuerbarer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG. Für den Grundstückserwerb von Todes wegen bestehen im Rahmen der Steuerbarkeit keine Ausnahmen. Der Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften von Todes wegen hingegen bleibt bei den Bewegungstatbeständen gemäß § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht (Rz. 4.198) Dies bedeutet, dass der durch den Erwerb von Todes wegen bedingte unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel im Rahmen von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht als Übergang des vererbten Anteils auf einen neuen Gesellschafter anzusehen ist.304 Keine Ausnahmen im Rahmen der Steuerbarkeit für den Erwerb von Todes wegen sehen allerdings § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG vor. 2. Reichweite der Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG a) Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG

4.198 Bei den Bewegungstatbeständen bleiben gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG Anteilserwerbe von Todes wegen außer Betracht. Ein Gesellschafterwechsel durch Erbfolge in diesem Sinne löst daher die Rechtsfolgen des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b

304 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 460; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122.

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C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.202 Kap. 4

GrEStG nicht aus und trägt auch nicht als Zählerwerb zu einem steuerbaren Vorgang im Rahmen der Bewegungstatbestände bei.305 § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG beziehen sich auf „die Ermittlung des Vomhundersatzes“ und damit auf die Bewegungstatbestände insgesamt, sodass nach der Gesetzestechnik sämtliche nach § 1 Abs. 2a Sätze 1 bis 5 sowie Abs. 2b Sätze 1 bis 5 GrEStG normierte Varianten erfasst sind. Die Regelungen sind daher unabhängig davon anzuwenden, auf welcher Beteiligungsebene Anteile von Todes wegen erworben werden und ob der Erwerb eines Anteils von Todes wegen zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands führt oder beiträgt (kein Zählerwerb).306 Der Erwerber ist im Fall von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG folglich als Altgesellschafter zu qualifizieren, wenn bereits der Erblasser Altgesellschafter war.307 Der von Todes wegen Erwerbende kann daher z.B. weitere Anteile hinzuerwerben, ohne dass dadurch sog. Zählerwerbe ausgelöst werden, da er die weiteren Anteile als Altgesellschafter erwirbt.308

4.199

Beispiel 46: Erblasser E ist zu 100 % an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligt. Sein einziger Sohn S ist sein Alleinerbe. Mit dem Erbfall nach E ändert sich zwar der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden KapGes. zu mindestens 90 % in der Weise, dass die Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG). Allerdings ist dieser Vorgang nach § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG vom Tatbestand ausgenommen und damit nicht steuerbar. Jedoch ist der Erwerb der Anteile von Todes wegen nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG (Anteilsvereinigung) steuerbar.309 Sodann kommt es darauf an, ob für die Anteilsvereinigung anlässlich des Erwerbs von Todes wegen die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 2 und/oder Nr. 6 GrEStG anwendbar sind (Rz. 4.49).

4.200

§ 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG gelten ausweislich des Wortlauts der Regelungen allerdings nur beim Anteilserwerb von Todes wegen, nicht hingegen bei Schenkungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Eine analoge Anwendung wird im Schrifttum aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Regelungen ausgeschlossen.310

4.201

Beispiel 47: Vater V ist zu 100 % an einer grundbesitzenden KapGes. beteiligt. Er überträgt sämtliche Geschäftsanteile im Wege der Schenkung an seinen Sohn S. Hiermit ändert sich der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden KapGes. zu mindestens 90 % in der Weise, dass die Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG). Gem. § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG bleibt bei der Ermittlung des maßgebenden Prozentsatzes der Erwerb von Anteilen

4.202

305 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 923; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. 306 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 923; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461. 307 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461. 308 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461. 309 Schnitter in Wilms/Jochum, § 1 GrEStG Rz. 344. 310 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 926.

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Kap. 4 Rz. 4.202 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge von Todes wegen außer Betracht. Der Erwerb der Gesellschaftsanteile im Wege der Schenkung fällt nicht unter § 1 Abs. 2b Satz 6 GrEStG, da der Wortlaut der Regelung – anders etwa als § 3 Nr. 2 GrEStG – ausdrücklich nur auf den Anteilserwerb von Todes wegen abstellt. Der nach § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerbare Erwerb ist jedoch gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit (Rz. 4.34 ff.).

b) Definition des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG

4.203 Offen und noch nicht abschließend geklärt ist, wie der „Anteilserwerb von Todes wegen“ im Rahmen von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG zu verstehen ist, insb. welche im Zusammenhang mit einem Erbfall ausgelösten Erwerbsvorgänge von den Ausnahmeregelungen erfasst werden. 4.204 Der Wortlaut der Regelungen stellt jeweils auf einen „Erwerb von Anteilen von Todes wegen“ ab. Offenkundig erfasst ist daher der Anteilserwerb von Todes wegen aufgrund Erbfalls (§§ 1922 ff. BGB).311 Dies betrifft insb. Fälle, in denen aufgrund erbrechtlicher Nachfolgeklauseln bei PersGes. der Anteil des verstorbenen Gesellschafters mit seinem Tod automatisch auf den Neugesellschafter übergeht. 4.205 § 3 ErbStG sieht für zahlreiche weitere Vorgänge im Zusammenhang mit einem Erbfall eine Steuerbarkeit nach dem Erbschaftsteuerrecht vor (z.B. Schenkung auf den Todesfall und Abfindung für Pflichttteilsverzicht oder Ausschlagung der Erbschaft). Bei diesen weiteren, in § 3 ErbStG normierten Vorgängen ist noch nicht abschließend geklärt, ob sie gleichermaßen von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG erfasst werden. Dagegen mag sprechen, dass die Regelungstechnik von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG sich von § 3 Nr. 2 GrEStG unterscheidet. Anders als es z.B. in § 3 Nr. 2 2. Variante GrEStG vorgesehen ist, fehlt in § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG ein Verweis auf die Erwerbstatbestände i.S.d. ErbStG. Aufgrund dessen wird in der Literatur teilweise vertreten, dass die Ausnahmeregelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG nur für den Gesellschafterwechsel durch Erbfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gelten sollen.312 Erfasst sind von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG demnach jedenfalls Anteilserwerbe durch Erbfall, durch Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilanspruchs (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). 4.206 Allerdings lässt sich mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG, nämlich die nicht missbräuchlichen Anteilserwerbe im Rahmen der Steuerbarkeit auszunehmen, auch ein anderes Auslegungsergebnis vertreten. Bei den Erwerben von Todes wegen sowie diesen gleichgestellten Vorgängen i.S.d. § 3 ErbStG handelt es sich m.E. allesamt nicht um „missbräuchliche“ Erwerbskonstellationen.313 Werden daher Anteile an einer grundbesit-

311 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. 312 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 122. 313 Vgl. zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG als „typisierte Missbrauchsnorm“ Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 307 und 496.

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C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.209 Kap. 4

zenden Gesellschaft anlässlich eines Erbfalls erworben und fällt der Erwerbsvorgang unter einen Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG, sprechen ebenso gute Gründe dafür, diesen Erwerb bei der Ermittlung des Prozentsatzes gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG nicht zu berücksichtigen. Insgesamt ist zu beachten, dass Erwerbsvorgänge anlässlich des Erbfalls in aller Regel nicht – wie vom Gesetzgeber mit Einführung der Ersatztatbestände angedacht – missbräuchlich erfolgen und die Erwerbe zugleich auch nach dem ErbStG steuerbar sind. Es sollte daher zumindest beim Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, die im Zusammenhang mit einem Erbfall stehen und nach § 3 ErbStG erbschaftsteuerbar sind, eine der beiden Regelungen (§ 1 Abs. 2a Satz 6 bzw. Abs. 2b Satz 6 GrEStG oder § 3 Nr. 2 GrEStG) einschlägig sein.

4.207

c) Abfindungsleistungen im Rahmen von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG Noch nicht abschließend geklärt ist, wie „gemischte“ bzw. teilentgeltliche Vorgänge im Rahmen der Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG zu beurteilen sind. Dies betrifft z.B. Fälle, in denen im Zusammenhang mit einem Anteilserwerb von Todes wegen eine Ausgleichszahlung an einen Dritten geleistet wird.314 Hat der Erwerber für den Anteilserwerb von Todes wegen eine Ausgleichsverpflichtung an Dritte zu leisten, ist umstritten, ob die Änderung des Gesellschafterbestands im Umfang der Ausgleichsverpflichtung bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes zu berücksichtigen ist.315 Dagegen spricht allerdings, dass es im Umfang der Ausgleichsverpflichtung rechtstechnisch nicht an einem Erwerb von Todes wegen fehlt. Die Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG sind m.E. dahingehend zu verstehen, dass eine Belastung des von Todes wegen erworbenen Anteils mit einer Zahlungspflicht unbeachtlich ist.316 In derartigen Fällen ist im Übrigen auch zu prüfen, ob § 3 Nr. 2 oder Nr. 3 GrEStG anwendbar sind.

4.208

Beispiel 48: Die Erbengemeinschaft besteht aus A, B und C. Im Nachlass befindet sich u.a. ein 100%iger Kommanditanteil an einer grundbesitzenden KG. Laut Gesellschaftsvertrag sowie Erbvertrag sollen im Erbfall nur A und B Gesellschafter werden können. Zugleich haben sich A und B gemäß Erbvertrag verpflichtet, an C als Ausgleich eine Zahlung i.H.v. insg. 1/3 des Verkehrswerts des gesamten Kommanditanteils zu leisten.

4.209

Umstritten ist, ob die Anteilsübergänge auf A und B vollständig oder nur teilweise nach § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG nicht steuerbar und nicht als Zählerwerbe zu berücksichtigen sind. Erfasst wird von § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG jeweils ein Anteilserwerb von Todes wegen. Ein solcher ist hier gegeben, da A und B jeweils 50 % des KG-Anteils erbfallbedingt aufgrund einer Nachfolgeklausel erwerben.317 Zwar kann der Erwerb aufgrund der Ausgleichszahlung jedenfalls wirtschaftlich betrachtet als anteiliger Kauf angesehen werden. Unter dieser Prämisse mag

314 315 316 317

Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 923. Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 460; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 312. Gl. A. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 461. Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 922.

Riedel | 583

Kap. 4 Rz. 4.209 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge es sachgerecht sein, § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG lediglich anteilig anzuwenden, und zwar nur insoweit, als dass wirtschaftlich betrachtet von einem „unentgeltlichen Erwerb durch Erbfall“ gesprochen werden kann. Allerdings stellt der Wortlaut der Regelung § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG lediglich auf einen „Erwerb von Anteilen von Todes wegen“ ab. Ein solcher ist vorliegend gegeben. Hieran ändert m.E. grundsätzlich auch der Umstand nichts, dass A und B an C eine Ausgleichszahlung für den Erwerb leisten. Überdies liegt hier m.E. kein missbräuchlicher Fall vor, welcher mittels § 1 Abs. 2a GrEStG ursprünglich verhindert werden sollte.

3. Erbengemeinschaft als Rechtsträger

4.210 Zivilrechtlich ist die Erbengemeinschaft weder rechts- noch parteifähig.318 Grunderwerbsteuerlich ist die Erbengemeinschaft allerdings als eigenständiger Rechtsträger anerkannt.319 Daneben sind die Erben Rechtsträger im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn.320 4.211 Beispiel 49 (nach BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536): Die Erbengemeinschaft besteht aus A und B. Der Erblasser E war im Zeitpunkt seines Todes mit einem Anteil von 85 % an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt. Die übrigen Anteile von 15 % standen im Eigentum eines Dritten (D). Nach dem Erbfall fand bei der G GmbH eine Kapitalerhöhung statt. Der Bevollmächtigte von E, dessen Vollmacht auch nach dem Tod des E fortbestand, erklärte die Übernahme sowohl der auf E entfallenden Anteile als auch die Übernahme der Anteile des D, nachdem dieser innerhalb der Frist keine Übernahmeerklärung abgegeben hatte. Nach der Kapitalerhöhung entfielen auf E 97 % und auf D 3 % der Geschäftsanteile. Später übertrug D seine Geschäftsanteile (3 %) auf die Erbengemeinschaft. Die Erbengemeinschaft kann nach der Rechtsprechung des BFH in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein. Die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft können sich in der Hand einer Erbengemeinschaft vereinigen. Die Erbengemeinschaft ist ein selbstständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts. Sie kann ein Grundstück aus dem Nachlass veräußern oder für den Nachlass erwerben. Dem steht nicht entgegen, dass die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist. Unschädlich ist auch, dass sie über keine eigenen Organe verfügt, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte, und kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt ist. Die grunderwerbsteuerliche Selbstständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen folgt aus deren bürgerlich-rechtlicher Selbstständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens. Auch wenn jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann (§ 2042 BGB), sind die Miterben während des Bestehens der Erbengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln verpflichtet. Nichts anderes gilt bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Erlangt eine Erbengemeinschaft mindestens 90 % der Anteile321 an der grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Den Miterben stehen die Anteile nur gemeinschaftlich (nicht etwa jedem 318 Vgl. BGH v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715; Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 15. 319 BFH v. 18.11.2015 – II B 33/15, BFH/NV 2016, 234; v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536; Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 15. 320 Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 15. 321 Der hier dargestellte, vom BFH entschiedene Fall betrifft das Streitjahr 2008, in dem noch die Schwelle von 95 % maßgebend war.

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C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.213 Kap. 4 einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbanteil der Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft) zu. Beträgt der Anteil mindestens 90 %, hat die Erbengemeinschaft insgesamt eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Grundstück inne. Durch die Erklärung, auch den auf den Gesellschafter D entfallenden Anteil an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, ist der Anteil der Erbengemeinschaft auf 97 % angewachsen und damit i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Der nachfolgende zusätzliche Erwerb von 3 % der Anteile unterliegt keiner weiteren Besteuerung.

II. Anwendung von Steuerbefreiungen 1. Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG a) Erwerb von Todes wegen Auf den Erwerb von Todes wegen findet beim Grundstückserwerb sowie bei steuerbaren Anteilserwerben § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Anwendung (Rz. 4.10 ff. und 4.22 ff.). Sofern das Vermögen des Erblassers auf einen Alleinerben übergeht, tritt diese Steuerbefreiung für ihn unmittelbar und endgültig ein.322 Soweit es mehrere Erben gibt, geht das Vermögen auf die Erbengemeinschaft über. Befinden sich Grundstücke oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften im Nachlassvermögen, so gehen auch diese für Zwecke der Grunderwerbsteuer ungeteilt auf die Erbengemeinschaft über.323 Auf diesen (ersten) Übergang findet § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung.324 Die darauffolgenden Erwerbe aufgrund der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft fallen nicht unter § 3 Nr. 2 GrEStG325, sondern sind von § 3 Nr. 3 GrEStG befreit, sofern die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift vorliegen (Rz. 4.218).326

4.212

Fraglich ist, ob die Regelung nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG auch beim Erwerb von Todes wegen (entsprechend) gilt. Gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG unterliegen Schenkungen unter einer Auflage der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Dem Wortlaut nach bezieht sich die Rückausnahme nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG eindeutig nur auf Schenkungen, die unter Auflage erfolgen. Der Erwerb von Todes wegen unter Auflage dürfte daher nicht hinsichtlich des Werts der Auflage der Besteuerung unterliegen, es sei denn, man versteht die Sätze 1 und 2 der Vorschrift im Sinne einer Nettobetrachtung.327 Dies würde bedeuten, dass bei einer solchen Auslegung die erbschaftsteuerlich abziehbaren Belastungen und Auflagen auch die Grunderwerbsteuerbefreiung mindern.328 Eine solche Nettobetrachtung ist allerdings im Wortlaut von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nicht angelegt und würde daher zu einer unzulässigen analogen Anwendung von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zu Lasten des Steuerpflichtigen führen.329

4.213

322 323 324 325 326 327 328 329

Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 75. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 76. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 76. Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 76. Stein, ZEV 2021, 362. Stein, ZEV 2021, 362. Stein, ZEV 2021, 362.

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Kap. 4 Rz. 4.214 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

b) Vor- und Nacherbschaft

4.214 Im Rahmen einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2210 ff. BGB) stellen der Erwerb des Vorerben und der Erwerb des Nacherben eigenständige Erwerbe durch Erbfanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Soweit sich ein Grundstück oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften im Nachlass befinden, sind beide Erwerbe ggf. grunderwerbsteuerbar330 und nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit.331 Hierbei handelt es sich erbschaftsteuerlich jeweils auch um zwei getrennte Erwerbe (vgl. § 6 ErbStG). c) Ausschlagung und Abfindung

4.215 Wird die Erbschaft ausgeschlagen, gilt der Erbfanfall an den Ausschlagenden zivilrechtlich als nicht erfolgt (§§ 1942, 1952 Abs. 1 BGB). Wird dem Ausschlagenden als Abfindung für die Ausschlagung der Erbschaft ein Grundstück übertragen, ist dieser Grundstückserwerb i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG und i.S.d. Erbschaftsteuerrechts gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG steuerbar.332 Folglich ist der Erwerbsvorgang grundsätzlich auch nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei.333 Ob beim Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften gegen Abfindung die Ausnahme von der Steuerbarkeit i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG eingreift, ist umstritten (vgl. Rz. 4.208). d) Erbvergleich

4.216 Beim Erwerb von Grundstücken sowie Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften aufgrund eines Erbvergleichs gilt hinsichtlich der Anwendung der Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG Folgendes: Maßgebend ist, dass der Erwerbsvorgang aufgrund des Erbvergleichs als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG zu qualifizieren ist. Der Erbvergleich, also die einvernehmliche Bereinigung streitiger Rechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge im Wege eines Vergleichs, unterliegt grundsätzlich der Besteuerung nach dem ErbStG.334 Das Erbschaftsteuerrecht stellt an den Erbvergleich jedoch präzise Anforderungen: Ein (Erb-)Vergleich unterliegt nur dann der Besteuerung, wenn er seinen letzten Rechtsgrund im Erbrecht hat.335 Der Erbvergleich i.S.d. ErbStG setzt demnach eine ernstlich zweifelhafte Erbrechtslage voraus.336 Eine Regelung, die sich auf die Abgeltung bzw. Erfüllung nicht bestrittener Ver330 Falls sie bei Anteilen gem. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG nicht ohnehin von der Steuerbarkeit ausgenommen sind. 331 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 85. 332 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 87. 333 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 87; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 143. 334 Vgl. BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725; v. 27.9.2012 – II R 52/11, BFH/ NV 2013, 938; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 160. 335 BFH v. 26.2.2008 – II R 82/05, BStBl. II 2008, 629; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 160. 336 Vgl. BFH v. 11.10.1957 – III 139/56 U, BStBl III 57, 447; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 160.

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C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.220 Kap. 4

mächtnisse bezieht, ist danach z.B. kein steuerrechtlich anzuerkennender Erbvergleich.337 Diese erbschaftsteuerliche Betrachtung findet aufgrund des dynamischen Verständnisses von § 3 Nr. 2 GrEStG auch hier Anwendung.338 e) Vermächtnis Ein Vermächtnis ist die letztwillige Zuwendung eines Vermögensvorteils an einen anderen (Vermächtnisnehmer oder Bedachte), ohne ihn als Erben einzusetzen (vgl. § 1939 BGB). Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB). Beschwerter können Erben oder Vermächtnisnehmer sein (§§ 2147, 2148 BGB). Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt das Vermächtnis als Erwerb von Todes wegen ähnlich wie der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Soweit es sich bei dem vermachten Objekt um ein Grundstück handelt, gilt § 3 Nr. 2 GrEStG auch insoweit.339 Entsprechendes muss für die vermächtnisweise (unmittelbare und mittelbare) Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften gelten.

4.217

2. Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG a) Grundstückserwerb zur Teilung des Nachlasses Gem. § 3 Nr. 3 GrEStG ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses von der Besteuerung ausgenommen. Den Miterben steht der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner gleich, wenn er mit den Erben des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat oder wenn ihm in Anrechnung auf eine Ausgleichsforderung am Zugewinn des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners ein zum Nachlass gehöriges Grundstück übertragen wird. Den Miterben stehen außerdem ihre Ehegatten und Lebenspartner gleich.

4.218

Die Vorschrift erfasst ihrem Wortlaut nach die Übertragung von Grundstücken aus dem Nachlass. Miterben, die aus dem Nachlass ein Grundstück erhalten, werden grunderwerbsteuerlich denjenigen gleichgestellt, die z.B. als Alleinerben oder Vermächtnisnehmer auf Grund eines Erwerbs von Todes wegen nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit erwerben könnten.340

4.219

Die Teilung des Nachlasses (vgl. §§ 2040 ff. BGB) erfolgt meist durch einen auf die Teilung gerichteten Auseinandersetzungsbeschluss, der zwischen sämtlichen Miterben geschlossen wird.341 Weiterhin erfordert § 3 Nr. 3 GrEStG den Grundstückserwerb ausdrücklich „zur Teilung des Nachlasses“. Hieraus folgt, dass nicht jeder Erwerbsvorgang anlässlich einer Erbauseinandersetzung befreit sein dürfte. Kein

4.220

337 BFH v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 160. 338 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 160; Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 46. 339 Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 97. 340 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 276. 341 Vgl. BFH v. 24.1.1962 – II 101/59, HFR 1962, 168.

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Kap. 4 Rz. 4.220 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

Fall des § 3 Nr. 3 GrEStG liegt daher z.B. im Fall der von der Auseinandersetzung unabhängigen Veräußerung des Grundstücks der Erbengemeinschaft an einen Miterben vor.342 § 3 Nr. 3 GrEStG steht allerdings nicht entgegen, dass der das Grundstück übernehmende Miterbe eine Zahlung an den Nachlass leistet, weil der Wert des übernommenen Grundstücks eines Nachlassgrundstücks auf einen Miterben den Anteil des Miterben übersteigt.343 b) Erwerb aus dem Vermögen einer Personengesellschaft

4.221 Der Erwerb von Grundstücken aus dem Gesellschaftsvermögen einer PersGes., deren Anteile im Wege der Erbfolge erworben wurden, sollen hingegen nicht von § 3 Nr. 3 GrEStG erfasst werden. Der Grund hierfür wird darin gesehen, dass es sich hierbei nicht um ein Grundstück aus dem Nachlass handelt, da vererbter Vermögensgegenstand der Gesellschaftsanteil gewesen ist. In diesen Fällen kommt jedoch § 6 Abs. 2 GrEStG zur Anwendung, sodass der Grundstückserwerb in Höhe der Beteiligung des erwerbenden Miterben an der PersGes. steuerbefreit ist, sofern die Vorbehaltensbedingungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt werden.344 4.222 Beispiel 50:345 Erblasser E war neben seinen Kindern A, B und C Gesellschafter einer grundbesitzenden GbR. Die Regelung zum Tod eines Gesellschafters lautete wie folgt: „Beim Ableben eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit dessen Abkömmlingen fortgesetzt, soweit diese Erben geworden sind. Sonstige vom Verstorbenen benannte Erben haben kein Recht auf eine Gesellschafterposition; sie scheiden mit Gesellschafterbeschluss rückwirkend zum Todestag aus.“ A, B und C wurden Miterben zu gleichen Teilen nach dem Erblasser E. Mit notariellem Vertrag „Teilerbauseinandersetzung bzw. Teilauseinandersetzung“ hoben A, B und C die Erbengemeinschaft und die zwischen ihnen bestehende GbR auf und teilten den Grundbesitz der GbR gegen Wertausgleich auf. Die anteilige Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 GrEStG dürfte hier gewährt werden, sofern die Vorbehaltensbedingungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sind.346 Streitig ist allerdings, ob hinsichtlich des übrigen Teils § 3 Nr. 3 GrEStG auf den Erwerbsvorgang Anwendung findet. Gegen eine Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG führen die Rechtsprechung347 und die Literatur348 folgende Erwägungen an: Vermögensgegenstand i.S.d. § 3 Nr. 3 GrEStG ist ein zum Nachlass gehörendes Grundstück. Ein Grundstück, das im Eigentum der PersGes. steht, deren Anteile von Todes wegen erworben wurden, ist kein zum Nachlass des an der Gesellschaft beteiligten Erblassers gehörendes Grundstück. Vielmehr stellt die PersGes. sowohl gegenüber dem Erblasser als auch gegenüber der späteren Erbengemeinschaft ein anderes Zuordnungs-

342 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 345 f. 343 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 348. 344 S. FG Nürnberg v. 31.7.2014 – 4 K 879/12, UVR 2015, 42, wonach die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG zwischen den Beteiligten unstreitig war. 345 Vgl. FG Nürnberg v. 31.7.2014 – 4 K 879/12, UVR 2015, 42; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 282. 346 S. FG Nürnberg v. 31.7.2014 – 4 K 879/12, UVR 2015, 42, wonach die Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG zwischen den Beteiligten unstreitig war. 347 FG Nürnberg v. 31.7.2014 – 4 K 879/12, UVR 2015, 42. 348 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 282.

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C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.226 Kap. 4 subjekt dar. Die grundbesitzende Gesellschaft einerseits und die Erbengemeinschaft andererseits werden demnach grunderwerbsteuerlich nicht gleichgesetzt.

c) Erwerbe nach § 1 Abs. 2a GrEStG § 3 Nr. 3 GrEStG soll nach Ansicht der Finanzverwaltung bei Erwerben nach § 1 Abs. 2a GrEStG Anwendung finden.349

4.223

Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG, die auf einer nach dem Erbfall getroffenen Vereinbarung von Nachfolger-Miterben zur Teilung des Nachlasses beruhen, sollen nach teilweise vertretener Ansicht nicht nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerfrei sein.350 Als Grund hierfür wird angeführt, dass eine Anteilsübertragung zwischen den Erben in diesen Fällen nicht aus dem ungeteilten Nachlass erfolgt.

4.224

Beispiel 51351: A und B sind jeweils zur Hälfte Erben nach C. Im Nachlass befindet sich eine Kommanditbeteiligung an der grundbesitzenden G KG. A überträgt seinen geerbten Anteil im späteren Verlauf auf B, womit annahmegemäß und unter Berücksichtigung der Rechtsnachfolgegedanken i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG innerhalb des Betrachtungszeitraums von zehn Jahren die 90 % Grenze nach § 1 Abs. 2a GrEStG überschritten wird. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG dürfte hier deshalb ausscheiden, weil der von A auf B übertragene KG-Anteil nicht zum ungeteilten Nachlass gehörte und die Anteilsübertragung losgelöst vom Erbfall im Nachgang hierzu erfolgte. Der Erwerb ist jedoch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG anteilig befreit, soweit B bzw. der Erblasser vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils an der KG beteiligt war und die Vorbehaltensbedingungen nach § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt sind.

4.225

d) Erwerbe nach § 1 Abs. 2b GrEStG Bei Vorgängen nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist § 3 Nr. 3 GrEStG nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht anwendbar.352 Hintergrund ist auch hier die folgende Erwägung: Werden Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. von einem Erben auf einen Miterben übertragen und wird dadurch ein steuerbarer Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst, fingiert das GrEStG die Übertragung der Grundstücke der grundbesitzenden KapGes. auf eine neue KapGes. Dieser Erwerb ist nicht von § 3 Nr. 3 GrEStG gedeckt, da kein zum Nachlass gehörendes Grundstück von einem Miterben erworben wird, weil die KapGes. nicht Miterbin ist. Im Übrigen dürften bei einer nach dem Erbfall getroffenen Vereinbarung bezüglich grundbesitzender KapGes., die zu einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2b GrEStG führt, die unter Rz. 4.224 dargestellten Erwägungen entsprechend gelten.353

349 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 9. 350 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234 zu § 1 Abs. 3 GrEStG; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 282; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 30; Berke in Behrens/Wachter2, § 3 GrEStG Rz. 8.; anders Pahlke7, § 3 GrEStG Rz. 174. 351 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 282. 352 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 9. 353 Vgl. zum Ganzen Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 285.

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4.226

Kap. 4 Rz. 4.227 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

e) Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG

4.227 Nach Ansicht des BFH soll § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG nicht anwendbar sein, wenn ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung einen zum Nachlass gehörenden Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft erwirbt und dieser Erwerb zu einer Vereinigung von Anteilen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führt.354 4.228 Den Grund sieht die Rechtsprechung darin, dass für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG an den Erwerb des Grundstücks von der grundbesitzenden Gesellschaft durch einen Miterben aus dem ungeteilten Nachlass anzuknüpfen ist. Der Miterbe erwirbt bei Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 GrEStG im Rahmen der Erbauseinandersetzung zwar fiktiv ein Grundstück. Allerdings gehört dieses Grundstück nicht zum Nachlass, sondern zum Vermögen der Gesellschaft, deren Anteile sich im Nachlass befinden und auf einen Miterben übergehen. 4.229 Beispiel 52:355 A und B (Geschwister) waren jeweils zur Hälfte Miterben ihrer verstorbenen Mutter M. Zum Nachlass der M gehörten u.a. ein KG-Anteil von 50 % an der A-KG und ein Geschäftsanteil an der vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementär-GmbH. Die A KG ist mit 90 % an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt; die weiteren 10 % der Geschäftsanteile hielt A. A hielt unabhängig von der Erbengemeinschaft nach M einen Kommanditanteil i.H.v. 50 % an der A KG. A und B vereinbarten die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Weise, dass A die Gesellschaftsbeteiligungen und B im Wesentlichen den restlichen Nachlass erhielt. Nach der Erbauseinandersetzung über den Nachlass der M war A alleiniger Kommanditist der A KG und alleiniger Gesellschafter der Komplementär-GmbH.

Vorher:

Nach Erbauseinandersetzung Erbengemeinschaft A 50 %

10 %

B

A 100 %

50 %

A KG

10 %

90 % G GmbH

Abb. 19 354 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. 355 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234.

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A KG 90 % G GmbH

C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.231 Kap. 4 Der Erbauseinandersetzungsvertrag hat bei A zu einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG geführt. Denn A ist zu 10 % unmittelbar und zu 90 % mittelbar über die A KG an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt.356 Nach Ansicht der Rechtsprechung357 kommt hier die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG nicht zur Anwendung. Die Rechtsprechung stützt sich hierbei auf folgende Erwägungen: Voraussetzung der Vorschrift ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses. Ein Vermögensgegenstand gehört, wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt, zum Nachlass, wenn er den Erben in dieser Eigenschaft in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht. Dies bedeutet, dass das Grundstück zum ungeteilten Nachlass gehören muss. Aufgrund des Tatbestands nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erwirbt A als Miterbe zwar im Rahmen der Erbauseinandersetzung fiktiv ein Grundstück. Dieses Grundstück gehört aber nicht zum Nachlass, da es sich um ein Grundstück der Gesellschaft handelt. Zudem liegt grunderwerbsteuerlich kein Erwerb von der Erbengemeinschaft, sondern ein Erwerb von der grundbesitzenden KapGes. vor.

Für Übertragungen und Übergänge bereits vereinigter Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG zur Teilung des Nachlasses ist die Rechtslage noch offen. Ein Teil der Literatur spricht sich hier für eine Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG aus.358 Als Begründung hierfür wird angeführt, dass Besteuerungsgrund die durch die Anteilsübertragung begründete eigenständige Zuordnung der Gesellschaftsgrundstücke ist.359 Der Miterbe könnte in diesen Fällen fiktiv ein Grundstück aus dem ungeteilten Nachlass erwerben, da im Rahmen von § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG fiktiv der Erwerb des Gesellschaftsgrundstücks durch den Miterben besteuert wird.360

4.230

f) Wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und in welchen Fällen § 3 Nr. 3 GrEStG bei der wirtschaftlichen Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG eingreift. Es spricht viel dafür, dass die für § 1 Abs. 3 GrEStG anzuwendenden Grundsätze hier entsprechend gelten (Rz. 4.227).

356 Der vom BFH entschiedene Urteilssachverhalt betraf das Streitjahr 2001. Der BFH hat zur Anteilsvereinigung weiterhin ausgeführt, dass eine Anteilsvereinigung auch dann gegeben ist, wenn die Beteiligungsquote von seinerzeit 95 % auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird. A war demnach die Beteiligung an der grundbesitzenden G GmbH zuzurechnen. 357 BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234; FG Sachsen v. 20.3.2017 – 5 K 1023/ 14, rkr. 358 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 291, anders allerdings FG Sachsen v. 20.3.2017 – 5 K 1023/14, rkr. 359 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 291 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH v. 1.12.2004 – II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365. 360 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 291.

Riedel | 591

4.231

Kap. 4 Rz. 4.232 | Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge

III. Auswirkungen des Erbfalls auf frühere Erwerbsvorgänge 1. Auswirkungen auf Behaltensfristen

4.232 Bei den grunderwerbsteuerlichen Behaltensfristen gilt im Ergebnis beim Erbfall in den meisten Fällen der Gedanke der Rechtsnachfolge. So sieht § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG im Rahmen der Vorbehaltensfrist ausdrücklich vor, dass im Fall der Erbfolge der jeweilige Rechtsvorgänger des Gesamthänders innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Dem aktuellen Gesamthänder, bei dem die Vorbehaltensfrist i.S.d. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG erfüllt sein muss, werden die Besitzzeiten des Erblassers zugerechnet. 4.233 Hinsichtlich der Nachbehaltensfristen i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG sowie § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG gelten beim Erwerb von Todes wegen die oben dargestellten Grundsätze zur teleologischen Reduktion ebenso. Geht die Beteiligung von Todes wegen über, kommt auch insoweit der Rechtsgedanke der sachlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG zur Anwendung (Rz. 4.169).361 2. Auswirkungen auf bereits gewährte Befreiungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG

4.234 Sofern der Schenker Grundbesitz oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften in der Vergangenheit ertragsteuerlich (teil-)entgeltlich bzw. schenkungsteuerlich im Wege der gemischten Schenkung übertragen hat und sodann ein in § 14 Abs. 2 BewG benannter Fall eintritt, kann bzw. ist die Grunderwerbsteuer entsprechend zu korrigieren. Dies betrifft insb. Fälle, in denen Anteile unter Vorbehaltsnießbrauch oder gegen Gewährung von Versorgungsleistungen zugunsten des Schenkers übertragen wurden und der Schenker (frühzeitig) verstirbt. Für diese Fälle sieht § 14 Abs. 2 BewG hinsichtlich der Bewertung der Gegenleistung an den Schenker eine Korrektur des Kapitalwerts der Leistung vor. Die Korrektur bezieht sich dabei auf den Schenkungs- bzw. Übertragungsstichtag. Hat eine i.S.d. § 14 Abs. 1 BewG bewertete Nutzung oder Leistung (Kapitalwert) bei einem gewissen Alter nicht mehr als eine bestimmte Anzahl an Jahren bestanden und beruht der Wegfall der Leistung auf dem Tod des Berechtigten oder Verpflichteten, so ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach der wirklichen Dauer der Nutzung oder Leistung zu berichtigen. Es erfolgt demnach etwa in Fällen der Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch eine Korrektur der Bewertung der Auflage auf den ursprünglichen Stichtag dahingehend, dass der auf Basis der seinerzeitigen Lebenserwartung des Schenkers ermittelte Kapitalwert durch den auf der Grundlage der tatsächlichen Dauer der Leistung bis zum Ableben des Schenkers ermittelten Kapitalwert ersetzt wird. Bei der Schenkungsteuer hat dies im Ausgangspunkt aufgrund der dadurch höher ausfallenden Bereicherung eine höhere Steuerlast zur Folge, während die Belastung mit Grunderwerbsteuer aufgrund der Reduktion des steuerpflichtigen Werts i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG niedriger ausfällt.

361 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 128.

592 | Riedel

C. Erbfall und Grunderwerbsteuer | Rz. 4.236 Kap. 4

§ 14 Abs. 2 Satz 3 BewG sieht für den Wegfall einer Last vor, dass die Berichtigung keines Antrags bedarf. Die Korrektur erfolgt demnach von Amts wegen. Die Finanzverwaltung überwacht daher bei allen Erwerben, die der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen, den vorzeitigen Wegfall von Lasten i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 BewG.362 § 14 Abs. 2 Satz 3 BewG gilt aufgrund seines eindeutigen Wortlauts und seines Charakters als allgemeine Bestimmung des BewG auch für die Grunderwerbsteuer. Denn das GrEStG sieht für derartige Fälle keine abweichenden Bestimmungen oder Mitwirkungspflichten, insb. keine Anzeigepflicht i.S.d. § 19 GrEStG, vor. Auch hier ist daher m. E. von Amts wegen eine korrigierende Festsetzung der Grunderwerbsteuer vorzunehmen, welche den geminderten Wert der Auflage im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG berücksichtigt. Vor dem Hintergrund, dass sich der Wegfall der Last im Rahmen der Grunderwerbsteuer für den Steuerpflichtigen günstig auswirkt, sollte aus Vorsichtsgründen stets ein Korrekturantrag gestellt werden.

4.235

Beispiel 53: Gesellschafter G überträgt mit Wirkung zum 4.2.2018 seinen 100%igen Kommanditanteil an einer Immobiliengesellschaft im Wege der Schenkung an B. Hierbei behält er sich i.H.v. 60 % der von der KG aus der Vermietung der Immobilien generierten Erträge den Nießbrauch vor (Vorbehaltsnießbrauch in Form eines Quotennießbrauchs). Zum Schenkungsstichtag ist G 61 Jahre alt. Am 3.3.2021 verstirbt G unerwartet.

4.236

Die ursprüngliche Schenkung des KG-Anteils ist steuerbar nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Sie unterliegt der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, jedoch ist gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Wert der Auflage anzusetzen. Der Wert der Auflage ist nach §§ 14 ff. BewG zu ermitteln. Fraglich ist, wie das „frühzeitige“ Ableben von G materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich im Rahmen der Grunderwerbsteuer zu beurteilen ist. Mit dem „verfrühten“ Ableben von G ist gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BewG eine Korrektur vorzunehmen, da die bewertete Nutzung oder Leistung (Vorbehaltsnießbrauch) bei einem Alter von mehr als 60 Jahren nicht mehr als 7 Jahre bestanden hat und der Wegfall der Leistung auf dem Tod des Berechtigten (G) beruht. Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 BewG ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern von Amts wegen zu korrigieren. Unter die nicht laufend veranlagten Steuern fallen sowohl die Schenkungsteuer als auch die Grunderwerbsteuer. Da vorliegend eine Last weggefallen ist, bedarf die Berichtigung gem. § 14 Abs. 2 Satz 3 BewG ausdrücklich keines Antrags. Allerdings sollte, da sich der Wegfall der Last bei der GrESt günstig auswirkt, jedenfalls aus Vorsichtsgründen ein entsprechender Antrag gestellt werden.

362 S. Tz. 4.1. Buchst. f der gleich lautenden Ländererlasse v. 17.8.2015 (Allgemeine Verwaltungsanweisung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, ErbStVA, 42-S 3715-11, FMNR31d800015, juris).

Riedel | 593

Kapitel 5 Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen A. Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang I. Relevante Fallgruppen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zählquotenermittlung und Informationsdefizite 1. Gesellschafterbezogene Betrachtung (Irrelevanz des Aktienumschlags) . . . . . . . . . 2. Übergang des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Behandlung eigener Aktien und wechselseitiger Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) a) Einordnung der KGaA für Zwecke der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilsbegriff und Zählquotenermittlung . . . . . . . B. Ausnahmen durch die sog. Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) I. Gesetzgeberischer Hintergrund II. Anwendungsvoraussetzungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG . . . . . . . . . . . 3. Anteilsübergang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 oder Abs. 2b Satz 1 GrEStG . . . . . . . . . . . . . 4. Zulassung zum Handel an begünstigtem Handelsplatz a) Handelsplätze . . . . . . . . . . b) Organisierter Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG . . . . . . c) Geregelte Märkte i.S.d. Europäischen Union . . . . . d) Gleichwertiger Drittlandhandelsplatz . . . . . . . . . . . . e) Multilaterales Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1

5.14 5.20 5.23

5.28 5.30

5.38 5.41 5.43 5.45 5.49 5.50 5.53 5.54 5.57

5. Tatsächlicher Anteilsübergang an begünstigtem Handelsplatz oder MTF . . . . . . . . III. Rechtsfolge: Außerbetrachtbleiben für Zwecke des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG . . . . . . . . . . . IV. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . V. Zeitliche Anwendung 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . 2. Altfälle im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verwaltungsanweisungen . . . . . VII. Problemfelder 1. Nicht erfasste Börsenplätze . 2. Nicht erfasster Handel an Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulassung an mehreren (auch nicht begünstigten) Börsenplätzen . . . . . . . . . . . . . 4. Off-Market-Transaktionen und OTC-Handel . . . . . . . . . . 5. Anwendung auf Gesellschafterwechsel bei Aktionären . . VIII. Fazit und voraussichtlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . C. Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme des Wertpapierhandels I. Beteiligte Investmentfonds 1. Grunderwerbsteuerliche Relevanz von Gesellschafterwechseln auf Fondsebene . . . 2. Unmöglichkeit der Ermittlung relevanter (Fonds-) Anteilsübergänge . . . . . . . . . . 3. Außerbetrachtlassung aufgrund § 1 Abs. 2c GrEStG? . II. ADR-Verbriefungen 1. Grundlagen und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grunderwerbsteuerliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . .

5.59

5.62 5.66 5.67 5.68 5.70 5.71 5.74 5.80 5.85 5.88 5.91

5.96 5.98 5.101

5.105 5.113

Mörwald/Krohn | 595

Kap. 5 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen III. Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft 1. Grundlagen a) Wertpapierdarlehen . . . . . b) Wertpapierpensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 2. Grunderwerbsteuerliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . IV. Öffentliche Übernahme . . . . . . . D. Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen I. Anzeige- und Ermittlungspflichten 1. Anzeigepflichten nach §§ 18, 19 GrEStG . . . . . . . . . . 2. Ermittlungs- und Vorsorgepflichten nach der Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensrechtliche Risiken a) Schätzung von steuerauslösenden Aktionärswechseln dem Grunde nach? .

5.118 5.123 5.126 5.133

5.140 5.143

5.145

b) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Möglichkeiten und Grenzen der Sachverhaltsermittlung 1. Meldepflichten gem. § 33 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Know your Shareholder“ (§ 67d AktG) . . . . . . . . . . . . . 3. Private Informationsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Faktische Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung bei mittelbaren Gesellschafterwechseln . . . . . . . . . . III. Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten 1. Stichtagsbezogene Beobachtung von „Anker“-Altgesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschätzung des Handelsvolumens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensrechtliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.147

5.151 5.155 5.158

5.160

5.164 5.171 5.173

Literatur: Behrens/Dworog, Verfassungsrechtliche Zweifel an den Vorschlägen zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes in Bezug auf Share Deals, BB 2018, 1943; Behrens/Klöckner, Praxisfragen der neuen Börsenklausel bei der Grunderwerbsteuer, RdF 2022, 124; Behrens/ Schmitt, Die Komplementär-Beteiligung und § 1 Abs. 3 GrEStG beim Erwerb von Kommanditaktien einer grundbesitzenden KGaA, UVR 2006, 118; Behrens/Wagner, Verschärfung der GrEStG für Share Deals ab 01.07.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der „Share Deals“ – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Broemel/Mörwald, Der Anwendungserlass zur grunderwerbsteuerlichen „Börsenklausel“ § 1 Absatz 2c GrEStG: Auswirkungen und offene Fragen, DStR 2023, 127; Bungert/Paschos, American Depositary Receipts: Gestaltungspotentiale, kollisionsrechtliche und aktienrechtliche Aspekte, DZWiR 1995, 221; Ditz/Tcherveniachki, Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums im Rahmen einer Wertpapierleihe – Kritische Würdigung des BFH-Urteils vom 18.08.2015 – I R 88/13, DB 2016, 615; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg 2019, 65; Eberhardt/Thomsen, Können große Immobilien-Bestände für börsennotierte Unternehmen zu einem Problem werden?, WPg 2020, 596; Ebel, Wirtschaftliches Eigentum bei Zurechnung von Aktien im Rahmen einer Wertpapierleihe, FR 2016, 371; Eggers/de Raet, Das Recht börsennotierter Gesellschaften zur Identifikation ihrer Aktionäre gemäß der EU-Aktionärsrichtlinie – Neue Rechte für Gesellschaften, neue Pflichten für Kreditinstitute, AG 2017, 464; Eilers/Schmitz-Schunken, Die Anwendbarkeit von § 8b Abs. 2 KStG auf Depositary Receipts, RIW 2004, 927; Einsele, Inhaberaktien vs. Namensaktien: Publizität und Legitimation der Aktionäre, JZ 2019, 121; Fischer, Die Reichweite der Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG bei öffentlichen Übernahmeangeboten zum Erwerb

596 | Mörwald/Krohn

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.2 Kap. 5 von Anteilen an börsennotierten Gesellschaften – Gestaltung oder Umgehung?, BB 2021, 2391; Foerster, Identifizierung der Aktionäre nach der Änderungsrichtlinie zur Aktionärsrechterichtlinie (2. ARRL) und dem Referentenentwurf ARUG II, AG 2019, 17; Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019; Hageböke, Das „KGaA-Modell“: ein Beitrag zur Steuergestaltungssuche (2008); Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011; Hirschberg/Schaflitzl, Grunderwerbsteuer – Stand der Reformüberlegungen und mögliche Auswirkungen für die Beratungspraxis, Ubg 2019, 253; Joisten/Spierts/Heijnen/Ratzenhofer, Reform der Erfassung von Share Deals bei der Grunderwerbsteuer, ifst-Schrift 528 (2019); Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022; Mörwald, Verfassungswidrigkeit der geplanten Reform der Grunderwerbsteuer, DStZ 2019, 492; Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021; Philbert, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht, 2005; Röhler, American Depositary Shares: Zugang deutscher Gesellschaften zum US-amerikanischen Eigenkapitalmarkt, Rechnungslegung und das rechtliche Verhältnis zur Aktie, 1997; Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG: Zugleich eine Erörterung des Normzwecks nach Absenkung der Mindestbeteiligungshöhe auf 95 v. H. der Anteile, 2009; von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017; Schlitt, Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999; Spranger, Grunderwerbsteuer bei Fondsinvestments in deutsche Immobilien, RdF 2016, 57; Wagner, GrESt bei Share Deals: Besonderheiten bei Fondsstrukturen und börsennotierten Gesellschaften – Geplante Änderungen nach dem RefE, DB 2019, 1409; Wagner/Köster, American Depositary Receipts und deutsches Kapitalmarktdeliktsrecht – Zwei linke Schuhe?, WM 2020, 1711; Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011; Weber/Krauß, ADRs, Pre-Release ADRs und „Phantom-Aktien“: Zivil- und steuerrechtliche Konsequenzen der (unterbliebenen) Aktienhinterlegung, DStR 2019, 960; Zetzsche, Know Your Shareholder, der intermediärsgestützte Aktionärsbegriff und das Hauptversammlungsverfahren, ZGR 2019, 1; Zetzsche, Aktionärsidentifikation, Aktionärslegitimation und das Hauptversammlungsverfahren nach ARUG II, AG 2020, 1.

A. Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang I. Relevante Fallgruppen im Überblick Die Grunderwerbsteuer erfasst nicht nur den Erwerb der „Sachherrschaft“ bzw. einer wirtschaftlichen Beteiligung durch eine Person, die mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschafter in ihrer Hand vereinigt (§ 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG), sondern durch die in den letzten Jahren und Jahrzehnten hinzugekommenen neuen Tatbestände auch bloße Anteilsbewegungen. § 1 Abs. 2a GrEStG (seit 1997) und § 1 Abs. 2b GrEStG (seit 2021) statuieren die Fiktion, dass der Gesellschafterwechsel bei einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft „als ein auf den Übergang auf eine neue PersGes./KapGes. gerichtetes Rechtsgeschäft“ gilt. Mit dieser rechtstechnischen Konzeption weicht der Gesetzgeber von der Technik der übrigen Ersatz- bzw. Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ab. Es wird nicht auf die veränderte Grundstückszuordnung zu einer neuen, hinter der Gesellschaft stehenden Person abgezielt, sondern eine veränderte Identität der Gesellschaft selbst unterstellt.

5.1

Alleinige Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Tatbestände ist die Änderung des Gesellschafter- bzw. Anteilseignerbestands innerhalb von zehn Jahren in einem Umfang von mindestens 90 %. Anders als die ebenfalls mit Schwellen von 90 % ver-

5.2

Mörwald/Krohn und Mörwald | 597

Kap. 5 Rz. 5.2 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

sehenen Tatbestände in § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG enthalten § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG kein Beherrschungs- oder Zuordnungserfordernis irgendeiner Art, d.h. es genügt für die Verwirklichung des Tatbestands, dass mindestens 90 % der Anteile auf mehrere, voneinander unabhängige neue Gesellschafter übergehen. Auf eine Kumulation von mindestens 90 % der Anteile in der Hand eines Erwerbers kommt es nicht an. Aufgrund dieses Besteuerungskonzepts kann ein relevanter Zählerwerb i.S.d. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG auch durch Anteilsübergänge im Rahmen des Börsenhandels verwirklicht werden.

5.3 Der Börsenhandel von Aktien kann im Rahmen der Tatbestände § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG in folgenden Konstellationen relevant werden: 5.4 (1) Die grundstückshaltende Gesellschaft ist selbst eine börsennotierte Aktiengesellschaft (unmittelbarer Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG) 5.5 Beispiel 1: Die G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, ist an der Börse notiert. Übergänge ihrer Aktien sind als Zählerwerbe i.S.d. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG zu berücksichtigen, soweit sie nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2c GrEStG fallen.

Aktionäre Börsenhandel

G AG (börsennotiert)

Abb. 1

5.6 (2) An einer grundstückshaltenden KapGes. ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt (mittelbarer Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2b Sätze 4 und 5 GrEStG) 5.7 Beispiel 2: Die börsennotierte A AG hält sämtliche Geschäftsanteile an der G GmbH, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören. Ein Übergang von mindestens 90 % der Aktien der A AG auf neue Gesellschafter löst bei der G GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG aus.1

1 Falls der Grundbesitz der G GmbH der A AG zuzurechnen ist (zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken s. Rz. 3.28 ff.), wäre ggf. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG einschlägig.

598 | Mörwald

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.9 Kap. 5

Aktionäre Börsenhandel

A AG (börsennotiert) 100 % G GmbH

Abb. 2

(3) An einer grundstückshaltenden PersGes. ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt (mittelbarer Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a Sätze 4 und 5 GrEStG)

5.8

Beispiel 3: Die börsennotierte A AG ist zu 100 % am Vermögen der G OHG beteiligt, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören. Ein Übergang von mindestens 90 % der Aktien der A AG auf neue Gesellschafter löst bei der G GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG aus.2

5.9

Aktionäre Börsenhandel

A AG (börsennotiert) 100 %

G OHG

Abb. 3 2 Falls der Grundbesitz der G GmbH der A AG zuzurechnen ist (zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken s. Rz. 3.28 ff.), wäre ggf. § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG einschlägig.

Mörwald | 599

Kap. 5 Rz. 5.9 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen Die Fallgruppe ist bereits seit Einführung des § 1 Abs. 2a GrEStG (1997) relevant, wurde in der Besteuerungspraxis aber nur wenig beachtet. Tatsächlich bestand in der Praxis ein erhebliches Ermittlungsdefizit. Die 2021 eingeführte Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG gilt rückwirkend für alle offenen Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG.3

5.10 (4) Im Gesellschafterbestand einer Gesellschaft (privat oder börsennotiert) mit inländischem Grundbesitz (im Eigentum oder aus nachgelagerten Gesellschaften zugerechnet) befinden sich wiederum börsennotierte Unternehmen und/oder Aktienfonds (ggf. ihrerseits börsengehandelte ETF). 5.11 Beispiel 4: An der börsennotierten G AG, die ebenso wie ihre Tochterunternehmen über inländischen Grundbesitz verfügt, sind neben Individualaktionären auch die ihrerseits börsennotierte Y AG sowie ein börsennotierter Investmentfonds („Exchange-Traded Fund“/ETF) beteiligt. Nach § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG gilt die Y AG als neue Gesellschafterin, wenn mind. 90 % ihrer Aktien auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Auch Anlegerwechsel beim ETF können einen grunderwerbsteuerlichen Zählerwerb verursachen, wobei die Beurteilung im Einzelnen von der rechtlichen Struktur des Fonds abhängt (dazu Rz. 5.96 ff.).

Aktionäre

Aktionäre

Anleger

Börsenhandel

Börsenhandel

Börsenhandel

Y AG (börsennotiert)

ETF

G AG (börsennotiert) 100 %

G GmbH

100 %

G OHG

Abb. 4

5.12 Das obige Beispiel 4 spiegelt die Lebenswirklichkeit der meisten börsennotierten Unternehmen wider, in der auf mehreren Beteiligungsebenen Börsenhandel stattfin-

3 Gleich lautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006 Tz. 1.

600 | Mörwald

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.17 Kap. 5

det und sich grunderwerbsteuerlich auswirken kann (zu den damit verbundenen Informations- und Ermittlungsdefiziten s. Rz. 5.14 ff.). § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG können durch Börsenhandel nur im Ausnahmefall ausgelöst werden, wenn ein Erwerber hierbei eine Beteiligung von mind. 90 % erreicht. Dies ist im Fall der öffentlichen Übernahme denkbar (dazu Rz. 5.133 ff.). Die Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG schützt nicht vor einer Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG.

5.13

II. Zählquotenermittlung und Informationsdefizite 1. Gesellschafterbezogene Betrachtung (Irrelevanz des Aktienumschlags) § 1 Abs. 2b und § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG setzen jeweils (a) den Übergang von Anteilen (b) auf neue Gesellschafter voraus. Aus diesen beiden verknüpften Tatbestandsmerkmalen folgt, dass die mehrfache Übertragung desselben Anteils innerhalb desselben Zehnjahreszeitraums nur einmal zählt.4 Durch die erneute Übertragung ergibt sich also keine Auswirkung auf die Zählquote, sondern lediglich der Beginn einer weiteren Zehnjahresfrist für den betreffenden Anteil, innerhalb der eine Zusammenrechnung mit anderen Anteilsübergängen möglich ist.5

5.14

Die gesellschafterbezogene Betrachtung hat zum einen zur Folge, dass die Ermittlung, ob der Tatbestand erfüllt wurde, nicht durch eine Betrachtung des Handelsvolumens oder des Aktienumschlags erfolgen kann, denn hierbei würden unzutreffende Doppelzählungen erfolgen, d.h. eine unzutreffende Erfassung von mehrfach innerhalb des Zehnjahreszeitraums übertragenen Aktien und eine unzutreffende Erfassung von Aktienerwerben durch Personen, die als Altgesellschafter zu qualifizieren sind. Die Tatsache, dass der jährliche Börsenumsatz eines durchschnittlichen DAXWertes regelmäßig höher als dessen Marktkapitalisierung ausfällt,6 bedeutet also keineswegs, dass von einer jährlich wiederkehrenden Verwirklichung des Tatbestands ausgegangen werden müsste.

5.15

Beispiel 5: Der Aktienbestand der börsennotierten G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, wird durchschnittlich alle 14 Monate vollständig umgeschlagen, d.h. es werden so viele Aktien gehandelt, wie Aktien bestehen. Für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG hat dies keine Aussagekraft, da in der Größe „Aktienumschlag“ auch die mehrfache Übertragung derselben Aktie sowie Erwerbe durch Altgesellschafter erfasst werden.

5.16

Zum anderen bedeutet das Erfordernis einer gesellschafterbezogenen Betrachtung, dass es für das börsennotierte Unternehmen im Regelfall unmöglich ist, exakt festzustellen, ob und wann der Tatbestand erfüllt ist. Insbesondere in Bezug auf den sog. Streubesitz dürfte die Beschaffung der tatsächlich benötigten Informationen für eine

5.17

4 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 905, 979; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 550. 5 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 403. 6 Vgl. Eberhardt/Thomsen, WPg 2020, 596 (600).

Mörwald | 601

Kap. 5 Rz. 5.17 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

exakte Beurteilung der Gesellschafterverhältnisse bei den meisten börsennotierten Aktiengesellschaften scheitern.7

5.18 Eine Betrachtung des Handelsvolumens oder anderer Umsatzparameter kann im Einzelfall dennoch sinnvoll sein, wenn sie etwa Rückschlüsse auf durchgehend beteiligte Altgesellschafter zulässt und dadurch als entlastendes Indiz verwendet werden kann (dazu Rz. 5.164 ff.).8 5.19 Beispiel 6: An der börsennotierten G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, sind die natürlichen Personen A, B und C seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen beteiligt. Die G AG konnte näherungsweise (z.B. anhand engmaschiger Betrachtung von Stichtagsdaten) ermitteln, dass die Summe der Beteiligungen von A, B und C nie unter 10 % gesunken ist. Die Auslösung von § 1 Abs. 2b GrEStG durch Börsenhandel kann daher für die G AG ausgeschlossen werden.

2. Übergang des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums

5.20 Nicht nur der Übergang des zivilrechtlichen, sondern auch des wirtschaftlichen Eigentums an einer Aktie kann zu einem relevanten Zählerwerb führen, denn eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann nach der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2a GrEStG auch aus schuldrechtlichen Vereinbarungen folgen, wobei auf die Grundsätze zu § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO „unter Beachtung grunderwerbsteuerlicher Besonderheiten“ zurückgegriffen wird.9 Für die Zurechnung eines Anteils nach diesen Grundsätzen müssen danach folgende Kriterien erfüllt sein: – Der Erwerber hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses). – Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z.B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben. – Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z.B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben sowie dem Liquidationserlös) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen.

7 Vgl. Eberhardt/Thomsen, WPg 2020, 596 (602); Wolfersdorff, DB 44/2019, M16. 8 So gelang es Eberhardt/Thomsen, WPg 2020, 596 anhand von Börsendaten des Finanzdatenanbieters Thomson Reuters nachzuweisen, dass bei untersuchten 16 DAX-Unternehmen die Beteiligungsquote von Aktionären, die über den untersuchten Zeitraum von 2008 bis 2017 durchgängig am jeweiligen Unternehmen beteiligt waren, im Durchschnitt mehr als 20 % betrug. Bei keinem der untersuchten Unternehmen sank die Beteiligungsquote dieser Aktionärsgruppe zu einem Zeitpunkt unter 5 %. 9 Vgl. BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57.

602 | Mörwald

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.25 Kap. 5

Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Bei dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung des Anteils auch anzunehmen sein, wenn die vorstehenden Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind.10 In Fällen, in denen die o.g. Kriterien nur teilweise erfüllt waren (z.B. im Fall einer unwiderruflichen, umfassenden Vollmacht, die den Bevollmächtigten u.a. dazu berechtigte, die Anteile ohne Gegenleistung auf sich zu übertragen11), hat der BFH einen mittelbaren Anteilsübergang jedoch verneint.

5.21

Die wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wird von der Rechtsprechung und Verwaltung bislang ausschließlich zu Lasten des Steuerpflichtigen angewandt, er kann sich nicht zu seinen Gunsten auf sie berufen.12

5.22

3. Behandlung eigener Aktien und wechselseitiger Beteiligungen Eigene Aktien („Treasury-Aktien“), die von KapGes. gehalten werden, fließen nach der Verwaltungsauffassung nicht in die Zählquote von § 1 Abs. 2b GrEStG bzw. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG mit ein, d.h. maßgebend ist, dass mindestens 90 % der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.13 Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG. Danach sind die im Besitz der Gesellschaft selbst befindlichen Aktien grunderwerbsteuerlich nicht zu berücksichtigen, da die Gesellschaft begrifflich keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Erwerber, der mindestens 95 % (nunmehr 90 %) der nicht von der KapGes. selbst gehaltenen Anteile an dieser erwirbt, beherrsche das Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Anteile zustünden.14 Die Übertragung dieser Grundsätze auf § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG erscheint folgerichtig.15

5.23

Die Nichtberücksichtigung der eigenen Aktien hat somit Auswirkungen auf die Zählquote für die übrigen Aktionäre, denn es ändern sich nicht nur die Zählanteile, sondern auch die Bezugsgröße.

5.24

Beispiel 7: Die börsennotierte G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, erwirbt 20 % ihrer eigenen Aktien zurück. Danach werden an einem nicht von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Markt 10 % der Aktien durch den Neugesellschafter N erworben.

5.25

10 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I, 1314 Tz. 5.1.2. 11 Vgl. BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl II 2018, 786 Rz. 27: „Die Einräumung einer umfassenden, unwiderruflichen Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil reicht […] nicht aus. […] Die wesentlichen Rechte des Gesellschafters, nämlich insbesondere die Stimmrechte und das Gewinnstammrecht sind damit gerade nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen.“ Ähnlich im Ergebnis BFH v. 4.3.2020 – II R 2/17, BStBl. II 2020, 511 zu einem Anteilsnießbrauch in Verbindung mit einer Vollmacht. 12 Kritisch Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021, 161 f. und 288 ff. 13 Gleich lautender Ländererlass v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.3. 14 BFH v. 20.11.2015 – II R 8/13, BStBl. II 2015, 553; BFH v. 16.1.2002 – II R 52/00, BFH/ NV 2002, 1053. 15 GlA Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 545.

Mörwald | 603

Kap. 5 Rz. 5.25 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

Aktionäre 10 %

N

G AG (börsennotiert)

20 % Abb. 5 Der Aktienrückkauf stellt keinen Zählerwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG dar, da die G AG keine Gesellschafterin von sich selbst sein kann. Da die eigenen Aktien bei der Zählquotenermittlung für zukünftige Gesellschafterwechsel außer Betracht bleiben, ist der 10 %-Erwerb durch N als Zählerwerb im Umfang von 12,5 % (= 10 %/80 %) zu berücksichtigen.

5.26 Wechselseitige Beteiligungen werden von der Rechtsprechung im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG wie eigene Anteile behandelt und bleiben deshalb außer Betracht. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass die KapGes. 100 % an der Tochtergesellschaft hält, die an ihr beteiligt ist.16 Für den BFH war hierbei entscheidend, dass die Zwischengesellschaft aufgrund ihrer Stellung als Alleingesellschafterin die rechtliche Möglichkeit hat, ihren Willen bei der Tochtergesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.17 Offen ist, inwieweit diese Dogmatik auf § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG übertragen werden kann, da diese Tatbestände nicht auf die Beherrschung abzielen. 5.27 Darüber hinaus ist bislang ungeklärt, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen die KapGes. in geringerem Umfang (z.B. unter 90 %) an der Tochtergesellschaft beteiligt, die die Rückbeteiligung an ihr hält. Eine Beteiligung unterhalb dieser Schwelle vermittelt nicht die von § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzte Herrschaftsmacht und sollte deshalb eine Anteilsvereinigung ausschließen.18 Die einer ähnlichen Dogmatik folgende Stufenbetrachtung in § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG spricht dafür, die Anteile der rückbeteiligten Gesellschaft auch hier erst ab einer Beteiligung von 90 % wie eigene Anteile zu behandeln.

16 Vgl. BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326; ähnlich auch BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 zu Fall der sog. Einheits-GmbH & Co. KG, die sämtliche Anteile an ihrer Komplementär-GmbH hält. 17 BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326 Rz. 21. 18 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1100.

604 | Mörwald

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.30 Kap. 5

4. Besonderheiten bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) a) Einordnung der KGaA für Zwecke der Grunderwerbsteuer Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ist in den §§ 278–290 AktG geregelt und in § 278 Abs. 1 AktG gesetzlich definiert als „eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen Gesellschafter an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre)“. Sie ist als eine eigenständige gesellschaftsrechtliche Mischform aus AG und KG („hybride Rechtsform“) zu qualifizieren, auf die – vereinfacht – hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) Personengesellschaftsrecht und hinsichtlich der Kommanditaktionäre Kapitalgesellschaftsrecht anzuwenden ist.19 Nach der Rechtsprechung des BGH ist die KGaA „keine bloße Spielart der AG, sondern eine eigenständige Gesellschaftsform […], deren Führungsstruktur sich nicht nach aktienrechtlichen Prinzipien, sondern gem. § 278 Abs. 2 AktG nach dem Recht der KG richtet.“20

5.28

Ungeachtet dieser „hybriden“ Gesellschaftsstruktur wird die KGaA für grunderwerbsteuerliche Zwecke insgesamt als „Kapitalgesellschaft“ eingeordnet.21 Es handelt sich somit nicht um eine PersGes. i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG22 und nicht um eine Gesamthandsgemeinschaft i.S.d. §§ 5, 6 GrEStG.23 Änderungen im Gesellschafterbestand der KGaA als „Kapitalgesellschaft“ können mithin im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG relevant werden. Darüber hinaus ist die KGaA als „Gesellschaft“ i.S.d. § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG einzuordnen, wobei Gesellschafterwechsel nach diesen Tatbeständen nur steuerbar werden können, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt.

5.29

b) Anteilsbegriff und Zählquotenermittlung Die hybride Struktur der KGaA als gesellschaftsrechtlich eigenständige Rechtform (s. Rz. 5.28) spiegelt sich in der Finanzverfassung der KGaA wider, die ein zweigeteiltes Gesamtkapital vorsieht24, bestehend aus:

19 Vgl. Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 9 KStG Rz. 42 m.w.N. 20 BGH v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, Rz. 19 in juris. 21 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II B 76/04, BFH/NV 2005, 1627 = juris Rz. 12 [„Gemäß § 278 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) ist die KGaA eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit; sie wird […] vom Gesetzgeber als Kapitalgesellschaft eingeordnet (vgl. die Überschrift des Zweiten Abschnitts des Dritten Buches des Handelsgesetzbuchs (HGB) –§§ 264 ff. HGB– sowie den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG).“]; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 969; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 407; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 535. 22 Vgl. Behrens/Schmitt, UVR 2006, 118 (120). 23 Vgl. BFH v. 27.4.2005 – II B 76/04, BFH/NV 2005, 1627 = juris Rz. 16. 24 Vgl. z.B. Philbert, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht, 2005, 73; Schlitt, Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999, 102; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, Vor § 278 AktG Rz. 68.

Mörwald | 605

5.30

Kap. 5 Rz. 5.30 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

(i) dem in Aktien eingeteilten Grundkapital der Kommanditaktionäre und (ii) dem Komplementärkapital des/der persönlich haftenden Gesellschafter(s), soweit dieser eine Vermögenseinlage geleistet hat („Kapitalanteil“).25

5.31 Für den Komplementär einer KGaA besteht grds. keine gesetzliche Verpflichtung zur Leistung einer Vermögenseinlage. Er kann jedoch Einlagen in das Grundkapital (dann in der Eigenschaft als Kommanditaktionär26) und/oder unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 2 AktG, die nicht auf das Grundkapital erfolgen, leisten (sog. „Sondereinlagen“). Die Vermögenseinlage geht in das Vermögen der KGaA über, Gesamthandsvermögen wird nicht gebildet.27 Hat der Komplementär eine Vermögenseinlage erbracht, so stehen ihm nach dem Gesetz folgende Vermögensrechte zu:28 – das Gewinnbezugsrecht als Gewinnstammrecht (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 168, 121 HGB),29 – das Entnahmerecht (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 122 HB in den Grenzen des § 288 AktG) und – der Anspruch auf Beteiligung am Abwicklungsüberschuss (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 155 Abs. 1 HGB).

5.32 Der Kapitalanteil beschreibt somit die Beteiligung des Komplementärs am Gesellschaftsvermögen.30 5.33 Für die Bestimmung der für § 1 Abs. 2b GrEStG relevanten Beteiligungsquoten ist die Summe der Komplementäreinlage und des Kommanditkapitals, d.h. das Gesamtkapital der KGaA als Bezugsgröße heranzuziehen. Der Komplementäranteil der KGaA ist im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG somit nicht anders zu behandeln als der Komplementäranteil der KG im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG: Soweit der 25 Der Kapitalanteil des Komplementärs ist in der Bilanz nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ gesondert auszuweisen (§ 286 Abs. 2 Satz 1 AktG). 26 Soweit ein Komplementär Einlagen auf das Grundkapital leistet, wird er als Kommanditaktionär behandelt, allerdings mit der Besonderheit, dass er in Bezug auf seine Kommanditaktien partiellen Stimmverboten in der Hauptversammlung unterliegt, um in bestimmten Fällen Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 285 Abs. 1 AktG); vgl. z.B. Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 9 KStG Rz. 51; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, § 281 AktG Rz. 14. 27 Vgl. stv. BFH v. 27.5.2005 – II B 76/04, BFH/NV 2005, 1627 = juris Rz. 15; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, § 281 AktG Rz. 20; Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 9 KStG Rz. 49. 28 Vgl. u.a. RG v. 14.6.1927 – II 394/26, RGZ 117, 238 (242) = juris. 29 Fehlt eine Satzungsregelung, greifen §§ 168, 121 HGB i.V.m. § 278 Abs. 2 AktG. Danach entfällt auf die Komplementäre und auf die Gesamtheit der Kommanditaktionäre jeweils ein Betrag i.H.v. 4 % ihrer Beteiligung, der darüber hinaus gehende Betrag ist unter den Gesellschaftergruppen „angemessen“ zu verteilen (§ 168 Abs. 2 HGB). Vgl. z.B. Bachmann in Spindler/Stilz, BeckOGK, § 288 AktG Rz. 5; vgl. auch Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, 48. 30 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz6, § 286 AktG Rz. 28; Koch in Hüffer/Koch14, § 286 AktG Rz. 2; Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, 50.

606 | Mörwald

A. Börsenhandel als relevanter Vorgang | Rz. 5.35 Kap. 5

Komplementär über seine Komplementäreinlage am Vermögen der KGaA beteiligt ist, wird sein Kapitalanteil für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG entsprechend berücksichtigt. Wurde keine Vermögenseinlage geleistet, ist der Komplementäranteil mit 0 % zu berücksichtigen. Beispiel 8: Die börsennotierte G KGaA, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, hat ein Grundkapital von 100 Mio. Euro. Der einzige Komplementär K hat keine Vermögenseinlage geleistet.

Kommanditaktionäre ∑ = 100 % Börsenhandel

5.34

K phG 0%

G KGaA

Abb. 6 Die Kommanditaktien und der Komplementäranteil bilden zusammen die Anteile der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG, wobei der Komplementäranteil mit 0 % berücksichtigt wird. Gehen 90 % der Kommanditaktien innerhalb von 10 Jahren auf neue Kommanditaktionäre über, wird § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst. Beispiel 9: Die börsennotierte G KGaA, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, hat ein Grundkapital von 100 Mio. Euro. Der einzige Komplementär K hat eine Vermögenseinlage von 50 Mio. Euro gem. § 281 Abs. 2 AktG geleistet.

Kommanditaktionäre ∑ = 66,7 % Börsenhandel

K phG 33,3 %

G KGaA

Abb. 7

Mörwald | 607

5.35

Kap. 5 Rz. 5.35 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen Die Kommanditaktien und der Komplementäranteil bilden zusammen die Anteile der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG, wobei der Komplementäranteil mit 33,3 % (= 50/150 des Gesamtkapitals) und die Kommanditaktien mit insgesamt 66,7 % (= 100/150 des Gesamtkapitals) berücksichtigt werden. Solange K als Altgesellschafter ununterbrochen beteiligt bleibt, ist die Auslösung von § 1 Abs. 2b GrEStG durch Börsenhandel ausgeschlossen. Durch Börsenhandel der Kommanditaktien kann ein Zählerwerb von maximal 66,67 % erfolgen.

5.36 Soweit in der Literatur vertreten wird, dass der Komplementäranteil „mangels dinglicher Rechtsqualität“ keinen „Anteil“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG darstelle,31 ist dies jedenfalls für sämtliche Fälle, in denen der Komplementär eine Vermögenseinlage geleistet hat, unzutreffend. Wie oben dargelegt, gehört die Vermögenseinlage des Komplementärs zum Eigenkapital der KGaA und vermittelt aufgrund der damit verbundenen Vermögensrechte, die nicht nur schuldrechtlicher Natur sind, sondern originär aus der Mitgliedschaft resultieren32, unzweifelhaft einen Anteil am Gesellschaftsvermögen.33 Dies gilt tatbestandsübergreifend für § 1 Abs. 2b wie auch für § 1 Abs. 3 GrEStG.34 5.37 Der Anwendungserlass zu § 1 Abs. 2b GrEStG führt zur Bestimmung des übergehenden Anteils aus, dass bei der GmbH auf den Anteil der übertragenen Geschäftsanteile am Stammkapital und bei der AG auf den Anteil der übertragenen Anteile am Grundkapital abzustellen sei. Zur KGaA ist folgende Aussage enthalten: „Die Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien sind Teil des Grundkapitals, wenn sie darauf geleistet wurden, § 281 Absatz 2 AktG.“35 Diese Formulierung ist etwas missverständlich geraten. Denn in Fällen des § 281 Abs. 2 AktG wird die Einlage gerade nicht auf das Grundkapital geleistet, sondern als sog. „Sondereinlage“ erbracht. Eine Beteiligung des Komplementärs am Grundkapital würde bedeuten, dass er zusätzlich auch Kommanditaktionär wäre36; dies ist ebenfalls zulässig, betrifft dann aber keinen Anwendungsfall des § 281 31 So Behrens/Schmitt, UVR 2006, 118 (122 ff.); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1093. 32 Vgl. mit gründlicher Analyse Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG, 2009, S. 152 ff. 33 Gl.A. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anh. 10 Rz. 129 (zu § 1 Abs. 3 GrEStG). 34 Inwieweit einem Komplementär ohne Vermögenseinlage ein „Anteil“ i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zugesprochen werden kann, erscheint vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Aufgabe der sog. Pro-Kopf-Betrachtung (BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667; v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315) ebenfalls fraglich. Soweit auch bei § 1 Abs. 3 GrEStG zukünftig auf die wertmäßige Vermögensbeteiligung abgestellt wird, wäre der Anteil mit 0 % zu berücksichtigen. Da seit 2013 durch § 1 Abs. 3a GrEStG nunmehr auch wirtschaftliche Beteiligungen erfasst werden, ist die praktische Bedeutung der Frage, ob ein 0 %-Komplementäranteil eine „Blocker“-Wirkung bei § 1 Abs. 3 GrEStG entfaltet, mittlerweile gering. 35 Gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 4. 36 Soweit ein Komplementär Einlagen auf das Grundkapital leistet, wird er als Kommanditaktionär behandelt, allerdings mit der Besonderheit, dass er in Bezug auf seine Kommanditaktien partiellen Stimmverboten in der Hauptversammlung unterliegt, um in bestimm-

608 | Mörwald

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.40 Kap. 5

Abs. 2 AktG37 – die Übernahme von Kommanditaktien gehört somit per definitionem nicht zu den „Vermögenseinlagen“.38 Die nicht auf das Grundkapital geleistete Vermögenseinlage des Komplementärs bildet zusammen mit den Kommanditaktien das Gesamtkapital der KGaA.39 Richtigerweise ist bei der KGaA für grunderwerbsteuerliche Zwecke auf das Gesamtkapital und nicht auf das Grundkapital abzustellen, so dass auch der Kapitalanteil eines Komplementärs mit Vermögenseinlage als „Anteil“ zu erfassen ist.

B. Ausnahmen durch die sog. Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) I. Gesetzgeberischer Hintergrund Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.202140 wurde in Ergänzung zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2c GrEStG (sog. Börsenklausel) eingeführt. Die Vorschrift regelt die Nichteinbeziehung bestimmter Übergänge von Anteilen an börsennotierten KapGes. bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG. Diese Anteilsübergänge von Alt- auf Neugesellschafter sollen nach der Gesetzesbegründung bei der Ermittlung des grunderwerbsteuerlich maßgeblichen Quantums der Änderung des Gesellschafterbestandes unberücksichtigt bleiben.

5.38

Die Börsenklausel nimmt Anteilsübergänge, die an bestimmten Handelsplätzen erfolgen, vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG aus. Darüber hinaus greift die Börsenklausel auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a GrEStG, wo bereits bisher das Problem eines Vollzugsdefizits bei börsennotierten beteiligten KapGes. bestand. Die gegenüber den Gesetzentwürfen aus 2019 neu eingefügte „Börsenklausel“ berücksichtigt, dass bei börsengehandelten Anteilen regelmäßig nicht feststellbar ist, ob und wann Anteilsübergänge auf neue Gesellschafter in einem nach § 1 Abs. 2b GrEStG relevanten Umfang erfolgt sind.41

5.39

§ 1 Abs. 2c GrEStG soll insoweit ein Vollzugsdefizit beseitigen. Die Gesetzesbegründung legitimiert die Befreiung zudem damit, dass das Interesse des Aktienerwerbers vorrangig die Ertragskraft der KapGes. betreffe und grds. nicht die im Vermögen der

5.40

37 38 39 40 41

ten Fällen Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 285 Abs. 1 AktG); vgl. z.B. Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 9 KStG Rz. 51; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, § 281 AktG Rz. 14. § 281 Abs. 2 AktG lautet: „Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden.“ Vgl. K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter4, § 281 AktG Rz. 7; Servatius in Grigoleit2, § 281 AktG Rz. 5. Vgl. z.B. Philbert, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht, 2005, 73; Schlitt, Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 1999, 102; Sethe in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, Vor § 278 AktG Rz. 68. BGBl. I, 986. Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1115).

Mörwald und Krohn | 609

Kap. 5 Rz. 5.40 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

KapGes. enthaltenen Grundstücke.42 Beim Handel mit solchen Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz stehen grds. andere Gründe als die Einsparung von Grunderwerbsteuer im Vordergrund. Jedoch führt ein solcher Handel mit Anteilen über eine Börse oder einen anderen Handelsplatz zu Wechseln der Anteilseigner und wäre im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG zu berücksichtigen. Unter den weiteren Voraussetzungen würde dies zu einer Besteuerung führen, obwohl regelmäßig keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt. Diese Problematik stellt sich auch bei der Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG, wenn eine KapGes. an einer grundbesitzenden PersGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. II. Anwendungsvoraussetzungen 1. Überblick

5.41 Nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 2c GrEStG bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i.S. von Abs. 2a Satz 1 und 2b Satz 1 Übergänge von Anteilen an KapGes. außer Betracht, die zum Handel an einem im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 des Wertpapierhandelsgesetzes oder einem Drittlandhandelsplatz, der gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/ 2014 erfolgt. 5.42 Die Nichtberücksichtigung von Anteilsübergängen setzt also voraus, dass – Übergänge von Anteilen an KapGes. erfolgt sind, – die übergehenden Anteile zum Handel zugelassen sind – an einem im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder – an einem Drittlandhandelsplatz, der gem. Art. 25 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurde, – Anteilsübergänge erfolgt sind auf Grund eines Geschäfts – an diesem Markt oder – an diesem Dritthandelsmarkt oder – an einem multilateralen Handelssystem i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014

42 BT-Drucks. 19/28528, 31.

610 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.46 Kap. 5

2. Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG Als Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG43 sind insbesondere

5.43

– die Aktiengesellschaft, – die Kommanditgesellschaft auf Aktien, – die REIT44-AG (§ 1 Abs. 1 und 3 REITG), – vergleichbare ausländische Gesellschaften, deren Anteile an Wertpapierhandelsplätzen zugelassen werden können, anzusehen. Keine Anteile im Sinne der Vorschrift sind Wertpapiere, die sich lediglich auf die Anteile an einer KapGes. beziehen ohne das Eigentum an diesen Anteilen zu vermitteln. Hierzu gehören beispielsweise American Depositary Receipts (ADR).45 Die fehlende Anteilsqualität bedeutet jedoch auch, dass der Handel mit ADR bereits bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG (unabhängig von der Börsenklausel) nicht zu einem relevanten Zählerwerb führt (s. Rz. 3.418).

5.44

3. Anteilsübergang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 oder Abs. 2b Satz 1 GrEStG

5.45

Die Vorschrift des § 1 Abs. 2c GrEStG kommt in Betracht, wenn – Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. unmittelbar übergehen46 oder – Anteile an einer KapGes. übergehen, die an einer grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.47 In § 1 Abs. 2c GrEStG wird jeweils ausschließlich auf den „Satz 1“ der Absätze 2a und 2b Bezug genommen, d.h. nicht explizit auch auf die Regelungen in § 1 Abs. 2a Satz 4 und Abs. 2b Satz 4 GrEStG. Die dortigen Sub-Fiktionstatbestände, nach denen die Neugesellschaftereigenschaft beteiligter KapGes. zu bestimmen ist, enthalten einen eigenen Vomhundertsatz („mindestens 90 vom Hundert der Anteile“). Dies wirft die Frage auf, ob mittelbare Anteilsübergänge ggf. nicht von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigt sein könnten.48

43 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1001; gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.1 44 REITs sind Instrumente zur indirekten Immobilienanlage mit steuertransparenter Besteuerung. Die Terminologie knüpft an die US-amerikanische Bezeichnung Real Estate Investment Trust an. 45 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.1 46 § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG. REITs wurden in Deutschland erst durch das REITG (Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen – REIT-Gesetz v. 28.5.2007, BGBl. I 2007, 914) geregelt. 47 § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 oder § 1 Abs. 2b Satz 3 bis 5 GrEStG. 48 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1002.

Krohn | 611

5.46

Kap. 5 Rz. 5.47 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

5.47 Aus der Gesetzessystematik ergibt sich jedoch, dass die Börsenausnahme auch bei der Ermittlung der Vomhundertsätze in § 1 Abs. 2a Satz 4 und Abs. 2b Satz 4 GrEStG anzuwenden ist. Denn andernfalls liefe der Einbezug von § 1 Abs. 2a GrEStG vollständig leer, da bei PersGes. eine relevante, durch Börsenhandel hervorgerufene Änderung des Gesellschafterbestands ausschließlich bei beteiligten KapGes. i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG vorstellbar ist. Darüber hinaus kommt § 1 Abs. 2a/2b Satz 4 GrEStG stets nur in Verbindung mit Satz 1 zur Anwendung, denn Satz 4 definiert, wann eine beteiligte KapGes. für Zwecke des Satzes 1 als neue Gesellschafterin gilt. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung stützen diese Sichtweise, denn sie beziehen sich auf unmittelbare wie auf mittelbare Beteiligungen einer KapGes. gleichermaßen.49 Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG sollte somit nicht nur unmittelbare Anteilsübergänge, sondern auch mittelbare Vorgänge mit einschließen.50 5.48 Eine Anwendung der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG im Rahmen der Tatbestände nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG ist ausdrücklich nicht vorgesehen und auch nicht geboten. 4. Zulassung zum Handel an begünstigtem Handelsplatz a) Handelsplätze

5.49 § 1 Abs. 2c GrEStG nimmt nicht jeglichen Wertpapierhandel von der Steuerbarkeit aus, sondern knüpft die Privilegierung an die Zulassung der Aktien an bestimmten qualifizierten Handelsplätzen an. Zusätzlich ist zu prüfen, an welchem Handelsplatz der relevante Übergang tatsächlich vollzogen wird. Eine KapGes. kann dabei entscheiden, wie viele ihrer Anteile zum Handel zugelassen werden sollen. Zum Handel zugelassene Anteile lassen sich über die Handelsplätze, an denen eine Zulassung erfolgt ist, identifizieren. Anteile einer KapGes. können dabei an verschiedenen Wertpapierhandelsplätzen gehandelt werden. b) Organisierter Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG

5.50 Qualifizierter Handelsplatz ist zunächst ein organisierter Markt i.S.d. § 2 Abs. 11 WpHG im Inland oder dem EU/EWR-Raum. Der Freiverkehr (§ 48 WpHG) fällt somit nicht unter die Börsenausnahme. 5.51 Organisierter Markt ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales (mehrseitiges) System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zuge49 BT-Drucks. 19/28528, 31: „Diese Problematik stellt sich auch bei der Vorschrift des § 1 Absatz 2a GrEStG, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.“ 50 Gl.A. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 640; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624 (1626).

612 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.56 Kap. 5

lassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären51 Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.52 In Deutschland fallen unter den Begriff des organisierten Marktes regelmäßig „Börsen“ nach dem Börsengesetz (BörsG). Die wichtigste Wertpapierbörse in Deutschland befindet sich in Frankfurt am Main. Weitere regionale Wertpapierbörsen existieren daneben in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart.

5.52

c) Geregelte Märkte i.S.d. Europäischen Union Der Begriff des „organisierten Marktes“ i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG entspricht dem Begriff des „geregelten Marktes“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID). Es kann also davon ausgegangen werden, dass Handelsplätze in der EU und dem EWR, die sich als geregelter Markt qualifizieren, über vergleichbar hohe Standards verfügen. Die „European Securities and Markets Authority“ (ESMA53) führt ein Register über alle geregelten Märkte („Regulated market“) in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum.

5.53

d) Gleichwertiger Drittlandhandelsplatz Neben den organisierten EU-/EWR-Märkten werden bestimmte, von der EU-Kommission als gleichwertig erklärte Drittlandhandelsplätze anerkannt; derzeit sind dies USA54, Hongkong55 und Australien.56 Die Entscheidungen der Europäischen Kommission können sich ändern, es können zusätzliche Dritthandelsplätze aufgenommen werden und bisherige Dritthandelsplätze können ihren Status verlieren. Daher ist der jeweilige aktuelle Stand im jeweiligen Besteuerungszeitpunkt zu prüfen.

5.54

Nach der Gesetzesbegründung soll das Erfordernis einer Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder äquivalenten Drittlandhandelsplatz die „Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung“ ausschließen, denn nur dort sei eine „hohe Markttransparenz und -integrität“ gewährleistet.57

5.55

Die Folge dieser restriktiven Anforderung ist, dass bei KapGes., deren Anteile im Freiverkehr oder an einem nicht als gleichwertig erklärten Drittlandhandelsplatz gehandelt werden, § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG weiterhin ungemildert anwendbar sind.

5.56

51 Nicht dem Ermessen des Agierenden überlassenen 52 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.3. 53 https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_registers_upreg. 54 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2320. 55 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2319. 56 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2318. 57 BT-Drucks. 19/28528, 31.

Krohn | 613

Kap. 5 Rz. 5.57 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

e) Multilaterales Handelssystem

5.57 Keine organisierten Märkte nach § 2 Abs. 11 WpHG stellen dagegen multilaterale Handelssysteme (MTF) i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 dar. MTF unterscheiden sich von organisierten Märkten formal dadurch, dass sie nicht als organisierter Markt öffentlich-rechtlich genehmigt, geregelt und überwacht werden. In Deutschland stellt der Freiverkehr (§ 48 BörsG) ein MTF dar, an dem Wertpapiere nicht zum Handel zugelassen, sondern (auf privatrechtlicher Grundlage) einbezogen werden.58 5.58 Ein multilaterales Handelssystem (MTF) i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 ist gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 der Richtlinie 2014/65/EU ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt.59 5. Tatsächlicher Anteilsübergang an begünstigtem Handelsplatz oder MTF

5.59 Neben der Zulassung an einem begünstigten Handelsplatz enthält § 1 Abs. 2c GrEStG als weiteres Tatbestandsmerkmal, dass der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts – an einem organisierten Markt, – einen gleichwertigen Drittlandhandelsplatz oder – einem multilateralen Handelssystem (MTF) erfolgen muss.

5.60 Zusätzlich zum Handel an den oben genannten organisierten Märkten und Dritthandelsplätzen, an denen eine Zulassung bestehen muss, werden jedoch auch Anteilsübergänge an einem multilateralen Handelssystem (sog. MTF) einbezogen, sofern eine Zulassung der Aktien an einem organisierten Markt besteht. 5.61 Die Anforderung, dass auch der Anteilsübergang durch ein Geschäft am organisierten Markt oder einem MTF erfolgen muss, sorgt für erhebliche Rechtsunsicherheit. Soweit dieselben Aktien auch an einem nicht begünstigten Handelsplatz gehandelt werden können, kann nicht ausgeschlossen werden, dass an diesem Handelsplatz eine von § 1 Abs. 2c GrEStG nicht begünstigte Änderung des Aktionärsbestands erfolgt. Es muss dann weiterhin überwacht werden, ob an dem nicht begünstigten Handelsplatz ein relevanter Anteilsübergang erfolgt ist.

58 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.3. 59 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1005.

614 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.65 Kap. 5

III. Rechtsfolge: Außerbetrachtbleiben für Zwecke des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG Die Börsenausnahme wirkt nicht gesellschafts-, sondern transaktionsbezogen, d.h. es werden nicht etwa börsennotierte Gesellschaften im Ganzen ausgenommen, sondern die einzelnen an den genannten Börsen vollzogenen Anteilstransaktionen. Sämtliche zum Börsenhandel zugelassenen Aktien fließen dabei weiter in die Zählquote ein, d.h. es reduziert sich nur der Zähler, nicht aber der Nenner der Zählquote. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach „Übergänge von Anteilen“ außer Betracht bleiben und nicht die betreffenden Anteile als solche.

5.62

Beispiel 10: 40 % der Aktien der grundbesitzenden A AG sind zum Handel ausschließlich an einem in § 1 Abs. 2c GrEStG genannten regulierten Markt zugelassen, die anderen 60 % befinden sich in Privatbesitz und werden außerbörslich an einen Neugesellschafter veräußert.

5.63

Lösung: Ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2b i.V.m. Abs. 2c GrEStG liegt nicht vor, da die Vomhundertquote mit 60/100 (und nicht etwa 60/60) zu ermitteln ist. Sämtliche Anteile einschließlich der börsennotierten 40 % bleiben weiterhin im Nenner der Zählquote zu berücksichtigen.

Bei Aktiengesellschaften, bei denen mehr als 10 % des Anteilsbestands zum Handel ausschließlich an einer oder mehreren in § 1 Abs. 2c GrEStG genannten Börsen zugelassen sind und sichergestellt werden kann, dass keine außerbörslichen Anteilsübergänge erfolgen, sollte eine Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG grds. außer Betracht bleiben.

5.64

Diverse börsennotierte Unternehmen verfügen über sog. Ankeraktionäre, die voraussichtlich zehn Jahre und länger einen Anteil von mindestens 10 % des Gesellschaftsvermögens besitzen werden (zur Bedeutung von Ankeraktionären für die grunderwerbsteuerliche Compliance s. auch Rz. 5.145). Zu diesen Ankeraktionären gehört typischerweise die jeweilige Eigentümerfamilie (etwa die Familie Quandt bei der BMW AG), das Land Niedersachsen, das 20 % der Stammaktien der Volkswagen AG hält, oder eine Stiftung wie etwa bei der ThyssenKrupp AG, die im Besitz von rund 20 % der Anteile ist. Auch institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften (Deka, Union Investment usw.) können m.E. als Ankeraktionäre gelten, da diese langfristig investieren. Ebenfalls zählen Indexfonds zu den Ankeraktionären, da die Aktien des jeweiligen Index immer in der vorgegebenen Gewichtung gehalten werden müssen und nur wenn ein Unternehmen den jeweiligen Index verlässt eine Änderung eintritt. Letztlich sind aber auch Gesellschaften mit einem Ankeraktionär nicht endgültig geschützt, da auch diese Investoren sich von ihren Anteilen trennen können. Zudem kann sich der Gesellschafterbestand des Ankeraktionärs seinerseits ändern (Rz. 5.145).

5.65

Krohn | 615

Kap. 5 Rz. 5.66 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

IV. Anzeigepflicht

5.66 Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b GrEStG sind von der grundbesitzenden PersGes. bzw. KapGes. alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG geführt haben. Führt die Nichtberücksichtigung von Anteilsübergängen nach § 1 Abs. 2c GrEStG dazu, dass das erforderliche Quantum von 90 % der Anteile nicht erreicht wird, besteht mangels Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG keine Anzeigepflicht. V. Zeitliche Anwendung 1. Grundsätze

5.67 § 1 Abs. 2c GrEStG ist mit dem Inkrafttreten des GrEStGÄndG 2021 am 1.7.2021 in allen offenen Fällen anzuwenden.60 Die Vorschrift ist mithin auch auf Anteilsübergänge vor dem 1.7.2021 anzuwenden.61 2. Altfälle im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG

5.68 Für den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG kann § 1 Abs. 2c GrEStG somit schon auf Übertragungen von Gesellschaftsanteilen vor dem 1.7.2021 Anwendung finden. Zusätzlich gilt § 1 Abs. 2c GrEStG auch bei grundbesitzenden PersGes., sofern § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. gem. § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG weiter anzuwenden ist (bis 30.6.2026) oder die Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG n.F. gem. § 23 Abs. 19 Satz 2 GrEStG auf Anteilsübergänge vor dem 1.7.2021 angeordnet wird (rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze von 90 % bei beteiligten KapGes.). 5.69 Beispiel 11: An der grundbesitzenden PersGes. A-GmbH & Co. KG ist die B AG zu 100 % als Kommanditisten beteiligt. Die Anteile an der Komplementär-GmbH werden ebenfalls zu 100 % von der B AG gehalten. Im Zeitraum vom 5.2.2021 bis 3.5.2021 sind sämtliche an einem anerkannten Wertpapierhandelsplatz zugelassenen Aktien an der B AG durch Handel an einer dieser Börsen auf neue Aktionäre übergegangen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. wurde an diesem Tag verwirklicht und die A-GmbH & Co. KG hat den Vorgang ordnungsgemäß angezeigt. Das zuständige Finanzamt hat die GrESt gegenüber der A-GmbH & Co. KG festgesetzt. Der Steuerbescheid steht nach § 164 Abs. 2 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

60 Art. 2 des GrEStÄndG und gleich lautende Ländererlasse v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006 Tz. 1. 61 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 4

616 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.71 Kap. 5

Aktionäre neu

Aktionäre alt

5.2.2021 bis 3.5.2021: ≥ 95 % über die Börse B AG

100 %

A KG

Abb. 8 Mit Einführung der Börsenklausel durch das GrEStÄndG 2021 wurde die Vorschrift des § 1 Abs. 2c GrEStG eingeführt, die in allen offenen Fällen anzuwenden ist. Da der GrESt-Bescheid für die Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, ist die Bescheid unter den Hinweis auf § 1 Abs. 2c GrEStG aufzuheben, da die an der Börse gehandelten Aktien nachträglich nicht mehr als schädliche Zählvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG gelten und die B AG somit insgesamt nicht als fiktiv neu anzusehen ist.

VI. Verwaltungsanweisungen Die obersten Finanzbehörden der Länder haben am 4.10.2022 gleich lautende Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG veröffentlicht.62

5.70

VII. Problemfelder 1. Nicht erfasste Börsenplätze Die Schweiz und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sind keine Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums. Die Börsen in der Schweiz und im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sind derzeit nicht als gleichwertiger Drittlandhandelsplatz anerkannt und fallen somit – neben diversen anderen Staaten – nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG.63

62 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451. 63 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1004 und Behrens/Wagner, DB 2021, 866 Tz. IV.1.

Krohn | 617

5.71

Kap. 5 Rz. 5.72 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

5.72 Für große und bedeutende Wertpapierhandelsplätze gibt es derzeit noch keine Anerkennung durch die Europäische Union als vergleichbare Dritthandelsplätze. Exemplarisch seien hier die folgenden Länder genannt: Norwegen, Liechtenstein, Island und China (Shenzhen), Japan, Shanghai, Kanada etc. 5.73 Die einengende Auswahl der anerkannten Wertpapierhandelsplätze durch die Finanzverwaltung wirkt vordergründig willkürlich, ist es aber nicht. Es wurde versucht, eine begründete Auswahl von Wertpapierhandelsplätzen vorzunehmen, die voraussichtlich auch einer inländischen und europäischen finanzgerichtlichen Überprüfung standhalten wird. Die Prozesse der Anerkennung zusätzlicher Wertpapierhandelsplätze durch die Europäische Union sind im Fluss, so dass sich der Kreis der anerkannten Börsenplätze ständig erweitern dürfte. Es sollte jeweils im Zeitpunkt der Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG überprüft, ob die zu überprüfende Aktie an einer zu diesem Zeitpunkt anerkannten Börse gehandelt wurde. 2. Nicht erfasster Handel an Börsen

5.74 Eine Vielzahl von Anteilsgeschäften, die nicht unmittelbar an der Börse erfolgen, sind nicht nach § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigt. 5.75 Darunter fallen in der Regel u.a.64: – die erstmalige Ausgabe von Anteilen an einer KapGes. bei Börsengang („Initial Public Offering“ – IPO); – die Ausgabe neuer Anteile an einer KapGes. in Folge einer Kapitalerhöhung; – die Wertpapierleihe bzw. das Wertpapierdarlehen oder das Wertpapierpensionsgeschäft. Diese Aufzählung ist ausdrücklich nur beispielhaft und nicht abschließend. Die Finanzverwaltung stellt damit klar, dass vergleichbare Vorgänge ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG fallen können.

5.76 Börsengänge und Kapitalerhöhungen, werden regelmäßig von Banken abgewickelt, die in einem ersten Schritt die Aktien übernehmen und nachfolgend an Investoren verkaufen. Auch Wertpapierleihen und Wertpapierpensionsgeschäfte vollziehen sich im engeren Sinne nicht „an“, sondern außerhalb der Börsen. Diese Geschäfte sind jedoch ggf. bereits bei der Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht als relevante Zählerwerbe zu erfassen (vgl. Rz. 3.418). 5.77 Diese Vorgänge führen im Übrigen jeweils dazu, dass die in Frage kommenden Aktien zu den jeweiligen Zeitpunkten der Aktienausgabe auf neue Gesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG. Hierfür ist ein Nachweis sehr einfach zu führen.

64 Gleich lautende Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.6.

618 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.82 Kap. 5

Auch Verkäufe größerer Aktienpositionen z.B. bei öffentlichen Übernahmen (dazu auch Rz. 5.133), werden üblicherweise nicht über die Börse abgewickelt, sondern vielmehr werden die Aktien unter Einschaltung von Banken bei Investoren platziert (so z.B. auch die Veräußerung von Telekom-Aktien durch die KfW bzw. die zukünftig zu erwartenden Veräußerungen seitens des Wirtschaftsstabilisierungsfonds).65

5.78

Wird eine AG von der Börse genommen (Delisting einer Aktie) besitzen die Aktionäre ihre Aktien weiterhin, aber sie können sie nur over-the-counter (OTC) verkaufen. Die Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG ist nach dem Delisting ebenfalls nicht mehr möglich.

5.79

Erfolgt das Delisting z.B. als Folge eines „Reverse Triangular Merger66“ ist der Übergang der Aktien auf den „Erwerber“ m.E. nicht auf Grund eines Geschäfts über einen organisierten Markt, einem gleichwertigen Dritthandelsplatz oder einem MTF erfolgt. Es ist zu fordern, dass Käufer und Verkäufer über einen solchen Wertpapierhandelsplatz in einer Weise zusammengebracht werden müssen, die zu einem Vertrag über den Kauf der Aktien führt. Dies ist in diesen Vorgängen m.E. nicht gegeben. 3. Zulassung an mehreren (auch nicht begünstigten) Börsenplätzen Die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel erfolgt an jeder Börse in einem besonderen in den §§ 32 ff. des Börsengesetzes (BörsG) und den §§ 48 ff. der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) i.d.F. vom 9.9.199867 geregelten Verfahren durch die Börsengeschäftsführung, die über den Zulassungsantrag entscheidet.

5.80

Für die Zulassung eines Wertpapiers zum Regulierten Markt reicht der Emittent zusammen mit einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleister (Konsortialbank) bei der der Geschäftsführung der FWB einen Antrag und den Börsenzulassungsprospekt ein. Diese geben Auskunft über Art und Umfang der einzuführenden Wertpapiere. Verantwortlich für die Richtigkeit der Angaben sind der Emittent und das Kreditinstitut.

5.81

Die wichtigsten Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten sind gemäß der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV):

5.82

– Das emittierende Unternehmen existiert seit mindestens drei Jahren. – Der erwartete Emissionskurswert beträgt mindestens 1,25 Millionen Euro. – Für die Zulassung von anderen Wertpapieren als Aktien muss der Gesamtnennbetrag mindestens 250.000 € betragen.

65 BR-Drucks. 320/21 – Stellungnahme der ZIA vom 27.4.2021 II. 3. 66 Vorgang, bei welchem der Käufer eine Tochtergesellschaft (Merger Sub) errichtet, die dann auf das Target verschmolzen wird, wobei die Zielgesellschaft „überlebt“ und damit zur Tochter des Käufers wird. 67 BGBl. I, 2832.

Krohn | 619

Kap. 5 Rz. 5.82 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

– Mindestens ein Zwischenbericht zur Finanzlage und zum allgemeinen Geschäftsgang wird während des Geschäftsjahres veröffentlicht. – Unternehmensrelevante Informationen werden sofort veröffentlicht.

5.83 Die Zulassung ist für jedes Aktienpaket und für jede Börse gesondert zu beantragen und eine Aktiengesellschaft ist nicht verpflichtet, seine sämtlichen Aktien an Wertpapierhandelsplätzen zuzulassen. Damit können Aktiengesellschaften über nicht zugelassene und an mehreren weltweiten Börsenplätzen zugelassen Aktien verfügen. 5.84 In den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG kommen aber nur Aktien, die an einem anerkannten Wertpapierhandelsplatz zugelassen wurden und an einem dieser Plätze oder im MTF gehandelt wurden. Grds. besteht damit eine Nachweispflicht, welche Aktie (jede Aktie hat eine Nummer) wo gehandelt wurde, damit die Voraussetzungen geprüft werden können. 4. Off-Market-Transaktionen und OTC-Handel

5.85 Börsen bieten nur standardisierte Produkte an, die aber häufig nicht dem Absicherungswunsch der handelnden Partner entsprechen. Für einige der am Finanzmarkt gehandelten Produkte ist der OTC-Handel deswegen wichtiger als der Börsenhandel, z.B. Zertifikate. Diese Art von außerbörslichem Handel findet direkt „über den Ladentisch“ (Englisch: „over the counter“) statt. Dementsprechend wird er Overthe-Counter-Handel, außerbörslicher Handel oder Direkthandel genannt. Over the Counter bezieht sich also auf alles, was direkt zwischen Verkäufer und Käufer gekauft und verkauft wird. Anders als an einer formellen Wertpapierbörse vollzieht sich der Handel unmittelbar zwischen den Vertragsparteien per Computer, E-Mail oder (selten) telefonisch. 5.86 Man kann drei Formen des Direkthandels unterscheiden: – Außerbörslicher Handel mit börsennotierten Wertpapieren. Hierzu gehört der Handel in der Vor- und Nachbörse. Diese Geschäfte werden auch dann als OTCGeschäft abgewickelt, wenn die beteiligten Marktteilnehmer das Geschäft nicht publik machen wollen. Dies geschieht in stark steigendem Maße und in hohem Handelsvolumen in Dark Pools. – Außerbörslicher Handel mit Finanzderivaten ohne standardisierte Spezifikationen (z.B. exotische Optionen, OTC-Optionen). – Außerbörslicher Handel mit Wertpapieren, die zum Börsenhandel nicht zugelassen sind (z.B. Swaps).

5.87 Sämtliche über diese Formen des Direkthandels übertragenden Aktien fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG 5. Anwendung auf Gesellschafterwechsel bei Aktionären

5.88 In welcher Weise im Rahmen des § 1 Abs. 2c GrEStG Anteilseignerwechsel bei Aktionären zu berücksichtigen sind, ist derzeit unklar, da die Norm nur auf § 1 Abs. 2b 620 | Krohn

B. Ausnahmen durch die Börsenklausel | Rz. 5.92 Kap. 5

Satz 1 GrEStG Bezug nimmt (und nicht ausdrücklich auf Satz 4).68 Nach einer Auffassung in der Literatur könnte darauf abzustellen sein, ob die Änderung des Gesellschafterbestands beim Aktionär ihrerseits die Voraussetzung des § 1 Abs. 2c GrEStG erfüllt.69 Diese Sichtweise würde zu erheblichen Ermittlungsdefiziten führen, die der Gesetzgeber § 1 Abs. 2c GrEStG eigentlich gerade verhindern wollte. Denn mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von Aktionären (eine KapGes. als Aktionär gilt für Zwecke des § 1 Abs. 2a/2b Satz 4 als neuer Anteilseigner in Bezug auf die Aktiengesellschaft, wenn an ihm 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen) sind für die börsennotierte KapGes. in der Regel nicht feststellbar. Beispiel 12: Die Aktien der grundbesitzenden A AG sind zum Handel ausschließlich an einem in § 1 Abs. 2c GrEStG genannten regulierten Markt zugelassen. Wie bei nahezu allen Aktiengesellschaften in diesem Segment sind an der A AG auch börsennotierte Investmentfonds (sog. ETF) des Vermögensverwalters „Blackbox“ beteiligt.

5.89

Der Erwerb von Aktien durch einen ETF am oben genannten Markt wird von § 1 Abs. 2c GrEStG erfasst; ein Gesellschafterwechsel auf Fondsebene dagegen nur dann, wenn dieser ebenfalls an einem in § 1 Abs. 2c GrEStG genannten Markt erfolgt. Abhängig von der individuell gegebenen Fondsstruktur ist hierbei entweder auf die ETF-Anleger (falls die Anteile an der A AG von der Fondsgesellschaft selbst gehalten werden) oder auf die Gesellschafter der Kapitalverwaltungsgesellschaft abzustellen, die die Anteile an der A AG treuhänderisch für die Fondsanleger hält.70 Häufig bestehen auch mehrstufige Fondsstrukturen, so dass eine Unterscheidung und Überwachung auf mehreren Ebenen erforderlich wird. Inwieweit Anteilsübergänge auf allen relevanten Ebenen erfolgt sind und ob diese ggf. ihrerseits von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigt sind, wird im Regelfall nicht ermittelbar sein. Für die A AG ist es daher unmöglich, die Alt-/Neugesellschaftereigenschaft des Fonds nach § 1 Abs. 2b GrEStG festzustellen (und für den Fonds selbst in der Regel auch).

Die Unmöglichkeit, die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG festzustellen, bleibt insoweit bestehen. Es bleibt abzuwarten, ob die Praxis eine praktikable Lösung entwickelt wird, die die Rechtsunsicherheiten und verbleibenden Vollzugsdefizite bei § 1 Abs. 2c GrEStG verringert.

5.90

VIII. Fazit und voraussichtlicher Anwendungsbereich Durch die Einführung des § 1 Abs. 2c GrEStG sollen Übergänge von Anteilen an KapGes. für die Tatbestände der § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG außer Betracht bleiben, sofern der Handel über bestimmte Börsenplätze erfolgt.

5.91

Die Börsenklausel selbst hat diverse Kritikpunkte, da sie

5.92

– mittelbare Anteilsübertragungen nicht erfasst, – nicht alle relevanten Börsen und Konstellationen umfasst, – in der Wirtschaft standardisierte Vorgänge unberücksichtigt lässt. 68 Vgl. Erläuterungen in Rz. 5.23. 69 So wohl das Verständnis von Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (872). 70 Dazu Wagner, DB 2019, 1409 (1413 f.).

Krohn | 621

Kap. 5 Rz. 5.93 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

5.93 Die Vorschrift wurde vom Gesetzgeber zur Entschärfung des neuen Ergänzungstatbestands nach § 1 Abs. 2b GrEStG geschaffen, um den Bedenken diverser Institutionen hinsichtlich einer überschießenden Anwendung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen. Die Vorgehensweise dieser Vorschrift ist aber für die Praxis eher herausfordernd. Denn zuerst muss ein an einer Börse durchgeführter Übergang einer Aktie isoliert, also nachgewiesen werden. Danach muss sichergestellt werden, dass genau dieser Übergang dieser Aktie im Zehnjahreszeitraum nur einmal für das Erreichen des Quantums von mind. 90 % der Anteile (nämlicher Anteil) erfasst wurde. Erst wenn diese Erkenntnisse zweifelsfrei feststehen und der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG dadurch verwirklicht wurde, erfolgt die Prüfung des § 1 Abs. 2c GrEStG. Wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2c GrEStG für die Übertragungen an einem anerkannten Wertpapierhandelsplatz vorliegen, werden als Rechtsfolge genau diese Übertragungen nicht mehr für die Ermittlung des schädlichen Quantums herangezogen. 5.94 Für den Stpfl. stellt sich die Frage, wen die Feststellungslast der Anwendung der Börsenklausel trifft. Da es sich grds. um eine begünstigende Vorschrift (Nichterfassung von Übergängen als schädliche Zählvorgänge) ist wohl davon auszugehen, dass diese Aufgabe dem Stpfl. obliegt. Hierzu sind grds. umfangreiche sichernde Aufzeichnungen durch den Stpfl. zu erstellen und vorzuhalten. Allerdings kommt die Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG nur in Betracht, wenn der jeweilige Anteilsübergang für einen Tatbestand nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG mitgezählt wurde. Sollte der jeweilige Anteilsübergang dabei zweifelsfrei nachgewiesen worden sein und wurde auch sichergestellt, dass der Anteilsübergang im Zehnjahreszeitraum nur einmal erfasst wurde und handelt es sich um nach § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigte Anteilsübergänge, dürfte der Nachweis aus diesen Unterlagen einfach zu führen sein. 5.95 Da aus meiner Sicht sowohl dem Stpfl. als auch der Finanzverwaltung der zweifelsfreie Nachweis, dass die jeweilige Aktie auf Neugesellschafter übergegangen ist und nur einmal im Zehnjahreszeitraum gezählt wurde, kaum gelingen dürfte, ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift in der Praxis sehr gering bis kaum vorhanden.

C. Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme des Wertpapierhandels I. Beteiligte Investmentfonds 1. Grunderwerbsteuerliche Relevanz von Gesellschafterwechseln auf Fondsebene

5.96 Änderungen im Gesellschafterbestand von Aktionären können nach Maßgabe von § 1 Abs. 2b Satz 2 GrEStG (beteiligte PersGes.) oder § 1 Abs. 2b Sätze 3 bis 5 GrEStG (beteiligte KapGes.) zu grunderwerbsteuerlich relevanten Zählerwerben führen. Zu den Aktionären börsennotierter Unternehmen gehören regelmäßig auch Investmentfonds. Die grunderwerbsteuerliche Einordnung, wenn es sich bei dem beteiligten Rechtsträger um einen Investmentfonds handelt. Die grunderwerbsteuerliche Einordnung hängt von der dort jeweils gegebenen Fondsstruktur ab:

622 | Krohn und Mörwald

C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.97 Kap. 5

– Bei Investmentfonds, die nach der sog. „Treuhandlösung“ ausgestaltet sind, werden die Aktien in einem schuldrechtlichen Sondervermögen gehalten, d.h. eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) verwaltet das Fondsvermögen treuhänderisch für die Anleger.71 Die mit diesem Sondervermögen erwirtschafteten Ergebnisse stehen den Anteilsscheininhabern der entsprechenden Spezial- und Publikumsfonds zu. Für diese Strukturen ist ungeklärt, ob für die Beurteilung, ob aus Sicht der Aktiengesellschaft ein relevanter Gesellschafterwechsel erfolgt ist, auf die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse der die Aktien haltenden Kapitalverwaltungsgesellschaft72 oder auf den Bestand der Fondsanleger abzustellen ist. Für Ersteres spricht eine Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2004, wonach die von einer Kapitalanlagegesellschaft im Sondervermögen nach § 6 Abs. 1 KAGG (a.F., jetzt § 245 KAGB) gehaltenen Grundstücke für grunderwerbsteuerliche Zwecke nicht den Anteilsscheininhabern des Fonds, sondern der Kapitalanlagegesellschaft „gehören“.73 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass dieses Urteil auch auf Kapitalverwaltungsgesellschaften unter dem KAGB anwendbar ist74 und auch auf Anteilsübergänge i.S.d. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG übertragen werden kann.75 Allerdings bezieht sich die o.g. Rechtsprechung auf Grundstücke, nicht auf Anteile im Sondervermögen und stammt aus der Zeit, bevor der BFH bei den grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbeständen die wirtschaftliche Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (dazu Rz. 3.76 ff.) erstmals angewandt hat. Abschließende Sicherheit hinsichtlich des Zurechnungsmaßstabs für die von einer KVG treuhänderisch gehaltenen Aktien besteht daher derzeit nicht. – Bei Investmentfonds, bei denen die Aktien der Zielgesellschaften rechtlich vom Fondsvehikel selbst gehalten werden (z.B. bestimmte physisch replizierende ETF), sind die Fondsanleger mittelbare Gesellschafter der grundbesitzenden Aktiengesellschaft. In diesem Fall ist der Wechsel der Fondsanleger grunderwerbsteuerlich maßgeblich76 und – abhängig von der Rechtsform des Fondsvehikels – nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b Satz 2 (PersGes.) oder Sätze 3 bis 5 (KapGes.) zu beurteilen. Es ist somit für jeden beteiligten Fonds abhängig von dessen Struktur zunächst zu bestimmen, ob für Zwecke von § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG auf Änderungen im Gesellschafterbestand der Kapitalverwaltungsgesellschaft (und damit letztlich dem dahinter stehenden Vermögensverwaltungsunternehmen; s.o. 1. Spiegelstrich) oder auf den Bestand der Fondsanleger (s.o. 2. Spiegelstrich) abzustellen ist. Sofern diese Fest71 72 73 74

Vgl. Spranger, RdF 2016, 57 (58). Vgl. Wagner, DB 2019, 1409 (1413 f.). Vgl. BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148 = juris Rz. 13. Vgl. z.B. Wagner, DB 2019, 1409 (1410); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20 , § 1 GrEStG Rz. 1086; Hofmann, § 1 GrEStG Rz. 150; vgl. auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“ v. 4.10.2019, WD 4 – 3000 – 117/19, S. 5: „Beim Anlegerwechsel im Falle der Treuhandlösung fällt grds. keine Grunderwerbsteuer an, weil die Immobilie unverändert im Eigentum der KVG verbleibt.“ 75 Vgl. Spranger, RdF 2016, 57 (61); Demleitner in Haase/Jachmann, Beck’sches HdB Immobiliensteuerrecht, § 17 Rz. 44; Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (872) Fn. 44. 76 Vgl. Wagner, DB 2019, 1409 (1414).

Mörwald | 623

5.97

Kap. 5 Rz. 5.97 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

stellung gelingt, ist die Rechtsform des relevanten Rechtsträgers (bei ausländischen Gesellschaften ggf. durch Typenvergleich) zu ermitteln. Erst dann kann (theoretisch) festgestellt werden, ob ein relevanter Gesellschafterwechsel eingetreten ist. 2. Unmöglichkeit der Ermittlung relevanter (Fonds-) Anteilsübergänge

5.98 Bereits die Feststellung der jeweils gegebenen Fondsstruktur (zur Unterscheidung s. vorstehend) ist in der Praxis regelmäßig nicht möglich, da die beteiligten Fonds ihre Struktur nicht offenlegen und diese i.d.R. auch nicht aus öffentlichen Quellen rechtssicher ermittelt werden kann. Bei mehrstufigen Fondsstrukturen oder den in der Praxis häufig vorkommenden mittelbaren Fondsbeteiligungen (einfaches Beispiel: Ein Investment-Spezialfonds hält Anteile an einem DAX ETF, der wiederum Aktien an der grundbesitzenden Gesellschaft hält) ist die Ermittlung der relevanten Struktur für die Antragstellerinnen gänzlich unmöglich, zumal zahlreiche Fonds im Ausland ansässig sind. 5.99 Darüber hinaus unterliegt auch dann, wenn im Einzelfall die Struktur eines Fonds bekannt sein sollte, die Feststellung, ob auf Ebene des Fonds ein grunderwerbsteuerlich relevanter Gesellschafterwechsel erfolgt ist, unüberwindbaren Ermittlungshindernissen. Das gilt zunächst für Stimmrechtsmitteilungen gem. § 33 WpHG (dazu nachfolgend Rz. 5.154), da hierfür die Erreichung eines Schwellenwertes von 3 % der Stimmrechte erforderlich ist. Auch bei einer Aktionärsabfrage gem. § 67d AktG („Know Your Shareholder“) kann ausschließlich die Identität des Aktionärs im materiell-rechtlichen bzw. dinglichen Sinne nach Maßgabe der Depotbücher der Letztintermediäre ermittelt werden (s. Rz. 5.156).77 Die direkte Abfrage beim beteiligten Fonds ist ebenfalls nicht aussichtsreich, da dieser über seine Anlegerwechsel im Regelfall keine Auskunft geben darf oder kann (bei börsennotierten ETF oder bei mehrstufigen Fondsbeteiligungen ist dies offensichtlich unmöglich). 5.100 Wenn ein beteiligter Fonds im sog. Treuhandmodell organisiert ist und man auf den Gesellschafterbestand der KVG (nicht auf die Fondsanleger) abstellt, kann die Ermittlung relevanter Gesellschafterwechsel ebenfalls komplex oder unmöglich sein. Dies gilt etwa dann, wenn die Anteile an der Kapitalverwaltungsgesellschaft ihrerseits wiederum von einer börsennotierten Gesellschaft (z.B. Bank oder Versicherungsunternehmen) gehalten werden. 3. Außerbetrachtlassung aufgrund § 1 Abs. 2c GrEStG?

5.101 Die Ermittlungsunmöglichkeit relevanter Gesellschafterwechsel auf Fondsebene wirft die Frage auf, wie hiermit in der Besteuerungspraxis umzugehen ist. Da die Gesellschafterwechsel auf Fondsebene nicht nachvollzogen werden können, kann auch nicht bestimmt werden, ob ein Fondsanlegerwechsel ggf. an einer von § 1 Abs. 2c 77 Vgl. Bayer/Illhardt in MünchKomm.AktG5 – Nachtrag zum ARUG II, § 67d AktG Rz. 18; Einsele, JZ 2019, 121 (124); Foerster, AG 2019, 17 (22); von Nussbaum in K. Schmidt/Lutter4, § 67a AktG Rz. 154 f.; Rachlitz in Grigoleit2, § 67d AktG Rz. 29 ff.; Eggers/de Raet, AG 2017, 464 (471).

624 | Mörwald

C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.104 Kap. 5

GrEStG begünstigten Börse (s. Rz. 5.49 ff.) erfolgt ist und ob er die sonstigen Voraussetzungen erfüllt, um gem. § 1 Abs. 2c GrEStG außer Betracht zu bleiben. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 2c GrEStG erweiternd auf alle Gesellschafterwechsel auf Fondsebene angewandt werden kann, sofern der Fonds die Aktien an einem durch § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Markt erworben hat. Für diese Auslegung würde sprechen, dass ein Gesellschafterwechsel von mind. 90 % bei einer Fonds-Kapitalgesellschaft (oder KVG) aus Sicht der grundbesitzenden Aktiengesellschaft dazu führt, dass die Fonds-Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 2b Satz 4 GrEStG zu einer fiktiv neuen Gesellschafterin (Aktionärin) wird. Aufgrund der Tatsache, dass es sich hierbei jedoch nicht um einen tatsächlichen, sondern um einen fiktiven Anteilsübergang handelt, erfolgt dieser zwar nicht i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG an der Börse („aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt“). Tatsächlich bleiben die Aktien in der Hand der Fondsgesellschaft und werden nicht bewegt. Dies bedeutet jedoch auch, dass eine schädliche Übertragung außerhalb der Börse ebenfalls nicht angenommen werden kann. § 1 Abs. 2c GrEStG könnte aus diesem Grund dahingehend ausgelegt werden, dass in Fällen des fiktiven Aktienübergangs nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b Satz 4 GrEStG entweder (a) ein börslicher Übergang kraft Fiktion unterstellt wird (Erweiterung der Fiktion des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b Satz 4 GrEStG auf das Tatbestandsmerkmal „aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt“) oder (b) das Tatbestandsmerkmal „aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt“ aufgrund objektiver Unmöglichkeit nicht erfüllt werden kann und deshalb auch nicht erfüllt zu werden braucht („Unmögliches kann nicht verlangt werden“).

5.102

Die obige Auslegung entspräche dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2c GrEStG, wonach der Börsenhandel ausgenommen wird, weil er im absoluten Regelfall nicht missbräuchlich ist und das Erwerberinteresse nicht die auf die Grundstücke, sondern auf die Ertragskraft der KapGes. gerichtet ist.78 Dies trifft auf Fondsbeteiligungen erst recht zu: Wer sich über einen Investmentfonds mittelbar an einer börsennotierten KapGes. eines Portfolios (z.B. in einem DAX-ETF, Branchen-ETF etc.) beteiligt, wird regelmäßig über die Grundstücke dieser Portfolio-Beteiligung gar keine Kenntnis und damit erst recht kein diesbezügliches Erwerbsinteresse haben. Die Kapitalanlage als Beteiligung an der Ertragskraft steht hier noch stärker im Vordergrund als bei den unmittelbaren Aktionären der Gesellschaft. Zudem dient § 1 Abs. 2c GrEStG der Beseitigung eines strukturellen Vollzugsdefizits bei § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG, würde dieses Ziel aber verfehlen, wenn Anteilsübergänge auf der Ebene beteiligter Fonds trotz faktischer Ermittlungsunmöglichkeit weiterhin als relevante Zählerwerbe zu erfassen wären. Es entspräche daher auch einer verfassungskonformen Auslegung, wenn die Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG auf Anteilsübergänge auf Übertragungsvorgänge auf Ebene des Fonds oder einer ggf. vorhandenen Kapitalverwaltungsgesellschaft erstreckt wird.

5.103

Schließt man sich der vorstehend skizzierten Auslegungsmöglichkeit nicht an, ist zu konstatieren, dass das strukturelle Vollzugsdefizit von § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG

5.104

78 Vgl. BT-Drucks. 19/28528, 31.

Mörwald | 625

Kap. 5 Rz. 5.104 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

beim Börsenhandel79 fortbestehen bleibt und durch § 1 Abs. 2c GrEStG nicht beseitigt wird. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG wären dann insoweit (weiterhin) als verfassungswidrig anzusehen.80 II. ADR-Verbriefungen 1. Grundlagen und Rechtsnatur

5.105 American Depositary Receipts („ADR“) sind Urkunden, die sog. American Depositary Shares („ADS“) verbriefen und Aktien an einem börsennotierten deutschen Unternehmen bzw. einen Bruchteil hiervon repräsentieren.81 Die ADR werden von einer amerikanischen Depotbank ausgegeben. ADR bzw. ADS lauten auf US-Dollar und werden in US-Dollar gehandelt.82 Sie ermöglichen es Investoren, die hinsichtlich der Anlage in Wertpapieren beschränkt sind, die nicht in US-Dollar lauten (bspw. zur Vermeidung eines Währungsrisikos), in Nicht-US-Unternehmen zu investieren.83 Der in US-Dollar ausgedrückte Wert eines ADR ist unter Berücksichtigung des Umtauschverhältnisses an den Wert der dahinterliegenden Aktien gekoppelt.84 Die Inhaber eines ADS werden als „ADS Holder“ bzw. „Holder“ bezeichnet. 5.106 Durch ein ADR können ein, mehrere oder alle ADS verbrieft sein.85 Gehandelt werden somit die ADS, die ihrerseits in einem oder mehreren ADR(s) verbrieft (und hinterlegt) sein können. Die Begriffe „ADS“ und „ADR“ werden allerdings in der Praxis häufig synonym verwendet (und in diesem Sinne werden dann die ADR gehandelt).86 Bei präziser rechtlicher Betrachtung ist dies indes nicht zutreffend,87 denn bei einem ADR-Programm handelt es sich um eine mehrstufige Verbriefungs- und 79 Vgl. u.a. Behrens/Dworog, BB 2018, 1943 (1946); Broemel/Mörwald, DStR 2018; Wagner, DB 2019, 1409 (1415); Drüen, Ubg 2019, 65 (73 f.); Hirschberg/Schaflitzl, Ubg 2019, 253 (256); Joisten, ifst-Schrift 528, 2019, 29 f.; Mörwald, DStZ 2019, 492 (501). 80 Zur Frage, ob § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG bereits aufgrund ihrer Grundkonzeption (ungeachtet der Spezialprobleme des Börsenhandels) verfassungswidrig sind, s. Mörwald, DStZ 2019, 492. 81 Vgl. SEC, Investor Bulletin: American Depositary Receipts, 2012: „An ADR is a negotiable certificate that evidences an ownership interest in American Depositary Shares („ADS“) which, in turn, represent an interest in the shares of a non-U.S. company that have been deposited with a U.S. bank.“ (unter https://www.sec.gov/investor/alerts/adr-bulletin.pdf). 82 Vgl. von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, 81 (83). 83 Vgl. von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, 81 (84); Röhler, American Depositary Shares, 1997, 42. 84 Vgl. Wagner/Köster, WM 2020, 1711. 85 Vgl. Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011, 30; Röhler, American Depositary Shares, 1997, 206. 86 Vgl. Wagner/Köster, WM 2020, 1711 Fn. 5; von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, 81 (82) Fn. 1; Bungert/Paschos, DZWiR 1995, 221 (222). 87 Vgl. Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011, 30; Röhler, American Depositary Shares, Diss. iur., 1997, S. 42; Weber/Krauß, DStR 2019, 690 Fn. 1.

626 | Mörwald

C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.109 Kap. 5

Verwahrungsstruktur (zum einen Hinterlegung von Aktien zur Begebung der ADR, zum anderen Hinterlegung von ADR zur Verbriefung von ADS). ADR sind eigenständige, von den hinterlegten Aktien des nicht-amerikanischen Emittenten verschiedene Wertpapiere,88 die US-Recht unterliegen. Die Ausgabe von ADR in den USA stellt deshalb ein öffentliches Angebot von Wertpapieren in den USA dar.89 Charakteristisch ist also das Entstehen eines weiteren Wertpapiers und die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung auf die Zweitverbriefung als auf die Originalurkunde.90

5.107

Die Emission von ADR durch eine Depotbank unterliegt der Registrierungspflicht unter dem US-amerikanischen Securities Act.91 Für Emittenten, deren ADR lediglich im Freiverkehr („OTC“) gehandelt werden, herrschen reduzierte Registrierungsanforderungen; man bezeichnet solche ADR-Programme auch als Level 1 ADR-Programme.92 Der vergleichsweise geringe Aufwand hat dazu geführt, dass die meisten ADR-Programme deutscher Gesellschaften Level 1-Programme sind.93

5.108

Das zentrale Vertragswerk eines ADR-Programms ist der Depotvertrag, der zwischen der Depotbank und dem Unternehmen, auf dessen Aktien ADR von der Depotbank in den USA emittiert werden sollen, abgeschlossen wird.94 Der Depotvertrag besteht grds. aus zwei Teilen, (i) dem Vertrag zwischen der ausländischen Gesellschaft und der Depotbank und (ii) dem als Anlage zum Vertrag beigefügten Muster der ADR-Zertifikate („Form of ADR“), die die Depotbank an die Anleger (die ADSInhaber/-Holder) ausgibt. Der Vertrag regelt die Rechtsbeziehungen zwischen der ausländischen Gesellschaft und der Depotbank, während das ADR-Zertifikat die Rechtsbeziehung zwischen der Depotbank und den Anlegern regelt.95 Mit der Entgegennahme der ADS lässt jeder ADS-Holder die Regelungen des Depotvertrags gegen sich gelten; dies geschieht durch eine wechselseitige Einbeziehung der Regelungs-

5.109

88 Vgl. Röhler, American Depositary Shares, 1997, 200. 89 Vgl. Werlen/Sulzer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt4, § 45: Aspekte der US-amerikanischen Securities Laws, Rz. 45.197; von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, S. 81 (87 f.). 90 Vgl. Bungert/Paschos, DZWiR 1995, 221 (222). 91 Die Registrierung von ADR (Form F-6 bei der SEC) unterliegt drei Voraussetzungen: (i) die ADR müssen grundsätzlich jederzeit in die unterliegenden Aktien umtauschbar sein und umgekehrt, (ii) die bei der Depotbank hinterlegten unterliegenden Aktien müssen von ihr entweder in einer registrierten Transaktion oder in einer Privatplatzierung erworben worden sein, und (iii) der Emittent muss entweder unter dem Exchange Act registriert und dessen periodischen Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten unterworfen sein oder eine sog. Rule 12g3-2(b)-Exemption erlangt haben. 92 Vgl. für einen Überblick Harrer in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG3, § 20 Rz. 101. 93 Vgl. Harrer in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG3, § 20 Rz. 101. 94 Vgl. z.B. Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011, 25. 95 Vgl. von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, 81 (90).

Mörwald | 627

Kap. 5 Rz. 5.109 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

inhalte des Depotvertrags und der ADR selbst.96 Eine unmittelbare vertragliche Rechtsbeziehung zwischen der (deutschen) Gesellschaft und den ADS-Inhabern besteht nicht.97

5.110 In rechtlicher Hinsicht ist ausschließlich die Depotbank Aktionär. Bei ADR, die sich auf deutsche Aktien beziehen, hat nur die Depotbank die Rechte eines Aktionärs nach dem AktG. Die Depotbank hält die hinterlegten Aktien an der deutschen Gesellschaft über eine inländische Depotbank (sog. „Custodian“) und Clearstream als inländischem Girosammelverwahrer.98 Der Depotbank stehen als zivilrechtlicher Eigentümerin der (Kommandit-)Aktien die mitgliedschaftsrechtlichen Teilhaberechte (z.B. Stimmrechte) wie auch das originäre Dividendenbezugsrecht steht der Depotbank zu.99 Die hinterlegten Aktien bilden bei der Depotbank ein Sondervermögen.100 5.111 Die ADS-Inhaber haben üblicherweise synthetische Dividendenbezugsrechte dergestalt, dass die von der Depotbank als Aktieninhaber bezogenen Dividenden (nach Abzug von Kosten) weitergeleitet werden.101 Außerdem besteht im Innenverhältnis eine schuldrechtliche Weisungsbefugnis der ADS-Inhaber gegenüber der Depotbank für die Stimmrechtsausübung in Bezug auf die hinterlegten Aktien, die im Außenverhältnis allein der Depotbank als zivilrechtlicher Eigentümerin der Aktien zusteht.102 5.112 Regelmäßig hat der ADS-Inhaber auch das Recht, von der Depotbank die Herausgabe der zugrunde liegenden Aktien gegen Rückgabe der Hinterlegungsscheine zu verlangen. Allerdings hat dieses Herausgaberecht in der Praxis i.d.R. keine Relevanz, da die zugunsten der Depotbank hinterlegten Aktien dem umtauschenden Holder im Regelfall nicht übergeben, sondern auf einem ausländischen Markt verkauft werden; der Veräußerungserlös wird dann nach Abzug von Kosten an den ADS-Inhaber ausgekehrt.103 2. Grunderwerbsteuerliche Einordnung

5.113 ADR-Verbriefungen weisen strukturelle Parallelen zu Investmentfonds-Strukturen in der Form des sog. „Treuhandmodells“ auf, bei dem die Aktien im Eigentum ei96 Vgl. Eilers/Schmitz-Schunken, RIW 2004, 927 (930). 97 Vgl. von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, 81 (88); Eilers/Schmitz-Schunken, RIW 2004, 927 (930). 98 Vgl. z.B. Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011, 29. 99 Vgl. z.B. Harrer in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG3, § 20 Rz. 105. 100 Vgl. Röhler, American Depositary Shares, 1997, 228; Eilers/Schmitz-Schunken, RIW 2004, 927 (931); Grundmann in Hirte/Mülbert/Roth, GK-AktG5, § 134 AktG Rz. 84; Hopt/Wiedemann in Hopt/Wiedemann, GK-AktG4, § 134 AktG Rz. 84. 101 Vgl. auch BMF v 24.5.2013, BStBl. I 2013, 718, geändert durch BMF v. 18.12.2018, BStBl. I 2018, 1400. 102 Vgl. z.B. Harrer in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG3, § 20 Rz. 105. 103 Vgl. z.B. Röhler, American Depositary Shares, 1997, 41 und 153 (wonach der Verkauf „fast ausnahmslos“ der Fall sei); Eilers/Schmitz-Schunken, RIW 2004, 927 (933).

628 | Mörwald

C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.116 Kap. 5

ner Kapitalverwaltungsgesellschaft ebenfalls in einem Sondervermögen gehalten werden (s. Rz. 5.96).104 Auch im Rahmen eines ADR-Programms ist Eigentümer der hinterlegten Aktien ausschließlich die Depotbank; die zu Gunsten der ADS-Inhabern in den ADR verbrieften Rechte sind ausschließlich schuldrechtlicher Art (s. Rz. 5.110 ff.). Eine unmittelbare vertragliche Rechtsbeziehung zwischen der (deutschen) Gesellschaft und den ADS-Inhabern besteht nicht (s. Rz. 5.109). Die von der Depotbank als Namenspapiere emittierten ADR, die die gehandelten ADS verbriefen, sind eigenständige, von den hinterlegten Aktien des nicht-amerikanischen Emittenten verschiedene Wertpapiere (s. Rz. 5.107). Die vorgenannten Merkmale sprechen dafür, auf ADR-Programme die gleichen Maßstäbe anzuwenden wie auf Investmentfonds im Treuhandmodell (dazu Rz. 5.96). Für grunderwerbsteuerliche Zwecke ist in diesen Strukturen jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung allein das Eigentum des Treuhänders maßgebend.105 Übertragen auf ADR-Strukturen bedeutet dies, dass allein die von der Depotbank verwahrten Aktien als Anteile i.S.d. § 1 Abs. 2b, § 2c GrEStG anzusehen sind und diese Anteile (nur) der Depotbank zuzuordnen sind.

5.114

In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die ADS-Holder als wirtschaftliche Eigentümer der i.R. des ADR-Programms hinterlegten Aktien anzusehen seien106 und Übergänge von ADR (präziser: ADS) daher mittelbare Anteilsübergänge i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG seien.107 Dem ist nicht zuzustimmen, denn aufgrund der mehrstufigen Verbriefungs- und Verwahrungsstruktur (Rz. 5.106) erlangt der ADS-Holder keine grunderwerbsteuerlich relevante Eigentumsposition. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt ist, müssen börsennotierte Unternehmen, deren Anteile z.T. als ADR verbrieft sind, beide Möglichkeiten (d.h. Abstellen auf die Depotbank oder auf die ADS-Holder) in Betracht ziehen.

5.115

Die Finanzverwaltung scheint sich der hier vertretenen Auffassung anzuschließen. Nach den Anwendungserlassen zu § 1 Abs. 2c GrEStG sind „Wertpapiere, die sich lediglich auf die Anteile an einer Kapitalgesellschaft beziehen, ohne das Eigentum an

5.116

104 Vgl. Röhler, American Depositary Shares, 1997, 195; Eilers/Schmitz-Schunken, RIW 2004, 927 (931); Bungert/Paschos, DZWiR 1995, 221 (229). 105 BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148 = juris Rz. 13; vgl. auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags „Unit Deals im Grunderwerbsteuerrecht“ v. 4.10.2019, WD 4 – 3000 – 117/19, S. 5: „Beim Anlegerwechsel im Falle der Treuhandlösung fällt grds. keine Grunderwerbsteuer an, weil die Immobilie unverändert im Eigentum der KVG verbleibt.“ Diese Rspr. wird von der h.M. auch auf Aktien (statt Grundstücken) im Sondervermögen übertragen; vgl. Spranger, RdF 2016, 57 (61); Demleitner in Haase/Jachmann, Beck’sches HdB Immobiliensteuerrecht2, § 17 Rz. 44; Wagner, DB 2019, 1409 (1410); Behrens/Wagner, DB 2021, 866 (872) Fn. 44. 106 So Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 590 und 647; Behrens/Klöckner, RdF 2022, 124 (126); Weber/Krauß, DStR 2019, 960 (961); jeweils mit Verweis auf BMF v. 24.5.2013, BStBl. I 2013, 718, wobei im BMF-Schreiben keine Aussage zum wirtschaftlichen Eigentum, sondern nur zur Dividendenzurechnung getroffen wird. 107 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 590 und 647.

Mörwald | 629

Kap. 5 Rz. 5.116 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

diesen Anteilen zu vermitteln“, keine Anteile i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG.108 Als Regelbeispiel werden American Depositary Receipts (ADR) genannt. Gleiches dürfte für andere Hinterlegungs-, Vollmachts- und Verbriefungsstrukturen109 sowie diverse Formen von Aktienderivaten gelten. Ob die Finanzverwaltung derartige Wertpapiere nur für Zwecke des § 1 Abs. 2c oder auch für Zwecke von Abs. 2a und 2b GrEStG nicht als Anteile ansieht, geht aus dem Erlasstext nicht hervor. Ein unterschiedlicher Anteilsbegriff für § 1 Abs. 2c GrEStG erscheint aufgrund der Systematik und Wortlautidentität („Übergänge von Anteilen an…“) nicht vorstellbar.110

5.117 Würde man entgegen der hier vertretenen Auffassung die ADS-Holder als mittelbare Gesellschafter einer inländischen Gesellschaft behandeln, würde die Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung weiter verschärft. Für die besonders häufig vorkommenden Level 1-Programme wäre dann der OTC-Handel in den USA oder anderen Ländern zu überwachen, was regelmäßig außerhalb der Möglichkeiten des Steuerpflichtigen wie auch der Finanzverwaltung stehen wird.111 III. Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft 1. Grundlagen a) Wertpapierdarlehen

5.118 Sowohl bei Wertpapierdarlehen (terminologisch oft auch sog. „Wertpapierleihe“) als auch bei Wertpapierpensionsgeschäften (dazu sogleich unter Rz. 5.123 ff.) kommt es – jedenfalls bei typischer Ausgestaltung dieser Geschäfte – nur zu einer vorübergehenden Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem betroffenen Wertpapier auf eine andere Person („Eigentumsüberlassung auf Zeit“).112 5.119 Bei einem Wertpapierdarlehen handelt es sich regelmäßig – vereinfacht dargestellt – um ein Sachdarlehen i.S.d. § 607 Abs. 1 BGB, bei dem der Darlehensnehmer („Entleiher“) die freie Verfügungsbefugnis über die Wertpapiere erhält113, womit insbesondere das zivilrechtliche Eigentum an den Wertpapieren übertragen wird.114 In der

108 Gleich lautende Ländererlasse zu v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.1. 109 Stoschek, DStR 2021, 2024 weist darauf hin, dass Hinterlegungsscheine insb. in Australien und USA ein übliches Instrument der Handelsabwicklung darstellen. 110 Broemel/Mörwald, DStR 2023, 127 (128). 111 Die Meldepflichten nach dem WpHG gelten zwar auch für ADS-Holder, da die ADS als „Zertifikate, die Aktien vertreten“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 WpHG einzuordnen sind (vgl. z.B. Kumpan in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar5, § 2 WpHG Rz. 22; Harrer in Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG3, § 20 Rz. 105). Da die Meldepflichten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG (frühestens) bei einer Schwelle von 3 % der Stimmrechte eingreifen und die ADR-Programme regelmäßig nur einen kleinen Teil der Aktien umfassen, ist dies als Vollzugsinstrument nicht geeignet. 112 Vgl. Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 2 Rz. 202. 113 Vgl. K.P. Berger in MünchKomm.BGB9, § 607 BGB Rz. 6 m.w.N. 114 Vgl. etwa BGH v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, DStR 2009, 862 (863); aus der Literatur stv. K.P. Berger in MünchKomm.BGB9, § 607 BGB Rz. 22 m.w.N. Dies bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass auch das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO) an den Aktien auf

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C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.121 Kap. 5

kapitalmarktrechtlichen Praxis unterscheidet sich die rechtliche Ausgestaltung von Wertpapierdarlehen erheblich.115 Das Grundmodell lässt sich dadurch charakterisieren, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer Wertpapiere gegen ein marktgerechtes Entgelt („Zins“) überlässt und der Darlehensnehmer als Folge dieser Vereinbarung ohne weitere Voraussetzungen (schon) kraft Gesetzes dazu verpflichtet, Wertpapiere von gleicher Art, Güte und Menge zurück zu übertragen (vgl. § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB).116 Die Eigentumsüberlassung kann auf unbestimmte oder auf bestimmte Zeit erfolgen, ist aber jedenfalls nie „endgültig“. Für Wertpapierdarlehen gibt es national wie international Musterverträge, auf deren Grundlage marktübliche Wertpapierdarlehenstransaktionen in der Praxis abgewickelt werden, z.B. vom Bundesverband Deutscher Banken („Deutscher Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen“117) oder von der International Securities Lending Association („Global Master Securities Lending Agreement“118). Unter den Rahmenverträgen werden sog. Einzelabschlüsse vereinbart, die die Einzelheiten (etwa Art des Wertpapiers, Stückzahl, Laufzeit, Zins, Lieferzeitpunkte) regeln.

5.120

Sofern das Darlehen auf unbestimmte Zeit geschlossen wird, kann es gem. § 7 Abs. 1 des Deutschen Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen ganz oder teilweise (i) durch den Darlehensgeber jederzeit mit einer Kündigungsfrist von wenigstens drei Bankarbeitstagen oder (ii) durch den Darlehensnehmer jederzeit mit einer Frist von wenigstens einem Bankarbeitstag gekündigt werden. Selbst wenn im Fall einer unbestimmten Laufzeit eine Kündigung ausbleiben sollte, endet das Wertpapierdarlehen gem. § 7 Abs. 3 des Deutschen Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen spätestens ein Jahr nach dem Valutierungstag. In der Regel wird aber eine feste Laufzeit zwischen den Parteien vereinbart, die sogar deutlich kürzer als ein Jahr ist (nicht selten nur mehrere Tage).119 Regelmäßig hat der Darlehensnehmer anfallende Dividenden

5.121

115

116 117 118 119

den Darlehensnehmer übertragen wird, vgl. FG Hessen v. 28.1.2020 – 4 K 890/17, EFG 2020, 1160 = juris Rz. 171 ff. Vgl. K.P. Berger in MünchKomm.BGB9, § 607 BGB Rz. 6. Ganz überwiegend werden Wertpapierdarlehenstransaktionen unter einem Rahmenvertrag zwischen den beteiligten Parteien abgeschlossen, vgl. hierzu Teuber in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch5, § 105 Rz. 6. Vgl. K.P. Berger in MünchKomm.BGB9, § 607 BGB Rz. 29. Abrufbar unter https://bankenverband.de/service/rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaef te/deutscher-rahmenvertrag-fur-wertpapierdarlehen/. Abrufbar unter https://www.islaemea.org/gmsla-title-transfer/gmsla-2010-agreements/. Soweit ersichtlich, gibt es keine Studien oder Statistiken über die durchschnittliche Laufzeit von Wertpapierdarlehen. Die Laufzeit ist aber für gewöhnlich nur von eher kurzer Dauer (vgl. aus der umfangreichen Literatur nur Schmidt/Usinger in Beck’scher BilKomm.12, § 254 HGB Rz. 120; Rau, DStR 2021, 6 (8). Vgl. auch OFD Frankfurt, Vfg. v. 17.2.2016 – S 2134 A-15-St 210, DStR 2016, 1112 („… Laufzeit der Darlehen sehr kurz“). Der Gesetzgeber hat sich im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Anrechnung von Kapitalertragsteuer in § 36a EStG für eine „Mindesthaltedauer“ von 45 Tagen entschlossen (vgl. § 36a Abs. 2 EStG). Damit geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass es (u.a.) Wertpapierdarlehen mit einer Dauer von weniger als 45 Tagen gibt (vgl. auch BT-Drucks. 18/8739, 113 f.); vgl. ergänzend und aktuell BMF v. 9.7.2021 – IV C 6-S 2134/19/10003 :007, DStR 2021, 1707.

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Kap. 5 Rz. 5.121 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

und Bezugsrechte an den Darlehensgeber weiterzuleiten (vgl. § 6 Abs. 1 des Deutschen Rahmenvertrags für Wertpapierdarlehen).

5.122 Bank-/kapitalmarktübliche Wertpapierdarlehen sind aus regulatorischen Gründen und solchen des Risikomanagements vorwiegend wechselseitige Darlehensgeschäfte. Wirtschaftlich betrachtet legt der „Entleiher“ der Aktien im Rahmen der Sicherheitsanlage erhebliche Geldbeträge (auch bspw. in Form festverzinslicher Wertpapiere) bei dem „Verleiher“ verzinslich an. Als Sicherheit für diese Anlage erhält er die „entliehenen“ Aktien (quasi als „Sicherungseigentum“). Wirtschaftlich betrachtet gewährt der Entleiher damit ein (mit den Aktien) besichertes Darlehen an den Verleiher.120 b) Wertpapierpensionsgeschäfte

5.123 Von Wertpapierdarlehen sind Wertpapierpensionsgeschäfte i.S.d. § 340b HGB (terminologisch synonym „Repo“121) abzugrenzen. Bei einem Wertpapierpensionsgeschäft überträgt der Pensionsgeber Wertpapiere gegen Zahlung eines Geldbetrages auf den Pensionsnehmer und der Pensionsnehmer verpflichtet sich, diese zu einem späteren Zeitpunkt gegen Zahlung eines im Vorhinein bestimmten Geldbetrages zurück zu übertragen (echtes Pensionsgeschäft i.S.d. § 340b Abs. 2 HGB). Der mit Wertpapierpensionsgeschäften verfolgte Zweck liegt z.B. häufig darin, dass der Pensionsgeber einen kurzfristigen mit Wertpapieren besicherten Kredit erhält.122 5.124 Bei einem Wertpapierpensionsgeschäft handelt es sich nicht – wie beim Wertpapierdarlehen – um eine „Überlassung auf Zeit gegen Nutzungsentgelt“, sondern um eine Überlassung auf Zeit durch Abschluss eines Kaufvertrags mit Rückkaufsvereinbarung („doppelter Kaufvertrag“123, vgl. § 340b Abs. 1 HGB). Während der sog. Pensionszeit hat der Pensionsnehmer infolge der zivilrechtlichen Eigentumsverschaffung unbeschränkte Verfügungsmacht über die Wertpapiere.124 5.125 Bei einem sog. echten125 Wertpapierpensionsgeschäft vereinbaren die Parteien also einen Kaufvertrag, verbunden mit einer Termin-Rückkaufsverpflichtung der (gleichartigen) Pensionsgüter zu einem bereits bestimmten oder vom Pensionsgeber zu bestimmenden Zeitpunkt (vgl. § 340b Abs. 2 HGB). Bei einer wirtschaftlichen Betrach-

120 Vgl. Ditz/Tcherveniachki, DB 2016, 615 (620); Ebel, FR 2016, 371 (371 f.). 121 Von „Repurchase Agreements“, vgl. Teuber in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch5, § 105 Rz. 13. 122 Vgl. Bleschick in Kirchhof/Seer22, § 20 EStG Rz. 17, 166; Redert in juris eKomm.EStG, § 20 EStG Rz. 67. 123 Vgl. K.P. Berger in MünchKomm.BGB9, § 607 BGB Rz. 8. 124 Vgl. Böcking/Wolsiffer/Bär in MünchKomm.HGB4, § 340b HGB Rz. 16. 125 Abzugrenzen von einem „echten“ Wertpapierpensionsgeschäft ist ein „unechtes“ Wertpapierpensionsgeschäft, bei dem der Pensionsnehmer Inhaber einer „Rückgabeoption“ ist. Damit ist der Pensionsnehmer berechtigt (aber nicht verpflichtet), das Pensionsgut zu einem vorab bestimmten Zeitpunkt zurück zu übertragen, § 340b Abs. 3 HGB, vgl. hierzu Gaber in BeckOGKHGB, § 340b HGB Rz. 36.

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C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.129 Kap. 5

tung sind Wertpapierdarlehen mit echten Wertpapierpensionsgeschäften vergleichbar.126 Insbesondere stehen während der Laufzeit Dividenden und sonstige Ausschüttungen dem Pensionsgeber zu.127 Insofern liegt auch hier lediglich eine „Eigentumsüberlassung auf Zeit“ vor. 2. Grunderwerbsteuerliche Einordnung Die grunderwerbsteuerliche Behandlung von Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften ist bislang ungeklärt. Da sie sich nicht im engeren Sinne „an“ der Börse vollziehen, werden sie vom Wortlaut der Börsenklausel nicht erfasst (vgl. Rz. 5.75).128 Der Regelungszweck spräche zwar dafür, die sog. „Börsenklausel“ auch auf diese Fälle anzuwenden, denn die hierbei erfolgenden Anteilserwerbe sind auf die Ertragskraft der KapGes. und nicht auf deren Grundstücke gerichtet129 und können deshalb keinen Missbrauch darstellen (s. bereits Rz. 5.103). Die Finanzverwaltung orientiert sich jedoch am Wortlaut und sieht darin keine Geschäfte i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG.130

5.126

Nach hier vertretener Auffassung führen diese Transaktionen jedoch bereits im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG (d.h. unabhängig von der Börsenklausel) nicht zu einem zu berücksichtigenden Zählerwerb:

5.127

§ 1 Absätze 2a und 2b GrEStG setzen für einen zu berücksichtigenden Zählerwerb tatbestandlich voraus, dass (1) Anteile auf neue Gesellschafter übergehen und (2) hierdurch eine Änderung des Gesellschafterbestands eintritt. Bei Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften kommt es unbestritten zu einem unmittelbaren Anteilsübergang, da das zivilrechtliche Eigentum an den Wertpapieren vollständig übertragen wird. Es fehlt jedoch an einer (dauerhaften) „Änderung des Gesellschafterbestands“, denn bei Abschluss des Rechtsgeschäfts steht für den übertragenden (Alt-)Gesellschafter bereits fest, dass er das Eigentum an dem Wertpapier nach Ablauf der i.d.R. vorher festgelegten Laufzeit des Geschäfts zurückerwerben wird (s. Rz. 5.119 u. Rz. 5.124).

5.128

Anders als in Fällen, in denen ein Gesellschafter seine Beteiligung veräußert, hierdurch seine Altgesellschafterstellung aufgibt und später aufgrund eines erneuten (zeitlich und sachlich von der früheren Veräußerung unabhängigen) Willensentschlusses

5.129

126 Vgl. Böcking/Wolsiffer/Bär in MünchKomm.HGB4, § 340b HGB Rz. 41. Vgl. auch Teuber in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 105 Rz. 16 („… Funktion eines (besicherten) Kredits“). 127 Vgl. § 7 Abs. 1 des Rahmenvertrags für Wertpapierpensionsgeschäfte (Repos), herausgegeben vom Bundesverband deutscher Banken und abrufbar unter https://bankenver band.de/service/rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaefte/deutscher-rahmenvertrag-furwertpapierpensionsgeschafte-repos/. 128 Vgl. auch Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 634. 129 Dazu vgl. BT-Drucks. 19/28528, 31. 130 Gleich lautende Ländererlasse zu v. 4.10.2022, BStBl. I 2022, 1451 Tz. 3.1.

Mörwald | 633

Kap. 5 Rz. 5.129 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

wieder als Neugesellschafter in eine Gesellschaft eintritt,131 wird bei Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften von vornherein der dingliche Rückerwerb des Wertpapiers vereinbart. Es erfolgt also keine Aufgabe der Altgesellschafterstellung. Das für § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG maßgebliche Verhältnis der Beteiligung von Neugesellschaftern zur fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern132 ändert sich bei Betrachtung des gesamten zehnjährigen Beobachtungszeitraums nicht.

5.130 Nach der vom Gesetzgeber konzipierten Fiktion besteuert § 1 Abs. 2b GrEStG eine „Gesellschaft, die wegen des Anteilseignerwechsels grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr als dieselbe Kapitalgesellschaft anzusehen ist.“133 Es wird also – ebenso wie bereits bei § 1 Abs. 2a GrEStG – eine veränderte Identität der grundbesitzenden Gesellschaft kraft grunderwerbsteuerlicher Fiktion unterstellt.134 Die (wirtschaftliche) Identität einer Gesellschaft wird durch Wertpapierdarlehen, Wertpapierpensionsgeschäfte und vergleichbare Transaktionen, die lediglich vertraglich „Eigentum auf Zeit“ vermitteln, jedoch nicht verändert. Denn es kommt hierdurch nicht zu einer dauerhaften Verschiebung von Anteilen von Alt- auf Neugesellschafter. 5.131 Soweit aufgrund der Ausgestaltung eines Wertpapierleihgeschäfts das wirtschaftliche Eigentum beim Verleiher verbleibt, spricht dies (zusätzlich) gegen einen relevanten Zählerwerb.135 Auf die Frage des wirtschaftlichen Eigentums kommt es aber aufgrund des bereits grundsätzlichen Fehlens einer Änderung des Gesellschafterbestands im zehnjährigen Betrachtungszeitraum (s. vorstehend) nicht entscheidend an. 5.132 Solange die grunderwerbsteuerliche Relevanz von Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäften nicht geklärt ist, müssen börsennotierte Unternehmen diese Vorgänge weiterhin in ihr grunderwerbsteuerliches Monitoring miteinbeziehen. IV. Öffentliche Übernahme

5.133 Mit dem Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001 (WpÜG)136 sind öffentliche Übernahmen von börsennotierten Aktiengesellschaften seit dem 1.1.2002 gesetzlich geregelt.137 Das WpÜG regelt in erster Linie den Ablauf von öffentlichen Angeboten auf den Erwerb von Aktien, die an einem organisierten Markt zum Börsenhandel zugelassen sind und unterscheidet zwischen „freiwilligen“ sog. Übernahmeangeboten, die auf den Erwerb der Kontrolle, d.h. von mind. 30 % der Stimmrechte gerichtet sind (§ 29 Abs. 2 WpÜG) und sog. Pflichtangeboten, die zwingend

131 Hierbei handelt es sich nach Verwaltungsauffassung um relevante Zählerwerbe, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.1.1. 132 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zu v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.3. 133 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, 12. 134 Vgl. BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 135 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 353. 136 BGBl. I 2001, 3822. 137 Zur Rechtsentwicklung s. Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG5, Rz. 62.1.

634 | Mörwald

C. Spezialprobleme des Wertpapierhandels | Rz. 5.136 Kap. 5

von demjenigen abzugeben sind, der die Kontrolle anders als durch ein freiwilliges Übernahmeangebot erlangt hat (§ 35 Abs. 2 und 3 WpÜG).138 Der Aktienerwerb im Rahmen einer öffentlichen Übernahme vollzieht sich im Regalfall außerhalb des Börsenhandels,139 was die Frage nach einer Anwendbarkeit der Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG aufwirft. In der Literatur wird als Gestaltungsmöglichkeit in Betracht gezogen, dass in der Angebotsunterlage festgelegt wird, dass bei Annahme des Übernahmeangebots eine Umbuchung bei der Clearstream Banking AG, Frankfurt am Main (nachfolgend „Clearstream“) in Aktien mit einer anderen Wertpapierkennnummer erfolgen soll.140 Ob dies dafür ausreicht, das Tatbestandsmerkmal „Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt“ (d.h. eines begünstigten Handelsplatzes) zu erfüllen, ist jedoch offen.141

5.134

Bei der öffentlichen Übernahme einer grundbesitzenden Aktiengesellschaft sind Konstellationen denkbar, in denen der Erwerber einen Teil der Aktien bereits vor dem Übernahmeangebot im Rahmen eines von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Vorgangs erworben hat, oder aufgrund einer bereits vor dem 1.7.2021 bestehenden Beteiligung als Altgesellschafter behandelt wird. Erreicht der Erwerber hierbei eine Beteiligung von 90 %, wird nicht die maßgebliche Schwelle des § 1 Abs. 2b GrEStG überschritten, aber die des § 1 Abs. 3 GrEStG (Vereinigung von mind. 90 % der Anteile). Ob § 1 Abs. 3 GrEStG eingreift, hängt wiederum davon ab, wie die dortige Subsidiaritätsklausel („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) ausgelegt wird. Da § 1 Abs. 2c GrEStG nur eine Zählausnahme, aber keinen allgemeinen Anwendungsausschluss des § 1 Abs. 2b GrEStG bewirkt, wird in der Literatur für möglich gehalten, dass die Subsidiaritätsklausel eine Anwendung auch des § 1 Abs. 3 GrEStG ausschließt.142

5.135

Beispiel 13: Investor I erwirbt über einen von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Börsenplatz 20 % der Aktien der grundstücksbesitzenden G-AG. Anschließend erwirbt I im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots weitere 71 % der Aktien.

5.136

Vgl. Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Schneider3, § 35 WpÜG Rz. 1 ff. Vgl. Fischer, BB 2021, 2391 (2393); Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 676. Vgl. Fischer, BB 2021, 2391 (2393). Zweifelnd Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 677, der darauf hinweist, dass bei dem Vorgehen an dem börsentypischen anonymisierten „Matching“ fehle und auch bei OTC-Geschäften das Clearstream-System zur Abwicklung der Eigentumsübertragung genutzt werde. 142 So Fischer, BB 2021, 2391 (2394) mit Verweis auf die Stellungnahme von Wernsmann im Rahmen der Anhörung des Finanzausschusses des deutschen Bundestags vom 14.10.2019, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/662120/%20de7e6631595596d889 a4185d3809b0b2/07-Wernsmann-data.pdf.

138 139 140 141

Mörwald | 635

Kap. 5 Rz. 5.136 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

20 % über Börse Aktionäre

I 71 % durch öffentliche Übernahme

G AG (börsennotiert)

Abb. 9 § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht einschlägig, da jedenfalls die über die Börse erworbenen 20 % der Aktien nicht als Zählerwerb zu berücksichtigen sind.143 Es werden jedoch 91 % der Aktien in der Hand der I i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG vereinigt. Die Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG ist auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht anwendbar. Ungeklärt ist, ob in diesem Fall die Subsidiaritätsklausel („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) eine Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG sperren könnte. Steuerpflichtige sollten Veranlagungen bis zu einer gerichtlichen Klärung der Subsidiaritätsfrage offen halten.

5.137 Geht man von der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG aus, kann eine sog. Drittbankenvereinbarung hilfreich sein, um eine Anteilsvereinigung in der Hand des Bieters zu verhindern.144 Durch eine solche Vereinbarung kann sichergestellt werden, dass der Bieter die 90 %-Schwelle des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht überschreitet. Hierzu kann beispielsweise vereinbart werden, dass der Bieter über Clearstream maximal 90 % der Aktien abzüglich einer bestimmten Zahl übertragen bekommt. Soweit das Übernahmeangebot für weitere, über diese Zahl hinausgehende Aktien angenommen wird, werden diese Aktien an einen Dritten, z.B. eine nicht anderweitig an der Transaktion beteiligte Bank („Drittbank“), übereignet.145 5.138 Beispiel 14: Investor I erwirbt über einen von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Börsenplatz 20 % der Aktien der grundstücksbesitzenden G AG. Anschließend erwirbt I Aktien im Rahmen eines freiwilligen Übernahmeangebots. I hat mit der D Bank eine Drittbankenvereinbarung abgeschlossen, wonach maximal 90 % minus 10.000 Aktien durch I erworben werden, während alle darüber hinaus gehenden „Überschussaktien“ durch die D Bank erworben und übernommen werden.

143 Zur Frage, ob die öffentliche Übernahme „an der Börse“ erfolgt, s. Rz. 5.134. 144 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 678; Fischer, BB 2021, 2391 (2394). 145 Vgl. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 678.

636 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.140 Kap. 5

20 % über Börse Aktionäre

I 70 % minus 10.000 durch öffentliche Übernahme Überschussaktien

Drittbankenvereinbarung D Bank

G AG (börsennotiert)

Abb. 10 Aufgrund der Drittbankenvereinbarung erwirbt I maximal 90 % minus 10.000 Aktien an der G AG; alle darüber hinausgehenden Aktien werden direkt von der D Bank übernommen. Es wird keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst, da es nicht zur Vereinigung von mind. 90 % der Anteile bei I kommt.146

Die Drittbankenvereinbarung eignet sich zur Vermeidung des § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung in einer Hand), nicht jedoch des § 1 Abs. 2b GrEStG. Ob § 1 Abs. 2b GrEStG eingreifen kann (oder ggf. aufgrund von Altgesellschafterstellungen oder § 1 Abs. 2c GrEStG auszuschließen ist), ist daher auch bei Abschluss einer Drittbankenvereinbarung zu prüfen und zu überwachen.

5.139

D. Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen I. Anzeige- und Ermittlungspflichten 1. Anzeigepflichten nach §§ 18, 19 GrEStG Soweit der Börsenhandel zu einer (möglichen) Auslösung von Grunderwerbsteuer führt, ist dies jeweils von der betroffenen Gesellschaft selbst (nicht etwa von ihren Aktionären) anzuzeigen. Denn die Anzeigepflicht trifft ausschließlich den Steuerschuldner (§ 19 GrEStG), welcher im Fall eines Erwerbs i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG gem. § 13 Nr. 6 GrEStG die grundbesitzende PersGes. und im Fall eines Erwerbs i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG gem. § 13 Nr. 7 GrEStG die grundbesitzende KapGes. ist. Diese sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a/3b GrEStG verpflichtet, Gesellschafterwechsel (auf allen Beteiligungsebenen) zu melden, die zur Verwirklichung der Tatbestände des § 1 Abs. 2a/2b GrEStG führen.

146 § 1 Abs. 2b GrEStG ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil die über die Börse erworbenen 20 % der Aktien nicht als Zählerwerb zu berücksichtigen sind.

Mörwald | 637

5.140

Kap. 5 Rz. 5.141 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

5.141 Der Gesetzgeber sieht die Anzeigepflichten als wesentliches Vollzugsinstrument der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände an und setzt also ganz auf den Steuerpflichtigen: „Die Anzeigen in Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG sind vor allem bei den Ergänzungstatbeständen § 1 Absatz 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG die primäre Informationsquelle der Finanzverwaltung und das wesentliche Instrument zur Vollzugssicherung.“147 Aufgrund der teilweise sehr schwierigen oder subjektiv unmöglichen Feststellbarkeit der Tatbestandserfüllung gerät dieses Instrument in Fällen des Börsenhandels jedoch an seine Grenzen. 5.142 Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger ihm auferlegte Anzeige- und Ermittlungspflichten in vielen Fällen nicht erfüllen kann (s. etwa Rz. 5.98 zur Unmöglichkeit der Feststellung mittelbarer Gesellschafterwechsel auf Ebene beteiligter Investmentfonds), führt indes nicht dazu, dass die Anzeigepflicht entfällt. Die Verpflichtung gilt grds. unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis des Meldepflichtigen.148 Bereits im Kontext zu § 1 Abs. 2a GrEStG stellte der BFH fest, dass kein Grund dafür bestehe, einzelne Erwerbsvorgänge, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auslösen, von der Anzeigepflicht auszunehmen.149 Die Anzeigepflicht ist wie die gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen eine objektive, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht.150 2. Ermittlungs- und Vorsorgepflichten nach der Abgabenordnung

5.143 Flankiert werden die Anzeigepflichten von den Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten nach der Abgabenordnung, wobei § 90 AO eine allgemeine und eine für Auslandssachverhalte geltende, erweiterte Mitwirkungspflicht vorsieht: – Allgemeine Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 AO): Nach dem sog. Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO) hat die Finanzbehörde von Amts wegen den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Beteiligte (§ 78 AO) sind jedoch gem. § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung verpflichtet (allgemeine Mitwirkungspflicht). Sie kommen ihrer Pflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO „[…] insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben“. – Erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten (§ 90 Abs. 2 AO): Nach dieser Bestimmung haben, soweit ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen ist, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung bezieht, die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (erweiterte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht für Auslandssachverhalte, § 90 Abs. 2 Satz 1 AO). 147 148 149 150

BT-Drucks. 19/13437, 15. Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 10. Vgl. BFH v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966. Vgl. BFH v. 12.6.1996 – II R 3/93, BStBl. II 1996, 485; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667.

638 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.146 Kap. 5

Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen (Grenze der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit, § 90 Abs. 2 Satz 2 AO). Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können (Vorsorgepflicht nach § 90 Abs. 2 Satz 3 AO). Der Anwendungsbereich des § 90 Abs. 2 AO erfasst auch die Grunderwerbsteuer.151 Für die grunderwerbsteuerliche Überwachung des Börsenhandels bedeutet dies, dass das börsennotierte grundbesitzende Unternehmen insbesondere im Hinblick auf ausländische Aktionärswechsel eine erweiterte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht trifft. Allerdings begrenzt § 90 Abs. 2 Satz 2 AO die Pflicht zur Mitwirkung auf das rechtlich und tatsächlich Mögliche. Keine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt daher vor, wenn die Ermittlung des Sachverhalts dem Steuerpflichtigen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht nicht möglich ist.152 Soweit die Gesellschaft ihre Anteilseigner nicht selbst ermitteln kann, liegt somit auch keine Verletzung einer steuerlichen Mitwirkungspflicht vor.

5.144

3. Verfahrensrechtliche Risiken a) Schätzung von steuerauslösenden Aktionärswechseln dem Grunde nach? Eine Verletzung der Ermittlungs- und Vorsorgepflicht nach § 90 Abs. 2 AO eröffnet eine Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 Satz 4 AO). Bei einer unterstellten Verletzung dieser Pflicht würde sich die Frage stellen, ob § 162 AO lediglich eine Schätzung der Steuer der Höhe nach erlaubt (Schätzung der Höhe nach) oder ob bereits das Vorliegen eines die Besteuerung auslösenden Sachverhalts (Schätzung dem Grunde nach) im Schätzungswege angenommen werden darf (Rz. 10.43 ff.). Dies wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt.153

5.145

Bejaht man mit Teilen der Rechtsprechung154 und Literatur155 die Möglichkeit einer Schätzung dem Grunde nach, bildet indes das Gebot einer realitätsnahen Schätzung156 eine hohe Schranke der Schätzungsbefugnis. Ziel der Schätzung im Besteuerungsverfahren ist die Ermittlung des Ergebnisses, für das die größte Wahrscheinlichkeit spricht.157 Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich

5.146

Vgl. z.B. BFH v. 5.9.2013 – II R 16/12, BStBl. II 2014, 42. Vgl. z.B. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFH/NV 2001, 957. Zum Meinungsstand vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 20 m.w.N. Vgl. OVG Lüneburg v. 28.2.2018 – 9 LC 217/16, DVBl. 2018, 722; BFH v. 12.7.2017 – X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204. 155 Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 20. 156 Vgl. BFH v. 25.5.2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498; v. 12.7.2017 – X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204. 157 BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871.

151 152 153 154

Mörwald | 639

Kap. 5 Rz. 5.146 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

möglich und vernünftig sein.158 Im Rahmen einer etwaigen Schätzung sind deshalb auch alle Argumente und Umstände zu berücksichtigen, die gegen einen grunderwerbsteuerlich relevanten Wechsel im Aktionärsbestand sprechen. b) Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe

5.147 Angesichts der erheblichen Hindernisse für die Tatbestandsermittlung stellt sich die Frage, inwieweit eine unterbliebene Anzeige von Gesellschafterwechseln für die gesetzlichen Vertreter des börsennotierten Unternehmens straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich vorwerfbar sein könnte. Bei Unkenntnis der Rechtsvorgänge, die eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands ausgelöst haben, dürfte dem Vorstand oder Geschäftsführer einer grundbesitzenden Gesellschaft kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sein.159 Denn soweit der Erklärungspflichtige trotz aller Bemühungen zur Erkennung des grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes keine subjektive Kenntnis über die Erfüllung des Tatbestandes hat, schließt dies eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) aus.160 5.148 Des Weiteren sollte durch hinreichende Compliance- und Überwachungsmaßnahmen auch dem möglichen Vorwurf einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO (Rz. 10.16 ff.) sowie einer Aufsichtspflichtverletzung i.S. des § 130 OWiG (Rz. 10.22 ff.) entgegengetreten werden können. 5.149 Auch diese Vorwürfe knüpfen an das Unterlassen von zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen und die Etablierung von ausreichenden Compliance-Prozessen an. Für den praktischen Umgang mit dem Risiko eines möglichen, aber nicht feststellbaren steuerbaren Anteilseignerwechsels ist daher zu empfehlen, eine umfassende, laufende Überwachung des Aktionärsbestands im Rahmen aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu implementieren und die Ergebnisse sorgfältig zu dokumentieren. 5.150 Ein unterstellter Verstoß gegen Anzeige- und Ermittlungspflichten kann auch außerhalb einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Relevanz negative Folgen haben. Dies gilt insbesondere für die fehlende Möglichkeit einer steuerbegünstigten Rückabwicklung (§ 16 Abs. 5 GrEStG) und mögliche Verspätungszuschläge (§ 19 Abs. 6 GrEStG).161

158 BFH v. 13.10.2003 – IV B 85/02, BStBl. II 2004, 25. 159 Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 10. 160 Vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 301; Flore in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 149; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschaftsund Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 68 f. 161 Im Hinblick auf die Verspätungszuschläge ist zu beachten, dass die höhenmäßige Begrenzung auf 25.000 Euro (§ 152 Abs. 10 AO) durch eine kürzliche Gesetzänderung für den Bereich der Grunderwerbsteueranzeigen aufgehoben worden ist (§ 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG), so dass hier deutlich höhere Verspätungszuschläge möglich sind als in anderen Steuerarten. Der Verspätungszuschlag beträgt 0,25 % der festgesetzten Steuer für jeden Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO).

640 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.154 Kap. 5

II. Möglichkeiten und Grenzen der Sachverhaltsermittlung 1. Meldepflichten gem. § 33 WpHG Gemäß §§ 33 ff. WpHG sind Investoren dazu verpflichtet, dem börsennotierten Unternehmen sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitzuteilen, sobald gewisse Schwellenwerte erreicht, über- oder unterschritten werden. Die für die Mitteilungspflicht maßgeblichen Schwellenwerte der Stimmrechtsanteile liegen gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG bei 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 % der Stimmrechte des Emittenten. Auch kurzzeitige Über- und Unterschreitungen begründen eine Meldepflicht.162

5.151

Verfügt ein Investor über eine mehrstufige Beteiligungsstruktur, unterliegt jede Stufe seiner Beteiligungskette der Verpflichtung zur Mitteilung des Erreichens, des Überschreitens oder des Unterschreitens der gesetzlichen Meldeschwellen nach §§ 33 ff. WpHG.163 Durch § 38 WpHG werden die Mitteilungspflichten von Investoren beim Erreichen, Über- und Unterschreiten der gesetzlichen Meldeschwellen für bedeutende Stimmrechtsanteile auf weitere (Finanz-)Instrumente ausgedehnt, die zwar kein durchsetzbares Recht für den Erwerb von Aktien gewähren, aber einen solchen Erwerb ermöglichen. Diese verschärfte Transparenzpflicht kann zu einer Erhöhung der Zahl der Stimmrechtsmitteilungen führen.

5.152

Der Emittent (d.h. das börsennotierte Unternehmen) hat die mitgeteilten Informationen unverzüglich, spätestens drei Handelstage nach Zugang der Mitteilung zu veröffentlichen (§ 40 Abs. 1 WpHG). Die Veröffentlichung des Emittenten muss sich strikt an den Inhalt der Mitteilung des Investors halten.

5.153

Obwohl die Stimmrechtsmitteilungen nach § 33 WpHG zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des § 1 Abs. 2b GrEStG beitragen sollen,164 bietet dieses Instrument in der Praxis nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten. Denn Erwerbe unterhalb des niedrigsten Schwellenwerts von 3 % werden durch die Mitteilungspflicht nicht erfasst. Tatsächlich ist Streubesitz unter 3 % bei börsennotierten Aktiengesellschaften

5.154

162 Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsrecht7, § 33 Rz. 63 ff. 163 Erwirbt bspw. ein Investor 3 % der Stimmrechte nicht unmittelbar, sondern mittelbar über eine Enkelgesellschaft, so müssen Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft jeweils das Erreichen der gesetzlichen 3 %-Schwelle melden (also im Beispiel drei Meldungen), obwohl dieser Investor nicht 9 %, sondern effektiv nur 3 % hält. An der entsprechenden Meldung ist dies daran zu erkennen, dass die Meldungen der Mutter- und der Tochtergesellschaft auf die Zurechnung des von der Enkelgesellschaft gehaltenen Bestandes verweisen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 34 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 8 WpHG). 164 Drüen, Ubg 2019, 65 (73) räumt zwar ein, dass die Meldepflichten nach § 33 Abs. 1 WpHG, deren niedrigster Schwellenwert ein Stimmrechtsanteil von 3 % ist, keine Vollzugssicherheit gewährleisten, verneint aber ein strukturelles Vollzugsdefizit, da die „nicht völlig ausräumbaren faktischen Ermittlungserschwernisse“ nur für eine „wohl eher untergeordnete Zahl an Fällen“ bestünden. Diese Annahme erscheint zweifelhaft, vgl. kritisch Mörwald, DStZ 2019, 492 (501).

Mörwald | 641

Kap. 5 Rz. 5.154 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

nicht die Ausnahme, sondern die Regel.165 Durch die Stimmrechtsmitteilungen kann daher nur ein kleiner Teil der grunderwerbsteuerlich relevanten Aktionärswechsel überwacht werden. 2. „Know your Shareholder“ (§ 67d AktG)

5.155 Im Rahmen einer Aktionärsabfrage gem. § 67d AktG („Know Your Shareholder“) kann eine börsennotierte Gesellschaft Informationen über die Identität ihrer Aktionäre und über den nächsten Intermediär verlangen und so ihre Aktionäre identifizieren und die Verwahrkette aufklären. Die Regelung ist neu, erstmals anwendbar ab dem 3.9.2020 (vgl. § 26j Abs. 4 EGAktG) und setzt die Vorgaben von Art. 3a Abs. 2 Aktionärsrechte-RL i.d.F. der RL (EU) 2017/828 („ARUG II“) um. Der Informationsanspruch nach § 67d AktG gilt sowohl für Gesellschaften mit Namensaktien als auch für solche mit Inhaberaktien. Für Gesellschaften mit Inhaberaktien ist diese Identifikationsmöglichkeit neu; zuvor bestand bei Inhaberaktien kein (aktiengesetzliches) Recht der Gesellschaft auf Identifikation der Aktionäre.166 Die Entscheidung, ob, wann und inwieweit die Gesellschaft von dem Recht zur Identifikation Gebrauch macht, liegt bei der Gesellschaft.167 Es besteht jedoch keine Verpflichtung der Gesellschaft zur „regelmäßigen Identifikation ihrer Aktionäre in bestimmten Zeitabständen.“168 5.156 Durch eine Aktionärsabfrage nach § 67d AktG lassen sich (theoretisch) auch Aktionäre ermitteln, die lediglich eine Aktie halten.169 Es kann dabei jedoch ausschließlich die Identität des Aktionärs im materiell-rechtlichen bzw. dinglichen Sinne nach Maßgabe der Depotbücher der Letzt-Intermediäre ermittelt werden.170 Aktionär i.S.d § 67d AktG ist damit der erste Nicht-Intermediär in der depotrechtlichen Verwahrkette („intermediärsbezogener Aktionärsbegriff“).171 Das bedeutet auch, dass keine Offenlegung schuldrechtlicher oder rein wirtschaftlicher Positionen unter Einschluss

165 Z.B. befindet sich die große Mehrzahl der Aktien an DAX-Unternehmen im Streubesitz, vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/510875/umfrage/anteil-der-aktien-derdax-unternehmen-im-streubesitz/(zuletzt aufgerufen am 13.5.2019). Die Deutsche Börse AG definiert Aktienpakete unter 5 % als Streubesitz. 166 Vgl. von Nussbaum in K. Schmidt/Lutter4, § 67d AktG Rz. 1. 167 Vgl. von Nussbaum in K. Schmidt/Lutter4, § 67d AktG Rz. 1. 168 Vgl. BT-Drucks. 19/9739, 66. 169 Vgl. Rachlitz in Grigoleit2, § 67d AktG Rz. 1 f. 170 Vgl. Bayer/Illhardt in MünchKomm.AktG5 – Nachtrag zum ARUG II, § 67d Rz. 18; Einsele, JZ 2019, 121 (124); Foerster, AG 2019, 17 (22); von Nussbaum in K. Schmidt/Lutter4, § 67a AktG Rz. 154 f.; Rachlitz in Grigoleit2, § 67d AktG Rz. 29 ff.; Eggers/de Raet, AG 2017, 464 (471). 171 Vgl. Rachlitz in Grigoleit2, § 67d AktG Rz. 29; Zetzsche, ZGR 2019, 1 (6 f.); Zetzsche, AG 2020, 1 (3). Zu den Aktionären i.S.d. § 67d AktG gehören auch Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG), denen gem. § 93 Abs. 1 KAGB die Befugnis zusteht, im Miteigentumsmodell über die Aktien zu verfügen. Insofern ist auch die Identifikation der Anleger der KVG nicht möglich, vgl. von Nussbaum in K. Schmidt/Lutter4, § 67a AktG Rz. 19.

642 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.160 Kap. 5

von Treuhandabreden erfolgt.172 Maßgeblich für die Aktionärseigenschaft i.S.d. § 67d AktG ist damit die (materiell-rechtliche bzw. dingliche) Eigentumsposition des jeweiligen Rechtsträgers an der nämlichen Aktie. Dies bildet zugleich die Ermittlungsgrenze einer Aktionärsabfrage, womit insbesondere Gesellschafterwechsel auf Ebene beteiligter Gesellschaften oder Fonds (also Anteilsbewegungen „oberhalb“ des wie vorstehend definierten Aktionärs im Rechtssinne) nicht ermittelt werden können. Da nach § 67d AktG die Identität der Aktionäre, nicht aber die kontinuierliche Beteiligung und deren Höhe im Zeitablauf ermittelt werden kann, ist die Aussagekraft für grunderwerbsteuerliche Zwecke auf eine Stichtagsbetrachtung (ggf. in regelmäßigen Intervallen) begrenzt. Ob ein Aktionär zwischen zwei Abfragestichtagen ggf. seine Aktien veräußert hat und durch zwischenzeitlichen Wiedererwerb zu einem Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG geworden ist,173 lässt sich nicht ermitteln.

5.157

3. Private Informationsdienstleister Als weitere oder ergänzende Möglichkeit zur Überwachung ihres Aktionärsbestands haben börsennotierte Unternehmen die Möglichkeit, auf private Informationsdienstleister zurückzugreifen. Diese Anbieter verfügen ebenfalls häufig über umfangreiche Aktionärsdaten und können u.U. zusätzliche, speziell auf den grunderwerbsteuerlichen Informationsbedarf ausgerichtete Auswertungen liefern.

5.158

Im Regelfall dürfte jedoch auch bei den meisten dieser Informationsquellen die Datentiefe regelmäßig beim zivilrechtlichen Eigentümer der Aktie enden. Ähnlich wie bei § 67d AktG wird die Betrachtung zudem auch hier regelmäßig stichtagsbezogen sein und keine kontinuierliche Überwachung des Aktionärsbestands im Zeitablauf ermöglichen.

5.159

4. Faktische Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung bei mittelbaren Gesellschafterwechseln Die zur Verfügung stehenden Informationsquellen haben eines gemeinsam: Sie enden beim zivilrechtlichen Eigentümer der Aktie. Wer als mittelbarer Gesellschafter über eine andere (ggf. Aktien-)Gesellschaft oder einen beteiligten Investmentfonds beteiligt ist bzw. Anteile als Alt- oder als Neugesellschafter erwirbt, ist mit diesen Instrumenten nicht ermittelbar. Die börsennotierte Gesellschaft wird dies – auch dann, wenn sie engen Kontakt mit ihren Aktionären hält – im Regelfall nicht herausfinden und die Aktionäre werden regelmäßig darüber auch keine Auskunft geben (können).174

172 Vgl. Bayer/Illhardt in MünchKomm.AktG5 – Nachtrag zum ARUG II, § 67d AktG Rz. 18; Rachlitz in Grigoleit2, § 67d AktG Rz. 9. 173 Dies wäre nach der Verwaltungsauffassung ein relevanter Zählerwerb, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.1.1. 174 Vgl. zum Beispiel beteiligter Investmentfonds unter Rz. 5.99.

Mörwald | 643

5.160

Kap. 5 Rz. 5.161 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

5.161 Beispiel 15: An der börsennotierten G AG, die über inländischen Grundbesitz verfügt, sind neben Individualaktionären auch die private X GmbH, die ihrerseits börsennotierte Y AG sowie private und börsennotierte Investmentfonds („Exchange-Traded Fund“/ETF) beteiligt. Mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten wie etwa der Aktionärsabfrage nach § 67d AktG können nur die zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien, nicht aber die hinter diesen stehenden bzw. an ihnen beteiligten Personen ermittelt werden.

Aktionäre

???

Börsenhandel

???

???

Börsenhandel

X GmbH

Y AG (börsennotiert)

??? Börsenhandel

Fonds

ETF

G AG (börsennotiert)

Grenze von § 67d AktG („Know Your Shareholder“) und WpHG-Meldepflichten: zivilrechtliches Eigentum Abb. 11

5.162 Bei einzelnen privaten Personen- und Kapitalgesellschaften ist ggf. möglich, über die öffentlich verfügbaren Daten aus dem Handelsregister und dem Transparenzregister begrenzte Rückschlüsse über deren Gesellschafterbestand zu erhalten. Wenn es sich bei einem Aktionär um eine (deutsche) Personenhandelsgesellschaft – also um eine OHG oder eine KG (nicht GbR) – handelt, können Informationen über den Gesellschafterbestand dieser Gesellschaften durch regelmäßige Einsichtnahmen in die elektronisch abrufbaren Handelsregisterauszüge erlangt werden. Bei KapGes. sind Gesellschafterlisten über das Registerportal der Länder (www.handelsregister.de) abrufbar, auch in ihrer historischen Entwicklung. Gesellschafterlisten stellen ein verlässliches Instrument dar, um sich über etwaige Veränderungen im Gesellschafterbestand einer GmbH zu informieren, weil sie die Gesellschafterentwicklung lückenlos wiedergeben.175 Der Aufwand einer Nachforschung hinsichtlich des Gesellschafterbestands einer beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft ist jedoch für die börsennotierte Gesellschaft nur im Einzelfall zumutbar und erfolgversprechend (z.B. 175 Altmeppen in Altmeppen11, § 16 GmbHG Rz. 4; Seibt in Scholz12, § 40 GmbHG Rz. 3; Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 40 GmbHG Rz. 3 und 9.

644 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.167 Kap. 5

hinsichtlich großer Ankeraktionäre, dazu Rz. 5.65). Regelmäßig wird diese Möglichkeit aufgrund der Vielzahl der Aktionäre oder weil es sich um ausländische Gesellschaften handelt, nicht in Betracht kommen. Die im obigen Beispiel 15 skizzierte Struktur dürfte dem Regelfall eines börsennotierten Unternehmens entsprechen. Die Praxis muss sich aufgrund der bestehenden Informationsdefizite und Ermittlungsunmöglichkeiten daher regelmäßig mit Näherungsmethoden, Negativabgrenzungen und Plausibilitätsbetrachtungen behelfen (dazu nachfolgend).

5.163

III. Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten 1. Stichtagsbezogene Beobachtung von „Anker“-Altgesellschaftern Eine Verbesserung der Rechtssicherheit hinsichtlich Grunderwerbsteuerrisiken durch Börsenhandel kann durch ein regelmäßiges stichtagsbezogenes Monitoring des Aktionärsbestands in Verbindung mit der Identifikation von „Anker“-Altgesellschaftern erfolgen. Hierfür ist zunächst eine regelmäßige Abfrage von Aktionärsdaten zu festgelegten Stichtagen zu implementieren. Dies kann sowohl durch „Know Your Shareholder“-Abfragen (Rz. 5.155 ff.) als auch durch private Informationsdienstleister (Rz. 5.158 f.) umgesetzt werden. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG (grundbesitzende KapGes.), kann es sich empfehlen, mit dem Stichtag 30.6.2021 zu beginnen, denn die zu diesem Stichtag Beteiligten sind nach der Verwaltungsauffassung Altgesellschafter. Für Zwecke des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG (grundbesitzende PersGes., an denen die börsennotierte Gesellschaft beteiligt ist) wird auf Rz. 5.68 verwiesen.

5.164

Im nächsten Schritt sind die Daten dahingehend auszuwerten, ob größere Aktienpakete von einzelnen Aktionären gehalten werden (hierbei kann es sich um Privatpersonen, Gesellschaften oder Fonds handeln). Sind diese nach den Maßstäben des § 1 Abs. 2b GrEStG bzw. des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG als Altgesellschafter zu qualifizieren, sollte ihre Gesellschafterstellung im Zeitablauf beobachtet und zu jedem Betrachtungsstichtag überwacht werden.

5.165

Kann auf Basis dieser Stichtagsbetrachtung nachgewiesen werden, dass einer oder mehrere dieser „Anker“-Altgesellschafter zusammen mehr als 10 % der Aktien der Gesellschaft halten und diese Quote zu jedem der Beobachtungsstichtage stabil ist, liegt ein gewichtiges Indiz dafür vor, dass es – jedenfalls auf der unmittelbaren Ebene der Aktien der börsennotierten Gesellschaft – nicht zu einem schädlichen Gesellschafterwechsel von 90 % gekommen ist.

5.166

Durch die Stichtagsbetrachtung kann zwar nicht festgestellt werden, ob die beobachteten Gesellschafter in der Zwischenzeit sämtliche Aktien verkauft haben und diese danach wieder erworben haben. Dies ist von Relevanz, denn nach der Verwaltungsauffassung verliert ein Gesellschafter mit Aufgabe seiner Gesellschafterstellung auch die Stellung als Altgesellschafter; bei Wiedererwerb eines Anteils wird er als Neuge-

5.167

Mörwald | 645

Kap. 5 Rz. 5.167 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

sellschafter behandelt.176 Bei hinreichend engmaschig gewählten Stichtagen sollte jedoch die Annahme vertretbar sein, dass ein Gesellschafter ununterbrochen beteiligt war.

5.168 Beispiel 16: Die börsennotierte G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, hat seit 30.6.2021 und zum Ende der darauffolgenden Halbjahre die folgenden größten Aktionäre: Aktionär

Beteiligung 30.6.2021

Beteiligung 31.12.2021

Beteiligung 30.6.2022

A

6,0 %

7,0 %

5,0 %

B GmbH

4,7 %

4,2 %

4,7 %

C S.à.r.l. (Fonds)

3,5 %

3,8 %

3,3 %

D AG Summe

2,5 %

3,2 %

2,9 %

16,7 %

18,2 %

15,9 %

Da A, die B GmbH, die C S.à.r.l. und die D AG zu jedem Betrachtungsstichtag mehr als 10 % der Aktien halten, bilden sie eine Gruppe von „Anker“-Altgesellschaftern. Die Annahme, dass keiner der vier Gesellschafter seine Beteiligung zwischenzeitlich vollständig veräußert und danach wieder erworben hat, kann aufgrund der halbjährlichen Stichtagsbetrachtung plausibel getroffen werden.

5.169 Die Feststellung und der Plausibilitätsnachweis, dass im Aktionärskreis ein oder mehrere Anker-Altgesellschafter sind, genügt jedoch noch nicht, um auch mittelbare Gesellschafterwechsel auszuschließen. Ist der Anker-Altgesellschafter eine natürliche Person, kann ein mittelbarer Übergang der Aktien ggf. noch durch Treuhandgeschäfte erfolgen, im Regelfall aber ausgeschlossen werden. Bei beteiligten Gesellschaftern können – mit Einschränkungen – ggf. über das Handels- oder das Transparenzregister Rückschlüsse in Bezug auf mittelbare Gesellschafterwechsel gezogen werden (dazu Rz. 5.162). 5.170 Soweit der Ankergesellschafter ein Fonds oder eine Gesellschaft mit ihrerseits nicht vollständig überwachbarem Gesellschafterbestand (z.B. börsennotierte AG) ist, kann keine abschließende Rechtssicherheit erlangt werden, da die mittelbaren Gesellschafterwechsel nicht überprüfbar sind (dazu Rz. 5.160). Hier kann jedoch eine Eingrenzung durch plausible Annahmen und (Negativ-)Indizien erreicht werden. So kann beispielsweise bei einem seit mehreren Jahren existierenden ETF, dessen Anleger großenteils über einen Fonds-Sparplan investieren und hierbei monatlich feste Beträge einzahlen („Fondssparen“), die plausible Annahme getroffen werden, dass die meisten Anleger langfristig beteiligt sind und deshalb entweder aufgrund ihrer Haltedauer oder aufgrund der Tatsache, dass sie zum 30.6.2021 bereits investiert waren,177 als Altgesellschafter zu qualifizieren sind. 176 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.1.1. 177 Wer am 30.6.2021 unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, wird für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG als Altgesellschafter behandelt, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.1.1., 5.2.1.2, 5.2.3.2.

646 | Mörwald

D. Compliance im börsennotierten Unternehmen | Rz. 5.174 Kap. 5

2. Abschätzung des Handelsvolumens Ein weiterer Ansatz, um die Auslösung von Grunderwerbsteuer durch Börsenhandel auszuschließen, ist die Abschätzung des Handelsvolumens an durch § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten im Vergleich zum Handelsvolumen an nicht begünstigten Börsenplätzen. Das Handelsvolumen hat zwar keine Aussagekraft für die Ermittlung der Zählquote (s. Rz. 5.15). Sofern jedoch aufgrund der Handelsdaten deutlich wird, dass ein großer Teil des Aktienhandels an begünstigten Börsenplätzen stattfindet, ist dies ein belastbares Indiz dafür, dass kein schädlicher Anteilsübergang im Umfang von 90 % erfolgt ist.

5.171

Beispiel 17: Die Aktien der börsennotierten G AG, zu deren Vermögen inländische Grundstücke gehören, werden an der Deutschen Börse in Frankfurt (Prime Standard), sowie an den Börsen in London und Zürich gehandelt. Es können folgende Handelsvolumina (Zahl der Aktienbewegungen ermittelt werden):

5.172

Börsenplatz

Handelsvolumen (Monat)

in %

Frankfurt

2,5 Mrd.

62,5 %

London

0,9 Mrd.

22,5 %

Zürich

0,6 Mrd.

15 %

Auf Grundlage dieser Daten erscheint die Annahme plausibel, dass der größte Teil der Aktienbewegungen an einem begünstigten Börsenplatz erfolgt ist und somit nicht 90 % der Anteile im Rahmen nicht von der Börsenklausel erfasster Vorgänge bewegt wurden. Dementsprechend bieten die Daten keine Anzeichen dafür, dass § 1 Abs. 2b GrEStG ausgelöst wurde.

3. Verfahrensrechtliche Instrumente Soweit ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch Börsenhandel ein steuerbarer Vorgang ausgelöst worden sein könnte, oder dies jedenfalls nicht durch eine geeignete Plausibilitätsbetrachtung (s. vorstehend) als unwahrscheinlich eingestuft werden kann, bietet sich das Instrument der Negativ-Anzeige (s. Rz. 10.38) an. Hierbei sollten dem Finanzamt alle relevanten Erkenntnisse sowie die Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nachvollziehbar dargelegt werden. Die Feststellung, ob ein steuerbarer Vorgang stattgefunden hat, obliegt dann dem Finanzamt mit seinen ggf. noch weitreichenderen Ermittlungsmöglichkeiten. Die Schätzung eines steuerbaren Vorgangs dem Grunde nach unterliegt hohen Schranken (s. Rz. 5.145 ff.). Soweit man sie für zulässig hält, muss hierbei das Ergebnis zu Grunde gelegt werden, für das die größte Wahrscheinlichkeit spricht.178

5.173

Eine weitere verfahrensrechtliche Absicherung, ob ein grunderwerbsteuerlich relevanter Sachverhalt verwirklicht wurde, könnte durch eine proaktive Abstimmung, wie beispielsweise im Rahmen einer sog. tatsächlichen Verständigung, mit der Finanzverwaltung erreicht werden. Das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung ermöglicht eine bindende und einvernehmliche Klärung ungewisser Sachverhaltsfra-

5.174

178 BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871.

Mörwald | 647

Kap. 5 Rz. 5.174 | Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen

gen (nicht: Rechtsfragen)179 und wird auch bei Sachverhalten mit Dauerwirkung oder Dauerwiederkehr für zulässig gehalten.180

5.175 Unabhängig von den Anzeige- und Ermittlungspflichten ist zu berücksichtigen, dass die Grunderwerbsbesteuerung des Börsenhandels erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt. Nach hier vertretener Auffassung liegt – ungeachtet der Entlastungen durch die „Börsenklausel“ § 1 Abs. 2c GrEStG (die selbst wiederum beihilferechtlichen Zweifeln unterliegt181) – ein strukturelles Vollzugsdefizit vor.182 Die durch Art. 3 Abs. 1 GG garantierte Besteuerungsgleichheit umfasst nicht nur die Gleichheit der normativen Steuerpflicht, sondern auch die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.183 Beim Börsenhandel ist es weder für den Steuerpflichtigen noch für die Finanzverwaltung möglich, festzustellen, ob und, wenn ja, wann der Tatbestand von § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG verwirklicht wurde.184 Die einzige vom Gesetzgeber vorgesehene Erhebungsregel des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b GrEStG, die eine Anzeigepflicht der grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft selbst vorsieht, erweist sich als unzureichend und kann die Gleichheit im Belastungserfolg nicht gewährleisten. Soweit es bei Steuerpflichtigen zu Grunderwerbsteuerfestsetzungen aufgrund von Börsenhandel kommt, sollte Einspruch eingelegt und die Veranlagungen bis zu einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit offen gehalten werden.

179 Grundlegend BFH v. 11.12.1984 – VIII R 131/76, BStBl. II 1985, 354. Eine unmittelbare gesetzliche Rechtsgrundlage für die tatsächliche Verständigung existiert nicht. 180 Vgl. Seer, BB 1999, 78 (80); Harle/Kulemann in Lexikon des Steuerrechts, 130. Lieferung 2021, „Tatsächliche Verständigungen“. 181 Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 636. 182 Vgl. auch Joisten, ifst-Schrift 528, 2019, 29 f.; Behrens/Dworog, BB 2018, 1943 (1946); Mörwald, DStZ 2019, 492 (503). 183 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 = BVerfGE 84, 239-285 Rz. 109; BVerfG v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BStBl. II 2005, 56 = BVerfGE 110, 94-141 Rz. 63 ff. 184 Vgl. Eberhardt/Thomsen, WPg 2020, 596 (597).

648 | Mörwald

Kapitel 6 Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen A. Übertragende Umwandlung I. Steuerbare Vorgänge 1. Übertragung von Grundstücken (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung von Anteilen (§ 1 Abs. 2a–3a GrEStG) a) Grundfälle aa) Anteile im übertragenen Vermögen . . . . . . bb) Anteilsverschiebungen bei übertragendem und übernehmendem Rechtsträger . . . . . . . . b) Beteiligungskettenverlängerung . . . . . . . . . . . . . . c) Beteiligungskettenverkürzung aa) Grundsatz . . . . . . . . . . bb) Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG . cc) Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlungsrechtlicher sog. „Squeeze-Out“ . . . . . . e) Anwachsung nach Verschmelzung . . . . . . . . . . . . 4. Kettenumwandlungen . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiung nach § 6a GrEStG 1. Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen a) Begünstigte Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligte am Rechtsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1 6.9

6.10

6.22 6.25 6.28 6.29 6.32 6.33 6.35 6.37

6.43 6.46 6.49 6.55

c) Herrschendes Unternehmen aa) Rechtsform . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Herrschendes Unternehmen bei mehrstufigem Konzernaufbau d) Abhängige Gesellschaft aa) Anforderungen an die Gesellschaft . . . . . . . . . bb) Ermittlung der 95 %Quote . . . . . . . . . . . . . . e) Vor- und Nachbehaltensfrist aa) Grundregelung . . . . . . bb) Unschädliche Nichteinhaltung der Fristen in bestimmten Fällen . cc) Forderung nach einer weitergehenden teleologischen Reduktion . 3. Rechtsfolgen a) Keine Erhebung der Grunderwerbsteuer . . . . . b) Anzeigepflichten . . . . . . . . c) Folgen eines Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen . . . . . . . . . . . . . B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte I. Steuerbare Vorgänge 1. Einbringung von Grundstücken a) Grundfälle nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG . . . . . b) Zwischengeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . .

6.59 6.60 6.67 6.79 6.80 6.88 6.96 6.108 6.112 6.121 6.122 6.126 6.135

6.140 6.143

Tigges-Knümann/Mörwald/Broemel | 649

Kap. 6 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen c) Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG . 2. Einbringung von Anteilen a) Grundfälle . . . . . . . . . . . . . b) Einfache und erweiterte Anwachsung . . . . . . . . . . . c) Abtretung eines Anteilsübertragungsanspruchs . . 3. Ketteneinbringungen . . . . . . . . 4. Ausbringung von Grundstücken oder Anteilen . . . . . . . 5. Anteilsverschiebungen bei der aufnehmenden oder ausbringenden Gesellschaft . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Einbringungen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Befreiung nach § 6a GrEStG 1. Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen a) Begünstigte Tatbestände aa) Einbringungen und sonstige Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage . . . . . bb) Keine Anwendung auf Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG . . . . . . . . . . . . cc) Keine Anwendung auf Anteilsübertragungen an Schwestergesellschaften oder sonstige Konzerngesellschaften dd) Tabellarische Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligte am Rechtsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . c) Herrschendes Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . d) Abhängige Gesellschaft . . e) Vor- und Nachbehaltensfrist aa) Grundregelung . . . . . . bb) Unschädliche Nichteinhaltung der Fristen in bestimmten Fällen 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern . . . . . . . . . . . . . . . .

6.145 6.147 6.153 6.156 6.159 6.164 6.167

6.168 6.170

6.172

6.178

6.181 6.183 6.184 6.186 6.187 6.188 6.190 6.193 6.194

650 | Tigges-Knümann/Mörwald/Broemel

V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen . . . . . . . . . . . . 6.201 C. Formwechsel I. Rechtsnatur und zivilrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . 6.202 II. Grunderwerbsteuerliche Irrelevanz auf Gesellschaftsebene . . . . 6.205 III. Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.206 2. Homogener Formwechsel (Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft in Personengesellschaft) a) Quotenwahrender homogener Formwechsel . . . . . 6.209 b) Quotenverschiebender homogener Formwechsel 6.211 3. Heterogener Formwechsel (Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft und umgekehrt) a) Quotenwahrender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft aa) Grundsatz: Steuerbarer Vorgang nur bei Quotenverschiebung . 6.217 bb) Sonderfall 1: Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft mit Ausscheiden des 0 %- Gesellschafters . . . . . . . . 6.218 cc) Sonderfall 2: Quotenwahrender Formwechsel bei Beteiligung oberhalb der 90 %Schwelle . . . . . . . . . . . . 6.226 b) Quotenwahrender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.232 c) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel aa) Quotenverschiebender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft . . . 6.233

Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen | Kap. 6 bb) Quotenverschiebender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft . . . . . . IV. Auswirkung des Formwechsels auf Steuerbefreiungen 1. Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG a) Formwechsel als Erwerbsvorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage . . . b) Keine Auswirkung auf 95 %-Quote im Vor- und Nachbehaltenszeitraum . . 2. Mögliche Behaltensfristverstöße nach §§ 5, 6 GrEStG a) Formwechsel der erwerbenden Gesamthand . . . . b) Formwechsel einer zwischengeschalteten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkung des Formwechsels auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG 1. Grundsatz: Kein steuerbarer Erwerbsvorgang aufgrund des Formwechsels selbst . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf Altgesellschaftereigenschaft und sog. Zählvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . D. Fiktiver Formwechsel (Option nach § 1a KStG) I. Hintergrund und Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen von der Gesamthand auf Gesellschafter (§ 6 Abs. 2 GrEStG) . . . . IV. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften (§ 6 Abs. 3 GrEStG) . . . .

6.236

6.237 6.243

6.244 6.247

6.251 6.252

6.257

6.263

6.273

V. Auswirkung der Option § 1a KStG auf die weiteren Regelungen des Grunderwerbsteuerrechts 1. Bedeutung für die Ergänzungstatbestände a) Einfluss auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a/2b GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . 6.279 b) Einfluss auf die Anwendung von § 1 Abs. 3/3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . 6.282 2. Bedeutung für die Steuerbefreiungen gem. § 3 GrEStG . . . 6.283 E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung I. Ausländische Gesellschaftsformen und Grunderwerbsteuer . . . 6.286 II. Grunderwerbsteuerliche Relevanz der Sitzverlegung (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.290 III. Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften 1. Wegzug einer deutschen Gesellschaft ins Ausland a) Personengesellschaft (Rechtslage vor MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . 6.296 b) Personengesellschaft (Rechtslage nach MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . 6.301 c) Kapitalgesellschaften . . . . 6.303 2. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft nach Deutschland a) Personengesellschaft . . . . . 6.311 b) Kapitalgesellschaft . . . . . . 6.316 3. Sitzverlegung im Ausland . . . . 6.320 4. Grenzüberschreitender Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.322 IV. Auswirkungen der Sitzverlegung im Rahmen der Ergänzungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.325 V. Übersicht Fallgruppen . . . . . . . . . 6.332

6.275

Tigges-Knümann/Mörwald/Broemel | 651

Kap. 6 Rz. 6.1 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A. Übertragende Umwandlung I. Steuerbare Vorgänge 1. Übertragung von Grundstücken (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG)

6.1 Übertragende Umwandlungen i.S.d. § 1 UmwG, d.h. Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung1 (zum Formwechsel Rz. 6.202 ff.), führen zum Übergang von Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger. Umfasst das übergehende Vermögen Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG, liegt ein grunderwerbsteuerlich relevanter Rechtsträgerwechsel vor. Den genannten Umwandlungen i.S.d. § 1 UmwG ist gemein, dass es zu einem Vermögensübergang kraft Gesamtrechtsnachfolge kommt.2 Bezüglich der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehenden Grundstücke ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfüllt, da das Eigentum am Grundstück übergeht, ohne dass ein den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf.3 Der notwendige Verschmelzungs- bzw. Spaltungsvertrag (§§ 4, 126 UmwG) stellt kein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs 1 Nr. 1 GrEStG dar, da dort kein Anspruch auf Übereignung des einzelnen Grundstücks begründet wird.4 Der Tatbestand ist mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister erfüllt, da dies der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs ist (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Dieser Zeitpunkt ist gleichzeitig Zeitpunkt der Steuerentstehung.5 Eine etwaige Rückwirkung nach § 2 UmwStG ist für die Grunderwerbsteuer unbeachtlich, da das UmwStG nur die Rechtsfolgen für die Ertragsteuern regelt.6 S. aber zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Grundstücksveräußerungen im Rückwirkungszeitraum (Rz. 6.43 f.). 6.2 Für die Frage, ob ein Grundstück durch übertragende Umwandlung übergeht, ist die zivilrechtliche Betrachtungsweise maßgebend.7 Die zu § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG vom BFH entwickelten Grundsätze zur spezifisch grunderwerbsteuerlichen Zurechnung können für § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht gelten,8 da sie zum Tatbestandsmerk1 Die Vermögensübertragung ist beschränkt auf Übertragungen auf den Bund, ein Land oder eine Gebietskörperschaft bzw. auf Übertragungen zwischen Versicherungsaktiengesellschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Versicherungsunternehmern (§ 175 UmwG). Sie spielt in der Unternehmenspraxis damit eine untergeordnete Rolle und wird hier nicht weiter behandelt. 2 Heckschen in Widmann/Mayer, § 1 UmwG Rz. 347; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 256. 3 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 71; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 363. 4 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. 5 BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137; van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 70. 6 BMF v. 11.11.2011 (UmwStE), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.01; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 365. 7 BFH v. 7.3.2012 – II B 90/11, BFH/NV 2012, 998; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 371. 8 BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866.

652 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.4 Kap. 6

mal „gehören“ entwickelt wurden, das in § 1 Abs. 1 GrEStG nicht vorkommt. Daraus folgt, dass ein bereits an Dritte verkauftes, aber noch nicht dinglich übertragenes Grundstück, nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, da es auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht und erst von diesem dinglich auf den Dritten übertragen wird.9 Dies erscheint jedenfalls bei Veräußerung durch den übertragenden Rechtsträger systematisch fragwürdig, da der zwischen dem übernehmenden und dem übertragenden Rechtsträger abgeschlossene Kaufvertrag bereits zur Entstehung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geführt hat. Für diesen Fall gewährt die Finanzverwaltung aber mglw. eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, wobei das betreffende Grundstück abweichend von § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG mit 0 € bewertet wird.10 In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass die dingliche Übertragung von bereits veräußertem Grundbesitz vor Eintragung der Umwandlung erfolgt. Im umgekehrten Fall, in dem der übertragende Rechtsträger bereits einen Kaufvertrag über ein Grundstück abgeschlossen hat, sodass § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einschlägig war, aber noch keine dingliche Übertragung des Grundbesitzes erfolgt ist, liegt korrespondierend kein Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, da das Grundstück zivilrechtlich nicht im übergehenden Vermögen enthalten ist. Im Zeitpunkt der dinglichen Übertragung des Grundstücks auf den übernehmenden Rechtsträger, der den schuldrechtlichen Übertragungsanspruch im Rahmen der Umwandlung übernommen hat, kann auch kein Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG vorliegen, da der Auflassung ein Rechtsgeschäft vorangegangen ist, auch wenn dieses Rechtsgeschäft noch mit dem übertragenden Rechtsträger als Vertragspartei geschlossen wurde.11 Die Umwandlung stellt kein Zwischengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5–7 GrEStG dar, weil der Übergang des Übertragungsanspruchs weder durch Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 GrEStG) noch durch Abtretung (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG) erfolgt, sondern im Wege der Gesamtrechtsnachfolge.12

6.3

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfasst nur die Grundstücke des übertragenden Rechtsträgers, da es nur insoweit zu einem Rechtsträgerwechsel kommt. Die Grundstücke des übernehmenden Rechtsträgers sind vor und nach der Umwandlung demselben Rechtsträger zuzurechnen; es kommt nicht zu einem Eigentumsübergang.13 Zu beachten ist, dass die Ausgabe neuer Anteile am übernehmenden Rechtsträger bzw. die Neuzuordnung von Anteilen an übernehmendem und übertragendem Rechtsträger zur Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes nach § 1 Abs. 2a–3a GrEStG im

6.4

9 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 71; Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 85; BFH, Urt. v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866. 10 FinMin. Baden-Württemberg v. 16.9.2003, DB 2003, 2095. 11 FG Bremen v. 11.6.2003 – 2 K 639/02 (1), EFG 2003, 1323 (rkr.); Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 343; Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 74. 12 BFH v. 7.9.2005 – II B 55/04, BFH/NV 2006, 123; so auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 479, 495, die aber wohl eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG für möglich hält. 13 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 372.

Tigges-Knümann | 653

Kap. 6 Rz. 6.4 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Hinblick auf solche Grundstücke, die nicht durch den Umwandlungsvorgang bewegt werden,14 führen kann (Rz. 6.22). Der Grundbesitz kann ein Kriterium für die Ausgestaltung der Umwandlung sein.15 Dies gilt beispielsweise bei der Wahl der Verschmelzungsrichtung (A auf B oder B auf A) oder bei der Wahl zwischen Aufspaltung und Abspaltung und bei der Entscheidung, welcher Vermögensteil abgespalten wird und welcher beim übertragenden Rechtsträger verbleibt.16

6.5 Beispiel 1: Die A GmbH verfügt über zwei Teilbetriebe. Die zwei Teilbetriebe sollen zukünftig in 2 getrennten Gesellschaften fortgeführt werden. Zu Teilbetrieb 1 gehört ein Grundstück. Die Trennung der Teilbetriebe könnte durch eine Aufspaltung der A GmbH auf zwei andere neue oder bestehende Gesellschaften erfolgen (Aufspaltung zur Neugründung oder Aufspaltung zur Aufnahme). In diesem Fall würde hinsichtlich des Grundstücks in Teilbetrieb 1 ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Wird dagegen Teilbetrieb 2 abgespalten, während der Teilbetrieb 1 von der A GmbH fortgeführt wird, kommt es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel am Grundstück und es liegt kein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor.

6.6 Welche Gesellschafter an den umgewandelten und aufnehmenden Rechtsträgern beteiligt sind, ist für die Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unbeachtlich.17 Daher kommt auch dann zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang, wenn bspw. bei einer Seitwärtsverschmelzung am übertragenden und übernehmenden Rechtsträger derselbe Gesellschafter beteiligt ist, bzw. dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Ggfs. kann in solchen Fällen aber die Befreiung nach § 6a GrEStG Anwendung finden (Rz. 6.46 ff.). Bei Aufwärtsverschmelzungen oder -spaltungen, bei denen der aufnehmende Rechtsträger bezogen auf das übertragene Grundstück in der Vergangenheit bereits einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG versteuert hat, kann eine Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 GrEStG erfolgen. Dies gilt nicht, wenn der Erwerb der Anteile am übertragenden Rechtsträger zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG geführt hat (Rz. 3.375 und 3.712).

14 Diese Einschränkung lässt sich aus den vom BFH zur Sachgründung einer Gesellschaft entwickelten Grundsätzen herleiten (BFH v. 28.11.1979 – II R 117/78, BStBl. II 1980, 357). Der BFH führt dort aus, dass bei der Gründung einer Gesellschaft unter Übertragung von Grundstücken bereits (unmittelbar) eine Änderung in der Zuordnung der Grundstücke eintritt (nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Es bestehe deshalb kein Grund, daneben noch eine (mittelbare) Änderung in der Zuordnung der Grundstücke (nach § 1 Abs. 3 GrEStG) zu fingieren. 15 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 26. 16 Strahl, RNotZ 2021, 61 (70); van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 26; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 40 f. 17 BFH, Beschluss v. 7.3.2012 – II B 90/11, BFH/NV 2012, 998; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 368.

654 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.10 Kap. 6

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage in Umwandlungsfällen s. unter Rz. 6.43 f. Zur gesonderten Feststellung des steuerbaren Vorgangs in Umwandlungsfällen s. unter Rz. 7.73 ff. Zu Anzeigepflichten der Beteiligten s. unter Rz. 7.29 ff.

6.7

Umwandlungen nach ausländischem Recht, bei denen inländische Grundstücke übertragen werden, können ebenfalls dazu führen, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht wird. Voraussetzung ist, dass die ausländische Umwandlung nach den gesellschaftsrechtlichen Kriterien mit einer inländischen Umwandlung i.S.d. § 1 UmwG vergleichbar ist.18 Wesentliches Kriterium der Vergleichbarkeit mit einer inländischen Umwandlung, die zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG führt, dürfte ein Vermögensübergang kraft eines Hoheitsaktes sein.19 Sollte eine Vergleichbarkeit nicht gegeben sein, weil das ausländische Gesellschaftsrecht keinen der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge vergleichbaren Vermögensübergang kennt, ist zu prüfen, ob § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, ggfs. in Sonderfällen auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 oder § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sind.

6.8

2. Übertragung der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG sind Rechtsvorgänge steuerbar, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Eine solcher Erwerb der Verwertungsbefugnis liegt beispielsweise bei Treuhand- oder Auftragserwerb oder in bestimmten Konstellationen des Immobilienleasings20 vor (Rz. 2.395 ff.).21 Hat der übertragende Rechtsträger einer Umwandlung die Verwertungsbefugnis an einem Grundstück inne, so geht diese Verwertungsbefugnis regelmäßig im Rahmen der Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger über. Der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den übernehmenden Rechtsträger einer übertragenden Umwandlung ist nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbar.22

6.9

3. Übertragung von Anteilen (§ 1 Abs. 2a–3a GrEStG) a) Grundfälle aa) Anteile im übertragenen Vermögen Übertragende Umwandlungen i.S.d. § 1 UmwG, d.h. Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung23 (zum Formwechsel Rz. 6.202 ff.), führen zum Übergang 18 Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 95. 19 Zur Vergleichbarkeit einer ausländischen Umwandlung für Zwecke des § 6a GrEStG: Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 41; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 27; für eine umfassende Vergleichbarkeitsprüfung entsprechend den Grundsätzen von Rz. 01.20 ff. UmwStE (BMF v. 11.11.2011 (UmwStE) – IV C 2-S 1978-b/08/10001// 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314): Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 96. 20 Zu den Voraussetzungen s. BFH v. 15.3.2006 – II R 28/04, BStBl. II 2006, 630. 21 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 50. 22 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 50; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 24; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 21. 23 Die Vermögensübertragung ist beschränkt auf Übertragungen auf den Bund, ein Land oder eine Gebietskörperschaft bzw. auf Übertragungen zwischen Versicherungsaktien-

Tigges-Knümann | 655

6.10

Kap. 6 Rz. 6.10 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

von Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger. Den genannten Umwandlungen i.S.d. § 1 UmwG ist gemein, dass es zu einem Vermögensübergang kraft Gesamtrechtsnachfolge kommt.24 Umfasst das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, gehen diese im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über und es können die Tatbestände des § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 sowie Abs. 3a GrEStG erfüllt sein.25 Die Anteile gehen in diesen Fällen über, ohne dass zuvor ein den Anspruch auf Übereignung der Anteile durch Rechtsgeschäft begründet worden ist.26 § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG dürften daher bei Umwandlungen nicht einschlägig sein. Der notwendige Verschmelzungs- bzw. Spaltungsvertrag (§§ 4, 126 UmwG) stellt kein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 GrEStG dar, da dort kein Anspruch auf Übereignung des einzelnen Anteils begründet wird.27 Der jeweilige Tatbestand ist mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister erfüllt, da dies der Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vermögensübergangs, d.h. des dinglichen Anteilserwerbs ist (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Eine etwaige Rückwirkung nach § 2 UmwStG ist für die Grunderwerbsteuer unbeachtlich, da das UmwStG nur die Rechtsfolgen für die Ertragsteuern regelt.28 Siehe aber zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Grundstücksveräußerungen im Rückwirkungszeitraum Rz. 6.43 f.

6.11 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Tatbestände § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 sowie Abs. 3a GrEStG verwirklicht sind, kann vollumfänglich auf die Ausführungen in Kapitel 3 verwiesen werden. Der Anteilsübergang aufgrund einer Umwandlung wird dabei behandelt wie jede andere Anteilsübertragung. D.h. es kann entweder durch den Umwandlungsvorgang allein ein steuerbarer Tatbestand ausgelöst werden, wenn im übergehenden Vermögen mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft enthalten sind. Vorrangig sind dann je nach Rechtsform der grundbesitzenden Gesellschaft § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt. Ist der übernehmende Gesellschafter hingegen Altgesellschafter oder liegt ein Fall der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG vor (Rz. 3.475 ff.), sodass § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt sind, kann § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG einschlägig sein. Gehen durch den Umwandlungsvorgang weniger als 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft über, kann es dennoch zu einem grunderwerbsteuer-

24 25 26 27 28

gesellschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Versicherungsunternehmern (§ 175 UmwG). Sie spielt in der Unternehmenspraxis damit eine untergeordnete Rolle und wird hier nicht weiter behandelt. Heckschen in Widmann/Mayer, § 1 UmwG Rz. 347; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 256. Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, Kap. E Rz. 51; van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 6. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 71; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 363. Insoweit sollte die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (BFH, Urt. v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137) übertragbar sein. BMF v. 11.11.2011 (UmwStE) – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.01; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 365.

656 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.12 Kap. 6

baren Tatbestand kommen. Denn im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ist durch die Umwandlung ein „Zählvorgang“ verwirklicht, wenn nicht eine Übertragung auf einen Altgesellschafter oder ein Fall der Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG vorliegt. Mithin kann die Umwandlung dazu führen, dass die relevante Schwelle von 90 % zusammen mit anderen Gesellschafterwechseln innerhalb des maßgeblichen Zehnjahreszeitraums überschritten wird. Ist der übertragende Rechtsträger schon vor der Umwandlung unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt, kann es zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG oder zum erstmaligen Vorliegen einer wirtschaftlichen Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG kommen. Für die Frage, ob im übergehenden Vermögen Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften enthalten sind, ist zunächst wiederum auf das Zivilrecht abzustellen. D.h. ein für die Tatbestände der § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 sowie Abs. 3a GrEStG relevanter Anteilsübergang liegt vor, wenn die Anteile vor der Umwandlung im zivilrechtlichen Eigentum des übertragenden Rechtsträgers stehen und durch die Umwandlung auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Fraglich ist, ob es einer Tatbestandsverwirklichung entgegensteht, wenn der übertragende Rechtsträger bereits ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft über die Anteile abgeschlossen hat, das nach der Umwandlung vom übernehmenden Rechtsträger erfüllt wird. Überträgt man die vom BFH zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG formulierten Grundsätze29, so wäre ein schuldrechtliches Geschäft ohne Bedeutung und es käme dennoch zu einer Tatbestandsverwirklichung. Dafür könnte sprechen, dass die genannten für Umwandlungen einschlägigen Ergänzungstatbestände auf den dinglichen Übergang der Anteile abstellen.30 Vice versa sollte dann eine Tatbestandsverwirklichung grds. (noch) nicht vorliegen, wenn der übertragende Rechtsträger bereits einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft hat und dieser Anspruch im Rahmen der Umwandlung übergeht (s. aber zur anderen Auffassung Rz. 6.14). Die Übertragung dieses Anspruchs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stellt keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand dar.31

29 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 71. 30 Zu § 1 Abs. 2a GrEStG: BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; zu § 1 Abs. 2b GrEStG: gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.1.; für § 1 Abs. 3a GrEStG sollen lt. Verwaltungsauffassung die Grundsätze zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechend gelten. Da bei Umwandlungen nur § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG in Betracht kommen, die auf den dinglichen Übergang der Anteile (d.h. die Registereintragung) abstellen, gilt dies auch für § 1 Abs. 3a GrEStG; s. auch OFD NRW v. 8.1.2015 – S 4539-2015/0001, BeckVerw 294118, Anlage. 31 Zur fehlenden Steuerbarkeit von Zwischengeschäften über Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vgl. BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. Hier wären überdies auch die Tatbestandsmerkmale eines Zwischengeschäfts analog zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG nicht erfüllt, da sich der Übergang des Anspruchs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, vgl. dazu Rz. 6.3.

Tigges-Knümann | 657

6.12

Kap. 6 Rz. 6.13 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.13 Wird das schuldrechtliche Geschäft nach der Umwandlung erfüllt und erwirbt der übernehmende Rechtsträger die Anteile, ist zu unterscheiden. Sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt, findet eine Besteuerung statt. Zu den Folgen beim übertragenden Rechtsträger bzw. zu einer möglichen Doppelbesteuerung vgl. unter Rz. 3.325 ff. und 3.654 ff. Liegt dagegen ein Fall des § 1 Abs. 3 GrEStG vor, hat regelmäßig bereits eine Besteuerung bei Begründung des Verpflichtungsgeschäfts durch den übertragenden Rechtsträger nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG stattgefunden. Die Erfüllung unterliegt dann nicht erneut nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG der Steuer.32 6.14 Nach anderer Auffassung soll für die Zurechnung von Anteilen für Zwecke der Ergänzungstatbestände dasselbe gelten, wie für die Zurechnung von Grundstücken33.34 D.h. es würde keine Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes möglich sein, wenn über die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft, die im Rahmen der Umwandlung dinglich übertragen werden, bereits zuvor durch den übertragenden Rechtsträger ein unbedingtes schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen wurde. Gegen eine solche Übertragung der vom BFH zur Grundstückszurechnung entwickelten Grundsätze spricht, dass es sich bei der Frage, ob Anteile tatbestandsrelevant übertragen werden bzw. sich der Gesellschafterbestand ändert, und bei der Frage, ob zum Vermögen einer Gesellschaft ein Grundstück „gehört“, um zwei vollständig getrennte Tatbestandsmerkmale handelt. Zur Zurechnung von Anteilen für Zwecke der Ergänzungstatbestände s. auch Rz. 3.71 ff. 6.15 Nach Auffassung des BFH kann für § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG eine Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach Maßgabe des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgenommen werden.35 Dabei handelt es sich nach Auffassung des BFH um eine Form der mittelbaren Beteiligung. Die Finanzverwaltung hat bisher nur die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2a GrEStG anerkannt und überträgt diese auch auf § 1 Abs. 2b GrEStG.36 Der Beschluss zu § 1 Abs. 3 GrEStG wurde hingegen bislang nicht veröffentlicht. Es sollte für die Praxis aber davon auszugehen sein, dass der BFH die wirtschaftliche Zurechnung auch für § 1 Abs. 3, Abs. 3a und den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG annimmt, wenn dies zu einer Ausweitung des Tatbestands führt (Rz. 3.76 ff.). Eine mittelbare Beteiligung kraft wirtschaftlichen Eigentums kann insbesondere bei schuldrechtlichen Bindungen (z.B. Treuhandabreden) vorliegen. Wird die das wirtschaftliche Eigentum begründende Rechtsposition

32 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 33 Zur Zurechnung von Grundstücken s. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375; v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. 34 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 783 zu § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur. 35 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; Urt. v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; Beschl. v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. 36 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.1.2.

658 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.18 Kap. 6

im Rahmen der Umwandlung mit übertragen, kann dadurch ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand ausgelöst werden.37 Beispiel 2: TG GmbH ist zu 80 % an der grundbesitzenden G KG beteiligt. Die restlichen 20 % hält die TH GmbH treuhänderisch für die TG GmbH. TG GmbH wird auf die C GmbH verschmolzen.

C GmbH

TG GmbH Verschmelzung

80 %

Treuhand

6.16

TH GmbH 20 %

G KG

Abb. 1 Durch die Verschmelzung gehen sowohl die 80 % unmittelbare Beteiligung der TG GmbH an der G KG als auch die Treugeberstellung in Bezug auf die restlichen 20 % auf die C GmbH über. Dadurch ändert sich der Gesellschafterbestand der G KG zu 80 % unmittelbar und zu 20 % mittelbar, sodass § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt ist, obwohl zivilrechtlich unverändert die TH GmbH zu 20 % an der G KG beteiligt bleibt.38

Zur Frage, ob eine Gesellschaft, deren Anteile übergehen, grundbesitzend ist, s. unter Rz. 3.28 ff.

6.17

Da §§ 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG auch mittelbare Anteilserwerbe einbeziehen, kann ein steuerbarer Tatbestand auch dann ausgelöst werden, wenn die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht unmittelbar durch den Umwandlungsvorgang übertragen werden, sondern sich auf tieferen Beteiligungsebenen befinden. Zu den Voraussetzungen, die für eine mittelbare Übertragung von Anteilen jeweils unter den einzelnen Tatbeständen erfüllt sein müssen, s. in Kapitel 3. Dieser Umstand führt in der Praxis insbesondere dann zu Steuerrisiken und unentdeckten Grunderwerb-

6.18

37 Zum Treugeberwechsel s. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4. 38 Zur Tatbestandsmäßigkeit des Treugeberwechsels: gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4.; zur Treuhandvereinbarung als Form des mittelbaren Gesellschafterwechsels BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783.

Tigges-Knümann | 659

Kap. 6 Rz. 6.18 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

steuerfällen, wenn die Umwandlung im Ausland stattfindet und erst auf tieferen Beteiligungsebenen deutscher Grundbesitz vorhanden ist.39 In solchen Fällen kann die Situation eintreten, dass die agierende Gesellschaft sich nicht über die Konsequenzen ihrer Handlung bewusst ist, während die grundbesitzende Gesellschaft, die um die grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen wissen könnte, keine Kenntnis vom Handeln der obersten Gesellschaft hat.40 Soweit eine inländische Steuerabteilung existiert, ist diese daher gut beraten, potenzielle Grunderwerbsteuerrisiken, die durch Umwandlungen auf höheren Ebenen entstehen könnten, frühzeitig an die ausländische Konzernmutter zu kommunizieren.

6.19 Schließlich ist auch in Umwandlungsfällen die Anteilsvereinigung in der Hand einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG (Rz. 3.848 ff.) möglich.41 Für die Praxis ist diesbezüglich zu beachten, dass die Anteilsvereinigung in der Hand des Organkreises nicht mit einer Anteilsvereinigung in der Hand des Organträgers oder einer abhängigen Gesellschaft gleichgesetzt werden kann. Kommt es durch eine Umwandlung also zu einer erstmaligen Vereinigung der Anteile im Organkreis, steht der Steuerbarkeit nach der Verwaltungsauffassung nicht entgegen, dass bereits zuvor eine Anteilsvereinigung bei einer dem Organkreis angehörenden Gesellschaft vorlag und vice versa.42 Dies kann insbesondere in solchen Fällen leicht übersehen werden, in denen der übertragende Rechtsträger nicht alle Anteile überträgt, sondern es nur zu einer Verminderung seiner Beteiligung kommt. 6.20 Beispiel 3: A ist zu 60 % an der A GmbH und zu 70 % an der B GmbH beteiligt. Die A GmbH und die B GmbH sind organschaftlich eingegliedert i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG. Die A GmbH hält 100 % der Anteile an der grundbesitzenden C GmbH. Nun spaltet die A GmbH 50 % ihrer Beteiligung an der C GmbH auf die B GmbH ab. Nach der Abspaltung sind die A GmbH und die B GmbH zu je 50 % an der C GmbH beteiligt.

39 Vgl. zu einem Fall im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG: BFH v. 9.4.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529; s. auch Behrens, UVR 2014, 149; Sedemund/Fischenich, BB 2008, 536. In der Literatur wird bezogen auf Auslandsumwandlungen immer wieder die Frage nach einem möglichen strukturellen Vollzugsdefizit aufgeworfen, vgl. Pirner/Könemann, IStR 2013, 423; Fumi, DStZ 2015, 432 (436); zur Verschärfung der Problematik durch den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG Wagner, DB 2018, 1553 (1554 f.). 40 Vgl. mit entsprechendem Beispiel: Breuninger, JBFfSt 2013/2014, 218 – 220, 225; Heine, UVR 2002, 252; Sedemund/Fischenich, BB 2008, 536; Pirner/Könemann, IStR 2013, 423. 41 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 145; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 206 ff. jeweils mit Beispielen. 42 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 Tz. 2.3.1, 2.3.4., 2.3.7., 5.2.

660 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.22 Kap. 6

Organkreis A 60 %

70 %

A GmbH

100 % 50 %

B GmbH Abspaltung

0% 50 %

C GmbH

Abb. 2 Durch die Abspaltung werden die Anteile an der grundbesitzenden C GmbH erstmals in der Hand des Organkreises vereinigt, sodass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG erfüllt ist. Der Steuerbarkeit steht es nicht entgegen, dass bereits zuvor eine Anteilsvereinigung bei der A GmbH vorlag, denn nach der Verwaltungsauffassung ist zwischen dem Organkreis und seinen Mitgliedern zu differenzieren.

Ebenfalls steuerbar ist die Verschmelzung des Organträgers auf einen Dritten, wenn das Organschaftsverhältnis nach der Verschmelzung fortbesteht.43 Bloße Anteilsverschiebungen im Organkreis sind dagegen unbeachtlich, solange keine Anteilsvereinigung in der Hand eines einzelnen Mitglieds der Organschaft erfolgt.44

6.21

bb) Anteilsverschiebungen bei übertragendem und übernehmendem Rechtsträger Der aufnehmende Rechtsträger bleibt in seiner Eigenschaft als Anteilseigner durch die Umwandlung unberührt. Er wird insbesondere nicht zum Neugesellschafter i.S.d. § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG bezogen auf Gesellschaften, an denen er bereits vor der Umwandlung beteiligt ist. Dies gilt auch dann, wenn es im Zusammenhang mit der Umwandlung zu einer Umfirmierung kommt. Werden aufgrund der Umwandlung allerdings neue Anteile am übernehmenden Rechtsträger an neue Gesellschafter ausgegeben, ist dies als relevanter Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a und 2b 43 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 Tz. 4.1.3. 44 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 Tz. 5.

Tigges-Knümann | 661

6.22

Kap. 6 Rz. 6.22 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

GrEStG zu berücksichtigen. Es ist auch denkbar, dass eine umwandlungsbedingte Veränderung in den Beteiligungsquoten des übernehmenden Rechtsträgers zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) oder zu einer erstmaligen wirtschaftlichen Beteiligung führt (§ 1 Abs. 3a GrEStG). Dies gilt auch bei einer bloßen Verschiebung der Beteiligungsquoten zwischen Altgesellschaftern, die für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht tatbestandsmäßig ist. Ähnliche Auswirkungen können sich im Rahmen einer Abspaltung für den übertragenden Rechtsträger hinsichtlich des verbleibenden Vermögens ergeben. Enthält dieses Vermögen Grundstücke, kann insbesondere bei nicht verhältniswahrender Abspaltung (im Extremfall Abspaltung zu „null“) ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand erfüllt sein.45

6.23 Beispiel 4: An der grundbesitzenden G KG sind seit Gründung A zu 80 % und B zu 20 % beteiligt. A hält daneben alle Anteile der B GmbH. Die B GmbH wird auf die G KG verschmolzen. B leistet keine wertäquivalente Einlage. Dadurch erhöht sich die Beteiligung des A an der G KG auf 91 % während die Beteiligung des B sich auf 9 % vermindert.

Vorher

Nachher A 100 %

B

80 %

B GmbH

20 %

G KG

A

B

91 %

9%

G KG

Verschmelzung

Abb. 3 Durch die Verschmelzung vereinigt A mehr als 90 % der Anteile der übernehmenden G KG in seiner Hand, sodass ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht ist. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht einschlägig, da es sich um eine Anteilsverschiebung zwischen Altgesellschaftern (Gründungsgesellschaftern) handelt.

6.24 Beispiel 5: A und B sind zu je 50 % an der grundbesitzenden C GmbH beteiligt. Die C GmbH verfügt über zwei gleichwertige Teilbetriebe. Zukünftig wollen A und B getrennter Wege gehen. Daher soll aus der C GmbH ein Teilbetrieb (ohne Grundbesitz) auf die D GmbH abgespalten werden, deren Anteile volltständig von B gehalten werden. Die Spaltung soll als nicht verhältniswahrende Abspaltung „zu null“ erfolgen, d.h. A erhält keine neuen Anteile an der aufnehmenden D GmbH und dafür scheidet B aus der C GmbH aus.

45 Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, Kap. E Rz. 51.

662 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.26 Kap. 6

Vorher A

Nachher B

50 %

50 %

C GmbH

A 100 %

D GmbH

B

100 %

C GmbH

100 %

D GmbH

Abspaltung

Abb. 4 Die Abspaltung führt nicht zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, weil im übertragenen Vermögen kein Grundbesitz enthalten ist. Durch die Abspaltung vereinigt A aber erstmals alle Anteile an der grundbesitzenden C GmbH, sodass ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht wird.

b) Beteiligungskettenverlängerung Beteiligungskettenverlängerungen durch Umwandlungen können sich insb. in Fällen der Ausgliederung ergeben (s. zur vergleichbaren Einbringung von Anteilen auch das Beispiel unter Rz. 6.161). Dasselbe gilt, wenn eine Gesellschaft innerhalb der Beteiligungskette ausgetauscht wird, beispielsweise durch Seitwärtsverschmelzung oder Seitwärtsabspaltung.46

6.25

Kommt es durch die Umwandlung zu Beteiligungskettenverlängerungen, sodass unmittelbar oder mittelbar Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen werden, können § 1 Abs. 2a–3a GrEStG erfüllt sein, wenn die relevanten Beteiligungsquoten von 90 % erreicht werden. Es steht der Erfüllung der Ergänzungstatbestände nach bisheriger h.A. nicht entgegen, wenn der bisherige Gesellschafter mittelbar beteiligt bleibt.47 Für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zählt die neue Gesellschaft in der Beteiligungskette regelmäßig als Neugesellschafter; entweder unmittel-

6.26

46 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 110. Zur Tatbestandsmäßigkeit einer Seitwärtsabspaltung nach § 1 Abs. 2a GrEStG BFH v. 3.6.2014 – II R 1/13, BStBl. II 2014, 855; zur Übertragung zwischen Schwestergesellschaften als Fall des § 1 Abs. 3 GrEStG BFH v. 15.1.2003 – II R 50/00, BStBl. II 2003, 320. 47 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 110; zu § 1 Abs. 2a GrEStG BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; zu § 1 Abs. 3 GrEStG Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 323, 424. Fraglich ist, ob dies auch unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des BFH (BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375) noch uneingeschränkt gilt, dazu unter Rz. 6.160.

Tigges-Knümann | 663

Kap. 6 Rz. 6.26 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

bar oder auf mittelbarer Ebene. Dies gilt jedenfalls auf unmittelbarer Ebene auch, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft eine PersGes. ist, da PersGes. selbst als Neugesellschafter qualifizieren.48 Für die Zwischenschaltung von PersGes. auf mittelbarer Ebene wird die Frage in der Literatur teils anders beurteilt.49 Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG kann bei durchgängiger Personengesellschaftskette die Befreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG einschlägig sein (Rz. 6.126). § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG können bei Beteiligungskettenverlängerungen eintreten, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft erstmals mindestens 90 % der Anteile vereinigt bzw. erwirbt oder erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung innehat. Regelmäßig dürften jedoch § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG durch die vorrangig anzuwendenden § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verdrängt werden. Bei den hier betrachteten Umwandlungen mit Gesamtrechtsnachfolge können nur § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG einschlägig sein, sodass sich das Problem der zeitlich vorgelagerten Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG (Rz. 3.744 ff.) nicht stellen kann.

6.27 Fraglich ist, wie sich die jüngere Rechtsprechung des BFH50 zur Grundstückszurechnung auf Fälle der Beteiligungskettenverlängerung auswirkt. S. dazu unter Rz. 6.159. c) Beteiligungskettenverkürzung aa) Grundsatz

6.28 Beteiligungskettenverkürzungen durch Umwandlungen sind insbesondere bei Aufwärts- und Abwärtsverschmelzungen denkbar, darüber hinaus bei Aufwärtsspaltungen, wenn das abgespaltene Vermögen eine Beteiligung beinhaltet. Für die Beteiligungskettenverkürzung ergeben sich je nach Tatbestand unterschiedliche Rechtsfolgen. bb) Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG

6.29 Für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG behandelt die Finanzverwaltung in ihren Erlassen vom 10.5.2022 den Fall der Beteiligungskettenverkürzung ausdrücklich nur für den Fall des (mittelbaren) Gesellschafterwechsels bei einer an der grundbesitzenden 48 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.2.2 und 5.3.2; BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. 49 Joisten, DStZ 2016, 276; zum Problem auch Broemel/Lange, DStR 2019, 187. Die Finanzverwaltung (gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.3.2) sieht auch die Zwischenschaltung einer PersGes. auf mittelbarer Ebene als tatbestandsmäßig an. Der BFH hat zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der bis zum 5.11.2015 geltenden Fassung geurteilt, dass eine mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand nur eintritt, wenn sich die letzte Beteiligungsebene ändert (BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833). Dies könnte aufgrund der in § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG angeordneten transparenten Betrachtung für reine Personengesellschaftsketten entgegen der vorstehenden Verwaltungsauffassung auch weiterhin gelten. 50 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375; BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700.

664 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.31 Kap. 6

Gesellschaft beteiligten KapGes. Eine Beteiligungskettenverkürzung soll unter der Voraussetzung, dass auf jeder Stufe der Kette die 90 % Mindestquote erfüllt war, nicht dazu führen, dass die KapGes. zu einer fiktiven Neugesellschafterin wird.51 Die Beteiligungskette kann dabei sowohl aus Personen- als auch aus KapGes. bestehen. Bei Beteiligung von PersGes. muss die 90 % Quote unter Anwendung der Durchrechnungsmethode vorhanden sein. Unschädliche Beteiligungskettenverkürzungen sollen indes nur auf mittelbarer Ebene möglich sein. Kommt es zu einem Wechsel der unmittelbar an der Gesellschaft beteiligten KapGes., z.B. indem diese aufwärts auf ihre zu 100 % beteiligte Muttergesellschaft verschmolzen wird, liegt ein relevanter unmittelbarer Gesellschafterwechsel vor. Zu Beteiligungskettenverkürzungen oberhalb von an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten PersGes. äußert sich die Finanzverwaltung nicht ausdrücklich. M.E. kann es dadurch nicht zu einem relevanten Gesellschafterwechsel kommen, da vor und nach der Verkürzung die Stellung eines mittelbar über eine PersGes. beteiligten Altgesellschafters gegeben ist. Auch hier besteht indes das Risiko, dass die Finanzverwaltung einen schädlichen Gesellschafterwechsel annehmen will, wenn ein bislang nur mittelbar beteiligter Altgesellschafter unmittelbar einen Anteil an der grundbesitzenden PersGes. erwirbt.52 In der Literatur wird die strenge Auffassung der Finanzverwaltung kritisch gesehen. Stimmen der Kommentarliteratur gehen davon aus, dass der Erwerb der unmittelbaren Beteiligung durch einen bislang mittelbar über eine KapGes. beteiligten Gesellschafter, d.h. eine Beteiligungskettenverkürzung, bei der die unmittelbar beteiligte KapGes. untergeht, jedenfalls dann unschädlich sein muss, wenn der Erwerb der mittelbaren Beteiligung steuerbar war.53 Für Personengesellschaftsketten wird vertreten, dass Beteiligungskettenverkürzungen stets unschädlich sind, weil der mittelbar über eine PersGes. beteiligte Gesellschafter als Altgesellschafter einzustufen ist.54 Nach noch weitergehender Auffassung soll jede Beteiligungskettenverkürzung unschädlich sein, da jeder mittelbar Beteiligte – bei Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen – als Altgesellschafter qualifizieren soll, unabhängig davon, welche Rechtsform die zwischengeschaltete Gesellschaft hat.55

6.30

Soweit ersichtlich, ist die Frage der Steuerbarkeit von Beteiligungskettenverkürzungen im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG in seiner jetzigen Fassung noch

6.31

51 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.3.1; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.2.3.1. 52 Dies dürfte sich daraus ergeben, dass die Finanzverwaltung ausdrücklich zwischen unmittelbaren und mittelbaren Altgesellschaftern unterscheidet, zu diesem Verständnis der Verwaltungsauffassung auch: Broemel/Lange, DStR 2019, 185 f.; a.A. Behrens in Behrens/ Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.1 der davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung den Erwerb sowohl durch unmittelbare als auch durch mittelbare Altgesellschafter als unschädlich einstuft. 53 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 783 f. (zu § 1 Abs. 2a GrEStG); ebenso dürfte Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 337 zu verstehen sein. 54 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 770 (zu § 1 Abs. 2a GrEStG) und Rz. 974 (zu § 1 Abs. 2b GrEStG). 55 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 342.1, 342.2 (zu § 1 Abs. 2a GrEStG).

Tigges-Knümann | 665

Kap. 6 Rz. 6.31 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen.56 Auf Basis der vorstehend zitierten Literaturauffassungen sollte bei einer etwaigen Besteuerung von Beteiligungskettenverkürzungen Rechtsmittel eingelegt werden. Bei der Sachverhaltsgestaltung ist hingegen zu empfehlen, die Verwaltungsauffassung zu beachten. cc) Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG

6.32 Im Rahmen von § 1 Abs. 3 GrEStG sind Beteiligungskettenverkürzungen regelmäßig auch dann nicht steuerbar, wenn es dadurch erstmals zu einer unmittelbaren Anteilsvereinigung kommt, bzw. mindestens 90 % der Anteile unmittelbar auf den Erwerber übergehen.57 Die vorstehend für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b geschilderte Unterscheidung zwischen Beteiligungskettenverkürzungen auf mittelbarer und auf unmittelbarer Ebene ist für § 1 Abs. 3 GrEStG nicht entsprechend anzuwenden. Vielmehr liegt für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG in allen Fällen eine nicht steuerbare Verstärkung der Beteiligung vor.58 Voraussetzung ist jedoch, dass vor der Beteiligungskettenverkürzung bereits eine mittelbare bzw. teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung vorlag. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Erwerb der mittelbaren Beteiligung Grunderwerbsteuer ausgelöst hat oder nicht.59 Ebenfalls unerheblich ist, ob sich seit dem Erwerb der mittelbaren Beteiligung der Grundstücksbestand verändert hat.60 In diesen Fällen kann aber nach Verwaltungsauffassung eine erstmalige Begründung einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG vorliegen, wenn die mittelbare Beteiligung zuvor zwar auf jeder Stufe 90 %, durchgerechnet aber weniger als 90 % betrug.61 Da § 1 Abs. 3a GrEStG selbst nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung differenziert, können Beteiligungskettenverkürzungen nicht erneut § 1 Abs. 3a GrEStG unterfallen, wenn bereits zuvor eine wirtschaftliche Beteiligung vorlag.62 d) Umwandlungsrechtlicher sog. „Squeeze-Out“

6.33 Das AktG ermöglicht es dem Hauptaktionär (Aktien im Umfang von mind. 95 % des Grundkapitals), die Minderheitsaktionäre gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszuschließen und deren Aktien so zu erwerben (sog. aktienrechtlicher SqueezeOut nach § 327a AktG). Der Hauptaktionär soll sich bzw. die Aktiengesellschaft so 56 Zu § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. 24.3.1999 hatte der BFH entschieden, dass ein steuerbarer Tatbestand in Form einer mittelbaren Änderung im Gesellschafterbestand nur vorliegen könne, wenn sich der letzte Gesellschafter in der Beteiligungskette ändere (BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. I 2021, 318). 57 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 803 ff. 58 Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 424. 59 Gleich lautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991 Tz. 3; BFH v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408. 60 Gleich lautende Ländererlasse v. 2.12.1999, BStBl. I 1999, 991 Tz. 3. 61 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 6, Bsp. 10. Zur Kritik an dieser Verwaltungsauffassung s. Liekenbrock/Joisten, Ubg 2013, 743. 62 Liekenbrock/Joisten, Ubg 2013, 743 Bsp. 7; Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 962.

666 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.34 Kap. 6

vor unverhältnismäßig hohen Kosten im Zusammenhang mit den Minderheitsaktionären und vor missbräuchlicher Behinderung der Unternehmensführung (sog. räuberische Aktionäre) schützen können.63 Eine besondere Form ist der umwandlungsrechtliche oder verschmelzungsrechtliche Squeeze-Out nach § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. § 327a AktG. Dabei erfolgt der Ausschluss der Minderheitsaktionöre im Zusammenhang mit der Verschmelzung einer Tochter- auf ihre Muttergesellschaft. Anders als beim aktienrechtlichen Squeeze-Out muss dem Hauptgesellschafter, d.h. der übernehmende Muttergesellschaft, nur mindestens 90 % des Grundkapitals gehören. Die Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaft erhalten im Zuge der Aufwärtsverschmelzung keine Anteile an der übernehmenden Muttergesellschaft, sondern eine Abfindung. In der Literatur ist umstritten, ob bei einem umwandlungsrechtlichen Squeeze-Out zunächst die Anteile der Minderheitsaktionäre auf die Muttergesellschaft übertragen werden, bevor eine juristische Sekunde später die Verschmelzung der Tochter- auf die nunmehr 100 % Muttergesellschaft erfolgt, oder ob wegen der gesetzlich vorgesehenen gleichzeitigen Wirksamkeit von Squeeze-Out und Verschmelzung die Anteile der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre sofort (ohne Zwischenerwerb durch den Hauptaktionär) untergehen.64 Da das Umwandlungsgesetz ausdrücklich auf die Regelungen zum aktienrechtlichen Squeeze-Out verweist, bei dem die Aktien der ausscheidenden Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär übertragen werden, dürfte jedenfalls zivilrechtlich eher von einem zweiaktigen Vorgang auszugehen sein. Für die Rechtslage bis zum 30.6.2021 war daher fraglich, ob zwei grunderwerbsteuerbare Vorgänge zunächst in Form des Überschreitens des 95 % Beteiligungsschwelle (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und anschließend in Form der verschmelzungsbedingten Vermögensübertragung § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vorlagen.65 Für Gesellschaften, an denen die verschmolzene Gesellschaft beteiligt war, könnten entsprechend zunächst ein mittelbarer und anschließend ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel (§ 1 Abs. 2a GrEStG)) bzw. eine zunächst mittelbare dann unmittelbare Anteilsvereinigung/-übertragung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) vorliegen. Eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 GrEStG kann nur bei Aufeinanderfolgen von § 1 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht aber im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vorgenommen werden (zur Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG s. auch nachfolgend unter Rz. 6.37 ff.). Da für den umwandlungsrechtlichen Squeeze-Out mindestens eine Beteiligung von 90 % an der zu verschmelzenden Gesellschaft notwendig ist, kommt der Frage, ob im umwandlungsrechtlichen Squeeze-Out ein ein- oder zweiaktiger Vorgang zu sehen ist, für die Rechtslage ab dem 1.7.2021 nur noch eingeschränkt im Rahmen der 63 Zu den gesetzgeberischen Motiven s. beispielsweise Santelmann/Hoppe in Santelmann/ Hoppe/Suerbaum/Bukowski, Squeeze out, 2010, Kap. 1 Rz. 2 ff. 64 Zum Streitstand auch vor dem Hintergrund der grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen Schnorbus in Schmidt/Lutter4, Vorbemerkung zu §§ 327a–327f AktG Rz. 32, und Kiefner/ Seibel in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts Bd. 85, § 17 Rz. 66 jeweils m.w.N. 65 Die Frage ist auch weiterhin für sog. Korridorfälle relevant, bei denen am 30.6.2021 die 90 % Schwelle bereits überschritten war und folglich § 1 Abs. 2a, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG in der am 30.6.2021 geltenden Fassung weiter anzuwenden sind (§ 23 Abs. 20, 21, 22 GrEStG).

Tigges-Knümann | 667

6.34

Kap. 6 Rz. 6.34 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Übergangsregeln des § 23 Abs. 20, 21, 22 GrEStG Bedeutung zu. Durch das Absenken der relevanten Beteiligungsschwelle für die Tatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG werden diese nach neuer Rechtslage bereits dann verwirklicht, wenn die notwendige Mindestbeteiligung für § 62 Abs. 5 UmwG erreicht wird. Bei isolierter Beurteilung der Anteilsübertragung stellt diese folglich nur noch eine nicht steuerbare Aufstockung dar und erst die Verschmelzung ist wieder eigenständig grunderwerbsteuerlich relevant (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG bzw. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG bei weiteren Gesellschaften in der Beteiligungskette). Durch die Einführung von § 1 Abs. 2b GrEStG verschärft sich allerdings das Risiko einer Doppelbesteuerung, wenn die Beteiligungsschwelle von 90 % erst kurz vor der Verschmelzung überschritten wird, da § 1 Abs. 6 GrEStG nicht anwendbar ist (zur Anwendung von § 1 Abs. 6 GrEStG s. nachfolgend unter Rz. 6.37). e) Anwachsung nach Verschmelzung

6.35 Wird der vorletzte Gesellschafter einer PersGes. auf den anderen Gesellschafter verschmolzen, wächst das Vermögen der PersGes. mit Wirksamkeit der Verschmelzung dem übernehmenden und damit allein verbleibenden Gesellschafter an.66 Für den Fall der (einfachen) Anwachsung des Vermögens einer grundbesitzenden PersGes. auf den verbleibenden Gesellschafter geht die Rechtsprechung und h.M. in der Literatur davon aus, dass lediglich ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht wird. Eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder ein steuerbarer Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG werden dagegen richtigerweise verneint, da die Anteile an der PersGes. unmittelbar mit Wirksamkeit der Verschmelzung untergehen.67 Es liegt kein Zwischenschritt vor, in dem. für eine juristische Sekunde alle Anteile an der PersGes. vom letztverbleibenden Gesellschafter gehalten werden.68 6.36 Sollen mehrere Minderheitsgesellschafter auf den letztverbleibenden Gesellschafter verschmolzen werden, der zuvor noch zu weniger als 90 % beteiligt ist, ist daher die Reihenfolge entscheidend. Ggfs. kann es sinnvoll sein, zunächst die beiden Minderheitsgesellschafter zu verschmelzen und erst danach die Verschmelzung auf den Mehrheitsgesellschafter vorzunehmen, um eine Anteilsvereinigung zwischen der ersten und der zweiten Verschmelzung zu verhindern. Es ist aus zivilrechtlicher Sicht

66 Mayer in Widmann/Mayer, Anhang 5 Rz. 499.2. 67 So zum Fall der erweiterten Anwachsung durch Einzelrechtsnachfolge: Dremel in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG22, Rz. 11.261; allgemein zur Anwachsung: Meßbacher-Hönsch in Viskorf20 § 1 GrEStG Rz. 392, 1111; zu § 1 Abs. 3 GrEStG bei Anwachsungsvorgängen BFH, Urt. v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344; Urt. v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903 (dort noch: „teleologische Reduktion“). 68 Der BFH (Urt. v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344; Urt. v. 13.9.1995 – II R 80/ 92, BStBl. II 1995, 903) verneint sogar im Fall der Anwachsung durch Einzelrechtsnachfolge eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, obwohl im für das Auslösen der Besteuerung relevanten Zeitpunkt des Signings die Anteile an der PersGes. noch existieren.

668 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.38 Kap. 6

umstritten, ob auch die Verschmelzung des vorletzten Gesellschafters auf die PersGes. selbst möglich ist.69 Soweit dies bejaht wird, sollte grunderwerbsteuerlich ebenfalls nur ein Erwerbsvorgang in Form der Anwachsung verwirklicht werden. 4. Kettenumwandlungen Folgen mehrere Umwandlungen zeitlich unmittelbar aufeinander (sog. Kettenumwandlungen), ist grds. jeder Umwandlungsvorgang für sich zu beurteilen und kann Grunderwerbsteuer auslösen.70 Es wird nicht möglich sein, eine Grundstückübertragung nur vom ersten auf den letzten Rechtsträger anzunehmen. Ausnahmen von der Besteuerung kommen – neben den oben dargestellten Grundsätzen zur Beteiligungskettenverkürzung und etwaigen Steuerbefreiungen (Rz. 6.46 ff.) – nur nach § 1 Abs. 6 GrEStG in Betracht. Gem. § 1 Abs. 6 GrEStG unterliegt ein in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang auch dann der Steuer, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Die Steuer für den späteren Rechtsvorgang wird aber nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage für den früheren Rechtsvorgang übersteigt, § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG. Diese sog. Anrechnung der Bemessungsgrundlage setzt voraus, dass beide Rechtsvorgänge durch denselben Erwerber verwirklicht werden (Erwerberidentität)71 und dieselben Grundstücke betreffen.72

6.37

Beispiel 6: An der grundbesitzenden G GmbH sind die A GmbH zu 80 % und die B GmbH zu 20 % seit Gründung beteiligt. Im Jahr 01 wird die B GmbH auf die A GmbH verschmolzen. Danach ist die A GmbH zu 100 % am Vermögen der G GmbH beteiligt. Im Jahr 02 wird die G GmbH auf die A GmbH verschmolzen.

6.38

69 Dazu ausführlich Mayer in Widmann/Mayer, Anhang 5 Rz. 499.3 mit Verweis auf eine entgegenstehende Entscheidung des OLG Hamm (Beschl. v. 24.6.2010 – I-15 Wx 360/09, GmbHR 2010, 985). 70 Vgl. zum allgemeinen Grundsatz der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer, jeden Rechtsvorgang unabhängig vom vorausgegangenen Rechtsvorgang als in sich abgeschlossenen Steuerfall zu besteuern, der Ausdruck u.a. in § 1 Abs. 6 S. 1 GrEStG findet: Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1029; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 531; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20 § 1 GrEStG Rz. 1366. 71 Das FG Sachsen (v. 9.7.2020 – 6 K 931/18, EFG 2021, 969) hat sich in einem Fall, in dem vereinfacht zunächst ein Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch eine GmbH und anschließend ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch Übertragung der GmbH-Anteile auf eine weitere GmbH, an der dieselben Gesellschafter beteiligt waren, gegen eine streng rechtsträgerbezogene Erwerberidentität ausgesprochen und die Anwendung von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG bejaht, weil nach einer wirtschaftlicher Betrachtungsweise die an den Erwerbsvorgängen über das nämliche Grundstück beteiligten Personen nicht voneinander verschieden seien. Der BFH musste die Frage im Revisionsverfahren nicht beantworten (Urt. v. 16.3.2022 – II R 24/20, BFH/NV 2022, 1196). 72 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1029; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1371.

Tigges-Knümann | 669

Kap. 6 Rz. 6.38 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Jahr 01

Jahr 02 B GmbH

A GmbH

A GmbH

Verschmelzung 80 %

G GmbH

20 %

Verschmelzung

100 %

G GmbH

Abb. 5 Durch die Verschmelzung in 01 vereinigt die A GmbH erstmals alle Anteile an der G GmbH in ihrer Hand, sodass sie einen steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht. § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht einschlägig, da nur 20 % übertragen werden und die A GmbH Altgesellschafterin ist. Durch die Verschmelzung im Jahr 03 liegt erneut ein steuerbarer Tatbestand vor, jetzt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, da das Grundstück der G GmbH unmittelbar durch die Verschmelzung übertragen wird. Der vorherige (fiktive) Grundstückserwerb durch die A GmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steht dem nicht entgegen, § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG. Allerdings kann die Bemessungsgrundlage aus 01 auf die Bemessungsgrundlage in 02 nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG angerechnet werden, da es sich um zwei Erwerbe der A GmbH handelt, die unter verschiedene Absätze des § 1 GrEStG fallen und dasselbe Grundstück betreffen.73 In 02 fällt folglich nur insoweit Grunderwerbsteuer an, wie sich der Wert des Grundstücks in der Zwischenzeit erhöht hat bzw. insoweit als weitere Grundstücke hinzuerworben wurden.

6.39 Von § 1 Abs. 6 GrEStG werden Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG, bei denen (fiktiver) Erwerber die grundbesitzende Gesellschaft ist, dem Wortlaut nach nicht erfasst. Dies führt dazu, dass in den Fällen, in denen § 1 Abs. 2b GrEStG nunmehr § 1 Abs. 3 GrEStG verdrängt, bei nachfolgenden weiteren Umwandlungen eine (nicht gerechtfertigte) Doppelbesteuerung eintreten kann.74 6.40 Beispiel 7: Der A ist an der A GmbH und an der B GmbH beteiligt. Die B GmbH ist wiederum an der grundbesitzenden G GmbH beteiligt. Im Jahr 01 wird die B GmbH auf die A GmbH verschmolzen. Im Jahr 02 wird die G GmbH auf die A GmbH verschmolzen.

73 Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 235; van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 72. 74 Zum Problem vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1116).

670 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.41 Kap. 6

Jahr 01

Jahr 02 A 100 %

A 100 %

B GmbH

A GmbH

A GmbH

Verschmelzung 100 %

G GmbH

Verschmelzung

100 %

G GmbH

Abb. 6 Die Verschmelzung im Jahr 01 führt dazu, dass sich der Gesellschafterbestand der G GmbH unmittelbar zu 100 % ändert, sodass § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird. Im Jahr 02 liegt ein steuerbarer Erwerb der A GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Der vorher verwirklichte § 1 Abs. 2b GrEStG steht dem nicht entgegen, § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG. Eine Anrechnung der Bemessungsgrundlage ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG nicht möglich, da § 1 Abs. 2b GrEStG dort nicht genannt wird. Nach alter Rechtslage vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG hätte in 01 eine steuerbare Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vorgelegen, sodass in 02 eine Anrechnung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG möglich gewesen wäre.

In der Literatur wird teils mit guten Gründen vertreten, § 1 Abs. 6 GrEStG sei für bestimmte Fälle im Rahmen der teleologischen Extension auch auf § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG anzuwenden.75 Dies betrifft indes nicht das vorstehende Beispiel, sondern den Fall, dass der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG Grundstücke ihrer Tochtergesellschaft mittelbar zugerechnet werden, die sie nachfolgend tatsächlich erwirbt, sodass die Erwerberidentität bei der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG gegeben ist.76 Verwaltungsverlautbarungen, die auf eine entsprechende Auffassung der Finanzverwaltung schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Daher sollte von dieser Argumentation in der Praxis nur in der Abwehrberatung Gebrauch gemacht werden.

75 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1045 ff.; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1369. 76 Vgl. dazu das Beispiel bei Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1046.

Tigges-Knümann | 671

6.41

Kap. 6 Rz. 6.42 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.42 Bei Kettenumwandlung mit Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG kann überlegt werden, das Grundstück vorab unmittelbar vom ersten an den letzten Rechtsträger zu veräußern, um eine Doppelbesteuerung zu verhindern, wenn nicht eine Befreiung nach § 6a GrEStG in Betracht kommt (s. dazu Rz. 6.97).77 II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Umwandlungen

6.43 Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist bei allen Umwandlungen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der nach §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 157 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert. Mit Wirkung zum 1.7.2021 wurde zudem § 8 Abs. 2 GrEStG um eine neue Nr. 4 erweitert.78 Danach ist der Grundbesitzwert gem. §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 157 BewG auch als Bemessungsgrundlage für einen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG maßgeblich, wenn es sich um eine Veräußerung von Grundbesitz innerhalb des Rückwirkungszeitraums vom übertragenden an den übernehmenden Rechtsträger handelt und ohne diese Veräußerung aufgrund der nachfolgenden Umwandlung ein steuerbarer Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht worden wäre. Dies gilt nur, wenn die Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG für den Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG geringer ist als der Grundbesitzwert i.S.d. §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 157 BewG. Damit sollen Gestaltungen unterbunden werden, bei denen der Grundbesitz bereits vor einer Umwandlung zu einem zu niedrigen Preis veräußert wird, um die Grunderwerbsteuer zu reduzieren. Dies war innerhalb des Rückwirkungszeitraums ohne ertragsteuerliche Folgen möglich, da das Grundstück aus Sicht der Ertragssteuer bereits dem übernehmenden Rechtsträger zuzurechnen war, sodass die Veräußerung ohne ertrags- oder schenkungssteuerliche Folgen blieb.79 6.44 Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die fiktive Bemessungsgrundlage ausdrücklich nur für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die im Rückwirkungszeitraum verwirklicht werden. Vor Beginn des Rückwirkungszeitraums kann ein Grundstück also weiterhin zu einem Preis unterhalb der Grundbesitzwertes veräußert werden, ohne dass die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG anzuwenden ist, solange der Kaufpreis nicht nur symbolisch ist.80 In einem solchen Fall wären indes ertragsteuerliche und/oder schenkungssteuerliche Auswirkungen zu prüfen.81 6.45 Im Übrigen zur Bemessungsgrundlage Rz. 8.1–8.76. 77 So auch Dyckmans in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts Bd. 85, § 52 Rz. 55; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 42.1. 78 Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 79 BT-Drucks. 19/13437, S. 13. 80 S. auch Brühl, GmbHR 2021, 749 (755). 81 Dabei ist zu beachten, dass § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG ausdrücklich auf die Verwirklichung (§ 23 GrEStG) des Erwerbs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, d.h. auf den Abschluss des Kaufvertrags (vgl. dazu Viskorf in Viskorf20, § 8 GrEStG Rz. 100a) abstellt, während es jedenfalls für die steuerbilanzielle Erfassung auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ankommt, sodass unter Ausnutzung dieser unterschiedlichen Betrachtungszeitpunkte im Einzelfall noch Gestaltungen möglich sein könnten.

672 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.48 Kap. 6

III. Befreiung nach § 6a GrEStG 1. Grundaussage § 6a GrEStG normiert eine „Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern“. Es gibt in der Grunderwerbsteuer keine allgemeine „Konzernbetrachtung“, die Grundstücksübertragungen zwischen verbundenen Unternehmen grds. von der Besteuerung ausnehmen oder den Konzern als einen einheitlichen Rechtsträger definieren würde.82 § 6a GrEStG ändert nichts daran, dass Gesellschaften eines Konzerns als selbstständige Rechtsträger für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu qualifizieren sind und Grundstücksübertragungen innerhalb des Konzerns grunderwerbsteuerbar sind.83 Stattdessen sieht der mit Wirkung ab 2010 eingeführte84 § 6a GrEStG eine Steuerbefreiung für ausgewählte Erwerbsvorgänge unter engen Voraussetzungen vor.85

6.46

Befreit werden bestimmte Rechtsvorgänge, an denen nur ein herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaften oder nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Die nachfolgend im Detail dargestellten Voraussetzungen der Steuerbefreiung sind unabhängig vom aktienrechtlichen Konzernbegriff86 und stimmen auch nicht mit den Voraussetzungen der grunderwerbsteuerlichen Organschaft (§ 1 Abs. 4 GrEStG) überein87. In der ursprünglichen Fassung entsprach die für die Qualifizierung als abhängige Gesellschaft zu erfüllende Beteiligungsquote von 95 % der für die Ergänzungstatbestände geltenden Quote. Im Rahmen der Änderung des GrEStG in 2021 wurde die tatbestandsmäßige Beteiligungsquote für die Ergänzungstatbestände aber auf 90 % herabgesetzt, während es für § 6a GrEStG nach aktueller Gesetzeslage weiterhin einer Beteiligung von 95 % bedarf.88 Dieses Missverhältnis ist in der Literatur zu Recht kritisiert worden.89 Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Beteiligungsquote anpassen wird. Nicht gänzlich auszuschließen ist, dass im Zuge einer solchen Anpassung auch die einzuhaltenden Vor- und Nachbehaltensfristen von derzeit 5 auf 10 Jahre angepasst werden könnten, wie dies in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und §§ 5, 6 GrEStG in 2021 erfolgte.90

6.47

§ 6a GrEStG kann auch nicht als eine grundsätzliche Befreiung für Grundstücksübertragungen aufgrund von Umwandlungsvorgängen betrachtet werden, sondern ist auf sog. „Konzernsachverhalte“ begrenzt.91 Zwar sind umwandlungsbedingte Grund-

6.48

82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 23; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 4. Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 4; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 9. Art. 7 des Gesetzes v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. Zum Lenkungscharakter der Norm Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 9, 10. OFD NRW v. 25.3.2021 – S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236 Tz. 1.1. BFH, Urt. v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337 Tz. 20; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 140; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 5. Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. Broemel/Mörwald, DStR 2019, 1113 (1114); Fleischer/Görnig, Stbg 2022, 62 (72). Zu diesbezüglichen Überlegungen in der politischen Diskussion vor Veröffentlichung des Referentenentwurfs zur Grunderwerbsteuerreform vgl. Schley, GmbHR 2019, 645 (650). Zur Einschränkung auf Konzernsachverhalte auch ausdrücklich BT-Drucks. 17/147, S. 10.

Tigges-Knümann | 673

Kap. 6 Rz. 6.48 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

stücksübertragungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein wesentlicher Anwendungsfall des § 6a GrEStG und die Erleichterung von Umstrukturierungen ist das primäre Förderungs- und Lenkungsziel der Norm.92 Aufgrund der hohen Anforderungen an die Abhängigkeit der beteiligten Gesellschaften fallen allerdings viele Umwandlungsvorgänge gerade nicht in den Anwendungsbereich.93 2. Voraussetzungen a) Begünstigte Umwandlungen

6.49 § 6a GrEStG erfasst nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 bis 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbare Rechtsvorgänge aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwG94, d.h. Verschmelzungen (Nr. 1), Spaltungen (Nr. 2) und Vermögensübertragungen (Nr. 3).95 § 6a GrEStG findet sowohl auf den umwandlungsbedingten Übergang von Grundstücken als auch auf den Übergang von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften Anwendung, wenn dadurch ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG verwirklicht wird. Die Umwandlungsrichtung (upstream, downstream oder sidestream) ist grds. unerheblich.96 M.E. erfasst § 6a GrEStG auch die durch einen Umwandlungsvorgang ausgelösten Anteilsverschiebungen beim übertragenden oder übernehmenden Rechtsträger, wenn dadurch ein steuerbarer Tatbestand nach § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG ausgelöst wird. Damit ist für alle unter Rz. 6.1 ff. dargestellten steuerbaren Vorgänge der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG eröffnet. Zweifel könnten allenfalls im Hinblick auf die Anwachsung in Folge einer Umwandlung bestehen. Insoweit ist nicht ganz eindeutig, ob die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Anwachsung „aufgrund“ des Umwandlungsvorgangs eintritt.97 Für Umwandlungen nach dem 6.6.2013 kann die Frage aber letztlich dahinstehen, weil die Anwachsung jedenfalls ein Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ist und folglich von § 6a Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. GrEStG erfasst wird.98

92 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 2 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/147, S. 10; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 9. 93 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 2; Heine in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/ GrEStG, § 6a GrEStG Rz. 5. 94 Der Verweis sollte ebenfalls Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 2 UmwG nach anderen Bundesoder Landesgesetzen umfassen, da diese als Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG gelten, gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 2.1; Lieber in Behrens/ Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 16. 95 Zur Anwendung von § 6a GrEStG auf Einbringungen s. Rz. 6.172 ff. Zur Diskussion um die Anwendbarkeit in Fällen des Formwechsels s. Rz. 6.239 ff. 96 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 2.1; BFH, Urt. v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. 97 Dies bezweifelnd Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 22. 98 So auch Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 22.

674 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.51 Kap. 6

Ebenfalls begünstigt sind gem. § 6a Satz 2 GrEStG entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines EU- oder EWR-Staates. Dies betrifft neben den Umwandlungen, die sich nach der Rechtsordnung eines anderen Staates vollziehen, auch grenzüberschreitende Umwandlungen (§ 122a UmwG)99 und die Begründung einer SE durch Verschmelzung100. Nach Verwaltungsauffassung müssen die Umwandlungen inhaltlich mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwG vergleichbar sein, ohne dass weitere Ausführungen zu den Vergleichbarkeitskriterien gemacht werden.101 Für die Frage der Vergleichbarkeit dürfte auf die im Umwandlungssteuererlass102 durch die Verwaltung aufgestellten Kriterien zurückzugreifen sein.103 Auch wenn die Verwaltung sich hierzu nicht weiter äußert, können wohl jedenfalls keine höheren Anforderungen gestellt werden.104 In der Literatur wird als wesentliches Kriterium der Umwandlung ein Vermögensübergang kraft eines Hoheitsaktes angesehen.105 Nicht erfasst sind reine Drittstaatenumwandlungen.106 Die Beteiligung einer Drittstaatengesellschaft an einer Umwandlung nach dem deutschen UmwG oder an einer vergleichbaren Umwandlung nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates schließt die Anwendung von § 6a GrEStG dagegen nicht aus.107

6.50

Nach Verwaltungsauffassung soll die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine KapGes. nicht von § 6a GrEStG begünstigt sein,108 obwohl es sich um einen steuerbaren Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aufgrund einer Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG handelt.109 Eine Begründung führt die Verwaltung nicht an. Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des § 6a GrEStG und ist auch systematisch nicht gerechtfertigt, da der umgekehrte Fall der Verschmelzung einer KapGes. auf ihren Alleingesellschafter nach BFH-Rechtsprechung110, welcher sich

6.51

99 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 27; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 22, 47; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 27. Pahlke und Kugelmüller-Pugh dürften so zu verstehen sein, dass sie grenzüberschreitende Umwandlungen nach § 122a UmwG bereits unter § 6a Satz 1 GrEStG subsumieren. 100 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.2; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 22, 47; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 27; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 43. 101 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.2. 102 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20 ff. 103 Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 48; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 41. 104 Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 48. 105 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 41; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 27. 106 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 27; FG Münster, Urt. v. 23.9.2021 – 8 K 1125/17 GrE, EFG 2021, 1926. 107 Van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 158 m.w.N. 108 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.1. 109 Zur Begünstigung nach dem Wortlaut des § 6a GrEStG vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (141). 110 BFH, Urt. v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329; Urt. v. 22.8.2019 – II R 18/19 (II R 62/14), BStBl. II 2020, 352.

Tigges-Knümann | 675

Kap. 6 Rz. 6.51 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

der Verwaltung angeschlossen hat,111 begünstigt ist.112 Das FG Sachsen hat entgegen der Verwaltungsauffassung eine Anwendung von § 6a GrEStG auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine KapGes. bejaht.113 Das FG Münster hat sich dieser Auffassung angeschlossen.114 Ein noch anders lautendes Urteil des FG München115 dürfte zwischenzeitlich überholt sein, da wesentliche Begründung die Beendigung des Verbunds und die fehlende Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 UStG des herrschenden Unternehmens nach der Ausgliederung war, die aber nach neuerer BFH Rechtsprechung116 und Verwaltungsauffassung117 nicht erforderlich ist.118 Gegen das vorstehende Urteil des FG Sachsen ist die Revision zugelassen worden und das Verfahren beim BFH anhängig (II R 2/22). Es ist nicht zu erwarten, dass die Finanzverwaltung von ihrer Auffassung abweicht, bevor eine Entscheidung des BFH vorliegt.

6.52 In der Gestaltung kann der Steuerpflichtige daher trotz guter Argumente derzeit noch nicht rechtssicher mit der Steuerbefreiung des § 6a GrEStG für die genannten Ausgliederungen planen, sondern muss sich – soweit ertragsteuerlich hinnehmbar – mit der Ausweichgestaltung einer Veräußerung zu einem niedrigen Kaufpreis behelfen.119 Wegen § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG kommt dies aber regelmäßig nur für isolierte Grundstückübertragungen und nicht für die Ausgliederung eines ganzen Betriebs oder Teilbetriebs in Betracht. Bereits verwirklichte Sachverhalte, die von der Finanzverwaltung als nicht nach § 6a GrEStG begünstigt eingestuft werden, sollten per Einspruch offengehalten und mit Verweis auf das anhängige Revisionsverfahren gem. § 363 Abs. 2 AO Ruhen des Verfahrens beantragt werden. 6.53 Beispiel 8: A ist Einzelunternehmer. Zu seinem Einzelunternehmen gehören u.a. auch zwei Grundstücke, in denen keine stillen Reserven sind. A überträgt eines dieser Grundstücke im Rahmen einer Ausgliederung zur Neugründung auf die A GmbH. Anschließend veräußert er das zweite Grundstück zu einem Verkaufspreis i.H.v. 10 % des Verkehrswertes an die A GmbH.120

111 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.1. 112 Ebenso Brühl, GmbHR 2021, 127; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (141); Wischott/ Graessner, NWB 2021, 21; Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (634); Lieber in Behrens/ Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 40. 113 FG Sachsen, Urt. v. 30.6.2021 – 2 K 121/21, DStR 2021, 2969. 114 FG Münster, Beschl. v. 3.5.2022 – 8 V 246/22 GrE, DStR 2022, 1312. 115 FG München, Urt. v. 23.7.2014 – 4 K 1304/13, DStRE 2016, 107. 116 BFH, Urt. v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. 117 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 118 Ebenso Brühl, GmbHR 2021, 127; Broemel, DStR 2021, 2953 (2955); Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (142). 119 Vgl. dazu Broemel, DStR 2021, 2953 (2955). 120 Beispiel im Wesentlichen entnommen aus Broemel, DStR 2021, 2953 (2955).

676 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.55 Kap. 6

A 1 Ausgliederung

100 %

2 Veräußerung

A GmbH

Abb. 7 Die Ausgliederung des einen Grundstückes dürfte analog zu den Entscheidungen der FG Sachsen und Münster121 ein Anwendungsfall des § 6a GrEStG sein. Sofern A in den folgenden fünf Jahren seine Beteiligung an der A GmbH in einem schädlichen Umfang (Beteiligungsquote < 95 %) vermindert, entfällt die Begünstigung nach § 6a GrEStG aufgrund eines Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist in § 6a Satz 4 GrEStG rückwirkend und vollständig. Die Finanzverwaltung will in diesen Fällen indes die Befreiung nach § 6a GrEStG nicht gewähren.122 Die Veräußerung des anderen Grundstückes stellt einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang dar. § 6a GrEStG ist nicht anwendbar, da Erwerbsvorgänge gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG erfasst sind (Grundstücksverkauf stellt keine Umwandlung, Einbringung oder anderen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage dar, s. auch Rz. 6.178 ff.) und auch die Vorbehaltensfrist in Bezug auf die A GmbH nicht erfüllt ist (kein Neugründungsfall). Die Grunderwerbsteuer bemisst sich vorliegend nach dem Kaufpreis als Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die Wahl eines Kaufpreises unter dem Verkehrswert steht der Zugrundelegung dieses Kaufpreises für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht entgegen, solange der Kaufpreis nicht lediglich in symbolischer Höhe vereinbart wird.123 Mangels Gewährung einer Steuerbefreiung kommt eine Nachbehaltensfrist (wie etwa in § 6a GrEStG) nicht zur Anwendung.

Eine tabellarische Übersicht aller nach § 6a GrEStG begünstigten Umwandlungsund Einbringungsvorgänge ist unter Rz. 6.183 enthalten.

6.54

b) Beteiligte am Rechtsvorgang Für einen begünstigungsfähigen Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung (Rz. 6.49 ff.) wird die Steuer nur dann gem. § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a

121 FG Sachsen, Urt. v. 30.6.2021 – 2 K 121/21, DStR 2021, 2969; FG Münster, Beschl. v. 3.5.2022 – 8 V 246/22 GrE, DStR 2022, 1312. 122 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.1. 123 S. z.B. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 2.11.2010 – II B 61/10, BFH/ NV 2011, 307; vgl. hierzu auch Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 208 f.

Tigges-Knümann | 677

6.55

Kap. 6 Rz. 6.55 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Satz 3 GrEStG). Um diese Voraussetzung im Detail zu prüfen, sind zunächst die am Rechtsvorgang beteiligten Rechtsträger zu bestimmen.

6.56 Nach h.M. ist auf die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger abzustellen.124 Dies hat nun auch der BFH ausdrücklich so entschieden.125 An der Umwandlung beteiligt sind die Rechtsträger, die im Rahmen des Umwandlungsvorgangs Vermögen übertragen oder übernehmen.126 Es kommt dagegen nicht darauf an, welcher Rechtsträger das Grundstück hält bzw. bei welchem Rechtsträger der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang verwirklicht wird.127 Nicht beteiligt sind insbesondere Gesellschaften, deren Anteile im Rahmen der Umwandlung übertragen werden. Sie sind nur Gegenstand, aber nicht Beteiligte des Umwandlungsvorgangs.128 Das gilt auch in Fällen des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG, die als Rechtsfolge eine fiktive Grundstücksübertragung vorsehen129, da auch der (ggfs. fiktive) Übertragungsweg der Grundstücke für § 6a GrEStG nicht relevant ist. Die Anteilseigner der übernehmenden und der übertragenden Rechtsträger sind ebenfalls nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt. Ihnen kann aber ggf. als herrschendes Unternehmen Bedeutung zukommen (Rz. 6.59 ff.) 6.57 Nach dem Wortlaut des § 6a Satz 3 GrEStG („ausschließlich“) dürfte jegliche Beteiligung eines nicht begünstigten, d.h. nicht als herrschendes Unternehmen oder abhängige Gesellschaft zu qualifizierenden, Rechtsträgers schädlich für die Befreiung sein.130 Dieses Problem tritt auf, wenn an einem Umwandlungsvorgang mehr als zwei Rechtsträger beteiligt sind. Das ist insbesondere bei Aufspaltungen der Fall, da dort mindestens ein übertragender und zwei übernehmende Rechtsträger vorhanden sind. Es sind aber auch Fälle der Verschmelzung denkbar, wenn beispielsweise mehrere Gesellschaften zur Neugründung verschmolzen werden.131 In der Gestaltung sollte bei einer entsprechenden Situation, in der einer der Rechtsträger nicht begünstigt ist, versucht werden, den Vorgang in mehrere Umwandlungsvorgänge zu unterteilen. Dabei ist darauf zu achten, dass zweifelsfrei mehrere Umwandlungsvorgänge vorliegen und sich der Umwandlungsvorgang unter Beteiligung eines nicht begünstigten Rechtsträgers zeitlich und sachlich getrennt von den begünstigten Umwandlungen vollzieht. Es dürfte insbesondere ein separater Vertrag und vorsorglich auch 124 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; dies dürfte auch die Auffassung der Finanzverwaltung sein: gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3 und 3.2.2.2. 125 BFH, Urt. v. 28.9.2022 – II R13/20, DStR 2022, 2495. 126 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; Stenert, Ubg 2022, 31 (32). 127 Zur ein beteiligungs- nicht grundstücksbezogenen Betrachtungsweise des § 6a GrEStG s. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 1; BFH, Urt. v. 22.8.2019 – II R 17/19 (II R 58/14), BStBl. II 2020, 348. 128 So ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2; Stenert, Ubg 2022, 31 (32). 129 Dazu ausdrücklich Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 8. 130 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20,§ 6a GrEStG Rz. 74, 75. 131 S. dazu Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 75 mit einem Beispielsfall.

678 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.58 Kap. 6

ein abweichender Stichtag und eine abweichende Eintragung ins Register empfehlenswert sein. Ist eine derartige Trennung nicht möglich, weil bspw. zwingend derselbe Stichtag gewählt werden soll, ist es ratsam, eine Verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO einzuholen (Rz. 7.134 ff). Beispiel 9: Der wirtschaftlich tätige A ist seit mehr als 5 Jahren zu 100 % an der A GmbH und an der C GmbH beteiligt. Außerdem hält er 80 % der Anteile an der B GmbH. Die A GmbH soll auf die B GmbH und die C GmbH aufgespalten werden. Nur im Vermögen, das auf die C GmbH übergehen soll, ist Grundbesitz enthalten. Neben der Aufspaltung (Alternative 1) kann wirtschaftlich ein vergleichbares Ergebnis erreicht werden, wenn zunächst Vermögen auf die B GmbH abgespalten und die A GmbH in einem zweiten, separaten Umwandlungsvorgang auf die C GmbH verschmolzen wird (Alternative 2).

Alternative 1

A 100 % C GmbH

100 % A GmbH

80 % B GmbH

Aufspaltung Alternative 2

A 100 % C GmbH

2 Verschmelzung

100 % A GmbH

80 % B GmbH

1 Abspaltung

Abb. 8

Tigges-Knümann | 679

6.58

Kap. 6 Rz. 6.58 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen In Alternative 1 löst die Aufspaltung einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus, da in dem auf die C GmbH übergehenden Vermögen Grundbesitz enthalten ist. An der Umwandlung sind die A GmbH als übertragende und die B GmbH sowie die C GmbH als übernehmende Rechtsträger beteiligt. Nur die C GmbH und die A GmbH sind vom herrschenden Unternehmen A abhängige Gesellschaften, während die Beteiligung des A an der B GmbH unterhalb der notwendigen 95 % Quote bleibt. § 6a GrEStG dürfte folglich keine Anwendung finden, weil an der Umwandlung nicht ausschließlich abhängige Gesellschaften beteiligt sind. In Alternative 2 liegen zwei getrennte Umwandlungsvorgänge vor. Die Abspaltung von Vermögen von der A GmbH auf die B GmbH bleibt grunderwerbsteuerlich ohne Folgen, weil im übergehenden Vermögen kein Grundbesitz enthalten ist. Die nachfolgende Verschmelzung der A GmbH auf die C GmbH führt wiederum zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. An der Verschmelzung sind nur die A GmbH als übertragender und die C GmbH als übernehmender Rechtsträger und damit ausschließlich von A abhängige Gesellschaften beteiligt. Folglich findet § 6a GrEStG Anwendung.

c) Herrschendes Unternehmen aa) Rechtsform

6.59 Herrschendes Unternehmen kann jeder Rechtsträger i.S.d. GrEStG sein. Die Finanzverwaltung nennt ausdrücklich natürliche und juristische Personen sowie PersGes.132 Auch (gemeinnützige) Stiftungen133 und Gebietskörperschaften können herrschendes Unternehmen sein, wenn sie die weiteren Voraussetzungen erfüllen, d.h. insbesondere (ggf. über eine abhängige Gesellschaft, dazu Rz. 6.62 ff.), wirtschaftlich tätig sind (Rz. 6.60 ff.).134 bb) Anforderungen an die wirtschaftliche Tätigkeit

6.60 Das herrschende Unternehmen muss nach neuer BFH-Rechtsprechung, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, „wirtschaftlich tätig“ sein.135 An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sollen keine hohen Anforderungen zu stellen sein.136 Der erforderliche Inhalt der wirtschaftlichen Tätigkeit bleibt allerdings sowohl im Anwendungserlass als auch in den BFH Urteilen offen. Die Sachverhaltsdarstellungen in den vorangegangenen FG-Verfahren geben überwiegend nur ein bruchstückhaftes Bild der Aktivitäten der herrschenden und abhängigen Unternehmen in den streit-

132 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 133 BFH, Urt. v. 21.8.2019 – II R 19/19 (II R 63/14), BStBl. II 2020, 337. 134 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 85 mit dem Hinweis, dass es nicht auf Zuordnung zu einem Betrieb gewerblicher Art ankommt. 135 BFH, Beschl. v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; nachfolgend Urt. v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), II R 16/19 (II R 36/14), II R 17/19 (II R 58/14), II R 19/19 (II R 63/14), II R 20/19 (II R 53/15), II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, 329 ff.; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 136 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1; so auch BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916.

680 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.61 Kap. 6

gegenständlichen Verfahren. Infolgedessen lässt sich aus diesen keine belastbare Kasuistik dazu ableiten, wo die Grenzen der wirtschaftlichen Tätigkeit liegen.137 Die Finanzverwaltung führt lediglich zwei Negativbeispiele an: Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften sollen demnach nicht selbst wirtschaftlich tätig sein.138 Klar dürfte sein, dass – anders als früher von der Finanzverwaltung vertreten139 – eine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft des herrschenden Unternehmens i.S.d. § 2 UStG nicht erforderlich ist.140 Die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG muss auch nicht im Betriebsvermögen des herrschenden Unternehmens gehalten werden.141 Der ertragsteuerliche Begriff des Betriebsvermögens ist dem Grunderwerbsteuerrecht nach Auffassung des BFH fremd.142 Daraus lässt sich ableiten, dass auch für die Bestimmung der wirtschaftlichen Tätigkeit insgesamt nicht auf ertragsteuerliche Grundsätze zurückgegriffen werden kann.143 Zwar lässt sich aus den BFH Urteilen entnehmen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit eine Teilnahme am Markt erfordert.144 Dies übernimmt auch die Finanzverwaltung in den Erlassen.145 Obwohl dies an den aus dem Ertragsteuerrecht bekannten Begriff der „Marktteilnahme“ erinnert, welcher dort als Abgrenzungskriterium zwischen einer gewerblichen und einer vermögensverwaltenden Tätigkeit herangezogen wird,146 steht das Wesen der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer einer Übertragung dieser ertragsteuerlichen Grundsätze entgegen.147 Auch eine vermögensverwaltende Tätigkeit wie bspw. das Halten von Grundbesitz sollte als wirtschaftliche Tätigkeit qualifizieren.148 Dies könnte mglw. auch als Umkehrschluss aus der Aussage der Finanzverwaltung herausgelesen werden, die als Negativabgrenzung nur Holding- und Vor-

137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 2.2. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1; BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. Vgl. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 20 f.; v. 21.8.2019 – II R 19/19 (II R 63/ 14), BStBl. II 2020, 337. BFH v. 21.8.2019 – II R 19/19 (II R 63/14), BStBl. II 2020, 337. So auch Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. Vgl. z.B. BFH v. 28.9.2017 – IV R 50/15, BStBl. II 2018, 89; Wacker in Schmidt42, § 15 EStG Rz. 20. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). So auch Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032); Wischott/Graessner, NWB 2021, 21 (23); differenzierter Stenert, Ubg 2022, 31 (33), der einen wirtschaftlichen Zweck der Tätigkeit in Form einer Vermietungs- oder Verkaufs- bzw. Spekulationsabsicht fordert und daher bspw. im bloßen Halten brachliegender Grundstücke keine wirtschaftliche Tätigkeit sieht; Brühl, GmbHR 2021, 126 (133) zur Eigennutzung und Nutzungsüberlassung von Grundbesitz als wirtschaftliche Tätigkeit.

Tigges-Knümann | 681

6.61

Kap. 6 Rz. 6.61 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

ratsgesellschaften nennt.149 Der von BFH und Finanzverwaltung gebrauchte Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs150 sollte auch nicht i.S.v. § 14 AO verstanden werden können.151 Dies würde der Aussage widersprechen, dass an den Geschäftsbetrieb keine hohen Anforderungen zu stellen sind152 und würde erneut eine vermögensverwaltende Tätigkeit gerade nicht ausreichen lassen, wofür nach Sinn und Zweck des § 6a GrEStG kein sachlicher Grund ersichtlich ist.153 In Abgrenzung zu den von der Finanzverwaltung genannten reinen Holdinggesellschaften sollten jedenfalls geschäftsleitende Holdings, die aktiv in das Geschäft ihrer Beteiligungsgesellschaften eingreifen, oder Holdings, die Dienstleistungen gegenüber den Konzerngesellschaften erbringen, eine (eigene) wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.154

6.62 Die Teilnahme am Markt bzw. die wirtschaftliche Tätigkeit insgesamt kann aber auch über eine abhängige Gesellschaft vorliegen.155 BFH und Finanzverwaltung führen dies für den Fall des Alleingesellschafters einer KapGes. an, der seine Anteile im Privatvermögen hält.156 Jedenfalls der BFH könnte hier so zu verstehen sein, dass bereits die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft als wirtschaftliche Betätigung des herrschenden Unternehmens genügt, und nicht zusätzlich eine qualifizierte unternehmerische Betätigung der abhängigen Gesellschaft erforderlich sein soll.157 Insbesondere im Urteil II R 19/19 nimmt der BFH für den Fall einer gemeinnützige Stiftung als herrschendes Unternehmen keine über die Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft hinausgehende Prüfung der wirtschaftlichen Tätigkeit vor.158 Diese Sichtweise wurde in der Literatur bereits in der Vergangenheit vertreten159 und er-

149 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 143. 150 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1 und BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916. 151 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). 152 So aber ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1 und BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916. 153 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032), die zudem darauf hinweisen, dass eine Sichtweise, bei der Konzerneinheiten nach ihren Tätigkeiten aufgeteilt werden, im Konflikt mit der Grundkonzeption des § 6a GrEStG stehen würde, welcher konzerninterne Umstrukturierungen ja gerade deshalb privilegiert, weil er bei Konzernen eine Einheitlichkeit in der Führung der Geschäfte vermutet. 154 Stenert, Ubg 2022, 31 (33). 155 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1; BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. Der Vorlagebeschluss des BFH v. 30.5.2017 enthielt hingegen den leicht abweichenden Wortlaut, dass das herrschende Unternehmen über die Beteiligung „am Markt teilnimmt“, vgl. BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916 Rz. 29. 156 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1; BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329. 157 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032); Wischott/Graessner, NWB 2020, 1320 (1324); ebenso wohl Behrens/Seemaier, DStR 2020, 1411 (1412). 158 BFH v. 21.8.2019 – II R 19/19 (II R 63/14), BStBl. II 2020, 337. 159 Joisten, Ubg 2017, 394 (398).

682 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.64 Kap. 6

scheint im Kontext der sehr restriktiven Vor- und Nachbehaltensfristen gut vertretbar, denn beim Halten einer Beteiligung über ganze zehn Jahre lässt sich auch typisierend eine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt unterstellen.160 Gegen diese Sichtweise könnte zwar eingewandt werden, dass das Tatbestandsmerkmal herrschendes „Unternehmen“ dann keine eigenständige Bedeutung gegenüber den Vor- und Nachbehaltensfristen mehr hat. Dies ist jedoch widerspruchsfrei, wenn man berücksichtigt, dass der Unternehmensbegriff des § 6a GrEStG primär der Umschreibung des aktienrechtlichen Instituts „Konzern“ dient und hierbei wortgleich auf die aktienrechtliche Terminologie zurückgreift.161 Die Finanzverwaltung dürfte diese Auslegung aber wohl derzeit nicht mittragen, da sie andernfalls auch Holdinggesellschaften als selbst wirtschaftlich tätig anerkennen müsste, die derzeit ausdrücklich als Negativbeispiel genannt sind.162 Darüber hinaus soll lt. den Ländererlassen eine wirtschaftliche Tätigkeit nur durch eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft vermittelt werden können. Denn die Finanzverwaltung hält es im Kontext der Marktteilnahme über die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft für erforderlich, dass „mindestens eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft am Markt wirtschaftlich tätig ist.“163 Dies wirft die Frage auf, wie die Finanzverwaltung zu Sachverhalten steht, an denen aus ihrer Sicht weder das herrschende Unternehmen noch das abhängige Unternehmen selbst am Markt wirtschaftlich tätig sind, eine wirtschaftliche Tätigkeit allerdings von einer Tochtergesellschaft der abhängigen Gesellschaft oder von einer anderen Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft verwirklicht wird.

6.63

Beispiel 10: Die A GmbH ist zu 100 % an der B GmbH beteiligt. Die B GmbH hält wiederum 100 % der Gesellschaftsanteile der grundbesitzenden C KG.164 Die Beteiligungsstruktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Die A GmbH und B GmbH seien aus Sicht der Finanzverwaltung nicht selbst wirtschaftlich tätig, die C KG hingegen schon. Außerdem ist die A GmbH an der ebenfalls wirtschaftlich tätigen D GmbH beteiligt. Die B GmbH wird auf die A GmbH verschmolzen.

6.64

160 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). 161 Rogall/Mörwald, Ubg 2015, 347 (349 f.). In § 18 Abs. 1 AktG heißt es wörtlich: „Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst, so bilden sie einen Konzern.“ 162 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 163 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 164 Der nicht vermögensmäßig beteiligte Komplementär wird aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt.

Tigges-Knümann | 683

Kap. 6 Rz. 6.64 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A GmbH Verschmelzung

100 %

B GmbH

100 %

D GmbH

100 %

C KG

Abb. 9

6.65 Die im Vorlagebeschluss des BFH getroffene Aussage, dass es für die Stellung als herrschendes Unternehmen ausreicht, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt165 und die von der Finanzverwaltung zu „über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft“ verallgemeinert wird166, kann m.E. sinnvoll nur so verstanden werden, dass im vorliegenden Beispiel eine wirtschaftliche Tätigkeit der A GmbH sowohl aufgrund der Beteiligung an der C KG als auch aufgrund der Beteiligung an der D GmbH ausgeübt wird, auch wenn beide Gesellschaften rechtlich nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind. Da der Begriff der abhängigen Gesellschaft i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG ausdrücklich auch mittelbare Beteiligungen umfasst, muss auch eine über mehrere Stufen gehaltene mittelbare Beteiligung des herrschenden Unternehmens an einer wirtschaftlich tätigen Enkelgesellschaft genügen.167 Der Ländererlass führt jedoch weiter aus, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit einer der an der Umwandlung beteiligten abhängigen Gesellschaften (hier nur die B GmbH) erforderlich ist.168 Danach wäre jedenfalls die wirtschaftliche Tätigkeit der D GmbH für die Begünstigung der Verschmelzung nach § 6a GrEStG unbeachtlich. Denkbar wäre aber, dass die Finanzverwaltung eine wirtschaftliche Tätigkeit der abhängigen am Umwandlungsvorgang beteiligten B GmbH aufgrund deren Beteiligung an der C KG annimmt. Denn wenn 165 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916 Rz. 29. 166 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1; zum insoweit weiteren Wortlaut des Erlasses auch Stenert, Ubg 2022, 31 (33). 167 I.E. ebenso Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (23, 24); für die Einbeziehung mittelbarer Beteiligungen auch Brühl, GmbHR 2021, 126 (133). 168 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1.

684 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.66 Kap. 6

ein herrschendes Unternehmen über eine Beteiligung (an einer abhängigen Gesellschaft) wirtschaftlich tätig sein kann, dann sollte auch eine abhängige Gesellschaft wirtschaftlich tätig sein, wenn sie eine Beteiligung an einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft (hier: C KG) hält.169 Im Ergebnis käme es zu einer mehrstufigen Zurechnung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Rechtssicher lässt sich dieses Ergebnis aus dem Ländererlass indes nicht herauslesen.170 Für das einschränkende Verständnis der Finanzverwaltung sind keine sachlichen Gründe ersichtlich.171 Ein herrschendes Unternehmen ist entweder wirtschaftlich tätig oder nicht. Die Frage, aus welcher Beteiligung es seine wirtschaftliche Tätigkeit begründet, darf hierbei keine Rolle spielen.172 Der Wortlaut der BFH Urteile173, der jeweils nur auf die konkrete abhängige Gesellschaft Bezug nimmt, ist m.E. schlicht dem Urteilssachverhalt geschuldet und sollte nicht als enge Auslegung durch den BFH verstanden werden können.174 Nach noch weitergehender Auffassung in der Literatur kann eine wirtschaftliche Tätigkeit aus jeder Art von Beteiligung ohne Rücksicht auf die Beteiligungsquote abgeleitet werden.175 Dies erscheint jedenfalls dann zutreffend, wenn man keine „Zurechnung“ der wirtschaftlichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft annimmt, sondern das Halten der Beteiligung selbst als wirtschaftliche Tätigkeit versteht. Zudem setzt die Verwaltung voraus, dass das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit innerhalb der fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen vorliegt.176 Diese Anforderung der Finanzverwaltung ist m.E. nur dann tragbar, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit gerade nicht als eigenständiges ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, sondern als Teil der Konzerndefinition verstanden wird und folglich allein über die Beteiligung an einer oder mehrerer abhängiger Gesellschaften während der in § 6a Satz 4 GrEStG definierten Vor- und Nachbehaltensfristen erfüllt wird (s. dazu vorstehend Rz. 6.62). Die Formulierung im Erlass („das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit“) dürfte aber eher darauf schließen lassen, dass die Finanzverwaltung ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal annimmt, das während der gesamten Vor- und Nachbehaltensfrist erfüllt werden muss.177 Diese Anforderung geht deutlich über den Regelungswortlaut hinaus. Das Tatbestandsmerkmal „ununterbro169 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (144); Stenert, Ubg 2022, 31 (33). 170 So auch Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (24); Stenert, Ubg 2022, 31 (33) zum wortlautidentischen Erlass vom 22.9.2020 (BStBl. I 2020, 960). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltung reine Holdinggesellschaften pauschal als nicht selbst wirtschaftlich tätig bezeichnet. 171 So auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (144); Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (24). 172 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (144); i.E. auch Stenert, Ubg 2022, 31 (33). 173 BFH v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916 Rz. 29: „über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen“; v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329: „über seine Beteiligung an der Gesellschaft“. 174 So auch Brühl, GmbHR 2021, 126 (133); gerade die Formulierung in II R 15/19 könnte auch so verstanden werden, dass bereits die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft selbst als wirtschaftliche Tätigkeit genügt, vgl. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1032). 175 Brühl, GmbHR 2021, 126 (133). 176 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 177 Mit diesem Verständnis auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (143).

Tigges-Knümann | 685

6.66

Kap. 6 Rz. 6.66 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

chen“ in § 6a Satz 4 GrEStG ist grammatikalisch ausschließlich auf die Haltedauer der Beteiligung am abhängigen Unternehmen bezogen, nicht jedoch auf die Eigenschaft eines herrschenden Unternehmens oder einer wirtschaftlichen Tätigkeit.178 Auch aus den relevanten BFH-Urteilen zu § 6a GrEStG179 lässt sich kein Zeitbezug der wirtschaftlichen Tätigkeit herauslesen. cc) Herrschendes Unternehmen bei mehrstufigem Konzernaufbau

6.67 In mehrstufigen Beteiligungsstrukturen ist es bei Umwandlungen auf einer der unteren Ebenen denkbar, dass mehrere Gesellschaften in der Beteiligungskette darüber die Voraussetzung des herrschenden Unternehmens erfüllen. Die Bestimmung des herrschenden Unternehmens hat insbesondere Bedeutung für die der Umwandlung nachfolgende Behaltensfrist. 6.68 Beispiel 11: Die A GmbH ist seit mehr als fünf Jahren zu 100 % unmittelbar an der Tochtergesellschaft B GmbH sowie mittelbar an den Enkelgesellschaften C GmbH und D GmbH beteiligt. A GmbH und B GmbH sind wirtschaftlich tätig. Die grundbesitzende C GmbH wird im Jahr 01 unter Inanspruchnahme des § 6a GrEStG auf die D GmbH verschmolzen. Im Jahr 03 verkauft die A GmbH eine Beteiligung von 20 % an der B GmbH an die E GmbH.

Jahr 01

Jahr 03 A GmbH

A GmbH 100 % 80 %

100 %

B GmbH 100 %

E GmbH

20 %

B GmbH 100 %

C GmbH

D GmbH

100 %

D GmbH

Verschmelzung Abb. 10 178 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (143). 179 BFH, Beschl. v. 30.5.2017 – II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; nachfolgend: BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), II R 16/19 (II R 36/14), II R 17/19 (II R 58/14), II R 19/19 (II R 63/14), II R 20/19 (II R 53/15), II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, 329 ff.

686 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.70 Kap. 6

In dieser Fallkonstellation erfüllen im Zeitpunkt der Verschmelzung im Jahr 01 sowohl die A GmbH als auch die B GmbH die Voraussetzung des herrschenden Unternehmens, da sie beide wirtschaftlich tätig und seit mehr als fünf Jahren an den beiden abhängigen Gesellschaften C GmbH und D GmbH beteiligt sind. Für die nachfolgende Behaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG stellt sich also die Frage, ob die Behaltensfrist nur durch die A GmbH oder nur durch die B GmbH oder durch beide eingehalten werden muss. Die Finanzverwaltung vertrat bisher die umstrittene Auffassung180, dass es nur ein herrschendes Unternehmen geben könne. Sofern in einer Beteiligungskette mehrere Unternehmen die Tatbestandsvoraussetzungen der 95 %-Beteiligung sowie der Vorbehaltensfrist erfüllen, sollte das Unternehmen der oberste Rechtsträger sein, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt.181 Konkret sah die Verwaltung die folgenden Prüfungsschritte vor:

6.69

(1) Zunächst ist von unten nach oben der oberste (selbst oder abgeleitet) wirtschaftlich tätige Rechtsträger zu bestimmen, der ausgehend von den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften die Mindestbeteiligungshöhe an diesen erfüllt. (2) Erfüllt der so ermittelte Rechtsträger die fünfjährige Vorbehaltensfrist, ist dieser das herrschende Unternehmen. Andernfalls ist die Prüfung nach unten bis zu dem (selbst oder abgeleitet) wirtschaftlich tätigen Rechtsträger fortzusetzen, der als erster die fünfjährige Vorbehaltensfrist erfüllt.182 Für die Prüfung der Nachbehaltensfristen kam es daher nach bisheriger Verwaltungsansicht nur auf die Beteiligung dieses einen herrschenden Unternehmens an den abhängigen Gesellschaften an. Das obige Beispiel zeigt, dass sich diese Auffassung nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken kann. Nach bisheriger Finanzverwaltungsauffassung galt die A GmbH als oberster Rechtsträger, der die Voraussetzungen erfüllt, für die nach § 6a GrEStG steuerbefreite Verschmelzung als das herrschende Unternehmen i.S.d. § 6a Satz 3 GrEStG. Der Verkauf des 20 %-Anteils an der B GmbH stellt nach dieser Sichtweise einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist gem. § 6a Satz 4 GrEStG und löst eine rückwirkende Besteuerung der Verschmelzung mit Grunderwerbsteuer aus. Anders verhielte es sich, wenn entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung die B GmbH als herrschendes Unternehmen klassifiziert würde. Denn die Beteiligung der B GmbH an der D GmbH besteht unverändert fort. Doch auch die Qualifizierung des ersten Rechtsträgers in der Beteiligungskette oberhalb der am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaften, der die Voraussetzungen erfüllt, als herrschendes

180 Zur abweichenden Literaturauffassung bereits unter Geltung der alten Erlasse (gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 2.2) vgl. Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 45; Viskorf in Viskorf19, § 6a GrEStG Rz. 90 jeweils m.w.N. 181 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.1. 182 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.1.

Tigges-Knümann | 687

6.70

Kap. 6 Rz. 6.70 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Unternehmen183, kann dazu führen, dass ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist vorliegt, obwohl ein anderes potenziell herrschendes Unternehmen vorhanden wäre.184

6.71 Zu einer Versagung der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG dürfte es aber systematisch richtig nur dann kommen, wenn aus der Sicht aller im Umwandlungszeitpunkt potenziellen herrschenden Unternehmen die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten wird. Dafür spricht, dass das Gesetz keine Unterscheidung zwischen Vorund Nachbehaltensfrist trifft.185 Die Frage, ob an einer Umwandlung ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und/oder eine oder mehrere abhängige Gesellschaften beteiligt waren, kann nach dem Wortlaut des § 6a Satz 4 GrEStG erst nach Ablauf von fünf Jahren nach der Umwandlung abschließend beantwortet werden.186 Eine Festlegung auf ein herrschendes Unternehmen im Zeitpunkt der Umwandlung ist bei diesem Verständnis im Umwandlungszeitpunkt nicht möglich, wenn mehrere Rechtsträger die Voraussetzungen erfüllen.187 Im engeren Verständnis ist § 6a Satz 4 GrEStG also keine Nachbehaltensfrist, die verletzt werden kann, sondern eine Tatbestandsvoraussetzung, deren Erfüllung im Zeitpunkt des steuerbaren Rechtsvorgangs noch nicht beurteilt werden kann.188 In der Literatur wird indes vielfach vertreten, dass der Wortlaut des § 6a GrEStG in Bezug auf die Bestimmung des herrschenden Unternehmens nicht eindeutig sei.189 Diese Auffassung führt aber letztlich

183 So wohl nunmehr der BFH (v. 28.9.2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495). S. dazu Rz. 6.73 f. 184 Wenn das im Fallbeispiel z.B. in der Weise abgewandelt würde, dass ein 20 %-Anteil an der D GmbH von der B-GmbH an die A GmbH veräußert würde, läge ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist vor, wenn die B GmbH das herrschende Unternehmen wäre, während bei der A GmbH als herrschendes Unternehmen kein Verstoß vorläge. Dazu auch Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033). S. auch Beispiel 12 in Rz. 6.75. 185 Brühl, GmbHR 2021, 126 (130). 186 So auch Brühl, GmbHR 2021, 126 (130), a.A. wohl Kirchesch, DStR 2021, 2281 (2283), der davon ausgeht, dass das herrschende Unternehmen im Zeitpunkt der grunderwerbsteuerbaren Handlung zu bestimmen sein muss; ähnlich auch Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (26), die zur Erlangung größerer Rechtssicherheit empfehlen, das herrschende Unternehmen in dem Steuerbescheid benennen zu lassen. 187 Für eine Ableitung dieses Verständnisses aus dem Gesetzeswortlaut auch Brühl, GmbHR 2021, 126 (130). 188 Auch die Formulierung der Anzeigepflicht in § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG ließe sich in diese Richtung verstehen, da dort eine Anzeigepflicht allgemein für „Änderungen von Beherrschungsverhältnissen“ normiert wird, was gerade nicht auf eine im Umwandlungszeitpunkt eindeutig festgelegte Nachbehaltensfrist für ein herrschendes Unternehmen schließen lässt. A.A. Kirchesch, DStR 2021, 2281 (2283), der davon ausgeht, dass das herrschende Unternehmen im Zeitpunkt der grunderwerbsteuerbaren Handlung zu bestimmen sein muss und die Nachbehaltensfrist als eigenes Tatbestandsmerkmal der Rechtsfolge „rückwirkende Besteuerung“ und nicht als Voraussetzung des herrschenden Unternehmens ansieht. 189 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033); Kirchesch, DStR 2021, 2281 (2283); wohl auch Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 81 ff.

688 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.73 Kap. 6

zum selben Ergebnis, da die Regelung dann unter diesem Aspekt unbestimmt ist, sodass das Rechtsstaatsprinzip eine weite Auslegung gebieten sollte.190 Auch daraus würde eine Bestimmung des herrschenden Unternehmens nach dem Prinzip der Meistbegünstigung resultieren.191 Die überwiegende Literaturauffassung, nach der es nicht nur ein herrschendes Unternehmen geben kann, wurde durch das FG Düsseldorf bestätigt. Das FG entschied, dass auch eine – von der Konzernspitze abhängige – nachrangige Gesellschaft in der Beteiligungskette herrschendes Unternehmen sein kann, wenn diese abhängige Gesellschaft ihrerseits die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt.192 Das FG Düsseldorf bezog sich hierbei insbesondere darauf, dass der Wortlaut der Norm nicht darauf schließen lasse, dass herrschendes Unternehmen immer die Konzernspitze bzw. der oberste Rechtsträger in einer Beteiligungskette sein muss, und eine entsprechende Auslegung auch dem Sinn und Zweck von § 6a GrEStG, Umstrukturierungen im Konzern zu erleichtern, widerspräche. In der Folge war in dem betroffenen Verfahren nach Ansicht des FG eine nachträgliche Veränderung der Beteiligungshöhe auf der Ebene der Konzernspitze für die Gewährung von § 6a GrEStG unschädlich und zwar obwohl die Beteiligten sich ursprünglich einig waren, dass die Konzernspitze als herrschendes Unternehmen anzusehen sei und sich dies auch aus dem Grunderwerbsteuerbescheid ergab.193

6.72

Der BFH entschied zwar im Revisionsverfahren ebenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen und lehnte die Verwaltungsauffassung, die auf den obersten Rechtsträger als herrschendes Unternehmen abstellt, ab.194 Allerdings lässt sich aus der Begründung mglw. herauslesen, dass der BFH – anders als die Literatur und das FG Düsseldorf in der Vorinstanz – nicht davon ausgeht, dass es mehrere herrschende Unternehmen gibt.195 Vielmehr bestimmt der BFH das herrschende Unternehmen ausgehend vom konkreten Umwandlungsvorgang und sieht weitere höhere Beteiligungsebenen als unerheblich an, wenn bereits unmittelbar am Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind. So dürfte auch der neue Ländererlass zu verstehen sein, in dem die Finanzverwaltung sich der Rechtsprechung des BFH anschließt und nun ausdrücklich auf den ausgehend von der

6.73

190 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033) mit Verweis auf BFH v. 24.7.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53 = BStBl. II 2013, 833 Rz. 25 zur verfassungskonformen Auslegung des ebenfalls unbestimmten § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. 191 So Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033) und im Ergebnis auch Stenert, Ubg 2022, 31 (35); Brühl, GmbHR 2021, 126 (130); Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 81 ff; Viskorf in Viskorf19, § 6a GrEStG Rz. 90, a.A. aber in der Neuauflage Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 88, die der Auffassung der Finanzverwaltung folgt. 192 FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 K 820/17, EFG 2020, 1332. 193 FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 K 820/17, EFG 2020, 1332. 194 BFH v. 28.9.2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495. 195 So auch Loose, jurisPR-SteuerR 4/2023 Anm. 4, der ausdrücklich schreibt, dass sich die Auffassung des BFH auch nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken kann.

Tigges-Knümann | 689

Kap. 6 Rz. 6.73 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Umwandlung in der Beteiligungskette am nächsten stehenden (untersten) Rechtsträger abstellt.196

6.74 Der Urteilsfall betraf eine Sachverhaltskonstellation, in der die abhängige Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen verschmolzen wurde, sodass die Nachbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht einzuhalten war. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH zukünftig Gelegenheit hat, sich zu einem Sachverhalt zu äußern, indem die Nachbehaltensfrist nicht durch das dem Umwandlungsvorgang am nächsten stehende herrschende Unternehmen, wohl aber durch einen Rechtsträger weiter oben in der Beteiligungskette eingehalten wird. Eine verfahrensrechtlich bindende Feststellung des herrschenden Unternehmens im Feststellungsbescheid lehnt der BFH wie schon das FG Düsseldorf ab. Ob hieraus gefolgert werden kann, dass ein „Austausch“ des herrschenden Unternehmens innerhalb der Nachbehaltensfrist möglich ist, erscheint angesichts der Urteilsanmerkungen zweifelhaft.197 Entschieden ist dieser Fall aber noch nicht. Die Finanzverwaltung scheint von einer abschließenden Bestimmung des herrschenden Unternehmens im Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs auszugehen.198 6.75 Beispiel 12: Die A AG ist zu 100 % an der B GmbH beteiligt, die wiederum jeweils alle Anteile an der grundbesitzenden C GmbH und an der D GmbH hält. Die Struktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Sowohl die A AG als auch die B GmbH sind wirtschaftlich tätig. In Jahr 01 wird die C GmbH auf die D GmbH verschmolzen. In Jahr 03 veräußert die B GmbH alle Anteile an der D GmbH an die A AG. Die A AG hält die Beteiligung an der B GmbH und an der D GmbH unverändert bis zum Jahr 09.

196 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 197 Loose, jurisPR-SteuerR 4/2023 Anm. 4 und Loose, DB 2023, 227 (228), der ausdrücklich schreibt, dass sich die Auffassung des BFH auch nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken kann. Dies spricht dafür, dass ein „Austausch“ innerhalb der Nachbehaltensfrist nicht möglich ist. 198 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1.

690 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.75 Kap. 6

Jahr 01

Jahr 03

A AG

A AG

100 %

100 %

B GmbH

Veräußerung

B GmbH

100 %

100 %

C GmbH

D GmbH

D GmbH

Verschmelzung Zielstruktur Jahr 03 A AG 100 %

B GmbH

100 % D GmbH

Abb. 11

Tigges-Knümann | 691

Kap. 6 Rz. 6.75 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Die Verschmelzung der C GmbH auf die D GmbH im Jahr 01 ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. An der Umwandlung sind die C GmbH und die D GmbH beteiligt. Beide Gesellschaften sind (unmittelbar) von der wirtschaftlich tätigen B GmbH abhängig i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG. Mittelbar besteht auch ein Abhängigkeitsverhältnis zu A AG. Die Grunderwerbsteuer wird im Jahr 01 nach § 6a Satz 3 GrEStG nicht erhoben. Dabei dürfte nach den Grundsätzen des BFH199 die B GmbH das maßgebliche herrschende Unternehmen sein, da sie ausgehen vom Umwandlungsvorgang das erste mögliche herrschende Unternehmen ist. Aufgrund der Veräußerung der Beteiligung an der D GmbH im Jahr 03 wird die sog. Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG durch die B GmbH indes nicht eingehalten. Systematisch richtig erscheint es, nunmehr auf die A AG als herrschendes Unternehmen abzustellen, da sie sowohl die Vor- als auch die Nachbehaltensfrist erfüllt. Der Wortlaut des § 6a Satz 3 und Satz 4 GrEStG wird weiterhin erfüllt. Auch verfahrensrechtlich bestehen für einen solchen „Austausch“ des herrschenden Unternehmens keine Hindernisse, da das herrschende Unternehmen nicht gesondert festgestellt wird. Es lag mithin allenfalls ein Irrtum in der Begründung der Steuerbefreiung vor. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass der BFH eine einmalige Festlegung des herrschenden Unternehmens vornehmen würde (hier B GmbH) und aufgrund des Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist die Steuerbegünstigung nachträglich versagen würde.200 Der Fall ist aber bislang nicht entschieden. Nach neuer Auffassung der Finanzverwaltung dürfte ein Austausch in der Nachbehaltensfrist nicht möglich sein, sondern ein Sperrfristverstoß vorliegen.201

6.76 Die Betonung des Umwandlungsvorgangs durch den BFH könnte die Befürchtung hervorrufen, dass auch schon für die Prüfung der Vorbehaltensfrist nur auf die am konkreten Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften abgestellt werden darf. 6.77 Beispiel 13: Die A AG ist zu 100 % an der B GmbH beteiligt, die wiederum alle Anteile an der C GmbH und an der D GmbH hält. Die Beteiligungsstruktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Alle Gesellschaften sind wirtschaftlich tätig. Im Jahr 01 veräußert die B GmbH die Beteiligung an der D GmbH an die C GmbH. Im Jahr 02 erwirbt die D GmbH ein Grundstück. Im Jahr 03 wird die D GmbH auf ihre Muttergesellschaft – die C GmbH – verschmolzen.

199 BFH v. 28.9.2022 – II R 13/20, DStR 2022, 2495. 200 Loose, jurisPR-SteuerR 4/2023 Anm. 4 und Loose, DB 2023, 227, 228; s. auch Rz. 6.74. 201 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1.

692 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.77 Kap. 6

Ausgangssituation (> 5 Jahre)

Jahr 01

A AG

A AG 100 %

100 % B GmbH 100 % C GmbH

B GmbH 100 %

100 % D GmbH

Veräußerung

C GmbH 100 % D GmbH

Jahr 03 A AG 100 % B GmbH 100 % C GmbH 100 % Verschmelzung D GmbH

Abb. 12

Tigges-Knümann | 693

Kap. 6 Rz. 6.77 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Die Verschmelzung im Jahr 03 löst einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG aus. An der Verschmelzung sind die C GmbH als aufnehmender und die D GmbH als übertragender Rechtsträger beteiligt. Nach den Grundsätzen des BFH Urteils II R 13/20 dürfte hier zunächst § 6a Satz 3 1. Alt. GrEStG zu prüfen sein, d.h. eine Umwandlung, an der nur ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind. Allerdings besteht die Beteiligung der C GmbH an der D GmbH weniger als fünf Jahre, sodass die D GmbH nicht i.S.v. § 6a Satz 4 GrEStG von der C GmbH abhängig ist. Fraglich ist, ob die Prüfung an dieser Stelle beendet und § 6a GrEStG folglich nicht anwendbar ist, oder ob alternativ § 6a Satz 3 2. Alt. GrEStG zur Anwendung kommt. Hält man die Anwendung von § 6a Satz 3 2. Alt. GrEStG für zulässig, läge hier eine begünstigte Umwandlung zwischen zwei von der B GmbH als herrschendem Unternehmen abhängigen Gesellschaften vor. Denn die B GmbH ist seit mehr als fünf Jahren sowohl an der C GmbH als auch (teils mittelbar) an der D GmbH beteiligt. Auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs kommt es nicht an, da § 6a GrEStG rein beteiligungsbezogen und nicht grundstücksbezogen auszulegen ist (Rz. 6.89).

6.78 Eine Auslegung in dem Sinne, dass nur auf die unmittelbar am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften abgestellt werden kann, würde den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ganz erheblich einschränken, ohne dass dies im Gesetzeswortlaut angelegt oder nach Sinn und Zweck notwendig wäre. Diese Auslegung ist daher abzulehnen. Eine solch gravierende Einschränkung kann auch dem BFH Urteil II R 13/20 wohl nicht entnommen werden. Dies sieht wohl auch die Finanzverwaltung so, da sie bei der Bestimmung des herrschenden Unternehmens im Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs die Einhaltung der Vorbehaltensfrist bereits berücksichtigen will.202 Nichtsdestotrotz ist zu empfehlen, in Zweifelsfällen eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen, um sich vor etwaigen nachteiligen Rechtsprechungsänderungen zu schützen. d) Abhängige Gesellschaft aa) Anforderungen an die Gesellschaft

6.79 Abhängige Gesellschaften können Personen- und KapGes. sein.203 Natürliche Personen, Erbengemeinschaften, Stiftungen oder Gebietskörperschaften können dagegen nicht i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG abhängig sein, da es sich nicht um Gesellschaften handelt, an deren Gesellschaftsvermögen oder Kapital eine Beteiligungsquote ermittelt werden kann.204 Weitere Anforderungen an die Rechtsform stellt § 6a GrEStG nicht. Insbesondere müssen abhängige Gesellschaften – im Unterschied zum herrschenden Unternehmen – keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.205 Auch Vorratsgesellschaften können als abhängige Gesellschaften qualifizieren. In der Praxis kann es daher sinnvoll sein, Vorratsgesellschaften zu gründen, um für potenzielle zukünftige Umwandlungen die Vorbehaltensfrist sicher zu erfüllen. Umhängungen unterhalb des herrschenden Unternehmens sind für die Vorbehaltensfrist unschädlich (Rz. 6.91),

202 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 203 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2; Pahlke, GrEStG6, § 6a Rz. 48; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 34. 204 Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 48 zu Erbengemeinschaft und Stiftung. 205 Stenert, Ubg 2022, 31 (35).

694 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.82 Kap. 6

sodass eine Vorratsgesellschaft auch unmittelbar vor der Umwandlung noch an den „richtigen Platz“ im Konzern gehängt werden kann.206 S. dazu auch Rz. 6.91. bb) Ermittlung der 95 %-Quote Gem. § 6a Satz 4 GrEStG ist eine Gesellschaft als abhängige Gesellschaft zu qualifizieren, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von je fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % beteiligt ist. Anders als in den Ergänzungstatbeständen wurde die erforderliche Beteiligungsquote in § 6a GrEStG im Rahmen der Gesetzesänderungen in 2021207 nicht angepasst (Rz. 6.47). Die Abhängigkeit für Zwecke des § 6a GrEStG wird ausschließlich über die Beteiligungsquote des herrschenden Unternehmens während der Vor- und Nachbehaltensfrist definiert. Der Abhängigkeitsbegriff des § 6a GrEStG unterscheidet sich damit vom Begriff der Abhängigkeit für Zwecke der grunderwerbsteuerlichen Organschaft in § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG, der auf die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Gesellschaft abstellt.208

6.80

§ 6a GrEStG enthält keine Aussage darüber, wie die für das Abhängigkeitsverhältnis maßgebliche 95 %-Quote bei mehrstufigen Beteiligungen zu bestimmen ist. Denkbar erscheinen grds. eine Stufenbetrachtung wie bei § 1 Abs. 3 GrEStG („95%-Quote auf jeder Ebene“),209 eine Multiplikationsmethode wie bei § 1 Abs. 3a GrEStG210 oder eine Meistbegünstigungsregel211.

6.81

Die Stufen- und die Multiplikationsmethode können sich sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen:

6.82

Beispiel 14: A ist zu je 95 % an der A GmbH und der B GmbH beteiligt. Die A GmbH ist zu 95 % an der grundstücksbesitzenden C GmbH beteiligt. Die B GmbH ist zu 95 % an der D GmbH beteiligt. Die C GmbH spaltet einen Teil ihres Vermögens inklusive Grundbesitz seitwärts auf die D GmbH ab.

206 Märker, BB 2021, 605 (607 f.). 207 Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 208 BFH v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337 Tz. 20; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 140; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 5. 209 So gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.1; KugelmüllerPugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 97. 210 So noch Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 53; Behrens, DStR 2013, 1405 (1410 f.). 211 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033); Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 169; unklar Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 35, die so zu verstehen sein könnte, dass sich die Berechnungsmethodik nach dem steuerbaren Tatbestand richten soll.

Tigges-Knümann | 695

Kap. 6 Rz. 6.82 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A 95 %

95 %

A GmbH

B GmbH

95 %

95 %

C GmbH

D GmbH

Abspaltung Abb. 13 Bei Zugrundelegung der Stufenbetrachtung sind die C GmbH und die D GmbH im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen A abhängige Gesellschaften im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG. Wendete man hingegen die Multiplikationsmethode an, hat A durchgerechnet nur eine Beteiligung von je 90,25 % an C GmbH und D GmbH, so dass diese nicht abhängig und § 6a GrEStG nicht anwendbar wäre.

6.83 Beispiel 15: A ist zu 100 % an der A GmbH und zu 94 % an der B GmbH beteiligt. Die A GmbH ist zu 94 % an der grundstücksbesitzenden G KG beteiligt, die restlichen 6 % hält die B GmbH. Die G KG wird aufwärts auf die A GmbH verschmolzen.212

A 100 %

94 %

A GmbH Verschmelzung

B GmbH

94 % 6% G KG

Abb. 14 212 Beispiel nach Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1033 f.).

696 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.86 Kap. 6 Nach der Stufenbetrachtung wäre die G KG keine von A abhängige Gesellschaft, da weder über die A GmbH noch über die B GmbH eine durchgängige Beteiligungskette von mindestens 95 % auf jeder Stufe besteht. Nach der Durchrechnungsmethode wäre A hingegen zu 99,64 % (94 % mittelbar über die A GmbH, 5,64 % mittelbar über die B GmbH) an der G KG beteiligt und ein Abhängigkeitsverhältnis somit gegeben.

Der BFH musste zur Methodik bislang nicht entscheiden. Die Finanzverwaltung spricht sich in den Ländererlassen weiterhin für eine Stufenbetrachtung als einzige anwendbare Berechnungsmethode aus.213

6.84

Zutreffend erscheint es indes, die Stufen- und die Multiplikationsmethode parallel im Sinne einer „Meistbegünstigungsregel“ anzuwenden, d.h. die Abhängigkeit einer Gesellschaft im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG sowohl dann zu bejahen, wenn (nur) durchgerechnet eine 95 %-Quote erreicht wird, als auch dann, wenn sich diese (nur) aufgrund einer Stufenbetrachtung ergibt.214 Dieses Ergebnis folgt zum einen aus dem Bestimmtheitsgrundsatz: Da § 6a GrEStG als begünstigende Norm keinen Aufschluss darüber gibt, wie die 95 %-Quote bei mittelbaren Beteiligungen zu ermitteln ist, ist die Regelung im Zweifel extensiv zu Gunsten des Steuerpflichtigen auszulegen. Die Meistbegünstigungsregel ist aber auch systematisch zutreffend, denn das Beherrschungs- und Abhängigkeitskonzept des § 6a Satz 4 GrEStG korrespondiert systematisch mit der Steuerbarkeit von Anteilserwerben bei Erreichen einer 95 %-Beteiligungsquote.215 Die Symmetrie des § 6a GrEStG zu den Steuertatbeständen216 spielte nicht zuletzt in der Entscheidung des EuGH über die Beihilfekonformität eine gewichtige Rolle217 und sollte auch bei der vorliegenden Rechtsanwendungsfrage beachtet werden. Da von § 6a GrEStG sowohl Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG unter Geltung der Stufenbetrachtung als Tatbestände nach § 1 Abs. 3a GrEStG unter Anwendung der Durchrechnungsmethode erfasst sind, ist es folgerichtig, dass beide Methoden auch alternativ ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 6a GrEStG begründen können.218

6.85

Fraglich ist, ob neben der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Kapital oder am Gesellschaftsvermögen auch eine wirtschaftliche Betrachtung eine Rolle spielen kann. Der BFH hat im Rahmen der Ergänzungstatbestände die Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise dort für notwendig erachtet, wo das Gesetz auf

6.86

213 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.1. 214 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034); Brühl, GmbHR 2021, 126 (131). 215 Schumacher, JbfSt 2016/2017, 119 (125 f.); van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 178. 216 Dazu Schumacher, JbfSt 2016/2017, 119 (125 f.); van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 178. 217 EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – C-374/17 („A-Brauerei“), ECLI:EU:C:2018:1024 Rz. 46 ff. 218 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034); Brühl, GmbHR 2021, 126 (131); Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 35.

Tigges-Knümann | 697

Kap. 6 Rz. 6.86 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

zivilrechtlich nicht existente mittelbare Beteiligungen abstellt.219 Dies ist auch bei § 6a GrEStG der Fall. Eine entsprechende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel würde auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Norm stehen. Denn § 6a GrEStG soll konzerninterne Umstrukturierungen erleichtern und einer übermäßigen Besteuerung von Umstrukturierungsmaßnahmen entgegenwirken.220 Hierbei darf es keine Rolle spielen, ob die (drohende) übermäßige Besteuerung im Einzelfall darauf zurückzuführen ist, dass ein Ergänzungstatbestand aufgrund einer zivilrechtlichen oder einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Anwendung findet. Wenn also die Ergänzungstatbestände nach neuerer BFH-Rechtsprechung auch durch den Erwerb von wirtschaftlichem Eigentum an Gesellschaftsanteilen erfüllt werden können, so muss dies korrespondierend auch für § 6a GrEStG gelten. Wirtschaftliches Eigentum am Gesellschaftsanteil sollte genügen, um die erforderliche 95 %-Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft zu begründen bzw. aufrecht zu erhalten. S. aber nachfolgend Rz. 6.87 zur möglicherweise a.A. des BFH.

6.87 Die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann auch nachteilig für den Steuerpflichtigen sein, wenn beispielsweise das wirtschaftliche Eigentum (unter Zurückbehaltung des rechtlichen Eigentums) innerhalb der Nachbehaltensfrist abgegeben wird.221 In diesem Zusammenhang sind zwei aktuelle Urteile des BFH zu § 6 GrEStG zu beachten.222 Der BFH wendete die wirtschaftliche Betrachtungsweise dort ausschließlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen an, indem er eine Vereinbarung, die trotz unverändertem zivilrechtlichen Eigentum wirtschaftlich zu einer Beschränkung der Beteiligung führte, als Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist ansehen will.223 Umgekehrt sah der Senat gleichwohl in einem Urteil vom selben Tag eine Treuhandabrede nicht als ausreichend an, um eine Beteiligung des Treugebers am Gesamthandsvermögen zu begründen, die zu einer Befreiung i.S.d. § 6 GrEStG geführt hätte.224 Vielmehr stellte der BFH in diesem Urteil die fehlende Bedeutung des wirtschaftlichen Eigentums für das Grunderwerbsteuerrecht in den Vordergrund.225 Auch wenn § 6a und § 6 GrEStG konzeptionell und in ihrem Wortlaut große Unterschiede aufweisen,226 ist für die Praxis vor dem Hintergrund dieser Urteile zu emp219 BFH v. 29.2.2012 – II R 57/09, BStBl. II 2012, 917; v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667; v. 18.9.2013 – II R 21/12, BStBl. II 2014, 326. 220 BT-Drucks. 17/15, S. 21 und 17/147, S. 10. 221 Umfassend zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Anwendungsbereich des § 6a GrEStG Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342 (2347). 222 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521; v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFHE 246, 230. 223 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521. 224 BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFHE 276, 230. 225 BFH v. 12.1.2022 – II R 16/20, BFHE 276, 230,Rz. 17 (nach juris). 226 § 6 GrEStG stellt auf die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand ab. Der BFH betont in seinem Urteil, dass die Erwägungen, die er bei den Erwerbstatbeständen des § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG zur Bestimmung einer zivilrechtlich nicht vorgesehenen mittelbaren Gesellschafterstellung bzw. eines mittelbaren Anteilserwerbs angestellt hat, sich bei der Bestimmung der Beteiligung an einer Gesamthand nicht stellen (BFH v. 12.1.2022

698 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.89 Kap. 6

fehlen, ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum an den Anteilen der abhängigen Gesellschaft innerhalb der Fristen des § 6a GrEStG zu vermeiden oder vorab eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen. e) Vor- und Nachbehaltensfrist aa) Grundregelung Die Vor- und Nachbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG sind Teil der Definition der abhängigen Gesellschaft. Eine Gesellschaft ist vom herrschenden Unternehmen abhängig, wenn die notwendige Beteiligungsquote von 95 % fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang, also der Umwandlung, ununterbrochen gegeben ist. Durch diese Vor- und Nachbehaltensfrist will der Gesetzgeber sicherstellen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis nicht nur kurzfristig zur Erlangung der Begünstigung des § 6a GrEStG hergestellt wird (sog. ungewollte Mitnahmeeffekte).227 Es sollen nur längerfristig angelegte Konzernstrukturen begünstigt werden. Die Klausel hat damit einen Missbrauchsverhinderungscharakter.228

6.88

§ 6a GrEStG stellt hinsichtlich der Vor- und Nachbehaltensfrist allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Nach Auffassung des BFH229 und der Finanzverwaltung230 sowie der h.M. in der Literatur231 sind die Fristen daher nicht grundstücksbezogen, sondern beteiligungsbezogen auszulegen. Es kommt nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke an. Ein Sperrfristverstoß kann mithin auch noch vorliegen, wenn das ursprünglich im Rahmen der Umwandlung übertragene Grundstück zwischenzeitlich veräußert wurde. Die Vor- und Nachbehaltensfristen bestehen nur im Hinblick auf die Beteiligten am Rechtsvorgang (Rz. 6.55 ff.) und sind folglich nicht für dem abhängigen Unternehmen nachgeord-

6.89

227 228

229 230 231

– II R 16/20, BFHE 276, 230, Rz. 19 (nach juris)). Dies könnte für § 6a GrEStG ggfs. anders zu beurteilen sein, weil der Wortlaut von § 6a GrEStG (unmittelbare oder mittelbare Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermögen) deutlich näher am Wortlaut der Ergänzungstatbestände liegt. BT-Drucks. 17/147, S. 10; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 103. BT-Drucks. 17/147, S. 10 mit dem Verweis auf die vergleichbaren Fristen in den §§ 5, 6 GrEStG; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 43; so auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 103 allerdings ausdrücklich mit einer Abgrenzung zu den grundstücksbezogenen Fristen in §§ 5, 6 GrEStG. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 37; v. 21.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 Rz. 36. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 1. Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 103; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 52; Heine in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 6a GrEStG Rz. 6.1; Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (20); kritisch im Hinblick auf Umwandlungen zur Aufnahme Broemel/ Mörwald, DB 2020, 1029 (1031); ebenfalls kritisch im Hinblick auf Fälle, in denen ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist: Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 43; s. dazu auch Rz. 6.111 ff.

Tigges-Knümann | 699

Kap. 6 Rz. 6.89 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

nete Gesellschaften einzuhalten.232 Die Nachbehaltensfrist muss bei Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes daher nicht für die grundbesitzende Gesellschaft eingehalten werden, deren Anteile Gegenstand der Übertragung waren.

6.90 Beispiel 16: Die wirtschaftlich tätige A GmbH ist seit mehr als fünf Jahren zu 100 % an der B GmbH und an der grundbesitzenden G KG beteiligt. Im Jahr 01 gliedert sie die Beteiligung an der G KG auf die B GmbH aus. Im Jahr 03 veräußert die B GmbH die Beteiligung an der G KG vollständig an den D.

Jahr 01

Jahr 03

A GmbH

A GmbH

100 %

100 % Ausgliederung

B GmbH 100 %

G KG

B GmbH

Veräußerung

D

100 % 0%

G KG

Abb. 15 Die Ausgliederung im Jahr 01 führt zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG, da sich der Gesellschafterbestand der G KG unmittelbar vollständig ändert. Die Grunderwerbsteuer wird jedoch nach § 6a GrEStG nicht erhoben, da an der Umwandlung nur das herrschende Unternehmen A GmbH und die abhängige Gesellschaft B GmbH beteiligt sind. Die Veräußerung der Beteiligung an der G KG im Jahr 03 stellt keinen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG dar, weil die G KG nicht an der Umwandlung beteiligt war und die Beteiligung der A GmbH an der B GmbH unverändert bestehen bleibt.

232 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2.

700 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.92 Kap. 6

Nach dem Anwendungserlass der Finanzverwaltung ist jegliche Veränderung in der Art der Beteiligung, z.B. Verlängerungen oder Verkürzungen der Beteiligungskette, für die Vorbehaltensfrist unbeachtlich, solange die Mindestbeteiligung von 95 % erhalten bleibt.233 Dies muss entsprechend auch für die Nachbehaltensfrist gelten.234 Daraus folgt auch, dass die Fristen nur die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft betreffen, aber bei mittelbarer Beteiligung nicht auf die Beteiligung an etwaigen zwischengeschalteten Gesellschaften ausstrahlen.235 Auch ein „Umhängen“ der abhängigen Gesellschaft unterhalb des herrschenden Unternehmens ist unschädlich und zwar unabhängig davon ob dies durch eine Umwandlungsmaßnahme oder eine Beteiligungsveräußerung erfolgt.236

6.91

Beispiel 17: Der wirtschaftlich tätige A ist zu 100 % an der A GmbH beteiligt, die wiederum zu 100 % an der grundbesitzenden C GmbH beteiligt ist. Die Beteiligungen bestehen seit mehr als fünf Jahren. Außerdem hält A ebenfalls seit mehr als fünf Jahren Anteile an der Vorratsgesellschaft V GmbH. Die Beteiligung an der B GmbH besteht erst seit 2 Jahren. Das Vermögen der C GmbH soll zukünftig unterhalb der B GmbH hängen. Dafür veräußert A in einem ersten Schritt seine gesamte Beteiligung an der V GmbH an die B GmbH. Im zweiten Schritt wir die C GmbH auf die V GmbH verschmolzen.

6.92

233 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 234 Allgemein zur Unschädlichkeit von Veränderungen in der Art der Beteiligung: Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 107. 235 So auch OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 3.2. 236 So ist m.E. auch die Verwaltungsauffassung zu lesen (gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1.), da sie ausdrücklich „Jede Veränderung der Art der Beteiligung“ für unbeachtlich erklärt und die Beteiligungskettenverlängerung und -verkürzung nur als Beispiele nennt. S. auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 127 im Umkehrschluss. So auch Märker, BB 2021, 605 (607 f.).

Tigges-Knümann | 701

Kap. 6 Rz. 6.92 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Schritt 1

A 100 %

100 %

A GmbH

Veräußerung

100 % V GmbH

B GmbH

100 %

C GmbH

Schritt 2 A 100 %

100 %

A GmbH 100 % C GmbH

B GmbH 100 % V GmbH

Verschmelzung Abb. 16 Die Veräußerung in Schritt 1 ist grunderwerbsteuerlich zunächst irrelevant. Durch die Verschmelzung wird ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöst. An der Verschmelzung sind nur die C GmbH und die V GmbH als übertragender und aufnehmender Rechtsträger beteiligt. Beide Gesellschaften sind von A als herrschendem Unternehmen abhängig i.S.d § 6a Satz 4 GrEStG. Es ist unschädlich, dass sich die Beteiligung an der V GmbH durch die Veräußerung in 01 von einer unmittelbaren zu einer mittelbaren Be-

702 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.95 Kap. 6 teiligung gewandelt hat, da A durchgängig zu 100 % beteiligt war.237 Ebenfalls unschädlich ist es, dass die vermittelnde B GmbH selbst nicht abhängige Gesellschaft ist.238 Die Steuer wird daher nach § 6a GrEStG nicht erhoben.

Ebenfalls unschädlich sind Formwechsel sowohl des herrschenden Unternehmens als auch der abhängigen Gesellschaft.239

6.93

Vor- und Nachbehaltensfristen sind ausgehend vom Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Erwerbsvorgangs zu berechnen. Bei Umwandlung ist der relevante Stichtag daher die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers.240 Bei vergleichbaren Umwandlungen nach ausländischem Recht sind die ausländischen Rechtsvorschriften zur Wirksamkeit des umwandlungsbedingten Vermögensübergangs zu beachten.241 Die Frist ist ausgehend von diesem Stichtag nach § 108 AO i.V.m. §§ 187 f. BGB zu berechnen.242 Fraglich dürfte sein, ob auch die Verlängerung der Frist nach § 108 Abs. 3 AO in Frage kommt.243 Höchst vorsorglich sollte diese Verlängerung im Rahmen der Planung berücksichtigt werden.

6.94

Umwandlungen können neben der Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG auch weitere steuerliche Sperrfristen, insbesondere aus ertragsteuerlichen Rechtsnormen, nach sich ziehen (z.B. Spaltungssperrfrist nach § 15 Abs. 2 UmwStG; Behaltensfrist nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG bei Ausgliederung). Beim Monitoring dieser Fristen ist darauf zu achten, dass die ertragsteuerlichen Fristen auf den Übertragungsstichtag abstellen, der aufgrund der Rückwirkung des § 2 UmwStG regelmäßig vor dem Zeit-

6.95

237 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 238 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. Beispiel 3. 239 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1; KugelmüllerPugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 108; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 41. 240 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2. der allerdings nur unspezifisch von der „Eintragung im Register“ spricht. Dass es auf das Register des übernehmenden Rechtsträgers ankommen muss, ergibt sich aber aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, da erst durch diese Eintragung das Vermögen des übertragenden Rechtsträger auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Die Eintragung im Register des übertragenden Rechtsträgers erfolgt regelmäßig schon vorher, aber die Wirksamkeit der Verschmelzung tritt erst mit Eintragung beim übernehmenden Rechtsträger ein (§ 19 Abs. 1 UmwG). Zur Maßgeblichkeit der Eintragung in das letzte Register s. auch Greve/Oehlschlägel in Engl, Formularbuch Umwandlungen5, Teil D.1, Rz. 80. 241 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 41; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2. allerdings nur zu Umwandlungen nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates, bei denen es ebenfalls auf die Eintragung in die nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates zuständigen Register ankommen soll. 242 Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 120; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 41. 243 S. zur vergleichbaren Problematik bei § 1 Abs. 2a GrEStG van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 104 mit Verweis auf BFH v. 28.3.2012 – II R 43/11, BStBl. II 2012, 599 zur Nichtanwendung von § 108 Abs. 3 AO im Rahmen des § 14 ErbStG.

Tigges-Knümann | 703

Kap. 6 Rz. 6.95 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

punkt der Eintragung liegt, sodass die ertragsteuerlichen Sperrfristen deutlich früher beginnen als die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG. bb) Unschädliche Nichteinhaltung der Fristen in bestimmten Fällen

6.96 Nach dem Wortlaut des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG fallen Umwandlungen, bei denen eine abhängige Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG, da entweder die Vor- oder die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten werden kann. Nach dem Wortlaut wären somit sämtliche Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG), die Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 UmwG), die Abspaltung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, §§ 124 ff. UmwG), die Ausgliederung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 124 ff. UmwG) sowie die Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 174 ff. UmwG), wenn sie zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führt, nicht nach § 6a GrEStG begünstigt.244 Die Finanzverwaltung hatte diesbezüglich im letzten Anwendungserlass aus 2012 die sog. „Verbundtheorie“ vertreten. Sie verlangte das Bestehen eines Verbunds aus einem herrschenden Unternehmen und einer oder mehreren abhängigen Gesellschaften und beurteilte den Umwandlungsvorgang, durch den der Verbund begründet oder beendet wird, als nicht nach § 6a GrEStG begünstigten Rechtsvorgang.245 Eine Ausnahme von den Behaltensfristerfordernissen wurde nur für sog. „verbundgeborene“ Gesellschaften gewährt.246 § 6a GrEStG hatte unter Beachtung dieser Grundsätze einen sehr eng begrenzten Anwendungsbereich.247 6.97 Der BFH verwarf diese Vorstellung des Verbundes in mehreren Urteilen aus 2019, da sie vom Wortlaut und der Systematik des § 6a GrEStG nicht gestützt werde und zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen vergleichbarer Umwandlungsvorgänge führt.248 Die Fälle der Verbundbeendigung durch Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen und der Verbundbegründung durch Spaltung zur Neugründung seien nicht weniger begünstigungswürdig als Umwandlungen innerhalb eines fortbestehenden Verbunds.249 Nach den Urteilen des II. Senats ist § 6a Satz 4 GrEStG dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie „aufgrund“ eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Somit ist es als unschädlich anzusehen, wenn infolge der Verschmelzung eines abhängigen Unternehmens250 die Nachbehaltensfrist und S. auch z.B. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 25. Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 2.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 4. Ähnlich auch BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 25; v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333 Rz. 19. 248 BFH, Urt. v. 21.8.2019 bzw. 22.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), II R 16/19 (II R 36/14), II R 17/19 (II R 58/14), II R 19/19 (II R 63/14), II R 20/19 (II R 53/15), II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, 329 ff. 249 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 37; v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333 Rz. 31. 250 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329. 244 245 246 247

704 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.98 Kap. 6

bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung251 die Vorbehaltensfrist „aus rechtlichen Gründen“ nicht eingehalten werden.252 Die Finanzverwaltung hat sich der BFH-Rechtsprechung angeschlossen und den bisherigen Verbundbegriff aufgegeben.253 Nach Verwaltungsauffassung sind daher die folgenden Umwandlungen ausdrücklich begünstigt: – Ohne Einhaltung der Vorbehaltensfrist an der aufnehmenden Gesellschaft: – Aufspaltung zur Neugründung, – Abspaltung zur Neugründung, – Ausgliederung zur Neugründung.254 Falls der übertragende Rechtsträger nicht selbst das herrschende Unternehmen, sondern eine abhängige Gesellschaft ist, muss die Vorbehaltensfrist bezogen auf den übertragenden Rechtsträger eingehalten werden.255 Zusätzlich muss auch eine Verschmelzung zur Neugründung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) ohne Einhaltung der Vorbehaltensfrist an der aufnehmenden Gesellschaft möglich sein.256 – Ohne Einhaltung der Nachbehaltensfrist am übertragenden Rechtsträger: – Verschmelzung zur Aufnahme oder zur Neugründung, – Aufspaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung, – Vollübertragung des gesamten Vermögens eines Rechtsträgers (§ 174 Abs. 1 UmwG), – Vermögensübertragung durch Aufspaltung zur Aufnahme (§ 174 Abs. 2 UmwG).257 Falls der aufnehmende Rechtsträger nicht selbst das herrschende Unternehmen, sondern eine abhängige Gesellschaft ist, muss die Vorbehaltensfrist bezogen auf den aufnehmenden Rechtsträger eingehalten werden.258

251 BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344. 252 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 24, 31 ff. 253 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 1, 3.2.2. 254 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 255 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 256 S. auch OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 3.1.1. Mglw. ebenso Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 102 zur rechtlichen Unmöglichkeit der Einhaltung der Frist in allen Fällen der Umwandlung zur Neugründung. 257 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. 258 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2.

Tigges-Knümann | 705

6.98

Kap. 6 Rz. 6.99 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.99 In der Literatur wird diskutiert, ob die Ausnahme von der Nachbehaltensfrist auch dann gilt, wenn das herrschende Unternehmen untergeht, bspw. bei einer Abwärtsverschmelzung auf eine abhängige Gesellschaft.259 M.E. hat der BFH diesen Fall in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich mit erfasst,260 da er dort ausführt: „Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen.“261 Der Erlass262 lässt nicht erkennen, dass die Finanzverwaltung dies anders beurteilen könnte;263 insbesondere sollte die Aufzählung begünstigter Umwandlungen in Tz. 2.1. nicht abschließend sein („u.a.“). 6.100 Erlöschen die übertragende oder die übernehmende abhängige Gesellschaft innerhalb der Nachbehaltensfrist durch einen Umwandlungsvorgang ausschließlich mit einer anderen abhängigen Gesellschaft, so sind die Behaltenszeiten zusammenzurechnen.264 Die Behaltensfrist geht mithin auf die Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger über. Kettenumwandlungen im Anwendungsbereich des § 6a GrEStG sind also grds. möglich. Der Wortlaut des Erlasses dürfte so zu verstehen sein, dass die Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger bereits seit mindestens fünf Jahren bestehen muss („mit einer anderen abhängigen Gesellschaft“). Auch hier sollte aber gelten, dass die Vorbehaltensfrist nur erfüllt werden muss, soweit sie aufgrund des Umwandlungsvorgangs eingehalten werden kann.265 6.101 Beispiel 18: A ist wirtschaftlich tätig und seit mehr als fünf Jahren an der A GmbH und an der B GmbH beteiligt. Im Jahr 01 spaltet die A GmbH einen Teilbetrieb inklusive des zugehörigen Grundvermögens auf die B GmbH ab. Im Jahr 03 wird die A GmbH auf die dadurch neu gegründeten Gesellschaften C GmbH und D GmbH aufgespalten (Aufspaltung zur Neugründung). Nach der Aufspaltung ist der A an der C GmbH und an der D GmbH zu 100 % beteiligt.

259 Brühl, GmbHR 2021, 126 (128); Stenert, Ubg 2022, 31 (37); Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (634). 260 Mit diesem Verständnis wohl auch Stenert, Ubg 2022, 31 (37); im Ergebnis ebenfalls für eine Anwendung des § 6a GrEStG bei Abwärtsverschmelzung Brühl, GmbHR 2021, 126 (128). 261 S. u.a. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 32; v. 21.8.2019 – II R 20/ 19, BStBl. II 2020, 341 Rz. 27. 262 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995. 263 A.A. Brühl, GmbHR 2021, 126 (128); Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (634), die befürchten, die Finanzverwaltung könne einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist annehmen. 264 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. 265 Dafür könnte auch Beispiel 5 der Ländererlasse (gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2) sprechen, da dort über den Wortlaut des Erlasses hinaus ausdrücklich die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen innerhalb der Nachbehaltensfrist als unschädlich eingestuft wird.

706 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.101 Kap. 6

Jahr 01

A 100 %

100 %

A GmbH

B GmbH

Abspaltung

Jahr 03 Nachher

Vorher A 100 % A GmbH

C GmbH

A 100 %

B GmbH

100 %

C GmbH

100 %

D GmbH

100 %

B GmbH

D GmbH Aufspaltung

Abb. 17 Die Abspaltung im Jahr 01 ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar und nach § 6a GrEStG steuerfrei, weil an der Abspaltung ausschließlich die A GmbH und die B GmbH beteiligt sind, die beide vom herrschenden Unternehmen A abhängig sind. Die Beteiligung des A an der A GmbH und der B GmbH muss für weitere fünf Jahre bestehen (§ 6a Satz 4 GrEStG). Durch die Aufspaltung zur Neugründung im Jahr 03 geht der übertragende Rechtsträger A GmbH unter, sodass die Nachbehaltensfrist grds. nicht eingehalten wäre. Die im Erlass normierte Ausnahme, wonach bei Umwandlung der abhängigen Gesellschaft in der Nachbehaltensfrist die Behaltenszeiten zusammengerechnet werden,266 ist ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt. da

266 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2.

Tigges-Knümann | 707

Kap. 6 Rz. 6.101 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen die C GmbH und die D GmbH erst neu entstehen und folglich mangels Einhaltung der Vorbehaltensfrist noch nicht als abhängige Gesellschaften zu qualifizieren sind. M.E. muss aber die Auslegung des BFH, wonach die Fristen des § 6a Satz 4 GrEStG nur einzuhalten sind, wenn dies aufgrund des Umwandlungsvorgangs rechtlich möglich ist,267 folgerichtig auch hier gelten. Der BFH hat dies nur für den begünstigten Umwandlungsvorgang selbst entschieden und sich bislang nicht zu Folgeumwandlungen in der Nachbehaltensfrist geäußert. Wenn die Finanzverwaltung aber im Erlass eine Zusammenrechnung von Behaltenszeiten bei Folgeumwandlungen vorsieht, soweit daran ausschließlich abhängige Gesellschaften beteiligt sind, erscheint es folgerichtig, die Abhängigkeit genauso zu beurteilen, wie bei einer selbst nach § 6a GrEStG begünstigten Umwandlung.268 Da bei der Aufspaltung zur Neugründung die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden kann, sollten die C GmbH und die D GmbH hier als abhängige Gesellschaften qualifizieren, sodass die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG, die aus der Abspaltung im Jahr 01 resultiert, erfüllt wird, wenn A die Beteiligungen an C GmbH und D GmbH bis zum Ende der Nachbehaltensfrist hält.

6.102 Die Zusammenrechnung von Behaltenszeiten ist im Erlass nur für die Nachbehaltensfrist erwähnt. Die frühere „verbundgeborene Gesellschaft“,269 bei der eine Zusammenrechnung auch der Vorbehaltensfristen möglich war, ist dagegen nicht mehr vorgesehen (Rz. 6.11 ff.).270 M.E. ist dies keine zwingende Folge aus der Ablehnung des Verbundbegriffs durch den BFH.271 Im Urteilsfall war die Klägerin nicht aus einer anderen abhängigen Gesellschaft hervorgegangen, sodass sich die Frage nach einer Zusammenrechnung von Behaltensfristen nicht stellte.272 Eine systematisch konsequente Fortführung der BFH Rechtsprechung könnte so aussehen, dass eine Gesellschaft, die im begünstigten Umwandlungsvorgang als abhängige Gesellschaft gilt, weil die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden kann, diesen Status als abhängige Gesellschaft bei fortbestehenden Beteiligungsverhältnissen auch für eventuelle Folgeumwandlungen behält.273 Anders könnte dies zu beurteilen sein, wenn die

267 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 24, 31 ff.; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 268 So dürfte auch die OFD NRW zu verstehen sein, die dies aber ausdrücklich nur für den Fall ausführt, dass die Folgeumwandlung ebenfalls nach § 6a GrEStG begünstigt ist, was im Beispielsfall mangels Grundstücksübertragung nicht der Fall ist: OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 3.2 Beispiel 14 unter Hinweise. 269 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 4. 270 Zu insoweit vorliegenden punktuellen Schlechterstellung gegenüber der alten Verwaltungsauffassung: Brühl, GmbHR 2021, 126 (131); Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140. 271 So wohl auch Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (635); zur unklaren Rechtslage im Hinblick auf die verbundgeborene Gesellschaft s. auch Wischott/Graessner, NWB 2021, 18 (26 f.). 272 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 Rz. 2, 6; s. zum Sachverhalt des Urteils (Überschreiten der 95 %-Schwelle am übernehmenden Rechtsträger erst innerhalb der Vorbehaltensfrist durch Anteilserwerb von einem Dritten) auch die Ausführungen der Vorinstanz: FG München, Urt. v. 22.10.2014 – 4 K 37/12, EFG 2015, 243 Rz. 3, 8. 273 So auch Brühl, GmbHR 2021, 126 (129), der sich dafür ausspricht, dass „die Vorbehaltensfrist überall dort unbeachtlich oder durch Zusammenrechnung mit den Zeiten des Rechtsvorgängers zu ermitteln (ist), wo aus dem herrschenden Unternehmen oder aus abhängigen Gesellschaften neue Gesellschaften entstehen (…)“.

708 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.103 Kap. 6

Gründung selbst kein begünstigter (Umwandlungs-)Vorgang ist, z.B. bei normaler Sachgründung.274 Beispiel 19: Die wirtschaftlich tätige A GmbH gliedert im Jahr 01 ihre Beteiligung an der grundbesitzenden C KG zur Neugründung auf die B GmbH aus, an der sie danach zu 100 % beteiligt ist. Die B GmbH ist nicht wirtschaftlich tätig.275 Im Jahr 03 gliedert die B GmbH die Beteiligung wiederum auf die C GmbH aus, an der sie fortan zu 100 % beteiligt ist.

Jahr 01

Jahr 03

A GmbH 100 % B GmbH 100 %

A GmbH Ausgliederung

100 %

B GmbH Ausgliederung

100 % C GmbH

C KG

100 %

C KG

Abb. 18

274 FG München v. 3.3.2022 – 4 K 1241/21, EFG 2022, 216. 275 Hinweis: Das Beispiel geht von der Annahme aus, dass jedenfalls nach Verwaltungsauffassung allein die Beteiligung an der grundbesitzenden C KG, die nach der Ausgliederung vorliegt, nicht ausreicht, um eine wirtschaftliche Tätigkeit der B GmbH zu begründen. S. dazu im Einzelnen Rz. 6.62.

Tigges-Knümann | 709

6.103

Kap. 6 Rz. 6.103 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Die Ausgliederung im Jahr 01 führt zu einem steuerbaren Vorgang auf Ebene der C KG nach § 1 Abs. 2a GrEStG, da sich ihr unmittelbarer Gesellschafterbestand zu 100 % ändert. Die Steuer wird nach § 6a GrEStG nicht erhoben, weil an dem Vorgang ausschließlich das herrschende Unternehmen A GmbH und die abhängige Gesellschaft B GmbH beteiligt sind. Da die potenziell nach § 6a GrEStG begünstige Umwandlung (hier Ausgliederung) zur Neugründung erfolgt, kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt (aufgrund der begünstigten Umwandlung) nicht eingehalten werden und ist damit unbeachtlich.276 Die Ausgliederung im Jahr 03 führt erneut zu einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der C KG. Für die Befreiung nach § 6a GrEStG kommt es darauf an, ob sowohl die übertragende B GmbH als auch die aufnehmende C GmbH als von der A GmbH abhängige Gesellschaften zu qualifizieren sind. Denn die B GmbH ist nicht selbst wirtschaftlich tätig.277 Für die C GmbH ist die Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist erneut unschädlich, da die Frist aufgrund der begünstigten Umwandlung (hier Ausgliederung in 03) nicht eingehalten werden kann. Dies gilt ausdrücklich auch, wenn die Ausgliederung nicht aus dem herrschenden Unternehmen selbst, sondern aus einer anderen abhängigen Gesellschaft erfolgt.278 Für die übertragende Gesellschaft soll die Vorbehaltensfrist lt. Finanzverwaltung und BFH aber einzuhalten sein.279 Im Jahr 03 ist die A GmbH weniger als fünf Jahre an der in 01 neu gegründeten B GmbH beteiligt, sodass die Vorbehaltensfrist noch nicht erfüllt ist. Die BFH-Rechtsprechung zur Auslegung des § 6a GrEStG ist auf diesen Fall nicht unmittelbar anwendbar, da die Vorbehaltensfrist nicht aufgrund des aktuellen begünstigten Umwandlungsvorgangs (hier: Ausgliederung in 03), sondern aufgrund einer früheren Umwandlung (Ausgliederung in 01) nicht eingehalten werden kann. M.E. ist es aber widersprüchlich, die B GmbH für die Umwandlung in 01 als von A GmbH abhängige Gesellschaft zu beurteilen, aber für die Umwandlung in 03 die Abhängigkeit zu verneinen. Die B GmbH muss den Status als abhängige Gesellschaft auch in der Folgezeit behalten, wenn die notwendigen Beteiligungsgrenzen weiter bestehen. Dies ist nach Sinn und Zweck des § 6a GrEStG sachgerecht, da auch die Ausgliederung in 03 ein rein konzerninterner Vorgang ist und keine „Mitnahmeeffekte“ drohen. Der Fall entspricht außerdem „spiegelbildlich“ dem Beispiel 5 der Erlasse zur Nachbehaltensfrist, bei dem eine Folgeumwandlung auf das herrschende Unternehmen in der Nachbehaltensfrist als unschädlich eingestuft wird.280 M.E. sollte daher auch die Ausgliederung in 03 nach § 6a GrEStG steuerfrei sein. Ob Finanzverwaltung und Rechtsprechung dies ebenfalls so sehen, bleibt abzuwarten. Nach alter Verwaltungsauffassung wäre bereits die

276 BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 277 Wird dagegen vertreten, dass bereits die Beteiligung an der grundbesitzenden C KG für eine wirtschaftliche Tätigkeit ausreicht (Rz. 6.62), läge hier wiederum ein Fall des § 6a Satz 3 Alt. 1 GrEStG vor (Beteiligung von herrschendem Unternehmen B GmbH und abhängiger Gesellschaft C GmbH an der Umwandlung) und die Befreiung würde unstreitig gewährt, weil die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden kann (BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1). 278 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 33. 279 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 33; gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. 280 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2, Beispiel 5; mit ähnlicher Begründung: Brühl, GmbHR 2021, 126 (132); Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140.

710 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.106 Kap. 6 Umwandlung in 01 nicht begünstigt gewesen, da sie zur Begründung des Verbunds führte. In der Folge wäre die B GmbH nachfolgend auch nicht als verbundgeborene Gesellschaft einzustufen gewesen.281

Das FG Münster vertritt die Auffassung, dass eine Zurechnung von Besitzzeiten für Zwecke des § 6a Satz 4 GrEStG in Umwandlungsfällen aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge nach § 45 AO erfolgen müsse.282 Der konkrete Urteilsfall betraf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist bezogen auf eine potenziell abhängige Gesellschaft, deren Anteile vor weniger als fünf Jahren durch das potenziell herrschende Unternehmen als übernehmender Rechtsträger einer Aufspaltung erworben wurden. Die Überlegungen der Urteilsbegründung sprechen dafür, dass auch für die Nachbehaltensfrist eine Fortführung durch den Gesamtrechtsnachfolger möglich sein könnte. Diese Auslegung geht über die von der Verwaltung zugelassene Zusammenrechnung von Behaltensfristen hinaus, da das FG Münster nur auf die Gesamtrechtsnachfolge nach § 45 AO abstellt und es nicht darauf ankommt, ob eine Umwandlung zwischen abhängigen Gesellschaften vorliegt. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH im Revisionsverfahren (II R 5/23) zur Frage der Gesamtrechtsnachfolge im Anwendungsbereich von § 6a Satz 4 GrEStG positionieren wird.

6.104

Die Regelung zur Zusammenrechnung von Behaltenszeiten während der Nachbehaltensfrist bezieht sich nach dem Wortlaut des Erlasses nur auf Umwandlungen mit einer anderen abhängigen Gesellschaft. Aus Beispiel 5 des Erlasses ergibt sich aber, dass auch die Verschmelzung der abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen innerhalb der Nachbehaltensfrist unschädlich ist.283 Selbiges muss nach den unter Rz. 6.100 beschriebenen Grundsätzen gelten, wenn das herrschende Unternehmen innerhalb der Nachbehaltensfrist auf die abhängige Gesellschaft verschmolzen wird. Auch dieser Vorgang wäre grds. nach § 6a GrEStG begünstigt und kann folglich nicht zu einem Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist führen.

6.105

Da sich der Erlass nur auf Umwandlungen der abhängigen Gesellschaft innerhalb der Nachbehaltensfrist bezieht, ist unklar, ob auch andere gesellschaftsrechtliche Vorgänge unschädlich sein könnten, z.B. die Anwachsung auf eine andere abhängige Gesellschaft oder die Liquidation mit Vermögensauskehrung an eine andere abhängige Gesellschaft. Dafür spricht, dass das wirtschaftliche Ergebnis dem einer Verschmelzung sehr nahe kommt und auch hier kein Dritter beteiligt wird, sondern ein konzerninterner Sachverhalt vorliegt.284 In der Praxis sollte im Zweifel der Weg der Verschmelzung gewählt werden, um einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist auszuschließen, auch wenn dies bspw. im Vergleich zur Anwachsung aufwändiger ist.

6.106

281 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 4 (im dortigen Beispiel unter Jahr 01 und Jahr 03). 282 FG Münster v. 12.1.2023 – 8 K 169/21 F, BeckRS 2023, 1673. 283 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2, Beispiel 5. 284 A.A. für den Falle der Liquidation: Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 146; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 17a.

Tigges-Knümann | 711

Kap. 6 Rz. 6.107 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.107 Eine Ausnahme von der Nachbehaltensfrist liegt nicht allein deshalb vor, weil der Vorgang, der zu einem Verstoß führt, wiederum der Grunderwerbsteuer unterliegt.285 Dies ergibt sich aus der beteiligungsbezogenen Sichtweise des BFH.286 Insoweit unterscheidet sich die Auslegung von § 6a GrEStG deutlich von der Auslegung der Fristen in §§ 5, 6 GrEStG (dazu auch Rz. 6.110 f.). cc) Forderung nach einer weitergehenden teleologischen Reduktion

6.108 Keine Ausnahme von der Vorbehaltensfrist besteht insbesondere bei Umwandlungen zur Aufnahme. In diesen Fällen muss auch die Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger bereits seit mindestens fünf Jahren bestehen. Diese Sichtweise des BFH287, der sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat288, führt zu einer unterschiedlichen Behandlung von Umwandlungen zur Neugründung und Umwandlungen zur Aufnahme. In der Literatur wird kritisiert, dass diese Ungleichbehandlung dem § 6a GrEStG in seinem Sinn als grunderwerbsteuerliche Konzernklausel nicht gerecht wird, da im Ergebnis die „Hälfte“ der eigentlich zu begünstigenden Umwandlungsvorgänge nicht von der Befreiung erfasst werden.289 Vor dem Hintergrund der insoweit eindeutigen BFH-Rechtsprechung290 ist aber eine grundsätzliche Begünstigung aller Umwandlungen zur Aufnahme – beispielsweise indem die Vorbehaltensfrist nur für den übertragenden und die Nachbehaltensfrist nur für den übernehmenden Rechtsträger angewendet wird291 – eher nicht zu erwarten. Der BFH wird allerdings in einem aktuell anhängigen Revisionsverfahren (II R 31/22) Gelegenheit haben, sich noch einmal mit der unterschiedlichen Behandlung von Umwandlungen zur Neugründung und zur Aufnahme für Zwecke des § 6a GrEStG zu befassen.292 Hier könnte der Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Dies erscheint auch unter EU-beihilferechtlichen Gesichtspunkten angezeigt, denn solange § 6a GrEStG nur einen Teil der zivilrechtlichen vorgesehenen Umwandlungsformen begünstigt, bleibt die Regelung weiterhin dem Vorwurf der Selektivität ausgesetzt.293

285 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2; KugelmüllerPugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 127; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 196; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 18. 286 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 Tz. 34. 287 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 288 Erstmals: Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.2.2.1. 289 Brühl, GmbHR 2021, 126 (131); Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (141). 290 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348: Der BFH versagte die Begünstigung nach § 6a GrEStG bei einer Verschmelzung aufgrund der Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist bezogen auf den übernehmenden Rechtsträger. 291 Mit diesem Vorschlag für eine sachgerechte Einschränkung von § 6a Satz 4 GrEStG: Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035). 292 Die Vorinstanz sah die Ungleichbehandlung als sachlich gerechtfertigt an: FG Nürnberg v. 14.7.2022 – 4 K 59/21, EFG 2022, 1778; i.E. ebenso: Hessisches Finanzgericht v. 18.10.2022 – 5 K 272/21, EFG 2023, 141. 293 Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (141).

712 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.110 Kap. 6

Eine anderweitige Auslegung erscheint aber auch unter Beachtung der bisherigen BFH Urteile jedenfalls für solche Fälle möglich, in denen zunächst eine Gesellschaft aus dem herrschenden Unternehmen oder einer anderen abhängigen Gesellschaft heraus entsteht (zum Beispiel durch Ausgliederung) und anschließend als übernehmende Gesellschaft an einem Umwandlungsvorgang teilnimmt. Denn auch hier drohen keine sog. „Mitnahmeeffekte“, sondern es handelt sich um rein konzerninterne Vorgänge ohne Beteiligung eines Dritten.294 Nach der alten Verwaltungsauffassung waren jedenfalls sog. „verbundgeborene Gesellschaften“, die durch einen Umwandlungsvorgang ausschließlich aus einer oder mehreren abhängigen Gesellschaften entstanden sind, als abhängige Gesellschaften zu qualifizieren (Zusammenrechnung von Behaltenszeiten im Verbund).295 Insoweit stellt die Aufgabe der Verbundtheorie eine Verschlechterung für den Steuerpflichtigen dar.296 Für Zwecke der Nachbehaltensfrist sieht auch der neue Erlass noch eine Zusammenrechnung von Behaltenszeiten bei umwandlungsbedingtem Erlöschen der abhängigen Gesellschaft in der Nachbehaltensfrist vor.297 Es wäre mithin folgerichtig auch in der Vorbehaltensfrist eine solche Addition der Behaltenszeiten zuzulassen.298 Die Ausführungen im BFH-Urteil II R 17/19299 stehen dem nicht entgegen, da der Fall gerade keine Umwandlung innerhalb der Vorbehaltensfrist betraf.300

6.109

Der BFH hat § 6a Satz 4 GrEStG nach eigener Formulierung in Anknüpfung an die Systematik der Norm weit ausgelegt, um den inneren Widerspruch zwischen Satz 1, der alle Umwandlungen erfasst, und Satz 4, der nach seinem Wortlaut u.a. sämtliche Umwandlungen zur Neugründung sowie Verschmelzungen auf das herrschende Unternehmen vom Anwendungsbereich ausschließt, aufzulösen.301 Der BFH distanziert sich im Urteil jedenfalls implizit von der in der Literatur geforderten teleologischen Reduktion des Satz 4, da er diese zwar referiert, dann aber eine eigene Auslegung gegenüberstellt.302 Er wendet damit offenbar andere Maßstäbe an als bei den Behal-

6.110

294 So auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 119; Brühl, GmbHR 2021, 126 (131). Auch Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 17, die im Grundsatz bereits eine ähnliche Auslegung des § 6a GrEStG vornimmt wie nunmehr auch der BFH, hält die Zusammenrechnung von Vorbehaltenszeiten für geboten. 295 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl. I 2012, 662 Tz. 4. 296 Brühl, GmbHR 2021, 126 (131); Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140. 297 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.2.2.2. Beibehalten in den Gleich lautenden Ländererlassen v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2. 298 So auch Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (141); Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (635). 299 BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 300 S. zum Sachverhalt des Urteils (Überschreiten der 95 %-Schwelle am übernehmenden Rechtsträger erst innerhalb der Vorbehaltensfrist durch Anteilserwerb von einem Dritten) auch die Ausführungen der Vorinstanz FG München, Urt. v. 22.10.2014 – 4 K 37/12, EFG 2015, 243 Rz. 3, 8. 301 Z.B. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 25 zum Widerspruch innerhalb des § 6a GrEStG und Rz. 34 zur „weiten“ Auslegung. 302 Z.B. BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 Rz. 29, 31, 34. Zur Unterscheidung zwischen der bereits länger durch die Literatur geforderten teleologischen Reduktion von § 6a Satz 4 GrEStG und der nunmehr durch den BFH vorgenommenen „systemati-

Tigges-Knümann | 713

Kap. 6 Rz. 6.110 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

tensfristen der §§ 5 und 6 GrEStG, die einschränkend ausgelegt werden, soweit die „objektive Möglichkeit einer Steuerumgehung“ nicht gegeben ist.303 Der BFH setzt u.a. konsequent die beteiligungsbezogene Betrachtungsweise um. So wurde die Tatsache, dass sich das Grundstück im Urteilsfall bereits seit mehr als fünf Jahren im grunderwerbsteuerlichen Zurechnungsbereich des herrschenden Unternehmens befunden hat, nicht als Grund für eine Unbeachtlichkeit der Behaltensfristen anerkannt.304 Den bisherigen Urteilen kann – anders als denen zur §§ 5, 6 GrEStG305 – auch nicht entnommen werden, dass eine teleologische Reduktion in solchen Fällen vorgenommen werden soll, in denen der Rechtsvorgang, der zum Verstoß führt, selbst zu einer Grunderwerbsteuerpflicht führt.306 Die Urteile könnten daher so zu verstehen sein, dass allein die umwandlungsbedingte Nichteinhaltung der Frist unschädlich ist, während andere Fristverstöße zur Versagung der Begünstigung des § 6a GrEStG führen.307

6.111 In der Literatur wird dagegen eine weitergehende teleologische Reduktion entsprechend der Auffassung zu §§ 5, 6 GrEStG bei objektiv ausgeschlossenem Missbrauch gefordert.308 Um das gesetzgeberische Ziel einer gleichmäßigen Entlastungswirkung des § 6a GrEStG sicherzustellen, werden als sachgerechte Einschränkungen beispielsweise angeführt, dass für den aufnehmenden Rechtsträger nur die Nachbehaltensfrist, nicht aber die Vorbehaltensfrist einzuhalten sein soll und dass Erwerbsvorgänge, die ihrerseits der Grunderwerbsteuer unterliegen, nicht zur Verletzung der Behaltensfristen führen können.309 Aufgrund der derzeitigen Ländererlasse müsste bei einer solchen Rechtsauffassung wohl der Klageweg beschritten werden. Der Ausgang eines solchen Verfahrens dürfte aus heutiger Sicht als offen zu bewerten sein. In der Tendenz scheint der BFH aber eine weniger weite Auslegung vornehmen zu wollen

303 304 305

306 307 308

309

schen Auslegung“ vgl. auch: Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035). Eine ähnliche Auslegung wie die des BFH findet sich auch schon bei Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 16a. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302; v. 14.6.1973 – II R 37/72, BStBl. II 1973, 802; v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400. BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 Rz. 34, 36. BFH v. 7.10.2009 – II R 58/08, BStBl. II 2010, 302; v. 14.6.1973 – II R 37/72, BStBl. II 1973, 802; v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400; zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion der grunderwerbsteuerlichen Sperrfristen in §§ 5, 6 GrEStG s. auch Broemel, DB 2019, 1470. Dies vertritt die Finanzverwaltung auch ausdrücklich: gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. So dürfte auch der BFH zu verstehen sein: BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 Rz. 34. Einige Stimmen in der Literatur sehen die Frage der Reichweite einer möglichen weitergehenden teleologischen Reduktion eher als offen an: z.B. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035). Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 43; Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035); Rödder/Schönfeld, DStR 2010, 415 (416); mit Einschränkungen auch Stenert, Ubg 2022, 31 (39 f.), der aber eine grundstücksbezogene Sichtweise ablehnt. Für eine teleologische Reduktion aber ohne Verweis auf §§ 5, 6 GrEStG auch Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 82. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035).

714 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.114 Kap. 6

als in den Fällen der §§ 5, 6 GrEStG.310 Auch das FG Münster betonte jüngst die Unterschiede zwischen §§ 5, 6 GrEStG einerseits und § 6a GrEStG andererseits.311 3. Rechtsfolgen a) Keine Erhebung der Grunderwerbsteuer Sind die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt, wird die Grunderwerbsteuer für den begünstigten Rechtsvorgang nicht erhoben. Trotz der Begünstigung nach § 6a GrEStG liegt ein steuerbarer Erwerbsvorgang vor. Dies ist entscheidend für das Zusammenspiel mit anderen Normen, sowohl innerhalb der GrEStG (z.B. §§ 5, 6 GrEStG (s. dazu nachfolgend Rz. 6.126 ff.)312 als auch mit anderen Gesetzen (z.B. Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). § 6a GrEStG beinhaltet kein Wahlrecht und erfordert keinen Antrag, sondern die Befreiung wird von Amts wegen gewährt.313

6.112

Grds. sieht § 6a GrEStG die vollständige Befreiung bzw. „Nichterhebung“ der Grunderwerbsteuer vor. Damit unterscheidet sich § 6a GrEStG wesentlich von den §§ 5, 6 GrEStG, die nur anteilige Befreiungen ermöglichen.314 Auch bei § 6a GrEStG kann es jedoch in Sonderfällen zu einer nur anteiligen Befreiung kommen. So vertreten Finanzverwaltung und Teile der Literatur, dass bei sukzessiver Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG die Steuer nur insoweit nicht zu erheben sei, als die Umwandlung zur Erfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG beiträgt.315 Die Begünstigung sei außerdem auf die vermögensmäßige Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers an der PersGes. beschränkt.316 Ein anderer Teil der Literatur spricht sich dafür aus, den durch die Umwandlung ausgelösten Gesellschafterwechsel erst gar nicht in die Zählung der 95 %-Quote des § 1 Abs. 2a GrEStG miteinzubeziehen.317 Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage soweit ersichtlich bislang nicht geäußert.

6.113

Beispiel 20: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G KG sind A mit 80 % und B mit 20 % beteiligt. A veräußert seinen Anteil im Jahr 01 an C; B gliedert seinen Anteil im Jahr 03 auf die B GmbH aus, an der er seit mehr als fünf Jahren beteiligt ist.318

6.114

Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 43, 48. FG Münster v. 12.1.2023 – 8 K 169/21 F, BeckRS 2023, 1673. Stenert, Ubg 2022, 31 (39). Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 5. Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 200. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.4: nunmehr ausdrücklich auch zu § 1 Abs. 2b GrEStG; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 8; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 26; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 55. 316 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 2.4. 317 Behrens, Ubg 2010, 845 (854 f.); Jorde/Trinkaus, Ubg 2012, 649 (653); Lieber in Behrens/ Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 23. 318 Beispiel entnommen aus Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035).

310 311 312 313 314 315

Tigges-Knümann | 715

Kap. 6 Rz. 6.114 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Jahr 01

C

Jahr 03

Veräußerung

A

B

C

B 100 %

80 %

20 %

B GmbH

80 %

Ausgliederung

20 %

G KG

G KG

Abb. 19 Der Vorgang ist nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG ist auf den Vorgang dem Grunde nach anzuwenden. Das nach § 6a Satz 4 GrEStG erforderliche Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen B und der B GmbH. Die G KG muss, obwohl nach § 1 Abs. 2a GrEStG ein Erwerb durch die Gesellschaft selbst fingiert wird, nicht das Abhängigkeitskriterium erfüllen,319 denn sie ist weder aufnehmender noch abgebender Rechtsträger.320 Nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur (s. Rz. 6.113) ist die Steuerbefreiung jedoch nur im Umfang von 20 % zu gewähren, denn nur insoweit trägt die begünstigte Umwandlung zur Änderung des Gesellschafterbestands bei. Nach anderer Auffassung (s. oben Rz. 6.113) würde § 1 Abs. 2a GrEStG gar nicht ausgelöst, da der umwandlungsbedingte Gesellschafterwechsel von 20 % nicht in die Zählung miteingeht.

6.115 Beide Sichtweisen vermögen nicht gänzlich zu überzeugen:321 Gegen die nur anteilige Gewährung der Steuerbefreiung spricht, dass hierbei eine Segmentierung eines einheitlichen Rechtsvorgangs vorgenommen wird, die in der Regelung des § 1 Abs. 2a

319 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 3.2.2.2 (zur Nachbehaltensfrist); Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 8; Stenert, Ubg 2022, 31 (32). 320 Als am Rechtsvorgang „beteiligt“ sind nur die Rechtsträger anzusehen, deren Vermögen durch die (partielle) Gesamtrechtsnachfolge unmittelbar berührt wird, d.h. der übertragende und der übernehmende Rechtsträger: Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; Stenert, Ubg 2022, 31 (32). 321 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035).

716 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.117 Kap. 6

GrEStG nicht angelegt ist. Der steuerbare Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht der letzte (oder ein vorheriger) Erwerbsakt, sondern die Summe aller Rechtsakte, die zur Verwirklichung der Änderung des Gesellschafterbestands von 90 % führen.322 Dies lässt nur eine einheitliche Befreiung im Ganzen zu. Die Gegenauffassung, der Vorgang sei gar nicht in die Zählung der nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu berücksichtigenden Gesellschafterwechsel miteinzubeziehen, führt zu sachgerechten Ergebnissen, ist aber dogmatisch nicht zweifelsfrei, da § 6a GrEStG als Steuerbefreiungsvorschrift grds. nicht auf die Beurteilung der Steuerbarkeit zurückwirken kann. M.E. sollte – wie von der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 3 GrEStG vertreten (s. Rz. 6.117) – eine vollständige Befreiung des nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgangs erfolgen, wenn die Anteilsübertragung, die zur Verwirklichung, d.h. zum Erreichen der tatbestandlichen „Änderungsquote“ von 90 %, führt, aufgrund einer durch § 6a GrEStG begünstigten Umwandlung erfolgt.323 Es lässt sich nicht prognostizieren, wie die Rechtsprechung diese Frage entscheiden wird. Für die Steuerplanung ist bis zu einer gerichtlichen Entscheidung die Auffassung der Finanzverwaltung zu beachten. Dasselbe Problem dürfte sich auch für den neu eingeführten § 1 Abs. 2b GrEStG stellen. Die Finanzverwaltung vertritt in den neuen Erlassen dieselbe Auffassung wie zu § 1 Abs. 2a GrEStG.324

6.116

Anders als im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG soll nach Verwaltungsauffassung bei steuerbaren Vorgängen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG stets die gesamte Steuer nicht zu ergeben sein, wenn der Rechtsvorgang, der zum Überschreiten der 90 % Quote führt, von § 6a GrEStG erfasst wird.325 Es kommt nicht darauf an, wie etwaige dem Erwerber bereits zuvor gehörende Anteile erworben wurden.326 Im Umkehrschluss kann hingegen keine Befreiung gewährt werden, wenn der potenzielle nach § 6a GrEStG begünstigungsfähige Vorgang zu einem Anteilserwerb geführt hat, aber die relevante Beteiligungsquote erst durch einen weiteren nicht begünstigten Vorgang erreicht wird.327 Dasselbe wird für § 1 Abs. 3a GrEStG gelten, der ebenfalls zeitpunkt- und nicht zeitraumbezogen ist.328 Nach anderer Literaturauffassung sollen

6.117

322 BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; FG Düsseldorf v. 15.12.2004 – 7 K 1423/02 GE, EFG 2005, 806, rkr.; FG Niedersachsen v. 3.5.2006 – 7 K 374/03, EFG 2007, 282, rkr. 323 Noch weitergehend: Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035), die eine vollständige Befreiung immer dann annehmen wollen, wenn irgendeine Anteilsübertragung, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, nach § 6a GrEStG begünstigt war. 324 Gleich lautende Erlasse der Länder v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.4. 325 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.5; zustimmend Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 25; Brühl, GmbHR 2021, 126 (129). 326 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.5. 327 So dürfte auch die Finanzverwaltung zu verstehen sein: OFD NRW v. 25.3.2021, S 45182014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 2.3. Beispiel 7. 328 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 25; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 29.

Tigges-Knümann | 717

Kap. 6 Rz. 6.117 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

dagegen auch steuerbare Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG nur insoweit nach § 6a GrEStG befreit werden, wie die begünstigte Umwandlung zur Anteilsvereinigung beiträgt.329 Begründet wird dies mit der BFH-Rechtsprechung zur Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG.330 Die Befreiung soll nach dieser abweichenden Auffassung aber auch dann anteilig zu gewähren sein, wenn der letzte Vorgang, der zum Überschreiten der maßgeblichen Beteiligungsquote führt, nicht von § 6a GrEStG erfasst wird. Die Rechtsprechung hat sich soweit ersichtlich bislang nicht geäußert.

6.118 Durch die Einführung des nunmehr vorrangig anzuwendenden § 1 Abs. 2b GrEStG dürfte der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG erheblich eingeschränkt werden, weil viele Anteilsvereinigungen bereits nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbar sein werden. Bezogen auf § 6a GrEStG kann dies unter Beachtung der Verwaltungsauffassung sowohl Vorteile als auch Nachteile bergen. Wird die maßgebliche Beteiligungsquote aufgrund einer nach § 6a GrEStG begünstigten Umwandlung überschritten, wäre die Verwaltungsauffassung zu § 1 Abs. 3 GrEStG günstiger, da sie eine vollständige Befreiung vorsieht; der Vorrang von § 1 Abs. 2b GrEStG ist für den Steuerpflichtigen nachteilig.331 Es entsteht aber korrespondierend ein Vorteil, wenn zwar nicht der letzte Anteilserwerb, aber ein vorhergehender Anteilserwerb durch eine Umwandlung erfolgte, da in diesem Fall für § 1 Abs. 2b GrEStG eine anteilige Befreiung gewährt werden sollte. 6.119 Entgegen dem Wortlaut nach dem die Steuer lediglich „nicht erhoben“ wird, unterbleibt in der Praxis bei Anwendung von § 6a GrEStG regelmäßig bereits die Steuerfestsetzung oder es erfolgt eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 €.332 Auch ein Freistellungsbescheid ist denkbar.333 Eine Festsetzung erfolgt dann erstmalig, falls die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten wird (s. dazu Rz. 6.122). 6.120 Die Begünstigung des § 6a GrEStG gilt nur für den durch die Umwandlung ausgelösten steuerbaren Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG.334 S. zu umwandlungsbedingten Verstößen gegen die Nachbehaltensfristen der §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 und 6a Satz 4 GrEStG unter Rz. 6.135 ff. b) Anzeigepflichten

6.121 § 6a GrEStG befreit nicht von der Anzeigepflicht für den steuerbaren Vorgang, auch wenn es aufgrund der Anwendung von § 6a GrEStG tatsächlich nicht zu Erhebung

Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 59; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 28. Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 59; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 28. Dazu Brühl, GmbHR 2021, 126 (129). Zur Festsetzung über 0 €: OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 4.1. 333 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.2; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 19. 334 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.6.

329 330 331 332

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A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.122 Kap. 6

von Grunderwerbsteuer kommt.335 Dies folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG. Zur Anzeigepflicht für den steuerbaren Vorgang s. Rz. 7.27 ff. Zusätzlich besteht bei einer Befreiung nach § 6a GrEStG gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG die Verpflichtung, Änderungen von Beherrschungsverhältnissen anzuzeigen. Die Verpflichtung trifft die zur Anzeige des steuerbaren Vorgangs verpflichtete Person, d.h. den Steuerschuldner (§ 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).336 Nach Sinn und Zweck kann eine solche Verpflichtung nur innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerbaren Vorgang bestehen, da etwaige spätere Veränderungen für die Besteuerung unerheblich sind.337 Zudem sollte die Formulierung „Änderungen von Beherrschungsverhältnissen“ so zu verstehen sein, dass Änderungen, die nicht zu einem Wegfall der Beherrschung, sondern lediglich zu einer Veränderung der Quote oberhalb der 95 % Grenze oder aber zu einer Veränderung in der Beteiligungskette unter Beibehaltung der 95 % Quote führen, nicht anzeigepflichtig sind.338 Teils wird in der Literatur vertreten, dass auch der Wegfall der wirtschaftlichen Tätigkeit beim herrschenden Unternehmen anzeigepflichtig sei.339 Aus dem Erlass der Finanzverwaltung ergibt sich zwar keine ausdrückliche Anzeigepflicht, allerdings geht die Verwaltung davon aus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit auch während der gesamten Nachbehaltensfrist ausgeübt werden muss.340 Jedenfalls die OFD NRW sieht ausdrücklich eine Anzeigepflicht für „Veränderungen in Bezug auf die wirtschaftliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens“ vor.341 Zu Form und Frist der Anzeige s. unter Rz. 7.50 ff. c) Folgen eines Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist Wird die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten, so entfällt die Begünstigung nach § 6a GrEStG rückwirkend. Die Begünstigung ist stets vollständig zu versagen.342 Der Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist ist ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 2 Satz 1 AO, sodass die ursprüngliche Feststellung über den steuerbaren Vorgang (§ 17 Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG) und/oder die Steuerfestsetzung (0 €) bzw. der Freistellungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern sind.343 Ist eine Steuerfestsetzung bislang unterblieben, erfolgt eine erstmalige Fest-

335 Pahlke7, § 19 GrEStG Rz. 20. 336 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.1; Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 29; Hofmann11, § 19 GrEStG Rz. 10. 337 Dies scheint auch die Finanzverwaltung so zu sehen („innerhalb der Nachbehaltensfrist“): Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.1. 338 So auch: Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 29. Auch die Finanzverwaltung dürfte so zu verstehen sein („schädliche Änderung des Beherrschungsverhältnisses“): gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.1. 339 Pahlke7, § 19 GrEStG Rz. 20. 340 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.1. 341 OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 4.1. 342 Pahlke6, § 6a GrEStG Rz. 91. 343 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.2 zu Freistellungsbescheiden. S. zur Erteilung von Steuerbescheiden über 0 € bzw. zur gesonderten Feststellung nach § 17 GrEStG: OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 4.1.

Tigges-Knümann | 719

6.122

Kap. 6 Rz. 6.122 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

setzung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.344 Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 GrEStG erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist eintritt. Für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer sind die Verhältnisse bei Verwirklichung des steuerbaren Tatbestands maßgebend;345 dies gilt sowohl für die Bemessungsgrundlage als auch für den Steuersatz.346 Zwischenzeitliche Wertsteigerungen- oder Minderungen des Grundstücks dürfen sich ebenso wenig auswirken wie Änderungen des Steuersatzes. Es kommt nicht darauf an, ob dem Steuerpflichtigen das Grundstück noch zuzurechnen ist (dazu bereits unter Rz. 6.89).347

6.123 Falls im Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Tatbestands § 1 Abs. 6 GrEStG anwendbar war, weil bereits zuvor ein anderer steuerbarer Tatbestand bezogen auf dasselbe Grundstück durch denselben Rechtsträger verwirklicht wurde, so sollte die Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 6 GrEStG vorrangig vorzunehmen sein, da insoweit keine Behaltensfristen zu beachten sind, sodass die dadurch erzielte Steuerminderung endgültig ist.348 Nur der danach noch verbleibende Betrag ist nach § 6a GrEStG nicht zu erheben und folglich kann auch nur dieser Betrag rückwirkend festgesetzt werden, falls es zu einem Verstoß gegen die Behaltensfrist kommt. Es kann allerdings dazu kommen, dass im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung kein Steuerbescheid ergeht, indem die Anrechnung der Bemessungsgrundlage vorgenommen wird. Dies gilt insbesondere in Fällen der gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG, da dort zwar über § 6a GrEStG, nicht aber über § 1 Abs. 6 GrEStG entschieden wird.349 In diesem Fall ist die Anrechnung bei der erstmaligen rückwirkenden Steuerfestsetzung aufgrund des Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist noch zu berücksichtigen. Dies muss grds. von Amts wegen geschehen, da § 1 Abs. 6 GrEStG keinen Antrag erfordert. 6.124 Nach Verwaltungsauffassung kann eine Änderung des Bescheides unterbleiben, falls zwar die Nachbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG verletzt wird, es aber i.E. nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung bzw. der Feststellung kommt.350 Dies kann u.a. der Fall sein, wenn parallel die Befreiung nach §§ 5 oder 6 GrEStG zu gewähren ist und die dortigen Fristen nicht verletzt wurden (Rz. 6.123 ff.).

344 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 4.2. 345 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 49; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 199; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20,§ 6a GrEStG Rz. 135. 346 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 49. 347 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 133. 348 OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 6; Schanko, Ubg 2011, 73 (unter 4.4). 349 Gleich lautende Ländererlasse v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282 Tz. 9; OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 6; BFH v. 16.3.2022 – II R 24/ 20, BFH/NV 2022, 1196. 350 OFD NRW v. 25.3.2021 – S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 5.

720 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.127 Kap. 6

Ein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist kann nicht unter Anwendung von § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden.351 Es ist also nicht möglich, bei einem „versehentlichen“ Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist zum Beispiel den Anteilskaufvertrag rückabzuwickeln. Nur wenn zivilrechtliche Mängel zur Unwirksamkeit des dem Verstoß zugrundeliegenden Rechtsvorgangs führen, liegt auch für § 6a GrEStG keine relevante Verletzung der Nachbehaltensfrist vor.

6.125

IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern In Konzernen, die teilweise aus PersGes. bestehen, kommen für konzerninterne Umwandlungen neben § 6a GrEStG auch die Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG in Betracht. § 5 GrEStG betrifft die Übertragung von Grundstücken vom Gesellschafter auf die PersGes. § 6 GrEStG begünstigt die Übertragung von der PersGes. auf den Gesellschafter sowie die Übertragung zwischen zwei PersGes., soweit deren Gesellschafter identisch sind (vgl. zu den Befreiungen auch Rz. 2.220 ff.). Für Umwandlungen, die zur unmittelbaren Übertragung von Grundstücken führen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) muss das Verhältnis zwischen übertragendem und den übernehmendem Rechtsträger geprüft werden. Führt die Umwandlung zur Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes kommt es auf den fingierten Übertragungsweg des Grundstücks an352, der bei der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG und auch bei § 1 Abs. 3a GrEStG nicht dem Übertragungsweg der Anteile entspricht.353 In Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG ist § 6 Abs. 3 GrEStG anwendbar, soweit der Gesellschafterbestand identisch bleibt.354 Wird durch die Umwandlung § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht, kommt eine Befreiung nicht in Frage, da eine Übertragung von der alten auf die neue KapGes. fingiert wird.

6.126

Beispiel 21: A hat vor drei Jahren jeweils 100 % der Anteile an der A GmbH und an der B GmbH erworben. A GmbH ist zu 80 % und B GmbH ist zu 20 % an der grundbesitzenden G KG beteiligt. Diese Beteiligungen bestehen seit mehr als 15 Jahren. Nun wird die B GmbH auf die A GmbH verschmolzen.

6.127

351 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 51; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 199; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 136; zur insoweit vergleichbaren Nachbehaltensfrist des § 5 GrEStG BFH v. 29.9.2005 – II R 36/04, BStBl. II 2006, 43. 352 Behrens in FS Schaumburg, 2009, S. 1107 (1119); gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.2 zu § 1 Abs. 3 GrEStG. 353 Zur Anwendung von § 6 Abs. 2 GrEStG bei Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG bei einer grundbesitzenden PersGes. vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.2. 354 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 4.1.

Tigges-Knümann | 721

Kap. 6 Rz. 6.127 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A 100 %

100 %

A GmbH 80 %

B GmbH Verschmelzung 20 %

G KG

Abb. 20 Die A GmbH vereinigt aufgrund der Verschmelzung erstmals alle Anteile an der G KG, sodass ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG vorliegt. Der grds. vorrangige Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht einschlägig, da die A GmbH Altgesellschafterin ist. Es wird ein Grundstückserwerb der A GmbH von der G KG fingiert. § 6 Abs. 2 GrEStG ist anwendbar, da die A GmbH seit mehr als 15 Jahren an der G KG beteiligt ist, sodass die erforderliche Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG erfüllt ist. Danach ist der nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG fingierte Erwerb zu 80 % steuerfrei. In Fällen des § 6 Abs. 2 GrEStG ist keine Nachbehaltensfrist einzuhalten, sodass diese Befreiung endgültig ist. § 6a GrEStG ermöglicht keine darüberhinausgehende Steuerbefreiung, da A seit weniger als 5 Jahren an A GmbH und B GmbH beteiligt ist, sodass sie nicht als abhängige Gesellschaften i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG qualifizieren.

6.128 Beispiel 22: Der wirtschaftlich tätige A ist zu jeweils 100 % an der grundbesitzenden A KG und an der B KG beteiligt. Die A KG ist wiederum an der grundbesitzenden G KG beteiligt. Diese Struktur besteht seit mehr als 10 Jahren. Im Jahr 00 wird A KG auf B KG verschmolzen.

722 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.129 Kap. 6

A 100 %

A KG

100 %

B KG

100 % Verschmelzung

G KG

Abb. 21 Durch die Verschmelzung wird hinsichtlich des Grundstücks der A KG ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Bezogen auf den Grundbesitz der G KG liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG vor. Beide Vorgänge sind vollständig nach § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei, weil eine echte (zwischen A KG und B KG) und eine fingierte (zwischen G KG alt und G KG neu) Grundstückübertragung zwischen zwei PersGes. vorliegt und A sowohl an A KG als auch an B KG zu 100 % beteiligt ist und damit mittelbar auch an G KG zu 100 % beteiligt bleibt. Die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG ist erfüllt. Gleichzeitig greift § 6a GrEStG, weil A KG und B KG von A abhängige Gesellschaften sind. (Zu den Nachbehaltensfristen s. Fortsetzung des Beispiels unten Rz. 6.133). Hinweis: Aus rein grunderwerbsteuerlicher Sicht hätte es sich in diesem Beispiel angeboten, die B KG auf die A KG zu verschmelzen, da dann kein steuerbarer Vorgang verwirklicht worden wäre. Bei der Wahl der Verschmelzungsrichtung ist die Grunderwerbsteuer aber nur eines von vielen steuerlichen und zivilrechtlichen Entscheidungskriterien.

Die Begünstigungen nach § 5 oder § 6 GrEStG und § 6a GrEStG sind parallel anwendbar. Ein Antrag ist in beiden Vorschriften nicht vorgesehen, sodass die Befreiungen von Amts wegen gewährt werden müssen.355 § 6a GrEStG sieht dabei grds. eine vollständige Steuerbefreiung vor (zu den Ausnahmen in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG s. unter Rz. 6.113) während die Befreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG anteilig in Abhängigkeit von der Beteiligungsquote an der PersGes. bzw. der Beteiligungsidentität gewährt wird. 355 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 6.

Tigges-Knümann | 723

6.129

Kap. 6 Rz. 6.130 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.130 Sind im Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Tatbestandes die Voraussetzungen beider Begünstigungen erfüllt, so ist eine parallele Anwendung vor allem deshalb interessant, weil die Nachbehaltensfristen unterschiedlich ausgestaltet sind.356 Neben der unterschiedlichen Dauer – die Frist des § 6a GrEStG beträgt 5 Jahre, die nach §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 GrEStG 10 Jahre – unterscheiden sie sich insbesondere hinsichtlich der potenziell schädlichen Vorgänge. Die Nachbehaltensfristen des § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 GrEStG sind nicht wie § 6a GrEStG anteilsbezogen, sondern grundstücksbezogen zu verstehen.357 Daraus folgen umfangreiche Einschränkungen der Nachbehaltensfrist, wenn ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist.358 Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn das Grundstück sich nicht mehr im Vermögen der Gesamthand befindet oder wenn der Rechtsvorgang, der den Verstoß auslöst, selbst der Grunderwerbsteuer unterliegt359, zur möglicherweise abweichenden Auffassung des BFH360 in Fällen des § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG s. Rz. 6.135 f. Umgekehrt sind für § 6a GrEStG Veränderungen in der Art der Beteiligung unerheblich,361 während die Beteiligung am Grundstück für §§ 5 und 6 GrEStG nur über PersGes. möglich ist, sodass die Zwischenschaltung einer KapGes. oder der heterogene Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft oder eine zwischengeschalteten PersGes. grds. zu einem Verstoß führt,362 soweit dadurch nicht gleichzeitig ein steuerbarer Vorgang verwirklicht wird.363 6.131 Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Begünstigung des § 6a GrEStG im Falle eines Verstoßes vollständig wegfällt, während die Befreiung nach den §§ 5 und 6 GrEStG nur quotal in dem Umfang entfällt, in dem sich die Beteiligung am Grundstück vermindert. Zudem kann ein Verstoß gegen die Fristen des §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 3 GrEStG unschädlich sein, wenn bei unmittelbarer Grundstücksschenkung an Stelle der Übertragung der Beteiligung am Gesamthandsvermögen eine Befreiung nach § 3 GrEStG anwendbar wäre.364 Dies ist insbesondere bei Familiengesellschaften häufig der Fall, wenn Anteile durch Schenkung und/oder auf Abkömmlinge übertragen werden (§ 3 Nr. 2 und § 3 Nr. 6 GrEStG). 6.132 Sind im Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Tatbestandes sowohl § 5 oder § 6 GrEStG als auch § 6a GrEStG erfüllt und kommt es innerhalb der Nachbehaltensfrist zum Verstoß gegen nur eine der Befreiungen, so bleibt die andere Befreiung bestehen. Dies muss auch dann gelten, wenn im ursprünglichen Feststellungs-, Steuer-

356 357 358 359 360 361

Stenert, Ubg 2022, 31 (40). Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.5. Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.2, 7.5, 7.8. BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521. Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1. zur Vorbehaltensfrist; dieser Grundsatz muss für die Nachbehaltensfrist entsprechend gelten; so auch Stenert, Ubg 2022, 31 (41). 362 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.2., 7.7. 363 Stenert, Ubg 2022, 31 (41). 364 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.4.; BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268.

724 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.133 Kap. 6

oder Freistellungsbescheid nur eine der Normen ausdrücklich genannt ist.365 Die OFD NRW geht davon aus, dass es einer Änderung der Bescheide in diesen Fällen nicht bedarf.366 Fortsetzung Beispiel 22: Im Jahr 01 nach der Verschmelzung veräußert die B KG 50 % ihrer Beteiligung an der G KG an den C. Im Jahr 03 nach der Verschmelzung veräußert A seine gesamte Beteiligung an der B KG ebenfalls an C.

Jahr 01

Jahr 03 A

A

100 %

C B KG

B KG

G KG

C

100 %

Veräußerung

100 % 50 %

Veräußerung

50 %

50 %

50 %

G KG

Abb. 22 Die Veräußerung durch die B KG im Jahr 01 stellt einen Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 GrEStG dar. Für die Frist des § 6 Abs. 3 GrEStG ist bei mehrstöckigen PersGes. auf die Gesellschafter der obersten PersGes. abzustellen367, hier also auf den A. Die Beteiligung des A an der G KG verringert sich durch die Anteilsveräußerung um 50 %, sodass die Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG insoweit entfällt. Es liegt auch kein Fall der teleologischen Reduktion vor, da die Veräußerung von nur 50 % der Anteile an G KG selbst keinen steuerbaren Vorgang auslöst. Die Befreiung nach § 6a GrEStG ist allerdings weiterhin gegeben. An 365 So wohl auch gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 5, die davon ausgeht, dass eine andere Steuervergünstigung, deren Voraussetzungen erfüllt sind, von Amts wegen gewährt werden kann, wenn die Voraussetzungen der ursprünglich gewährten Vergünstigung entfallen. Wohl ebenso Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 6. 366 OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 5. 367 BFH v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649; gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.1.

Tigges-Knümann | 725

6.133

Kap. 6 Rz. 6.133 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen der ursprünglichen Umwandlung waren nur die A KG und die B KG beteiligt. Die Nachbehaltensfrist muss bei Verschmelzung zweier abhängiger Gesellschaften nur hinsichtlich der übernehmenden Gesellschaft, hier also B KG, eingehalten werden.368 Die Veräußerung von Anteilen an der G KG ist für die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG mithin unschädlich.369 Daher kommt es aufgrund der Veräußerung in 01 nicht zu einer Nacherhebung von Grunderwerbsteuer für die ursprüngliche Verschmelzung in 00. Die Veräußerung der Beteiligung an der B KG durch A in 03 führt hingegen dazu, dass gegen die Nachbehaltensfrist nach § 6a GrEStG verstoßen wird. Die Befreiung des § 6a GrEStG für beide Erwerbe aufgrund der Verschmelzung in 00 entfällt rückwirkend vollständig. Dafür ist es nach Verwaltungsauffassung unerheblich, dass die Anteilsveräußerung selbst wiederum zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG sowohl auf Ebene der B KG als auch auf Ebene der G KG führt.370 Die Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG für das Grundstück der B KG bleibt dagegen bestehen. Zwar liegt eine grds. schädliche Verminderung der Beteiligung des A an der B KG und an der G KG vor. Allerdings ist § 6 Abs. 3 GrEStG hier nach Verwaltungsauffassung teleologisch zu reduzieren, da durch den schädlichen Vorgang ein steuerbarer Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG in einem Rechtsakt durch C verwirklicht wird, sodass eine Missbrauchsabsicht objektiv ausgeschlossen ist.371 Der BFH hat allerdings mit Verweis auf die Anrechnungsmöglichkeit in § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG jüngst in einem obiter dictum eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 3 GrEStG jedenfalls bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG in einem mehraktigen Vorgang verneint.372 Für das Grundstück der G KG erfolgte der Gesellschafterwechsel dagegen in mehreren Rechtsakten (50 % unmittelbar in 01 und 50 % mittelbar in 03). Lt. Verwaltungsauffassung ist in Fällen eines mehraktigen Gesellschafterwechsels keine teleologische Reduktion vorzunehmen, weil für jeden Rechtsakt isoliert betrachtet die Missbrauchsabsicht nicht ausgeschlossen ist.373 Im Ergebnis ist damit bezogen auf die Erwerbsvorgänge aufgrund der Verschmelzung in 00 die Steuer für das Grundstück der G KG zu vollständig nachzuerheben, während die Steuer für das Grundstück der A KG (jetzt B KG) vollständig nicht erhoben wird.

6.134 In der Steuerplanung ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen des MoPeG374 der Begriff der Gesamthand im Personengesellschaftsrecht abgeschafft wurde. Die §§ 5 und 6 GrEStG knüpfen konkret an den Begriff der Gesamthand an. Dem Vernehmen nach geht die Finanzverwaltung derzeit davon aus, dass es einer gesetzgeberischen Anpassung der §§ 5 und 6 GrEStG bedarf.375 Das MoPeG tritt zum 1.1.2024 in Kraft, sodass voraussichtlich noch in 2023 mit einem Gesetzesentwurf zu rechnen sein dürfte. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Begünstigungen ersatzlos wegfallen. Ein rückwirkender Wegfall bereits gewährter Befreiungen, für die im Zeitpunkt einer eventuellen Gesetzesänderung die Nachbehaltensfrist der §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 GrEStG noch laufen, sollte aber verfassungsrechtlich nicht zulässig sein. 368 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2.; BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348. 369 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. 370 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. Zur Forderung nach einer weitergehenden teleologischen Reduktion des § 6a Satz 4 GrEStG s. unter Rz. 6.108 ff. 371 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1. 372 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521. 373 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.2. 374 MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 375 BT-Drucks. 20/2407 v. 20.6.2022, S. 3.

726 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.136 Kap. 6

V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen Führt eine nach § 6a GrEStG begünstigte Umwandlung dazu, dass die Behaltensfrist für einen früheren steuerbaren aber steuerfreien Rechtsvorgang verletzt wird, hindert § 6a GrEStG nicht die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer für den früheren Tatbestand. Dies gilt lt. Finanzverwaltung ausdrücklich für die Verletzung der Sperrfristen nach §§ 5, 6 GrEStG.376 Soweit der nach § 6a GrEStG begünstigte Rechtsvorgang allerdings zur Verwirklichung eines steuerbaren Tatbestands bezogen auf das Grundstück führt, für das die Sperrfrist nach §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 GrEStG besteht, liegt mangels objektiver Missbrauchsmöglichkeit ohnehin regelmäßig kein Sperrfristverstoß vor.377 Eine Ausnahme könnte allerdings bei Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG bestehen, da der BFH im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG möglicherweise keine teleologische Reduktion von §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 GrEStG vornehmen will.378

6.135

Beispiel 23: Die A-GmbH hat im Jahr 01 ein Grundstück auf die G KG übertragen, an der sie zu 50 % beteiligt ist. Die Grunderwerbsteuer wurde nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 50 % nicht erhoben, sodass eine Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG besteht. Der weitere Gesellschafter der G KG ist seit 20 Jahren unverändert zu 50 % beteiligt (hier aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt). Im Jahr 03 wird die A GmbH auf ihre Schwestergesellschaft die B GmbH verschmolzen. An der A GmbH und der B GmbH ist der wirtschaftlich tätige A seit mehr als fünf Jahren zu 100 % beteiligt.

6.136

A 100 % A GmbH

§ 5 Abs. 3 GrEStG

100 % B GmbH

50 % Verschmelzung

G KG

Abb. 23 376 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.6. 377 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8. 378 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521.

Tigges-Knümann | 727

Kap. 6 Rz. 6.136 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Bezogen auf den Grundbesitz der A GmbH liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Die Steuer wird aber gem. § 6a GrEStG nicht erhoben, da an der Verschmelzung ausschließlich zwei abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Bezogen auf den Grundbesitz der G KG wird kein steuerbarer Tatbestand verwirklicht. Insbesondere ist § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt, da nur 50 % der Anteile übergehen und der andere Gesellschafter (Altgesellschafter) unverändert beteiligt bleibt. Durch die Verschmelzung ist nunmehr die B GmbH Gesellschafterin der G KG. Die Behaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG wird nicht eingehalten, da die A GmbH ihre Beteiligung an der G KG und damit die gesamthänderische Mitberechtigung an dem übertragenen Grundstück durch die Umwandlung auf die B GmbH überträgt.379 Die anteilige Steuerbefreiung der Grundstücksübertragung auf die KG im Jahr 01 (Befreiung 50 %) entfällt rückwirkend und die Steuer ist für das Jahr 01 nunmehr in voller Höhe festzusetzen und nachzuerheben.380 Auf diese nachzuerhebende Steuer findet § 6a GrEStG nach Verwaltungsauffassung keine Anwendung.381 Abwandlung: Sachverhalt wie im Grundfall aber die A GmbH ist nun zu 99 % an der G KG beteiligt (Minderheitsgesellschafter aus Vereinfachungsgründen nicht abgebildet). Bei der Grundstückübertragung im Jahr 01 wurde die Grunderwerbsteuer folglich nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 99 % nicht erhoben.

A 100 % A GmbH § 5 Abs. 3 GrEStG

100 % B GmbH

99 % Verschmelzung

G KG

Abb. 24 Die Folgen für die A GmbH entsprechen denen im Grundfall. Auf Ebene der G KG wird nunmehr im Jahr 03 aber § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht, da sich ihr Gesellschafterbestand um 99 % verändert. Dieser steuerbare Tatbestand ist nach § 6a GrEStG zu 99 % von der Steuer

379 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.1; Ausnahmen sieht der Erlass nur für homogene formwechselnde Umwandlungen (Tz. 7.3.2.1) nicht aber für übertragende Umwandlungen vor. 380 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 9. 381 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.6.

728 | Tigges-Knümann

A. Übertragende Umwandlung | Rz. 6.138 Kap. 6 befreit (Anteil des übertragenden Rechtsträgers).382 Es sollte – in Übereinstimmung mit der Verwaltungsauffassung – argumentiert werden, dass eine Verletzung der Sperrfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG aus der Grundstücksübertragung in 01 nach einschränkender Auslegung nicht vorliegen kann, weil aufgrund des steuerbaren Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist.383 Aufgrund neuerer BFH Rechtsprechung (obiter dictum) könnten allerdings Zweifel bestehen, sodass nach Möglichkeit vorab eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO eingeholt werden sollte.384 Die Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG geht hier aufgrund der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG weitgehend ins Leere.

Die Begünstigung nach § 6a GrEStG kann wohl ebenfalls nicht eine eventuell nachzuerhebende Steuer aufgrund eines Verstoßes gegen die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG umfassen. M.E. dürfte es allerdings regelmäßig sachgerecht sein, in solchen Fällen über den Wortlaut des Anwendungserlasses hinaus eine Fortführung von Behaltensfristen durch den Rechtsnachfolger zuzulassen, sodass auch hier bereits kein Verstoß vorläge.

6.137

Beispiel 24: A ist seit dem Jahr 01 an der A GmbH und an der B GmbH zu 100 % beteiligt. Die A GmbH hat im Jahr 03 im Rahmen einer Ausgliederung ein Grundstück auf die C GmbH übertragen, an der sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als fünf Jahren zu 100 % beteiligt war. Die Steuer wurde nach § 6a GrEStG nicht erhoben, da an der Ausgliederung nur die A GmbH als herrschendes Unternehmen und die C GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt waren. A konnte in diesem Zeitpunkt noch nicht herrschendes Unternehmen sein, da er seit weniger als fünf Jahren an A GmbH beteiligt war. Im Jahr 06 wird die A GmbH auf die B GmbH verschmolzen.

6.138

A 100 % A GmbH § 6a S. 4 GrEStG

100 % B GmbH

100 % Verschmelzung C GmbH

Abb. 25 382 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.4; nach anderer Ansicht wird § 1 Abs. 2a GrEStG wegen § 6a GrEStG nicht verwirklicht (Lieber in Behrens/ Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 23). 383 Gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.8.1.1. S. auch OFD NRW v. 25.3.2021, S 4518-2014/0006-St 255 BeckVerw 516236, Tz. 5 Beispiel 17. 384 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, BStBl. II 2022, 521.

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Kap. 6 Rz. 6.138 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Bezogen auf den Grundbesitz der A GmbH liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor. Bezogen auf den Grundbesitz der C GmbH liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG vor, da sich ihr unmittelbarer Gesellschafterbestand zu 100 % ändert. Die Steuer wird aber gem. § 6a GrEStG für beide Rechtsvorgänge zu 100 % nicht erhoben, da an der Verschmelzung ausschließlich zwei von A abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Durch den Vorgang geht die A GmbH als herrschendes Unternehmen unter, sodass die Nachbehaltensfrist aus der Anwendung des § 6a GrEStG auf die steuerbare Ausgliederung im Jahr 03 nicht eingehalten wird. Es dürfte davon auszugehen sein, dass die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG für die Verschmelzung im Jahr 06 nicht gleichzeitig auch auf die Steuer aus dem Jahr 03 anwendet, weil diese nicht aufgrund der begünstigten Verschmelzung im Jahr 06, sondern aufgrund der Ausgliederung im Jahr 03 entsteht.385 Es wäre aber sachgerecht, wenn die Nachbehaltensfrist bzgl. der Anteile an der C GmbH auf die B GmbH übergehen würde, sodass kein Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist vorliegt. Die Finanzverwaltung sieht dies im Erlass zwar nur für den umwandlungsbedingten Untergang einer abhängigen Gesellschaft vor.386 Es spricht aber viel dafür, dies für den hier vorliegenden Untergang des herrschenden Unternehmens entsprechend zu beurteilen. Ob Finanzverwaltung und Rechtsprechung dies genauso sehen würden, erscheint indes unklar. Eine Unbeachtlichkeit des Sperrfristverstoßes ergibt sich nach Verwaltungsauffassung jedenfalls nicht allein daraus, dass bezogen auf das in 03 ausgegliederte Grundstück in 06 erneut ein steuerbarer Tatbestand verwirklicht wird.387 Insoweit unterscheidet sich die beteiligungsbezogene Betrachtungsweise des § 6a GrEStG von der grundstückbezogenen Betrachtungsweise nach den §§ 5, 6 GrEStG.

6.139 In der Praxis sind bei Umwandlungsmaßnahmen daher nicht nur die unmittelbaren grunderwerbsteuerlichen Folgen der Umwandlung, d.h. die Verwirklichung eines steuerbaren Tatbestandes durch die Umwandlung, sondern auch die Folgen für eventuell bereits laufende grunderwerbsteuerliche Sperrfristen aus vergangenen Transaktionen zu prüfen. Anders als für den unmittelbar durch die Umwandlung ausgelösten Steuertatbestand kommt für die aufgrund eines Sperrfristverstoßes festzusetzende Grunderwerbsteuer eine Befreiung nach § 6a GrEStG jedenfalls nach Verwaltungsauffassung wohl nicht in Betracht.388

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte I. Steuerbare Vorgänge 1. Einbringung von Grundstücken a) Grundfälle nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

6.140 Die Einbringung von Grundstücken im Wege der Einzelrechtsnachfolge führt regelmäßig bereits bei Abschluss des Einbringungsvertrags389 zu einem steuerbaren Vor385 Mit derselben Begründung aber zu §§ 5, 6 GrEStG gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.6. 386 Gleich lautende Ländererlasse v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 Tz. 3.2.2.2. 387 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2. 388 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.6. 389 S. zum unterschiedlichen zivilrechtlichen Verständnis des Begriffs „Einbringungsvertrag“ unter Rz. 6.151. Hier ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft gemeint. Zu diesem

730 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.141 Kap. 6

gang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.390 Einbringungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge sind sowohl bei Gründung einer Kapital- oder PersGes. (Sachgründung391) als auch als Einlage in eine bestehende Gesellschaft (Sacheinlage bzw. Sachkapitalerhöhung392) möglich.393 Ggfs. kann auch bereits der Abschluss des Gesellschaftsvertrags bei Gründung oder der Sachkapitalerhöhungsbeschluss ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sein, wenn die Verpflichtung zur Übertragung eines bestimmten Grundstücks sich daraus bereits eindeutig ergibt.394 § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst sowohl die isolierte Einbringung eines oder mehrerer Grundstücke als auch die Einbringung einer Sachgesamtheit (Betrieb oder Teilbetrieb), die Grundstücke umfasst, wenn die Einbringung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgt.395 Von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst sind auch Fälle, in denen bei der Umwandlung von PersGes. aus ertragsteuerlichen Gründen Grundstücke des Sonderbetriebsvermögens durch Einzelrechtsnachfolge neben dem eigentlichen Umwandlungsvorgang übertragen werden müssen.396 Nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fällt die Einbringung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, auch wenn diese für ertragsteuerliche Zwecke ggfs. als transparent behandelt wird (s. zur Einbringung von Anteilen unter Rz. 6.147 ff.).397 Der steuerbare Tatbestand ist jeweils mit notarieller Beurkundung des Einbringungsvertrags verwirklicht.398 Auf den vereinbarten Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten) sowie auf die Eintragung im Grundbuch oder die Eintragung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung im Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft kommt es nicht an. Eine Ausnahme besteht, wenn die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes, d.h. des Einbringungsvertrags, noch unter einer aufschiebenden Bedingung steht oder der Genehmigung bedarf.399 Gem. § 14 GrEStG entsteht die Steuer in diesen Fällen erst mit Bedingungseintritt bzw. im Zeitpunkt der Genehmigung.

390

391 392 393 394 395 396 397 398 399

Verständnis auch bei Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 174; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 40. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28, 36; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 261.1; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 174; Drees in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 68. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28, 36. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 301. Zum Gesellschaftsvertrag s. bei Bartone in Behrens/Wachter2, § 14 GrEStG Rz. 13. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28, 31. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 264 f. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 29. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 269.1.

Tigges-Knümann | 731

6.141

Kap. 6 Rz. 6.142 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.142 Kommt es ausnahmsweise nicht zum Abschluss eines wirksamen schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes, kann durch den Einbringungsvorgang § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erfüllt sein, da es zur dinglichen Umsetzung des Einbringungsvorgangs der Auflassung bedarf, soweit Grundstücke betroffen sind.400 b) Zwischengeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG

6.143 Gegenstand einer Einbringung kann auch ein Anspruch auf Übertragung eines Grundstücks sein. Wie schon zu Grundstücken ausgeführt, kann ein solcher Anspruch einzeln oder als Teil einer Sachgesamtheit eingebracht werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Einbringende bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, aber die Auflassung noch nicht erfolgt ist und der Anspruch aus dem Kaufvertrag im Wege der Einbringung übertragen wird. Der Einbringungsvertrag löst dann einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 1. Alt. GrEStG aus.401 Liegt kein wirksamer Einbringungsvertrag vor, kann ersatzweise § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG eingreifen, der auf die Umsetzung, d.h. auf die Abtretung des Anspruchs abstellt. Gleiches gilt für Einbringungen von Rechten aus Kaufangeboten (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG). 6.144 Zu Zwischengeschäften s. im Detail unter Rz. 2.361 ff. c) Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG

6.145 Neben der zivilrechtlichen Übertragung eines Grundstücks im Wege der Einbringung besteht bei PersGes. zudem die Möglichkeit, Grundstücke quoad sortem, d.h. nur ihrem Wert nach bzw. wirtschaftlich einzubringen. Dabei wird eine schuldrechtliche Verpflichtung des Gesellschafters begründet, das Grundstück der Gesellschaft so zur Verfügung zu stellen, als ob es Gesellschaftsvermögen wäre.402 Regelmäßig wird in solchen Fällen § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt sein, Rz. 2.410.403 6.146 Schließlich ist die Einbringung einer Treugeberstellung bezogen auf ein Grundstück denkbar. Dem Treugeber steht eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG zu, sodass auch dieser Fall unter § 1 Abs. 2 GrEStG fällt.404

400 Zur Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG bei formunwirksamem Verpflichtungsgeschäft: van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 28; zur Formunwirksamkeit bei nicht hinreichender Individualisierung der Grundstücke: Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 33. 401 Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 31; a.A. mglw. Behrens, UVR 2012, 85 (88), der offenbar davon ausgeht, dass durch den Einbringungsvertrag auch ein Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausgelöst wird. 402 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 240; van Lishaut/Schumacher in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 85. 403 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 240 ff.; van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 85; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 81. 404 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 91.

732 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.148 Kap. 6

2. Einbringung von Anteilen a) Grundfälle Die Einbringung von Anteilen an grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. in eine andere Gesellschaft kann zur Verwirklichung der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG führen.405 Dies gilt sowohl bei der isolierten Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft als auch für Fälle, in denen die Anteile Teil einer größeren Sachgesamtheit sind. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Tatbestände § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 sowie Abs. 3a GrEStG verwirklicht sind, kann vollumfänglich auf die Ausführungen in Kapitel 3 verwiesen werden. Der Anteilsübergang aufgrund einer Einbringung wird dabei behandelt wie jede andere Anteilsübertragung. D.h. es kann entweder durch die Einbringung allein ein steuerbarer Tatbestand ausgelöst werden, wenn das eingebrachte Vermögen mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft enthält. Oder die Einbringung führt zusammen mit vorhergehenden oder nachfolgenden Übertragungen zum Überschreiten der Quoten.

6.147

Einbringungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge werden durch Abschluss eines schuldrechtlichen Einbringungsvertrages und anschließende dingliche Übertragung des Einbringungsgegenstandes verwirklicht.406 Teilweise wird unter dem Einbringungsvertrag auch nur die dingliche Erfüllung einer durch Sachkapitalerhöhungsbeschluss und Übernahmeerklärung begründeten Einlageverpflichtung verstanden.407 Auch bei diesem Verständnis wird die Einbringung aber durch schuldrechtliche Verpflichtung (Sachkapitalerhöhungsbeschluss/Übernahmeerklärung) und dingliche Erfüllung (Einbringungsvertrag zur Abtretung) verwirklicht. Einbringungen unterscheiden sich damit bzgl. der Frage der Steuerbarkeit nicht wesentlichen von anderen Anteilsübertragungen (z.B. Verkäufe). Anders als bei Umwandlungen (z.B. Ausgliederungen) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, können bei Einbringungen auch die Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Signing) verwirklicht werden. Erfüllt die Einbringung im Zeitpunkt der dinglichen Übertragung (Closing) auch den Tatbestand des vorrangigen § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG stellt sich die Frage des Verhältnisses zwischen § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b und Abs. 3 GrEStG.408 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich grds. um zwei steuerbare Vorgänge handelt, wobei regelmäßig nur die Steuer nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG festgesetzt werden soll, soweit sich zwischen Signing und

6.148

405 Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 275 f. und 343 ff.; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302 zur Einbringung von Anteilen an KapGes.; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 174. 406 Zum Einbringungsvertrag als schuldrechtliches Geschäft vgl. Hoffmann-Becking in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts Bd. 45, § 4 Rz. 8; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 302; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 174. 407 Klein in Seibt, Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions3, Kapitel F, Anm. 1. Zur Unterscheidung der Formen von Einbringungsverträgen auch Hoffmann-Becking in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts Bd. 45, § 4 Rz. 8. 408 Zum Problem s. Behrens/Klinger, DStR 2021, 2870.

Tigges-Knümann | 733

Kap. 6 Rz. 6.148 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Closing keine Veränderungen im Grundbesitz ergeben.409 Dieses Verständnis kommt nunmehr auch in § 16 Abs. 4a GrEStG zum Ausdruck. Zum damit verbundenen Doppelbesteuerungsrisiko vgl. Rz. 3.325 ff. und 3.654 ff.

6.149 Da §§ 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG mittelbare Anteilserwerbe einbeziehen, kann ein steuerbarer Tatbestand auch dann ausgelöst werden, wenn die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht unmittelbar eingebracht werden, sondern sich auf tieferen Beteiligungsebenen befinden und folglich mittelbar mit eingebracht werden. Zu den Voraussetzungen, die für eine mittelbare Übertragung von Anteilen jeweils unter den einzelnen Tatbeständen erfüllt sein müssen, s. in Kapitel 3. Dieser Umstand führt in der Praxis insbesondere dann zu Steuerrisiken und unentdeckten Grunderwerbsteuerfällen, wenn der Einbringungsvorgang im Ausland stattfindet und erst auf tieferen Beteiligungsebenen deutscher Grundbesitz vorhanden ist.410 S. dazu unter Rz. 6.18. 6.150 Nach Auffassung des BFH kann für § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG eine Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach Maßgabe des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgenommen werden.411 Dabei handelt es sich lt. BFH um eine Form der mittelbaren Beteiligung. Die Finanzverwaltung hat nur die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 2a GrEStG anerkannt und überträgt diese auch auf § 1 Abs. 2b GrEStG.412 Der Beschluss zu § 1 Abs. 3 GrEStG wurde hingegen bislang nicht veröffentlicht. Für die Praxis sollte aber davon auszugehen sein, dass der BFH die wirtschaftliche Zurechnung auch für § 1 Abs. 3, Abs. 3a und den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG annimmt, wenn dies zu einer Ausweitung des Tatbestands führt (Rz. 3.76). Eine mittelbare Beteiligung kraft wirtschaftlichen Eigentums kann insbesondere bei schuldrechtlichen Bindungen (z.B. Treuhandabreden) vorliegen. Wird die das wirtschaftliche Eigentum begründende Rechtsposition durch die Einbringung mit übertragen, kann dadurch ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand ausgelöst werden (s. Rz. 6.1).413

409 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8. 410 Vgl. zu einem Fall im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG BFH v. 9.4.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529; s. auch Behrens, UVR 2014, 149; Sedemund/Fischenich, BB 2008, 536. In der Literatur wird bezogen auf Auslandsumwandlungen immer wieder die Frage nach einem möglichen strukturellen Vollzugsdefizit aufgeworfen, vgl. Pirner/Könemann, IStR 2013, 423; Fumi, DStZ 2015, 432 (436); zur Verschärfung der Problematik durch den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG: Wagner, DB 2018, 1553 (1554 f.). 411 BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57; v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; Beschl. v. 22.1.2019 – II B 98/17, BFH/NV 2019, 412. 412 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.1.2; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 5.1.2. 413 Zum Treugeberwechsel s. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.4.

734 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.153 Kap. 6

Schließlich ist auch in Einbringungsfällen die Anteilsvereinigung in der Hand einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 GrEStG (Rz. 3.848 ff.) möglich.414 Für die Praxis ist diesbezüglich zu beachten, dass die Anteilsvereinigung in der Hand des Organkreises nicht mit einer Anteilsvereinigung in der Hand des Organträgers oder einer abhängigen Gesellschaft gleichgesetzt werden kann. Kommt es durch eine Einbringung also zu einer erstmaligen Vereinigung der Anteile im Organkreis, steht der Steuerbarkeit nicht entgegen, dass bereits zuvor eine Anteilsvereinigung bei einer dem Organkreis angehörenden Gesellschaft vorlag und vice versa.415 S. dazu Rz. 6.19.

6.151

Einbringungen von Anteilen führen zu Beteiligungskettenverlängerungen. Zur Frage der Steuerbarkeit von Beteiligungskettenverlängerungen kann auf Rz. 6.25 verwiesen werden. S. aber auch nachfolgend zu Ketteneinbringungen unter Rz. 6.159.

6.152

b) Einfache und erweiterte Anwachsung Eine einfache Anwachsung liegt vor, wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer PersGes. ausscheidet. Das Vermögen der PersGes. wächst dann dem letztverbleibenden Gesellschafter nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB an.416 Soweit im Vermögen der PersGes. Grundstücke enthalten sind, liegt ein Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor.417 Soweit im Vermögen der PersGes. unmittelbar oder mittelbar Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften enthalten sind, können die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG einschlägig sein. Ggf. scheidet ein steuerbarer Vorgang insoweit nach den Grundsätzen der Beteiligungskettenverkürzung aus (Rz. 6.28 ff.). Durch den letztverbleibenden Gesellschafter wird unmittelbar vor der Anwachsung kein Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht, weil § 1 Abs. 3 GrEStG nach Ansicht der BFH den Fortbestand der vereinigten Anteile voraussetzt.418 Gleiches gilt, wenn alle Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. auf einen Gesellschafter übertragen werden, dem das Vermögen in der Folge anwächst. Auch dieser Vorgang ist nur nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, nicht jedoch nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG steuerbar.419

414 van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 145; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 206 ff. jeweils mit Beispielen. 415 Gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 Tz. 2.3.1, 2.3.4., 2.3.7., 5.2. 416 Winter in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 1 Rz. 577. Hinweis: ab 1.1.2024 regelt § 712a BGB i.d.F. des MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 den Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den verbleibenden Gesellschafter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. 417 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 392, 1111. 418 BFH v. 5.11.2002 – II R 86/00, BFH/NV 2003, 344; v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903 (dort noch: „teleologische Reduktion“). 419 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 763.

Tigges-Knümann | 735

6.153

Kap. 6 Rz. 6.154 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.154 Unter einer erweiterten Anwachsung wird regelmäßig verstanden, dass einer oder mehrere Gesellschafter einer PersGes. ihre Anteile in eine andere Gesellschaft einbringen, der danach das Vermögen der PersGes. anwächst. Idealtypischer Fall ist die Einbringung aller Kommanditanteile in die Komplementär-GmbH.420 Die vorstehend erläuterten grunderwerbsteuerlichen Folgen der einfachen Anwachsung gelten für die erweiterte Anwachsung entsprechend. Der Übergang bzw. die Vereinigung der Anteile als Folge der Einbringung stellt keinen eigenständigen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand dar, da die Anteile in der Folge untergehen.421 Der letztverbleibende Gesellschafter verwirklicht einen Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. 6.155 Zur Anwachsung im Zusammenhang mit den Befreiungen nach § 6 GrEStG s. unter Rz. 2.265 ff. und 3.342 ff. c) Abtretung eines Anteilsübertragungsanspruchs

6.156 Es ist möglich, dass Gegenstand einer Einbringung ein Anspruch auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen ist. In M&A-Transaktionen tritt beispielsweise häufig der Fall auf, dass der Vertrag über den Erwerb der Zielgesellschaft von der Obergesellschaft des Konzerns abgeschlossen wird, die sich vorbehält, bis zum Closing noch eine Erwerber-Gesellschaft zu bestimmen, die die Anteile dann erwerben soll (sog. Benennungsrecht).422 Die Obergesellschaft tritt dann ihren Anspruch aus dem Kaufvertrag an diese Erwerber-Gesellschaft ab. Die Abtretung eines Anspruchs auf den Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Pers- oder KapGes. unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer. Insbesondere kann § 1 Abs. 3 Nr. 3 (oder Nr. 1) GrEStG nicht erfüllt sein, weil kein Anspruch auf Übertragung von Anteilen neu begründet, sondern ein bereits bestehender Anspruch übertragen wird.423 Für die Ergänzungstatbestände enthält das Gesetz keine den § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG entsprechenden Regelungen über Zwischengeschäfte. Der BFH hat ausdrücklich entschieden, dass eine entsprechende Anwendung der § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG auf die Abtretung von Ansprüchen auf Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften jedenfalls im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht möglich ist.424 Dasselbe sollte gelten, wenn die Erwerbergesellschaft in den Vertrag der Obergesellschaft mit dem Verkäufer eintritt, also in Fällen der Vertragsübernahme.425

420 Dremel in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG22, Rz. 11.195. 421 Dremel in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG22, Rz. 11.261. 422 S. dazu Behrens, Ubg 2008, 316. 423 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 424 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 425 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748; Behrens, Ubg 2008, 316.

736 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.158 Kap. 6

Der Vertragsabschluss durch die Obergesellschaft erfüllt – bei Erwerb einer Beteiligung von mindestens 90 % – den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Der dingliche Erwerb der Anteile durch die von der Obergesellschaft bestimmte Erwerbergesellschaft ist nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar, weil ein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist. Es kommt nicht darauf an, dass das schuldrechtliche Geschäft von einem anderen (der Obergesellschaft) abgeschlossen wurde.426 Dasselbe sollte für das Verhältnis von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG gelten.

6.157

Fraglich ist, wie das Zusammenspiel von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG und § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG in solchen Fällen funktioniert. Beim Erwerb eines Anteils von mindestens 90 % dürfte regelmäßig der Tatbestand des § 1 Abs 2a GrEStG (bei Erwerb eines Anteils an einer PersGes.) bzw. § 1 Abs. 2b GrEStG (bei Erwerb eines Anteils an einer KapGes.) im Zeitpunkt der dinglichen Anteilsübertragung erfüllt sein. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt bei Vertragsabschluss ein Fall des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auch dann vor, wenn später § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt werden.427 Die Finanzverwaltung will die Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG aber nicht erheben bzw. den entsprechenden Steuerbescheid aufheben/ändern, wenn der Vertrag erfüllt wird und es damit tatsächlich zu einer Anteilsübertragung und Verwirklichung von § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG kommt.428 Nach § 16 Abs. 4a i.V.m. Abs. 5 GrEStG ist für die Aufhebung der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nach Closing nunmehr ein Antrag erforderlich und beide Vorgänge müssen fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt worden sein. Im Erlass ist nicht geregelt, ob diese Auffassung auch gilt, wenn der Übertragungsanspruch zwischenzeitlich abgetreten wird bzw. eine andere Gesellschaft in den Kaufvertrag eintritt und der dingliche Erwerb folglich durch einen anderen Rechtsträger erfolgt als der Vertragsabschluss. Daraus, dass dort ausschließlich auf die Grundstücksidentität abgestellt wird, könnte aber geschlossen werden, dass eine Auswechslung der Erwerbergesellschaft nicht zu einer Besteuerung sowohl nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG als auch nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG führen soll. Der Steuerschuldner ist ohnehin niemals identisch, sodass es verfahrensrechtlich darauf nicht ankommen kann. Die Argumentation des BFH aus den Urteilen zu § 1 Abs. 3 GrEStG429 lässt sich zwar nicht unmittelbar übertragen, weil diese auf dem Wortlaut der § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG aufbaut. Nach Sinn und Zweck darf es aber

6.158

426 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748. 427 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.1; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821, Tz. 8.1. Diese Auffassung wird in der Literatur mit dem Argument kritisiert, dass schon im Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Geschäfts die spätere Verwirklichung von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG „in Betracht kommt“ und folglich der subsidiär anzuwendende Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht einschlägig sein kann, s. zu dieser Ansicht Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 (1668 f.). 428 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 8.2; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2. 429 BFH v. 12.5.2016 – II R 26/14, BStBl. II 2016, 748.

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Kap. 6 Rz. 6.158 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

auch in Fällen des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG nach der zwischenzeitlichen Abtretung des Anspruchs nicht zu einer doppelten Belastung mit Grunderwerbsteuer kommen. Nichtsdestotrotz ist in solchen Fällen ein Antrag auf verbindliche Auskunft zu empfehlen, um das Risiko einer Doppelbesteuerung auszuschließen. 3. Ketteneinbringungen

6.159 Wird derselbe Einbringungsgegenstand unmittelbar weiter eingebracht (sog. Ketteneinbringung), ist grds. jeder Einbringungsvorgang für sich zu beurteilen und kann Grunderwerbsteuer auslösen.430 Es wird nicht möglich sein, eine Grundstückübertragung nur vom ersten auf den letzten Rechtsträger anzunehmen. Ausnahmen von der Besteuerung kommen – neben etwaigen Steuerbefreiungen, s. Rz. 6.171 ff. – nur nach § 1 Abs. 6 GrEStG in Betracht. Gem. § 1 Abs. 6 GrEStG unterliegt ein in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang auch dann der Steuer, wenn ihm ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist. Die Steuer für den späteren Rechtsvorgang wird aber nur insoweit erhoben, als die Bemessungsgrundlage die Bemessungsgrundlage für den früheren Rechtsvorgang übersteigt, § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG. Diese sog. Anrechnung der Bemessungsgrundlage setzt voraus, dass beide Rechtsvorgänge durch denselben Erwerber verwirklicht werden (Erwerberidentität)431 und dieselben Grundstücke betreffen.432 Regelmäßig wird § 1 Abs. 6 EStG bei Ketteneinbringungen von Grundstücken oder Anteilen daher nicht anwendbar sein, weil die Erwerberidentität nicht besteht und zudem auch mehrmals derselbe Absatz von § 1 GrEStG verwirklicht wird. 6.160 Im Hinblick auf die Verwirklichung der Ergänzungstatbestände durch Kettenumwandlungen könnte sich allerdings durch die neue BFH-Rechtsprechung zur Grundstückszuordnung eine Entlastung ergeben (s. auch Rz. 3.34 ff.). Der BFH hatte zu § 1 Abs. 2a GrEStG entschieden, dass ein Grundstück nur dann zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“, wenn es ihr aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallen-

430 Vgl. zum allgemeinen Grundsatz der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer, jeden Rechtsvorgang unabhängig vom vorausgegangenen Rechtsvorgang als in sich abgeschlossenen Steuerfall zu besteuern, der Ausdruck u.a. in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG findet: Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1029; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 531; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1366. 431 Das FG Sachsen (v. 9.7.2020, 6 K 931/18, EFG 2021, 969) hat sich in einem Fall, in dem vereinfacht zunächst ein Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG durch eine GmbH und anschließend ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch Übertragung der GmbH-Anteile auf eine weitere GmbH, an der dieselben Gesellschafter beteiligt waren, erfolgte, gegen eine streng rechtsträgerbezogene Erwerberidentität ausgesprochen und die Anwendung von § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG bejaht, weil nach einer wirtschaftlicher Betrachtungsweise die an den Erwerbsvorgängen über das nämliche Grundstück beteiligten Personen nicht voneinander verschieden seien. Der BFH musste die Frage im Revisionsverfahren nicht beantworten (Urt. v. 16.3.2022 – II R 24/20, BFH/NV 2022, 1196). 432 Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 1029; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1371.

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B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.161 Kap. 6

den und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Umgekehrt soll ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen einer Gesellschaft „gehören“, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG war.433 Dieselben Grundsätze dürften auch für § 1 Abs. 2b und Abs. 3 sowie 3a GrEStG, d.h. für Zwecke aller Ergänzungstatbestände, die auf Grundstücke im Vermögen einer Gesellschaft abstellen, gelten.434 Noch unklar ist, wie weit diese Zuordnungsgrundsätze reichen. In einer neueren Entscheidung zur Anwendung von § 1 Abs. 3 GrEStG differenziert der BFH zwischen der Zurechnung nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG unmittelbar bei der grundbesitzenden Gesellschaft und der Zurechnung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG auf höheren Ebenen.435 Dies könnte so zu verstehen sein, dass die Zurechnung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG neben die Zurechnung nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG tritt. Beispiel 25: Die A GmbH ist zu 100 % an der B GmbH beteiligt, die wiederum zu 100 % an der C GmbH beteiligt ist. Vor Jahren hat die A GmbH gemeinsam mit der Z GmbH – einem fremden Dritten – die D GmbH gegründet und ist seitdem zu 50 % an ihr beteiligt. Die D GmbH ist Eigentümerin eines Grundstücks. Die A GmbH und die Z GmbH wollen ihre Zusammenarbeit nunmehr beenden und die A GmbH will Alleingesellschafterin der D GmbH werden. In einem ersten Schritt veräußert daher die Z GmbH ihren 50 % Anteil an der D GmbH an die A GmbH. Aus konzernstrukturellen Gründen möchte die A GmbH, dass die D GmbH unterhalb der C GmbH hängt. Daher bringt sie die Beteiligung zunächst in die B GmbH ein (Schritt 2), die die Beteiligung wiederum in die C GmbH einbringt (Schritt 3).436

433 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 23 f. 434 Zu § 1 Abs. 3 GrEStG s. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; zur Vergleichbarkeit der Ergänzungstatbestände aufgrund des identischen Wortlautes und der systematischen Stellung s. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 22. So nun auch ausdrücklich: BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. 435 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. Der BFH stellt dort auch klar, dass entgegen des Wortlautes in den bisherigen zur Zurechnung ergangenen Urteilen keine Zurechnung aufgrund eines Vorgangs nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG möglich ist. 436 Diese stufenweise Einbringung kann u.a. ertragsteuerlich motiviert sein, um eine Aufdeckung der stillen Reserven in dem seit Gründung der A GmbH gehörenden 50 % Anteil zu verhindern.

Tigges-Knümann | 739

6.161

Kap. 6 Rz. 6.161 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Schritt 1

A GmbH

Veräußerung

Z GmbH

100 % 50 % 100 %

B GmbH

50 % 0%

100 % D GmbH

C GmbH

Schritt 2

Schritt 3

A GmbH 100 %

A GmbH

Einbringung

B GmbH 100 %

100 %

B GmbH 100 %

100 % Einbringung

C GmbH

D GmbH

C GmbH 100 % D GmbH

Abb. 26

740 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.164 Kap. 6 Durch den Erwerb des 50 % Anteils an der D GmbH von der Z GmbH verwirklicht die A GmbH eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Es liegt kein Fall des § 1 Abs. 2b GrEStG vor, da nur 50 % übertragen werden und die A GmbH zudem Altgesellschafterin (Gründungsgesellschafterin) ist. Nach der BFH Rechtsprechung437 ist das Grundstück für Zwecke der Ergänzungstatbestände nunmehr der A GmbH zuzurechnen, da sie den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht hat. Auf Grundlage des Urteils II R 44/18438 könnte daraus folgen, dass das Grundstück der D GmbH für Zwecke der Ergänzungstatbestände nicht mehr zuzurechnen ist. Dann würde durch die nachfolgenden Einbringungen der vereinigten Anteile nicht mehr der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG oder § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG erfüllt werden, da zwar min. 90 % der Anteile an der D GmbH von A GmbH auf B GmbH und weiter auf C GmbH übergehen und sich der Gesellschafterbestand der D GmbH jeweils zu mehr als 90 % ändert, aber zum Vermögen der Gesellschaft (D GmbH) kein Grundstück gehört. Die Urteilsbegründung von II R 40/20439 könnte dagegen so zu verstehen sein, dass die Zurechnung nach § 1 Abs. 1 GrEStG zur D GmbH unverändert bestehen bleibt und daher in Schritt 2 und 3 jeweils der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird.

Die erstgenannte Auslegung, die im Beispiel zu einer Nichtbesteuerung von Schritt 2 und Schritt 3 führt, erscheint jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem es auch nach den Einbringungen bei einer (mittelbaren) Beteiligung der A GmbH an der D GmbH von mehr als 90 % bleibt, auch sachgerecht. Denn i.Erg. hat weiterhin die A GmbH als Obergesellschaft die Herrschaftsmacht über das Grundstück. Rechtssicher ist diese Auslegung indes nicht. Für eine Besteuerung und damit für die letztgenannte Auslegung könnte mglw. sprechen, dass erstmals (auch) die C-GmbH die Herrschaftsmacht über das (weiterhin im zivilrechtlichen Eigentum der D-GmbH stehende) Grundstück erlangt.

6.162

Anders dürften allerdings Fälle zu beurteilen sein, in denen die Anteile nach Verwirklichung eines Tatbestands i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG auf einen Dritten übertragen werden, sodass die bisherige Grundstückszuordnung aufgrund der Beteiligungsquote nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH seine Rechtsprechung zu Grundstückszuordnung in weiteren Urteilen fortentwickeln kann und wie die Finanzverwaltung die Rechtsprechung zukünftig anwendet. Bisher wurde weder das Urteil II R 44/18 noch das Urteil II R 40/20 im BStBl. veröffentlicht. Es empfiehlt sich, in Zweifelsfällen zu versuchen, eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts zu erlangen.

6.163

4. Ausbringung von Grundstücken oder Anteilen Die Übertragung von Grundstücken von der Gesellschaft auf ihren Gesellschafter gegen Verminderung der Beteiligung ist – spiegelbildlich zur Einlage – nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar, da über die „Ausbringung“ im Wege der Einzelrechtsnachfolge ein Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter geschlossen wird. Dies gilt auch für die Liquidation einer PersGes. oder KapGes., bei der Grundstücke 437 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 22; v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700. 438 BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375. 439 BFH v. 14.12.2022 – II R 40/20, DStR 2023, 700.

Tigges-Knümann | 741

6.164

Kap. 6 Rz. 6.164 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

auf die Gesellschafter übertragen werden.440 Besonders relevant dürfte in diesem Zusammenhang die Realteilung einer PersGes. sein (s. dazu und zu möglichen Befreiungen nach §§ 5–7 GrEStG Rz. 2.180 f. und 2.445).441 Das tatbestandsauslösende Rechtsgeschäft ist der Auseinandersetzungsvertrag.442 Die Liquidation ist damit spiegelbildlich zur Sachgründung zu behandeln.

6.165 Bei Gründung von KapGes. kann der Fall eintreten, dass eine Vorgesellschaft bereits über Grundvermögen verfügt, aber ihre Eintragung scheitert, sodass keine KapGes. entsteht. In diesem Fall geht das Vermögen auf die Gründer über und bezogen auf etwaiges Grundvermögen liegt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor.443 Wurde das Grundstück zuvor vom Gründer eingebracht, kann ein Fall des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG (Rückerwerb) vorliegen (dazu Rz. 7.86 ff.).444 6.166 Werden in den vorstehend genannten Fällen an Stelle von Grundstücken Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen, sind die Ergänzungstatbestände zu prüfen. Die Ausbringung von Anteilen führt zu Beteiligungskettenverkürzungen. Zur Frage der Steuerbarkeit von Beteiligungskettenverkürzungen kann auf Rz. 6.28 ff. verwiesen werden. Soweit der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG oder § 1 Abs. 2b GrEStG in Betracht kommt, wird nach Ansicht der Finanzverwaltung durch Vertragsabschluss zunächst § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG erfüllt (s. zum Problem Rz. 3.325 ff. und 3.654 ff.). 5. Anteilsverschiebungen bei der aufnehmenden oder ausbringenden Gesellschaft

6.167 Kommt es aufgrund einer Einbringung zur Ausgabe neuer Anteile durch die übernehmende Gesellschaft und verfügt diese Gesellschaft bereits vor der Einbringung über Grundbesitz, so ist dies als relevanter Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG zu berücksichtigen.445 Dieser Fall kann z.B. bei Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Personen- oder KapGes. gegen Einlage vorkommen. Es ist auch denkbar, dass eine durch die Einbringung ausgelöste Veränderung in den Beteiligungsquoten an der übernehmenden Gesellschaft zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder zu einer erstmaligen wirtschaftlichen Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG) führt.446 Dies gilt auch bei einer bloßen Verschiebung der Beteiligungsquoten zwischen Altgesellschaftern, die für § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht tatbestandsmäßig ist. Solche Fälle sind zum Beispiel bei disquotalen Einlagen denkbar. Die Rechtsfolgen können auch eintreten, wenn eine Einbringung

Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 304. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 387. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 287; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 40. BFH v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 263; ausführlich zur Vorgesellschaft Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 38 ff. 445 Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 336; Keuthen in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/ UmwStG9, Kap. E Rz, 125, 131. 446 Keuthen in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG9, Kap. E Rz, 125, 131.

440 441 442 443 444

742 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.170 Kap. 6

nicht unmittelbar in eine grundbesitzende Gesellschaft erfolgt, aber sich durch die Einbringung die mittelbaren Beteiligungsquoten an einer Tochter-, Enkel- oder noch tiefer aufgehängten Gesellschaft mit Grundbesitz ergibt.447 II. Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Einbringungen Die Bemessungsgrundlage bei der Einbringung von Grundstücken, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen, ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG der Grundbesitzwert i.S.d. § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG. Es spielt für die Grunderwerbsteuer damit keine Rolle, in welchem Umfang neue Anteile gewährt oder Buchungen auf Kapitalkonten vorgenommen werden. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG gilt auch für die „Ausbringung“ von Grundstücken, d.h. die Übertragung von der Gesellschaft auf den Gesellschafter gegen Minderung von Gesellschaftsrechten, da § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erfasst.448 Dazu gehören auch die Auflösung einer KapGes., die Realteilung einer PersGes. sowie Fälle der Anwachsung.449 Für steuerbare Vorgänge nach § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG gilt unabhängig vom auslösenden Rechtsvorgang ohnehin stets der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage, § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG kann bei Einbringung von Betrieben oder Teilbetrieben in KapGes. Anwendung finden, für die das Wahlrecht zur Rückbeziehung nach § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG ausgeübt wird. Vgl. zu § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG unter Rz. 6.43 f.

6.168

Im Übrigen zur Bemessungsgrundlage Kapitel 8.

6.169

III. Befreiung nach § 6a GrEStG 1. Grundaussage § 6a GrEStG galt in seiner ersten Fassung seit dem 1.1.2010 nur für Umwandlungen.450 Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage wurden erst durch Gesetz vom 26.6.2013 mit Wirkung für Erwerbsvorgänge nach dem 6.6.2013 (§ 26 Abs. 11 GrEStG) als begünstigter Tatbestand aufgenommen.451 Durch Gesetz vom 25.7.2014452 wurden einige rückwirkende, da lt. Gesetzgeber klarstellende, Anpassungen des Wortlautes vorgenommen, sodass Ein-

447 Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 336.1 zu § 1 Abs. 2a GrEStG. 448 BFH v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295; Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 42 f.; Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 81. 449 Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 42 f.; Pahlke7, § 8 GrEStG Rz. 82 f. 450 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 451 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809, Art. 26. 452 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266.

Tigges-Knümann | 743

6.170

Kap. 6 Rz. 6.170 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

bringungen seit dem auch in § 6a Satz 2 und Satz 3 GrEStG folgerichtig berücksichtigt werden.453

6.171 Die Ausführungen unter Rz. 6.46 ff. gelten entsprechend. 2. Voraussetzungen a) Begünstigte Tatbestände aa) Einbringungen und sonstige Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage

6.172 Gem. § 6a Satz 1 2. Halbs. GrEStG erfasst § 6a GrEStG steuerbare Rechtsvorgänge aufgrund einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Die Finanzverwaltung zählt im Erlass beispielhaft die folgenden Vorgänge auf: die Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung (§ 27 AktG oder § 5 Abs. 4 GmbHG) oder der Beitragspflicht (§ 706 BGB) sowie Rechtsvorgänge, durch die Vermögen von einer Gesellschaft auf einen Gesellschafter gegen Aufgabe oder Verringerung seiner Beteiligung übergehen, z.B. durch Sachkapitalherabsetzung, Verminderung der Beteiligungsquote, Liquidation der Gesellschaft und „auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruhende Anwachsungen.“454 Dies deckt sich weitestgehend mit dem Verständnis in der Literatur.455 Es sollte im Wesentlichen darauf ankommen, dass sich die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters verändert.456 Im Hinblick auf die Anwachsung dürfte davon auszugehen sein, dass eine Anwachsung nicht auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruht, wenn die Anwachsung Folge des Erwerbs aller Anteile durch einen zuvor nicht als Gesellschafter beteiligten Dritten ist.457 6.173 Die Aufzählung im Erlass ist nicht abschließend („u.a.“). Neben den genannten Sacheinlageverpflichtungen bei Gründung (§ 27 AktG oder § 5 Abs. 4 GmbHG) sowie der Beitragspflicht nach § 706 BGB sollte insbesondere auch die Sacheinlage im Zuge einer Kapitalerhöhung (§ 138 AktG, § 56 GmbHG)458 sowie die Einlage in eine PersGes. gegen Verbuchung auf dem die Gesellschaftsrechte vermittelnden Kapital-

453 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 28; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 34. 454 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 2.3. 455 Hofmann11, § 8 GrEStG Rz. 42 f.; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 45; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 39 f.; mit weiteren Beispielsfällen: Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 17. 456 BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 669 zum wortlautidentischen § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 29 mit Verweis auf § 8 GrEStG Rz. 42; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 45 mit Verweis auf § 8 GrEStG Rz. 82. Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 32 differenziert zusätzlich zwischen gesellschaftsvertraglichen und rechtlichen Gründen (Ausscheiden nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 4 HGB), wobei letztere keine Befreiung nach § 6a GrEStG ermöglichen sollen. 457 Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 29 mit Verweis auf § 8 GrEStG Rz. 44; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 45 mit Verweis auf § 8 GrEStG Rz. 84; Brühl, GmbHR 2021, 126 (129) jeweils mit Verweis auf BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903. 458 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 17; Wischott/Graessner, NWB 2013, 3460 (3461).

744 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.175 Kap. 6

konto459 (regelmäßig Kapitalkonto I) erfasst sein. Letzteres muss auch dann gelten, wenn sich die Beteiligungsquote im Ergebnis nicht verändert, weil der Gesellschafter bereits zu 100 % beteiligt ist oder die anderen Gesellschafter wertäquivalente Einlagen erbringen.460 Nicht ausreichend dürften dagegen Einlagen unter Verbuchung in der Kapitalrücklage oder gesamthänderisch gebundenen Rücklage sein, da die gesellschaftsrechtliche Beteiligung dadurch nicht beeinflusst wird.461 M.E. ist § 6a GrEStG auch einschlägig, wenn durch die Einbringung oder den sonstigen Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage zwar keine Grundstücke oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen werden, aber die betroffene Gesellschaft selbst Grundbesitz hält und sich durch den Vorgang die Beteiligungsquoten in tatbestandsrelevanter Höhe ändern, sodass § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erfüllt wird (zu möglichen Konstellationen Rz. 6.167).

6.174

Beispiel 26: An der grundbesitzenden G GmbH sind die A GmbH zu 80 % und die B GmbH zu 20 % beteiligt. Alle Anteile an A GmbH und B GmbH werden von der wirtschaftlich tätigen C gehalten. Die Struktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Die A GmbH soll einen Teilbetrieb (ohne Grundstücke) in die G GmbH einbringen. Die Gesellschafter der G GmbH beschließen eine (Sach-)Kapitalerhöhung und die A GmbH schließt die Übernahmevereinbarung mit der G GmbH. Nach Erbringung der Sacheinlage und Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister beträgt der Anteil der A GmbH am Stammkapital 90 % und der Anteil des B am Stammkapital 10 %.

6.175

Vorher

Nachher C

100 % A GmbH Einbrin80 % gung G GmbH

C 100 %

B GmbH

20 %

100 % A GmbH 80 % 90 %

100 %

B GmbH

20 % 10 %

G GmbH

Abb. 27 459 Wischott/Graessner, NWB 2013, 3460 (3461). 460 Insoweit unklar bei Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 17, die auf „eine höhere Beteiligungsquote am Vermögen der Gesamthand“ abstellt. 461 So wohl auch Karla/Figatowski, Ubg 2014, 439.

Tigges-Knümann | 745

Kap. 6 Rz. 6.175 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Durch Abschluss der Übernahmevereinbarung verwirklicht die A GmbH bezogen auf die G KG eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.462 Dafür ist es unerheblich, dass vor und nach der Einbringung 100 % der Anteile an G GmbH mittelbar bei C vereinigt sind. Die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG beruht auf einer Einbringung, sodass ein nach § 6a Satz 1 GrEStG begünstigter Vorgang gegeben ist. Beteiligte sind A GmbH und G GmbH, die beide von C i.S.d. § 6a Satz 3 und 4 GrEStG abhängig sind (Beteiligung des C jeweils 100 %, mittelbare Beteiligung an G GmbH reicht aus). Unter der Voraussetzung, dass C als herrschendes Unternehmen die fünfjährige Nachbehaltensfrist bezogen auf die Beteiligungen an A GmbH und G GmbH einhält, wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Der Fall sollte ebenso zu lösen sein, wenn die Einzahlung auf die Kapitalerhöhung nicht durch eine Sach- sondern durch eine Bareinlage geleistet wird, da auch dann eine Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage gegeben ist.

6.176 Da § 6a GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht anwendbar ist (dazu Rz. 6.178), sind vom Anwendungsbereich insbesondere umfasst463: – Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften, die zur Verwirklichung der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG führen (Rz. 6.147 ff.); – Änderungen der Beteiligungsquoten an der übernehmenden (Einbringung) oder übertragenden (anderer Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage) grundbesitzenden Gesellschaft durch Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung oder die Veränderung der Kapitalkonten, die zur Verwirklichung der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG führen (Rz. 6.167); – die Übertragung der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück (§ 1 Abs. 2 GrEStG) (Rz. 6.156 ff.); – die Anwachsung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) (Rz. 6.153 f.); wenn die Übertragung bzw. Veränderung der Beteiligungsquoten aufgrund eines vorstehend erläuterten Vorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erfolgt.

6.177 Gem. § 6a Satz 2 GrEStG sind auch Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage auf Grund des Rechts eines Mitgliedstaates der EU bzw. des EWR begünstigt.464 Nach h.M. muss es sich um eine „entsprechende“ Einbringung bzw. einen „entsprechenden“ Vorgang handeln.465 Für die Vergleichbarkeit mit inländischen Einbringungen oder Vorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sollte es darauf ankommen, dass es zu einer rechtlichen Veränderung der Gesellschafterstellung kommt, wobei die Gewährung neuer Anteile nicht Voraussetzung sein soll.466 Unklar ist die Abgrenzung zwischen einer Einbringung oder einem 462 Zur Übernahmevereinbarung als Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG s. BFH v. 12.2.2014 – II R 46/12, BStBl. II 2014, 536; Strahl, RNotZ 2021, 61 (74). 463 S. auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 39 f. 464 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.3. 465 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 44; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 28; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 49; Karla/Figatowski, Ubg 2014, 439. Der Ländererlass äußert sich dazu nicht (gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 2.3). 466 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 28; Graessner/Franzen, Ubg 2016, 1.

746 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.179 Kap. 6

sonstigen Vorgang nach EU-/EWR-Recht und einem Vorgang nach dem Recht eines Drittstaates.467 In der Literatur wird vertreten, dass es ausreichend sei, wenn entweder der einbringende Gesellschafter oder die aufnehmende Gesellschaft (bzw. vice versa die übertragende Gesellschaft oder der übernehmende Gesellschafter) in einem EU-/EWR-Staat ansässig ist.468 Die Finanzverwaltung äußert sich zu dieser Frage nicht. Bei Beteiligung von Drittstaatengesellschaften ist daher die Absicherung mittels verbindlicher Auskunft zu erwägen. bb) Keine Anwendung auf Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist dem Wortlaut nach insoweit eingeschränkt, als Vorgänge nach § 1 Abs. 1 GrEStG mit Ausnahme des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht erfasst werden. Da sowohl Einbringungen als auch sonstige Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage – mit Ausnahme der Anwachsung – im Wege der Einzelrechtsnachfolge verwirklicht werden, ist bei Vorgängen, die unmittelbar Grundstücke als Übertragungsgegenstand betreffen, § 6a GrEStG regelmäßig nicht anwendbar, weil die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eintritt.469 Ebenfalls nicht begünstigt sind Tatbestände nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG470 sowie Zwischengeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG471, auch wenn sie aufgrund eines Vorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage verwirklicht werden.

6.178

In der Literatur wurde zur Fassung des § 6a GrEStG vor den Korrekturen durch das Gesetz vom 26.6.2013472 vertreten, dass Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage unabhängig davon begünstigt seien, nach welche Regelung des § 1 GrEStG die Steuerbarkeit eintrat.473 Diese Auslegung dürfte seit der Neufassung angesichts des nunmehr eindeutigen Wortlautes nicht mehr vertreten werden können.474 Auch der BFH hat ausdrücklich entschieden, dass § 6a GrEStG auf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgänge keine Anwendung findet.475 Die in der Literatur zutreffend weiterhin geforderte Einbeziehung von Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in den Anwendungsbereich des § 6a

6.179

467 Ausführlich zum Problem Graessner/Franzen, Ubg 2016, 1. 468 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 28; Graessner/Franzen, Ubg 2016, 1; Karla/Figatowski, Ubg 2014, 439. 469 So ausdrücklich für Einbringungen gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 2.3; s. auch Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 39, 40. Zur Kritik daran, dass dies eine Vielzahl von Reorganisationsformen betrifft, die nicht begünstigt werden, Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1035); ebenfalls mit Hinweis auf den schmalen Anwendungsbereich: Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 30. 470 Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034). 471 Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 30. 472 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809, Art. 26. 473 Stangl/Aichberger, DB 2013, 2762; s. auch Nachweise bei Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 18; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 35. 474 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 18; Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 37. 475 BFH v. 22.11.2018 – II B 8/18, BStBl. II 2020, 153.

Tigges-Knümann | 747

Kap. 6 Rz. 6.179 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

GrEStG476, kann damit wohl nicht im Wege der Auslegung, sondern nur durch eine Gesetzesänderung umgesetzt werden.477

6.180 Im Status Quo kann der Steuerpflichtige, um auch bei Grundstücksübertragungen in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG zu kommen, anstelle der Einzelrechtsnachfolge eine Umwandlung wählen, z.B. Ausgliederung statt Einbringung; upstreamAbspaltung statt „Ausbringung“;478 Verschmelzung statt Liquidation. Ebenfalls von § 6a GrEStG erfasst ist eine Einbringung der Grundstücke nur „quoad sortem“, sodass § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt wird (Rz. 6.145).479 Alternativ kann er das Grundstück konzernintern zu einem niedrigen Kaufpreis veräußern480, um die Grunderwerbsteuerbelastung zu senken (Rz. 6.53), wobei die ertragsteuerlichen Folgen zu beachten sind. Denkbar ist auch, dass Befreiungen nach den §§ 5 und 6 GrEStG genutzt werden können, wenn die Grundstücksübertragung auf oder von einer PersGes. getätigt wird (Rz. 6.194 ff.). cc) Keine Anwendung auf Anteilsübertragungen an Schwestergesellschaften oder sonstige Konzerngesellschaften

6.181 Anders als Umwandlungen, die auch seitwärts erfolgen können, sind Anteilsübertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge nur unmittelbar zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft nach § 6a GrEStG begünstigt. Anteilsübertragungen zwischen Schwestergesellschaften fallen – selbst wenn sie unentgeltlich erfolgen – nicht unter § 6a GrEStG, da sie keine gesellschaftsvertragliche Grundlage haben.481 Der Sachverhalt kann aber als zweistufiger Vorgang gestaltet werden, bei dem die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft zunächst von der einen Gesellschaft gegen Minderung der Beteiligung auf den Gesellschafter und von diesem als Einlage gegen Erhöhung der Beteiligung auf die Schwestergesellschaft übertragen werden. Auch die Übertragung über mehrere Beteiligungsstufen muss, um die Begünstigung nach § 6a GrEStG zu erlangen, zwingend durch die Kette erfolgen. Problematisch ist in solchen Fällen, dass mehrere grunderwerbsteuerbare Vorgänge ausgelöst werden können, für die die Nachbehaltensfristen zu beachten sind. Es ist daher in der Praxis abzuwägen, ob es angesichts des Risikos einer ggf. mehrfachen Nacherhebung von Grunderwerbsteuer bei Verstoß gegen die Sperrfrist sinnvoller ist, die einfache Grunderwerbsteuer aus einer direkten Übertragung in Kauf zu nehmen. Bei Betei-

476 S. z.B. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034 ff.). 477 Mglw. a.A. Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029 (1034), die eine erweiternde Auslegung von § 6a GrEStG unter Sachgerechtigkeitsgesichtspunkten für erforderlich halten. 478 Zu Ausgliederung und Abspaltung s. Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 18. 479 Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 18; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 31. 480 Die Wahl eines Kaufpreises unter dem Verkehrswert steht der Zugrundelegung dieses Kaufpreises für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht entgegen, solange der Kaufpreis nicht lediglich in symbolischer Höhe vereinbart wird, s. z.B. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 2.11.2010 – II B 61/10, BFH/NV 2011, 307; vgl. hierzu auch Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 208 f. 481 BFH v. 16.2.2011 – II R 48/08, BStBl. II 2012, 295.

748 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.183 Kap. 6

ligung von PersGes. können in bestimmten Konstellationen die Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG Anwendung finden (Rz. 6.194). Für Grundstücksübertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist § 6a GrEStG ohnehin regelmäßig nicht einschlägig, da ein Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Hier kann bei konzerninternen Sachverhalten die Veräußerung zu einem niedrigen Kaufpreis in Betracht gezogen werden, um die Belastung mit Grunderwerbsteuer zu reduzieren (Rz. 6.5).482 Dabei sind allerdings die ertragsteuerlichen Folgen zu bedenken. Alternativ kann bei Übertragungen zwischen Schwester-Personengesellschaft die Befreiung nach § 6 GrEStG in Betracht kommen (Rz. 6.194).

6.182

dd) Tabellarische Übersicht Die folgende Tabelle soll einen Überblick geben, bei welchen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgängen § 6a GrEStG abhängig davon, durch welchen Umwandlungsoder Einbringungsvorgang sie ausgelöst werden, anwendbar ist. § 1 (1) § 1 (1) § 1 (1) § 1 (1) § 1 (2) § 1 (2a)/ § 1 (3) § 1 (3) § 1 (3a) Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 5–7 (2b) Nr. 1/3 Nr. 2/4 umwandlungsbedingte Übertragung von Grundstücken

§ 6a (+)

umwandlungsbedingte Übertragung der Verwertungsbefugnis umwandlungsbedingte Übertragung von Anteilen umwandlungsbedingte Anteilsverschiebungen bei übertragendem/übernehmendem Rechtsträger

§ 6a (+)

§ 6a (+)483

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)

482 Die Wahl eines Kaufpreises unter dem Verkehrswert steht der Zugrundelegung dieses Kaufpreises für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht entgegen, solange der Kaufpreis nicht lediglich in symbolischer Höhe vereinbart wird, s. z.B. BFH v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268; v. 2.11.2010 – II B 61/10, BFH/NV 2011, 307; vgl. hierzu auch Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 208 f. 483 § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ist erfüllt, wenn es in Folge der umwandlungsbedingten Übertragung von Anteilen zu einer Anwachsung kommt.

Tigges-Knümann | 749

6.183

Kap. 6 Rz. 6.183 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen § 1 (1) § 1 (1) § 1 (1) § 1 (1) § 1 (2) § 1 (2a)/ § 1 (3) § 1 (3) § 1 (3a) Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 5–7 (2b) Nr. 1/3 Nr. 2/4 Einbringung/ Ausbringung von Grundstücken

§ 6a (-)

§ 6a (-)484

§ 6a (-)

Einbringung eines Übereignungsanspruchs Einbringung quoad sortem/ Einbringung Verwertungsbefugnis Einbringung/ Ausbringung von Anteilen Verschiebung von Beteiligungsquoten bei übernehmender/übertragender Gesellschaft

§ 6a (+)

§ 6a (+)485

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)486

§ 6a (+)

§ 6a (+)

§ 6a (+)487

§ 6a (+)488

§ 6a (+)

484 Hierbei handelt es sich um einen Ausnahmefall, der nur eintreten dürfte, wenn das Verpflichtungsgeschäft bezogen auf die Grundstücke/Anteile nicht wirksam abgeschlossen, aber dinglich durch Auflassung/Abtretung erfüllt wird. 485 § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ist erfüllt, wenn es in Folge der Übertragung von Anteilen durch Einbringung/anderen Vorgang aus gesellschaftsvertraglicher Grundlage zu einer Anwachsung kommt. 486 Hierbei handelt es sich um einen Ausnahmefall, der nur eintreten dürfte, wenn das Verpflichtungsgeschäft bezogen auf die Grundstücke/Anteile nicht wirksam abgeschlossen, aber dinglich durch Auflassung/Abtretung erfüllt wird. 487 Regelmäßig dürfte ein schuldrechtliches Geschäft vorliegen, s. z.B. zur Übernahmeerklärung/-vereinbarung bei Einbringung: Strahl, RNotZ 2021, 61 (74). 488 Fehlendes schuldrechtliches Geschäft ist denkbar bei Einziehung von Anteilen eines Mitgesellschafters, bei Ausscheiden eines Mitgesellschafters aus einer PersGes. (Strahl, RNotZ 2021, 61 (74)) oder wenn das schuldrechtliche Geschäft nicht wirksam abgeschlossen, aber dinglich erfüllt wird.

750 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.187 Kap. 6

b) Beteiligte am Rechtsvorgang Für einen begünstigungsfähigen Rechtsvorgang auf Grund einer Einbringung (Rz. 6.172 ff.) wird die Steuer nur dann gem. § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Um diese Voraussetzung im Detail zu prüfen, sind zunächst die am Rechtsvorgang beteiligten Rechtsträger zu bestimmen.

6.184

Nach h.M. ist auf die an der Einbringung oder dem anderen Vorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beteiligten Rechtsträger abzustellen.489 Dies sind die Rechtsträger, die im Rahmen des Einbringungsvorgangs Vermögen übertragen oder übernehmen, d.h. die Vertragspartner der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung.490 Es soll dagegen nicht darauf ankommen, welcher Rechtsträger das Grundstück hält bzw. bei welchem Rechtsträger der grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgang verwirklicht wird.491 Nicht beteiligt sind insbesondere Gesellschaften, deren Anteile im Rahmen der Einbringung übertragen werden. Sie sind nur Gegenstand, aber nicht Beteiligte des Einbringungsvorgangs.492 Auch die Anteilseigner der übernehmenden und der übertragenden Rechtsträger sind nicht am Einbringungsvorgang beteiligt. Ihnen kann aber ggf. als herrschendes Unternehmen Bedeutung zukommen (Rz. 6.185).

6.185

c) Herrschendes Unternehmen Die Ausführungen unter Rz. 6.59 ff. gelten für begünstigte Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage entsprechend.

6.186

d) Abhängige Gesellschaft Die Ausführungen unter Rz. 6.79 ff. gelten für Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage entsprechend.

489 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; dies dürfte auch die Auffassung der Finanzverwaltung sein: gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3 und 3.2.2.2. 490 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 72; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 29; Stenert, Ubg 2022, 31 (32). 491 Zur beteiligungs-, nicht grundstücksbezogenen Betrachtungsweise des § 6a GrEStG s. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 1; BFH v. 22.8.2019 – II R 17/19 (II R 58/14), BStBl. II 2020, 348. 492 So ausdrücklich gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.2; Stenert, Ubg 2022, 31 (32).

Tigges-Knümann | 751

6.187

Kap. 6 Rz. 6.188 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

e) Vor- und Nachbehaltensfrist aa) Grundregelung

6.188 Die Ausführungen unter Rz. 6.88 ff. gelten für Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage entsprechend. 6.189 Im Hinblick auf die Fristberechnung ist danach zu differenzieren, welcher Tatbestand durch die Einbringungen oder einen anderen Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage verwirklicht wird.493 In Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG kommt es auf den Abschluss des Einbringungsvertrags an, der regelmäßig der notariellen Beurkundung bedarf. Liegen hingegen begünstigte Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 GrEStG vor, ist auf die dingliche Erfüllung, d.h. auf die wirksame Übertragung der Anteile494 oder den Übergang der Verwertungsbefugnis abzustellen. bb) Unschädliche Nichteinhaltung der Fristen in bestimmten Fällen

6.190 Die BFH-Urteile zur Nichteinhaltung der Fristen in bestimmten Fällen495 beziehen sich ausschließlich auf Umwandlungsfälle im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Fälle zu Vor- und Nachbehaltensfristen bei Einbringungen und weiteren Vorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage wurde durch die Rechtsprechung soweit ersichtlich bislang nicht entschieden. Fraglich ist, ob sich die Argumentation des BFH auf Fälle der Einzelrechtsnachfolge übertragen lässt. Denkbar ist dies bei einer Sachgründung (also einer „Einbringung zur Neugründung“), bei der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft eingebracht werden und dadurch ein Ergänzungstatbestand erfüllt wird.496 Teile der Literatur bejahen in diesen Fällen eine entsprechende Anwendung der vom BFH zur Ausgliederung zur Neugründung i.S.d. UmwG entwickelten Grundsätze497, wonach die Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist unschädlich ist.498 Mit Verweis auf das Urteil zur Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft499 lässt sich vertreten, dass die Nachbehaltensfrist auch in Fällen der Anwachsung nicht eingehalten werden muss.500 493 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Rz. 3.2.2; Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 120. 494 Kugelmüller-Pugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 109; Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 38. 495 BFH v. 21.8.2019 bzw. 22.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), II R 16/19 (II R 36/14), II R 17/19 (II R 58/14), II R 19/19 (II R 63/14), II R 20/19 (II R 53/15), II R 21/19 (II R 56/ 15), BStBl. II 2020, 329 ff. 496 Die Einbringung eines Grundstücks kann bereits deshalb nicht begünstigt sein, weil § 6a GrEStG Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht erfasst. 497 BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333. 498 Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (635); Brühl, GmbHR 2021, 126 (129). 499 BFH v. 22.8.2019 – II R 18/19, BStBl. II 2020, 352. 500 Behrens/Seemaier, Ubg 2020, 631 (635 f.). Eine Nachbehaltensfrist bezogen auf die anwachsende PersGes. kann m.E. allerdings nur bestehen, wenn die PersGes. auch selbst an der Einbringung bzw. am Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beteiligt ist. So sollte in Fällen der erweiterten Anwachsung, bei der die Anteile des vorletzten Ge-

752 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.192 Kap. 6

M.E. ist die Übertragung dieser Grundsätze auf Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sachgerecht, da auch in diesen Fällen die Frist aufgrund des begünstigten Vorgangs (Einbringung zur Sachgründung bzw. gesellschaftsrechtlich begründete Anwachsung) nicht eingehalten werden kann. Es ist jeweils kein grunderwerbsteuerlich relevanter Unterschied zur Ausgliederung bzw. zur Verschmelzung erkennbar. Der BFH hat in seiner Begründung auch kein besonderes Augenmerk auf die Gesamtrechtsnachfolge gelegt, die eine abweichende Behandlung der Einzelrechtsnachfolge rechtfertigen würde.501

6.191

Die Ländererlasse äußern sich zu einer möglichen Übertragbarkeit der BFH Rechtsprechung auf weitere Vorgänge nicht. Allerdings enthalten die Aufzählungen der Fälle, in denen die Nichteinhaltung der Fristen unschädlich ist, ausdrücklich nur Umwandlungsfälle.502 Angesichts des starken Bezugs der Ländererlasse auf die Urteilsfälle des BFH spricht viel dafür, dass die Finanzverwaltung eine Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze nur für die ausdrücklich entschiedenen Fälle der Gesamtrechtsnachfolge beabsichtigt und keine entsprechende Anwendung für vergleichbare Einbringungsfälle und gesellschaftsrechtliche Vorgänge vorsieht. Andererseits nennt die Finanzverwaltung in den neuen Erlassen gerade die Fälle der Gründung (Sacheinlage nach § 27 AktG und § 5 Abs. 4 GmbHG; Beitrag nach § 706 BGB) als dem Grunde nach begünstigte Einbringungsfälle. Diese Einbringungsfälle könnten ohne Übertragbarkeit der neuen BFH-Rechtsprechung niemals begünstigt sein, da die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden kann. Eine solche Einschränkung ist dem Erlass indes nicht zu entnehmen.503 Für die Praxis dürfte zu empfehlen sein, nach Möglichkeit auf rechtsicherere Sachverhaltsgestaltungen (z.B. Ausgliederung statt Einbringung; Nutzung einer Vorratsgesellschaft statt Neugründung) auszuweichen. Wo dies nicht möglich oder mit anderen Nachteilen verbunden ist, sollte versucht werden, eine verbindliche Auskunft einzuholen, um Rechtssicherheit über die Auffassung der zuständigen Finanzbehörde zu erlangen. Es wäre wünschenswert, dass sich die Finanzverwaltung zu dieser Frage zeitnah positioniert.

6.192

sellschafters in den letztverbleibenden Gesellschafter eingebracht werden, keine Nachbehaltensfrist bezogen auf die PersGes. bestehen, da deren Anteile nur Gegenstand der Einbringung sind, sie aber nicht selbst am Einbringungsvorgang beteiligt ist. 501 Anders FG Münster v. 12.1.2023 – 8 K 169/21 F, BeckRS 2023, 1673, das jedenfalls bei der Ermittlung der Vorbehaltensfrist eine Zusammenrechnung von Behaltensfristen in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zulassen will. 502 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1, 3.2.2.2. 503 Anders beispielsweise zu Vorgängen, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar sind. Hier enthält der Erlass die ausdrückliche Aussage, dass solche Fälle nicht begünstigt sind (gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.3).

Tigges-Knümann | 753

Kap. 6 Rz. 6.193 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

3. Rechtsfolgen

6.193 Die Ausführungen unter Rz. 6.112 ff. gelten für begünstigte Einbringungen und andere Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage entsprechend. IV. Befreiungen im Personengesellschaftskonzern

6.194 Zur Anwendbarkeit der Befreiungen nach §§ 5 und 6 GrEStG im Personengesellschaftskonzern sowie zum Verhältnis zu § 6a GrEStG wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter Rz. 6.126 verwiesen. 6.195 Für Einbringungen und anderer Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, die unmittelbar Grundstücke betreffen, ist der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG regelmäßig nicht eröffnet, da die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eintritt, der wiederum in § 6a Satz 1 GrEStG nicht genannt wird. Den Befreiungen nach §§ 5 und 6 GrEStG kommt daher eine noch größere Bedeutung zu als bei den Umwandlungsvorgängen. Dies gilt für die Einbringung von Grundstücken in PersGes. (§ 5 GrEStG) als auch für Grundstückübertragungen aus PersGes. heraus auf einen Gesellschafter (§ 6 GrEStG). 6.196 Beispiel 27: Die B GmbH ist seit mehr als 10 Jahren an der G KG zu 70 % beteiligt. Die restlichen 30 % werden von der A KG gehalten. Der wirtschaftlich tätige D hält alle Anteile an der B GmbH und an der A KG. Die B GmbH soll einen Teilbetrieb in die G KG einbringen. Zum Teilbetrieb gehören ein Grundstück sowie 100 % der Anteile an der grundbesitzenden X GmbH. Im Einbringungsvertrag wird vereinbart, dass die Einbringung (teilweise) auf dem Kapitalkonto I verbucht wird, sodass die B GmbH nach der Einbringung zu 80 % und die A KG nur noch zu 20 % an der G KG beteiligt sind. Der Einbringungsvertrag wird unmittelbar danach durch Abtretung der Anteile und Auflassung des Grundstücks erfüllt.

754 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.196 Kap. 6

Vorher D 100 %

100 %

B GmbH

A KG Einbringung

100 % 70 %

30 %

X GmbH

G KG

Nachher D 100 %

100 %

B GmbH

A KG

80 %

20 %

G KG 100 %

X GmbH

Abb. 28

Tigges-Knümann | 755

Kap. 6 Rz. 6.196 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Durch Abschluss des Einbringungsvertrags zwischen B GmbH und G KG wird hinsichtlich des einzubringenden Grundstücks der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Hinsichtlich der Beteiligung an der X GmbH liegt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach Verwaltungsauffassung ein steuerbarer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vor. Da bei Erfüllung des Einbringungsvertrags durch Abtretung der Anteile an der X GmbH der vorrangig anzuwendende § 1 Abs. 2b GrEStG bei der X GmbH verwirklicht wird und die Erfüllung unmittelbar im Anschluss ohne Veränderungen im Grundstücksbestand der X GmbH erfolgt, sollte die Steuer für den Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nach Verwaltungsauffassung aber nicht festgesetzt werden.504 Erfolgt doch eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG so wäre diese jedenfalls auf Antrag gem. § 16 Abs. 4a GrEStG wieder aufzuheben, sofern beide Erwerbsvorgängen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG) fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt wurden, § 16 Abs. 5 GrEStG. § 6a GrEStG findet auf Vorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG keine Anwendung, sodass die Einbringung des Grundstücks nicht nach § 6a GrEStG befreit sein kann. Für den durch Einbringung der Anteile an X GmbH ausgelösten Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG wird die Steuer dagegen nach § 6a GrEStG nicht erhoben, da eine Einbringung (§ 6a Satz 1 2. Hs. GrEStG) vorliegt, an der nur die B GmbH und die G KG als vom herrschenden Unternehmen D abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Denn D hält unmittelbar alle Anteile an B GmbH und mittelbar über B GmbH und A KG alle Anteile an G KG. Sowohl an B GmbH als auch G KG besteht in der Folge eine Nachbehaltensfrist für fünf Jahre. Die Frist wird, da sie sich auf den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG bezieht, ab dem Zeitpunkt des dinglichen Übergangs der Anteile, nicht ab dem Abschluss des Einbringungsvertrags errechnet. Auf die Grundstücksübertragung von B GmbH auf G KG findet indes § 5 Abs. 2 GrEStG Anwendung. Unter der Voraussetzung, dass die Nachbehaltensfrist eingehalten wird (§ 5 Abs. 3 GrEStG), wird die Steuer zu 80 % nicht erhoben.505 Die Nachbehaltensfrist von 10 Jahren besteht nur für die Beteiligung der B GmbH an der G KG. Die §§ 5 und 6 GrEStG sind für die Einbringung der Anteile an X GmbH nicht anwendbar, da § 1 Abs. 2b GrEStG eine Grundstücksübertragung zwischen der alten und der neuen GmbH fingiert. Vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG wäre dagegen § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (allein) einschlägig gewesen, der eine Grundstückübertragung von dem bisherigen auf den neuen Anteilseigner – hier also von B GmbH auf G KG – fingiert. Diese Übertragung wäre bei Einhaltung der Nachbehaltensfrist nach § 5 Abs. 2 GrEStG zu 80 % von der Steuer befreit gewesen.

6.197 Auch die Übertragung von Grundstücken oder Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften im Wege der Einzelrechtsnachfolge zwischen Schwesterpersonengesellschaften kann nach § 6 Abs. 3 GrEStG (ggf. anteilig) steuerfrei sein, während § 6a GrEStG in diesen Fällen keine Anwendung findet. 6.198 Beispiel 28: An der grundbesitzenden G GmbH sind die A KG zu 90 % und die B KG zu 10 % beteiligt. Die Anteile der A KG an der G GmbH sollen auf die B KG übertragen werden. Eine Abspaltung ist nicht gewünscht. Alle Anteile an der A KG und der B KG werden vom wirtschaftlich tätigen C gehalten. Die Struktur besteht seit über 10 Jahren. 504 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8. 505 Der Umfang der Steuerbefreiung sollte nach Sinn und Zweck des § 5 GrEStG bereits unter Berücksichtigung der aus der Einlage resultierenden Erhöhung der Beteiligungsquote ermittelt werden, da die B GmbH insoweit über ihren Anteil an der Gesamthand am Grundstück beteiligt bleibt; so auch van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, Anhang 10 Rz. 46.

756 | Tigges-Knümann

B. Einbringung und andere Anteilsgeschäfte | Rz. 6.200 Kap. 6

C 100 %

100 %

Anteilsübertragung A KG

B KG

90 % 0%

10 % 100 % G GmbH

Abb. 29 Die Übertragung zwischen A KG und B KG führt bei Vertragsabschluss – unabhängig davon, ob die Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt – zu einem steuerbaren Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, da die B KG bereits vereinigte Anteile erwirbt. § 1 Abs. 2b GrEStG findet keine Anwendung, da die B KG Altgesellschafterin ist. § 6a GrEStG ist auf Übertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge zwischen Schwestergesellschaften nicht anwendbar, da es sich nicht um einen Vorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage handelt. Um in den Anwendungsbereich von § 6a GrEStG zu gelangen, müssten die Anteile zunächst von der A KG unter Verminderung seiner Beteiligung auf den C und anschließend unter Erhöhung seiner Beteiligung von C auf die B KG übertragen werden. Werden die Anteile unmittelbar von A KG auf B KG übertragen, ist der Vorgang nach § 6 Abs. 3 GrEStG zu 100 % steuerfrei. Bei Übertragung vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG gilt das Grundstück als vom bisherigen Anteilseigner auf den neuen Anteilseigner übertragen – hier also von A KG auf B KG. Da C sowohl an der A KG als auch an der B KG zu 100 % beteiligt ist, greift die Steuerbefreiung im Umfang von 100 %. Die Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG im Hinblick auf die übertragende A KG wird eingehalten. Hinsichtlich der Beteiligung an B KG entsteht eine Nachbehaltensfrist von 10 Jahren gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG.

Zur Befreiung nach § 6 GrEStG in Fällen der Anwachsung s. Rz. 2.265 ff.

6.199

In der Steuerplanung ist indes zu berücksichtigen, dass im Rahmen des MoPeG506 der Begriff der Gesamthand im Personengesellschaftsrecht abgeschafft wurde. Die §§ 5 und 6 GrEStG knüpfen konkret an den Begriff der Gesamthand an. Dem Ver-

6.200

506 MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

Tigges-Knümann | 757

Kap. 6 Rz. 6.200 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

nehmen nach geht die Finanzverwaltung derzeit davon aus, dass es einer gesetzgeberischen Anpassung der §§ 5 und 6 GrEStG bedarf.507 Das MoPeG tritt zum 1.1.2024 in Kraft, sodass voraussichtlich noch in 2023 mit einem Gesetzesentwurf zu rechnen sein dürfte. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Begünstigungen ersatzlos wegfallen. Ein rückwirkender Wegfall bereits gewährter Befreiungen, für die im Zeitpunkt einer eventuellen Gesetzesänderung die Nachbehaltensfrist der §§ 5 Abs. 3 oder 6 Abs. 3 GrEStG noch laufen, sollte aber verfassungsrechtlich nicht zulässig sein. V. Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen

6.201 Es wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter Rz. 6.135 ff. verwiesen.

C. Formwechsel Literatur: Behrens/Schmitt, Grunderwerbsteuer durch quotenwahrenden Formwechsel einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit mindestens 95 %igem Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft?, UVR 2008, 53; Behrens, Schlussfolgerungen aus den gleich lautenden LänderErlassen zu § 1 Abs. 3a und § 6a GrEStG n. F. vom 9. 10. 2013, DStR 2013, 2726; Bogenschütz, Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine KGaA, in Festschrift Widmann, 2000, 163; Broemel/Mörwald, Der neue Anwendungserlass zu § 6a GrEStG – Analyse, Praxisfolgen, neue Streitpunkte, DStR 2021, 140; Broemel/Mörwald, Die neuen Anwendungserlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG: Neuerungen, Folgen und offene Fragen, DStR 2022, 1689; Freund, Der Rechtsformwechsel zwischen Personengesellschaften, 2005; Glutsch/Meining, Umstrukturierungsund Transaktionshindernisse für bestehende „RETT-Blocker-Strukturen“, GmbHR 2013, 743; Hofmann, Heterogener Formwechsel und Anteilsvereinigung, UVR 2007, 222; Jüptner, Zweigliedrige Personengesellschaft, Formwechsel und Grunderwerbsteuer, UVR 2009, 62; Loose, Nachträgliche Erhebung von GrESt nach formwechselnder Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, DB 2014, 207; Mack, Grunderwerbsteuerpflicht bei quotenwahrendem Formwechsel?, UVR 2009, 254; Müller-Laube, Der Einfluss von Personenwechsel und Gestaltwandel auf die Identität der Personengesellschaft, in: Festschrift Wolf, 1985, 501; Pahlke in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 12: Grunderwerbsteuer; K. Schmidt, Volleinzahlungsgebot beim Formwechsel in die AG oder GmbH?, ZIP 1995, 1385; Usler, Der Formwechsel nach dem neuen Umwandlungsrecht, MittRhNotK 1998, 22; Wischott/ Keller/Graessner, Erweiterung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel – Hat der Gesetzgeber die Restrukturierungsbremse endlich gelockert?, NWB 2013, 3460; Zürbig, Der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999.

I. Rechtsnatur und zivilrechtliche Rahmenbedingungen

6.202 § 190 Abs. 1 UmwG fasst das gesellschaftsrechtliche Konzept des Formwechsels in einem Satz zusammen: „Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten.“ Tragendes Prinzip dieser Umwandlungsform ist der Erhalt der Identität des betreffenden Rechtsträgers, der eben nur ein neues „Rechtskleid“508 er-

507 BT-Drucks. 20/2407 v. 20.6.2022, S. 3. 508 Drinhausen/Keinath in Henssler/Strohn5, § 190 UmwG Rz. 2.

758 | Tigges-Knümann und Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.204 Kap. 6

hält, ohne dass eine Vermögensübertragung und/oder Liquidation erforderlich ist.509 Sowohl die rechtliche als auch die wirtschaftliche Identität des Rechtsträgers bleiben unverändert.510 Rechtliche Identität bedeutet den Fortbestand der im Rechtsverkehr auftretenden juristischen Einheit.511 Wirtschaftliche Identität bedeutet die Kontinuität des hinter dem Rechtsträger stehenden Unternehmens, welche in erster Linie durch das Gleichbleiben des Vermögensbestands gewährleistet ist.512 Darüber hinaus bleiben im Regelfall auch die Anteilsinhaber und die Anteilsverhältnisse gleich,513 wovon das UmwG jedoch Ausnahmen zulässt (insb. den sog. quotenverschiebenden Formwechsel514). Wesensbestimmend für den Formwechsel sind also die Identität des Rechtsträgers, die Kontinuität seines Vermögens und die Diskontinuität seiner Verfassung.515 Eine Änderung der Rechtsform eines Grundstücksunternehmens ist auch außerhalb der in §§ 190 ff. UmwG geregelten Fälle denkbar, die spezialgesetzlichen Regelungen sind hier gem. § 190 Abs. 2 UmwG vorrangig. Insbesondere ist der Formwechsel einer PersGes. in eine PersGes. anderer Rechtsform im UmwG nicht geregelt,516 sondern richtet sich nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.517 Zwischen den strukturgleichen (Außen-)PersGes. OHG, KG und GbR kann es durch bestimmte Ereignisse auch zum „automatischen Formwechsel“ kommen (z.B. Übergang von der KG zur OHG durch Austritt des letzten Kommanditisten oder Übergang von der OHG zur GbR durch Wegfall der Kaufmannseigenschaft).518 Ein weiterer wichtiger Fall des Formwechsels außerhalb des UmwG ist die Umwandlung einer AG in eine europäische Aktiengesellschaft (SE) nach Art. 2 Abs. 4 i.V.m. Art. 37 SE-VO.

6.203

Zum grenzüberschreitenden Formwechsel durch Verlegung des Satzungssitzes s. Abschnitt Rz. 6.322 ff.

6.204

509 Vgl. Zürbig, S. 34. 510 Vgl. Drinhausen/Keinath in Henssler/Strohn5, § 190 UmwG Rz. 2; Stengel in Semler/Stengel/Leonard5, § 190 UmwG Rz. 4; Vossius in Widmann/Mayer, § 190 UmwG Rz. 23; Zürbig, S. 34. 511 Stengel in Semler/Stengel/Leonard5, § 190 UmwG Rz. 4. 512 Vgl. Drinhausen/Keinath in Henssler/Strohn5, § 190 UmwG Rz. 2; Stengel in Semler/Stengel/Leonard5, § 190 UmwG Rz. 4; Vossius in Widmann/Mayer, § 190 UmwG Rz. 23. 513 Vgl. Zürbig, S. 34 f.; Drinhausen/Keinath in Henssler/Strohn5, § 190 UmwG Rz. 2; Vossius in Widmann/Mayer, § 190 UmwG Rz. 23. 514 Vgl. Usler, MittRhNotK 1998, 22 (53); Winter in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, Anhang 1 Rz. 297. 515 K. Schmidt, ZIP 1995, 1385 (1387); dies auch für die Grunderwerbsteuer aufgreifend BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661 = juris Rz. 9. 516 S. § 214 Abs. 1 UmwG („Eine Personenhandelsgesellschaft kann auf Grund eines Umwandlungsbeschlusses nach diesem Gesetz nur die Rechtsform einer KapGes. oder einer eingetragenen Genossenschaft erlangen.“). 517 Dazu umfassend Freund, Der Rechtsformwechsel zwischen Personengesellschaften. 518 Vgl. Müller-Laube in FS Wolf, 1985, S. 501 (527 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, S. 1305 f.

Mörwald | 759

Kap. 6 Rz. 6.205 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

II. Grunderwerbsteuerliche Irrelevanz auf Gesellschaftsebene

6.205 Der Formwechsel einer Grundstücksgesellschaft, gleich welcher Rechtsform, löst auf Ebene dieser Gesellschaft keine Grunderwerbsteuer aus, da es hierbei zu keinem Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks kommt.519 Anders als bei übertragenden Umwandlungen ist beim Formwechsel aufgrund der für ihn kennzeichnenden Rechtsträgeridentität und Vermögenskontinuität (s. Rz. 6.202) ein Übergang des Grundstückseigentums i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG nicht gegeben.520 Der Formwechsel führt somit nicht zu einem steuerbaren Grundstückserwerb durch die formwechselnde Gesellschaft, unabhängig davon, zwischen welchen Rechtsformen und ob er quotenwahrend oder quotenverschiebend erfolgt. III. Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene 1. Überblick

6.206 Während eine Steuerpflicht auf Gesellschaftsebene ausgeschlossen werden kann (s. Rz. 6.205), ist die Rechtslage auf Ebene der Gesellschafter komplexer. Zwar kommt eine Anwendung von § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht, da es nach allgemeiner, auch von der Finanzverwaltung geteilter Auffassung an einem Übergang von Anteilen fehlt.521 Es kann jedoch – jedenfalls beim quotenverschiebenden Formwechsel – eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sowie das erstmalige Innehaben einer wirtschaftlichen Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG in Betracht kommen (Rz. 6.209 ff.). 6.207 Der quotenwahrende Formwechsel löst beim Gesellschafter grds. keine Grunderwerbsteuer aus. Für einige spezielle Konstellationen beim quotenwahrenden Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. wird in der Literatur jedoch eine mögliche Steuerbarkeit diskutiert (Rz. 6.218 ff. u. Rz. 6.226 ff.). 6.208 Nachfolgend werden die Fallgruppen nach der Ausgangs- und Zielrechtsform sowie zwischen quotenwahrendem und quotenverschiebendem Formwechsel unterschieden.

519 Vgl. BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661; v. 7.9.2007 – II B 5/07, BFH/ NV 2007, 2351; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 379; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 9 ff.; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 46; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 12; Mack, UVR 2009, 254 (254 f.); Usler, MittRhNotK 1998, 22 (57). 520 Die Ungleichbehandlung formwechselnder und übertragender Umwandlungen wird vom BFH als verfassungskonform angesehen (Fehlen eines Rechtsträgerwechsels beim Formwechsel als hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund); vgl. BFH v. 26.1.2000 – II B 108/98, BFH/NV 2000, 1136; v. 7.9.2007 – II B 5/07, BFH/NV 2007, 2351. 521 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.2.5. und 5.2.5.1.

760 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.212 Kap. 6

2. Homogener Formwechsel (Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft in Personengesellschaft) a) Quotenwahrender homogener Formwechsel Der Übergang zwischen den Personengesellschaftstypen GbR, OHG und KG wird auch als bloßer „Strukturwechsel“522 bezeichnet. Da alle drei Gesellschaftsformen im Kern über die gleiche Vermögensordnung verfügen, erfolgt dieser Rechtsformwechsel unter Wahrung der vermögensrechtlichen Identität.523 Erfolgt er quotenwahrend, ändert sich weder die Qualität noch der vermögensmäßige Wert der Beteiligung, so dass der Vorgang keine grunderwerbsteuerliche Relevanz hat.524 Die Neuerungen im Personengesellschaftsrecht durch das MoPeG ab 1.1.2024 ändern an diesem Ergebnis nichts.

6.209

Auch der quotenwahrende Formwechsel innerhalb von Kapitalgesellschaftsformen verändert die Qualität und den Umfang der Anteile nicht und führt damit zu keinem steuerbaren Vorgang bei den Gesellschaftern. Das gilt nicht nur in den Fällen des UmwG, sondern auch für den Formwechsel einer AG in eine europäische Aktiengesellschaft (SE) und umgekehrt, denn die bisherige Gesellschaft wird hierbei in ihrer rechtlichen Identität fortgesetzt (Art. 37 Abs. 2 SE-VO).525 Gleiches gilt beim Formwechsel einer AG in eine KGaA.526

6.210

b) Quotenverschiebender homogener Formwechsel Kommt es im Rahmen der formwechselnden Maßnahme zu einer Verschiebung der Beteiligungsquoten oder zu einem Ein- und Austritt von Gesellschaftern, kann bei Überschreiten der relevanten 90 %- bzw. 95 %527-Schwelle ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG vorliegen.528

6.211

Beispiel 29: An der G AG sind A zu 88 %, B zu 6 % und Streubesitzaktionäre zu 6 % beteiligt. Im Rahmen des Formwechsels in eine GmbH scheiden die Streubesitzaktionäre aus, ihre Anteile werden hälftig von A und B übernommen, so dass A eine Beteiligungshöhe von 91 % erreicht.

6.212

Vgl. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 69. Vgl. Freund, S. 68 ff. So auch Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 69; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 46. Vgl. Marsch-Barner/Wilk in Kallmeyer7, Anhang I Rz. 124; J. Schmidt in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, Art. 37 SE-VO Rz. 73. 526 Dazu Bogenschütz in FS Widmann, 2000, S. 163. 527 Hat ein Gesellschafter am 1.7.2021 mind. 90 %, aber weniger als 95 % der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG inne, gilt die frühere 95 %-Schwelle fort, vgl. § 23 Abs. 21 bzw. Abs. 22 GrEStG. 528 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 13.4. 522 523 524 525

Mörwald | 761

Kap. 6 Rz. 6.212 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Vorher: A

88 %

Nachher: A

Streubesitz

B

6%

B

9%

91 %

6%

Formwechsel G GmbH

G AG

Abb. 30 Bei A werden infolge des quotenverschiebenden Formwechsels erstmals 90 % der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG vereinigt.

6.213 Bei PersGes. kann, soweit man hier weiterhin die sog. Pro-Kopf-Betrachtung zugrunde legt (s. Rz. 3.766), statt § 1 Abs. 3 GrEStG ein Fall des § 1 Abs. 3a GrEStG vorliegen. 6.214 Beispiel 30: Am Kapital der G OHG sind A mit 89 % und B mit 11 % beteiligt. Es wird die Umwandlung in eine KG beschlossen, wobei Komplementärin die B GmbH werden soll, an der A zu 100 % beteiligt ist. Die B GmbH übernimmt von A und B jeweils einen Kapitalanteil von 1 %.

Vorher:

Nachher:

A

A

B

B 100 % B GmbH

11 %

89 %

88 %

2%

Formwechsel G OHG

Abb. 31

762 | Mörwald

G KG

10 %

C. Formwechsel | Rz. 6.218 Kap. 6 Durch die Quotenverschiebung im Umfang von 1 % erreicht A durchgerechnet eine wirtschaftliche Beteiligung von 90 % an der G OHG, was nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar ist.

Bei PersGes. kommt in derartigen Fällen eine Steuerbefreiung entsprechend § 6 Abs. 2 GrEStG in Betracht, wodurch sich die Steuerpflicht auf den Umfang reduziert, in dem derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, bereits an der Gesellschaft beteiligt war.

6.215

Beispiel 30 (Fortsetzung): Im obigen Beispiel 30 ist die wirtschaftliche Anteilsvereinigung in der Hand von A gem. § 6 Abs. 2 GrEStG im Umfang von 88 % von der Grunderwerbsteuer befreit.

6.216

3. Heterogener Formwechsel (Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft und umgekehrt) a) Quotenwahrender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft aa) Grundsatz: Steuerbarer Vorgang nur bei Quotenverschiebung Beim sog. heterogenen Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. und umgekehrt gilt ebenso wie beim homogenen Formwechsel (s. Rz. 6.209), dass ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang grds. nur im Fall einer Quotenverschiebung möglich ist. Beim Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. wird in der Literatur jedoch auch für bestimmte Fallkonstellationen des quotenwahrenden Formwechsels eine mögliche Steuerbarkeit diskutiert (s. nachfolgend).

6.217

bb) Sonderfall 1: Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft mit Ausscheiden des 0 %- Gesellschafters Hat die formwechselnde Grundstückspersonengesellschaft einen Gesellschafter ohne Kapitalbeteiligung, führt der quotenwahrende Formwechsel zum Ausscheiden dieses Gesellschafters. Da die Mitgliedschaft in einer KapGes. zwingend mit einer Beteiligung an der Aufbringung des Grund- oder Stammkapitals verbunden ist,529 kommt eine 0 %-Beteiligung dort nicht in Betracht. Der 0 %-Gesellschafter muss im Rahmen des Formwechsels einer PersGes. in eine KapGes. somit entweder – quotenverschiebend – einen bestimmten Nennbetrag am Gesellschaftskapital übernehmen, oder er scheidet aus der Gesellschaft aus. Über letztgenannten Fall hat das FG Münster in einem rechtskräftigen Urteil aus dem Jahr 2006 entschieden, dass beim verbleibenden Gesellschafter eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgt sei: Durch das Ausscheiden der 0 %-Komplementärin habe sich der „Verbund der Gesamthandsgemeinschaft nicht gemeinsam als Rechtsträger fortgesetzt“, so dass ein „tatsächlicher Rechtsträgerwechsel“ vorliege.530

529 Vgl. z.B. Schwandtner in MünchKomm.GmbHG4, § 5 GmbHG Rz. 39. 530 FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034 Rz. 29.

Mörwald | 763

6.218

Kap. 6 Rz. 6.219 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.219 Beispiel 31:531 Am Kapital der G KG ist A zu 100 % beteiligt. Komplementärin ist die C GmbH, deren Geschäftsanteile zu je 50 % von A und von B gehalten werden. Die G KG wird quotenwahrend in eine GmbH formgewechselt, was dazu führt, dass die C GmbH als Gesellschafterin ausscheidet.

Vorher:

Nachher:

A

B 50 %

50 %

A

B 50 %

C GmbH 100 %

50 % C GmbH

0%

100 %

Formwechsel G KG

G GmbH

Abb. 32 Das FG Münster bejahte eine Anteilsvereinigung bei A, da infolge des Ausscheidens der C GmbH ein tatsächlicher Rechtsträgerwechsel erfolgt sei.532 Die Vorgänge hätten dazu geführt, dass „nicht nur die Gesellschaftsform, sondern auch die Gesellschafter wechselten.“533

6.220 Bei Zugrundelegung der sog. Pro-Kopf-Betrachtung (s. Kap. 3C Rz. 3.766) verringert sich der nach Köpfen bemessene Gesellschafterkreis von zwei auf eine Person, in deren Hand alle Anteile vereinigt werden. In der Literatur wird eine Steuerbarkeit ungeachtet dessen mehrheitlich abgelehnt, weil die Identität des Rechtsträgers unberührt bleibt534 und keine wertmäßige Vermehrung von Vermögensrechten eines Gesellschafters erfolgt.535 Insbesondere ist es jedoch die gesellschaftsrechtliche Abfolge der Vorgänge, die gegen eine Steuerbarkeit spricht. Da das UmwG beim Formwechsel der PersGes. in eine KapGes. kein Ausscheiden eines Gesellschafters „im Rahmen“

531 532 533 534 535

Nach dem Urteilsfall von FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034. FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034 Rz. 29. FG Münster v. 16.2.2006 – 8 K 1785/03 GrE, EFG 2006, 1034 Rz. 30. Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 11. Vgl. Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (56); Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier6, Rz. 359; Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 13.3.

764 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.224 Kap. 6

dieser Maßnahme vorsieht536 und bei der zweigliedrigen PersGes. ein vorgelagertes Ausscheiden zu deren Beendigung führen würde, kann das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters nur nachgelagert, d.h. eine „logische Sekunde“ nach dem Entstehen der KapGes. infolge der Eintragung des Formwechsels erfolgen.537 Mit dem Entstehen der KapGes. ändert sich aber auch das Beurteilungsregime: Die Pro-Kopf-Betrachtung kann ab diesem Zeitpunkt keine Anwendung mehr finden, so dass das Ausscheiden des 0 %-Gesellschafters ohne grunderwerbsteuerliche Relevanz bleibt.538 Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Pro-Kopf-Betrachtung im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG ändern wird. Für mittelbare Beteiligungen an grundbesitzenden PersGes. wurde die Pro-Kopf-Betrachtung bereits aufgegeben; dort ist nunmehr auf die vermögensrechtliche Beteiligung abzustellen.539 Im Rahmen eines obiter dictum deutete der BFH hierbei an, dass die Pro-Kopf-Betrachtung zukünftig ggf. auch bei unmittelbaren Beteiligungen aufgegeben werden könnte.540 In diesem Fall wäre fortan auch bei unmittelbaren Beteiligungen an PersGes. (wie bei KapGes.) die vermögensrechtliche Beteiligung maßgeblich, sodass eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch den Formwechsel im obigen Beispielsfall 31 (Rz. 6.219) ausgeschlossen wäre.

6.221

Die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG scheidet aus, denn bereits vor dem Formwechsel besteht eine wirtschaftliche Beteiligung von mind. 90 %, so dass der Formwechsel nicht zum erstmaligen Innehaben einer solchen Beteiligung führt.541

6.222

Möglicherweise ist auch § 1 Abs. 3 GrEStG im obigen Beispiel (Rz. 6.219) bereits deshalb ausgeschlossen, weil der 100 %-Personengesellschaftsanteil dem Gesellschafter (in der seit 2013 geltenden Rechtslage) bereits nach § 1 Abs. 3a GrEStG zuzurechnen ist. Ob eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG in der Hand einer Person erfolgen kann, die bereits über eine wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG von mind. 90 % verfügt, ist bislang ungeklärt (s. Rz. 3.799 ff.).542

6.223

Unzweifelhaft nichtsteuerbar sind die Fälle, in denen die 0 %-Beteiligung der Komplementär-GmbH dem 100 %-Kommanditisten bereits vor dem Formwechsel nach

6.224

536 Dies ist gesetzlich nur für den Formwechsel einer KGaA geregelt (§ 233 Abs. 3 Satz 3, § 236 UmwG). 537 Vgl. Jüptner, UVR 2009, 62 (63 f.). 538 Vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 255 f. 539 BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315 Rz. 10. 540 BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315 Rz. 21. 541 Behrens, DStR 2013, 2726 (2730); Glutsch/Meining, GmbHR 2013, 743 (745). 542 Der Wortlaut und die Gesetzessystematik legen nahe, § 1 Abs. 3a GrEStG als unselbständige Annexvorschrift zu begreifen, die ihrerseits „Ergänzungstatbestand“ zu § 1 Abs. 3 GrEStG ist, vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 242. Die FinVerw. und Teile der Literatur sehen § 1 Abs. 3a GrEStG hingegen als eigenständigen Tatbestand und halten daher eine Aufeinanderfolge von § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG für möglich, vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 1; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1343; Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 193 ff.

Mörwald | 765

Kap. 6 Rz. 6.224 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

§ 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen war. Denn in diesem Fall sind die Anteile an der Grundstücksgesellschaft bereits vor dem Formwechsel teils unmittelbar und teils mittelbar beim 100 %-Gesellschafter vereinigt.543

6.225 Beispiel 32: Wie Beispiel 31, nur werden sämtliche Anteile an der 0 %-Komplementärin von A gehalten.

Vorher:

Nachher:

A

A 100 %

100 % B GmbH 100 %

B GmbH

0%

100 %

Formwechsel G KG

G GmbH

Abb. 33 Da die Beteiligung des A an der B GmbH die für eine Zurechnung nach § 1 Abs. 3 GrEStG maßgebliche 95 %-Schwelle übersteigt, liegt bereits vor dem Formwechsel eine teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung bei A vor.544 Der Formwechsel kann also nicht mehr zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung führen.

cc) Sonderfall 2: Quotenwahrender Formwechsel bei Beteiligung oberhalb der 90 %-Schwelle

6.226 Nach der traditionellen Pro-Kopf-Betrachtung, die bei PersGes. nicht auf die Kapitalbeteiligung, sondern auf die gesamthänderische Mitberechtigung nach Köpfen abstellt (s. Rz. 3.766), sind auch bei einem Gesellschafter, der zu 90 % oder mehr am Kapital einer PersGes. beteiligt ist, nicht 90 % der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG vereinigt. Demgegenüber werden dem Inhaber einer 90 %-Beteiligung an einer Kap543 Vgl. BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; v. 12.3.2014 – II R 51/12, BFHE 245, 381; Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (54). 544 BFH v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121; v. 12.1.1994 – II R 130/91, BStBl. II 1994, 408; v. 12.3.2014 – II R 51/12, BFHE 245, 381.

766 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.228 Kap. 6

Ges. auch 90 % der Anteile zugerechnet. Wird die PersGes. in eine KapGes. umgewandelt, stellt sich die Frage, ob die infolge des Formwechsels eintretende Änderung der Anteilsqualität zu einer erstmaligen Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG führen kann. Beispiel 33: Die G OHG, an der A zu 94 % und B zu 6 % beteiligt sind, wird quotenwahrend in eine GmbH formgewechselt. Die OHG-Anteile sind nach der sog. Pro-Kopf-Betrachtung nicht i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG bei A vereinigt, die im Rahmen des Formwechsels an ihre Stelle tretenden Anteile an der G GmbH hingegen schon.

Vorher:

6.227

Nachher:

A

B

94 %

A

6%

B

94 %

6%

Formwechsel G OHG

G GmbH

Abb. 34

§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verlangt seinem Wortlaut nach, anders als § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 GrEStG, keinen Übertragungsvorgang bzw. kein auf diesen gerichtetes Rechtsgeschäft, sondern nur die „Vereinigung […] von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft.“545 Nach Auffassung von Jüptner soll eine Anteilsvereinigung deshalb auch durch quotenwahrenden Formwechsel der Grundstücksgesellschaft verwirklicht werden können.546 Die h.M. lehnt die Steuerbarkeit hingegen ab, da es bei einem Formwechsel an einer tatsächlichen Anteilsübertragung fehlt.547

545 Vgl. van Lishaut/Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, Anhang 10 Rz. 133. 546 Jüptner, UVR 2009, 62 (64). 547 Vgl. Hofmann, UVR 2007, 222 (223); Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (57); Mack, UVR 2009, 254 (256); Wischott/Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3469); Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 165; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1152; Joisten in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 415; Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, Anhang E Rz. 110.

Mörwald | 767

6.228

Kap. 6 Rz. 6.229 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.229 Dem ist zuzustimmen. § 1 Abs. 3 GrEStG verlangt zwar nicht, dass es zu einer Erhöhung des Anteilsbestandes bei demjenigen kommt, in dessen Hand alle Anteile vereinigt werden.548 Es wird jedoch ein Rechtsvorgang in Bezug auf die Anteile verlangt,549 an dem es beim Formwechsel fehlt.550 Anders als etwa bei der Einziehung von Anteilen gibt beim Formwechsel weder ein Gesellschafter Anteile ab, noch erhält ein Gesellschafter Anteile hinzu. 6.230 Beispiel 33 (Fortsetzung): Im obigen Beispiel 33 (Rz. 6.227) kommt es somit mangels anteilsbezogenen Rechtsvorgangs zu keiner Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Möglicherweise ist der Vorgang zudem auch deshalb nicht steuerbar, weil dem A bereits vor dem Formwechsel die Anteile an der G-OHG grunderwerbsteuerlich gem. § 1 Abs. 3a GrEStG zuzurechnen waren (vgl. Rz. 6.223).

6.231 Im Fall einer Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung wird die Streitfrage ebenso wie beim Formwechsel der Einmann-GmbH & Co. KG obsolet. b) Quotenwahrender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft

6.232 Wird eine KapGes. quotenwahrend in eine PersGes. formgewechselt, ergibt sich auf Gesellschafterebene keine vergleichbare Problematik wie in der umgekehrten Konstellation (s. Rz. 6.217 ff.). Denn bei einer Grundstückspersonengesellschaft ist die Vereinigung von 90 % der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG nach der bislang gültigen sog. Pro-Kopf-Betrachtung nicht möglich. Lehnt man die Pro-Kopf-Betrachtung ab, ist der Vorgang ebenfalls nicht steuerbar, denn in diesem Fall sind die Anteile dem mind. 90 % haltenden Gesellschafter bereits vor dem Formwechsel zuzurechnen. Auch die Anwendung von § 1 Abs. 3a GrEStG scheidet aus, da ein zu 90 % oder mehr beteiligter Gesellschafter bereits an der ursprünglichen KapGes. eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne dieser Vorschrift innehat, die sich an der identitätswahrend formgewechselten Gesellschaft lediglich fortsetzt. c) Quotenverschiebender heterogener Formwechsel aa) Quotenverschiebender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft

6.233 Erreicht infolge eines quotenverschiebenden Formwechsels ein Gesellschafter erstmals eine Beteiligung von mindestens 90 %, ist dies nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar und nicht anders zu beurteilen als ein anderweitiger Hinzuerwerb von Anteilen.551 Anders als beim Formwechsel PersGes. in PersGes. (Rz. 6.209) kommt hier keine Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Betracht.

548 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959 zum Fall der Einziehung von Anteilen an einer KapGes. 549 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – II R 193/85, BStBl. II 1988, 959 Rz. 16. 550 Vgl. Mack, UVR 2009, 254 (256). 551 Behrens/Schmitt, UVR 2008, 53 (56 f.); Jüptner, UVR 2009, 62 (64).

768 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.235 Kap. 6 Beispiel 34: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G OHG sind A zu 89 % und B zu 11 % beteiligt. Nach dem quotenverschiebenden Formwechsel hält A 90 % und B 10 % der Anteile. Infolge der Quotenverschiebung sind erstmals 90 % der Anteile an der Gesellschaft in der Hand von A vereinigt.

Vorher:

6.234

Nachher:

A

B

89 %

A

11 %

B

90 %

10 %

Formwechsel G OHG

G GmbH

Abb. 35 Obwohl ein Anteilsübergang nur im Umfang der Quotenverschiebung anzunehmen ist,552 kommt – anders als im obigen Beispiel 31 (Rz. 6.214) – eine anteilige Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht, da sich die Gesamthandsbeteiligung infolge des Formwechsels in eine KapGes. nicht fortsetzt.553 Zur möglichen Anwendung von § 6a GrEStG s. Rz. 6.237 ff.

Grunderwerbsteuerlich irrelevant ist ein quotenverschiebender Formwechsel, nach dem sich eine Beteiligung von 90 % am Vermögen einer PersGes. mit einer noch höheren Beteiligungsquote an der entstehenden KapGes. fortsetzt. Bestand jedoch am 1.7.2021 eine Beteiligung eines Gesellschafters von mind. 90 % und wird infolge des Formwechsels die 95 %-Schwelle überschritten, ist dies nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. i.V.m. § 23 Abs. 21 GrEStG bzw. § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. i.V.m. § 23 Abs. 22 GrEStG steuerbar.

552 Vgl. Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 47 f. 553 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358.

Mörwald | 769

6.235

Kap. 6 Rz. 6.236 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

bb) Quotenverschiebender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft

6.236 Wird eine KapGes. quotenverschiebend in eine PersGes. formgewechselt, ist dies – wie in den anderen Fällen des quotenverschiebenden Formwechsels – dann grunderwerbsteuerlich relevant, wenn ein Gesellschafter hierbei die 90 %-Schwelle überschreitet. Soweit weiterhin an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung festgehalten wird, liegt dann zwar kein Fall des § 1 Abs. 3 GrEStG vor, jedoch hat der Gesellschafter infolge der Quotenverschiebung erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG inne. IV. Auswirkung des Formwechsels auf Steuerbefreiungen 1. Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG a) Formwechsel als Erwerbsvorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage

6.237 Die nach § 6a Satz 1 GrEStG begünstigungsfähigen Umstrukturierungen umfassen (1.) Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, (2.) Einbringungen und (3.) Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage. Der Formwechsel als Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG ist keine „Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG“ i.S.d. § 6a Satz 1 GrEStG. Vor diesem Hintergrund vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Formwechsel keine von § 6a GrEStG begünstigte Umwandlung sei.554 6.238 Der Formwechsel erfüllt jedoch die Definition des „Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage“.555 Im Kontext des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, der denselben Begriff verwendet, handelt es sich dabei um Grundstücksübergänge zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, „durch die die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert wird, z.B. wenn dem Gesellschafter für die Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschaft eine höhere Beteiligung eingeräumt wird oder wenn sich wegen der Übertragung des Grundstücks durch die Gesellschaft auf den Gesellschafter dessen Beteiligung an der Gesellschaft vermindert“.556 Dieses Begriffsverständnis wird von der h.M. auch für § 6a GrEStG zugrunde gelegt.557 Der Formwechsel berührt die Gesellschafterstellung,558 zudem muss im Formwechselbeschluss gem. § 218 Abs. 1 UmwG die Satzung (AG) bzw. der Gesellschaftsvertrag (GmbH) festgestellt werden, so dass der Vorgang eine

554 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.1. 555 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 31.3; Wischott/Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3469); Behrens, DStR 2013, 2726 (2730). 556 BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483 Rz. 15 in juris. 557 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.3; KugelmüllerPugh in Viskorf20, § 6a GrEStG Rz. 38; Hofmann11, § 6a GrEStG Rz. 29 ff.; Pahlke in Pahlke7, § 6a GrEStG Rz. 45. 558 Wischott/Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3469).

770 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.242 Kap. 6

gesellschaftsvertragliche Grundlage hat.559 Ob eine Erhöhung oder Verminderung der Beteiligung erforderlich ist,560 ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.561 Soweit ein Formwechsel einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG auslöst (dies ist nach hier vertretener Auffassung nur bei Quotenverschiebung möglich), kommt somit unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG eine Steuerbefreiung in Betracht. Als am Rechtsvorgang „beteiligter“ Rechtsträger ist hierbei allein auf die formwechselnde Gesellschaft, nicht auf ihre Gesellschafter abzustellen. Ob zusätzlich ein qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis von 95 % verlangt wird, ist fraglich. Wenn ja, würde die Begünstigung in zahlreichen Fällen scheitern. Da der Formwechsel nur dann steuerbar ist, wenn die 90 %- bzw. 95 %-Schwelle überschritten wird, kann das 95 %-Kriterium von dem Gesellschafter, in dessen Hand die Anteile vereinigt werden, innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist nicht erfüllt werden.

6.239

Beispiel 34 (Fortsetzung): Im Beispiel 34 (Rz. 6.234) ist fraglich, ob § 6a GrEStG anwendbar ist. Der Gesellschafter A kommt nicht als herrschendes Unternehmen in Betracht, da er weder in den fünf Jahren vor noch in den fünf Jahren nach dem Formwechsel eine 95 %-Beteiligung hält. Nach hier vertretener Auffassung ist § 6a GrEStG dennoch anwendbar, denn der einzige am Rechtsvorgang beteiligte Rechtsträger ist die Gesellschaft selbst. Es bedarf in Fällen des Formwechsels daher keines herrschenden Unternehmens und keiner abhängigen Gesellschaft.

6.240

Beim Formwechsel im Konzern kann, wenngleich nach hier vertretener Auffassung nicht erforderlich, ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 6a GrEStG gegeben sein.

6.241

Beispiel 35: Am Vermögen der grundstücksbesitzenden G OHG sind die A GmbH zu 89 % und die B GmbH zu 11 % beteiligt. Alle Anteile an der A GmbH und der B GmbH werden von der M GmbH gehalten. Nach dem quotenverschiebenden Formwechsel hält die A GmbH 90 % und die B GmbH 10 % der Anteile. Infolge der Quotenverschiebung sind erstmals 90 % der Anteile an der Gesellschaft in der Hand der A GmbH vereinigt (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG).

6.242

559 Vgl. Behrens, DStR 2013, 2726 (2730). 560 So Viskorf in Viskorf20, § 8 GrEStG Rz. 75. 561 Vgl. Behrens, DStR 2013, 2726 (2730) Fn. 53.

Mörwald | 771

Kap. 6 Rz. 6.242 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Nachher:

Vorher:

M GmbH

100 %

M GmbH

100 %

A GmbH

100 %

B GmbH

89 %

100 %

A GmbH

11 %

B GmbH

90 %

10 %

Formwechsel G OHG

G GmbH

Abb. 36 Der Vorgang ist nach hier vertretener Auffassung durch § 6a GrEStG begünstigt, da es sich um einen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage handelt (Rz. 6.238). Sofern ein qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis verlangt wird, ist auch dieses erfüllt, da die M GmbH mittelbar zu mind. 95 % an der formwechselnden G OHG beteiligt ist.

772 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.246 Kap. 6

b) Keine Auswirkung auf 95 %-Quote im Vor- und Nachbehaltenszeitraum Ob ein Formwechsel einer Gesellschaft Auswirkungen auf die Einhaltung der Vorund Nachbehaltensfristen des § 6a Satz 4 GrEStG hat, hängt davon ab, wie die 95 %-Quote in mehrstufigen Beteiligungsketten bestimmt wird. Die Finanzverwaltung stellt – offenbar rechtsformübergreifend – darauf ab, ob auf jeder Beteiligungsstufe eine 95 %-Beteiligung vorliegt.562 Alternativ käme auch eine Multiplikationsmethode (wie bei § 1 Abs. 3a GrEStG) oder eine Meistbegünstigungsregel563 in Betracht (vgl. Rz. 6.81 ff.). In sämtlichen derzeit diskutierten Berechnungsvarianten ändert ein Formwechsel einer abhängigen oder zwischengeschalteten Gesellschaft nicht die zu ermittelnde Quote. Eine rechtsformabhängig differenzierende Quotenberechnung (wie bei § 1 Abs. 2a Satz 2 bis 5 und Abs. 2a Satz 2 bis 5 GrEStG) wird derzeit – soweit ersichtlich – für § 6a GrEStG nicht vertreten. Nur in diesem Fall könnte ein quotenwahrender Formwechsel die relevante Beteiligungsquote beeinflussen. Auch eine Behaltensfristverletzung durch den Formwechsel selbst ist nach zutreffender Verwaltungsauffassung ausgeschlossen.564

6.243

2. Mögliche Behaltensfristverstöße nach §§ 5, 6 GrEStG a) Formwechsel der erwerbenden Gesamthand Neben einer möglichen Steuerbarkeit auf Gesellschafterebene kann ein Formwechsel auch die Verletzung einer Nachfrist im Rahmen der Steuerbefreiungen i.S. der §§ 5, 6 GrEStG zur Folge haben.

6.244

Wird ein Grundstück steuerbegünstigt nach § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 3 GrEStG in eine PersGes. eingebracht und diese PersGes. anschließend innerhalb von zehn Jahren in eine KapGes. formgewechselt, führt dies zur Verletzung der Sperrfristen nach § 5 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und somit zur rückwirkenden Besteuerung der ursprünglichen Einbringung.565

6.245

Beispiel 36:566 A und B sind in Erbengemeinschaft Eigentümer eines Grundstücks. Im Jahr 1 bringen sie dieses in die G OHG ein, an deren Kapital beide zu je 50 % beteiligt sind. Im Jahr 4 wird die G OHG in eine GmbH umgewandelt.

6.246

562 Gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 2.3. 563 Dafür Lieber in Behrens/Wachter2, § 6a GrEStG Rz. 35; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140 (144). 564 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 25.5.2023, BStBl. I 2023, 995 Tz. 3.2.2.1.; gl.A. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 31.1. 565 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358; v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 100; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 28; Joisten in Pahlke7, § 5 GrEStG Rz. 107; vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 22. 566 In Anlehnung an BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358.

Mörwald | 773

Kap. 6 Rz. 6.246 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A

B

A

50 %

50 %

50 %

B

50 %

A

B

50 %

50 % G GmbH

G OHG

Einbringung (Jahr 1)

Formwechsel (Jahr 4)

Abb. 37 Im Jahr 1 liegt ein steuerbarer Erwerb gem. § 1 Abs. 1 GrEStG durch die G OHG vor. Die Grunderwerbsteuer bleibt jedoch gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, da das Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere übergegangen ist. Im Jahr 4 führt der Formwechsel der G OHG in eine GmbH dazu, dass A und B keinen „Anteil […] am Vermögen der erwerbenden Gesamthand“ mehr halten, so dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Grundstückseinbringung in Jahr 1 gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG wegfallen. Da §§ 5 und 6 GrEStG ihrem expliziten Wortlaut nach nur den Übergang auf eine „Gesamthand“ privilegieren, führt ein Formwechsel innerhalb der fünfjährigen Nachbehaltensfrist zur Versagung der Steuerbefreiung.

b) Formwechsel einer zwischengeschalteten Gesellschaft

6.247 Zu einer Behaltensfristverletzung kann es auch kommen, wenn in Fällen des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht die erwerbende, sondern eine zwischengeschaltete Gesamthand formgewechselt wird.567 6.248 Beispiel 37:568 A und B sind zu je 50 % am Kommanditkapital der G KG beteiligt. Im Jahr 1 bringen sie ihre Kommanditanteile an der G KG in die AB KG ein (Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Im Jahr 4 wird die AB KG in eine GmbH formgewechselt. Die Übertragung der Kommanditanteile im Jahr 1 ist nach dem Urteil des BFH gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, weil die AB KG als „neue Gesellschafterin“ angesehen wird.569 Die Steuer bleibt jedoch zunächst gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG unerhoben, weil ein fiktiver Grundstücksübergang von der alten auf die gem. § 1 Abs. 2a GrEStG „fiktiv neue“ G KG vorliegt.570

567 Vgl. BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268; Loose, DB 2014, 207; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 94 ff.; Joisten in Pahlke7, § 6 GrEStG Rz. 91. 568 In Anlehnung an BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268. 569 BFH, Urt. v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268 = juris Rz. 14. 570 BFH, Urt. v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268 = juris Rz. 17.

774 | Mörwald

C. Formwechsel | Rz. 6.249 Kap. 6

A

B

50 %

50 % G KG

A

B

50 %

A

50 % AB KG

B

50 %

Formwechsel (Jahr 4)

50 % AB GmbH 100 %*

100 %* Anteilseinbringung (Jahr 1) G KG

G KG

* Komplementärbeteiligungen aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt Abb. 38 Der Formwechsel der AB KG in Jahr 4 führt nach der Rechtsprechung dazu, dass der für § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG relevante Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesamthand wegfällt: Es gehe die „die Gesamthand kennzeichnende unmittelbare dingliche Mitberechtigung der Gesamthand am Gesellschaftsvermögen“ verloren.571 Die mittelbare Teilhabe von A und B über eine KapGes. reiche nicht aus.572

Die Entscheidung des BFH, dass auch der Formwechsel einer zwischengeschalteten PersGes. zur Sperrfristverletzung führt, ist bemerkenswert, da sie einerseits auf zivilrechtliche Wertungen (traditionelle Gesamthandslehre) gestützt ist, andererseits aber den – zivilrechtlich nicht fundierbaren – Verlust einer „unmittelbaren dinglichen Mitberechtigung“ der mittelbaren Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen unterstellt.573 Jedenfalls nach der neuen Gesamthandslehre (und erst recht nach den bevorstehenden Änderungen im Rahmen des MoPeG) wäre auf die beteiligte PersGes. (im Beispiel: AB KG) selbst als Gesamthänderin abzustellen, deren Rechtsträgeridentität sich durch den Formwechsel nicht ändert.574 Inwieweit die bevorstehenden Änderungen im

571 572 573 574

BFH, Urt. v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268 = juris Rz. 27. BFH, Urt. v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2013, 268 = juris Rz. 28. Kritisch Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 261 f. Vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 1998, 291 = NJW 2001, 3121, wonach eine PersGes. selbst Gesellschafterin einer anderen PersGes. sein kann. Ferner ist auch im Ertragsteuerrecht nur die Obergesellschaft Gesellschafterin der Untergesellschaft, nicht aber die Gesellschafter der Obergesellschaft, vgl. BFH, Beschl. v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 = juris Rz. 85.

Mörwald | 775

6.249

Kap. 6 Rz. 6.249 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

Rahmen des MoPeG die zukünftige grunderwerbsteuerliche Würdigung dieses Sachverhalts verändern werden, bleibt abzuwarten.

6.250 Nach Auffassung von Literatur und Finanzverwaltung soll auch der Formwechsel einer beteiligten KapGes. in eine PersGes. den Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG erfüllen.575 Diese Auffassung, die mit der erstmaligen Gesamthandsbeteiligung am Vermögen der formgewechselten Gesellschaft begründet wird,576 ist aufgrund der fortgeführten Rechtsträgeridentität der Gesellschaft abzulehnen. V. Auswirkung des Formwechsels auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG 1. Grundsatz: Kein steuerbarer Erwerbsvorgang aufgrund des Formwechsels selbst

6.251 Mit Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG hat die Finanzverwaltung auch die Behandlung des Formwechsels im Rahmen des § 1 Abs. 2a GrEStG neu geregelt. Während der Formwechsel einer KapGes. in eine PersGes. früher zur Altgesellschaftereigenschaft aller Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG führte („Eröffnung des Tatbestands“, s. Beispiel in Rz. 3.274), wird dies § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mehr zugelassen. Denn andernfalls könnten durch Formwechsel in beide Richtungen und zurück jeweils Altgesellschafterstellungen generiert werden, was aus Sicht der Finanzverwaltung ein zu hohes Gestaltungspotenzial birgt. Der Grundsatz, dass der Formwechsel als solcher – jedenfalls für sich genommen (zum rückwirkenden Einbezug von Zählvorgängen der Vergangenheit s. Rz. 3.278 ff.) – keine Grunderwerbsteuer auslöst, wurde jedoch beibehalten.577 2. Auswirkungen auf Altgesellschaftereigenschaft und sog. Zählvorgänge

6.252 Beim Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft bei einem Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft führen die Gesellschafter ihre bisherige Alt- bzw. Neugesellschafterstellung gegenüber der formgewechselten Gesellschaft fort.578 Vor dem Formwechsel erfolgte Gesellschafterwechsel gelten damit nach Verwaltungsansicht auch für die formgewechselte Gesellschaft als relevante Gesellschafterwechsel. 6.253 Beim Formwechsel einer beteiligten Gesellschaft behält diese grds. ihre bisherige Stellung als Alt- oder Neugesellschafterin. Für die Gesellschafter der beteiligten Gesellschaft ändert sich jedoch der Status: 6.254 Wird eine beteiligte KapGes. in eine PersGes. formgewechselt, führt dies nach der Verwaltungsauffassung zu einer rückwirkenden Umqualifikation mittelbarer Gesell575 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 7.3.2.2; Hofmann11, § 5 GrEStG Rz. 28; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 94 ff.; Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 26. 576 Vgl. Pahlke in Widmann/Mayer, Anhang 12 Rz. 26. 577 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.2.5. 578 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.1.

776 | Mörwald

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.257 Kap. 6

schafterwechsel (die sich bei einer beteiligten KapGes. erst ab Erreichen der 90 % Schwelle ausgewirkt hätten) in relevante Zählvorgänge.579 Die beteiligte Gesellschaft wird also rückwirkend so behandelt, als wäre sie schon immer eine PersGes. gewesen. Beim Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. verlieren die Gesellschafter der formgewechselten KapGes. nach der Verwaltungsauffassung ihre Eigenschaft als Altbzw. Neugesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft.580 Dies bisherige Eigenschaft als Alt- oder Neugesellschafter in Bezug auf die formgewechselte KapGes. soll jedoch fortgeführt werden. Relevante Gesellschafterwechsel bei der bisherigen PersGes. gelten demnach auch für die formgewechselte KapGes. als zu erfassende Gesellschafterwechsel, wenn diese im Zehnjahreszeitraum erfolgt sind.581

6.255

Die Verwaltungsauffassung zur Anwendung der § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG beim Formwechsel erscheint systematisch nicht vollständig konsistent und führt zu einigen kritikwürdigen Ergebnissen zu Lasten des Steuerpflichtigen.582 Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in Rz. 3.271 ff. verwiesen.

6.256

D. Fiktiver Formwechsel (Option nach § 1a KStG) Literatur: Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Broemel/Tigges, Das Ende der grunderwerbsteuerlichen ProKopf-Betrachtung, Ubg 2021, 257; Broemel/Tigges-Knümann, Grunderwerbsteuerfolgen der Option zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG, Ubg 2021, 521; Brühl, Neues zur Grunderwerbsteuer – Bekämpfung von „Share Deals“ und Flankierung des Optionsmodells, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, Die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der endgültigen Fassung des KöMoG, DStR 2021, 1617; Lange, Steuerbefreiungen bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 2b GrEStG-E, DStR 2019, 2348.

I. Hintergrund und Anwendungsfälle Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)583 wurde eine Option zur Körperschaftsteuer eingeführt, die es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ermöglicht, wie eine KapGes. besteuert zu werden (§ 1a KStG). Begleitend zur Einführung der Option nach § 1a KStG hat der Gesetzgeber auch Änderungen des Grunderwerbsteuerrechts in den §§ 5, 6 GrEStG veranlasst. Diese Än-

579 580 581 582 583

Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 5.2.5.2. Vgl. Broemel/Mörwald, DStR 2022, 1689 (1692 ff.). Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050.

Mörwald und Broemel | 777

6.257

Kap. 6 Rz. 6.257 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

derungen sollen grunderwerbsteuerlichen Gestaltungen unter Ausnutzung der Körperschaftsteueroption nach § 1a KStG entgegenwirken.584

6.258 §§ 5, 6 GrEStG befreien vereinfacht Grundstücksübertragungen zwischen Gesellschaftern (Gesamthändern) und der PersGes. (Gesamthand), an der sie beteiligt sind, und Übertragungen von einer PersGes. auf eine andere PersGes., soweit dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Die Steuerbefreiung kann dabei je nach Art des Übertragungsweges an eine zehnjährige Vorbehaltensfrist geknüpft sein. Zudem entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend, soweit sich der Anteil des Gesellschafters an der erwerbenden PersGes. innerhalb der zehnjährigen Nachbehaltensfrist vermindert. 6.259 Wenn ein PersGes. in eine KapGes. formgewechselt wird, kann im Anschluss an den Formwechsel die aus dem Formwechsel hervorgegangene KapGes. die grunderwerbsteuerlichen Befreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG nicht mehr in Anspruch nehmen (für detaillierte Darstellungen zum Formwechsel s. auch Rz. 6.202 ff.). Darüber hinaus führt der heterogene Formwechsel in eine KapGes. auch zu einem Verstoß gegen die Nachbehaltensfristen in §§ 5, 6 GrEStG, sofern diese für vergangene Grundstücksübertragungen noch nicht abgelaufen sind. 6.260 Beispiel 38: Die formgewechselte Personengesellschaft Gesellschafter der grundbesitzenden G KG ist zu 100 % die A GmbH und die vermögensmäßig nicht beteiligte B GmbH (nicht abgebildet). Im Jahr 1 überträgt die A GmbH ein Grundstück an die G KG. Im Jahr 3 wird ein Formwechsel der G KG in eine GmbH vorgenommen. Im Jahr 5 überträgt die A GmbH ein weiteres Grundstück auf die G GmbH und erwirbt ein Grundstück von der G GmbH.

A GmbH

A GmbH 100 %

100 %

G GmbH

G KG Jahr 1 Übertragung eines Grundstücks

Abb. 39

584 Vgl. BT Drucks. 19/29843, S. 48.

778 | Broemel

Jahr 3 Formwechsel

Jahr 5 Übertragung und Erwerb eines Grundstücks

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.265 Kap. 6 Die Übertragung des Grundstücks auf die G KG im Jahr 1 ist gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 GrEStG zu 100 % grunderwerbsteuerfrei. Der Formwechsel im Jahr 3 führt allerdings gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu einer rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung, da sich aufgrund des Formwechsels der Anteil der A GmbH am Vermögen der G KG innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf G KG auf 0 vermindert (gesamthänderische Mitberechtigung entfällt). Die Übertragung und der Erwerb der Grundstücke auf bzw. von der G GmbH im Jahr 5 sind nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG bzw. § 6 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da die G GmbH keine Gesamthand mehr ist.

Zivilrechtlich führt die Option zur Körperschaftsteuer zu keiner Änderung bei der PersGes., sodass einer optierenden Gesellschaft ohne gesetzgeberische Anpassungen weiterhin die Begünstigungen in §§ 5, 6 GrEStG uneingeschränkt zugestanden hätten. Der Gesetzgeber wollte allerdings nicht, dass die Option nach § 1a KStG gezielt eingesetzt wird, um grunderwerbsteuerliche Nachteile eines klassischen Formwechsels zu umgehen. Aus diesem Grund wurden einzelne Regelungen in §§ 5, 6 GrEStG aufgenommen, die auf Sachverhalte gerichtet sind, in denen die Option nach § 1a KStG in Anspruch genommen wird.585

6.261

Der Gesetzgeber möchte für Zwecke der Grunderwerbsteuer optierende Gesellschaften offensichtlich nicht KapGes. gleichsetzen. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber auch schlicht regeln können, dass optierende Gesellschaften im Anwendungsbereich von §§ 5, 6 GrEStG wie KapGes. zu behandeln sind. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Anwendung von §§ 5, 6 GrEStG für optierende Gesellschaften aber nicht gänzlich ausschließt, sondern nur zusätzliche (zeitliche) Voraussetzungen einführt, lässt zusammen mit der Gesetzesbegründung darauf schließen, dass er lediglich solche Gestaltungen verhindern wollte, in denen die Option nach § 1a KStG einem echten Formwechsel allein aus grunderwerbsteuerlichen Gründen vorgezogen wird.

6.262

II. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen auf eine Gesamthand (§ 5 GrEStG) § 5 GrEStG wurde durch das KöMoG einerseits dahingehend geändert, dass beim Übergang von Grundbesitz auf eine Gesamthand keine Begünstigung gewährt wird, wenn die erwerbende Gesamthand zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG optiert hat, es sei denn, die Option liegt bereits 10 Jahre zurück und die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht länger als 10 Jahre (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG, § 5 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).

6.263

Der Gesetzgeber unterbindet mit diesen Regelungen also Grundstücksübertragungen auf eine PersGes. im zeitlichen Zusammenhang mit der Option nach § 1a KStG, offenbar weil er in diesen Fällen typisierend von einer Missbrauchsabsicht ausgeht.

6.264

Zusätzlich stellt der Gesetzgeber die Ausübung der Option nach § 1a KStG einem sperrfristschädlichen Wegfall der Gesamthandsbeteiligung gleich. Sofern Grundbesitz auf eine Gesamthand unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG übertragen wurde, und für diese Gesellschaft innerhalb der Nach-

6.265

585 Vgl. BT-Drucks, 19/29843 v. 19.5.2021, S. 48.

Broemel | 779

Kap. 6 Rz. 6.265 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

behaltensfrist nach § 5 Abs. 3 GrEStG zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG optiert wird, gilt dies als eine schädliche Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand (§ 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG). In der Folge kommt es zu einer rückwirkenden Versagung der zunächst gewährten Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 GrEStG. Die Besteuerungsfolgen sind insoweit vergleichbar mit den Rechtsfolgen eines klassischen Formwechsels (s. Beispiel 38, Rz. 6.260).

6.266 Dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 GrEStG nach kommt es allein darauf an, ob die den Grundbesitz übernehmende Gesellschaft die Option nach § 1a KStG gewählt hat. Bislang noch ungeklärt ist, wie mit Doppelstockstrukturen aus PersGes. umzugehen ist. Wenn z.B. in einer Doppelstockstruktur aus PersGes. Grundbesitz vom Gesellschafter der Obergesellschaft auf eine Untergesellschaft übertragen wird, die nicht nach § 1a KStG optiert hat, könnte die Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 2 GrEStG auch zu gewähren sein, wenn die Obergesellschaft nach § 1a KStG optiert hat.586 6.267 Beispiel 39: Übertragung in einer Doppelstockstruktur mit optierender Obergesellschaft Die A GmbH hält ein Grundstück. Sie ist zu 100 % an der B KG beteiligt, die nach § 1a KStG optiert hat. Die B KG ist zu 100 % an der G KG beteiligt, welche nicht nach § 1a KStG optiert hat. Die A GmbH überträgt das Grundstück auf die G KG.

A GmbH 100 %

B KG

Optiert gem. § 1a KStG

100 %

G KG

Nicht optiert gem. § 1a KStG

Abb. 40

586 Vgl. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673 (1677 f.).

780 | Broemel

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.271 Kap. 6 Die Übertragung des Grundstücks auf die G KG dürfte gem. § 5 Abs. 2 GrEStG zu 100 % von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Der Umstand, dass die B KG als Muttergesellschaft der G KG nach § 1a KStG optiert hat, steht nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG der Steuerbefreiung nicht entgegen. Denn die Regelung stellt nur darauf ab, ob die den Grundbesitz erhaltende Gesellschaft die Option gewählt hat. Die G KG hat jedoch nicht nach § 1a KStG optiert.

Die vorskizzierte Besonderheit bei Doppelstockstrukturen lässt sich auch gestalterisch nutzen, um eine ertragsteuerliche Besteuerungssituation herzustellen, die der Übertragung des Grundbesitzes auf eine nach § 1a KStG optierte KapGes. entspricht. Letzteres könnte erreicht werden, wenn die Untergesellschaft als sog. Treuhand KG ausgestaltet wird, die ertragsteuerlich nicht existent ist.587

6.268

Die Treuhand KG zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine ertragsteuerliche Mitunternehmerschaft darstellt, da sie keine zwei Mitunternehmer hat. Letzteres wird in der Praxis regelmäßig dadurch erreicht, dass eine Kommandit-GmbH mit nur einer geringfügigen Beteiligung ausgestattet wird, welche sie zudem treuhänderisch für den die restlichen Anteile an der PersGes. haltenden Komplementär hält. Die Kommanditistin ist in diesem Fall eine Gesellschafterin, aber ertragsteuerliche Mitunternehmerin. Da die Treuhand KG keine Mitunternehmerschaft darstellt, wird ihr Vermögen steuerlich anteilig den Gesellschaftern zugerechnet. Dies ist der Komplementär der Treuhand KG. Eine Übertragung von Grundbesitz auf die Treuhand KG stellt daher ertragsteuerlich eine Übertragung auf den Komplementär dar.

6.269

Wenn der Komplementär eine KG ist, die nach § 1a KStG optiert hat, kann die Übertragung auf eine nicht optierte Treuhand KG jedenfalls dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG nach genutzt werden, um eine Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 2 GrEStG zu erlangen, und dabei ertragsteuerlich eine Übertragung auf den Komplementär zu erreichen.

6.270

Beispiel 40: Übertragung in einer Doppelstockstruktur mit optierender Obergesellschaft588 Die A GmbH hält ein Grundstück. Sie ist zu 100 % an der G KG beteiligt, die nach § 1a KStG optiert hat. Die G KG ist als Komplementärin zu 99,9 % an der B KG beteiligt, welche nicht nach § 1a KStG optiert hat. Die G KG ist zudem zu 100 % an der T GmbH beteiligt. Die T GmbH hält als Kommanditistin die verbleibenden 0,01 % an der B KG treuhänderisch für die G KG. Die A GmbH überträgt das Grundstück auf die G KG.

6.271

587 Vgl. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673 (1677 f.). 588 Vgl. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673 (1677 f.).

Broemel | 781

Kap. 6 Rz. 6.271 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

A GmbH 100 %

B KG

Optiert gem. § 1a KStG 100 %

99,9 % T GmbH 0,01 % (Treuhand für G KG) G KG

Nicht optiert gem. § 1a KStG

Abb. 41 Die Übertragung des Grundstücks auf die G KG dürfte gem. § 5 Abs. 2 GrEStG zu 100 % von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Der Umstand, dass die B KG als Muttergesellschaft der G KG nach § 1a KStG optiert hat, steht dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 GrEStG der Steuerbefreiung nicht entgegen. Denn die Regelung stellt nur darauf ab, ob die den Grundbesitz erhaltene Gesellschaft die Option gewählt hat. Die G KG hat jedoch nicht nach § 1a KStG optiert. Ertragsteuerlich stellt die Übertragung eine Übertragung des Grundstücks durch die A GmbH auf die G KG dar, da die B KG als sog. Treuhand KG ertragsteuerlich nicht existent ist.

6.272 Die vorbeschriebene Steuerbefreiung ist hingegen wohl nicht zu gewähren, wenn die Obergesellschaft erst im Nachgang zur Übertragung des Grundbesitzes auf die Untergesellschaft zur Besteuerung nach § 1a KStG optiert. Denn § 5 Abs. 3 Satz 3 GrEStG sieht vor, dass die Ausübung der Option nach § 1a KStG als Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand gilt, wenn die Option innerhalb der Nachbehaltensfrist ausgeübt und wirksam wird. Die Regelung bezieht sich dabei nicht ausdrücklich auf die Gesamthand, die das Grundstück erworben hat. Stattdessen nimmt sie Bezug auf § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG und stellt heraus, dass die Option nach § 1a KStG für die Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG als Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand gilt. Eine Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG läge in diesem Fall aber auch vor, wenn für die Obergesellschaft

782 | Broemel

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.274 Kap. 6

ein Formwechsel in eine KapGes. erfolgen würde.589 Daher dürfte auch die Option der Obergesellschaft zu § 1a KStG während der Nachbehaltensfrist eine für die Steuerbefreiung schädliche Verminderung des Anteils des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand darstellen. III. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen von der Gesamthand auf Gesellschafter (§ 6 Abs. 2 GrEStG) Die Befreiung in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG, nämlich die Begünstigung von Grundbesitzübergängen von einer Gesamthand auf den oder auf die Gesellschafter, wurde durch das KöMoG nicht eingeschränkt. D.h. auch nach einer Option zu § 1a KStG ist die Übertragung eines Grundstücks von der optierenden Gesellschaft auf den oder die Gesellschafter nach § 6 GrEStG steuerfrei möglich, wenn und soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, also insbesondere die Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG eingehalten wird. Die Option nimmt auch keinen Einfluss auf die Berechnung der Vorbehaltensfrist. In Sachverhalten, in denen aus ertragsteuerlichen Gründen ein Formwechsel angestrebt wird, aber perspektivisch auch eine Grundstücksübertragung auf einen Gesellschafter erfolgen soll, kann die Option daher im Vergleich zu einem echten Formwechsel vorteilhaft sein.590

6.273

Beispiel 41: Der perspektivisch geplante Erwerb Gesellschafter der grundbesitzenden G KG sind der A zu 80 % und der B zu 20 %. A hat seinen Anteil vor vier Jahren erworben. A und B würden gerne einen Formwechsel der G KG in eine GmbH vornehmen oder zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG optieren. Es ist geplant, dass A ein Grundstück der C KG erwirbt, sobald er die zehnjährige Vorbehaltensfrist gem. § 6 Abs. 4 GrEStG erfüllt.

6.274

A Perspektivisch geplanter Erwerb

B

80 %

20 % G KG

Abb. 42 Sofern ein Formwechsel der G KG vorgenommen wird, greift für den Erwerb des Grundstückes durch A nicht mehr die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 2 GrEStG. Bei einer Option gem. § 1a KStG kann A weiterhin unter Ausnutzung des § 6 Abs. 2 GrEStG das Grundstück anteilig 589 Vgl. in diesem Sinne auch BFH v. 25.9.2013 – II R 17/12, BStBl. II 2014, 268; Viskorf in Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 94 ff. 590 Vgl. Broemel/Tigges-Knümann, Ubg 2021, 521 (523).

Broemel | 783

Kap. 6 Rz. 6.274 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen von der Grunderwerbsteuer befreit erwerben, sobald er die Vorbehaltensfrist gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG erfüllt.

IV. Auswirkung der Option nach § 1a KStG auf Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften (§ 6 Abs. 3 GrEStG)

6.275 § 6 GrEStG wurde dahingehend geändert, dass bei einem Übergang von Grundbesitz von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand keine Begünstigung gewährt wird, wenn die erwerbende Gesamthand optiert hat und die übertragende Gesamthand nicht optiert hat, es sei denn, die Ausübung der Option liegt bereits 10 Jahre zurück und die jeweilige Beteiligung am Vermögen der Gesamthand besteht länger als 10 Jahre (§ 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG). Übertragende Gesellschaft Übertragende Gesellschaft hat optiert hat nicht optiert Übernehmende Gesellschaft hat optiert

Begünstigt

Nur mit 10-jähriger Sonderfrist (§ 6 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GrEStG)

Übernehmende Gesellschaft hat nicht optiert

Begünstigt

Begünstigt

6.276 Positiv ausgedrückt wird die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs 3 GrEStG damit nicht eingeschränkt, wenn die übertragende PersGes. nach § 1a KStG optiert hat, während die übernehmende Gesellschaft nicht optiert hat. Auch in dem Fall, dass sowohl die übertragende als auch die übernehmende PersGes. zur Besteuerung nach § 1a KStG optiert haben, ist die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG hiervon nicht betroffen. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn ein bereits in einer Gesamthand befindliches Grundstück auf eine optierende Gesellschaft übertragen werden soll und seit der Option erst weniger als 10 Jahre vergangen sind. Die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG kann dann erreicht werden, wenn die übertragende Gesamthand zunächst ebenfalls nach § 1a KStG optiert. Zu beachten ist dabei natürlich, dass die Option bei der übertragenden Gesamthand zu keinen steuerlichen Nachteilen führt. Die Option der übertragenden Gesamthand ist unproblematisch, wenn das Grundstück ohne eine Befreiung nach § 5 GrEStG erworben wurde oder seit der begünstigten Übertragung die grunderwerbsteuerliche Nachbehaltensfrist abgelaufen ist. Ob bei der grunderwerbsteuerlichen Nachbehaltensfrist hierbei auf eine fünfjährige oder zehnjährige Frist abzustellen ist, hängt davon ab, wann die Grundstücksübertragung erfolgt ist. Wenn die fünfjährige Frist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG aF vor dem 1.7.2021 abgelaufen war, dürft die Option nach § 1a KStG unschädlich sein. Dies ist auch im Vergleich zum klassischen Formwechsel sachgerecht, da Letzterer ebenso folgenlos bliebe. Wenn die Nachbehaltensfrist noch nicht am 1.7.2021 abgelaufen war und sich daher die laufende Frist auf zehn Jahre verlängert hat (§ 23 Abs. 24 GrEStG), gilt der Zehnjahreszeitraum entsprechend auch für die Option nach § 1a KStG.591 591 Vgl. Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617 (1619).

784 | Broemel

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.279 Kap. 6 Beispiel 42: Option der abgebenden Gesellschaft vor Übertragung Gesellschafter der grundbesitzenden G KG sind der A zu 80 % und der B zu 20 %. Die G KG hat den Grundbesitz vor einigen Jahren von einem Dritten grunderwerbsteuerpflichtig erworben. An der C KG sind A und B ebenfalls zu 80 % bzw. 20 % beteiligt. Die C KG hat nach § 1a KStG optiert. Der Grundbesitz soll nun an die C KG verkauft werden.

6.277

Der Verkauf des Grundbesitzes von der G KG auf die C KG ist in der Ausgangskonstellation nicht von § 6 Abs. 3 GrEStG begünstigt, da die G KG nicht nach § 1a KStG optiert hat, während die C KG dies getan hat. Sofern die G KG vor dem Grundstücksverkauf nach § 1a KStG optiert, wird die Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG hingegen gewährt.

Abweichend von der vergleichbaren Regelung zur Nachbehaltensfrist in § 5 Abs. 3 GrEStG war vom Gesetzgeber zunächst nicht vorgesehen, dass eine Option innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 GrEStG, d.h. nach einer begünstigten Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, eine schädliche Verminderung des Anteils an der erwerbenden Gesellschaft darstellt. Hieraus resultierte für Steuerpflichtige, die ein Grundstück auf eine PersGes. übertragen wollen, die zukünftig die Option nach § 1a KStG wählen soll, die Möglichkeit, die Übertragung trotz der Einschränkungen in § 5 GrEStG grunderwerbsteuerfrei vorzunehmen. Erforderlich war hierfür, dass das Grundstück zunächst auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft übertragen wird und anschließend von dort auf die Zielgesellschaft übertragen wird.592 Die fehlende Berücksichtigung der Option nach § 1a KStG als Nachbehaltensfristverstoß stellte allerdings offenbar ein Versehen und keine Absicht des Gesetzgebers dar. Durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)593 wurde § 6 Abs. 3 GrEStG dahingehend ergänzt, dass die Ausübung der Option nach § 1a KStG innerhalb der zehnjährigen Nachbehaltensfrist als schädliche Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand gilt.

6.278

V. Auswirkung der Option § 1a KStG auf die weiteren Regelungen des Grunderwerbsteuerrechts 1. Bedeutung für die Ergänzungstatbestände a) Einfluss auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a/2b GrEStG Der Gesetzgeber hat sich bei den Anpassungen des Grunderwerbsteuergesetzes für optierende Gesellschaften auf die Befreiungsnormen in §§ 5, 6 GrEStG beschränkt. Im Hinblick auf die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG wird eine optierte Gesellschaft vollständig als PersGes. behandelt. Während bei einem klassischen Formwechsel einer PersGes. in eine KapGes. der § 1 Abs. 2b GrEStG an Stelle des § 1 Abs. 2a GrEStG Anwendung findet, bleibt es bei einer Option gem. § 1a KStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG.594 Seit Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG595 sowie unter Berücksichtigung der jüngsten BFH-Rechtsprechung

592 593 594 595

Vgl. Broemel/Tigges-Knümann, Ubg 2021, 521 (523). Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294. Vgl. auch Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986.

Broemel | 785

6.279

Kap. 6 Rz. 6.279 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

zur Abschaffung der sog. Pro-Kopf-Betrachtung in § 1 Abs. 3 GrEStG596 bestehen bei der Anwendung der Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG aber ohnehin keine größeren Unterschiede mehr zwischen PersGes. und KapGes., sodass die Option hinsichtlich der Ergänzungstatbestände im Grundsatz keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem echten Formwechsel aufweisen dürfte.597

6.280 Kleinere Abweichungen zwischen PersGes. und KapGes. bestehen indes bei der Berechnungsmethodik zur Ermittlung der Quote in mehrstufigen Strukturen: § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG sehen jeweils unterschiedliche Methoden in Abhängigkeit davon vor, ob die zwischengeschaltete Gesellschaft eine PersGes. oder eine KapGes. ist. Bei PersGes. sind Gesellschafterwechsel durchzurechnen, während bei beteiligten KapGes. alle Anteile als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen gelten, wenn 90 % der Anteile an der KapGes. auf Neugesellschafter übergegangen sind. Insoweit kann im Einzelfall eine PersGes. günstiger als eine KapGes. sein oder andersherum.598 In Einzelfällen kann die Option nach § 1a KStG daher gegenüber einem Formwechsel vorteilhaft sein. 6.281 Die Neutralität der Option für Zwecke des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG kann auch im Kontext der geänderten Verwaltungsauffassung zu Formwechseln vorteilhaft sein. Während die Verwaltung in der Vergangenheit Rechtsansichten zu § 1 Abs. 2a GrEStG vertrat, die den Formwechsel attraktiv machten599, nimmt die Verwaltung in den jüngsten Erlassen zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG nun Rechtspositionen ein, die sehr nachteilig für den Steuerpflichtigen sind (s. hierzu auch Rz. 3.276 ff.). In den neuen Erlassen ist etwa abweichend vom bisherigen Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vorgesehen, dass bei einem Formwechsel der grundbesitzenden Gesellschaft die Gesellschafter ihre bisherige Alt- bzw. Neugesellschafterstellung gegenüber der formgewechselten Gesellschaft fortführen. Vor dem Formwechsel erfolgte Gesellschafterwechsel gelten damit nach Verwaltungsansicht auch für die formgewechselte Gesellschaft als relevante Gesellschafterwechsel.600 Ob und inwieweit die Auffassung der Finanzverwaltung auch von der Rechtsprechung gestützt wird, ist derzeit nicht abzusehen. Nachteilig dürfte der Formwechsel auch unter dem Gesichtspunkt sein, dass die Finanzverwaltung vertritt, dass ein bisher über eine PersGes. beteiligter, mittelbarer Altge-

596 Vgl. BFH v. 27.5.2020 – II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; s. auch Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257 ff. 597 Vgl. Broemel/Tigges-Knümann, Ubg 2021, 521 (523). 598 Vgl. Broemel/Tigges-Knümann, Ubg 2021, 521 (524). 599 So etwa galten bei einer grundbesitzenden KapGes., die in eine PersGes. umgewandelt wurde, alle Gesellschafter der formgewechselten PersGes. als Altgesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG (vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 Tz. 5.2.5.1). Die Eröffnung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG führte mithin dazu, dass alle Gesellschafter für diesen Tatbestand als Altgesellschafter zu klassifizieren waren und Gesellschafterwechsel erst nach dem Formwechsel berücksichtigt wurden. 600 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.2.5.1.

786 | Broemel

D. Fiktiver Formwechsel | Rz. 6.284 Kap. 6

sellschafter seine Altgesellschafterstellung verliert, wenn die beteiligte PersGes. in eine KapGes. formgewechselt wird (s. hierzu auch Rz. 3.278 ff.).601 b) Einfluss auf die Anwendung von § 1 Abs. 3/3a GrEStG Im Hinblick auf die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG wird eine optierte Gesellschaft als PersGes. behandelt. Dies dürfte jedoch keine praktische Bedeutung haben, denn unter Berücksichtigung der jüngsten BFHRechtsprechung zur Abschaffung der Pro-Kopf-Betrachtung602 bestehen bei der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG keine größeren Unterschiede mehr zwischen PersGes. und KapGes. Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3a GrEStG werden PersGes. und KapGes. seit Einführung der Norm ohnehin gleichbehandelt. Die Option gem. § 1a KStG dürfte insoweit keine signifikanten Vor- oder Nachteile gegenüber dem echten Formwechsel haben.

6.282

2. Bedeutung für die Steuerbefreiungen gem. § 3 GrEStG Unterschiede zwischen einem Formwechsel und der Option nach § 1a KStG können sich auch in Bezug auf die Anwendung von personenbezogenen Steuerbefreiungen bei späteren Erwerbsvorgängen ergeben. Hier gilt es, die einzelnen Befreiungstatbestände gesondert zu betrachten.

6.283

Für die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 2 GrEStG erheben sich keine Unterschiede. Zwar erschien bei der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG zunächst unsicher, ob nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG fallen können.603 Im jüngsten Erlass zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG bestätigte die Finanzverwaltung jedoch, dass § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung findet, soweit die Anteile der grundbesitzenden KapGes. durch Schenkung unter Lebenden i.S.d. ErbStG übertragen werden.604 Dies ist indes auch sachgerecht, da die Befreiung in § 3 Nr. 2 GrEStG im Kern eine Doppelbelastung eines Übertragungsvorganges mit Erbschafts- bzw. Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits vermeiden soll.605 Diese drohende Doppelbesteuerung ergibt sich aber unabhängig davon, ob die PersGes., deren Anteile unentgeltlich übertragen werden, zur Besteuerung nach § 1a KStG optiert hat. Vor diesem Hintergrund ist die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG unabhängig davon zu gewähren, ob eine Option nach

6.284

601 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und 821, jeweils Tz. 5.2.5.2. 602 Vgl. BFH, Urt. v. 27.5.2020, II R 45/17, BStBl. II 2021, 315; s. auch Broemel/Tigges, Ubg 2021, 257 ff. 603 Hintergrund hierfür war insbesondere, dass die Gesetzesbegründung darauf hindeutete, dass personenbezogene Steuerbefreiungen nicht auf nach § 1 Abs. 2b GrEStG steuerbare Vorgänge anwendbar sind. In der Rechtsprechung wird aber auch § 3 Nr. 2 GrEStG zu den personenbezogenen Steuerbefreiungen gezählt. Siehe hierzu auch detailliert Lange, DStR 2019, 2348. 604 Vgl. gleich lautende Ländererlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG v. 10.5.2022, Tz. 9. 605 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 117.

Broemel | 787

Kap. 6 Rz. 6.284 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

§ 1a KStG oder ein klassischer Formwechsel vorgenommen wird.606 Ein Vor- oder Nachteil ergibt sich durch die Option mithin nicht.

6.285 Bei Grundstückserwerben durch oder von PersGes. sowie in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG sind zudem die Besonderheiten der interpolierenden Betrachtung zu beachten.607 Dies könnten ggf. zu einem Vorteil einer Option nach § 1a KStG gegenüber einem klassischen Formwechsel führen. Durch die Kombination mit dem Transparenzgedanken der §§ 5 und 6 GrEStG werden die Eigenschaften der Gesellschafter i.S.d. § 3 GrEStG anteilig der PersGes. zugerechnet (s. hierzu auch Rz. 4.16 ff.). Insbesondere die Befreiungen gem. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG können auf die vorgenannten Erwerbsvorgänge anzuwenden sein.608 Die interpolierende Betrachtungsweise gilt jedoch nur für PersGes., eine Zurechnung personenbezogener Eigenschaften der Gesellschafter erfolgt bei KapGes. nicht.609 Für Familiengesellschaften könnte die Option nach § 1a KStG daher je nach Lage des Einzelfalls ggf. zusätzliche Attraktivität gegenüber einem klassischen Formwechsel haben.610 Dabei ist bisher jedoch ungeklärt, ob und inwieweit die in §§ 5, 6 GrEStG eingefügten Beschränkungen für optierte Gesellschaften auf die interpolierende Betrachtungsweise durchschlagen könnten.

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung Literatur: Behrens in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, Kapitel 22 Grunderwerbsteuer; Behrens, Anmerkungen zum koordinierten Länder-Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25. 2. 2010, DStR 2010, 777; Ege/ Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaftern, DStR 2012, 2442; Lieder/Hilser, Das Internationale Personengesellschaftsrecht des MoPeG, ZHR 2021, 471; Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2023; Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands, 5. Aufl. 2022.

I. Ausländische Gesellschaftsformen und Grunderwerbsteuer

6.286 Sachlicher Anknüpfungspunkt sämtlicher Grunderwerbsteuertatbestände ist das Vorhandensein inländischer Grundstücke (s. § 1 Abs. 1, 2, 2a, 2b, 3, 3a GrEStG). Für die Gesellschaft, in deren Vermögen sich das Grundstück ggf. befindet, wird hingegen kein Inlandsbezug verlangt. Als Rechtsträger i.S.d. GrEStG werden deshalb auch ausländische Gesellschaftsformen anerkannt.611

606 S. hierzu auch detailliert Lange, DStR 2019, 2348. 607 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 33, 40. 608 Vgl. zur Anwendung in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG: gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314, Tz. 8.2 zur Anwendung bei § 1 Abs. 2a GrEStG; weitere Beispiele bei Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 42. 609 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 3 GrEStG Rz. 39. 610 Vgl. Broemel/Tigges-Knümann, Ubg 2021, 521 (524). 611 Vgl. BFH v. 29.6.2016 – II R 14/12, BFH/NV 2017, 1 Rz. 25.

788 | Broemel und Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.289 Kap. 6

Da die Grunderwerbsteuer nicht rechtsformneutral ist, sondern Spezialregeln für PersGes. (insbesondere § 1 Abs. 2a GrEStG) bzw. Gesamthandsgemeinschaften (insbesondere §§ 5, 6 GrEStG) und KapGes. (insbesondere § 1 Abs. 2b GrEStG) vorsieht, ist für ausländische Rechtsformen eine Einordnung notwendig. Die Finanzverwaltung stellt bei der Qualifikation als „Personengesellschaft“ darauf ab, ob „deren rechtliche Struktur den inländischen Personengesellschaft entspricht“612 und wendet hierbei die ertragsteuerlichen Typenvergleichsgrundsätze (sog. „LLC-Erlass“) an.613 Die Einordnung erfolgt im Rahmen einer gewichtenden Gesamtbetrachtung614 verschiedener Kriterien.615 Der Rückgriff auf den LLC-Erlass ist naheliegend, da keine eigenständigen grunderwerbsteuerlichen Einordnungskriterien existieren. Grunderwerbsteuerlich bedeutsame Merkmale wie die Vermögensordnung der Gesellschaft bleiben bei diesem für ertragsteuerliche Zwecke entworfenen Kriterienkatalog aber außer Betracht. Insbesondere der Frage, ob die betreffende Gesellschaft über ein Gesamthandsvermögen verfügt, kommt im Rahmen der Beurteilung keine Bedeutung zu. Dies hat die bemerkenswerte Konsequenz, dass als „Gesamthand“ im Sinne der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG auch solche ausländischen PersGes. qualifiziert werden können, die über gar kein Gesamthandsvermögen verfügen.616

6.287

Die Abgrenzung, ob ein Rechtsträger als „KapGes.“ für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG zu erfassen ist, ist ebenfalls durch Typenvergleich vorzunehmen.617

6.288

Neben einer ausländischen Rechtsform sind – soweit das jeweils einschlägige Gesellschaftsrecht dies zulässt (dazu nachfolgend unter Rz. 6.296 ff.) – auch Gesellschaften deutscher Rechtsform denkbar, die ihren (Verwaltungs-)Sitz im Ausland haben. Für grunderwerbsteuerliche Zwecke ist jeweils nur relevant, ob sich im Vermögen dieser Gesellschaften ein inländisches Grundstück befindet. Dementsprechend hat es auch keine grunderwerbsteuerlichen Folgen, wenn eine Gesellschaft ihren Sitz identitätswahrend in einen anderen Staat verlegt. Anders verhält es sich demgegenüber, wenn die Sitzverlegung zur Auflösung der Gesellschaft und Neugründung nach dem Recht des Zuzugsstaats führt. Wann dies der Fall ist, wird nachfolgend systematisiert.

6.289

612 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 2; gleich lautende Ländererlasse v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2. 613 Vgl. BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411 („LLC-Erlass“) Tz. V. S. expliziter Verweis in gleich lautender Erlass betr. §§ 5, 6 GrEStG v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1334 Tz. 2. Nach Auffassung von Behrens, DStR 2010, 777 (787) sollten diese Grundsätze nicht nur für die §§ 5, 6 GrEStG, sondern auch im Rahmen von § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG Anwendung finden. 614 Vgl. BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411 („LLC-Erlass“) Tz. V. 615 Die nach Tz. IV. des LLC-Erlasses maßgeblichen Kriterien sind folgende: „1. Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung […] 2. Beschränkte Haftung […] 3. Freie Übertragbarkeit der Anteile […] 4. Gewinnzuteilung […] 5. Kapitalaufbringung […] 6. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft […] 7. Gewinnverteilung […] 8. Formale Gründungsvoraussetzungen […] 9. Sonstige Kriterien […]“ 616 Vgl. Behrens, DStR 2010, 777 (787). 617 Vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 969; gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 2.

Mörwald | 789

Kap. 6 Rz. 6.290 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

II. Grunderwerbsteuerliche Relevanz der Sitzverlegung (Überblick)

6.290 Bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Grundstücksgesellschaft ist grundsätzlich zwischen dem Wegzug der aus Deutschland ins Ausland, dem Zuzug der aus dem Ausland nach Deutschland und der Sitzverlegung zwischen zwei ausländischen Jurisdiktionen zu unterscheiden. Innerhalb dieser drei Konstellationen ist jeweils zwischen der Verlagerung des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes, dem EU/ EWR-Ausland und Drittstaaten sowie der Rechtsform der Gesellschaft zu differenzieren, so dass sich eine Vielzahl zu unterscheidender Konstellationen ergibt. 6.291 Die Sitzverlegung einer Gesellschaft hat je nach Konstellation unterschiedliche rechtliche Folgen: – Fortbestand in der Gründungsrechtsform (z.B. bei Verlagerung des Verwaltungssitzes einer GmbH in das EU/EWR-Ausland) – Formwechsel in eine Gesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaats (z.B. „Zwangs-Formwechsel“ einer Drittstaaten-KapGes. in eine deutsche PersGes. bei Zuzug nach Deutschland) – Auflösung und Neugründung der Gesellschaft (z.B. bei Satzungssitzverlegung in einen Drittstaat)

6.292 Maßstab für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung ist, ob der Vorgang zu einem Rechtsträgerwechsel führt. Soweit die grenzüberschreitende Sitzverlegung identitätswahrend erfolgt, ist dies grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Es kommt zu keinem Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des inländischen Grundbesitzes und auch die Gesellschaftsstruktur und der Gesellschafterbestand bleiben gleich. 6.293 Auch der grenzüberschreitende Formwechsel, der grunderwerbsteuerlich wie der inländische Formwechsel zu beurteilen ist (dazu Rz. 6.202 ff.), bewirkt keinen Rechtsträgerwechsel. Dies gilt gleichermaßen für den „Zwangs-Formwechsel“ beim Zuzug einer Drittstaaten-KapGes. (dazu Rz. 6.318).618 Ein grunderwerbsteuerbarer Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG kann nach h.M. vorliegen, wenn die Sitzverlegung einer Grundstücksgesellschaft zu deren zivilrechtlicher Auflösung und Neugründung im Zuzugsstaat führt (dazu Rz. 6.309).619 6.294 Indirekte Besteuerungsfolgen können sich ergeben, wenn z.B. eine ausländische KapGes. durch Zuzug zu einer deutschen PersGes. wird und fortan unter § 1 Abs. 2a GrEStG (statt § 1 Abs. 2b GrEStG) oder bei zwischengeschalteten Gesellschaften unter § 1 Abs. 2a/2b Satz 2 (statt Sätze 3 bis 5) GrEStG fällt. Darüber hinaus kann die Sitz-

618 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 12; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 62; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 28; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.12; Behrens in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Rz. 22.147; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG, § 1 GrEStG Rz. 65.2. 619 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 57; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 25; Behrens in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Rz. 22.154; a.A. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.11 und 11.13.

790 | Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.297 Kap. 6

verlegung einer an einer Grundstücksgesellschaft beteiligten Gesellschaft in bestimmten Ausnahmefällen zu einem nach den Ergänzungstatbeständen § 1 Abs. 2a, Abs. 2b oder Abs. 3 GrEStG relevanten Gesellschafterwechsel führen (dazu Rz. 6.325 ff.). Die grunderwerbsteuerlichen Folgen der Sitzverlegung richten sich (ausschließlich) nach deren zivilrechtlicher Einordnung. Die verschiedenen Fallgruppen werden nachfolgend systematisiert.

6.295

III. Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften 1. Wegzug einer deutschen Gesellschaft ins Ausland a) Personengesellschaft (Rechtslage vor MoPeG) Verlegt eine nach deutschem Recht gegründete PersGes. ihren Satzungssitz ins Ausland, kann sie als solche nicht fortbestehen,620 was nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Cartesio europarechtlich nicht zu beanstanden ist.621 Der Wegzugsstaat darf aber einen nach dem Recht des Zuzugsstaats ggf. möglichen grenzüberschreitenden Formwechsel nicht behindern, indem er die Auflösung und Neugründung der Gesellschaft verlangt.622 Dies gilt nach der Entscheidung in der Rs. Polbud auch dann, wenn allein der Satzungssitz (und nicht zugleich auch der Verwaltungssitz) verlegt wird.623 Die Satzungssitz einer PersGes. kann somit im EU/EWR-Gebiet identitätswahrend (und somit ohne Anfall von Grunderwerbsteuer) verlegt werden, sofern der Zuzugsstaat die Möglichkeit eines Formwechsels in eine PersGes. seines Rechts ermöglicht. Fehlt es an dieser Möglichkeit oder wird der Satzungssitz in einen Drittstaat verlegt, kommt es zur Auflösung der Gesellschaft.

6.296

In der Rechtslage bis 31.12.2023 (vor Inkrafttreten des MoPeG624) ist für PersGes. keine Unterscheidung von Satzungs- und Verwaltungssitz vorgesehen. Stattdessen ist bei OHG und KG im Handelsregister der Sitz und eine inländische Geschäftsanschrift anzumelden (§ 106 Abs. 2 Nr. 2, 161 Abs. 2 HGB). Vor diesem Hintergrund ist umstritten, ob der Sitz unabhängig vom Ort der Hauptverwaltung gewählt werden kann.625 Jedenfalls für das EU-/EWR-Gebiet wird aufgrund der Vorgaben der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) für möglich gehalten, dass eine deutsche PersGes. einen ausländischen Verwaltungssitz haben kann.626 Teilweise wird dies auch

6.297

620 Vgl. Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 143; Henssler in Henssler/Strohn5, § 105 HGB Rz. 198 f.; Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn4, § 105 HGB Rz. 379 m.w.N. 621 Vgl. EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723, Rz. 110. 622 Vgl. EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723, Rz. 112. 623 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud Wykonawstwo sp. zo. o., ECLI:EU: C:2017:804. 624 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BGBl. I 2021, 3436. 625 Verneinend OLG Schleswig v. 14.11.2011 – 2 W 48/11, GmbHR 2012, 800; befürwortend Lieder in Oetker7, § 106 HGB Rz. 23; Langhein in MünchKomm.HGB5, § 106 HGB Rz. 30 m.w.N. 626 Vgl. Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas5, § 106 HGB Rz. 11; Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 139; Henssler in Henssler/Strohn5, § 105 HGB Rz. 197.

Mörwald | 791

Kap. 6 Rz. 6.297 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

für den Wegzug in einen Drittstaat vertreten.627 Verneint man diese Möglichkeit, wäre von der Auflösung der Gesellschaft auszugehen.

6.298 Die Auflösung der Gesellschaft ist kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang, jedoch könnte im Übergang auf eine im Zuzugsstaat nach dessen Recht neu gegründete PersGes. ein grunderwerbsteuerbarer Rechtsträgerwechsel gesehen werden.628 Gegen eine Steuerbarkeit lässt sich jedoch einwenden, dass auch bei Auflösung und Neugründung nur ein Wechsel des Rechtskleids erfolgt, der gerade nicht auf die Übertragung von (Grund-)Vermögen gerichtet ist.629 6.299 Bei Annahme eines steuerbaren Vorgangs sind die gesamthandsbezogenen Steuerbefreiungen zu prüfen: Soweit die ausländische Rechtsform der neuen Gesellschaft nach Typenvergleichskriterien einer deutschen PersGes. entspricht (s. Rz. 6.287), ist der Vorgang aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG von der Besteuerung auszunehmen, da ein Übergang auf eine „andere Gesamthand“ vorliegt.630 6.300 Beispiel 43: Die grundstücksbesitzende G OHG mit Sitz im Inland verlegt vor dem 1.1.2024 den Ort ihrer Geschäftsleitung in die Schweiz. Die OHG kann nach bislang h.M. nicht als deutsche PersGes. fortbestehen und ist aufzulösen und nach Schweizer Recht neu zu gründen. Ob dies zu einem grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechsel führt ist umstritten (s. Rz. 6.297). Bei Annahme eines Rechtsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ist jedoch die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG anwendbar.

b) Personengesellschaft (Rechtslage nach MoPeG)

6.301 Die Reform des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG631 ab 1.1.2024 führt jeweils die Legaldefinition des Verwaltungssitzes und des Vertragssitzes in das Gesetz ein (§ 706 BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB i.d.F.d. MoPeG). Dies ermöglicht die Trennung des Verwaltungs- von dem Vertragssitz, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Drittstaat hat.632 Der Vertragssitz muss weiterhin zwingend im Inland verbleiben.633 6.302 Beispiel 44: Die grundstücksbesitzende G OHG mit Sitz im Inland verlegt nach dem 1.1.2024 den Ort ihrer Geschäftsleitung in die Schweiz, behält aber den Vertragssitz (Satzungssitz) in Deutschland. Die OHG besteht als deutsche PersGes. fort und wird auch im Zuzugsstaat als solche anerkannt, da die Schweiz der Gründungstheorie folgt und das deutsche Gesellschaftsstatut

627 628 629 630 631 632 633

So Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 144. So Behrens in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Kap. 22 Rz. 22.154. Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.13. Vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 261 f. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BGBl. I 2021, 3436. RegE MoPeG, BT-Drucks. 95/21, 137. RegE MoPeG, BT-Drucks. 95/21, 138.

792 | Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.307 Kap. 6 als Gründungsrecht anwendet und anerkennt.634 Die Sitzverlegung ist grunderwerbsteuerlich irrelevant.

c) Kapitalgesellschaften Bei KapGes. wird durch § 4a GmbHG für die GmbH und § 5 AktG für die AG explizit ein Satzungssitz im Inland vorgeschrieben und zugleich ein Verwaltungssitz im Ausland zugelassen.635

6.303

Dies hat zur Folge, dass die Verlegung des Satzungssitzes unter Beibehaltung der Identität als deutsche GmbH bzw. AG nicht möglich ist.636 Im EU/EWR-Fall gilt dann wie bei den PersGes. die EuGH-Rechtsprechung zu Rs. Cartesio637 und Polbud638 (s. Rz. 6.296), so dass der Wegzugsstaat einen Formwechsel in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats zulassen muss und der Zuzugsstaat diesen Formwechsel ermöglichen muss, sofern er ihn in reinen Inlandsfällen auch ermöglicht.639 Die Verlegung des Satzungssitzes in einen EU/EWR-Staat kann daher in vielen Fällen als identitätswahrender grenzüberschreitender Formwechsel ausgestaltet werden. Die Verlegung des Satzungssitzes in einen Drittstaat führt dagegen im Regelfall zur Auflösung der Gesellschaft.640

6.304

Beispiel 45: Die grundstücksbesitzende G GmbH mit Sitz im Inland verlegt ihren Satzungssitz nach Österreich. Sie kann als deutsche GmbH wegen § 4a GmbH nicht fortbestehen, aber in eine GmbH österreichischen Rechts formgewechselt werden. Es fällt keine Grunderwerbsteuer an.

6.305

Beispiel 46: Die grundstücksbesitzende G GmbH mit Sitz im Inland verlegt ihren Satzungssitz in die Schweiz. Sie kann als deutsche GmbH wegen § 4a GmbH nicht fortbestehen und ist aufzulösen. Eine Neugründung als Schweizer KapGes. führt zu einem Rechtsträgerwechsel.

6.306

Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH oder AG in das Ausland ist nach inländischem Gesellschaftsrecht identitätswahrend möglich, da § 4a GmbHG und § 5 AktG ausdrücklich nur für den Satzungssitz ein Inlandserfordernis aufstellen. Hinzutreten muss jedoch, dass der Zuzugsstaat die Gesellschaft in ihrer deutschen Rechtsform anerkennt. Für das EU/EWR-Gebiet ist dies aufgrund der

6.307

634 Zur Gründungstheorie vgl. u.a. Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 8 ff. m.w.N. 635 Dies ergibt sich aus der Streichung des früheren § 4a Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2 AktG iRd MoMiG, vgl. BR-Drucks. 354/07, 65. 636 Vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 16; Ehricke in Hirte/Mülbert/Roth5, § 45 AktG Rz. 53. 637 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 Rz. 112. 638 EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud Wykonawstwo sp. zo. o., ECLI:EU:C: 2017:804. 639 Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 17. 640 BayOLG v. 7.5.1992 – 3Z BR 14/92, NJW-RR 1993, 43.

Mörwald | 793

Kap. 6 Rz. 6.307 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

EuGH-Rechtsprechung (s. Rz. 6.296) gesichert, für Drittstaaten, die der sog. Gründungstheorie folgen (d.h. das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Satzungs- bzw. Registrierungsstaats bestimmen641), ebenfalls. Zwischen Deutschland und den USA gilt aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen die Gründungstheorie, so dass zwischen diesen Ländern eine identitätswahrende Verwaltungssitzverlegung möglich ist.642

6.308 Beispiel 47: Die grundstücksbesitzende G GmbH mit Sitz im Inland verlegt ihren Verwaltungssitz in die Schweiz. Sie besteht aufgrund der Fortführung ihres inländischen Satzungssitzes als deutsche GmbH fort und wird auch im Zuzugsstaat als solche anerkannt, da die Schweiz der Gründungstheorie folgt. Es fällt keine Grunderwerbsteuer an.

6.309 Wird der Verwaltungssitz in einen Drittstaat verlegt, die der sog. Sitztheorie folgen (d.h. das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat643) oder generell keine ausländischen Gesellschaftsformen anerkennen, kann es zur Auflösung und Neugründung der Gesellschaft kommen,644 was nach h.M. einen grunderwerbsteuerbaren Rechtsträgerwechsel mit sich bringt.645 Die bloße Umqualifikation in eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung ist jedoch noch nicht steuerbar.646 6.310 Beispiel 48: Die grundstücksbesitzende G GmbH mit Sitz im Inland verlegt ihren Verwaltungssitz nach Indien. Da Indien keine ausländischen Gesellschaftsformen anerkennt und allenfalls sog. ‚Branch Offices‘ gestattet,647 wäre zur Fortführung der Geschäfte mit indischem Verwaltungssitz die Neugründung einer indischen Gesellschaft erforderlich. Beim Übergang des Vermögens auf die neue Gesellschaft kann ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vorliegen.

2. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft nach Deutschland a) Personengesellschaft

6.311 Bei Verlegung des Satzungssitzes einer PersGes. aus dem EU/EWR-Ausland nach Deutschland muss grds. ein identitätswahrender Formwechsel in eine deutsche PersGes. zugelassen werden.648 Dieser Formwechsel setzt u.a. eine Anpassung des Gesell-

641 Zur Gründungstheorie vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 8 ff. m.w.N. 642 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag v. 29.10.1954, BGBl. II 1954, 487. 643 Zur Gründungstheorie vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 8 ff. m.w.N. 644 Bayer in Lutter/Hommelhoff20, § 4a GmbHG Rz. 14. 645 Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 62; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 25, 29; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG, § 1 GrEStG Rz. 65.3. 646 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.11. 647 Vgl. Wegen/Oza in Wegen/Spahlinger/Barth, Gesellschaftsrecht des Auslands5, Indien, Rz. 341. 648 EuGH, Urt. v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440; EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud Wykonawstwo sp. zo. o., ECLI:EU:C:2017:804.

794 | Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.315 Kap. 6

schaftsvertrages und die Eintragung im Handelsregister voraus.649 Werden diese erfüllt, ist der Vorgang identitätswahrend und unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.650 Wird der Verwaltungssitz einer PersGes. aus dem EU/EWR-Ausland nach Deutschland verlegt, ist deren Gesellschaftsstatut in Deutschland anzuerkennen (identitätswahrender Zuzug),651 d.h. die PersGes. ausländischer Rechtsform kann mit deutschem Verwaltungssitz fortbestehen652 und ist ohne weiteres rechts- und parteifähig.653 Es wird keine Grunderwerbsteuer ausgelöst.

6.312

Die Sitzverlegung einer PersGes. aus einem Drittstaat nach Deutschland führt aufgrund der nach h.M. weiterhin geltenden Sitztheorie grds. zur Umqualifizierung („Zwangs-Formwechsel“) in eine deutsche PersGes.654 Es kommt also anders als im umgekehrten Fall des Wegzugs (Rz. 6.296 ff.) nicht zur Auflösung. Ein grunderwerbsteuerlich relevanter Rechtsträgerwechsel ist damit nicht verbunden.

6.313

Beispiel 49: Die nach britischem Recht gegründete G LP, die über inländischen Grundbesitz verfügt, verlegt ihren Sitz nach Deutschland. Aus Drittstaaten zuziehende Gesellschaften, werden in Deutschland nach der sog. eingeschränkten Sitztheorie je nach ihrer Ausgestaltung als GbR oder OHG behandelt.655 Die Umqualifikation (homogener „Zwangs-Formwechsel“) löst keine Grunderwerbsteuer aus.

6.314

Die Rechtslage beim Zuzug ausländischer PersGes. nach Deutschland bleibt von den Neuregelungen des MoPeG unberührt (die Regelung zum Vertragssitz in § 706 BGB i.d.F.d. MoPeG betrifft nur inländische Gesellschaften).656

6.315

649 Vgl. Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Rz. 13.185. 650 Andernfalls kommt es zur Auflösung und Neugründung, die nach Auffassung von Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.13 ebenfalls keine Grunderwerbsteuer auslöst. 651 EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; EuGH v. 5.11.2002 – C208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; EuGH v. 30.9.2003 – C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512. Diese Rechtsprechung, in deren Ausgangsfällen jeweils KapGes. betroffen waren, gilt auch für PersGes., vgl. Ege/Klett, DStR 2012, 2442 (2447). 652 Aufgrund der Anerkennung der Gründungsrechtsform stellt sich die Problematik des Auseinanderfallens von Satzungs- und Verwaltungssitz (dazu Rz. 6.297) hier nicht. 653 Vgl. Henssler in Henssler/Strohn5, § 105 HGB Rz. 193. 654 Vgl. Lieder in Oetker7, § 105 HGB Rz. 142; Wertenbruch in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn4, § 105 HGB Rz. 380; Henssler in Henssler/Strohn5, § 105 HGB Rz. 195. 655 Vgl. für den Zuzug einer britischen Limited OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152. 656 Vgl. Lieder/Hilser, ZHR 2021, 471 (496).

Mörwald | 795

Kap. 6 Rz. 6.316 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

b) Kapitalgesellschaft

6.316 Verlegt eine nach dem Recht eines EU/EWR-Staats gegründete KapGes. ihren Satzungssitz (ggf. gemeinsam mit dem Verwaltungssitz) ins Inland, muss Deutschland als Zuzugsstaat grds. einen Hereinformwechsel nach den Vorschriften für den Formwechsel inländischer KapGes. zulassen.657 Dieser Vorgang ist grunderwerbsteuerlich wie ein inländischer Formwechsel zu beurteilen und grds. nicht steuerbar.658 6.317 Bei der Verlegung (nur) des Verwaltungssitzes einer nach dem Recht eines EU/ EWR-Staats gegründeten KapGes. in das Inland bleibt die Gesellschaft in ihrer bisherigen Rechtsform erhalten und wird auch grunderwerbsteuerlich als Rechtsträger anerkannt.659 Gleiches gilt beim Zuzug aus den USA aufgrund Art. VII des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags v. 29.10.1954.660 6.318 Eine Drittstaaten-KapGes. wird bei ihrem Zuzug ins Inland in eine deutsche PersGes. umqualifiziert .661 Grund hierfür ist die im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin geltende Sitztheorie, wonach das anwendbare Gesellschaftsstatut nach dem Verwaltungssitz der Gesellschaft bestimmt wird.662 Die ausländische KapGes. wird infolgedessen nicht als solche anerkannt, sondern nach deutschem Gesellschaftsrecht eingestuft, welches mangels inländischer Gründungsdokumentation nur eine Einstufung als PersGes. zulässt. Je nach Ausgestaltung der Gesellschaft erfolgt eine Umqualifikation in eine OHG oder eine GbR, da diese Rechtsformen keiner Registereintragung bedürfen.663 Eine Einpersonen-KapGes. würde als deutsches Einzelunternehmen behandelt.664 Die Umqualifikation kommt in der Sache einem „Zwangs-Formwechsel“ gleich, denn wie beim Formwechsel bleibt die wirtschaftliche Kontinuität des Unternehmens gewahrt, das Gesellschaftsvermögen wird nicht übertragen und die Grundstückszuordnung wird nicht unterbrochen.665 Der Vorgang ist deshalb als nichtsteuerbar zu beurteilen.666

657 EuGH v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723; EuGH, Urt. v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440; EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud Wykonawstwo sp. zo. o., ECLI:EU:C:2017:804. 658 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 13; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 61; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 27; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.12. 659 Vgl. BFH v. 29.6.2016 – II R 14/12, BFH/NV 2017, 1 Rz. 25; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 62; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 26. 660 BGBl. II 1954, 487. 661 Vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, NJW 2009, 289 zum Zuzug einer KapGes. schweizerischen Rechts. 662 Vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff21, § 4a GmbHG Rz. 8 ff. m.w.N. 663 Vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, NJW 2009, 289 Rz. 23. 664 OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152 Rz. 20. 665 Vgl. Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, S. 276 f. 666 Hofmann11, § 1 GrEStG Rz. 12; Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 62; Pahlke in Pahlke7, § 1 GrEStG Rz. 28; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht5, Rz. 11.12; Behrens in Wassermeyer/Richter/Schnittker2, Rz. 22.147; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG, § 1 GrEStG Rz. 65.2.

796 | Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.323 Kap. 6 Beispiel 50: Die nach Schweizer Recht gegründete G AG, die über inländischen Grundbesitz verfügt, verlegt ihren Verwaltungssitz nach Deutschland. Da im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin die sog. Sitztheorie gilt, werden aus Drittstaaten zuziehende KapGes., je nach ihrer Ausgestaltung als GbR, OHG oder als Einzelunternehmen behandelt.667 Die Umqualifikation („ZwangsFormwechsel“) löst keine Grunderwerbsteuer aus.

6.319

3. Sitzverlegung im Ausland Die Sitzverlegung einer Grundstücksgesellschaft zwischen zwei ausländischen Staaten ist nach dem jeweils anwendbaren Gesellschaftsrecht zu beurteilen. Auch hier kann die Sitzverlegung identitätswahrend erfolgen oder zur Auflösung der Gesellschaft führen.

6.320

Beispiel 51: Die nach niederländischem Recht gegründete G B.V., die über inländischen Grundbesitz verfügt, verlegt ihren Verwaltungssitz nach Luxemburg. Sie besteht aufgrund der Fortführung ihres niederländischen Satzungssitzes als niederländische Gesellschaft fort und wird auch im Zuzugsstaat anerkannt, da Luxemburg der Gründungstheorie folgt. Es fällt keine Grunderwerbsteuer an.

6.321

4. Grenzüberschreitender Formwechsel Der grenzüberschreitende Formwechsel gewinnt zunehmend an praktischer Bedeutung. Die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132668 verpflichtete die Mitgliedstaaten unter anderem zur Schaffung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Umwandlung (Formwechsel) von KapGes. (Artt. 86a ff.). Am 28.2.2023 ist das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) in Kraft getreten.669 Die Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel sind in §§ 333 ff. UmwG enthalten. Die Neuregelung ist auf den Formwechsel zwischen EU/EWR-Rechtsformen beschränkt, ein Drittstaaten-Formwechsel wird dort (weiterhin) nicht geregelt.

6.322

Der grenzüberschreitende Formwechsel ist grunderwerbsteuerlich nicht anders zu beurteilen als der inländische Formwechsel (s. dazu Rz. 6.202 ff.). Da die Rechtsträgeridentität und die Vermögenskontinuität gewahrt bleiben, liegt kein grunderwerbsteuerlich relevanter Rechtsträgerwechsel vor.

6.323

667 Vgl. für den Zuzug einer britischen Limited OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152. 668 ABl. 2019 L 321, 1 ff. v. 12.12.2019. 669 BGBl. I 2023, 51.

Mörwald | 797

Kap. 6 Rz. 6.324 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen

6.324 Der grenzüberschreitende Formwechsel kann zudem als Instrument zur Vermeidung grunderwerbsteuerlicher Risiken genutzt werden (s. Beispiel 54 bei Rz. 6.331). IV. Auswirkungen der Sitzverlegung im Rahmen der Ergänzungstatbestände

6.325 Soweit die Sitzverlegung einer KapGes. zur Umqualifikation in eine PersGes. des Zuzugsstaats führt, kann dies Auswirkungen auf das Besteuerungsregime der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a, 2b und 3 GrEStG haben (nur § 1 Abs. 3a GrEStG ist rechtsformneutral). Ist die grundbesitzende Gesellschaft selbst von der Sitzverlegung betroffen, sind zukünftige Gesellschafterwechsel dann nicht mehr nach § 1 Abs. 2b GrEStG, sondern nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu beurteilen. Ob der durch Sitzverlegung ausgelöste „Zwangs-Formwechsel“ für Zwecke der Ergänzungstatbestände genauso wie der Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG behandelt wird (dazu Rz. 3.271 ff.), ist offen. Die Anwendungserlasse zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG treffen dazu keine Aussage. Bei einer Übertragung der Erlassgrundsätze zum Formwechsel könnte auch die Sitzverlegung einer beteiligten Gesellschaft weitreichende Folgen (Neugesellschafterfiktionen, rückwirkender Einbezug von Übertragungsvorgängen etc.) haben.670 6.326 Wird der Sitz einer an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligten Gesellschaft verlegt, stellt sich die Frage nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG nur im Ausnahmefall. Da die Auswirkung der eines Formwechsels entspricht, wird durch die Sitzverlegung der zwischengeschalteten Gesellschaft i.d.R. keine Grunderwerbsteuer ausgelöst und auch kein Zählerwerb i.S.d. § 1 Abs. 2a/2b GrEStG verwirklicht. Für zukünftige Gesellschafterwechsel ändert sich dann das Beurteilungsregime (Anwendung von § 1 Abs. 2a/2b Satz 2 statt Sätze 3 bis 5 GrEStG). 6.327 Beispiel 52: Die nach Schweizer Recht gegründete CH AG hält 100 % der Geschäftsanteile der deutschen G GmbH, die über inländischen Grundbesitz verfügt. An der CH AG sind A und B zu je 50 % beteiligt. Die CH AG verlegt ihren Verwaltungssitz nach Deutschland.

670 S. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.2.5.

798 | Mörwald

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.327 Kap. 6

Vorher: A

B

50 %

50 % CH AG Schweiz Deutschland

100 %

Verlegung Verwaltungssitz

G GmbH

Nachher: A

B Schweiz

50 %

50 %

Deutschland

D OHG 100 % G GmbH

Abb. 43 Da im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin die sog. Sitztheorie gilt, werden aus Drittstaaten zuziehende KapGes. je nach ihrer Ausgestaltung als GbR, OHG oder als Einzelunternehmen behandelt.671 Da die CH AG ein Handelsgewerbe betreibt und mehr als einen Gesellschafter hat, wird sie nach dem Zuzug als deutsche OHG behandelt. Die Umqualifikation („ZwangsFormwechsel“) löst keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG aus, da sich der Gesellschafterbestand der G GmbH weder unmittelbar noch mittelbar ändert. Zukünftige Gesell671 Vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, NJW 2009, 289; OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152.

Mörwald | 799

Kap. 6 Rz. 6.327 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen schafterwechsel auf Ebene von A und B sind nach § 1 Abs. 2b Satz 2 (statt § 1 Abs. 2b Sätze 3 bis 5) GrEStG zu beurteilen.

6.328 Beim Zuzug einer an einer Grundstücksgesellschaft beteiligten Einpersonen-KapGes. aus einem Drittstaat kann jedoch möglicherweise ein Zählerwerb nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG eintreten. Denn wenn die Einpersonen-KapGes. im Zuzugsstaat aufgelöst oder in ein Einzelunternehmen umqualifiziert wird, ändert sich das Zurechnungssubjekt der Anteile. 6.329 Beispiel 53: Wie Beispiel 52, d.h. die nach Schweizer Recht gegründete CH AG hält 100 % der Geschäftsanteile der deutschen G GmbH, die über inländischen Grundbesitz verfügt. jedoch werden sämtliche Anteile an der CH AG von A gehalten. Die CH AG verlegt ihren Verwaltungssitz nach Deutschland.

Vorher: A 100 % CH AG Schweiz 100 %

Deutschland

G GmbH

Nachher: A

Schweiz 100 %

G GmbH

Abb. 44

800 | Mörwald

Deutschland

Verlegung Verwaltungssitz

E. Grenzüberschreitende Sitzverlegung | Rz. 6.331 Kap. 6 Da im Verhältnis zu Drittstaaten weiterhin die sog. Sitztheorie gilt, werden aus Drittstaaten zuziehende KapGes., je nach ihrer Ausgestaltung als GbR, OHG oder als Einzelunternehmen behandelt.672 Da die CH AG ein Handelsgewerbe betreibt und nur A als Gesellschafter hat, wird sie nicht in eine PersGes., sondern in ein Einzelunternehmen des A umqualifiziert.673 Der daraus resultierende Eintritt des A in die unmittelbare Gesellschafterstellung bei der G GmbH könnte – jedenfalls nach der Verwaltungsauffassung674 – zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel im Umfang von 100 % nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG führen.

Nach hier vertretener Auffassung kann der infolge des Zuzugs eintretende „ZwangsFormwechsel“ auch in der vorgenannten Konstellation keinen Zählerwerb auslösen, denn wie beim regulären Formwechsel liegt hier kein originärer Anteilserwerb durch A vor (s. Rz. 6.206). Solange die Frage nicht abschließend geklärt ist, könnte die Rechtsunsicherheit im obigen Beispiel 53 (Rz. 6.329) durch einen grenzüberschreitenden Formwechsel in zwei Schritten vermieden werden. Für Schweizer KapGes. wird in der Praxis häufig der Weg über Liechtenstein gewählt, da dessen Gesellschaftsrecht sowohl den Hereinformwechsel aus der Schweiz als auch den Herausformwechsel nach Deutschland zulässt.

6.330

Beispiel 54: Wie Beispiel 53, d.h. die nach Schweizer Recht gegründete CH AG hält 100 % der Geschäftsanteile der deutschen G GmbH, die über inländischen Grundbesitz verfügt. Sämtliche Anteile an der CH AG werden von A gehalten. Die CH AG soll ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen. Um eine Auflösung oder Umqualifikation zu vermeiden, vollzieht die CH AG zunächst einen grenzüberschreitenden Formwechsel in eine liechtensteinische AG. Anschließend wird die Gesellschaft erneut im Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche AG formgewechselt.

6.331

A 100 % CH AG

A Grenzüberschreitender 100 % Formwechsel LI AG

100 % Schweiz Liechtenstein 100 % G GmbH

G GmbH

A Grenzüberschreitender 100 % Formwechsel D AG Deutschland

100 %

G GmbH

Abb. 45 672 Vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 – Trabrennbahn, NJW 2009, 289; OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152. 673 OLG München v. 5.8.2021 – 29 U 2411/21 Kart, GmbHR 2021, 1152. 674 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.1.1.

Mörwald | 801

Kap. 6 Rz. 6.331 | Umwandlungen und konzerninterne Übertragungen Es wird keine Grunderwerbsteuer ausgelöst, da beide Formwechselvorgänge identitätswahrend vollzogen werden und daher keinen Zählerwerb i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG darstellen.675 Da es nicht zur Auflösung der Gesellschaft oder zur Umqualifikation in ein Einzelunternehmen kommt, stellt sich die in Beispiel 53 diskutierte Frage einer Zurechnung zum Gesellschafter A hier nicht.

V. Übersicht Fallgruppen

6.332 Die nachfolgende Tabelle zeigt überblicksartig die wesentlichen Fallgruppen der Sitzverlegung und ihre grunderwerbsteuerlichen Folgen. Rechtsform

KapGes.

Sachverhalt

Verlegung Satzungssitz

Verlegung Verwaltungssitz

Verlegung Satzungssitz

PersGes. Verlegung Verwaltungssitz

1. Wegzug Deutschland – EU/EWR-Staat

Keine GrESt: Gesellschaft kann nicht fortbestehen, aber idR Formwechsel im Zuzugsstaat

Keine GrESt: Gesellschaft besteht fort und ist im Zuzugsstaat anzuerkennen

Keine GrESt: Gesellschaft kann nicht fortbestehen, aber idR Formwechsel im Zuzugsstaat

2. Wegzug Deutschland – Drittstaat

Risiko GrESt: Gesellschaft kann nicht fortbestehen, i.d.R. Auflösung und Neugründung im Zuzugsstaat

Risiko GrESt nur im Ausnahmefall bei Wegzug in einen Drittstaat, der nicht der Gründungstheorie folgt

Risiko GrESt: Gesellschaft kann nicht fortbestehen, i.d.R. Auflösung und Neugründung im Zuzugsstaat, ggf. Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG

Str. ob unabhängig von Satzungssitz verlegbar, ab MoPeG ist ein ausländischer Verwaltungssitz möglich (dann Behandlung wie KapGes., s. dort)

3. Zuzug EU/ EWR-Staat – Deutschland

Keine GrESt: identitätswahrender Hereinformwechsel

Keine GrESt: ausländische Rechtsform wird anerkannt

Keine GrESt: identitätswahrender Hereinformwechsel

4. Zuzug Drittstaat – Deutschland

Grds. keine GrESt: Umqualifikation Keine GrESt: Umqualifikation in in deutsche PersGes./Risiko nur deutsche PersGes. im Ausnahmefall, wenn EinmannKapGes. in Einzelunternehmen umqualifiziert wird und dadurch die Zurechnung wechselt

Keine GrESt: ausländische Rechtsform wird anerkannt

675 Zum identitätswahrenden Formwechsel s. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 und BStBl. I 2022, 821, jeweils Tz. 5.2.5.

802 | Mörwald

Kapitel 7 Verfahrensfragen A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten I. Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrzahl von Steuerschuldnern III. Haftung für Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anzeigepflicht der Beteiligten . V. Anzeigepflichtige Vorgänge 1. Erwerb von Grundstücken . . 2. Erwerbsvorgänge ohne Rechtsträgerwechsel a) Besondere Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerb der Verwertungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderungen des Gesellschafterbestands . . . . . . . . d) Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung . . . . . . 3. Änderung der Bemessungsgrundlage a) Zusätzliche Gegenleistung b) Umwandlungen mit Rückwirkung . . . . . . . . . . . 4. Wegfall von Steuerbegünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Änderungen des Handelsregisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Form, Frist und Inhalt der Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Adressat der Anzeige . . . . . . . . . VIII. Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen 1. Festsetzungs- und Feststellungsverjährung . . . . . . . . . . . 2. Verspätungszuschlag . . . . . . . 3. Steuerstrafrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausschluss der Rückgängigmachung . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.1 7.10 7.17 7.27 7.29

7.31 7.32 7.34 7.36 7.42 7.44 7.46 7.48 7.50 7.53

7.57 7.61 7.64 7.67

B. Besteuerungsverfahren I. Zuständiges Finanzamt . . . . . . . 7.69 II. Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1. Bedeutung der gesonderten Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . 7.70 2. Erstreckung des Erwerbs über die Landesgrenze oder auf mehrere Grundstücke . . 7.71 3. Gesonderte Feststellung in Umwandlungsfällen . . . . . . . 7.73 4. Gesonderte Feststellung in den Fällen der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . 7.78 5. Inhalt der gesonderten Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.81 III. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . 7.83 C. Rückgängigmachung und Rückerwerb (Rückabwicklung) I. Voraussetzungen für die Rückgängigmachung 1. Gründe für die Rückgängigmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.86 2. Rückabwicklung innerhalb von zwei Jahren . . . . . . . . . . . 7.88 3. Rückabwicklung nach Ablauf von zwei Jahren . . . . . . . 7.90 4. Rückgängigmachung als Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . 7.96 5. Identität der Beteiligten und des Grundstücks . . . . . . . . . . 7.100 6. Rückabwicklung in Fällen des § 1 Abs. 2 GrEStG . . . . . . 7.105 7. Rückabwicklung sog. „Share Deals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.108 II. Tatsächliche Rückabwicklung . . 7.119 III. Rückgängigmachung in Kollisionsfällen . . . . . . . . . . . . . . 7.130 IV. Verfahren und Rechtsfolgen der Rückabwicklung . . . . . . . . . . 7.132

Loose/Tigges-Knümann | 803

Kap. 7 Rz. 7.1 | Verfahrensfragen D. Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen I. Anwendungsfälle 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftsfähige Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . II. Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auskunftsinteresse 1. Erhebliche steuerliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dispositionsinteresse . . . . . . 3. Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . IV. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auskunftsantrag 1. Vorabstimmung . . . . . . . . . . . 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt

7.134 7.137 7.144 7.145

7.150 7.151 7.153 7.155 7.160 7.162

a) Bezeichnung des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . c) Steuerliches Interesse . . . . d) Rechtsproblem und eigene Rechtsauffassung . e) Rechtsfragen . . . . . . . . . . . f) Erklärung und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Angaben zum Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . VI. Gebühren 1. Gebührenarten . . . . . . . . . . . 2. Anzahl der Gebühren . . . . . . 3. Ermäßigung . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebsausgabe . . . . . . . . . . . VII. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . .

7.163 7.164 7.169 7.170 7.172 7.178 7.180 7.186 7.189 7.193 7.195 7.196 7.203

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten I. Steuerschuldner

7.1 Die Grunderwerbsteuer knüpft die Besteuerung an einzelne Vorgänge des Rechtsverkehrs. Es gibt jedoch – anders als z.B. bei der Umsatzsteuer – keine allgemeinen Erklärungspflichten, z.B. über die Erwerbsvorgänge innerhalb eines näher bestimmten Erklärungszeitraums. Das gilt auch für Grundstücksunternehmen, die häufig Grundstücke kaufen oder verkaufen oder entsprechende Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erwerben. Statt einer Erklärungspflicht gibt es umfangreiche Anzeigepflichten für Steuerschuldner, Behörden und insb. Notare. 7.2 Zu den Steuerschuldnern gehören alle an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen (§ 13 Nr. 1 GrEStG), bei einem Kaufvertrag über ein Grundstück also sowohl der Käufer als auch der Verkäufer. Geht das Eigentum an einem Grundstück kraft Gesetzes über, sind sowohl der bisherige Eigentümer als auch der Erwerber Steuerschuldner (§ 13 Nr. 2 GrEStG). Im Zwangsversteigerungsverfahren ist der Meistbietende der Steuerschuldner für die Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr. 4 GrEStG). 7.3 Bei der Änderung des Gesellschafterbestands einer PersGes. oder KapGes. i.H.v. mindestens 90 % innerhalb von 10 Jahren (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) ist die Gesellschaft Steuerschuldnerin, auch wenn sie selbst an der Übertragung der Anteile nicht beteiligt ist und das Grundstück nicht veräußert wird. Das Gesetz fingiert jedoch einen Erwerb des Grundstücks von der „fiktiv alten“ Gesellschaft durch eine

804 | Loose/Tigges-Knümann und Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.5 Kap. 7

„fiktiv neue“ Gesellschaft.1 Nur diese gesetzliche Fiktion rechtfertigt es, die Gesellschaft selbst als Steuerschuldnerin für den fiktiven Erwerb ihres eigenen Grundstücks in Anspruch zu nehmen. Beispiel 1: An der grundbesitzenden AB GmbH & Co. KG sind A zu 60 % und B zu 40 % seit der Gründung im Jahre 1990 beteiligt. 2021 überträgt A seine Anteile auf X. 2022 überträgt B seine Anteile auf Y.

7.4

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist 2022 erfüllt, weil sich der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden AB GmbH & Co. KG durch die Übertragung der Anteile innerhalb von 10 Jahren um mindestens 90 % geändert hat. Steuerschuldnerin ist die AB GmbH & Co.

Bei der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) und der Übertragung bereits in einer Hand vereinigter Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG) wird fiktiv das Grundstück von den Erwerbern der Anteile erworben. Folglich sind bei der Übertragung bereits vereinigter Anteile – wie bei der Übertragung von Grundstücken – sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer der Anteile Steuerschuldner. Bei der Vereinigung der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) der Erwerber, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, Steuerschuldner (§ 13 Nr. 5a GrEStG), und zwar auch dann, wenn er die Anteile sowohl mittelbar als auch unmittelbar erwirbt. Beispiel 2: A ist zu 100 % an der A GmbH und seit 2010 zu 50 % an der grundbesitzenden B GmbH beteiligt. Die restlichen Anteile an der B GmbH hält B. 2021 erwirbt A selbst von B 30 % der Anteile an der B GmbH. 2022 erwirbt die A GmbH von B die restlichen 20 %.2

1 Einzelheiten zu den fiktiven Erwerbsvorgängen § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vgl. Rz. 3.95 und 3.392. 2 Nachgebildet BFH v. 2.8.2006 – II R 23/05, BFH/NV 2006, 2306.

Loose | 805

7.5

Kap. 7 Rz. 7.5 | Verfahrensfragen

2021 A

B

50 %

A 50 %

B

80 %

B GmbH

20 %

B GmbH

2022 A

100 %

80 %

A GmbH

B

20 % B GmbH

Abb. 1 § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht erfüllt, weil keine Anteile auf neue Gesellschafter i.S. dieser Vorschrift übergegangen sind. Durch den Erwerb der Anteile des B durch A und die A GmbH im Jahre 2022 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. A hält nach dem Erwerb mindestens 90 % an der grundbesitzenden B GmbH, zu 80 % unmittelbar und zu weiteren 20 % mittelbar über die A GmbH, an der er wiederum zu 100 % beteiligt ist. Steuerschuldner ist nach § 13 Nr. 5a GrEStG allein A. Weder die A GmbH als weiterer fiktiver Erwerber, noch die B GmbH als fiktive Veräußerin sind nach § 13 Nr. 5a GrEStG Steuerschuldner. § 13 Nr. 5b GrEStG greift nur in Organschaftsfällen.3

7.6 Schwierig ist mitunter die Bestimmung des Steuerschuldners beim Erwerb und bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften, wenn durch den Erwerb, bzw. die Übertragung der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft beide Tatbestände, also sowohl § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG als auch § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst werden. Für diesen Fall sieht § 1 Abs. 3 GrEStG zwar eine vorrangige Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG vor. Problematisch ist jedoch, dass die Tatbestände zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklicht werden, § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG im Zeitpunkt des (dinglich wirksamen) Übergangs 3 Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 42.

806 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.9 Kap. 7

der Anteile, § 1 Abs. 3 GrEStG im Zeitpunkt der (schuldrechtlich wirksamen) Begründung des Anspruchs auf Übertragung der Anteile. Beispiel 3: An der grundbesitzenden AB GmbH & Co. KG sind A zu 60 % und B zu 40 % seit der Gründung im Jahre 1990 beteiligt. 2021 überträgt A seine Anteile auf X. Am 1.5.2022 schließt B einen Vertrag über die Übertragung seiner Anteile an der AB GmbH & Co. KG mit X. Die Übertragung der Anteile ist von der Eintragung im Handelsregister abhängig. Am 1.10.2022 wird der Gesellschafterwechsel im Handelsregister eingetragen.

7.7

Durch den Erwerb der Anteile des B durch X ist am 1.5.2022 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. X hält nach dem Erwerb mindestens 90 % an der grundbesitzenden AB GmbH & Co. KG, 60 % aufgrund des Erwerbs von A und weitere 40 % aufgrund des Erwerbs von B. Maßgeblich ist der wirksame Anschluss des Anteilskaufvertrags. Durch die Übertragung der Anteile am 1.10.2022 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllt. Die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG geht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vor.4 Steuerschuldner des Anteilserwerbs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist X. Steuerschuldnerin des Gesellschafterwechsels nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist die AB GmbH & Co. KG.

In der Praxis gilt es also zu beachten, dass dieselben Rechtsvorgänge unterschiedliche Erwerbsvorgänge mit unterschiedlichen Steuerschuldnern auslösen können. Dies ist insbesondere für die Erfüllung der Anzeigepflichten von Bedeutung. Grundbesitzende PersGes. oder KapGes. müssen als Steuerschuldnerinnen des Erwerbs nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG die unmittelbaren oder mittelbaren Änderungen des Gesellschaftsbestands anzeigen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b GrEStG). Die Erwerber von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften müssen als Steuerschuldner des Erwerbs nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GrEStG die entsprechenden schuldrechtlichen Geschäfte, also i.d.R. den Vertrag über den Anteilserwerb, anzeigen. Dies gilt zunächst unabhängig davon, nach welcher der Vorschiften schließlich eine Besteuerung tatsächlich stattfindet.

7.8

Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt im Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses des Rechtsgeschäfts (sog. Signing) zunächst eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile (sog. Closing) erfolgt dann eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG sei bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern.5 Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei zudem nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten sei.6 Durch das JStG 2022 wurde § 16 GrEStG um einen neuen Absatz 4a ergänzt. Danach ist auf Antrag die bereits erfolgte Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG aufzuheben. Voraussetzung ist, dass, beide Erwerbsvorgänge (Signing und Closing) zuvor ordnungsgemäß angezeigt wurden (s. Rz. 7.108).

7.9

4 Einzelheiten zum Verhältnis der beiden Erwerbsvorgänge vgl. Rz. 3.651. 5 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2. 6 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2.

Loose | 807

Kap. 7 Rz. 7.10 | Verfahrensfragen

II. Mehrzahl von Steuerschuldnern

7.10 Mehrere Steuerschuldner sind Gesamtschuldner (§ 44 Abs 1 AO), d.h. jeder einzelne Steuerschuldner schuldet gegenüber dem Finanzamt die ganze Grunderwerbsteuer, unabhängig davon, was die Steuerschuldner untereinander vereinbart haben. Das Finanzamt kann die Gesamtschuldner unter Umständen gleichzeitig nebeneinander, nacheinander und/oder in unterschiedlicher Höhe in Anspruch nehmen.7 7.11 Beispiel 4: A ist zu 100 % an der A GmbH beteiligt und auch deren alleiniger Geschäftsführer. Die A GmbH erwirbt 2022 von A ein in dessen Alleineigentum stehendes, in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio Euro. Der Kaufpreis ist zu 100 % finanziert. Im Kaufvertrag haben die Vertragsbeteiligten vereinbart, dass im Innenverhältnis der Käufer, also die A GmbH, die Grunderwerbsteuer i.H.v. 65.000 Euro zu zahlen hat. Das zuständige Finanzamt nimmt zunächst die GmbH – vergeblich – auf Zahlung der Grunderwerbsteuer in Anspruch. Danach erlässt es einen Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber A. A ist nach § 13 Nr. 1 GrEStG als Beteiligter am Erwerbsvorgang Steuerschuldner und kann vom Finanzamt als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Das Finanzamt muss nicht prüfen, ob er als Geschäftsführer der A GmbH zugleich seine steuerlichen Pflichten verletzt hat und (auch) als Haftungsschuldner nach §§ 69, 34 AO für die rückständigen Steuerschulden der A GmbH in Anspruch genommen werden könnte.

7.12 Die Auswahl des Finanzamtes, welchen von mehreren Steuerschuldnern es in Anspruch nehmen möchte, setzt eine zu begründende (§ 121 Abs. 1 AO) Ermessensentscheidung voraus.8 Die Begründung kann im Einspruchsverfahren und sogar noch bis zum Abschluss eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.9 Sie ist nach § 102 Satz 1 FGO gerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob das Finanzamt bei der Inanspruchnahme sein Ermessen entweder gar nicht oder falsch ausgeübt hat. 7.13 Haben die Vertragsbeteiligten – wie üblich – vereinbart, dass einer von ihnen im Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer zu zahlen hat, muss sich das Finanzamt grds. zunächst an diesen wenden. Dies muss nicht ausdrücklich begründet werden. Möchte das Finanzamt jedoch den anderen Vertragspartner, der im Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer nicht tragen soll, in Anspruch nehmen, bedarf dies einer ausdrücklichen Begründung, es sei denn, eine Inanspruchnahme des einen Gesamtschuldners ist aus Rechtsgründen unmöglich oder dem nun in Anspruch Genommenen sind die Umstände bekannt.10

7 Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 51. 8 Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 53; Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 41 ff. 9 § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO, § 102 Satz 2 FGO; Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 53. 10 Vgl. BFH v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897, zur vergleichbaren Inanspruchnahme bei der Schenkungsteuer.

808 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.18 Kap. 7 Beispiel 5: A verkauft B 2020 ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio Euro. Der Kaufpreis ist zu 100 % finanziert. Im Kaufvertrag haben die Vertragsbeteiligten vereinbart, dass im Innenverhältnis der Käufer, also B, die Grunderwerbsteuer i.H.v. 65.000 Euro zu zahlen hat. Das zuständige Finanzamt erlässt 2022 einen Grunderwerbsteuerbescheid gegenüber A, nachdem es erfahren hat, dass 2021 über das Vermögen des B das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Im Grunderbsteuerbescheid findet sich dazu kein Hinweis.

7.14

Der Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtswidrig. Er enthält keine Begründung dazu, weshalb das Finanzamt nun den A entgegen der vertraglichen Vereinbarung in Anspruch nimmt. In der Einspruchsentscheidung könnte die Begründung für die Ermessensentscheidung jedoch noch nachgeholt werden.

Zahlt einer der Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuer, ist die Steuerschuld erloschen und kann nicht mehr gegen die anderen Gesamtschuldner festgesetzt werden (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AO). Wird die Grunderwerbsteuer gegenüber einem Gesamtschuldner nach § 227 AO erlassen, wirkt dies jedoch nicht automatisch auch gegenüber den anderen Gesamtschuldnern. Beruht der Erlass jedoch auf sachlichen Billigkeitsgründen11, dürften diese auch bei der Steuerfestsetzung gegenüber den anderen Gesamtschuldnern gelten.12

7.15

Der Gesamtschuldner, der die Grunderwerbsteuer gezahlt hat, kann denjenigen, der nach der vertraglichen Vereinbarung die Grunderwerbsteuer tragen sollte, nur zivilrechtlich in Anspruch nehmen. Treffen die Vertragsparteien im Kaufvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung darüber, wer die Grunderwerbsteuer zu tragen hat, gilt zivilrechtlich § 448 Abs. 2 BGB, wonach der Käufer die Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrages, einschließlich der Grunderwerbsteuer13 zu tragen hat.14

7.16

III. Haftung für Grunderwerbsteuer Das Grunderwerbsteuergesetz kennt keine eigenen Haftungstatbestände. Durch die Bestimmung einer Vielzahl von Steuerschuldnern, die zugleich als Gesamtschuldner für die Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen werden können (§ 44 Abs. 1 AO), ist das Sicherungsbedürfnis des Fiskus hinreichend erfüllt. Gleichwohl gelten – gerade beim Erwerb von Grundstücken durch Unternehmen oder Gesellschaften – die allgemeinen Haftungsnormen der Abgabenordnung, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind, auch für die Grunderwerbsteuer.15

7.17

So haften nach § 69 AO die in §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgrund vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten. Zu diesem Personenkreis gehören insbesondere die gesetzlichen Vertreter juristischer und natürlicher Personen (§ 34 Abs. 1 Satz 1

7.18

11 12 13 14 15

Einzelheiten vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 40 ff. Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 44. Tausch in Grüneberg82, § 448 BGB Rz. 7. Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 59. Viskorf in Viskorf20, § 13 GrEStG Rz. 91; Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 45.

Loose | 809

Kap. 7 Rz. 7.18 | Verfahrensfragen

AO). Diese müssen die steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen Personen erfüllen. Dazu gehört auch die rechtzeitige Zahlung der Grunderwerbsteuer.

7.19 Beispiel 6: A ist zu 100 % an der grundbesitzenden A GmbH beteiligt. Geschäftsführer der Gesellschaft ist G. 2019 überträgt A seine Anteile vollständig auf B. Der Kaufpreis beträgt 1,5 Mio Euro. Das Grundstück der Gesellschaft ist in NRW belegen und hat 2019 einen Wert von 1 Mio Euro. G zeigt den Erwerb dem zuständigen Finanzamt nicht an, obwohl sowohl A als auch der Steuerberater der A GmbH ausdrücklich darauf hingewiesen hatten. Er vertritt die Auffassung, die Grunderwerbsteuer müsse B zahlen. Dies sei in dem Vertrag über den Anteilskauf auch ausdrücklich vereinbart worden. Infolge der Corona-Krise gerät die A GmbH in eine wirtschaftliche Schieflage. 2022 wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt nimmt G nach § 69 AO wegen Grunderwerbsteuer i.H.v. 65.000 Euro in Anspruch. Die Anteilsübertragung unterliegt nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Grunderwerbsteuer. Der zugleich verwirklichte § 1 Abs. 3 GrEStG tritt hinter § 1 Abs. 2b GrEStG zurück (Einzelheiten zum Verhältnis der beiden Erwerbsvorgänge vgl. Rz. 3.625). Die Grunderwerbsteuer beträgt 65.000 Euro (6,5 % des Grundstückswerts von 1 Mio). Steuerschuldnerin ist nach § 13 Nr. 7 GrEStG die A GmbH. Die Vereinbarung im Innenverhältnis ist für den Fiskus unbeachtlich. G hätte die Änderung im Gesellschafterbestand nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG (s. Rz. 7.8) dem nach § 17 GrEStG zuständigen Finanzamt (s. Rz. 7.53) innerhalb von zwei Wochen (§ 19 Abs. 3 GrEStG; s. Rz. 7.50) anzeigen müssen. Er hat dies grob fahrlässig unterlassen. Dass er fälschlicherweise davon ausging, B müsse die Grunderwerbsteuer zahlen, entschuldigt ihn nicht. G haftet für die Grunderwerbsteuer nach § 69 AO und hat lediglich zivilrechtlich im Innenverhältnis zur A GmbH einen entsprechenden Erstattungsanspruch.

7.20 Die Inanspruchnahme nach § 69 AO setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Vorsätzlich handelt, wer die Pflichten gekannt und ihre Verletzung gewollt hat. Dazu genügt, dass der Betreffende die Pflichtverletzung erkannt und in Kauf genommen hat, z.B. ein Vertreter die Anzeigepflicht kannte und gleichwohl die Anzeige nicht erstattet hat. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt.16 Dabei sind auch die persönlichen Kenntnisse zu berücksichtigen. Andererseits kann sich ein Geschäftsführer nicht auf die Kompliziertheit des Steuerrechts berufen. Er muss ggf. fachlichen Rat einholen. Neben der Haftung nach § 69 AO kommt auch eine Haftung wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO in Betracht. Dafür muss das Finanzamt den entsprechenden Vorsatz nachweisen. 7.21 Die Gesellschafter einer oHG haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die bis zu ihrem Ausscheiden begründet waren, persönlich (§ 128 HGB). Dazu gehören auch die betrieblichen Steuerschulden der Gesellschaft einschließlich Grunderwerbsteuer, soweit die Gesellschaft Steuerschuldnerin ist. Maßgeblich ist also, welcher Erwerbsvorgang verwirklicht wurde. Die Haftung bleibt auch nach dem Ausscheiden

16 Loose in Tipke/Kruse, § 69 AO Rz. 26 ff.

810 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.24 Kap. 7

aus der oHG bestehen.17 Sie verjährt jedoch fünf Jahre nach Ausscheiden oder Auflösung der Gesellschaft (§§ 159 Abs. 1, 160 Abs. 1 HGB). Die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft haften unbeschränkt wie die Gesellschafter der oHG (§§ 161 Abs. 2, 128 HGB). Bis zur Eintragung der Kommanditgesellschaft im Handelsregister haftet auch der Kommanditist unmittelbar und unbeschränkt, es sei denn, dem Gläubiger ist seine Beteiligung als Kommanditist bekannt (§ 176 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dasselbe gilt für den in eine bestehende Handelsgesellschaft eintretende Kommanditist (§ 176 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 HGB). Das Haftungsrisiko kann durch die auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister aufschiebend bedingte Übertragung des Gesellschaftsanteils vermieden werden. Nach Eintragung der Kommanditgesellschaft bzw. des Eintritts des Kommanditisten haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist (§ 171 HGB). Nach Rückzahlung der Einlage lebt die Haftung des Kommanditisten wieder auf (§ 172 Abs. 4 HGB).

7.22

Die Gesellschafter einer GbR haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wie z.B. die von der Gesellschaft zu entrichtende Grunderwerbsteuer, mit ihrem privaten Vermögen wie Gesellschafter einer oHG entspr. § 128 HGB.18 Durch §§ 721 bis 721b BGB i.d.F. durch das sog. MoPeG19 wird die Haftung der Gesellschafter einer GbR mit Wirkung vom 1.1.2024 neu geregelt. Danach haften die Gesellschafter den Gläubigern gegenüber persönlich und als Gesamtschuldner (§ 721 Satz 1 BGB n.F.). Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 721 Satz 2 BGB n.F.). Tritt ein Gesellschafter in eine bestehende Gesellschaft ein, haftet er wie die anderen Gesellschafter als Gesamtschuldner auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft (vgl. § 721a BGB n.F.).

7.23

Beispiel 7: A und B haben sich in Form einer GbR zusammengetan, um ein unbebautes, in NRW belegenes Grundstück zu bebauen. Die GbR erwirbt 2018 das unbebaute Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. und errichtet darauf ein Wohngebäude. 2022 veräußern A und B ihre GbR-Anteile an C und D für 3 Mio. Der Kaufpreis entspricht dem Wert für das nunmehr bebaute Grundstück und ist vollständig finanziert. Der Erwerbsvorgang wird ordnungsgemäß angezeigt. Das zuständige Finanzamt setzt gegenüber der GbR Grunderwerbsteuer i.H.v. 195.000 Euro (6,5 % des Grundstückswerts) fest.

7.24

17 Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Rz. 58. 18 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, DB 2001, 423. 19 Gesetz v. 21.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.

Loose | 811

Kap. 7 Rz. 7.24 | Verfahrensfragen

2022 A

B

50 %

50 %

AB GbR

C

D

50 %

50 %

CD GbR

Abb. 2 Infolge von Problemen bei der Vermietung gerät die GbR in eine wirtschaftliche Schieflage und kann die gegen sie festgesetzte Grunderwerbsteuer nicht zahlen. Das Finanzamt nimmt sodann C und D mittels Haftungsbescheid nach § 191 AO jeweils i.H.v. 195.000 Euro in Anspruch. Die Anteilsübertragung unterliegt nach § 1 Abs. 2b GrEStG der Grunderwerbsteuer. Steuerschuldnerin ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG die GbR. C und D haften unabhängig von ihrer Beteiligung entsprechend § 128 BGB jeweils in vollem Umfang als Gesamtschuldner für die von der GbR zu zahlende Grunderwerbsteuer. Der Ausgleich untereinander bzw. mit der GbR ist für die Haftung gegenüber dem Fiskus oder Dritten unerheblich.

7.25 Die Vorgründungsgesellschaft ist die auf den Abschluss eines Gründungsvertrags gerichtete Gesellschaft. Sie ist oHG, wenn sie ein Gewerbe betreibt (§§ 105, 1 Abs. 2 HGB); anderenfalls GbR.20 Die Gesellschafter haften also entweder nach § 128 HGB oder als Gesellschafter einer GbR persönlich. Nach Abschluss des Gründungsvertrags steht die Gesellschaft (Gründungsgesellschaft, Vorgesellschaft) unter dem Recht der geplanten Gesellschaft. Die Gründungsgesellschafter haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage, soweit sie diese noch nicht erbracht haben.21 7.26 Für die Grunderwerbsteuer einer Aktiengesellschaft, einer GmbH oder eines eingetragenen Vereins haftet nur das Vermögen der juristischen Person. Vorstand oder Geschäftsführer haften bei Verletzung ihrer steuerlichen Pflichten aber nach § 69 AO. IV. Anzeigepflicht der Beteiligten

7.27 Anzeigepflichten bestehen für Gerichte, Behörden und Notare (§ 18 GrEStG) und für die Steuerschuldner (§ 19 GrEStG). Die in § 19 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG genannten Erwerbsvorgängen müssen Steuerschuldner auch dann anzeigen, wenn eine Anzeigepflicht z.B. des Notars besteht. Nur bei den in § 19 Abs. 1 Satz 1 oder in Abs. 2

20 Sprau in Grüneberg82, § 705 BGB Rz. 5. 21 Sprau in Grüneberg82, § 705 BGB Rz. 5; Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Rz. 50.

812 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.31 Kap. 7

GrEStG nicht genannten Erwerbsvorgänge besteht eine Anzeigepflicht der Steuerschuldner nur dann, wenn eine Anzeigepflicht des Gerichts, einer Behörde oder eines Notars nicht besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob und inwieweit die Anzeigeverpflichteten die grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge oder die dazu passende Anzeigepflicht kennen. Die Anzeigepflicht ist objektiv und besteht unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten.22 Fehlende Kenntnis von den steuerbaren Erwerbsvorgängen können allenfalls für die Frage nach einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung von Bedeutung sein (s. Rz. 7.64). Bei allen Rechtsvorgängen, bei denen ein inländisches Grundstück beteiligt ist, sollte zumindest geprüft werden, ob ein steuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht wurde.

7.28

V. Anzeigepflichtige Vorgänge 1. Erwerb von Grundstücken Der Erwerb von Grundstücken aufgrund Kaufvertrags unterliegt der Beurkundung durch den Notar und ist daher von dem Notar anzuzeigen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Insoweit besteht für die Beteiligten an den Verträgen keine gesonderte Anzeigepflicht. Die Anzeigepflicht der Notare betrifft sowohl Beurkundungen als auch Beglaubigungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).23 Eine Belehrungspflicht über die Grunderwerbsteuer oder über eine steuerlich günstige Gestaltung zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer oder zur Erlangung einer Befreiung von der Grunderwerbsteuer besteht für den Notar nicht.24

7.29

Die Verletzung der Anzeigepflicht hat zur Folge, dass die Feststellungs- bzw. Festsetzungsfrist für die Besteuerung nicht anläuft (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Weitergehende Folgen hat die Anzeigepflichtverletzung für den Notar nicht. Er haftet insbesondere nicht gegenüber dem Fiskus wegen der Verletzung der Anzeigepflichten.25

7.30

2. Erwerbsvorgänge ohne Rechtsträgerwechsel a) Besondere Anzeigepflichten In der Praxis von großer Bedeutung sind die Anzeigepflichten der Steuerschuldner. In § 19 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von Anzeigepflichten normiert, die sicherstellen sollen, dass auch solche grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge erfasst werden, die keinen Rechtsträgerwechsel nach sich ziehen und nicht zwingend vom Notar nach § 18 GrEStG angezeigt werden müssen. Dazu gehören auch, aber nicht nur solche Erwerbsvorgänge, bei denen grundbesitzende Gesellschaften beteiligt sind.

22 23 24 25

BFH v. 17.9.2017 – II R 41/15, BFHE 260, 94 = BStBl. II 2018, 667. Einzelheiten vgl. Wachter in Behrens/Wachter2, § 18 GrEStG Rz. 101 ff. Wachter in Behrens/Wachter2, § 18 GrEStG Rz. 84; Loose in Viskorf20, § 18 GrEStG Rz. 29. Loose in Viskorf20, § 18 GrEStG Rz. 50.

Loose | 813

7.31

Kap. 7 Rz. 7.32 | Verfahrensfragen

b) Erwerb der Verwertungsbefugnis

7.32 § 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. 7.33 Beispiel 8: Der Investor A möchte nach außen hin nicht als Käufer von Grundstücken in Erscheinung treten. Er vereinbart mit dem Immobilienunternehmer B, dass dieser „für ihn“ ein in NRW belegenes, bebautes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro erwerben soll. Der Kaufpreis entspricht dem Wert des Grundstücks. B soll als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden. In einem Anfang 2016 geschlossenen Vertrag haben A und B festgehalten, dass B das Grundstück treuhänderisch für A halten soll und auf Verlangen jederzeit an A herausgeben muss. Im Innenverhältnis soll A sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb tragen. B soll eine fixe Treuhändervergütung von 500 Euro im Monat erhalten. Mitte 2016 erwirbt B das Grundstück. Der beurkundende Notar zeigt den Kaufvertrag gegenüber dem zuständigen Finanzamt an. Die Grunderwerbsteuer i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % vom Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. Euro) wird aufgrund § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegen B festgesetzt. 2022 setzt das zuständige Finanzamt gegen A Grunderwerbsteuer i.H.v. ebenfalls 65.000 Euro fest (6,5 % vom Wert des Grundstücks) nach § 1 Abs. 2 GrEStG fest. A beruft sich auf Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsverjährung beträgt 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO), hier Ende 2016. Der Erwerb des Grundstücks erfüllt neben § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zugleich (!) § 1 Abs. 2 GrEStG, denn A steht aufgrund des Treuhandvertrages die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu. A hat den auf dem Treuhandvertrag beruhenden Erwerb der Verwertungsbefugnis an dem Grundstück nicht gegenüber dem Finanzamt angezeigt, obwohl er dazu nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verpflichtet war. Die Festsetzungsfrist beginnt daher nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst Ende 2019 und war im Zeitpunkt der Festsetzung 2022 noch nicht abgelaufen.

c) Änderungen des Gesellschafterbestands

7.34 § 19 Abs. 1 Nr. 3a und Nr. 3b GrEStG erfassen unmittelbare und mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Gesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren zum Übergang von 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG). Die Ergänzungstatbestände fingieren einen Erwerb der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke26 durch eine fiktiv neue Gesellschaft. Folglich ist die Gesellschaft selbst und nicht der oder die Gesellschafter Steuerschuldner der Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG). Die Gesellschaft in Person der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers muss nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a und Nr. 3b GrEStG Anzeige über den steuerbaren Erwerbsvorgang erstatten. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass nicht nur die

26 Einzelheiten zur Zurechnung von Grundstücken i.S.d. § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG vgl. Rz. 1.79, 3.28.

814 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.35 Kap. 7

unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG steuerbar ist, sondern auch die mittelbare Änderung. Beispiel 9: An der grundbesitzenden AB GmbH sind die A GmbH und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Anteilseigner der A GmbH ist zu 100 % A, Anteilseiger der B GmbH zu 100 % B. 2021 überträgt A seine Anteile an der A GmbH auf X. 2022 überträgt B seine Anteile an der B GmbH auf Y.

2021 A

B

100 %

X 100 %

100 %

A GmbH

B GmbH

50 %

B 100 %

A GmbH

B GmbH

50 %

50 %

AB GmbH

50 %

AB GmbH

2022 X

Y

100 %

100 %

A GmbH

B GmbH

50 %

50 %

AB GmbH

Abb. 3

Loose | 815

7.35

Kap. 7 Rz. 7.35 | Verfahrensfragen Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist 2022 erfüllt, weil sich mit der Übertragung der Anteile der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden AB GmbH mittelbar innerhalb von 10 Jahren um mindestens 90 % geändert hat. Die beiden Gesellschaften A GmbH und B GmbH gelten als neue Gesellschafter der AB GmbH, weil die Anteile an ihnen zu mindestens 90 % auf die neuen Gesellschafter X und Y übergegangen sind (§ 1 Abs. 2b Sätze 3 und 4 GrEStG). Steuerschuldnerin ist die AB GmbH (§ 13 Nr. 7 GrEStG). Deren Geschäftsführerin oder deren Geschäftsführer müssen die Rechtsvorgänge, die zur Änderung des Gesellschafterbestands geführt haben, gegenüber dem zuständigen Finanzamt anzeigen. Die Anzeigepflicht besteht objektiv, d.h. unabhängig davon, ob sie überhaupt von der Änderung des Gesellschafterbestands auf der nächsten Beteiligungsebene Kenntnis erlangt haben. Die Anzeigefrist beginnt jedoch erst mit Kenntnis des anzeigepflichtigen Erwerbsvorgangs (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG).

d) Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung

7.36 § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 8 GrEStG regeln eine Anzeigepflicht für schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) und die Anzeige der Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer solchen Gesellschaft, wenn dieser kein Schuldgeschäft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Dasselbe gilt für die Übertragung bereits vereinigter Anteile (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG). Anzeigepflichtig sind auch Rechtsvorgänge, aufgrund derer ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 1 Abs. 3a GrEStG). Steuerschuldner und damit Anzeigeverpflichteter ist der Erwerber, in dessen Hand sich die Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG vereinigen (§ 13 Nr. 5 GrEStG), bzw. der Rechtsträger, der eine wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG innehat (§ 13 Nr. 8 GrEStG). 7.37 Beispiel 10: An der grundbesitzenden AB GmbH sind die Gesellschafter A und B bereits seit 2020 zu jeweils 50 % beteiligt. 2021 überträgt B 30 % seines Anteils auf A. 2022 überträgt B seine restlichen 20 % Anteile auf A.

2020 A

2021 B

50 %

A 50 %

AB GmbH

Abb. 4

816 | Loose

2022 B

80 %

A 20 %

AB GmbH

100 %

AB GmbH

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.40 Kap. 7 Durch den Erwerb der Anteile des B durch B im Jahre 2022 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Die Vorschrift fingiert einen Übergang der Grundstücke der AB GmbH auf A. Steuerschuldner ist A, in dessen Hand sich die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft vereinigen.

Wird durch die Vereinigung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand auch der Tatbestand der § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG ausgelöst, sieht § 1 Abs. 3 GrEStG eine vorrangige Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG vor. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG werden jedoch zu einem anderen Zeitpunkt als die Tatbestände nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht, nämlich (schon) im Zeitpunkt der (schuldrechtlich wirksamen) Begründung des Anspruchs auf Übertragung der Anteile und nicht (erst) bei Übertragung der Anteile. Das hat auch Einfluss auf die Anzeigepflicht.

7.38

Beispiel 11: An der grundbesitzenden AB GmbH sind die Gründungsgesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt. 2022 überträgt A seine Anteile auf X. Am 1.5.2023 schließt X mit B einen Vertrag über die Übertragung seiner Anteile an der AB GmbH. Am 1.10.2023 wird der Gesellschafterwechsel im Handelsregister eingetragen. Ab diesem Zeitpunkt ist X Alleingesellschafter.

7.39

2022 A

B

50 %

X 50 %

AB GmbH

2023 B

50 %

X 50 %

AB GmbH

100 %

AB GmbH

Abb. 5 Durch den Erwerb der Anteile des B ist am 1.5.2023 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Vertrag begründet einen Anspruch auf Übertragung von Anteilen an der AB GmbH aufgrund dessen X mindestens 90 % (hier sogar 100 %) an der grundbesitzenden AB GmbH hält. Durch die Übertragung der Anteile am 1.10.2023 ist auch der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG geht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vor. Steuerschuldner der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist X. Steuerschuldnerin des Gesellschafterwechsels nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist die AB GmbH. Beide müssen jeweils ihren Erwerbsvorgang anzeigen. X nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG, die AB GmbH nach § 19 Abs. 1 Nr. 3b GrEStG.

Werden die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft vereinigt oder die bereits vereinigten Anteile übertragen, ohne dass dem ein Rechtsgeschäft auf Übertragung vorausgegangen ist, ist auch für die Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG der Übergang der Anteile maßgeblich (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG). Wird damit zugleich § 1 Loose | 817

7.40

Kap. 7 Rz. 7.40 | Verfahrensfragen

Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt, sollten alle Steuerschuldner, nämlich Erwerber und Veräußerer der Anteile einerseits und die Gesellschaft andererseits die jeweiligen Rechtsvorgänge anzeigen. Ob nämlich eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG dem § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 4 GrEStG vorgeht, ist eine Rechtsfrage, die grds. keine Auswirkungen auf die Anzeigepflicht hat.

7.41 Beispiel 12: An der grundbesitzenden AB GmbH sind seit nach einem Anteilserwerb im Jahre 2022 die A GmbH und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. 2023 wird die A GmbH auf die B GmbH verschmolzen. Die Verschmelzung wird am 1.5.2023 wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist die B GmbH Alleingesellschafterin der AB GmbH. Durch die Verschmelzung ist am 1.5.2023 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG wäre grds. erfüllt. Durch die Verschmelzung am 1.5.2023 ist aber zugleich der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt. Die Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG geht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG vor, sodass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht erfüllt ist. Steuerschuldnerin des Gesellschafterwechsels nach § 1 Abs. 2b GrEStG ist die AB GmbH. Der Geschäftsführer dieser Gesellschaft muss den Erwerbsvorgang anzeigen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG).

3. Änderung der Bemessungsgrundlage a) Zusätzliche Gegenleistung

7.42 Nach § 19 Abs. 2 GrEStG haben Steuerschuldner Anzeige in Fällen zu erstatten, in denen die Gegenleistung über die im Kaufvertrag vereinbarte Gegenleistung hinausgeht. Das betrifft z.B. eine nachträglich zusätzlich zu zahlende Gegenleistung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) oder Leistungen eines Dritten an den Veräußerer (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht auch in den Fällen, in denen weitere Verträge hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks geschlossen werden, wenn das Grundstück im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbs war (sog. einheitlicher Erwerbsvorgang).27 7.43 Beispiel 13: Die X GmbH kauft ein in NRW belegenes unbebautes Grundstück vom Veräußerer A zu einem Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Bereits vor dem Kauf hatte die X GmbH ein detailliertes Angebot von der von A beherrschten Bauträgergesellschaft A GmbH vorliegen, wonach das Grundstück für 3 Mio. Euro mit einem Bürogebäude bebaut werden soll. Zeitnah nach dem Kauf des Grundstücks nimmt die X GmbH das Angebot der A GmbH an. Der Kauf des Grundstücks unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Gegenleistung bestimmt sich danach, in welchem Zustand das Grundstück Gegenstand des Kaufvertrags ist. Nach der Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand ist das Grundstück im Beispielsfall im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbs. Dafür reicht es aus, wenn – wie im Beispielsfall – ein einheitliches Angebot der Veräußererseite zum Kauf und zur Bebauung des Grundstücks vorliegt, und der Erwerber dieses Angebot zeitnah und im Wesentlichen unverändert annimmt.28 Steuerschuldner des Erwerbsvorgangs sind die am

27 Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 136 ff.; Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 48 ff. 28 Loose in Viskorf20, § 9 GrEStG Rz. 136 ff.; Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 48 ff.

818 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.45 Kap. 7 Grundstückskaufvertrag beteiligten A und X GmbH (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Sie müssen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auch die zusätzliche Gegenleistung anzeigen.

b) Umwandlungen mit Rückwirkung Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG sind Umwandlungen anzuzeigen, wenn innerhalb des Rückwirkungszeitraums i.S. der §§ 2, 20 Abs. 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder 3a ausgelöst hätte. Die Anzeigepflicht beruht auf der Änderung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, wonach eine Umgehung von Anteilserwerben oder Anteilsvereinigungen aufgrund von Umwandlungsvorgängen durch eine zeitlich vorgelagerte Veräußerung des Grundstücks vermieden werden soll.29 Danach sind Umwandlungen anzuzeigen, die zwar selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand erfüllen, aufgrund derer jedoch für einen anderen Erwerbsvorgang eine andere Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnte.

7.44

Beispiel 14: An der grundbesitzenden T GmbH ist die Muttergesellschaft M GmbH zu 100 % beteiligt. Am 1.3.2022 verkauft die T GmbH der M GmbH das in NRW belegene und mit 1 Mio. Euro bewertete Grundstück für 100.000 Euro an die M GmbH. Am 1.5.2022 wird die T GmbH ertragsteuerrechtlich rückwirkend zum 1.1.2022 auf die M GmbH verschmolzen.

7.45

M GmbH 100 % T GmbH

M GmbH 100 % T GmbH 1.3.2022 Verkauf Grundstück

M GmbH

M GmbH

T GmbH 1.5.2022 Verschmelzung Rückwirkend zum 1.1.2022 Abb. 6 29 Viskorf in Viskorf20, § 8 GrEStG Rz. 100; Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 13; Einzelheiten s. Rz. 8.63.

Loose | 819

Kap. 7 Rz. 7.45 | Verfahrensfragen Der Verkauf des Grundstücks unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Die Grunderwerbsteuer beträgt 6.500 Euro (6,5 % von 100.000 Euro). Die Verschmelzung am 1.5.2022 stellt keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang dar. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ist nicht erfüllt, denn im Zeitpunkt der (zivilrechtlich wirksamen) Verschmelzung ist kein Grundstück auf die M GmbH als neuer Rechtsträgerin übergegangen. Der Verkauf unter Verkehrswert führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, denn die Verschmelzung ist (ertragsteuerrechtlich) bereits zum 1.1.2022 wirksam geworden. Die Beteiligten des Kaufvertrages müssen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG die Umwandlung anzeigen, obwohl durch sie selbst keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wurde. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG wird die Grunderwerbsteuer für den Kauf des Grundstücks nachträglich nach dem Wert des Grundstücks (1 Mio.) bemessen und beträgt nunmehr 65.000 Euro statt 6.500 Euro. Die Verschmelzung ohne vorherigen Verkauf, wäre nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar und nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG steuerbefreit gewesen.

4. Wegfall von Steuerbegünstigungen

7.46 § 19 Abs. 2 Nr. 4, 4a und 5 GrEStG normieren Anzeigepflichten, wenn die Voraussetzungen, die eine Steuerbefreiung insbesondere nach §§ 5, 6 und 6a GrEStG begründet haben, nachträglich weggefallen sind. Wegen der langen Fristen in § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von zehn Jahre wirkt die Anzeigepflicht lange fort. Anzeigepflichtig sind die Steuerschuldner des ursprünglich nach § 5 Abs. 1 GrEStG oder § 6 Abs. 2 GrEStG steuerbaren, aber steuerbefreiten Erwerbsvorgangs.30 Vermindert sich die Beteiligung an einer Gesamthandsgemeinschaft ohne dass sich der Gesellschafterbestand ändert, ist der Vorgang entgegen dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gleichwohl anzuzeigen.31 7.47 Beispiel 15: An der grundbesitzenden AB GbR sind A und B zu jeweils 50 % beteiligt. 2022 bringt A ein ihm gehörendes Grundstück in die GbR ein. 2024 erwirbt B von A einen Anteil an der GbR i.H.v. 39 %. Ab diesem Zeitpunkt sind B mit 89 % und A nur noch mit 11 % an der GbR beteiligt.

2022

2024 A

B

50 %

50 %

AB GbR

A

B

11 %

89 %

AB GbR

Abb. 7 30 Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 26. 31 BFH v. 15.1.2019 – II R 39/16, BStBl. II 2019, 627; v. 17.5.2017 – II R 35/15, BStBl. II 2017, 966.

820 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.49 Kap. 7 Die Einbringung des Grundstücks in die GbR unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Die darauf entfallende Grunderwerbsteuer wird i.H.v. 50 % nach § 5 Abs. 1 GrEStG zunächst nicht erhoben, weil A an der GbR zu 50 % beteiligt ist. Die Verminderung des Anteils des A innerhalb von zehn Jahren führt nach § 5 Abs. 3 GrEStG insoweit, also i.H.v. 39 %, zum Wegfall der Steuerbegünstigung. Der Anteilserwerb des B ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzeigepflichtig, obwohl durch den Erwerb selbst kein Erwerbstatbestand ausgelöst wurde und sich der Gesellschafterbestand nicht geändert hat. Verschiebungen bei den Anteilen bestehender Gesellschafter fallen nach der Rechtsprechung ebenfalls unter den Wortlaut des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG.

5. Änderungen des Handelsregisters Notare und Gerichte müssen Änderungen des Grundbuchs aufgrund von Wechseln in amtlichen Registern (Handels-, Genossenschafts-, Vereinsregister) nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG anzeigen. Die Anzeigepflicht betrifft sowohl Notare als auch die Gerichte, bei denen die Register geführt werden.32 Ungeachtet dessen hat der Gesetzgeber auch noch eine Anzeigepflicht der Steuerschuldner in § 19 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG normiert.33 Sie erfasst alle Rechtsträgerwechsel im Unternehmen, die aufgrund einer Eintragung im Handelsregister erfolgen, insbesondere aufgrund von Umwandlungen.

7.48

Beispiel 16: An der grundbesitzenden A GmbH ist A als Alleingesellschafter zu 100 % beteiligt. Aufgrund Gesellschafterbeschlusses wird die A GmbH auf Ihre Schwestergesellschaft, die B GmbH, verschmolzen.

7.49

A 100 %

A GmbH

100 %

Verschmelzung

B GmbH

Abb. 8 Die Verschmelzung führt zu einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Infolge der Gesamtrechtsnachfolge ist nunmehr die B GmbH Eigentümerin des Grundstücks ist. Sowohl der beurkundende Notar als auch das Registergericht sind nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG verpflichtet, die Verschmelzung anzuzeigen. Zudem ist die B GmbH als Steuerschuld-

32 Wachter in Behrens/Wachter2, § 18 GrEStG Rz. 119. 33 Wachter in Behrens/Wachter2, § 18 GrEStG Rz. 119: übermäßige dreifache Anzeigepflicht.

Loose | 821

Kap. 7 Rz. 7.49 | Verfahrensfragen nerin dazu nach § 19 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG verpflichtet. Die Anzeigepflichten bestehen grds. unabhängig nebeneinander. Für eine etwaige Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 5 GrEStG reicht es aber aus, wenn einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt.34

VI. Form, Frist und Inhalt der Anzeige

7.50 Anzeigen nach § 19 GrEStG sind schriftlich abzugeben (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG). Weitere Vorgaben sind nicht erforderlich, insbesondere ist kein ausdrücklich vorgesehenes Formblatt für die Anzeige vorgeschrieben. Sollte das örtlich zuständige Finanzamt ein eigenes, nicht amtliches Formblatt verwenden, ist der Anzeigeverpflichtete nicht verpflichtet, dieses zu verwenden, auch wenn es ggf. zur Vermeidung von Irritationen sinnvoll wäre. Nach § 19 Abs. 5 Satz 3 GrEStG kann die Anzeige in elektronischer Form (§ 87a AO) übermittelt werden. 7.51 Die Anzeigen sind innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erstatten. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Anzeigeverpflichteten von dem anzeigepflichtigen Rechtsvorgang (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Für Steuerausländer gilt statt der Frist von zwei Wochen eine Frist von einem Monat (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Innerhalb der Frist ist ein Antrag auf angemessene Fristverlängerung möglich, nicht jedoch nach Ablauf der Frist.35 7.52 Der notwendige Inhalt der Anzeige ergibt sich aus § 20 GrEStG. Danach müssen Anzeigen persönliche Angaben über den Erwerber (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), über das erworbene Grundstück oder die erworbenen Grundstücke (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG), über den anzeigepflichtigen Erwerbsvorgang, also z.B. den Kaufvertrag oder den Einbringungsvertrag (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) sowie über den Kaufpreis oder die sonstige Gegenleistung enthalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG). Bei den Erwerbsvorgängen, die auf einer Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Gesellschaft (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) oder auf einer Anteilsvereinigung oder -übertragung beruhen (§ 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG) sind nach § 20 Abs. 2 GrEStG zusätzliche Angaben erforderlich. Danach sind die Firma, der Ort der Geschäftsführung, die Wirtschafts-Identifikationsnummer.36 und die für die Besteuerung nach dem Einkommen vergebene Steuernummer der Gesellschaft anzugeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Ferner sind die Gesellschaftsanteile zu bezeichnen (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) und bei mehreren Beteiligten eine Beteiligungsübersicht einzureichen (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Die Beteiligungsübersicht ist an keine Form gebunden. Aus ihr sollten sich aber die Beteiligungsverhältnisse und die historische Entwicklung ohne weitere komplizierte Erläuterungen ergeben. 34 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830 Rz. 24; v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777 Rz. 23; v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157 Rz. 19. 35 BFH v. 20.1.2005 – II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 36; Wachter in Behrens/Wachter2, § 19 GrEStG Rz. 222. 36 Die Wirtschaftsidentifikationsnummer wird derzeit noch nicht erteilt (vgl. https://www. bzst.de/DE/Unternehmen/Identifikationsnummern/Wirtschaftsidentifikationsnummer/ wirtschaftsidentifikationsnummer_node.html). Nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 gelte bis dahin die für die Einkommensteuer vergebene Steuernummer und die Registernummer.

822 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.56 Kap. 7

VII. Adressat der Anzeige Adressat der Anzeige ist die Grunderwerbsteuerstelle des örtlich zuständigen Finanzamts (§ 17 Abs. 1 GrEStG). Zu beachten ist, dass in vielen Bundesländer die Zuständigkeit für die Grunderwerbsteuer bei bestimmten Finanzämtern konzentriert ist.37 Die Übersendung an die Körperschaftsteuerstelle oder die Einkommensteuerstelle des örtlich zuständigen Finanzamtes reicht nicht aus.38 Eine nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts adressierte Anzeige, die sich nach ihrem Inhalt jedoch eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts richtet, genügt jedoch auch den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anzeige.39 Bestehen Zweifel, welches Finanzamt zuständig ist, reicht es aus, wenn die Anzeige an eines der in Betracht kommenden Finanzämter geschickt wird. Hält dieses sich für nicht zuständig, hat es den Fall an das nach seiner Meinung zuständige Finanzamt abzugeben.40

7.53

Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke die in Bezirken verschiedener Finanzämter desselben Landes oder auch mehrerer Länder liegen, ist eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich (§ 17 Abs. 2 GrEStG). Dasselbe gilt in Umwandlungsfällen und in den Fällen der § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG (§ 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG; s. Rz. 3.390). In diesen Fällen ist die Anzeige an das Finanzamt zu schicken, das für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig ist (s. Rz. 3.390).

7.54

Löst derselbe Rechtsvorgang mehrfach Steuer aus, ist er jeweils gesondert dem dafür zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Das gilt insbesondere für Verschmelzungsfälle, die zum einen selbst einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auslösen können aber zugleich auch einen Wegfall von Steuervergünstigungen (§ 5 Abs. 3 GrEStG) oder eine Anteilsvereinigung bewirken können.

7.55

Beispiel 17: An der grundbesitzenden AB GmbH sind die A KG und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Gesellschafter sind jeweils A und B, die mit jeweils 100 % am Vermögen der A KG, bzw. am Kapital der B GmbH beteiligt sind. Die B GmbH und die AB GmbH haben ihren Geschäftssitz in Bayern, die A KG in NRW. Die Grundstücke der AB GmbH liegen in Deutschland verteilt.

7.56

2022 bringt A ein ihm gehörendes, in NRW belegenes Grundstück in die A KG ein. 2023 wird die A KG auf die B GmbH verschmolzen. Im Gegenzug erhält A Gesellschaftsanteile an der B GmbH. In der Folge sind A und B an der B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Die B GmbH wird Alleingesellschafterin der AB GmbH.

37 Das für die Grunderwerbsteuer örtlich zuständige Finanzamt lässt sich im Internet über www.bzst.bund.de oder www.steuerliches-info-center.de jeweils unter der Rubrik „Finanzamtssuche“ ermitteln. 38 BFH v. 11.6.2008 – II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876; v. 29.10.2008 – II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832; Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 41. 39 BFH v. 23.5.2012 – II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579. 40 Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 42; a.A. Wachter in Behrens/Wachter2, § 19 GrEStG Rz. 240: Übermittlung einer Anzeige an alle möglicherweise zuständigen Finanzämter.

Loose | 823

Kap. 7 Rz. 7.56 | Verfahrensfragen

A

Einbringung 2022

B

100 %

100 %

B GmbH

A KG

50 %

50 %

AB GmbH

A

B

100 %

A KG

100 %

Verschmelzung 2023

50 %

50 %

AB GmbH

824 | Loose

B GmbH

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.56 Kap. 7

A

B

50 %

50 %

B GmbH

100 %

AB GmbH

Abb. 9a–9c Die Einbringung des Grundstücks in die A KG (2022) unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Die darauf entfallende Grunderwerbsteuer wird nach § 5 Abs. 1 GrEStG zunächst nicht erhoben, weil A am Vermögen der A KG zu 100 % beteiligt ist. Die Verschmelzung (2023) führt zu einer Verminderung des Anteils des A innerhalb von zehn Jahren. Damit fällt die Steuerbegünstigung nachträglich im vollen Umfang weg (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Zugleich führt die Verschmelzung zu einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, weil aufgrund der Verschmelzung nunmehr die B GmbH Eigentümerin des Grundstücks ist. Schließlich unterliegt die Verschmelzung auch noch der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG, weil sich infolge der Verschmelzung sämtliche Anteile an der grundbesitzenden AB GmbH in der Hand der B GmbH vereinigen. Der beurkundende Notar ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verpflichtet, die Verschmelzung anzuzeigen. Ungeachtet dessen sich auch die Beteiligten nach § 19 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG wegen des nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklichten Erwerbsvorgangs, und zudem nach § 19 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG wegen der durch die Verschmelzung bewirkten Anteilsvereinigung zur Anzeige verpflichtet. Die Verschmelzung ist dem Finanzamt in Bayern, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der B GmbH befindet, anzuzeigen. Die Zuständigkeit folgt für den Grundstückserwerb aufgrund der Verschmelzung aus § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG und für die gleichzeitig bewirkte Anteilsvereinigung aus § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG (s. Rz. 3.390). Die Verschmelzung ist aber auch wegen des Wegfalls der Steuerbegünstigung nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzuzeigen. Anzeigepflichtig sind A und die B GmbH als Rechtsnachfolgerin der A KG. Zuständig ist das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang (Einbringung) zuständige Finanzamt in NRW, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

Loose | 825

Kap. 7 Rz. 7.57 | Verfahrensfragen

VIII. Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen 1. Festsetzungs- und Feststellungsverjährung

7.57 Anzeigen für Zwecke der Grunderwerbsteuer sind Steuererklärungen i.S. der Abgabenordung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Die Anzeigepflicht besteht daher objektiv und unabhängig von den subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des Anzeigeverpflichteten.41 Im Zweifel muss sich der Anzeigeverpflichtete Hilfe und fachkundige Beratung einholen. Das wird in vielen Fällen schon deshalb unerlässlich sein, weil zunächst geprüft werden muss, welche Rechtsvorgänge zu welchem Erwerbsvorgang geführt haben. Danach bestimmen sich z.B. die Person des Anzeigeverpflichteten, der Zeitpunkt der Anzeige und der Adressat der Anzeige. Ohne fachliche Vorkenntnisse im Bereich der Grunderwerbsteuer lässt sich dies nicht bewältigen. 7.58 Die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und beginnt grds. mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Dasselbe gilt für die Feststellungsfrist in den Fällen des § 17 Abs. 2 oder 3 GrEStG. Ist eine Anzeige nach § 19 GrEStG zu erstatten, beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem diese eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Die Nichtabgabe der Anzeige löst also eine sog. Anlaufhemmung von drei Jahren voraus. Wird die Anzeige leichtfertig nicht oder sogar bewusst nicht abgegeben und infolgedessen als leichtfertige Steuerverkürzung oder sogar als Steuerhinterziehung gewertet, verlängert sich die Festsetzungsverjährung zusätzlich von vier auf fünf bzw. zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). 7.59 Den anzeigepflichtigen Beteiligten kommt eine vom Notar nach § 18 GrEStG erstattete Anzeige des Rechtsvorgangs zugute. Der Beginn der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist wird also nicht dadurch weiter hinausgeschoben, dass für denselben Rechtsvorgang nach § 19 Anzeigeverpflichtete ihre Anzeigepflicht nicht erfüllt haben.42 7.60 Für den Rechtsnachfolger des Anzeigepflichtigen gilt nach § 153 AO eine Berichtigungspflicht. Erkennt er, dass die Anzeige unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung der Grunderwerbsteuer kommen kann oder bereits gekommen ist, hat er dies unverzüglich anzuzeigen und zugleich die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.43

41 BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777. 42 BFH v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777. 43 Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 48; zu Einzelheiten vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 8 ff.

826 | Loose

A. Steuerschuldner und Anzeigepflichten | Rz. 7.63 Kap. 7

2. Verspätungszuschlag Bei Nichterfüllung der Anzeigepflicht oder bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Die Entscheidung darüber, ob ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird und, wenn ja, in welcher Höhe beruht auf einer Ermessensentscheidung des Finanzamtes.44 Sind mehrere Beteiligte zur Anzeige verpflichtet, z.B. der Notar nach § 18 GrEStG und der Steuerschuldner nach § 19 GrEStG, dürfte die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegen den säumigen Steuerschuldner ermessensfehlerhaft sein, wenn dem Finanzamt der Erwerbsvorgang bereits aufgrund einer ordnungsgemäßen Anzeige des Notars bekannt ist.

7.61

Die Höhe des Verspätungszuschlags beträgt für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO). § 19 Abs. 6 GrEStG45 enthält eine eigene Regelung für den Verspätungszuschlag bei der Grunderwerbsteuer. Danach findet auf Anzeigen nach § 19 GrEStG auch in Feststellungsfällen nicht § 152 Abs. 6 AO, sondern § 152 Abs. 5 Satz 2 AO Anwendung. Die Kappungsgrenze von 25.000 Euro (§ 152 Abs. 10 AO) gilt für die Grunderwerbsteuer nicht.

7.62

Beispiel 18: An der grundbesitzenden A KG (Hotelbetrieb) sind die A GmbH und die B GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Deren Alleingesellschafter sind jeweils A und B. Am 1.7.2020 überträgt der in die Schweiz ausgewanderte A seine Anteile an der A GmbH auf B. Der Vertrag wird in der Schweiz bei einem dort ansässigen Notar geschlossen. Der Geschäftsführer der A KG wird darüber am 1.10.2020 informiert. Er versäumt es aber aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen schwierigen Geschäftslage der A KG, den Rechtsvorgang anzuzeigen.

7.63

Erst nach zwei Jahren, am 1.10.2022, zeigt er den Rechtsvorgang beim zuständigen Finanzamt an. Die Grundstücke (Hotels) der A KG sind sämtlich in NRW belegen und haben im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile einen steuerlichen Grundbesitzwert von 10.000.000 Euro. Die Übertragung der Anteile an der A GmbH führt zu einem mittelbaren und nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang bezogen auf die Grundstücke der A KG. § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert einen Erwerb der Grundstücke durch eine „fiktiv neue“ A KG von einer „fiktiv alten“ A KG. Steuerpflichtige ist die A KG. Deren Geschäftsführer hat die Anzeige nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG zu erstatten, und zwar zwei Wochen nach Kenntnisnahme (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG). Bei einer festzusetzenden Grunderwerbsteuer von 650.000 Euro (6,5 % von 10.000.000 Euro) beträgt der monatliche (!) Verspätungszuschlag 1.625 Euro (0,25 % von 650.000 Euro). § 152 Abs. 6 AO gilt nicht (§ 19 Abs. 6 GrEStG). Der Verspätungszuschlag ist auch nicht nach § 152 Abs. 10 AO bei 25.000 Euro gedeckelt (§ 19 Abs. 6 GrEStG). Er kann nach zwei Jahren 39.000 Euro betragen (24 Monate × 1.625 Euro). Für die Abgabe von Anzeigen nach § 19 GrEStG gab es aufgrund der Corona-Pandemie keine Fristverlängerungen. Allerdings setzt die Festsetzung des Verspätungszuschlags eine Ermessensentscheidung voraus. Im Rahmen derer ist es dem Geschäftsführer der A-KG unbenommen, die besonderen Umstände der verspäteten Anzeige darzulegen, damit diese bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags Berücksichtigung finden.

44 Einzelheiten zur Ermessensausübung vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 22 ff. 45 Eingefügt durch das JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096.

Loose | 827

Kap. 7 Rz. 7.64 | Verfahrensfragen

3. Steuerstrafrechtliche Folgen

7.64 Nach § 370 Abs. 1 AO wird u.a. wegen Steuerhinterziehung bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt, und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Ordnungswidrig handelt, wer eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht (sog. leichtfertige Steuerverkürzung). 7.65 Die Anzeigepflicht besteht grds. unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten.46 Fehlende Kenntnis von den steuerbaren Erwerbsvorgängen können allenfalls für die Frage nach einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung von Bedeutung sein. Wird eine Anzeige nach § 18 GrEStG oder § 19 GrEStG bewusst nicht erstattet, obwohl der Steuerpflichtige von dem Erwerbsvorgang und seiner Anzeigepflicht Kenntnis hatte, dürfte eine Steuerhinterziehung vorliegen. Der Steuerpflichtige wird sich dann nicht damit entlasten können gemeint zu haben, dass der Erwerbsvorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. 7.66 Praktisch problematisch sind eher die Fälle, in denen der Steuerpflichtige keine Kenntnis von dem steuerbaren Erwerbsvorgang und der damit verbundenen Anzeigepflicht hatte, er jedoch bei Beachtung seiner Sorgfaltspflichten hätte Kenntnis erlangen können. Unterlässt er dann die erforderliche Anzeige, könnte ihn der Vorwurf der Leichtfertigkeit treffen. Zwar besteht keine allgemeine Erkundigungspflicht in steuerlichen Fragen.47 Allerdings gelten gerade im Unternehmen besondere Pflichten, z.B. in Zweifelsfällen steuerrechtlichen Rat einzuholen.48 Unterliegt der Sachverhalt jedoch besonderen rechtlichen Schwierigkeiten, die einen steuerbaren Erwerbsvorgang und/ oder die dazu passende Anzeigepflicht nicht erkennen lassen, kann dem Steuerpflichtigen auch keine Leichtfertigkeit vorgeworfen werden.49 Dasselbe dürfte gelten, wenn der Steuerpflichtige ein umfassendes Compliance- und Überwachungssystem eingerichtet hat. 4. Ausschluss der Rückgängigmachung

7.67 Nach § 16 GrEStG können Erwerbsvorgänge unter besonderen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden. Die Vorschrift gilt grds. für alle Erwerbstatbestände, insbesondere aber auch für diejenigen, bei denen es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einem Übergang des Eigentums am Grundstück kommt. Üblicherweise erlangt das zuständige Finanzamt erst aufgrund einer Anzeige Kenntnis von diesen Erwerbsvorgängen. Nach § 16 Abs. 5 GrEStG ist die Rückgängigmachung nach § 16 46 BFH v. 17.9.2017 – II R 41/15, BFHE 260, 94 = BStBl. II 2018, 667. 47 Krumm in Tipke/Kruse, § 378 AO Rz. 17. 48 FG Thüringen v. 29.1.2020 – 4 K 381/18, EFG 2022, 220 Rz. 40 zur Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG; Krumm in Tipke/Kruse, § 378 AO Rz. 17. 49 Vgl. BFH v. 17.11.2011 – IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309; Krumm in Tipke/Kruse, § 378 AO Rz. 17.

828 | Loose

B. Besteuerungsverfahren | Rz. 7.69 Kap. 7

Abs. 1 bis Abs. 4 GrEStG ausgeschlossen, wenn der Übergang der Verwertungsmöglichkeit am Grundstück (§ 1 Abs. 2), die Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) oder der Übergang vereinigter Anteile oder die Vereinigung von Anteilen an einer Gesellschaft in einer Hand oder das entsprechende schuldrechtliche Geschäft (§ 1 Abs 3 und Abs. 3a) rückgängig gemacht wird und der dem Rückerwerb vorausgegangene Erwerbsvorgang zuvor nicht in allen Punkten ordnungsgemäß angezeigt worden war. Durch die Regelung soll verhindert werden, dass diese Erwerbsvorgänge zunächst nicht angezeigt und bei späterer Aufdeckung des Sachverhalts dann rückgängig gemacht werden. § 16 Abs. 5 GrEStG verlangt, dass die Anzeige allen Anforderungen der §§ 18, 19 GrEStG i.V.m. § 20 GrEStG genügt. Dazu gehört, dass die Anzeige vollständig (§ 20 GrEStG) ist und dem zuständigen Finanzamt gegenüber erstattet wird.50 Sind sowohl der Notar (nach § 18 GrEStG) also auch die Steuerschuldner (nach § 19 GrEStG) verpflichtet, eine Anzeige zu erstatten, reicht es für § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn einer der beiden Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht nachkommt.51 Das dürfte auch dann gelten, wenn die Anzeige des Notars nicht so ausführlich ist wie die vom Steuerschuldner zu erwartende Anzeige, das Finanzamt aber aufgrund der Anzeige und des Akteninhalts alle Informationen an der Hand hat, um die Steuerfestsetzung durchzuführen. § 16 Abs. 5 GrEStG soll nur verhindern, dass der Steuerschuldner zunächst keine Anzeige erstattet und später, wenn der Erwerbsvorgang dem Finanzamt bekannt wird, den Erwerbsvorgang rückgängig macht. Das ist aber nicht der Fall, wenn dem Finanzamt der Sachverhalt z.B. aufgrund der Anzeige des Notars bekannt ist.

7.68

B. Besteuerungsverfahren I. Zuständiges Finanzamt Für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist nach grds. das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück oder der wertvollste Teil des Grundstücks liegt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Die Finanzverwaltung hat die Zuständigkeit für die Grunderwerbsteuer bei einigen wenigen Finanzämtern konzentriert. Welches Finanzamt für im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG und den darauf beruhenden (landesgesetzlichen) Zuständigkeitsverordnungen.

50 BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157. 51 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830; v. 3.3.2015 – II R 30/13, BStBl. II 2015, 777; v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157.

Loose | 829

7.69

Kap. 7 Rz. 7.70 | Verfahrensfragen

II. Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1. Bedeutung der gesonderten Feststellung

7.70 In vielen Fällen geht der eigentlichen Steuerfestsetzung eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen voraus. Das Verfahren ist zweistufig, ggf. sogar dreistufig. Das für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständige Finanzamt stellt mit dem Bescheid den steuerbaren Erwerbsvorgang und ggf. das Eingreifen von Steuerbefreiungen und weitere Besteuerungsgrundlagen fest. Dieser Feststellungsbescheid ist dann der Grundlagenbescheid für den späteren Grunderwerbsteuerbescheid und ggf. für den noch zuvor zu erlassenden Wertfeststellungsbescheid. 2. Erstreckung des Erwerbs über die Landesgrenze oder auf mehrere Grundstücke

7.71 Eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist durchzuführen, wenn sich ein Rechtsvorgang mit einem einheitlichen Gesamt(kauf)preis auf mehrere, in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegende Grundstücke bezieht oder ein Grundstück betrifft, das in den Bezirken verschiedener Länder liegt (§ 17 Abs. 2 GrEStG). In beiden Fällen ist das Finanzamt örtlich für die gesonderte Feststellung zuständig, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder Grundstücken liegt. Keiner gesonderten Feststellung erfolgt, wenn in einem Vertrag mehreren Grundstücken jeweils selbständige, nachvollziehbare Einzelkaufpreise zugeordnet werden.52 7.72 Wird der Rechtsvorgang einem offensichtlich örtlich unzuständigen Finanzamt angezeigt, hat dieses den Vorgang unmittelbar und umgehend an das zuständige Finanzamt zur Durchführung einer gesonderten Feststellung zu übersenden.53 3. Gesonderte Feststellung in Umwandlungsfällen

7.73 Beim Grundstücksübergang aufgrund einer Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung) werden nicht selten mehrere, dazu noch oft in den Bezirken verschiedener Finanzämter – auch über die Landesgrenzen hinaus – belegene Grundstücke übertragen. In diesen Fällen ist das Finanzamt für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG). Dasselbe dürfte gelten, wenn dem Erwerber nur ein Grundstück in einem außerhalb des Bezirks des Finanzamtes, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet, gehört. Befindet sich die Geschäftsleitung nicht im Geltungsbereich des GrEStG, erfolgt die gesonderte Feststellung durch das Finanzamt, in dessen Bezirk der wertvollste Grundstücksteil oder das wertvollste Grundstück oder der wertvollste Bestand an Grundstücksteilen oder an Grundstücken liegt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GrEStG). 52 Loose in Viskorf20, § 17 GrEStG Rz. 31. 53 Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 35.

830 | Loose

B. Besteuerungsverfahren | Rz. 7.75 Kap. 7

Etwas anderes gilt nur, wenn die Besteuerungsgrundlagen für einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG festgestellt werden (Einzelheiten s. Rz. 3.390). In diesen Fällen geht § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vor.54

7.74

Beispiel 19: An der grundbesitzenden A GmbH mit Geschäftssitz in München/Deutschland sind die X GmbH die Y GmbH, jeweils mit Geschäftssitz in Salzburg/Österreich seit der Gründung im Jahre 2000 zu jeweils 50 % beteiligt. Die A GmbH hält Grundstücke in ganz Deutschland, das wertvollste Grundstück ist in Düsseldorf gelegen. 2023 wird die X GmbH nach österreichischem Recht auf die Y GmbH verschmolzen. In der Folge ist die Y GmbH an der A GmbH zu 100 % beteiligt.

7.75

X GmbH

Verschmelzung 2023

50 %

Y GmbH

50 %

Österreich Deutschland

A GmbH

Y GmbH

100 %

Österreich Deutschland

A GmbH

Abb. 10a, 10b

54 BFH v. 21.8.2019 – II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, 344.

Loose | 831

Kap. 7 Rz. 7.75 | Verfahrensfragen Die Verschmelzung der X GmbH auf die Y GmbH löst in Deutschland einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG aus. Die Anteile an der grundbesitzenden A GmbH vereinigen sich aufgrund der Verschmelzung in der Hand der Y GmbH. § 1 Abs. 2b GrEStG geht dem § 1 Abs. 3 GrEStG nicht vor, denn der Gesellschafterbestand der A GmbH hat sich nicht innerhalb von zehn Jahren geändert. Die X GmbH und die Y GmbH waren im Zeitpunkt der Verschmelzung sog. Altgesellschafter. Zuständig für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, hier das Finanzamt in München. Zwar befindet sich die Geschäftsleitung des Erwerbers (Y GmbH) nicht in Deutschland und das wertvollste Grundstück ist in Düsseldorf gelegen. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG geht jedoch dem § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vor.

7.76 Bei Verlegung der Geschäftsleitung geht die örtliche Zuständigkeit auf das Finanzamt über, in dessen Bezirk die Geschäftsleitung verlegt worden ist (§ 26 AO). Das ist insbesondere bei einer Verschmelzung der Fall, bei der die verschmolzene Gesellschaft untergeht und der Sitz der Geschäftsleitung zwangsläufig wechselt. Der Zuständigkeitswechsel tritt in diesen Fällen ein, sobald eines der Finanzämter von der Verschmelzung erfährt (§ 26 Satz 1 AO). Das bisher zuständige Finanzamt kann jedoch das bisherige Feststellungs- oder Festsetzungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und das nunmehr zuständige FA zustimmt (§ 26 Satz 2 AO).55 7.77 In Verschmelzungsfällen ist der übernehmende Rechtsträger Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden Rechtsträgers. Das für die Besteuerung des übernehmenden Rechtsträgers zuständige Finanzamt ist damit auch für die Besteuerung des übertragenden Rechtsträgers für die Zeit vor der Verschmelzung zuständig. Hat der Erwerber seinen Sitz im Ausland, findet die gesonderte Feststellung wieder beim Finanzamt statt, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück belegen ist (§ 17 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 GrEStG) 4. Gesonderte Feststellung in den Fällen der § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG

7.78 Beim Wechsel im Gesellschafterbestand grundbesitzender Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) wird ein Grundstückserwerb der (fiktiv) neuen Gesellschaft von der (fiktiv) alten Gesellschaft besteuert. In diesen Fällen ist das Finanzamt für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zuständig, in dessen Bezirk sich der Ort der Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft befindet. Dasselbe gilt bei der Vereinigung und bei der Übertragung aller Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Die Regelung folgt der praktischen Überlegung, dass das Finanzamt, in dessen Bezirk die Geschäftsleitung liegt, am ehesten den Überblick über die der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnenden Grundstücke (Einzelheiten dazu s. Rz. 1.79, 3.28) hat.

55 Ländererlasse v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282 Tz. 7.

832 | Loose

B. Besteuerungsverfahren | Rz. 7.80 Kap. 7

Auch im Falle einer mittelbaren Anteilsvereinigung (-übertragung) ist die gesonderte Feststellung durch das Finanzamt durchzuführen, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft befindet, deren Anteile (mittelbar) vereinigt oder übertragen werden. In Fällen mit mehrstufigen, unmittelbaren und mittelbaren Anteilsvereinigungen (-übertragungen) bietet es sich jedoch im Einvernehmen mit den zuständigen Finanzämtern und mit Zustimmung des Steuerpflichtigen (vgl. § 27 AO) an, die die gesonderte Feststellung durch das Finanzamt durchführen zu lassen, in dessen Bezirk sich die oberste grundbesitzende Gesellschaft oder die Konzernmutter befindet.

7.79

Beispiel 20: An der A AG mit Geschäftssitz in München sind A zu 80 % und B zu 20 % seit Gründung im Jahre 2000 beteiligt. Die A AG hält selbst Grundstücke, die in ganz Deutschland belegen sind. 2005 erwarb die A AG 100 % Anteile an der X GmbH mit Geschäftssitz in Düsseldorf, die zu diesem Zeitpunkt selbst Eigentümerin eines Grundstücks war. 2006 und 2007 erwarb die X GmbH weitere Grundstücke hinzu. 2023 erwirbt A die restlichen Anteile an der A AG von B und ist ab diesem Zeitpunkt zu 100 % an der A AG beteiligt.

7.80

A

B

80 %

20 %

A AG

100 %

X GmbH

2006

2007

Loose | 833

Kap. 7 Rz. 7.80 | Verfahrensfragen

A

B

80 %

20 %

A AG

100 %

X GmbH

2006

2007

A 100 %

A AG

100 %

X GmbH

2006

2007

Abb. 11a–11c Der Erwerb der 20 % Anteile erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG – und zwar unmittelbar in Bezug auf die Grundstücke, die die A AG selbst hält und das Grundstück der X GmbH, das der A AG aufgrund des Anteilserwerbs 2005 zuzurechnen ist. Die 2006 und

834 | Loose

B. Besteuerungsverfahren | Rz. 7.83 Kap. 7 2007 hinzuerworbenen Grundstücke, sind der A AG grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen, denn insoweit hat sie selbst keinen Erwerbstatbestand verwirklicht (Einzelheiten s. Rz. 1.79, 3.28). Der Anteilserwerb erfüllt jedoch bezogen auf die 2006 und 2007 von der X GmbH erworbenen Grundstücke den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, und zwar mittelbar. A hält durch den Erwerb der Anteile an der A AG mittelbar alle Anteile an der grundbesitzenden X GmbH. Für die gesonderte Feststellung sind die Finanzämter zuständig, in deren Bezirk sich die Geschäftssitze der A AG und der X GmbH befinden. Es bietet sich an, im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen A die gesonderte Feststellung nur von dem Finanzamt am Sitz der Muttergesellschaft – hier München – durchführen zu lassen. Anderenfalls müssten unterschiedliche Feststellungsbescheide bezogen auf die Grundstücke, die der A AG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind, und die Grundstücke, die der X GmbH zuzurechnen sind, von unterschiedlichen Finanzämtern erlassen werden.

5. Inhalt der gesonderten Feststellung Gegenstand der nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG zu treffenden gesonderten Feststellung sind sämtliche Besteuerungsgrundlagen, die für die spätere Grunderwerbsteuerfestsetzung von Bedeutung sind. Dazu gehört die verbindliche Entscheidung über die Steuerbarkeit des jeweiligen Erwerbsvorgangs, einschließlich des Zeitpunkts seiner Verwirklichung und die von ihm betroffenen Grundstücke. Dazu enthält der Bescheid verbindliche Feststellungen über den oder die Steuerschuldner, über die Bemessungsgrundlage und über eventuelle Steuerbefreiungen (z.B. nach §§ 5, 6 oder 6a GrEStG). Gesondert festzustellen ist auch der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der PersGes. nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 zu bewerten ist.56

7.81

Die nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu ermittelnden Grundbesitzwerte sind nicht in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG aufzunehmen (§ 17 Abs. 3a GrEStG). In diesen Fällen kommt es zu einem dreistufigen Verfahren. Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG stellt verbindlich fest, welches Grundstück Gegenstand eines Erwerbsvorgangs ist und zu welchem Zeitpunkt (Verwirklichung des Erwerbsvorgangs) es zu bewerten ist. Das für die Feststellung der Grundbesitzwerte zuständige Lage-Finanzamt stellt sodann den Wert des oder der Grundstücke auf den entsprechenden Stichtag fest. Beide Feststellungsbescheide sind sodann Grundlagenbescheide für den Grunderwerbsteuerbescheid – jeweils im Umfang ihres Regelungsgehalts.

7.82

III. Rechtsbehelfe Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid oder den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist der Einspruch (§ 347 AO), ggf. Anfechtungsklage vor dem Finanzgericht (§ 40 FGO) gegeben. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann dabei mehrere, gesondert anfechtbare Feststellungen enthalten. Insoweit ist zu beachten, ob der Bescheid im vollen Umfang oder nur hinsichtlich einzelner Feststellungen angefochten werden 56 BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786; v. 17.6.2020 – II R 18/17, BStBl. II 2021, 318.

Loose | 835

7.83

Kap. 7 Rz. 7.83 | Verfahrensfragen

soll, z.B. nur hinsichtlich der Feststellung zur Steuerbefreiung. In der Praxis bietet es sich an, umfassend Einspruch einzulegen und diesen ggf. später auf einzelne Feststellungen zu beschränken.

7.84 Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf i.d.R. auf (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. FGO). Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag auch in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). 7.85 Die Änderungsbefugnis des Finanzgerichts beschränkt sich insoweit jedoch auf eine betragsmäßige Änderung. Sie erlaubt es dem Finanzgericht nicht, eine Feststellung auch in anderer Hinsicht, z.B. in Bezug auf die Person des Steuerschuldners, die Steuerart oder den Veranlagungszeitraum zu ändern.57 Daher kann z.B. ein angefochtener Feststellungsbescheid i.S. von § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG, der bei einer Anteilsvereinigung die Steuerpflicht dem Grunde nach sowie alle von dem steuerbaren Rechtsvorgang betroffenen Grundstücke und die darauf entfallenden Anteile an den einschlägigen Steuerbegünstigungen feststellt, vom Finanzgericht nicht dahin geändert werden, dass z.B. ein anderer Erwerbstatbestand als der im Feststellungsbescheid benannte erfüllt ist, der Erwerbsvorgang zu einem anderen als im Feststellungsbescheid benannten Zeitpunkt stattgefunden hat, andere als im Feststellungsbescheid aufgelistete Grundstücke von dem Erwerbsvorgang erfasst werden oder ein anderer Steuerschuldner den Erwerbstatbestand verwirklicht hat. Ist der Bescheid fehlerhaft, ist er rechtswidrig und deshalb nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.58

C. Rückgängigmachung und Rückerwerb (Rückabwicklung) I. Voraussetzungen für die Rückgängigmachung 1. Gründe für die Rückgängigmachung

7.86 Die Erwerbstatbestände in § 1 GrEStG knüpfen die Besteuerung an Rechtsvorgänge an, obwohl bei Verwirklichung häufig noch nicht feststeht, ob es überhaupt zu einem Eigentumswechsel an einem Grundstück kommen wird, oder ob der bereits erfolgte Eigentumswechsel möglicherweise wieder rückgängig gemacht wird. So entsteht die Steuer häufig bereits mit der wirksamen Begründung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) oder mit der wirksamen Begründung eines Anspruchs auf Anteilsübertragung (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG). Ohne Bedeutung ist, ob der Anspruch überhaupt erfüllt wird.

57 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405. 58 BFH v. 15.10.2014 – II R 14/14, BStBl. II 2015, 405.

836 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.91 Kap. 7

Die Gründe für die Rückabwicklung können vielschichtig sein. Sie kann z.B. auf Leistungsstörungen innerhalb des schuldrechtlichen Vertrags beruhen oder auf dem freien Willen der Vertragsparteien. § 16 GrEStG stellt dafür das notwendige Korrektiv. Unter den in § 16 GrEStG genannten Voraussetzungen wird die Steuer für den verwirklichten Erwerbsvorgang nicht erhoben, bzw. – falls bereits gezahlt – erstattet. Dies geschieht jedoch nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Sprachlich ist zwischen der Rückgängigmachung und dem Rückerwerb zu unterscheiden. Rückgängig gemacht werden kann ein Erwerbsvorgang, wenn das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber noch nicht übergegangen ist (§ 16 Abs. 1 GrEStG). Ein Rückerwerb ist erforderlich, wenn das Eigentums an dem veräußerten Grundstück bereits übergegangen ist (§ 16 Abs. 2 GrEStG).

7.87

2. Rückabwicklung innerhalb von zwei Jahren Erfolgt eine Rückgängigmachung oder ein Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren, bedarf es keiner weiteren Voraussetzungen für die Rückabwicklung. Voraussetzung ist nur, dass der wirksame Erwerbsvorgang auch wieder wirksam aufgehoben wird, bzw. das Eigentum wirksam auf den ursprünglichen Veräußerer zurückübertragen wird.

7.88

Beispiel 21: Bauunternehmer B erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1.6.2022 ein in NRW belegenes Grundstück vom Veräußerer V zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufvertrag wurde unbedingt geschlossen. Der Kaufpreis wurde von B bezahlt. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2022 die Grunderwerbsteuer gegen B i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest.

7.89

Noch vor Eintragung des B im Grundbuch gab es wirtschaftliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die geplante Bebauung. B und V einigten sich darauf, den ursprünglichen Kaufvertrag wieder aufzuheben. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1.9.2022 hoben B und V den Kaufvertrag auf. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.6.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Auf Antrag ist die Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben und die ggf. bereits gezahlte Grunderwerbsteuer zurückzuzahlen.

3. Rückabwicklung nach Ablauf von zwei Jahren Nach dem Anlauf von zwei Jahren kann der Erwerbvorgang rückgängig gemacht werden oder das Grundstück zurückübertragen werden, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Gemeint ist, dass aufgrund von besonderen Ereignissen ein Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung bzw. Rückerwerb entstanden ist.59 Dazu zählen insbesondere zivilrechtlich vereinbarte oder gesetzlich entstandene Rücktrittsrechte.

7.90

Beispiel 22: Bauunternehmer B erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1.6.2022 ein in NRW belegenes Grundstück vom Veräußerer V zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufver-

7.91

59 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 39.

Loose | 837

Kap. 7 Rz. 7.91 | Verfahrensfragen trag wurde unbedingt geschlossen. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2022 die Grunderwerbsteuer gegen B i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest. Im November 2022 einigten sich V und B auf die Aufhebung des Vertrags vom 1.6.2022, weil sich die ursprünglich geplante Bebauung des Grundstücks nicht realisieren ließ. Zu diesem Zeitpunkt war B noch nicht im Grundbuch eingetragen. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.6.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Auf Antrag ist die Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben und die ggf. bereits gezahlte Grunderwerbsteuer zurückzuzahlen.

7.92 Die Fälle des vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts fallen i.d.R. unter § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, weil es üblicherweise innerhalb von zwei Jahren auszuüben ist. Denkbar ist jedoch, dass ein Rücktrittsrecht auch noch nach Ablauf von zwei Jahren eingreift. Insoweit muss es dann jedoch an die Verletzung von Vertragsbedingungen oder eine Pflichtverletzung eines Vertragspartners anknüpfen. In der Praxis ist es daher sinnvoll, weitreichende Rücktrittsrechte vertraglich festzuhalten, wenn absehbar ist, dass ein Rücktritt auch noch nach zwei Jahren in Betracht kommt. 7.93 Beispiel 23: Bauunternehmer B erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1.6.2020 ein in NRW belegenes Grundstück vom Veräußerer V zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufvertrag wurde unbedingt geschlossen. Im Vertrag vereinbarten V und B, dass B berechtigt ist, vom Vertrag zurückzutreten, wenn V nicht innerhalb von vier Jahren ein auf dem Grundstück befindliches Gebäude auf eigene Kosten abreißen werde. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2020 die Grunderwerbsteuer gegen B i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest. B wird im Grundbuch eingetragen. Als das Gebäude 2023 noch immer nicht abgerissen wurde, trat B vom Vertrag zurück. Das Grundstück wurde an V zurückübertragen. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.6.2020 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Auf Antrag ist die Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG aufzuheben und die ggf. bereits gezahlte Grunderwerbsteuer zurückzuzahlen.

7.94 Der Rückgängigmachung steht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG steht nicht entgegen, wenn ein Erwerbsvorgang nicht durch Ausübung eines Rücktrittsrechts, sondern im Einvernehmen aller Beteiligten durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Voraussetzung ist jedoch, dass ein gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht zur Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäfts bestanden hat. Es reicht daher nicht aus, wenn der Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung nach Ablauf von zwei Jahren erst durch einen mit Rücksicht auf wirkliche oder vermeintliche Leistungsstörungen abgeschlossenen Vergleichsvertrag geschaffen wird.60 7.95 Beispiel 24: Bauunternehmer B erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1.6.2020 ein in NRW belegenes Grundstück vom Veräußerer V zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufvertrag wurde unbedingt geschlossen. Der Vertrag enthält zunächst keine weiteren Vereinbarungen. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2020 die Grunderwerbsteuer gegen B i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest. Zugunsten des B wird im Grundbuch 60 Vgl. BFH v. 19.2.2020 – II R 4/18, BStBl. II 2020, 665.

838 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.99 Kap. 7 eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Auf eine Eintragung als Eigentümer verzichtet B vorerst. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme in Bezug auf die geplante Bebauung des Grundstücks tritt B im Januar 2023 an V heran und bittet um Änderung des Vertrags. B und V einigen sich daraufhin vergleichsweise dahingehend, dass B jederzeit vom Kaufvertrag zurücktreten kann, in diesem Fall V jedoch nur einen Teil des Kaufpreises i.H.v. 950.000 Euro zurückzahlen muss. Im Mai 2023 tritt B vom Vertrag zurück. Der Kaufvertrag wird aufgehoben. B bewilligt die Löschung der Auflassungsvormerkung. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.6.2020 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG greift nicht, weil der Kaufvertrag mehr als zwei Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags rückgängig gemacht wird. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG greift auch nicht, weil das Rücktrittsrecht des B nicht auf einer Vertragsverletzung beruht.

4. Rückgängigmachung als Gestaltungsmittel Bislang ungeklärt ist, ob die Rückgängigmachung nach § 16 GmbH auch gezielt und geplant eingesetzt werden kann, z.B. um ein Grundstück vorübergehend aus einem Konzern auszugliedern.

7.96

Beispiel 25: An der grundbesitzenden A GmbH ist A zu 100 % beteiligt. Sie verkauft am 1.5.2022 sämtliche Grundstücke an die B GmbH, an der B zu 100 % beteiligt ist, zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufpreis wird gestundet. Nach dem Verkauf erwirbt B am 1.6.2022 sämtliche Anteile an der grundstückslosen A GmbH von A zum Kaufpreis von ebenfalls 1 Mio. Euro. Am 1.7.2022 wird der Kaufvertrag zwischen der A GmbH und der B GmbH nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht. Eine Umschreibung der Grundstücke erfolgt nicht.

7.97

Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.5.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Der Erwerb der Anteile an der A GmbH durch B ist nicht steuerbar – weder nach § 1 Abs. 2b GrEStG, noch nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der A GmbH gehört kein Grundstück. Aufgrund des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind ihr die Grundstücke nicht (mehr) grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt. Der Kaufvertrag wurde innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht. Problematisch ist, ob die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs als ein auf den Zeitpunkt des Anteilserwerbs rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu werten sein könnte. Dies hätte zur Folge, dass der A GmbH die Grundstücke für Zwecke der Erwerbstatbestände § 1 Abs. 2b GrEStG oder § 1 Abs. 3 GrEStG wieder rückwirkend zuzurechnen sein könnten. Dem würde der Rechtsgedanke des § 16 GrEStG grds. nicht entgegenstehen, denn die Vorschrift stellt selbst einen besonderen Anwendungsbereich des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStG dar. Ggf. könnte jedoch auch ein Missbrauch von Gestaltungsmethoden in Betracht kommen, insbesondere dann, wenn – wie im Streitfall – die Rückgängigmachung nach dem Anteilserwerb von vornherein vorgesehen war.

Unklar ist auch, wie der umgekehrte Fall zu werten ist und ob die ursprüngliche Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zugunsten des Steuerschuldners geändert werden könnte.

7.98

Beispiel 26: An der grundbesitzenden A GmbH ist A zu 100 % beteiligt. Sie verkauft am 1.5.2022 sämtliche Grundstücke an die B GmbH, an der B zu 100 % beteiligt ist, zum Kaufpreis von 1 Mio.

7.99

Loose | 839

Kap. 7 Rz. 7.99 | Verfahrensfragen Euro. Nach dem Verkauf erwirbt C am 1.6.2022 sämtliche Anteile an der B GmbH von B zum Kaufpreis von ebenfalls 1 Mio. Euro. Am 1.7.2022 wird der Kaufvertrag zwischen der A GmbH und der B GmbH nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht. Eine Umschreibung der Grundstücke erfolgt nicht. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.5.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Der Erwerb der Anteile an der B GmbH durch C ist steuerbar, und zwar nach § 1 Abs. 2b GrEStG oder nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der B GmbH sind die Grundstücke aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt. Der Kaufvertrag wurde innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht. Problematisch ist, ob die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs als ein auf den Zeitpunkt des Anteilserwerbs rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu werten sein könnte. Dies hätte zur Folge, dass der B GmbH die Grundstücke für Zwecke der Erwerbstatbestände § 1 Abs. 2b GrEStG oder § 1 Abs. 3 GrEStG rückwirkend nicht mehr zuzurechnen sein könnten.

5. Identität der Beteiligten und des Grundstücks

7.100 Ein Rückerwerb selbst ist an keine Form gebunden. Er ist aber nur dann nach § 16 Abs. 2 GrEStG begünstigt, wenn er zwischen denselben Personen stattfindet, die das vorangegangene Erwerbsgeschäft abgeschlossen haben. Dabei ist die sog. Gesamtrechtsnachfolge jedoch unschädlich. Hat der Erwerber das Grundstück weiterveräußert und überträgt der neue Erwerber das Grundstück auf den ursprünglichen Veräußerer zurück, greift § 16 Abs. 2 GrEStG grds. nicht ein.61 Ebenso unschädlich ist es, wenn sich, z.B. bei Gesellschaften, die Beteiligung zwischenzeitlich verändert haben. 7.101 Beispiel 27: An der grundbesitzenden A GmbH ist A zu 100 % beteiligt. Sie verkauft am 1.5.2022 sämtliche Grundstücke an die B GmbH, an der B zu 100 % beteiligt ist, zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufpreis wird gestundet. Nach dem Verkauf erwirbt X am 1.6.2022 sämtliche Anteile an der grundstückslosen A GmbH. Am 1.7.2022 erwirbt Y sämtliche Anteile an der B GmbH. Am 1.8.2022 wird der Kaufvertrag zwischen der A GmbH und der B GmbH nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht. Eine Umschreibung der Grundstücke erfolgt nicht. Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.5.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt. Der Kaufvertrag wurde innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht. Dass an den Gesellschaften zwischenzeitlich andere Anteilseigner beteiligt sind, steht der Anwendung des § 16 GrEStG nicht entgegen.

7.102 Ist der ursprüngliche Erwerber nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes umgewandelt worden, also z.B. auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen worden, ist die Identität gewahrt. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Gesamtrechtsnachfolge, z.B. aufgrund einer Erbschaft. 61 Eine Ausnahme gilt nur für das „vereinfachte Verfahren“ bei der Rückabwicklung von Kettengeschäften; vgl. Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 189 ff.

840 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.103 Kap. 7 Beispiel 28: Die A GmbH erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1.6.2022 ein in NRW belegenes Grundstück vom Veräußerer V zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufvertrag wurde unbedingt geschlossen. Der Kaufpreis wurde bezahlt. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2022 die Grunderwerbsteuer gegen die A GmbH i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest. Die A GmbH wurde im Grundbuch eingetragen. Im Januar 2023 wurde die A GmbH auf die B GmbH verschmolzen. V verstarb im April 2023. Alleinerbin wurde seine Tochter T. Im weiteren Verlauf des Jahres 2023 geriet die B GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1.9.2023 hoben die B GmbH und T den ursprünglichen Kaufvertrag auf. Das Grundstück übertrug die B GmbH auf die T.

B 80 %

A GmbH

20 % 1.6.2022 Kaufvertrag V

T

B GmbH

April 2023 T wird Erbin des V

Januar 2023 Verschmelzung A GmbH

B GmbH

1.6.2022 Kaufvertrag V

1.9.2023 Aufhebung Kaufvertrag T

Abb. 12a–12c

Loose | 841

7.103

Kap. 7 Rz. 7.103 | Verfahrensfragen Der Abschluss des Kaufvertrags vom 1.6.2022 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Auf Antrag ist die Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben und die ggf. bereits gezahlte Grunderwerbsteuer zurückzuzahlen. Für die Rückübertragung fällt nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ebenfalls keine Grunderwerbsteuer an. Die für § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erforderliche Identität der Beteiligten ist gewahrt, obwohl an der Rückübertragung unterschiedliche Personen beteiligt sind. Die B GmbH ist die Gesamtrechtsnachfolgerin der A GmbH, die T die Gesamtrechtsnachfolgerin des V.

7.104 Nicht nur die Beteiligten, sondern auch das zurückerworbene Grundstück muss mit dem des ursprünglichen Erwerbs identisch sein. Maßgeblich ist das Zivilrecht. Zwischenzeitliche Veränderungen des Grundstücks, z.B. durch eine Bebauung, oder Wertveränderungen sind unschädlich.62 6. Rückabwicklung in Fällen des § 1 Abs. 2 GrEStG

7.105 § 16 GrEStG gilt für alle Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG, folglich auch für einen Erwerb nach § 1 Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG. Das folgt mittelbar aus § 16 Abs. 5 GrEStG, der eine Begünstigung ausschließt, wenn einer der in den § 1 Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, wenn dieser nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war.63 7.106 Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (sog. Verwertungsbefugnis). Für § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG müssen die Rechte, die die Verwertungsbefugnis begründen, zurückübertragen werden. In dem Fall greift die Vergünstigung sowohl für die ursprüngliche Übertragung der Verwertungsmöglichkeit als auch deren Rückübertragung. Weitere Voraussetzung ist, dass der Erwerbsvorgang dem zuständigen Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG). 7.107 Beispiel 29: Immobilienunternehmer A vereinbart mit B, dass dieser ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro erwirbt und für ihn treuhänderisch hält. Der Treuhandvertrag wird 1.6.2022 geschlossen, das Grundstück mit Kaufvertrag vom 1.8.2022 von B erworben. Der Kaufpreis wurde bezahlt. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.10.2022 die Grunderwerbsteuer gegen B i.H.v. 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro) fest. A erstattete dem B sämtliche Kosten, einschließlich Kaufpreis und Grunderwerbsteuer. Der Treuhandvertrag wurde dem Finanzamt gegenüber nicht offengelegt.

62 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 215. 63 BFH v. 20.2.2019 – II R 27/16, BStBl. II 2019, 559, m.w.N.

842 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.110 Kap. 7 Im Verlauf des Jahres 2023 kam es zwischen A und B zum Streit über die künftige Bebauung des Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1.9.2023 hoben sie daraufhin ihren Treuhandvertrag wieder auf. B zahlte die erstatteten Kosten an A zurück. Das Finanzamt erfuhr Ende 2023 von dem Treuhandvertrag und setzte mit Bescheid vom 1.12.2023 Grunderwerbsteuer gegen A i.H.v. ebenfalls 65.000 Euro (6,5 % von 1 Mio. Euro). A macht geltend, der Treuhandvertrag sei längst wieder aufgehoben. Der Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Besteuerung. Die mit dem Kauf bewirkte Übertragung der Verwertungsbefugnis unterliegt zusätzlich nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung. Der Treuhandvertrag, der die Verwertungsbefugnis begründet hat, wurde zwar rückabgewickelt. Da der Erwerbsvorgang jedoch dem Finanzamt gegenüber jedoch nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war, ist § 16 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen.

7. Rückabwicklung sog. „Share Deals“ § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG besteuern den fiktiven Erwerb der Grundstücke der grundbesitzenden Gesellschaft durch eine (fiktiv) neue Gesellschaft. Diese (fiktive) Grundstückserwerb kann natürlich nicht i.S. des § 16 GrEStG rückgängig gemacht werde.

7.108

Der Rückabwicklung zugänglich ist jedoch der Wechsel im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden PersGes. oder KapGes., der den fiktiven Erwerbstatbestand ausgelöst hat. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Rückübertragung der Gesellschafterstellung selbst wieder der Grunderwerbsteuer unterliegt. Es reicht vielmehr aus, wenn (so viele) Anteile zurückübertragen werden, dass infolgedessen ein Übergang von mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden PersGes. nicht (mehr) gegeben ist.64 Eine Begünstigung nach § 16 Abs. 2 GrEStG kommt nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Änderung im Gesellschafterbestand rechtlich und tatsächlich vollständig rückgängig gemacht wird. Der Anteilsveräußerer muss dafür seine ursprüngliche Rechtsstellung innerhalb der Gesellschaft wiedererlangt haben.65

7.109

Beispiel 30: An der AB GmbH sind A zu 80 % und B zu 20 % seit dem 1.1.2022 beteiligt. Die Gesellschaft hält Grundbesitz mit einem Wert von 10 Mio. Euro. Mit Wirkung zum 1.6.2022 erwirbt A für einen Kaufpreis 2 Mio. Euro die restlichen Anteile von B und ist ab diesem Zeitpunkt zu 100 % an der AB GmbH beteiligt. Der Vorgang wird dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt. Das Finanzamt setzt mit Bescheid vom 1.8.2022 Grunderwerbsteuer i.H.v. 650.000 Euro (6,5 % von 10 Mio. Euro) gegen die AB GmbH fest. Im Anschluss daran überträgt A dem B 11 % der Anteile an der AB GmbH zurück. Der Kaufpreis wird nicht zurückgezahlt. B erteilt dem A eine umfassende, unwiderrufliche Vollmacht für die Ausübung der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung.

7.110

64 BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830. 65 Behrens, DStR 2009, 1615.

Loose | 843

Kap. 7 Rz. 7.110 | Verfahrensfragen

A

B

80 %

20 %

AB GmbH

A 100 %

AB GmbH

A

B

89 %

11 %

AB GmbH

Abb. 13a–13c

844 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.112 Kap. 7 Die Übertragung der Anteile erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG. Besteuert wird der fiktive Erwerb der Grundstücke durch die (fiktiv) neue AB GmbH von der (fiktiv) alten AB GmbH. Der Wechsel im Gesellschafterbestand wurde jedoch rückgängig gemacht, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht (mehr) erfüllt ist. § 16 Abs. 2 GrEStG ist entsprechend anwendbar. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen, denn der Wechsel im Gesellschafterbestand wurde ordnungsgemäß angezeigt. B hat seine Gesellschafterstellung vollständig zurückerlangt. Dass er dem A eine umfassende Vollmacht bezüglich der Stimmrechtsausübung erteilt hat, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Kaufpreis nicht (anteilig) zurückgewährt wurde.66

§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sind grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge. Dementsprechend kann sich die begünstigungsfähige Rückabwicklung nur auf die Grundstücke beziehen, die zu diesem Zeitpunkt noch der Gesellschaft zuzurechnen sind, also nicht etwa weiterverkauft worden sind.67 Das gilt umgekehrt auch für zwischenzeitlich hinzuerworbene Grundstücke, vorausgesetzt, die Rückübertragung der Anteile löst wiederum einen Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG aus.

7.111

Beispiel 31: An der A GmbH ist A zu 100 % beteiligt. Die Gesellschaft hält insgesamt vier Grundstücke (1–4) mit einem Gesamtwert von 10 Mio. Euro. Mit Wirkung zum 1.6.2022 erwirbt B sämtliche Anteile des A an der A GmbH. Der Vorgang wird dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt. Das Finanzamt setzt mit Bescheid vom 1.8.2022 Grunderwerbsteuer i.H.v. 650.000 Euro (6,5 % von 10 Mio. Euro) gegen die A GmbH fest. Im Herbst 2022 verkauft die A GmbH ein Grundstück (4) zum Kaufpreis von 2,5 Mio. Euro und erwirbt zwei andere Grundstücke (5 und 6) im Gesamtwert von 2,5 Mio. Euro hinzu. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten überträgt B die Anteile an der A GmbH mit Wirkung zum 1.4.2023 wieder zurück.

7.112

A 100 %

A GmbH 1

4 2

3

66 Vgl. BFH v. 18.4.2012 – II R 51/11, BStBl. II 2013, 830; v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786. 67 Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 275.

Loose | 845

Kap. 7 Rz. 7.112 | Verfahrensfragen

A B

100 %

A GmbH 1

4 2

3

B 100 % Verkauf

A GmbH 1

4 2

3

B 100 %

A GmbH 1

5 6

2

846 | Loose

Kauf

3

C. Rückabwicklung | Rz. 7.112 Kap. 7

B 100 %

A

A GmbH

5

6

1 2

3

Abb. 14a–14e Die Übertragung der Anteile erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG. Besteuert wird der fiktive Erwerb der Grundstücke durch die (fiktiv) neue, nun von B beherrschte A GmbH von der (fiktiv) alten, noch von A beherrschten A GmbH. Der Wechsel im Gesellschafterbestand wurde jedoch rückgängig gemacht, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht (mehr) erfüllt ist. § 16 Abs. 2 GrEStG ist entsprechend anwendbar. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen, denn der Gesellschafterwechsel wurde ordnungsgemäß angezeigt. A hat seine Gesellschafterstellung vollständig zurückerlangt. Allerdings bezieht sich der Rückerwerb nur auf die Grundstücke, die die (fiktiv) neue A GmbH von der (fiktiv) neuen A GmbH erworben und wieder (fiktiv) zurückübertragen hat. Das sind nur die drei Grundstücke (1–3), die der A GmbH im Zeitpunkt der Rückübertragung i.S. des § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich gehörten. Das zwischenzeitlich veräußerte Grundstück (4) gehört nicht dazu. Insoweit greift § 16 Abs. 2 GrEStG nicht ein. Für den ursprünglichen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG wird also die Grunderwerbsteuer insoweit nicht erstattet. Umgekehrt waren die zwei hinzuerworbenen Grundstücke (5, 6) nicht Gegenstand des ursprünglichen Erwerbs. Die Rückübertragung der Anteile löst bezogen auf diese Grundstücke wiederum § 1 Abs. 2b GrEStG aus. Soweit sich dieser (fiktive) Erwerb auf die neu hinzuerworbenen Grundstücke bezieht. Insoweit greift § 16 Abs. 2 GrEStG nicht ein. Die Rückübertragung der Anteile unterliegt insoweit (!) dem § 1 Abs. 2b GrEStG. Dass die Grundstücke wertmäßig dem zwischenzeitlich veräußerten Grundstück entsprechen, ist unerheblich.

Loose | 847

Kap. 7 Rz. 7.113 | Verfahrensfragen

7.113 § 16 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG ist auch auf die Anteilsübertragung und Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar.68 Anders als bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG, die den Wechsel im Gesellschafterbestand, nicht aber schon den darauf gerichteten Anteilserwerb der Besteuerung unterwerfen, ist bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG entsprechend § 16 Abs. 1 GrEStG auch ausreichend, dass nur das entsprechende schuldrechtliche Geschäft, das den Anspruch auf Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft begründet, rückabgewickelt wird. Hat bereits eine Übertragung der Anteile oder eine Vereinigung von Anteilen stattgefunden, kommt – wie bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG – eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 in Betracht. 7.114 Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG ist nicht (mehr) erfüllt, wenn durch den Rückerwerb der Anteile das erforderliche Quantum vom 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft unterschritten wird.69 Wie bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG ist es für die Anwendung des § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG unerheblich, wenn keine vollständige Rückabwicklung des (letzten) Anteilserwerbs, der den Tatbestand ausgelöst hat, erfolgt.70 7.115 Beispiel 32: An der AB GmbH sind A zu 80 % und B zu 20 % seit Gründung der Gesellschaft 2010 beteiligt. Die Gesellschaft hält Grundbesitz mit einem Wert von 10 Mio. Euro. Mit Wirkung zum 1.6.2022 erwarb A für einen Kaufpreis 2 Mio. Euro die restlichen Anteile von B und ist ab diesem Zeitpunkt zu 100 % an der AB GmbH beteiligt. Der Vorgang wird dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt. A war der Meinung, der Vorgang löse keine Grunderwerbsteuer aus, weil § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt sei. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2022 Grunderwerbsteuer gegen A i.H.v. 650.000 Euro (6,5 % von 10 Mio. Euro) nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Im Anschluss daran, heben A und B den Anteilskaufvertrag am 1.9.2022 im Umfang von 11 % wieder auf, der Kaufpreis wird i.H.v. 1,1 Mio. Euro zurückgezahlt. Am 1.12.2022 veräußert B seine Anteile von 11 % an T, die Tochter des A, zu einem Kaufpreis von 1,1 Mio. Euro.

A

B

80 %

20 % AB GmbH

68 BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 420; v. 20.2.2019 – II R 27/16, BStBl. II 2019, 559. 69 BFH v. 20.2.2019 – II R 27/16, BStBl. II 2019, 559. 70 BFH v. 20.2.2019 – II R 27/16, BStBl. II 2019, 559; .

848 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.115 Kap. 7

A 100 %

AB GmbH

A

B

89 %

11 % AB GmbH

A

B

89 %

11 %

T

AB GmbH

A

T

89 %

11 % AB GmbH

Abb. 15a–15e

Loose | 849

Kap. 7 Rz. 7.115 | Verfahrensfragen Die Übertragung der Anteile erfüllt zwar nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG, weil A und B seit mehr als zehn Jahren an der AB GmbH beteiligt sind. Allerdings werden die Anteile an der AB GmbH nunmehr erstmalig in der Hand des A vereinigt. Das ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Die Aufhebung des Anteilserwerbs führt zur entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen, denn der Anteilserwerb wurde ordnungsgemäß angezeigt. B hat seine Gesellschafterstellung vollständig zurückerlangt. Dass er anschließend die Anteile an T veräußert, steht dem grds. nicht entgegen, vorausgesetzt, B konnte aufgrund der Rückgängigmachung des ursprünglichen Anteilsverkaufs wieder frei über seine Anteile verfügen. Der Anteilserwerb durch T unterliegt nicht der Besteuerung – weder nach § 1 Abs. 2b GrEStG, noch nach § 1 Abs. 3 GrEStG.

7.116 Wie bei § 1 Abs. 2 GrEStG ist auch bei sog. Share Deals ist die Rückgängigmachung ausgeschlossen, wenn die Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG) oder der Übergang vereinigter Anteile oder die Vereinigung von Anteilen an einer Gesellschaft in einer Hand oder das entsprechende schuldrechtliche Geschäft (§ 1 Abs 3 und 3a) rückgängig gemacht wird und der dem Rückerwerb vorausgegangene Erwerbsvorgang zuvor nicht in allen Punkten ordnungsgemäß angezeigt worden war (§ 16 Abs. 5 GrEStG). 7.117 Durch die Regelung soll verhindert werden, dass diese Erwerbsvorgänge zunächst nicht angezeigt und bei späterer Aufdeckung des Sachverhalts dann rückgängig gemacht werden. § 16 Abs. 5 GrEStG verlangt, die Anzeige allen Anforderungen der §§ 18, 19 GrEStG i.V.m. § 20 GrEStG genügt. Dazu gehört, dass die Anzeige vollständig ist und dem zuständigen Finanzamt gegenüber erstattet wird.71 7.118 Beispiel 33: An der X GmbH ist A über die A AG zu 100 % beteiligt. Die X GmbH hält Grundstücke mit einem Gesamtwert von 10 Mio. Euro. Mit Wirkung zum 1.6.2022 erwirbt B sämtliche Anteile des A an der A AG. Der Geschäftsführer der X GmbH erhält davon Kenntnis, zeigt den Vorgang dem zuständigen Finanzamt jedoch nicht an. Das Finanzamt setzt mit Bescheid vom 1.8.2022 Grunderwerbsteuer i.H.v. 650.000 Euro (6,5 % von 10 Mio. Euro) gegen die X GmbH fest. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten überträgt B die Anteile an der A AG mit Wirkung zum 1.4.2023 wieder an A zurück.

71 BFH v. 22.5.2019 – II R 24/16, BStBl. II 2020, 157.

850 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.118 Kap. 7

A 100 %

A AG

100 %

X GmbH

A 1.6.2022 B

100 % 1.4.2023 A AG

100 %

X GmbH

Abb. 16a, 16b Die Übertragung der Anteile erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG. Besteuert wird der fiktive Erwerb der Grundstücke durch die (fiktiv) neue, nun mittelbar von B beherrschten X GmbH von der (fiktiv) alten, noch mittelbar von A beherrschten X GmbH. Der Wechsel im Gesellschafterbestand rückgängig gemacht, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG

Loose | 851

Kap. 7 Rz. 7.118 | Verfahrensfragen nicht (mehr) erfüllt ist. § 16 Abs. 2 GrEStG wäre entsprechend anwendbar. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem jedoch entgegen, denn der mittelbare Gesellschafterwechsel wurde von der X GmbH nicht ordnungsgemäß angezeigt. Es bleibt nicht nur bei der Steuerfestsetzung. Schlimmer noch, denn die Rückübertragung der Anteile löst erneut § 1 Abs. 2b GrEStG aus. Weil der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht angezeigt wurde, ist sowohl für den Erwerb als auch für den Rückerwerb § 16 Abs. 2 GrEStG nicht anwendbar (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Das Finanzamt wird wegen des erneuten (mittelbaren) Wechsels im Gesellschafterbestand ein weiteres Mal i.H.v. 650.000 Euro Grunderwerbsteuer festsetzen.

II. Tatsächliche Rückabwicklung

7.119 In der Praxis von großer Bedeutung ist eine durch die Rechtsprechung entwickelte Einschränkung des Anwendungsbereichs der Rückabwicklung nach § 16 GrEStG. Danach ist (ungeschriebene) Tatbestandsvorsetzung, dass der den Erwerbstatbestand auslösende Rechtsvorgang nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich vollständig rückgängig gemacht wird. Dasselbe gilt für den Rückerwerb. Das ist nur dann der Fall, wenn die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt.72 7.120 Die Rechtsprechung ist ursprünglich zu sog. Weiterverkaufsfällen entstanden und soll verhindern, dass für einen weiteren Erwerbsvorgang durch Rückgängigmachung des ursprünglichen (ersten) Erwerbsvorgangs nur einmal Grunderwerbsteuer entsteht. Werden das ursprüngliche Rechtsgeschäft und das die Weiterveräußerung betreffende Rechtsgeschäft in einer Vertragsurkunde zusammengefasst73 oder wird der Veräußerer bei beiden Geschäften vom Erwerber vollmachtlos vertreten und erfolgt die Genehmigung in einer notariellen Urkunde,74 hat der ursprüngliche Erwerber die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch einen von ihm ausgewählten Erwerber zu nutzen. Der Veräußerer wird aus seiner Übereignungsverpflichtung aus dem ursprünglichen Kaufvertrag erst mit der Unterzeichnung des Vertrags durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist.75 7.121 Beispiel 34: Immobilienunternehmer A erwirbt mit Kaufvertrag vom 1.6.2022 vom Verkäufer V ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Der Kaufpreis wird von A vollständig gezahlt. Zugunsten des A wird eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.

72 Einzelheiten mit zahlreichen Hinweisen auf die Rspr. vgl. Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 59 ff.; Koppermann in Behrens/Wachter2, § 16 GrEStG Rz. 58 ff. 73 BFH v. 5.9.2013 – II R 16/12, BStBl. II 2014, 42. 74 BFH v. 25.8.2010 – II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301. 75 BFH v. 19.9.2018 – II R 10/16, BStBl. II 2019, 176.

852 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.124 Kap. 7 Aufgrund stark gestiegener Grundstückswerte tritt im November B mit der Absicht heran, das Grundstück zum Preis von 1,2 Mio. Euro zu erwerben. Um einmal Grunderwerbsteuer zu sparen, schließen A, V und B am 1.2.2023 in einer Urkunde einen Aufhebungs- und Kaufvertrag. Danach wird der Kaufvertrag vom 1.6.2022 vollständig aufgehoben und V verpflichtet, den ursprünglichen Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. Euro zuzüglich 190.000 Euro an A zurückzuzahlen. Zugleich wird das Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 1,2 Mio. Euro an B veräußert. A bewilligt die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung. Der Vertrag wird von V, A und B unterzeichnet. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind eigentlich erfüllt, denn die Vertragsparteien A und V haben den ursprünglichen Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren aufgehoben. Es fehlt jedoch an der tatsächlichen Rückgängigmachung. A hat seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht verloren. Mit seiner Unterschrift unter den Vertrag vom 1.2.2023 hatte er es in der Hand, Einfluss auf die Weiterveräußerung zu nehmen. Die Weiterveräußerung erfolgte in seinem Interesse. Der Mehrerlös stand im wesentlichen A zu.

Häufig ist es nicht ganz einfach festzustellen, ob der ursprüngliche Erwerber trotz Aufhebung des Erwerbsvorgangs eine Rechtsposition behalten hat, die er aus eigenen wirtschaftlichen Interessen verwertet hat, oder ob der ursprüngliche Veräußerer wieder vollständig frei geworden ist. Übt der Erwerber bei der Weiterveräußerung seine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition tatsächlich nicht aus, z.B. bei der Auswechslung des Käufers allein auf Grund eines Verlangens des Verkäufers, steht dies einer tatsächlichen Rückgängigmachung nicht entgegen.76

7.122

Beispiel 35: Immobilienunternehmer A erwirbt mit Kaufvertrag vom 1.6.2022 vom Verkäufer V ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Nach Abschluss des Kaufvertrags bekommt A Schwierigkeiten, den Kaufpreis zu finanzieren und bittet V, den Kaufvertrag wieder aufzuheben. V stimmt dem unter der Voraussetzung zu, dass A einen Ersatzkäufer präsentiert.

7.123

1.2.2023 schließen A, V und der neue Erwerber B in einer Urkunde einen Aufhebungs- und Kaufvertrag. Danach wird der Kaufvertrag vom 1.6.2022 vollständig aufgehoben. Zugleich wird das Grundstück zu einem Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. Euro an B veräußert. Der Vertrag wird von V, A und B unterzeichnet. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind erfüllt, denn die Vertragsparteien A und V haben den ursprünglichen Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren aufgehoben. Es fehlt auch nicht an der tatsächlichen Rückgängigmachung. Zwar hat A seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag noch nicht verloren. Mit seiner Unterschrift unter den Vertrag vom 1.2.2023 hatte er es in der Hand, Einfluss auf die Weiterveräußerung zu nehmen. Er hat diese Rechtsposition jedoch nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse „verwertet“.

Indizien für eine Verwertung einer verbliebenen Rechtsposition können vor allem persönliche, wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen des Ersterwerbers mit dem Zweiterwerber darstellen. Allein die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter (Geschäftsführer) einer von ihm beherrschten KapGes. Entscheidungen für die Gesellschaft treffen kann, schließt zwar die Vergünstigung nach § 16 Abs. 1

76 BFH v. 14.11.2007 – II R 2/06, GmbHR 2008, 221.

Loose | 853

7.124

Kap. 7 Rz. 7.124 | Verfahrensfragen

GrEStG noch nicht aus.77 Etwas anderes gilt jedoch, wenn das (wirtschaftliche) Interesse des ursprünglichen Erwerbers darin bestehen, dass das Grundstück an eine ihm „verbundene“ Gesellschaft oder an eine nahestehende Person weiterveräußert wird.78

7.125 Beispiel 36: Immobilienunternehmer A erwirbt mit Kaufvertrag vom 1.6.2022 vom Verkäufer V ein in NRW belegenes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro um dieses zu bebauen. Der Kaufpreis wird von A vollständig gezahlt. Zugunsten des A wird eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. A überlegt im weiteren Verlauf, dass er die Bebauung lieber durch die von ihm zu 100 % beherrschte A GmbH realisiert. Am 1.2.2023 schließen V und A, letzterer zugleich als Geschäftsführer der A GmbH, einen Vertrag, wonach der Kaufvertrag vom 1.6.2022 aufgehoben und das Grundstück zu denselben Bedingungen an die A GmbH veräußert wird.

A

1.6.2022 V

100 % 1.2.2023 A GmbH

Abb. 17 Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind eigentlich erfüllt, denn die Vertragsparteien A und V haben den ursprünglichen Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren aufgehoben. Es fehlt jedoch an der tatsächlichen Rückgängigmachung. A hat seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht verloren. Mit seiner Unterschrift unter den Vertrag vom 1.2.2023 hatte er es in der Hand, Einfluss auf die Weiterveräußerung zu nehmen. Die Weiterveräußerung erfolgte in seinem Interesse, denn Erwerber ist die von ihm beherrschte A GmbH. Dasselbe würde im umgekehrten Fall gelten, in dem das Grundstück zunächst von der A GmbH und dann von deren Gesellschafter A erworben wird.

7.126 Der BFH wendet die zu den Weiterveräußerungsfällen entwickelten Grundsätze auch auf andere Fälle an, in denen der Ersterwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang zu anderen eigenen Zwecken verwertet, z.B. dann, wenn ein Kaufvertrag rückgängig gemacht wird und in derselben Urkunde die Anteile an der veräußernden Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen bzw. mehreren von diesem bestimmte Dritte übertragen werden.79 Erfolgen die Rückgängigmachung des Kaufvertrags und die anschließende Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Urkunde, nutzt der Ersterwerber seine Rechtsposition 77 BFH v. 11.10.1995 – II R 97/93, BFH/NV 1996, 260. 78 BFH v. 5.10.2005 – II B 152/04, BFH/NV 2006, 127. 79 BFH v. 19.9.2018 – II R 10/16, BStBl. II 2019, 176.

854 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.127 Kap. 7

aus dem ursprünglichen Kaufvertrag aus, um zu bestimmen, wer die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben darf.80 Beispiel 37: Immobilienunternehmer A erwirbt mit Kaufvertrag vom 1.6.2022 von der XY GmbH ein in NRW belegenes unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro um dieses zu bebauen. Das Grundstück ist der einzige Vermögenswert der XY GmbH. Gesellschafter der XY GmbH sind die Gesellschafter X und Y zu jeweils 50 %. Der Kaufpreis wird von A vollständig gezahlt. Zugunsten des A wird eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Das zuständige Finanzamt setzt gegen A Grunderwerbsteuer i.H.v. 65.000 Euro fest. Im Anschluss daran berechnet der Steuerberater des A einen Steuerwert des Grundstücks nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG i.H.v. 700.000 Euro. Auf Anraten des Steuerberaters überlegt A, dass es vielleicht sinnvoller sei, statt des Grundstücks von der XY GmbH die Anteile an der XY GmbH zu erwerben. Am 1.2.2023 schließen die XY GmbH und A einen Vertrag, wonach der Kaufvertrag vom 1.6.2022 aufgehoben wird. In demselben Vertrag veräußern X und Y ihre Anteile an der XY GmbH für jeweils 500.000 Euro.

X

Y

50 %

50 % 1.6.2022

XY GmbH

X

A

Y

50 %

50 %

XY GmbH

A

80 BFH v. 19.9.2018 – II R 10/16, BStBl. II 2019, 176; Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 70.

Loose | 855

7.127

Kap. 7 Rz. 7.127 | Verfahrensfragen

X

Y 1.2.2023

50 %

50 %

A

XY GmbH

A 100 %

XY GmbH

Abb. 18a–18d Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind eigentlich erfüllt, denn die Vertragsparteien A und XY GmbH haben den ursprünglichen Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren aufgehoben. Es fehlt jedoch an der tatsächlichen Rückgängigmachung. A hat seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag nicht verloren. Mit seiner Unterschrift unter den Vertrag vom 1.2.2023 hatte er es in der Hand, Einfluss auf die Veräußerung der Anteile an der XY GmbH zu nehmen. Die Übertragung der Anteile an ihn erfolgte in seinem Interesse. Die Rechtsfolge ist bitter. Da § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht greift, bleibt es bei der Besteuerung dieses Erwerbsvorgangs. Zusätzlich fällt für den vollständigen Wechsel im Gesellschafterbestand der XY GmbH nach § 1 Abs. 2b GrEStG erneut Grunderwerbsteuer an. Steuerschuldner ist die XY GmbH. Die Steuer bemisst sich nach dem Grundbesitzwert i.H.v. 700.000 Euro und beträgt demnach 45.500 Euro. Das vermeintliche Steuersparmodell erweist sich als Fall einer (fast) doppelten Besteuerung. Die Rückgängigmachung dürfte immerhin nicht ein weiteres (drittes) Mal der Besteuerung unterliegen, denn die bloße Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags erfüllt keinen Erwerbstatbestand.

7.128 Verwertet der Ersterwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang zu anderen eigenen Zwecken, ist § 16 GrEStG auch dann ausgeschlossen, wenn nur das ursprüngliche Rechtsgeschäft rückabgewickelt wird und kein weiterer Erwerbsvorgang ausgelöst wird.81 81 BFH v. 19.9.2018 – II R 10/16, BStBl. II 2019, 176; Loose in Viskorf20, § 16 GrEStG Rz. 70.

856 | Loose

C. Rückabwicklung | Rz. 7.129 Kap. 7 Beispiel 38: An der AB GmbH sind A zu 80 % und B zu 20 % seit Gründung der Gesellschaft 2010 beteiligt. Die Gesellschaft hält Grundbesitz mit einem Wert von 10 Mio. Euro. Mit Wirkung zum 1.6.2022 erwarb A für einen Kaufpreis 2 Mio. Euro die restlichen Anteile von B und ist ab diesem Zeitpunkt zu 100 % an der AB GmbH beteiligt. Der Vorgang wird dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt. A war der Meinung, der Vorgang löse keine Grunderwerbsteuer aus, weil § 1 Abs. 2b GrEStG nicht erfüllt sei. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 1.8.2022 Grunderwerbsteuer gegen A i.H.v. 650.000 Euro (6,5 % von 10 Mio. Euro) nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Im Anschluss daran, heben A und B den Anteilskaufvertrag mit Vertrag vom 1.9.2022 im Umfang von 11 % wieder auf. Auf eine Rückzahlung des Kaufpreises wird verzichtet. Im selben Vertrag überträgt B seine Anteile von 11 % unentgeltlich an T, die Tochter des A. Der Vertrag wird von allen beteiligten, A, B und T unterzeichnet.

A 80 %

B 1.6.2022

20 %

AB GmbH

A 20 %

AB GmbH

Loose | 857

7.129

Kap. 7 Rz. 7.129 | Verfahrensfragen

A 89 %

1.9.2022 11 %

B

1.9.2022

T

AB GmbH

A

T

89 %

11 %

AB GmbH

Abb. 19a–19d Die Übertragung der Anteile erfüllt zwar nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG, weil A und B seit mehr als 10 Jahren an der AB GmbH beteiligt sind. Allerdings werden die Anteile an der AB GmbH nunmehr erstmalig in der Hand des A vereinigt. Das ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar. Die Aufhebung des Anteilserwerbs führt eigentlich zur entsprechenden Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen, denn der Anteilserwerb wurde ordnungsgemäß angezeigt. § 16 GrEStG ist dennoch nicht anzuwenden, denn A hat seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Anteilserwerb zu eigenen Zwecken verwertet. A hatte mit seiner Unterschrift unter den Vertrag vom 1.9.2022 in der Hand, dass die Anteile auf seine Tochter übertragen werden. Dass dieser Vorgang selbst nicht steuerbar war, steht dem nicht entgegen. Bei einem (entgeltlichen) Erwerb der 11 % durch einen fremden Dritten, dürfte die Verwertung zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken wohl zu verneinen sein.

III. Rückgängigmachung in Kollisionsfällen

7.130 Das Verhältnis der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG zum § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG ist in der Praxis noch ungeklärt. § 1 Abs. 3 GrEStG greift zwar nach der Gesetzessystematik nur ein, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG „nicht in Betracht kommt“. Problematisch ist jedoch, dass die Tatbestände an unterschiedliche Rechtsvorgänge anknüpfen. Während § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG den Gesellschafterwechsel und damit den Übergang der 858 | Loose

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.133 Kap. 7

Anteile besteuern, ist für § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG bereits der wirksame Abschluss des den Anspruch auf Übertragung begründenden Rechtsgeschäfts maßgeblich. Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfolgt im Zeitpunkt des wirksamen Abschlusses des Rechtsgeschäfts (sog. Signing) zunächst eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile (sog. Closing) erfolgt dann eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG sei bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern.82 Eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei zudem nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten sei.83 Durch das JStG 2022 wurde § 16 GrEStG um einen neuen Absatz 4a ergänzt. Danach ist auf Antrag die bereits erfolgte Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG aufzuheben. Voraussetzung ist, dass, beide Erwerbsvorgänge (Signing und Closing) zuvor ordnungsgemäß angezeigt wurden (s. Rz. 3.686).

7.131

IV. Verfahren und Rechtsfolgen der Rückabwicklung Ist der ursprüngliche Rechtsvorgang, der einen der Erwerbstatbestände des § 1 GrEStG ausgelöst hat, rechtlich und tatsächlich vollständig rückgängig gemacht worden, und ist er – im Falle des § 1 Abs. 2 bis Abs. 3a GrEStG – zuvor auch ordnungsgemäß angezeigt worden, wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Der Antrag kann folglich schon im laufenden Festsetzungsverfahren oder im Einspruchsverfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gestellt werden. In diesem Fall wird die Grunderwerbsteuer schon gar nicht erst festgesetzt. Ist die Grunderwerbsteuer bereits festgesetzt, wird auf Antrag die Festsetzung aufgehoben und die ggf. bereits gezahlte Grunderwerbsteuer erstattet.

7.132

Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GrEStG). Im Fall des Rückerwerbs wird also sowohl der ursprüngliche Erwerbsvorgang als auch der (erneut steuerbare) auf Antrag im Ergebnis nicht besteuert.

7.133

D. Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen Literatur: Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14; Seer in Tipke/ Kruse, § 89 AO; Roser in Gosch, § 89 AO; Joisten/Bergmann, FR 2014, 923 (926); Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO.

82 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2. 83 Gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 821 Tz. 8.2.

Loose und Tigges-Knümann | 859

Kap. 7 Rz. 7.134 | Verfahrensfragen

I. Anwendungsfälle 1. Allgemeines

7.134 Die Grunderwerbsteuer stellt regelmäßig eine signifikante Steuerbelastung dar, die der Steuerpflichtige in sein Handlungskalkül einbeziehen muss.84 Dies gilt in besonderer Weise, wenn es sich nicht um reguläre Grundstücksverkäufe handelt, bei denen die Grunderwerbsteuer offensichtlich eingepreist werden muss, sondern wenn die Grundstücksübertragung nur ein „Nebeneffekt“ ist oder nur mittelbar erfolgt, wie beispielsweise bei Umwandlungen oder Anteilsübertragungen. Ebenfalls problematisch ist die Grunderwerbsteuer bei rein konzerninternen Übertragungen, bei denen aus Sicht des Gesamtkonzerns kein die Grunderwerbsteuer rechtfertigender Erwerbsvorgang gegeben ist. Umso wichtiger ist es, dass der Steuerpflichtige die Grunderwerbsteuerbelastung einer bestimmten Transaktion im Vorhinein genau bestimmen kann, um Planungssicherheit zu erlangen. Allein anhand des Gesetzes ist eine rechtssichere Bestimmung der Grunderwerbsteuer dem Grunde und der Höhe nach aber in vielen Fällen nicht möglich. Die Vielzahl der Urteile der vergangenen Jahre gerade zu den Themenbereichen der Ergänzungstatbestände und der Steuerbefreiungen85 sowie die in kurzen Abständen erfolgten einschneidenden Gesetzesänderungen (bzw. -verschärfungen)86 zeigen deutlich, vor welche Herausforderungen die Grunderwerbsteuer den Rechtsanwender stellt. 7.135 Eine Möglichkeit, trotz der hohen Komplexität der Grunderwerbsteuer ein erforderliches Maß an Planungssicherheit zu erreichen, ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft.87 Gem. § 89 Abs. 2 AO können die Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Dies dient dem verfassungsrechtlich gebotenen Dispositionsschutz.88 Der Steuerpflichtige soll bereits im Planungsstadium vor Umsetzung eines bestimmten Sachverhaltes Rechtssicherheit über die steuerlichen Folgen erlangen89 und auf diese rechtliche Beurteilung dauerhaft vertrauen können, selbst wenn sich Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung 84 Tigges, Ergänzungstatbestände in der Grunderwerbsteuer, S. 149 ff.; Keller/Petersen, BB 2016, 151. 85 Beispielsweise: BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 zur Grundstückszurechnung; v. 12.1.2022 – II R 16/20, DStR 2022, 1379 zur Anteilszurechnung; v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329 zu § 6a GrEStG; v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 zur mittelbaren Änderung im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. 86 Beispielhaft können die Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG durch Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809, die Änderung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834 und die Einführung des § 1 Abs. 2b und 2c GrEStG sowie Absenkung der tatbestandsmäßigen Quoten und Verlängerung der Betrachtungszeiträume in § 1 Abs. 2a und §§ 5, 6 GrEStG durch Gesetz zur Änderung des GrEStG v. 17.5.2021, BGBl. 2021, 986 genannt werden. 87 Allgemein zur Verbindlichen Auskunft als Instrument der Steuerplanung: Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 2. 88 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 23. 89 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 23.

860 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.139 Kap. 7

ändern (zur Bindungswirkung und Vertrauensschutz Rz. 7.196 ff.). Die verbindliche Auskunft wird nur auf Antrag (Rz. 7.160 ff.) und nur zu einem noch nicht verwirklichten Sachverhalt erteilt. Sie ist gebührenpflichtig (§ 89 Abs. 3 AO). Über einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten entschieden werden (§ 89 Abs. 2 Satz 5 AO). Für steuerliche Berater ist zu beachten, dass im Einzelfall eine Pflicht bestehen kann, den Mandanten auf die Möglichkeit der Einholung einer verbindlichen Auskunft hinzuweisen.90

7.136

2. Auskunftsfähige Rechtsfragen Ein Antrag auf verbindliche Auskunft zu einer grunderwerbsteuerlichen Frage kommt in Betracht, wenn die Disposition (auch) von der grunderwerbsteuerlichen Beurteilung abhängt (zum Dispositionsinteresse s. unter Rz. 7.151 f.). Ein Auskunftsantrag kann isoliert zu einer rein grunderwerbsteuerlichen Frage gestellt werden oder aber auch andere Rechtsgebiete umfassen. Letzteres ist beispielsweise bei Umstrukturierungen denkbar, wenn sowohl ertragsteuerliche als auch grunderwerbsteuerliche Rechtsfragen beantwortet werden sollen.91

7.137

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 StAuskV muss der Auskunftsantrag (Rz. 7.160 ff.) eine Darlegung des Rechtsproblems und konkrete Rechtsfragen enthalten. Die Finanzverwaltung unterscheidet auf dieser Basis zwischen Rechtsfragen und Tatsachenfragen. Tatsachenfragen sollen der verbindlichen Auskunft nicht zugänglich sein. Darunter fallen nach Verwaltungsauffassung u.a. Bewertungsfragen.92 Die in der Praxis teils anzutreffende Finanzamtsauffassung, jegliche Zweifelsfragen der Subsumtion seien als Tatsachenfragen nicht auskunftsfähig, ist jedoch kritisch zu sehen.93

7.138

Verbindliche Auskünfte zu grunderwerbsteuerlichen Fragen kommen insbesondere zu allen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwirklichung eines steuerbaren Vorgangs oder den Voraussetzungen und dem Umfang einer Steuerbefreiung in Betracht. Dagegen wird die Finanzverwaltung regelmäßig keine Auskünfte zu Fragen der Grundstücksbewertung erteilen.94 Gem. AEAO zu § 89 Nr. 3.5.4 sollen Auskünfte zudem nicht erteilt werden in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht. Daher könnten beispielsweise Rechtsfragen, die die

7.139

90 BGH v. 8.2.2007 – IX ZR 188/05, DStR 2007, 1098. 91 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 101; implizit auch: BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.11 (zu Einkommensteuer und Umsatzsteuer). 92 Finanzministerium Baden-Württemberg v. 1.4.2010 – S 0224, FMNR736050010, juris, Zusatz der OFD Karlsruhe. Allgemein zu fehlenden Möglichkeit einer Auskunft für Fragen, die die Sachverhaltsermittlung betreffen: OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.3. 93 Dazu ausführlich Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (926); Stangl in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 100. 94 Denkbar könnten aber Auskünfte zur Bewertungsmethodik sein, vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 49.

Tigges-Knümann | 861

Kap. 7 Rz. 7.139 | Verfahrensfragen

Ausnutzung der 90 %-Grenzen in den Ergänzungstatbeständen betreffen (z.B. Frage zur maximal möglichen „Entrechtung“ des Minderheitsgesellschafters, ohne dass eine Zurechnung zum Hauptgesellschafter erfolgt) nach Verwaltungsauffassung möglicherweise keiner verbindlichen Auskunft zugänglich sein.

7.140 AEAO zu § 89 Nr. 3.5.4 sieht die Befugnis des einzelnen Finanzamts vor, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in anderen Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen und nennt als Beispiel den Fall, dass zu dem Rechtsproblem eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.95 Daraus folgt, dass eine verbindliche Auskunft häufig gerade in Phasen hoher Rechtsunsicherheit nicht erteilt wird,96 beispielsweise wenn noch unklar ist, wie sich das BMF bzw. die Länder zu einem bestimmten BFH-Urteil oder einem neuen Gesetz positionieren. 7.141 Eine verbindliche Auskunft kann auch sinnvoll sein, wenn sich die Auffassung der Finanzverwaltung bereits aus einer Verwaltungsvorschrift ergibt.97 Denn die verbindliche Auskunft ist als konkreter einzelfallbezogener Verwaltungsakt – anders als abstrakte Verwaltungsanweisungen – auch für die Gerichte bindend.98 Die Auskunft schützt den Steuerpflichtigen vor Änderungen der Rechtslage durch abweichende Gerichtsentscheidungen oder durch Änderung von Verwaltungsanweisungen99 (Rz. 7.196 ff.). Allerdings verweigert die Finanzverwaltung in der Praxis teilweise die Auskunftserteilung, wenn sich die Rechtsfrage anhand einer Verwaltungsvorschrift oder eines Urteils beantworten lässt, da sie dann kein Auskunftsinteresse sieht.100 Damit verwehrt die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen in vielen Fällen unbegründet die Schutzwirkung der verbindlichen Auskunft und lässt ihn mit dem Risiko einer zukünftigen abweichenden Beurteilung durch Gerichte oder Verwaltung allein.101 7.142 Aufgrund der vielfachen Einschränkungen, die die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Auskunftsfähigkeit der Rechtsfrage macht, kann es im Zweifelsfall sinnvoll sein, vorab mit dem zuständigen Finanzamt zu klären, ob zu der Rechtsfrage über95 Dazu kritisch Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 44, der die Versagung aufgrund einer zu erwartenden Verwaltungsverlautbarung jedenfalls vor Veröffentlichung eines Entwurfs dieser Verlautbarung für evident ermessensfehlerhaft hält. 96 Dazu auch Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (928). 97 Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (925). 98 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 95, 113; i.E. auch: Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 54. 99 Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (925); Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 54. 100 BayLfSt v. 25.1.2021 – S 0224.2.1 – 21/10 St43, juris Rz. 2. Zur fehlenden Auskunftsfähigkeit bei einer „bereits geklärten Rechtsfrage“ s. auch OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.3. 101 So wendet die Finanzverwaltung beispielsweise die sog. RETT-Blocker-Urteile des BFH (BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667) rückwirkend auf alle offenen Fälle an, obwohl sie in ihren Erlassen zuvor eine gegenteilige Auffassung vertreten hatte (s. dazu gleich lautende Ländererlasse v. 27.9.2017, BStBl. I 2018, 1053).

862 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.144 Kap. 7

haupt eine Auskunft erteilt wird. Dadurch können ggfs. Gebühren (Rz. 7.186 ff.) und auch Kosten für die Erstellung des Auskunftsantrags (Rz. 7.160 ff.) gespart werden. Zur ebenfalls sinnvollen Vorabstimmung eines Antragsentwurfs s. unter Rz. 7.160. In der Praxis erklären sich einzelne Finanzämter teils bereit, eine informelle bzw. unverbindliche Auskunft zu erteilen, wenn nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für eine verbindliche Auskunft nicht vorliegen, weil z.B. die Rechtsfrage durch eine Verwaltungsanweisung beantwortet wird.102 Solchen unverbindlichen Auskünften kommt keine formelle Bindungswirkung zu,103 sodass insbesondere bei einer Änderung der Rechtslage nicht derselbe verfahrensrechtliche Schutz besteht, wie bei einer verbindlichen Auskunft. Es sollte daher stets versucht werden, das zuständige Finanzamt von der Möglichkeit einer verbindlichen Auskunft zu überzeugen. Scheitert dies, kann eine informelle Auskunft aber jedenfalls eine faktische Verbesserung der Rechtsposition darstellen, weil das praktische Risiko einer abweichenden Beurteilung des Sachverhalts im Rahmen der Veranlagung oder Betriebsprüfung sinkt, solange keine wesentlichen Veränderungen der Rechtslage (durch neue Urteile oder neue Verwaltungsanweisungen) eintreten. Ein darüberhinausgehender Vertrauensschutz nach Treu und Glauben dürfte dagegen nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen vorliegen.104

7.143

3. Zeitbedarf Eine verbindliche Auskunft kann nur zu einem noch nicht verwirklichten Sachverhalt erteilt werden. Auch die Verwirklichung des Sachverhalts im Zeitraum zwischen Antragstellung und Erteilung der Auskunft ist schädlich (AEAO zu § 89 Nr. 3.5.2). Daraus folgt, dass eine verbindliche Auskunft in der Praxis nur eingeholt werden kann, wenn vor Umsetzung des Sachverhaltes noch ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Gem. § 89 Abs. 2 Satz 4 AO soll über einen Antrag auf verbindliche Auskunft innerhalb von 6 Monaten nach Eingang entschieden werden. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass es bei umfangreichen Anträgen und bei Rückfragen der Finanzverwaltung auch zu deutlich längeren Zeiträumen von bis zu einem Jahr kommen kann. Selbst bei „einfacheren“ Anträgen sollten mindestens drei Monate Bearbeitungszeit durch die Finanzverwaltung eingeplant werden.105 Hinzu kommt der Zeitbedarf für die Formulierung des Antrags durch den Steuerpflichtigen bzw. den steuerlichen Berater. Dabei ist zu beachten, dass der Sachverhalt bei Antragstellung feststehen muss, da eine Bindungswirkung der Auskunft nur eintritt, wenn der Sachverhalt so wie im Antrag geschildert umgesetzt wird (Rz. 7.198). D.h. das Zeitfenster für die verbindliche Auskunft muss zwischen dem Abschluss der wesentlichen Planun102 Zur Zulässigkeit unverbindlicher Auskünfte außerhalb von § 89 Abs. 2 AO auch: AEAO zu § 89 Nr. 2 Satz 2. Ablehnend hingegen OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.4. 103 Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 4; AEAO zu § 89 Nr. 2 Satz 3, 5. 104 Bodden, KÖSDI 2016, 19645; AEAO zu § 89 Nr. 2 Satz 4 f.; Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (929). 105 Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 56.1 geht von durchschnittlich zwei Monaten Bearbeitungszeit aus.

Tigges-Knümann | 863

7.144

Kap. 7 Rz. 7.144 | Verfahrensfragen

gen und der Umsetzung des Sachverhalts liegen. Gem. AEAO zu § 89 Nr. 3.4.2 ist es aber unschädlich, wenn bereits mit vorbereitenden Maßnahmen begonnen wurde, solange der dem Auskunftsantrag zugrunde gelegte Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wurde und noch anderweitige Dispositionen möglich sind. S. zur Sachverhaltsdarstellung und -verwirklichung auch ausführlich unter Rz. 7.164 ff. II. Antragsteller

7.145 Der Antragsteller ist derjenige, in dessen Namen die verbindliche Auskunft beantragt wird (AEAO zu § 89 Nr. 3.2.1). Er ist Schuldner der Gebühr (Rz. 7.186 ff.) und nur ihm gegenüber tritt die Bindungswirkung der Auskunft ein (Rz. 7.196 ff.).106 Die Auswahl des richtigen Antragstellers ist folglich von erheblicher Bedeutung.107 7.146 Antragsteller ist i.d.R. der Steuerpflichtige, da die Finanzverwaltung nur insoweit von einem berechtigten Interesse ausgeht (AEAO zu § 89 Nr. 3.2.2 und 3.4.3) (Rz. 7.150 ff.). Bei grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgängen gibt es häufig mehrere Steuerschuldner, die die Steuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO) schulden: § 13 Nr. 1 GrEStG (die als Vertragsteile beteiligten Personen); § 13 Nr. 2 GrEStG (bisheriger Eigentümer und Erwerber); § 13 Nr. 5 b GrEStG (diese Beteiligten).108 Auch wenn im Vertrag regelmäßig festgelegt wird, welche der Parteien die Steuer schuldet (i.d.R. der Erwerber), ändert dies nichts daran, dass grds. alle Parteien als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können.109 Folglich sollte eine verbindliche Auskunft stets durch alle Steuerschuldner beantragt werden.110 Die Bestimmung des Steuerschuldners ist aktuell eine besondere Herausforderung, da sie eng mit der Zurechnung von Grundstücken zusammenhängt, die kontrovers diskutiert wird (Rz. 3.28 ff.). 7.147 Eine gemeinsame Antragstellung sieht die StAuskV zu grunderwerbsteuerlichen Fragen nur für den Fall der grunderwerbsteuerlichen Organschaft, d.h. für § 13 Nr. 5 b GrEStG, vor. Die Auskunft zu einem Sachverhalt, der sich auf einen Erwerbsvorgang durch eine grunderwerbsteuerliche Organschaft bezieht, kann nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 StAuskV) und ist auch gegenüber allen Beteiligten einheitlich zu erteilen (§ 2 Abs. 2 StAuskV). Für die übrigen Fälle kann die Finanzverwaltung dagegen trotz eines tatsächlich gemeinsam gestellten Antrags formal von mehreren Anträgen ausgehen, was sich auf die Zuständigkeit und die Gebühren auswirkt (Rz. 7.155 ff. und Rz. 7.186 ff.).111

Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 76. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 76. Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 38; Pahlke7, § 13 GrEStG Rz. 35. Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 38; Pahlke7, § 13 GrEStG Rz. 36. Zur Antragstellung durch alle Rechtsträger mit potenziellen Steuerrisiken s. auch Hendricks/Rogall/Schönfeld, Ubg 2009, 197. 111 Zum Grundsatz, dass ein Antrag pro Steuerpflichtigem vorliegt, AEAO zu § 89 Nr. 4.1.2. Zu mehrfachen Gebühren bei mehreren Antragstellern auch: BFH v. 9.3.2016 – I R 66/14, BStBl. II 2016, 706; kritisch Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 67; a.A. auch FG Münster v. 26.7.2022 – 13 K 1563/20 AO, EFG 2022, 1725 (Rev. anhängig unter I R 30/22) für den

106 107 108 109 110

864 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.150 Kap. 7

Gerade im Bereich der Ergänzungstatbestände kann es vorkommen, dass die handelnde Person nicht gleichzeitig Steuerschuldner ist, sondern es zu einem fremdbestimmten Anfall von Grunderwerbsteuer kommt. Dies ist bei § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nahezu immer der Fall, weil Steuerschuldner die Gesellschaft ist (§ 13 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG), während auslösendes Moment eine Übertragung der an ihr bestehenden Anteile durch die Gesellschafter ist. Das „Dispositionsinteresse“ (Rz. 7.151 f.) liegt bei den Gesellschaftern, sie sind aber nicht unmittelbar steuerpflichtig, sondern allenfalls mittelbar von der Steuer betroffen.112 Die steuerpflichtige Gesellschaft hat dagegen kein eigenes Handlungsinteresse. Ähnliche Konstellationen können auftreten, wenn es durch Anteilsübertragungen auf unteren Beteiligungsebenen zu einer Anteilsvereinigung oder wirtschaftlichen Beteiligung bei einem Rechtsträger weiter oben in der Beteiligungskette kommt. Ein Antrag sollte dann durch alle potenziellen Steuerschuldner und vorsorglich ggfs. auch durch die handelnden Gesellschafter gestellt werden (zum berechtigten Interesse aller Beteiligten s. unter Rz. 7.152).113 Letzteres gilt insbesondere dann, wenn die handelnden Gesellschafter Bedeutung z.B. für einen Befreiungstatbestand haben (Rz. 7.159).114

7.148

Eine ausdrückliche Ausnahme sieht § 1 Abs. 4 StAuskV für den Fall vor, dass der Steuerpflichtige bei Antragstellung noch nicht existiert. Dann kann der Antrag auch durch einen Dritten mit berechtigtem Interesse gestellt werden. Regelmäßig werden dies die Gesellschafter einer noch zu gründenden Gesellschaft sein (AEAO zu § 89 Nr. 3.2.3), z.B. bei Umwandlungen zur Neugründung.

7.149

III. Auskunftsinteresse 1. Erhebliche steuerliche Auswirkungen § 89 Abs. 2 Satz 1 AO setzt voraus, dass an der Erteilung der Auskunft „im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht“. § 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV spricht von der „Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses“. In der Literatur wird diese Voraussetzung so verstanden, dass die steuerlichen Auswirkungen so erheblich sein müssen, dass der Steuerpflichtige seine Disposition davon abhängig macht.115 Bezogen auf die Grunderwerbsteuer bedeutet dies, dass ein Auskunftsinteresse besteht, wenn ein Sachverhalt primär aus grunderwerbsteuerlichen Gründen verwirklicht werden soll, wenn die potenzielle Steuerbelastung bei abweichender Rechtsauffassung so hoch ist, dass der geplante Sachverhalt gar nicht umgesetzt werden könnte (prohibitive Steuerbelastung) oder wenn bei einer

112 113 114 115

Fall, dass eine von mehreren Antragstellern beantragte Auskunft durch das Finanzamt einheitlich gegenüber allen Antragstellern erteilt wird. Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 91. Zur Antragstellung durch alle Beteiligten in Umwandlungsfällen s. auch bei: Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 77; implizit auch AEAO zu § 89 Nr. 4.1.2. Zur Beteiligung von Rechtsträgern, deren steuerliche Beurteilung im zukünftigen Besteuerungsverfahren unerwünschte Auswirkungen auf einen anderen Rechtsträger haben kann, s. auch Hendricks/Rogall/Schönfeld, Ubg 2009, 197. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 32.

Tigges-Knümann | 865

7.150

Kap. 7 Rz. 7.150 | Verfahrensfragen

abweichenden Rechtsauffassung Änderungen am geplanten Sachverhalt notwendig wären.116 Ein Mindestbetrag der steuerlichen Auswirkung wird allgemein nicht angenommen.117 Was als erhebliche steuerliche Auswirkung gelten kann, ist für jeden Steuerpflichtigen individuell zu prüfen. In der Praxis ist eine zu geringe betragsmäßige Auswirkung regelmäßig kein Grund, aus dem ein Antrag abgelehnt wird. Der Steuerpflichtige wird den aufwendigen Prozess des Auskunftsantrags und die Gebühren im Normalfall nur in Kauf nehmen, wenn die steuerliche Auswirkung aus seiner Sicht erheblich ist.118 2. Dispositionsinteresse

7.151 Da die Auskunft zu einem „geplanten“ Sachverhalt erteilt wird, wird in der Literatur unter dem Auskunftsinteresse regelmäßig auch ein sog. „Dispositionsinteresse“119 verstanden. Nach diesem Verständnis könnte ein Auskunftsinteresse in solchen Fällen fraglich sein, in denen die handelnde Person und der Steuerpflichtige nicht identisch sind, also eine fremdbestimmte Steuerwirkung eintritt.120 Dies ist beispielsweise stets in den Fällen des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG gegeben, da die Steuerpflicht auf Ebene der Gesellschaft (§ 13 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG) durch Anteilsübertragungen der Gesellschafter ausgelöst wird. Die notwendige erhebliche steuerliche Auswirkung und das Dispositionsinteresse fallen folglich auseinander. 7.152 Die Finanzverwaltung äußert sich zu diesem Problem nicht ausdrücklich. In AEAO zu § 89 Nr. 3.2.2 geht sie allerdings davon aus, dass ein Dritter in der Regel kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung hinsichtlich der Besteuerung eines anderen hat.121 In der Literatur wird dagegen die Ansicht vertreten, dass ein Auskunftsinteresse sowohl bei der handelnden Person als auch beim Steuerpflichtigen vorhanden ist.122 Dies muss insbesondere auch deshalb zutreffend sein, weil andernfalls die geschilderten Fälle der fremdbestimmten Steuerwirkung per se einer verbindlichen Auskunft nicht zugänglich wären.123 Dafür ist kein sachlicher Grund ersichtlich. Es ist zu empfehlen, dass der Antrag durch beide gemeinsam gestellt wird, damit die Bindungswirkung für beide eintritt.

116 S. zu den verschiedenen Fällen auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 2. 117 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 32; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 35. 118 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 202. 119 So ausdrücklich Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 32. S. auch bei Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 90. 120 Zum Problem Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 36; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 91. 121 Auch das FG München (v. 19.9.2012 – 14 K 2779/11, juris) sieht ein Auskunftsinteresse nur beim Steuerpflichtigen. 122 Rapp, FR 2017, 520; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 91; für ein Auskunftsinteresse des Handelnden auch ohne Steuerpflicht Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 36. 123 So auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 91; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 36.

866 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.155 Kap. 7

3. Rechtsproblem Teils wird ein Auskunftsinteresse auch davon abhängig gemacht, dass eine Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung besteht.124 Einzelne Finanzbehörden nehmen ein Auskunftsinteresse nur an, wenn der Sachverhalt „schwierig zu lösende steuerliche Fragen“ aufwirft und bei Fragestellungen, die nicht bereits durch BMF-Schreiben oder ein im BStBl. II veröffentlichtes BFH Urteil geklärt sind.125 In der Praxis werden Auskunftsanträge zu grunderwerbsteuerlichen Fragestellungen teils mit der Begründung abgelehnt, die Frage sei durch gleich lautende Ländererlasse bereits geklärt, sodass kein Rechtsproblem bestehe. Ebenfalls anzutreffen ist die Ansicht, ein Rechtsproblem und damit ein Auskunftsinteresse bestehe nur, wenn ausdrücklich widerstreitende Auffassungen vertreten würden.126

7.153

Diese Interpretation der Finanzverwaltung ist nach Auffassung der h.M. in der Literatur zu weit gehend.127 Insbesondere kann eine Verwaltungsverlautbarung einem Auskunftsinteresse nicht entgegenstehen, da insoweit das Risiko einer abweichenden gerichtlichen Beurteilung und auch einer Änderung der Verwaltungsauffassung besteht.128 Es ist auch nicht erforderlich, dass eine Rechtsfrage in der Literatur bereits als streitig behandelt wird.129 Gerade bei bisher nicht behandelten Rechtsfragen kann die steuerliche Beurteilung besonderes schwierig sein und ein hohes Risiko beinhalten. Folglich muss ein Auskunftsinteresse auch dann bestehen, wenn eine Rechtsfrage scheinbar eindeutig zu beantworten ist;130 es kann dann allenfalls gefordert werden, dass der Steuerpflichtige eine denkbare abweichende Beurteilung aufzeigt.131

7.154

IV. Zuständigkeit Gem. § 89 Abs. 2 Satz 2 AO ist für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft die Finanzbehörde zuständig, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Die Zuständigkeit hat jedenfalls nach Verwaltungsauffassung Bedeutung für die Bindungswirkung der Auskunft. Gem. AEAO zu § 89 Nr. 3.6.5 soll eine von einer sachlich oder örtlich unzuständigen Behörde erlassene Auskunft keine Bindungswirkung entfalten. Dies wird in der Litera124 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 190, 202; Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (924); wohl auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 92. 125 BayLfSt v. 25.1.2021 – S 0224.2.1-21/10 St43, juris Rz. 2. Zur fehlenden Auskunftsfähigkeit bei einer „bereits geklärten Rechtsfrage“ s. auch OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.3. 126 Dazu auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 93. 127 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 202; Stangl in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 95, 113; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 54; Joisten/ Bergmann, Ubg 2014, 923 (925). 128 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 94 f., 113; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 54; Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (925). 129 Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (926); Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 93. 130 So auch Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 202. 131 Ähnlich auch Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (926).

Tigges-Knümann | 867

7.155

Kap. 7 Rz. 7.155 | Verfahrensfragen

tur für die verbindliche Auskunft einer örtlich unzuständigen Behörde mit Verweis auf § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO zwar überwiegend anders gesehen.132 Nichtsdestotrotz sollte die Zuständigkeit vor Antragstellung sorgfältig geprüft werden.

7.156 Sachlich unzuständig sind insbesondere Oberbehörden wie OFD, LfSt oder FinMin bzw. FinSenatoren.133 Sie sind zwar gerade in größeren Fällen häufig in den Prozess der Auskunftserteilung eingebunden134 und ihnen steht ein Weisungsrecht zu. Die verbindliche Auskunft muss aber gegenüber dem Steuerpflichtigen durch das jeweils zuständige Finanzamt erteilt werden.135 7.157 Das für Grunderwerbsteuerfragen zuständige Finanzamt ist nach § 17 GrEStG zu bestimmen (Rz. 7.69). Dabei ist zu beachten, dass für die Grunderwerbsteuer häufig Sonderzuständigkeiten bestehen, wonach ein Finanzamt für die Grunderwerbsteuerfälle mehrerer Finanzamtsbezirke oder sogar des gesamten Bundeslandes zuständig ist.136 Teilweise bestehen auch Sonderzuständigkeit für bestimmte Fallgruppen, wie beispielsweise die Grunderwerbsteuerfälle aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen.137 Die Zuständigkeit lässt sich regelmäßig über die Suchfunktion des BZSt ermitteln.138 Die innerbehördliche Zuständigkeit, d.h. die Frage, welcher Amtsträger innerhalb des zuständigen Finanzamts die Auskunft unterzeichnen darf, muss durch den Antragsteller grds. nicht geprüft werden.139 Eine Zuständigkeit des BZSt nach § 89 Abs. 2 Satz 3 AO kann sich nur ausnahmsweise vor allem bei ausländischen Antragstellern ergeben (AEAO zu § 89 Nr. 3.3.1.4). 7.158 Insbesondere bei Umstrukturierungsfällen können für die grunderwerbsteuerlichen Fragen mehrere Finanzämter zuständig sein.140 Grds. ist dann ein Antrag bei jedem zuständigen Finanzamt zu stellen.141 Auch wenn Zweifel bestehen, welches Finanzamt zuständig ist,142 sollte vorsorglich ein Antrag bei jedem potenziell in Frage kom132 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 36. 133 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 36. 134 S. beispielsweise Vorlagepflicht der Finanzämter in bestimmten Fällen gem. OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 3.2.; BayLfSt v. 25.1.2021 – S 0224.2.1-21/10 St43, juris Rz. 7. 135 Zu etwaige Möglichkeiten der Heilung vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 36. 136 Exemplarisch sei hier die Sonderzuständigkeit des Finanzamts Alsfeld-Lauterbach als Hessische Zentralstelle für Grunderwerbsteuer für alle Grunderwerbsteuerfälle in Hessen genannt. 137 Exemplarisch sei hier die Sonderzuständigkeit des Finanzamts Schwetzingen als Landeszentralstelle für gesellschaftsrechtliche Grunderwerbsteuerfälle in Baden-Württemberg genannt. 138 https://www.bzst.de/DE/Service/Behoerdenwegweiser/Finanzamtsuche/GemFa/finanzamt suche_node.html. 139 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 37; a.A. Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 15; einschränkend Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 21, der empfiehlt auf die Unterzeichnung durch den Sachgebietsleiter zu achten. 140 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 22. 141 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 22; Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 18. 142 Solche Zweifel können sich insbesondere in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen ergeben. Die Finanzverwaltung geht in den gleich lautenden Ländererlassen v. 1.3.2016,

868 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.159 Kap. 7

menden Finanzamt gestellt und um Abstimmung zwischen den Ämtern gebeten werden. Der AEAO zu § 89 Nr. 3.3.2.3 sieht für eine verbindliche Auskunft, die mehrere Steuerarten betrifft, für die jeweils unterschiedliche Finanzämter zuständig sind, ausdrücklich eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO als „Soll-Bestimmung“ vor. Diese Möglichkeit sollte aber auch dann eröffnet sein, wenn sich die unterschiedliche Zuständigkeit daraus ergibt, dass durch einen geplanten Sachverhalt mehrere grunderwerbsteuerbare Rechtsvorgänge verwirklicht werden, da die unterschiedlichen Zuständigkeiten in einem solchen Fall erst recht nicht zweckmäßig sind.143 Beispiel 39: An der A GmbH und an der B GmbH ist der C zu 100 % beteiligt. Die A GmbH ist wiederum zu 100 % an der grundbesitzenden X KG (Komplementär aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt), die B GmbH zu 100 % an der grundbesitzenden Y GmbH beteiligt. Die Geschäftsleitung der X KG befindet sich in Frankfurt am Main. Die Geschäftsleitung der Y GmbH befindet sich in Stuttgart. Beide Gesellschaften halten in ihrem Vermögen Grundstücke in mehreren Bundesländern. Der C plant, die A GmbH und die B GmbH zur Neugründung auf die Neu GmbH zu verschmelzen. Er möchte im Hinblick auf die Rechtsunsicherheiten betreffend die wirtschaftliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens eine verbindliche Auskunft zur Frage einholen, ob § 6a GrEStG Anwendung findet, insbesondere ob er als herrschendes Unternehmen qualifiziert.

C 100 %

A GmbH

100 %

Neu GmbH

B GmbH

100 % Verschmelzung

X KG

100 %

Y GmbH

Abb. 20 BStBl. I 2016, 282 Tz. 5 für Fälle des § 1 Abs. 3 GrEStG stets von der Zuständigkeit des Finanzamts aus, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der obersten Gesellschaft, deren Anteile vereinigt bzw. übertragen werden, befindet, auch wenn diese nicht zivilrechtliche Grundstückseigentümerin ist. Dies passt nicht mehr zu den Grundsätzen der Grundstückszurechnung nach neuerer BFH-Rechtsprechung (BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, BFHE 275, 373 m.w.N.). 143 So auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 22.

Tigges-Knümann | 869

7.159

Kap. 7 Rz. 7.159 | Verfahrensfragen Durch die Verschmelzung tritt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der X KG und nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Y GmbH ein, da jeweils 100 % der Anteile auf die Neu GmbH als neue Gesellschafterin übergehen. Die Zuständigkeit richtet sich gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG für jeden Vorgang nach der Geschäftsleitung der grundbesitzenden Gesellschaft, bei der sich der Gesellschafterwechsel vollzieht.144 Für den Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der X KG ist das Finanzamt Alsfeld-Lauterbach (Hessische Zentralstelle für Grunderwerbsteuer), für den Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG bei der Y GmbH ist das Finanzamt Schwetzingen (Landeszentralstelle für gesellschaftsrechtliche Grunderwerbsteuerfälle) zuständig. Die Rechtsfrage betrifft die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG. Diese Rechtsfrage kann – da beide Rechtsvorgänge auf demselben Umwandlungsvorgang beruhen – für beide Erwerbsvorgänge nur einheitlich zu beantworten sein. Es sollte daher eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO zwischen den beiden Finanzämtern getroffen werden, sodass nur ein Finanzamt die Auskunft mit Wirkung für beide Erwerbsvorgänge erteilt. M.E. muss es in diesem Fall möglich sein, dass nur ein Antrag auf verbindliche Auskunft gestellt wird, da nur ein Sachverhalt (Verschmelzung zur Neugründung) vorliegt, der beide Vorgänge auslöst. In der Praxis sollte der Antrag bei beiden Finanzämtern eingereicht und um eine Zuständigkeitsvereinbarung gebeten werden. Falls die Finanzämter dies ablehnen, müssten sie sich jedenfalls bei der Beantwortung der Rechtsfrage abstimmen, um widersprüchlich Auskünfte zu vermeiden (AEAO zu § 89 Nr. 3.3.2.3). Letzteres muss unabhängig davon gelten, dass sich der AEAO den Fall unterschiedlicher Zuständigkeiten bei derselben Steuerart nicht ausdrücklich nennt. Denn in diesem Fall ist die Gefahr widersprüchlicher Auskünfte noch höher, da es um dieselbe Rechtsfrage geht. Zum Problem der Antragsteller in diesem Fall s. bereits unter Rz. 7.148. Höchst vorsorglich sollten hier sowohl die A GmbH, die B GmbH und die Neu GmbH als handelnde Personen (übertragende und übernehmender Rechtsträger) und i.S.v. § 6a GrEStG relevante Rechtsträger und die X KG und Y GmbH als Steuerpflichtige den Antrag stellen. Da die Rechtsfrage sich spezifisch auf den C als herrschendes Unternehmen bezieht, erscheint es sinnvoll, auch ihn als zusätzlichen Antragsteller zu berücksichtigen. Da die Neu-GmbH im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht existiert, müsste der Antrag für sie ebenfalls durch C gestellt werden (§ 1 Abs. 4 StAuskV).

V. Auskunftsantrag 1. Vorabstimmung

7.160 Viele Finanzämter zeigen sich offen für eine Vorabstimmung des Auskunftsantrags.145 Dies ist deshalb zu begrüßen, weil die Rechtsfrage im Antrag regelmäßig so gestellt sein muss, dass sie mit ja oder nein beantwortet werden kann. Weicht die Auffassung der Finanzverwaltung also auch nur in einem Teilaspekt ab, würde der Antrag abgelehnt und es müsste ggfs. ein neuer Antrag gestellt werden. Dieser Aufwand für Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung lässt sich vermeiden, wenn zunächst ein Entwurf des Antrags offen diskutiert und dem Steuerpflichtigen ggf. die 144 Gleich lautende Ländererlasse v. 1.3.2016, BStBl. I 2016, 282 Tz. 4. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist auch bei Umwandlungen nach dem UmwG vorrangig vor § 17 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG einschlägig, wenn es durch die Umwandlung zur Verwirklichung eines Ergänzungstatbestandes nach § 1 Abs. 2a–3a GrEStG kommt. 145 S. beispielsweise OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.4.

870 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.162 Kap. 7

Möglichkeit zur Anpassung des Antrags eingeräumt wird.146 Dabei handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Abfrage von alternativen Gestaltungsvarianten (AEAO zu § 89 Nr. 3.5.1), weil dem finalen Antrag nur ein Sachverhalt zugrunde liegt.147 Im Rahmen der Vorabstimmung kann auch eine eventuell notwendige Zuständigkeitsvereinbarung zwischen mehreren zuständigen Finanzämtern angeregt oder etwaige Zweifel an der Zuständigkeit geklärt werden (Rz. 7.158).148 Unter Umständen bietet es sich an, auch die zuständige Ober- bzw. Mittelbehörde bereits in die Abstimmung einzubinden, wenn absehbar ist, dass diese ohnehin aufgrund der Bedeutung der Rechtsfrage oder der steuerlichen Auswirkung einzubeziehen ist149 oder wenn sie über etwaige Zuständigkeitsfragen entscheiden soll.150 Dafür ist allerdings ein gewisses Fingerspitzengefühl notwendig, um keinen Unmut bei den zuständigen Finanzämtern auszulösen. Gleiches gilt für die Einbeziehung der zuständigen Betriebsprüfung.151 Auch hier macht es Sinn frühzeitig auf eine Mitwirkung hinzuarbeiten,152 ohne die formale zuständige Veranlagungsstelle zu übergehen.

7.161

2. Form Der Auskunftsantrag muss schriftlich oder elektronisch beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden, § 1 Abs. 1 Satz 1 StAuskV. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht vorgeschrieben.153 Für einen elektronischen Antrag wird dennoch gefordert, dass er den Anforderungen des § 87a Abs. 3 AO genügt, sodass eine einfache Mail nicht ausreichend wäre.154 § 1 Abs. 1 Satz 2 StAuskV zählt die Muss-Inhalte des Antrags auf. Die Gliederung des Auskunftsantrags sollte sich an dieser Aufzählung orientieren, Rz. 7.163 ff. Genügt ein Antrag den formellen Anforderungen nicht oder fehlen notwendige inhaltliche Ausführungen, soll die Finanzverwaltung Gelegenheit zur Nachbesserung geben (AEAO zu § 89 Nr. 3.5.1),155 was allerdings eine Verzögerung im Verfahren bedeutet.

146 Zum Procedere s. auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 12 ff. 147 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 89. 148 Dazu Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 19. 149 Zur Vorlagepflicht BayLfSt v. 25.1.2021 – S 0224.2.1-21/10 St43, juris Rz. 7. 150 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 20, 22. 151 Zur Einbeziehung der Betriebsprüfung: BayLfSt v. 25.1.2021 – S 0224.2.1-21/10 St43, juris Rz. 4. 152 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 21. 153 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 184. 154 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 30; wohl auch Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 32; a.A. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 184. 155 OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.4., 3.4.

Tigges-Knümann | 871

7.162

Kap. 7 Rz. 7.163 | Verfahrensfragen

3. Inhalt a) Bezeichnung des Antragstellers

7.163 Der oder die Antragsteller müssen genau bezeichnet werden. Dazu sollte neben dem Namen bzw. der Firma auch die Adresse, ggf. die Handelsregisternummer und die Steuernummer angegeben werden.156 Da die verbindliche Auskunft nur gegenüber den Antragstellern Bindungswirkung entfaltet, ist es bei Sachverhalten, an denen mehrere Personen beteiligt sind, wichtig, dass aus dem Antrag eindeutig hervorgeht, wer den Antrag stellt. Liegt ein gemeinsamer Antrag i.S.d. § 1 Abs. 2 StAuskV vor, sollte auf die gemeinsame Antragstellung hingewiesen werden. Zum Antragsteller s. im Übrigen unter Rz. 7.145 ff. b) Sachverhalt

7.164 Die Darstellung des Sachverhaltes ist für den Auskunftsantrag von erheblicher Bedeutung.157 Denn die verbindliche Auskunft entfaltet nur Bindungswirkung, wenn der Sachverhalt auch wie beschrieben umgesetzt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV) (Rz. 7.198). Bereits das Gesetz verlangt einen genau bestimmten Sachverhalt (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). § 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV konkretisiert dies für den Antrag, der eine „umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts“ enthalten muss. Daneben kann es hilfreich sein, die (außersteuerlichen) Gründe für den geplanten Sachverhalt darzulegen, da die Finanzverwaltung verbindliche Auskünfte zu rein steuerlich motivierten Sachverhalten mit Verweis auf AEAO zu § 89 Nr. 3.5.4 teilweise ablehnt.158 7.165 Neben der geforderten Darstellung des geplanten Sachverhalts sollte auch die Ausgangssituation beschrieben werden.159 Dabei sollte genau abgegrenzt werden, welcher Teil des Sachverhaltes „noch nicht verwirklicht“ ist, zu dem also die Auskunft beantragt wird. Die Umsetzung von Vorbereitungsmaßnahmen vor Antragstellung bzw. vor Erhalt der verbindlichen Auskunft ist unschädlich, „solange der dem Auskunftsantrag zugrunde gelegte Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wurde und noch anderweitige Dispositionen möglich sind“ (AEAO zu § 89 Nr. 3.4.2). Sachverhaltselemente, die nach Auffassung des Antragstellers als unschädliche Vorbereitungsmaßnahmen qualifizieren, sollten genau bezeichnet werden, um spätere Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung um eine vorzeitige Sachverhaltsverwirklichung zu vermeiden. Da die verbindliche Auskunft nach Verwaltungsauffassung für einen bestimmten Zeitraum erteilt wird (AEAO zu § 89 Nr. 3.5.6), müssen auch Angaben zum Zeitplan gemacht werden.

156 Misera/Baum, Ubg 2008, 221. 157 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 81; Seer in Tipke/ Kruse, § 89 AO Rz. 31. 158 Zur Darstellung der Beweggründe auch: OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.2; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 81. 159 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 83.

872 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.169 Kap. 7

Soweit einzelne Sachverhaltselemente noch unklar sind, ohne dass sich daraus Auswirkungen auf die Beurteilung der gestellten Rechtsfrage ergeben, ist dies für den Antrag grds. unerheblich. Dies folgt aus den Ausführungen zur Bindungswirkung, die auch dann eintritt, wenn der verwirklichte Sachverhalt nur unwesentlich vom Antrag abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV) (Rz. 7.198).160 Um spätere Diskussionen über die Wesentlichkeit solcher im Zeitpunkt der Antragstellung noch unklarer Aspekte zu vermeiden, sollten Sachverhaltsunsicherheiten im Antrag ausdrücklich angeführt und die Unwesentlichkeit begründet werden.161 Ergeben sich unwesentliche Sachverhaltsänderungen erst nach Antragstellung oder nach Erteilung der Auskunft empfiehlt es sich ebenfalls, die zuständige Finanzbehörde zu informieren und die Bestätigung einzuholen, dass es sich um eine unwesentliche Abweichung von dem im Antrag dargelegten Sachverhalt handelt.162

7.166

Je nach Fallgestaltung kann es sinnvoll sein, dem Antrag Anlagen beizufügen. Dies können zum Beispiel Vertragsentwürfe sein.163 Sind Beteiligungsverhältnisse relevant, ist es hilfreich, Beteiligungsübersichten entweder in die Sachverhaltsdarstellung oder bei größeren Konzernstrukturen als Anlage aufzunehmen.

7.167

Den Finanzbehörden obliegt bei Auskunftsanträgen keine Ermittlungspflicht.164 Sie sollen dem Antragsteller zwar Gelegenheit geben, den Sachverhalt ggf. noch genauer auszuführen (AEAO zu § 89 Nr. 3.5.1). Solche Rückfragen zum Sachverhalt verzögern allerdings das Verfahren erheblich und sollten wenn möglich vermieden werden.165 Insgesamt ist ein besonderes Augenmerk auf die Darstellung des Sachverhaltes zu legen.166

7.168

c) Steuerliches Interesse § 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV verlangt die Darstellung des besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers. Bei mehreren Antragstellern sollte das Interesse für jeden Antragsteller dargelegt werden. Zum Auskunftsinteresse bei fremdbestimmter Steuerwirkung s. bereits unter Rz. 7.151 f. Betragsmäßige Angaben zu den steuerlichen Auswirkungen sind grds. nicht notwendig (dazu allerdings unter Rz. 7.180). Zur Begründung des besonderen steuerlichen Interesses vgl. im Einzelnen unter Rz. 7.150.

160 Zur Bindungswirkung bei abweichendem Sachverhalt auch Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 60. 161 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 115. 162 Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 21. 163 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 85. 164 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 224. 165 Mit Verweis auf eine Reduzierung des ggfs. für die Gebührenermittlung maßgeblichen behördlichen Zeitaufwands auch Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 224; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 31. 166 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 224; Stangl in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 82; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 31; Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 20.

Tigges-Knümann | 873

7.169

Kap. 7 Rz. 7.170 | Verfahrensfragen

7.170

d) Rechtsproblem und eigene Rechtsauffassung Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 StAuskV muss der Antrag eine „ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes“ enthalten. Die Praxis zeigt, dass die Finanzverwaltung gerade an die Darlegung des Rechtsproblems hohe Anforderungen stellt.167 Es ist insbesondere nicht hilfreich, nur den eigenen Rechtsstandpunkt darzustellen und etwaige Gegenauffassungen zu verschweigen, weil die Finanzverwaltung bei vermeintlich klarer Rechtslage ein Auskunftsinteresse verneint (dazu unter Rz. 7.153). Für den Aufbau des Auskunftsantrag kann daher ein eigener Abschnitt zum Rechtsproblem sinnvoll sein, in dem der Fokus auf den Zweifelsfragen und Meinungsunterschieden liegt. Im nachfolgenden Abschnitt zum eigenen Rechtsstandpunkt kann dann schwerpunktmäßig die eigene Rechtsauffassung untermauert werden.

7.171 Insgesamt sollten die Abschnitte eine umfassende Auseinandersetzung mit Verwaltungsanweisungen, Rechtsprechung und Literatur beinhalten.168 Ist das Rechtsproblem bislang nicht oder nur wenig diskutiert, sind – ggfs. unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze oder vergleichbare Fragen – die potenziell möglichen Auffassungen sowie der argumentativ gut begründete eigene Standpunkt darzustellen.169 Nach Verwaltungsauffassung soll insbesondere verhindert werden, dass Steuerpflichtige die Prüfung eines Rechtsproblems auf die Finanzverwaltung verlagern, ohne sich selbst damit auseinanderzusetzen.170

7.172

e) Rechtsfragen Die verbindliche Auskunft wird immer als Antwort auf eine konkrete Rechtsfrage (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 StAuskV) erteilt.171 Üblicherweise werden die Fragen so gestellt, dass sie mit ja oder nein beantwortet werden können („Ist es zutreffend, dass…?“).172 Nur für die gestellten und durch das Finanzamt beantworteten Rechtsfragen tritt auch eine Bindungswirkung ein. Das Finanzamt hat grds. keine Hinweispflicht, wenn sich aus dem geschilderten Sachverhalt weitere Rechtsfragen ergeben, die im Antrag nicht formuliert wurden.173 Aus Sicht des Steuerpflichtigen sollten die Rechtsfragen daher möglichst umfassend gestellt werden.174 167 Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 11. 168 OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.2; Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 11. 169 Dazu, dass eine abweichende Auffassung nur denkbar sein und nicht tatsächlich vertreten werden muss, Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (926). 170 OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.4 („Missbräuchlichkeit“); Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 11. 171 A.A. Werder/Dannecker, BB 2011, 2903 (2904), die sich für eine abschließende steuerliche Beurteilung aussprechen. 172 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 12. 173 BFH v. 18.12.2014 – IV R 22/12, BStBl. II 2015, 606; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 98; Bruschke, DStZ 2007, 267 (270); einschränkend Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 52.1 der im Ausnahmefall eine Fürsorgepflicht des Finanzamts annimmt. 174 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 98.

874 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.175 Kap. 7

In der Praxis verlangen die Finanzämter dagegen häufig, dass die Rechtsfrage konkret auf ein bestimmtes umstrittenes bzw. auslegungsbedürftiges Element der maßgeblichen Norm abstellt. Dies wird aus AEAO zu § 89 Nr. 3.4.4 geschlossen, wo allgemeine Fragen zu den bei Sachverhaltsverwirklichung eintretenden steuerlichen Rechtsfolgen als nicht ausreichend beschrieben werden. Fragen nach der Anwendbarkeit einer bestimmten Norm bzw. nach Nichtsteuerbarkeit mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen werden daher teilweise nicht beantwortet.175 In der Praxis kann es helfen, die allgemeine Frage durch Bezugnahme auf den primär strittigen Punkt zu spezifizieren, ohne das Interesse des Antragstellers nach einer möglichst umfassenden Antwort zu sehr einzuschränken.176

7.173

Beispiel 40 (Fortsetzung von Beispiel 39): Fraglich ist die Anwendbarkeit von § 6a GrEStG. Kritischer Punkt aus Sicht der Antragsteller ist insbesondere die wirtschaftliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens.

7.174

Möglichkeit 1: Wird die Grunderwerbsteuer auf die geplante Verschmelzung vollständig nach § 6a GrEStG nicht erhoben? Möglichkeit 2: Wird die Grunderwerbsteuer auf die geplante Verschmelzung vollständig nach § 6a GrEStG nicht erhoben, weil C zunächst über seine Beteiligung an A GmbH und B GmbH, anschließend über seine Beteiligung an der Neu GmbH wirtschaftlich tätig ist und folglich als herrschendes Unternehmen qualifiziert, sodass an dem steuerbaren Rechtsvorgang nur die abhängigen Gesellschaften A GmbH, B GmbH und Neu GmbH beteiligt sind?

Die Finanzämter differenzieren weiter zwischen Rechtsfragen, die die Auslegung einer Norm betreffen, und sog. „Tatsachenfragen“, die die Subsumtion des geschilderten Sachverhaltes unter eine Norm zum Gegenstand haben. Letztere sind nach Ansicht einiger Finanzämter nicht durch eine verbindliche Auskunft zu beantworten.177 In der Praxis betrifft dies beispielsweise Fragen zum Vorliegen eines Teilbetriebs i.S.d. §§ 15, 20 oder 24 UmwStG oder zur Qualifikation bestimmter Wirtschaftsgüter als Sonderbetriebsvermögen. M.E. müssen solche Zweifelsfragen bei der Subsumtion des geschilderten Sachverhalts der verbindlichen Auskunft zugänglich sein.178 Bei anderer Auffassung würde sich die Schilderung des Sachverhaltes letztlich erübrigen, da sie für die Klärung abstrakter Rechtsprobleme nicht notwendig wäre.179 Eine Grenze kann dort gezogen werden, wo der Anwendungsbereich der tatsächlichen Verständigung, d.h. die Einigung über einen nicht aufzuklärenden Sachverhalt berührt ist.180

175 Bruschke, DStZ 2007, 267 (269) zu „globalen Fragen“. 176 Zu dieser Vorgehensweise auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 99. 177 Zum Problem und zur Kritik an dieser Sichtweise Joisten/Bergmann, FR 2014, 923 (926); Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 202. 178 So auch Joisten/Bergmann, FR 2014, 923 (926); Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 100; mglw. a.A. Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 52. 179 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 100. 180 So könnten auch die Ausführungen OFD Frankfurt a.M. v. 12.12.2007 – S 0224 A-3-St 23, BeckVerw 109296 Rz. 2.3 zu verstehen sein.

Tigges-Knümann | 875

7.175

Kap. 7 Rz. 7.176 | Verfahrensfragen

7.176 Die Abfrage von alternativen Beurteilungsmöglichkeiten sollte zulässig sein.181 D.h. der Steuerpflichtige könnte zunächst die von ihm vertretene Auffassung und für den Fall, dass die Finanzverwaltung dies verneint, hilfsweise eine zweite Beurteilungsmöglichkeit abfragen. Im Grunderwerbsteuerrecht kann es beispielsweise denkbar sein, zunächst abzufragen, dass kein steuerbarer Vorgang vorliegt und hilfsweise, für den Fall, dass die Finanzverwaltung von einer Steuerbarkeit ausgeht, eine Steuerbefreiung beauskunften zu lassen. Eine solche Vorgehensweise stellt insbesondere keine unzulässige Abfrage von Sachverhaltsalternativen dar.182 7.177 Es können mehrere Rechtsfragen zu einem Sachverhalt gestellt werden.183 Diese können sich auf eine oder mehrere Steuerarten beziehen. Werden verschiedene Rechtsfragen für unterschiedliche Steuerpflichtige gestellt, so ist laut Finanzverwaltung von mehreren Anträgen auszugehen (AEAO zu § 89 Rz. 4.1.2.). f) Erklärung und Versicherung

7.178 Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 StAuskV muss der Steuerpflichtige die Erklärung abgeben, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen der in § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO genannten Finanzbehörden (Finanzämter oder Bundeszentralamt für Steuern) eine verbindliche Auskunft beantragt wurde. An dieser Stelle ist auf eine etwaige parallele Antragstellung zum selben Sachverhalt bei weiteren zuständigen Finanzämtern hinzuweisen (zur Zuständigkeit mehrerer Finanzämter s. unter Rz. 7.155 ff.).184 7.179 Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7 StAuskV ist zusätzlich die Versicherung abzugeben, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen. g) Angaben zum Gegenstandswert

7.180 Die verbindliche Auskunft ist gebührenpflichtig (§ 89 Abs. 3 AO). Die Höhe der Gebühr ermittelt sich entsprechend § 34 GKG auf Basis eines Gegenstandswertes, der in § 89 Abs. 4 Satz 1 AO als Wert definiert ist, den die Auskunft für den Antragsteller hat. Maßgebend für die Bestimmung des Gegenstandswerts ist die steuerliche Auswirkung des vom Antragsteller dargelegten Sachverhalts. Die steuerliche Auswirkung ist gem. AEAO zu § 89 Nr. 4.2.2 in der Weise zu ermitteln, dass der Steuerbetrag, der bei Anwendung der vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung 181 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 89; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 51. 182 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 89; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 51. 183 Zur Abwägung, wie viele Rechtsfragen im Interesse der Rechtssicherheit gestellt werden können, ohne den „Goodwill“ der Finanzverwaltung zu verlieren und eine überlange Bearbeitungsdauer zu riskieren, Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 102. 184 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 103.

876 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.183 Kap. 7

entstehen würde, dem Steuerbetrag gegenüberzustellen ist, der entstehen würde, wenn die Finanzbehörde eine entgegengesetzte Rechtsauffassung vertreten würde. Zur Ermittlung der Gebühr im Einzelnen vgl. unter Rz. 7.186 ff. § 89 Abs. 4 Satz 2 AO sieht vor, dass der Antrag Angaben über den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände enthält. Es handelt sich allerdings um eine Soll-Vorschrift. Die Angaben zum Gegenstandswert können auch nachgereicht werden.185 Da die Behörde die Entscheidung über den Antrag bis zu Entrichtung der Gebühr zurückstellen kann (§ 89 Abs. 3 Satz 4 AO), ist es regelmäßig empfehlenswert, bereits im Antrag Angaben zum Gegenstandswert zu machen.

7.181

Die Ermittlung des Gegenstandswertes bei Fragen zum GrEStG setzt eine Berechnung der potenziell anfallenden Steuer voraus. Mittelbare Auswirkungen (etwa die Minderung der Ertragsteuer durch Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer als Betriebsausgabe, s. Kap. 9) sind lt. BFH nicht mit einzurechnen.186 Ist Bemessungsgrundlage die Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG, kann die Gegenleistung im Idealfall bereits den Vertragsentwürfen entnommen werden. Steht der Kaufpreis indes noch nicht abschließend fest oder liegt ein Fall des § 8 Abs. 2 GrEStG vor, würde die Bestimmung des Gegenstandswertes grds. eine Grundstücksbewertung (§ 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG) voraussetzen. Dies kann gerade bei größeren Umwandlungsfällen einen erheblichen Aufwand darstellen.187

7.182

Aus AEAO zu § 89 Nr. 4.3.1 ergibt sich, dass der Gegenstandswert auch durch Schätzung ermittelt werden kann.188 In der Praxis lässt es die Finanzverwaltung zur Ermittlung des Gegenstandswertes in Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG ausreichen, wenn die Grundbesitzwerte geschätzt werden. Schätzungsgrundlage können dabei die Einheitswerte sein. Auch die Finanzverwaltung greift bei Grunderwerbsteuerbescheiden regelmäßig zunächst auf eine einheitswertbasierte Schätzung zurück, um nicht auf die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte durch das Lagefinanzamt warten zu müssen.189 Als Vervielfältiger setzt beispielsweise das FinMin Niedersachsen einen Vervielfältiger von 10 für bebaute und von 12 für unbebaute Grundstücke ein.190 Aus der Praxis anderer Bundesländer sind aber auch deutlich niedrigere Vervielfältiger zwischen 6 und 8 bekannt.191 Da die Einheitswerte ohnehin für Zwecke der Grundsteuer und der gewerbesteuerlichen Kürzung bekannt sind und nicht neu ermittelt werden müssen, stellt diese Vorgehensweise eine erhebliche Erleichterung dar.

7.183

185 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 143. 186 BFH v. 22.4.2015 – IV R 13/12, BStBl. II 2015, 989; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 72. 187 Zu Bewertungsfragen für Grunderwerbsteuerzwecke im Zusammenhang mit Share Deal Transaktionen auch Eulau, BB 2020, 2848. 188 So BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.5; wohl auch Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 91 („Plausibilität der Schätzung“). 189 FinMin. Niedersachsen v. 7.6.2016 – S 4521-68-351, DB 2016, 1472. 190 FinMin. Niedersachsen v. 7.6.2016 – S 4521-68-351, DB 2016, 1472. 191 So auch Eulau, BB 2020, 2848 (2849).

Tigges-Knümann | 877

Kap. 7 Rz. 7.184 | Verfahrensfragen

7.184 Gem. § 89 Abs. 4 Satz 3 AO soll die Finanzbehörde den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Die Angaben müssen schlüssig und nachvollziehbar sein (AEAO zu § 89 Nr. 4.2.5.). 7.185 Zur Möglichkeit der Zeitgebühr s. unter Rz. 7.187. VI. Gebühren 1. Gebührenarten

7.186 Gem. § 89 Abs. 3 AO wird für die Bearbeitung eines Antrags auf verbindliche Auskunft eine Gebühr erhoben. Die Gebühr berechnet sich grds. nach dem Gegenstandswert, d.h. nach dem Wert, den die Auskunft für den Antragsteller hat (§ 89 Abs. 4 AO). Gem. AEAO zu § 89 Nr. 4.2.2 ist dieser Wert in der Weise zu ermitteln, dass der Steuerbetrag, der bei Anwendung der vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung entstehen würde, dem Steuerbetrag gegenüberzustellen ist, der entstehen würde, wenn die Finanzbehörde eine entgegengesetzte Rechtsauffassung vertreten würde. S. dazu bereits ausführlich unter Rz. 7.180 ff. Die Berechnung richtet sich nach § 34 GKG mit einem Gebührensatz von 1,0 (§ 89 Abs. 5 AO). Bei einem Gegenstandswert von weniger als 10.000 Euro wird keine Gebühr erhoben. Der maximale Gegenstandswert beträgt 30 Mio. Euro (§ 89 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG), sodass die Maximalgebühr bei 120.721 Euro liegt (AEAO zu § 89 Nr. 4.2.4.). 7.187 In Ausnahmefällen, wenn der Gegenstandswert nicht bestimmbar und auch nicht durch Schätzung ermittelbar ist, wird eine Zeitgebühr erhoben (§ 89 Abs. 6 AO). Diese beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Unter zwei Stunden Bearbeitungszeit wird keine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 6 Satz 2 AO). Die Finanzbehörden handhaben die Möglichkeit der Zeitgebühr eher restriktiv, sodass eine Zeitgebühr nicht bereits bei Schwierigkeiten in der Gegenstandswertermittlung möglich ist, sondern zunächst die Schätzung Vorrang hat.192 Bei grunderwerbsteuerlichen Fragen dürfte sich normalerweise ein Gegenstandswert, also eine in Frage stehende Steuerbelastung, ggf. im Wege der Schätzung bestimmen lassen, sodass der Zeitgebühr keine große Bedeutung zukommt (s. auch unter Rz. 7.194). 7.188 Die Festsetzung der Gebühr erfolgt durch gesonderten Gebührenbescheid gegenüber dem Antragsteller (AEAO zu § 89 Nr. 4.4.1). Die Festsetzung stellt einen von der Auskunft unabhängigen Verwaltungsakt dar.193 Die Gebühr ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Festsetzung fällig (§ 89 Abs. 3 Satz 4 AO).

192 BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.5; 2.15. Kritisch Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 88, der die Unterstellung einer rechtswidrigen potenziellen Verwaltungsauffassung zur Bestimmung des Gegenstandswertes für falsch hält und in solchen Fällen eine Zeitgebühr anwenden will. 193 Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 98.

878 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.191 Kap. 7

2. Anzahl der Gebühren Ein Antrag, der zu einer einmaligen Gebührenpflicht führt, kann auch mehrere Rechtsfragen zu verschiedenen Steuerarten erfassen.194 Selbst wenn verschiedene Finanzämter zuständig sind, sollte es sich nur um einen Antrag handeln, für den eine Gebühr zu erheben ist. In der Praxis wird dies durch die Finanzämter indes teilweise anders beurteilt.195

7.189

Nach Verwaltungsauffassung liegt – außer in den Fällen des § 1 Abs. 2 StAuskV – pro Antragsteller ein gebührenpflichtiger Antrag vor.196 Dies führt insbesondere in Fällen, in denen eine fremdbestimmte Steuerwirkung vorliegt (dazu Rz. 7.148), zu einer potenziellen Vervielfältigung von Gebühren.197 U.E. kann dies aber jedenfalls dann nicht zutreffend sein, wenn die potenzielle Grunderwerbsteuer durch den geplanten Sachverhalt nur einmal anfallen kann.198 In der Praxis kann häufig eine Einigung mit der Finanzverwaltung erzielt werden, sodass nicht für alle Antragsteller die volle Gebühr erhoben wird.199 Dies kann u.a. damit begründet werden, dass für weitere Antragsteller kein oder nur geringfügig zusätzlicher Arbeitsaufwand anfällt.200 Der BFH hat jedoch mehrfache Gebühren grds. zugelassen,201 sodass es regelmäßig auf die Abstimmung mit der Finanzverwaltung ankommt.

7.190

Zusätzlich vertreten einzelne Finanzämter die Auffassung, ein Antrag könne in mehrere Sachverhalte aufzuteilen sein, wobei für jeden Sachverhalt eine eigenständige Gebühr anfallen soll.202 Das Problem stellt sich beispielsweise bei Kettenumwandlungen.203 Dabei soll jeder einzelne Umwandlungsvorgang einen eigenständigen Sachverhalt darstellen und damit eine Gebühr auslösen. Einer solchen Auffassung kann m.E. nicht gefolgt werden.204 Erst recht sind mehrfache Gebühren abzulehnen, wenn mehrere Rechtsfragen gestellt werden, weil mehrere steuerliche Tatbestände für den-

7.191

194 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 130. 195 Mit Kritik an dieser Verwaltungspraxis Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 131; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 81. 196 BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.11. 197 Zum Problem Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 136. 198 Zur vergleichbaren Argumentation bei umwandlungsbedingter Aufdeckung stiller Reserven: Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 137. Allgemein kritisch zur Erhebung mehrere Gebühren bei mehreren Antragstellern Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 67. 199 Allgemein zum gegenseitigen Verständnis zwischen Finanzverwaltung und Antragsteller bei den Diskussionspunkten der Gebührenfrage Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 126. 200 So auch Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 348c, 350 mit Verweis auf die Möglichkeit der Ermäßigung nach § 89 Abs. 7 AO. 201 BFH v. 27.11.2019 – II R 24/17, BStBl. II 2020, 528; v. 9.3.2016 – I R 66/14, BStBl. II 2016, 706. Deutlich restriktiver allerdings FG Münster v. 26.7.2022 – 13 K 1563/20 AO, juris, für den Fall von Ketteneinbringungen (Rev. anhängig BFH I R 30/22). 202 BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.5. 203 Dazu Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 134; FG Münster v. 26.7.2022 – 13 K 1563/20 AO, juris (Rev. anhängig BFH I R 30/22). 204 Ebenso Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 133 ff.

Tigges-Knümann | 879

Kap. 7 Rz. 7.191 | Verfahrensfragen

selben Sachverhalt in Betracht kommen. Beispielsweise wenn abgefragt wird, dass eine bestimmte Umwandlung weder nach § 1 Abs. 2b noch nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar ist.205

7.192 Problematisch ist, dass die Finanzverwaltung die Erteilung der Auskunft bis zur Zahlung der Gebühr zurückstellen kann (§ 89 Abs. 3 Satz 4 AO) und es für den Steuerpflichtigen dann schwierig ist, sich gegen eine aus seiner Sicht überhöhte Gebührenfestsetzung zu wehren, da dies die Erteilung der Auskunft hinauszögern würde.206 Erfreulicherweise machen in der Praxis aber nur wenige Finanzämter davon Gebrauch. In aller Regel ergeht der Gebührenbescheid gleichzeitig mit der verbindlichen Auskunft. 3. Ermäßigung

7.193 Die Gebührenpflicht knüpft an die Bearbeitung und nicht an die Erteilung der Auskunft an. Daraus folgt, dass eine Gebühr unabhängig davon festgesetzt wird, ob die Auskunft im Sinne des Antragstellers erteilt wird.207 Auch bei einer negativen Auskunft, d.h. abweichender Rechtsauffassung, oder bei Ablehnung aus formellen Mängeln sowie bei Rücknahme des Auskunftsantrags muss grds. eine Gebühr festgesetzt werden (AEAO zu § 89 Nr. 4.1.1). Gem. § 89 Abs. 7 AO kann auf die Gebühr aber ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung unbillig wäre. Insbesondere kann die Gebühr bei Rücknahme des Antrags ermäßigt werden, § 89 Abs. 7 Satz 2 AO. 7.194 Aus diesem Grund soll das Finanzamt dem Steuerpflichtigen Gelegenheit geben, seinen Antrag zurückzunehmen, bevor es eine Auskunftserteilung aufgrund von formalen Mängeln ablehnt (AEAO zu § 89 Nr. 4.5.1). Hat die Finanzverwaltung bereits mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist die Gebühr anteilig im Umfang des Arbeitsaufwands zu ermäßigen, der voraussichtlich nach Rücknahme noch angefallen wäre. Einer Reduzierung der Gebühr auf eine Zeitgebühr für den tatsächlich angefallenen Arbeitsaufwand hat der BFH eine Absage erteilt.208 Wurde mit der Bearbeitung der Auskunft noch nicht begonnen, ist keine Gebühr festzusetzen (AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2). 4. Betriebsausgabe

7.195 Die Gebühr für einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu grunderwerbsteuerlichen Fragen sollte, wie die Grunderwerbsteuer selbst, als Betriebsausgabe abzugsfähig sein. Gem. § 3 Abs. 4 Nr. 7 AO zählt die Gebühr als „Kosten“ zu den steuerlichen Nebenleistungen. Der BFH hat ein Abzugsverbot nach § 10 Nr. 2 KStG für eine zur

205 206 207 208

Dazu Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 133. Kritisch auch Roser in Gosch, § 89 Rz. 83. Kritisch zur Erfolgsunabhängigkeit der Gebühr Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 70. BFH v. 4.5.2022 – I R 46/18, DStR 2022, 1759; so auch schon BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.7; a.A. Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 94.3; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 70.

880 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.198 Kap. 7

Körperschaftsteuer erteilte verbindliche Auskunft angenommen, da die Gebühr in diesem Fall eine Nebenleistung zu einer nach § 10 Nr. 2 KStG nicht abziehbaren Steuer darstellt.209 Entsprechendes sollte für eine zur Einkommensteuer erteilte Auskunft gem. § 12 Nr. 3 AO sowie für Gewerbesteuer gem. § 4 Abs. 5b EStG gelten.210 Vergleichbare Abzugsverbote gibt es für die Grunderwerbsteuer aber nicht.211 VII. Bindungswirkung Die erteilte Auskunft ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO und für das Besteuerungsverfahren des Antragstellers bindend, wenn der verwirklichte Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich von dem der Auskunft zugrundeliegenden Sachverhalt abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV). Die Bindungswirkung betrifft in Grunderwerbsteuerfällen je nach Fallgestaltung den Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG und/oder den Grunderwerbsteuerbescheid. Werden ausnahmsweise Bewertungsfragen beauskunftet, könnte die Bindungswirkung auch für den Bescheid über die Feststellung von Grundbesitzwerten eintreten. Die verbindliche Auskunft ist zwar kein Grundlagenbescheid im verfahrensrechtlichen Sinne, sie bildet aber einen Rechtsgrund der Feststellung oder Festsetzung, die den der Auskunft zugrundeliegenden Sachverhalt betrifft.212 Eine der Auskunft widersprechende Feststellung oder Festsetzung wäre rechtswidrig.213 Die formelle Bindungswirkung tritt nur für den Antragsteller, nicht aber für mittelbar betroffene Personen ein (dazu schon unter Rz. 7.145).214

7.196

Die verbindliche Auskunft wird als Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Bekanntgabe und mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam (§§ 118, 124 AO). Zu diesem Zeitpunkt und in diesem Umfang tritt auch die Bindungswirkung kraft Gesetzes ein.215 Ist die Auskunft ausdrücklich auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, tritt Bindungswirkung nur für diesen Zeitraum ein.216

7.197

Die Bindungswirkung setzt Sachverhaltsidentität voraus (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV).217 Bei der Umsetzung des Sachverhaltes ist es daher unerlässlich, die Schilderung im Auskunftsantrag zu beachten.218 Soll vom geschilderten Sachverhalt abgewichen werden, empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung mit der Finanzverwal-

7.198

209 BFH v. 8.12.2021 – I R 24/19, DStR 2022, 1256. 210 BayLfSt v. 30.8.2017 – S 0224.1.1-5/24, BeckVerw 351152 Rz. 2.19. So dürfte auch der BFH zu verstehen sein: BFH v. 8.12.2021 – I R 24/19, DStR 2022, 1256 Rz. 58, 62; a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 77. Allgemein zur Abzugsfähigkeit auch Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 127. 211 Dazu, dass § 10 Nr. 2 KStG die Grunderwerbsteuer zum Abzug zulässt, s. auch BFH v. 8.12.2021 – I R 24/19, DStR 2022, 1256 Rz. 48. 212 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 52, 59a. 213 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 52. 214 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 255 f. 215 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 256. 216 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 257. 217 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 252. 218 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 115.

Tigges-Knümann | 881

Kap. 7 Rz. 7.198 | Verfahrensfragen

tung zur Frage, ob es sich um eine unwesentliche und damit für die Bindungswirkung unbeachtliche Abweichung handelt.219 Eine unwesentliche Sachverhaltsänderung sollte vorliegen, wenn die Änderung zu keiner anderen steuerlichen Beurteilung führen.220

7.199 Die Bindungswirkung tritt für die erlassende Finanzbehörde ein. Der Steuerpflichtige kann sich nach Verwirklichung des Sachverhalts auch auf eine andere Rechtsauffassung berufen. Er wird durch eine erteilte Auskunft nicht gebunden.221 Die Bindungswirkung der Auskunft haben indes auch die Gerichte zu beachten,222 da die Auskunft wie oben ausgeführt ein Rechtsgrund des nachfolgenden Verwaltungsaktes ist. 7.200 Die Bindungswirkung tritt auch ein, wenn die Auskunft zugunsten des Steuerpflichtigen dem geltenden Recht widerspricht, also rechtswidrig ist (Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 Satz 2 StAuskV).223 D.h. die Bindungswirkung bleibt bestehen, wenn sich Verwaltungsanweisungen oder Rechtsprechung ändern. Die unrichtige Auskunft kann dann aber mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen oder geändert werden (§ 2 Abs. 4 StAuskV, AEAO zu § 89 Nr. 3.6.6.).224 Diese Rücknahmemöglichkeit besteht nur so lange, bis der Sachverhalt umgesetzt wurde, der Steuerpflichtige also disponiert hat.225 Die Korrektur nach § 2 Abs. 4 StAuskV ist damit nur zwischen Erteilung der Auskunft und Verwirklichung des Sachverhalts zulässig.226 Im Übrigen sind Rücknahme (für die Vergangenheit) und Widerruf (für die Zukunft) nur unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO möglich. 7.201 Ändert sich eine der Auskunft zugrundeliegende Rechtsnorm, entfällt die Bindungswirkung bereits kraft Gesetzes automatisch (§ 2 Abs. 3 StAuskV). Es bedarf – anders als bei Rechtsprechungsänderungen oder Änderungen von Verwaltungsanweisungen – keiner Rücknahme der Auskunft durch die Finanzverwaltung.227 Eine Rücknahme hat in diesem Fall deklaratorische Wirkung (AEAO zu § 89 Nr. 3.6.4). Mit der verbindlichen Auskunft kann der Steuerpflichtige sich also keine Gesetzeslage sichern.

219 Bodden, KÖSDI 2016, 19645 Rz. 21. 220 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.4.2016 – 10 K 1439/14, juris Rz. 43; Hessisches FG, Urt. v. 18.3.2003 – 2 K 1730/00, DStRE 2003, 1029 Rz. 52; Hendricks in Gosch, § 206 AO Rz. 7; Roser in Gosch, § 89 AO Rz. 60. 221 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 117. 222 Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 113. 223 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 263, 265; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 55; so i.E. auch BFH v. 12.8.2015 – I R 45/14, BFHE 251, 119. 224 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 265. 225 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 52; Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG3, Anhang 14 Rz. 119. 226 Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 58. 227 Zur Unterscheidung zwischen § 2 Abs. 3 und Abs. 4 StAuskV s. auch Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 56. Ebenso AEAO zu § 89 Nr. 3.6.6.

882 | Tigges-Knümann

D. Verbindliche Auskünfte | Rz. 7.206 Kap. 7

7.202

Die Bindungswirkung lässt sich wie folgt schematisch darstellen: Erstmalige Veröffentlichung oder Änderung von Rechtsprechung oder Verwaltungsanweisungen Kein Schutz

Auskunftsantrag

Rücknahme/ Korrektur möglich

verbindliche Auskunft

Rücknahme/Korrektur grundsätzlich nicht möglich

Disposition

Steuerbescheid

Bindungswirkung Abb. 21

VIII. Rechtsschutz Sowohl die Verbindliche Auskunft als auch die Ablehnung eines Auskunftsantrags sind Verwaltungsakte i.S.d. § 118 AO und können folglich mit Einspruch i.S.d. §§ 347 ff. AO angefochten werden. Gegen die Einspruchsentscheidung ist wiederum der Klageweg (§ 40 FGO) eröffnet.

7.203

§ 89 Abs. 2 AO räumt der Finanzverwaltung ein Ermessen hinsichtlich der Auskunftserteilung ein. Es handelt sich um ein Entschließungsermessen („ob“).228 Die Literatur geht aber davon aus, dass bedingt durch die Gebührenpflicht regelmäßig eine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, wenn der Antragsteller das berechtigte Interesse darlegt.229

7.204

Eine Rechtsschutzbedürfnis kann im Zusammenhang mit § 89 Abs. 2 AO daher in zweifacher Hinsicht bestehen. Einerseits, wenn die Finanzverwaltung es ablehnt, überhaupt eine Auskunft zu erteilen und andererseits wenn die Finanzverwaltung in der verbindlichen Auskunft eine andere Auffassung vertritt als der Antragsteller im Auskunftsantrag.

7.205

Ein Rechtsbehelfsverfahren gegen die Ablehnung des Auskunftsantrags ist zwar denkbar und kann bei fehlerhafter Ausübung des Entschließungsermessens auch erfolgreich sein. In der Praxis werden Einspruch und Klage (Verpflichtungsklage, § 40 Abs. 1 2. Alt. FGO) aufgrund der langen Verfahrensdauer häufig dennoch kein sinn-

7.206

228 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 237; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 40. 229 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 237a; Seer in Tipke/Kruse, § 89 AO Rz. 40 jeweils m.w.N.

Tigges-Knümann | 883

Kap. 7 Rz. 7.206 | Verfahrensfragen

volles Mittel sein, da der geplante Sachverhalt erst nach Abschluss des Verfahrens umgesetzt werden könnte.230

7.207 Im Falle einer negativen verbindlichen Auskunft, d.h. einer inhaltlichen Ablehnung der vom Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung, ist der Nutzen des Rechtsbehelfs (Einspruch und anschließende Anfechtungsklage, § 40 Abs. 1 1. Alt. FGO) sogar noch geringer. Denn inhaltlich ist die verbindliche Auskunft nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die Gerichte prüfen nur, ob die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch die Finanzverwaltung in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.231 Daraus folgt insbesondere, dass die verbindliche Auskunft kein geeignetes Instrument ist, um eine umstrittene Verwaltungsauffassung vor Umsetzung des Sachverhaltes gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies ist nach Auffassung des BFH nur im Rechtsweg gegen den Steuerbescheid, d.h. nach Sachverhaltsverwirklichung möglich.232 7.208 Eine negative verbindliche Auskunft sollte aufgrund der für die Verwaltung entstehenden Bindung unbedingt vermieden werden. Ergibt sich aus der Diskussion mit der Finanzverwaltung eine ablehnende Haltung sollte der Auskunftsantrag im Zweifel zurückgenommen werden. Dies hat zudem den Vorteil, dass die Gebühren jedenfalls anteilig reduziert werden (Rz. 7.193 f.).

230 Joisten/Bergmann, Ubg 2014, 923 (928). 231 BFH v. 29.2.2012 – IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651. 232 BFH v. 29.2.2012 – IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651.

884 | Tigges-Knümann

Kapitel 8 Bemessungsgrundlage und Bewertung A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage I. Einführung in den Regelungsumfang 1. Grundtatbestand „Gegenleistung“ a) Bestimmung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand des Erwerbs – Grundstückszustand . . . . . c) Umfang der Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG . . . d) Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks – Anwendung in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatz-BMG „Grundstückswert“ a) Anwendungsbereich der Ersatz-BMG . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung des Grundstückswerts . . . . . . . . . . . . . 3. Asset Deal (Aufteilung Kaufpreis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Konstellationen 1. Symbolischer Kaufpreis . . . . . . 2. Erwerb des Grundstücks mit anschließendem Erwerb der Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerb im Rückwirkungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei Erbbaurechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bewertung von Grundstücken I. Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach dem BewG 1. Einordnung und Bewertungsmaßstab a) Einordnung . . . . . . . . . . . . b) Bewertungsmaßstab . . . . . 2. Bewertung unbebauter Grundstücke a) Unbebaute Grundstücke .

8.1 8.3 8.10

8.22

8.34 8.41 8.46 8.54 8.57 8.61 8.65 8.71

8.77 8.82 8.88

b) Bewertungsgrundsätze . . . c) Bodenrichtwerte . . . . . . . . 3. Bewertung bebauter Grundstücke a) Bebaute Grundstücke . . . . b) Grundstücksarten aa) Überblick . . . . . . . . . . . bb) Ein- und Zweifamilienhäuser . . . . . . . . . . cc) Mietwohngrundstücke . . . . . . . . . . . . . . dd) Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . ee) Geschäftsgrundstücke ff) Gemischt genutzte Grundstücke . . . . . . . . gg) Sonstige bebaute Grundstücke . . . . . . . . c) Übersicht der Bewertungsverfahren . . . . . . . . . d) Vergleichswertverfahren aa) Anwendung des Vergleichswertverfahrens bb) Rückgriff auf Vergleichspreise . . . . . . . . cc) Vergleichsfaktoren . . . e) Ertragswertverfahren aa) Anwendung des Ertragswertverfahrens . . bb) Bodenwertermittlung cc) Berechnung des Gebäudeertragswerts (1) Ermittlung des Rohertrags (§ 186 BewG) . (2) Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG) . . . . (3) Bodenwertverzinsung (4) Vervielfältiger § 185 Abs. 3 BewG i.V.m. Anlage 21 zum BewG f) Sachwertverfahren aa) Anwendung des Sachwertverfahrens . . . . . . bb) Bodenwertermittlung . . . . . . . . . . . . . . .

8.94 8.97 8.113 8.115 8.117 8.118 8.119 8.120 8.121 8.122 8.123 8.130 8.131 8.136 8.143 8.148

8.149 8.163 8.175 8.183 8.189 8.196

Krohn/Engelberth/Möller | 885

Kap. 8 | Bemessungsgrundlage und Bewertung cc) Berechnung des Gebäudesachwerts (1) Regelherstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Baupreisindex . . . . . . . (3) Brutto-Grundfläche . . (4) Alterswertminderung bei Bewertungsstichtagen bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . . (5) Exkurs: Außenanlagen (6) Wertzahl . . . . . . . . . . . 4. Bewertung von Erbbaurechten (§§ 192–193 BewG) a) Anwendungsbereich der Bewertung von Erbbaurechten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . c) Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung von Erbbaugrundstücken (§§ 192–194 BewG) a) Verfahrenshierarchie . . . . b) Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . c) Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . . . . . 6. Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke (§ 195 BewG) a) Definition des Gebäudes auf fremden Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung des Gebäudes auf fremden Grund und Boden für Bewertungsstichtage bis zum 31. Dezember 2022 . . . . . . . . . . . c) Bewertung des belasteten Grundstücks für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 . . . . . . . . . . . . .

886 | Krohn/Engelberth/Möller

8.197 8.202 8.204

8.208 8.217 8.218

8.223 8.228

8.232 8.241 8.242

8.244

8.248

8.250

8.254

7. Bewertung von Grundstücken im Zustand der Bebauung (§ 196 BewG) a) Definition des Grundstücks im Zustand der Bebauung . . . . . . . . . . . . . 8.256 b) Wertermittlung des Grundstücks im Zustand der Bebauung . . . . . . . . . . 8.262 8. Änderungen in der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung durch das JStG 2022 a) Bedeutung für den Steuerpflichtigen . . . . . . . 8.265 b) Grundsatz der Modellkonformität . . . . . . . . . . . . 8.267 c) Anpassungen im Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . 8.269 d) Anpassungen im Sachwertverfahren . . . . . . . . . . 8.278 e) Erbbaurechtsverhältnisse 8.283 f) Gebäude auf fremden Grund und Boden 9. Grenzen der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.284 II. Niedrigere gemeine Werte nach BewG 1. Öffnungsklausel – Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.287 2. Gutachten als Nachweis a) Formelle Qualifikation des Gutachters . . . . . . . . . 8.292 b) Anforderungen an das Gutachten . . . . . . . . . . . . . 8.298 3. Kaufpreis als Nachweis . . . . . . 8.302 4. Verhältnis der Nachweise untereinander . . . . . . . . . . . . . . 8.305 III. Novellierte ImmoWertV 2021 1. Einordnung und Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.313 2. Wesentliche Neuerungen durch die ImmoWertV 2021 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . 8.319 b) Verfahrensauswahl und Verfahrensgrundnorm . . 8.321 c) Grundsatz der Modellkonformität . . . . . . . . . . . . 8.331 d) Erforderliche Daten und ihre Eignung . . . . . . . . . . . 8.336

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.4 Kap. 8 3. Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . 8.342 b) Vergleichswert aa) Konzept und Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.343 bb) Unmittelbares Vergleichswertverfahren . 8.345

cc) Mittelbares Vergleichswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ertragswert . . . . . . . . . . . . d) Sachwert . . . . . . . . . . . . . . . 4. Implikationen für die steuerliche Immobilienbewertung . .

8.352 8.365 8.382 8.395

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage Literatur: Halaczinsky, UVR 2022, 268 und 306; Krohn, AktStR 2023, 127.

I. Einführung in den Regelungsumfang 1. Grundtatbestand „Gegenleistung“ a) Bestimmung der Gegenleistung Das Grunderwerbsteuerrecht kennt zwei Bemessungsgrundlagen:

8.1

– Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG, Regelbemessungsgrundlage) und – Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 GrEStG, Ersatzbemessungsgrundlage). Für die Bestimmung der grunderwerbsteuerrelevanten Gegenleistung ist in zwei Schritten vorzugehen. Zuerst ist dabei der Umfang des Grundstücks i.S.d. GrEStG abzugrenzen, danach ist der Umfang der Gegenleistung für den festgelegten Umfang des Grundstücks zu bestimmen:

8.2

b) Gegenstand des Erwerbs – Grundstückszustand Unter Grundstück i.S.d. GrEStG ist das Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Grundstück im bürgerlichen Rechtssinne ist der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts ohne Rücksicht auf die Art seiner Nutzung unter einer besonderen Nummer eingetragen ist.1 Es umfasst nach §§ 94, 95 BGB auch seine wesentlichen Bestandteile, soweit es sich nicht um Scheinbestandteile handelt.

8.3

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB), die sog. Scheinbestandteile. Die Vorschrift schränkt den Anwendungsbereich des § 94 BGB ein.

8.4

1 Vgl. BFH, Urt. v. 22.7.2010 – IV R 62/07, BFH/NV 2010, 2261 Rz. 29.

Krohn/Engelberth/Möller und Krohn | 887

Kap. 8 Rz. 8.5 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.5 Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein.2 Einem vorübergehenden Zweck steht es weder entgegen, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist3 noch, wenn sie wegen der Art der eingefügten Sachen zwangsläufig zu deren Zerstörung führt. 8.6 Nur was untrennbar mit dem Gebäude verbunden ist, unterliegt der Grunderwerbsteuer. Werden „bewegliche Teile“ wie Küche, Sauna oder auch die Markise im notariellen Kaufvertrag gesondert aufgeführt oder wird für diese Teile ein eigener Vertrag abgeschlossen, unterliegen sie nicht der Grunderwerbsteuer.4 8.7 Bei Grundstücken in der Land- und Forstwirtschaft kommt es für die Einbeziehung des Aufwuchs in die grunderwerbsteuerliche BMG darauf an, ob sie als Scheinbestandteile angesehen werden können. Dabei sind Samen mit dem Aussäen und Pflanzen mit dem Einpflanzen grundsätzlich wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist aber schon Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen, stellt dieser Aufwuchs Scheinbestandteile der Grundstücke dar und das Entgelt für diesen Aufwuchs gehört nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage5. Hier ist anzuraten, schon im Kaufvertrag die Absicht des Veräußerers im Zeitpunkt der Aussaat oder Pflanzung zu dokumentieren. Dieses subjektive Merkmal wird mit der Aufnahme im Kaufvertrag für die FinVerw offengelegt und sollte im Regelfall auch anzuerkennen sein. Außerdem sollte im Kaufvertrag klar geregelt werden, wie hoch der Anteil des Kaufpreises ist, der auf diesen Aufwuchs entfällt. 8.8 Vom Umfang des Grundstücks sind auch die fest mit dem Grundstück verbundenen Bestandteile, der Bewuchs, vor allem aber die Gebäude, miterfasst. Nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen sind jedoch Kaufpreisbestandteile, die auf mitverkaufte bewegliche Gegenstände (Inventar, Mobiliar) entfallen. Auch sonstige bauliche Komponenten, die nicht einen festen Bestandteil des Gebäudes bilden, etwa Solarund Photovoltaikanlagen, können bei getrennter Ausweisung die Grunderwerbsteuer reduzieren. 8.9 Beispiel 1: A erwirbt die Produktionshalle des B inkl. sämtlicher Bestandteile zu einem Gesamtkaufpreis von 1 Mio. Euro. Im notariellen Kaufvertrag wurde zwischen den Vertragsparteien folgende Aufteilung des Gesamtkaufpreises vorgenommen:

2 3 4 5

BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099 Rz. 7. BGH, Urt. v. 16.11.1973 – V ZR 1/72, MDR 1974, 298. FG Köln v. 8.11.2017 – 5 K 2938/16, juris. S. BFH, Urt. v. 25.1.2022 – II R 36/19, BFH/NV 2022, 1397 Nr. 12, zur Grunderwerbsteuer bei Erwerb forstwirtschaftlich genutzter Waldflächen (der BFH führt aus, dass Gehölze Scheinbestandteile sind und damit nicht zur grunderwerbsteuerrelevanten Gegenleistung gehören, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Dazu können auch Forstbäume zählen.).

888 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.14 Kap. 8 Grund und Boden Gebäude Maschinen Photovoltaikanlage Inventar, Mobiliar

200.000 Euro 350.000 Euro 250.000 Euro 100.000 Euro 100.000 Euro

Zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) gehören lediglich 550.000 Euro (Grund und Boden und Gebäude). Dies gilt aber nur, wenn die Aufteilung des Gesamtkaufpreises nicht offensichtlich der allgemeinen Verkehrsanschauung widerspricht.

c) Umfang der Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG Das Zivilrecht bestimmt die Gegenleistung nach dem Verpflichtungsgeschäft und rechnet alle Leistungen dazu, die der Veräußerer vom Erwerber zu fordern berechtigt ist. Beim Kaufvertrag ist dies insbesondere die Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB).

8.10

Gem. § 8 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 9 GrEStG wird die Gegenleistung als eigenständiger grunderwerbsteuerlicher Begriff verstanden. Er reicht über den bürgerlich-rechtlichen Begriff hinaus. Dazu gehört jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt (im weiteren Sinne) gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt (im weiteren Sinne) empfängt. Die Leistung muss für den Erwerb des Grundstücks gewährt/empfangen werden. Leistungen, die nur dem Erwerber zugutekommen, scheiden aus.

8.11

Beispiel 2: A schenkt B das inländische Grundstück X unter dem Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs. Der Schenkungsvertrag unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Der Vorgang ist teilweise steuerbefreit (§ 3 Nr. 2 GrEStG), nur hinsichtlich des Werts der Auflage tritt eine Steuerpflicht ein. Die Auflage stellt zivilrechtlich keine Gegenleistung des B dar. Die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen gehören beim Kauf grunderwerbsteuerlich zur Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dies gilt entsprechend für die hier vorliegende Schenkung.

8.12

Die Gegenleistung kann in Geld oder anderen Leistungen vereinbart sein; eine Gesamtgegenleistung für den Erwerb mehrerer Gegenstände wird aufgeteilt. Eine Umrechnung in Euro ist bei Gegenleistungen in fremden Währungen erforderlich. Besonderheiten gelten für bedingte und befristete Gegenleistungen.

8.13

Maßgebender Zeitpunkt für den Umfang und die Bewertung der Gegenleistung ist der Zeitpunkt, in dem der nach § 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgang i.S.v. § 23 GrEStG verwirklicht wird, spätere Änderungen sind grds. unbeachtlich.6 Dies gilt auch, wenn der Erwerbsvorgang von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, und bei genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen. Im Zeitpunkt dieser Verwirklichung wird die Leistungspflicht für die am Erwerbsvorgang Beteiligten verbindlich.7

8.14

6 BFH v. 12.5.2016 – II R 39/14, BStBl. II 2017, 63. 7 BFH v. 17.4.1991 – II R 119/88, BStBl. II 1991, 586.

Krohn | 889

Kap. 8 Rz. 8.15 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.15 Regelmäßig wird die Gegenleistung in Geld bestehen. Es sind daneben aber auch andere Leistungen denkbar, beispielsweise Übernahme von Verbindlichkeiten, Verpflichtung zur Zahlung von Leib- oder Zeitrenten, Nutzungen, Forderungsverzicht des Erwerbers8, Vorleistung des Kaufpreises9. Auch der Verzicht auf eine Forderung kann als Gegenleistung zu beurteilen sein, wenn dieser zu einer entsprechenden Minderung der vereinbarten Gegenleistung (des Kaufpreises) führt.10 Voraussetzung für die Einbeziehung eines Forderungsverzichts in die Gegenleistung ist allerdings, dass die Forderung tatsächlich bestanden hat. Im Fall des Verzichts des Erwerbers auf eine uneinbringliche oder zweifelhafte Kapitalforderung scheidet daher eine Berücksichtigung dieser Forderung entweder ganz oder teilweise aus.11 8.16 Die anderen Leistungen werden nach den Vorschriften des BewG bewertet (§ 1 BewG). Es gelten die folgenden Bewertungsmaßstäbe: – Leib- und Zeitrenten sowie wiederkehrende Nutzungen werden mit dem Kapitalwert bewertet (§§ 13–15 BewG). Die Begrenzung des Jahreswerts auf den 18,6ten Teil des genutzten Gegenstandes (§ 16 BewG) unterbleibt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 BewG). – Die Bewertung von Grundstücken12, Gewerbebetrieben und nichtnotierten Anteilen an KapGes., die als Gegenleistung für den Erwerb eines Grundstücks geleistet werden, erfolgt mit dem gemeinen Wert, nicht mit den Werten nach dem 2. Teil des BewG (Grundbesitzwerte, etc.).

8.17 Was zur Gegenleistung zählt, richtet sich nach § 9 Abs. 1 GrEStG: – Beim Kaufvertrag gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der zu zahlende Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein; unabhängig vom Erwerbsvorgang ausgetauschte Leistungen, die nur aus Anlass des Erwerbsvorgangs erfolgen, gehören nicht zur Gegenleistung. – Beim Tausch ist es nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Tauschleistung des anderen Vertragsteils einschließlich einer vereinbarten zusätzlichen Leistung. – Beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren ist es gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben.

8 BFH v. 22.10.1986 – II R 125/84, BStBl. II 1987, 180. 9 BFH v. 12.10.1994 – II R 4/91, BStBl. II 1995, 69. 10 BFH v. 10.6.1969 – II 172/64, BStBl. II 1969, 668, und BFH v. 22.10.1986 – II R 125/84, BStBl. II 1987, 180. 11 Vgl. hierzu § 12 Abs. 1 und 2 BewG sowie BFH v. 21.11.2000 – II B 45/99, BFH/NV 2001, 642. 12 BFH v. 18.12.1963 – II 87/60 U, BStBl. III 1964, 102; v. 2.7.1951 – III 21/51 S, BStBl. III 1951, 154.

890 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.21 Kap. 8

– Bei Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot ist es gem. § 9 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG die Übernahme der Verpflichtung aus dem Meistgebot. – Bei der Abtretung des Übereignungsanspruchs ist es gem. § 9 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat. – Bei der Enteignung ist es gem. § 9 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG die Entschädigung. Nach § 9 Abs. 2 GrEStG gehören zur steuerpflichtigen Gegenleistung auch

8.18

– diejenigen Leistungen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, die der Grundstückserwerber dem Veräußerer neben der vereinbarten Gegenleistung gewährt. – die Belastungen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen. – die Leistungen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, die der Erwerber anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Grundstückserwerb verzichten. – diejenigen Leistungen gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG, die ein Dritter dem Veräußerer als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks an den Erwerber gewährt. In diesem Zusammenhang entschied der BFH, dass die Verpflichtung des Grundstückskäufers, dem Mieter eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (sog. Mieterdienstbarkeit) zu bestellen, keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage zur Folge hat.13 Die Grunderwerbsteuer selbst wird der Gegenleistung nicht hinzugerechnet; sie darf aber auch nicht davon abgezogen werden (vgl. § 9 Abs. 3 GrEStG). Es ist deshalb regelmäßig die (ökonomisch sinnvolle) Vereinbarung anzutreffen, dass der Käufer die gesamte Grunderwerbsteuer trägt. Würde die Grunderwerbsteuer nämlich vom Verkäufer getragen und damit quasi in den Kaufpreis eingeschlossen, so würde sich die Grunderwerbsteuerschuld erhöhen.

8.19

Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.14

8.20

Wird dagegen ein Grundstück zur Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung i.S.d. § 27 AktG oder § 5 Abs. 4 GmbHG oder zur Erfüllung einer Beitragsverpflichtung i.S.d. § 706 BGB auf eine PersGes. oder KapGes. übertragen und werden dafür dem Einbringenden Anteile an der übernehmenden Gesellschaft gewährt, stellen diese Anteile keine Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG dar. Vielmehr handelt es sich bei die-

8.21

13 BFH, Urt. v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406. 14 BFH, Urt. v. 6.12.2017 – II R 55/15, BStBl. II 2018, 406 Rz. 10, m.w.N.

Krohn | 891

Kap. 8 Rz. 8.21 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

sem Vorgang um eine Einbringung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich diesen Fällen nach der Ersatzbemessungsgrundlage. d) Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks – Anwendung in Einzelfällen

8.22 Die Gegenleistung muss für den Erwerb des Grundstücks i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts erbracht werden; es muss eine kausale Verbindung bestehen. 8.23 Beispiel 3: A ist Eigentümer des Grundstücks X, das mit einem Geschäftsgebäude bebaut ist. A betreibt im Erdgeschoss eine Apotheke, die Obergeschosse sind an einen Arzt für dessen Praxis vermietet. A verkauft das Grundstück zu einem Kaufpreis von 3.000.000 Euro an B. Von dem Kaufpreis entfällt ein Teilbetrag von 50.000 Euro auf Einbaumöbel im Erdgeschoss. Die Ladeneinrichtung stellt eine Betriebsvorrichtung dar, die nicht zum Grundstück i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts gehört (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG). Die Steuer bemisst sich nach dem Kaufpreis (§ 8 Abs. 1 GrEStG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), allerdings ohne den Anteil, der auf die Ladeneinrichtung entfällt. Denn nur insoweit, i.H.v. 2.950.000 Euro, besteht eine kausale Verbindung des Kaufpreises mit dem Grundstück i.S.d. Grunderwerbsteuerrechts.

8.24 Die Vertragsparteien entscheiden darüber, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück, beispielsweise bebaut oder unbebaut, erworben werden soll. Dies ist maßgeblich für die Bestimmung der Gegenleistung, denn dazu gehören alle Leistungen für den Erwerb des Grundstücks in diesem vertragsmäßig vereinbarten Zustand.15 Dabei muss sich die Bestimmung des Zustands, in dem das Grundstück erworben wird, nicht allein aus dem Kaufvertrag ergeben. 8.25 Beispiel 4: Unternehmer U erwirbt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1.5.2022 vom Bauunternehmer B ein unbebautes Grundstück in einem Industriegelände zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Zuvor hatte B dem U die schlüsselfertige Errichtung eines Fabrikgebäudes auf dem Grundstück für 3 Mio. Euro inkl. MwSt. angeboten. Am 1.6.2022 schließen U und B einen Werkvertrag über die Errichtung des Fabrikgebäudes laut Angebot. Gegenstand des Erwerbs war das Grundstück im bebauten Zustand. In die Bemessungsgrundlage sind sowohl der Erwerb des unbebauten Grundstücks als auch die Bauerrichtungskosten (inkl. MwSt.) einzubeziehen.16

8.26 Die Rechtsprechung17 geht sogar so weit, Leistungen Dritter in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn der Veräußerer des (unbebauten) Grundstücks mit dem Errichter des Gebäudes zusammenwirkt.

15 BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590. 16 Vgl. BFH v. 25.1.2017 – II R 19/15, BStBl. II 2017, 655; v. 3.3.2015 – II R 22/14, BFH/NV 2015, 127; Pahlke7, § 9 GrEStG Rz. 13; Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 50 ff. 17 Vgl. BFH v. 18.9.1985 – II R 168/82, BFH/NV 1986, 698, und BFH v. 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228.

892 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.29 Kap. 8 Beispiel 5: Unternehmer U benötigt ein neues Bürogebäude. Im Internet entdeckt er ein Angebot des Bauunternehmers B, der ein schlüsselfertiges Gebäude auf einem bestimmten Grundstück des Grundstückseigentümers E anbietet. U erwirbt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1.5.2022 von E das unbebaute Grundstück zum Kaufpreis von 1 Mio. Euro. Am 1.6.2022 schließen U und B einen Werkvertrag über die Errichtung des Bürogebäudes.

8.27

Gegenstand des Erwerbs war das mit einem Bürogebäude bebaute Grundstück. E hatte B das Grundstück zur Vermarktung „an die Hand gegeben“. Das reicht für ein Zusammenwirken auf der Veräußererseite nach der Rechtsprechung aus, um die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.18

Dieselbe Problematik stellt sich bei der Einbeziehung von Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Dazu gilt Folgendes:19

8.28

– Wenn auf dem Erwerbsgrundstück im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Erschließungsanlagen bereits vorhanden sind, kann nur das erschlossene Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein. Ein auf die Erschließung entfallender Anteil am Kaufpreis ist selbst dann Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung, wenn er gesondert ausgewiesen wird. – Wenn der Veräußerer sich verpflichtet, dem Erwerber ein erschlossenes Grundstück zu übertragen, ist dieses erschlossene Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs, selbst wenn es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht erschlossen ist. Der Anteil am Kaufpreis, der auf die Erschließung entfällt, gehört grunderwerbsteuerlich zur Gegenleistung. – Anders ist die rechtliche Beurteilung, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht erschlossen ist und der Veräußerer sich verpflichtet, das Grundstück in diesem Zustand zu übertragen. Dies gilt auch, wenn der Erwerber sich gegenüber der Gemeinde oder einem von ihr beauftragten Erschließungsträger zur Zahlung der Erschließungskosten verpflichtet. Die Erschließungskosten erhöhen in diesem Fall nicht die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage.20 Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags noch nicht erschlossen, ist im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln, ob das erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung ist, und zwar nach zivilrechtlichen Maßstäben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehört die Auslegung von Verträgen zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet das Revisionsgericht gem. § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist. Der BFH hat lediglich zu prüfen, ob die 18 Vgl. gleich lautende Erlasse v. 20.9.2017, BStBl. I 2017, 1328 Tz. 3.3; Konrad in Behrens/ Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 54 ff. 19 BFH v. 23.9.2009 – II R 20/08, BStBl. II 2010, 495; v. 21.3.2007 – II R 67/05, BStBl. II 2007, 614; v. 11.2.2004 – II R 31/02, BStBl. II 2004, 521; v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93. 20 BFH v. 28.9.2022 – II R 32/20, BFH/NV 2023, 28, und v. 23.2.2022 – II R 9/21, BFH/NV 2022, 1194.

Krohn | 893

8.29

Kap. 8 Rz. 8.29 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Auslegung durch das Finanzgericht Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt. Es ist also anzuraten, bei einer streitigen Auslegung von Verträgen schon auf Ebene des Finanzgericht sämtliche für die „richtige“ Auslegung des jeweiligen Vertrags relevanten Informationen und Nachweise vorzulegen.

8.30 Ist eine nach öffentlichem Recht erschließungspflichtige Gemeinde selbst der Veräußerer und übernimmt der Erwerber die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück. Das gilt nicht nur, wenn der Erwerber die Erschließungskosten mittels gesonderten Vertrags übernimmt, sondern ebenso, wenn eine solche Vereinbarung in den Kaufvertrag über das Grundstück integriert ist. Sie enthält regelmäßig einen von dem Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks zu trennenden öffentlich-rechtlichen Vertrag.21 8.31 Die Auslegung eines Kaufvertrags ist eine Frage des Einzelfalls. Kriterien dafür, dass nicht ein erschlossenes Grundstück verkauft werden soll, können dabei sein, – im Kaufvertrag wird über die Erschließungskosten, eine selbständige Ablösevereinbarung vereinbart, – im Kaufvertrag werden zwei selbständige Geldforderungen aufgenommen, – zwei unterschiedliche Leistungspflichten des Veräußerers geregelt, – getrennte Fälligkeitsregeln ausgewiesen oder – eine von der Erschließung unabhängige Wirksamkeit des Kaufvertrags vereinbart.

8.32 Bei mit Altlasten kontaminierten Grundstücken muss zunächst entschieden werden, ob das sanierte oder unsanierte Grundstück übertragen werden soll. Der Kaufpreisanteil, der auf die Sanierung entfällt, gehört im zuerst genannten Fall zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Bei der Übertragung eines kontaminierten Grundstücks werden die Parteien die Kontaminierung bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen. Die Kosten der Sanierung erhöhen die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nur, wenn vor Vertragsabschluss eine Sanierungsverfügung an den Veräußerer ergangen ist und der Erwerber diese Verpflichtung übernimmt. Die Sanierungsverpflichtung hat sich erst mit dem Erlass der Sanierungsverfügung konkretisiert.22 8.33 Eigennützige Leistungen des Erwerbers sind keine Gegenleistung. Dies gilt beispielsweise für die Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Bauleistungen auf dem Erwerbsgrundstück oder die Übernahme solcher Verpflichtungen des Veräußerers.23

21 BFH, Urt. v. 28.9.2022 – II R 32/20, BFH/NV 2023, 28. 22 BFH v. 30.3.2009 – II R 62/06, BStBl. II 2009, 854. 23 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199; v. 8.9.2010 – II R 28/09, BStBl. II 2011, 227.

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A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.36 Kap. 8

2. Ersatz-BMG „Grundstückswert“ a) Anwendungsbereich der Ersatz-BMG Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 GrEStG regelt eigentlich die Ausnahme vom Grundsatz des § 8 Abs. 1 GrEStG. Sie hat sich allerdings durch diverse Veränderungen der Vorschrift und Entwicklungen im Umfeld der Grunderwerbsteuer24 zum eigentlichen Regeltatbestand in der Grunderwerbsteuer entwickelt.

8.34

Sie sieht in nunmehr vier bestimmten Fällen eine Bemessung der Steuer nach den Werten i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG25 vor. Diese Werte sind maßgebend,

8.35

Diese Werte sind maßgebend,

8.36

(1) wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist. Die wichtigsten grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgänge ohne Gegenleistung sind die Schenkungen und die Erwerbe im Zusammenhang mit einem Erbfall. Diese sind von der Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 Nr. 2 GrEStG). Es verbleiben daher nur wenige seltene, grunderwerbsteuerlich relevante Fälle, in denen eine Gegenleistung nicht vorhanden ist und daher der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage zur Anwendung kommt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. GrEStG), z.B. unentgeltliche Grundstücksübertragungen von Trägern der öffentlichen Gewalt26, Erwerb durch den Fiskus als Anfallsberechtigten eines Vereins oder einer Stiftung, Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot27, Lotteriege-

24 Einführung der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3a GrEStG. 25 Eingefügt mit Steueränderungsgesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834: „Mit Beschluss des BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 wurde die Heranziehung der §§ 138 ff. BewG zur Bestimmung der Ersatz-BMG als nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für vereinbar erklärt. Das BVerfG begründete seine Auffassung in Übereinstimmung mit der zur Erbschaftsteuer erlassenen Entscheidung insbesondere damit, dass der nach § 8 Abs. 2 GrEStG ermittelte Wert sowohl im Durchschnitt als auch in vielen Einzelfällen, gravierend von der Regelbemessungsgrundlage abweicht, welche meist den gemeinen Wert des Grundstücks widerspiegelt. Diese Abweichung sei jedoch mit dem Grundsatz der Lastengleichheit nicht vereinbar und nicht durch außerfiskalische Lenkungs- oder Förderungsziele bzw. Gründe der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Infolge der Feststellung der Unvereinbarkeit der Vorschriften mit dem Gleichheitssatz hat das BVerfG dem Gesetzgeber aufgetragen, bis zum 30.6.2016 eine Neuregelung rückwirkend zum 1.1.2009 verfassungsgemäß auszugestalten. Für Erwerbsvorgänge bis zum 31.12.2008 soll die Altregelung nach Auffassung des BVerfG hingegen weiterhin Bestand haben. Nach § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG sind die Änderungen in § 8 Abs. 2 GrEStG und in § 17 Abs. 3a GrEStG auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden und werden. § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG stellt sicher, dass eine Änderung der gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlage zuungunsten des Steuerpflichtigen wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht kommt.“ 26 BFH v. 27.11.2013 – II R 11/12, BFH/NV 2014, 579–580. 27 BFH v. 10.7.1974 – II R 12/70, BStBl. II 1974, 772.

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Kap. 8 Rz. 8.36 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

winn, Schadensersatz, ungerechtfertigte Bereicherung, Aufgebotsverfahren (§ 927 BGB). Der Grundbesitzwert bildet auch die Bemessungsgrundlage, wenn eine Gegenleistung nicht ermittelt werden kann (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. GrEStG) (2) bei einer Umwandlung i.S.d. UmwG, bei einer Einbringung sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich ebenfalls nach dem Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) bei – Umwandlungen auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes, – Einbringungen und – anderen Erwerbvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage. Die Regelung dient der Vereinfachung des Gesetzesvollzugs. Die Gegenleistung ist bei diesen Fallgestaltungen aufwendig zu berechnen. Sie besteht in Anteilsrechten, deren Wert geschätzt werden muss. Es werden häufig Sachgesamtheiten übertragen, so dass die Gegenleistung aufgeteilt werden muss. Dies soll dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung erspart bleiben. Die Umwandlung ist ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang. Es handelt sich um den Übergang von Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Ausschluss der Abwicklung auf einen neuen Rechtsträger. Die übertragende Umwandlung – Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung – ist grunderwerbsteuerlich relevant, sofern Grundstücke im Eigentum des übertragenden Rechtsträger stehen. Der Übergang der Grundstücke ist ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Umwandlungen sind insbesondere im bundesgesetzlichen Umwandlungsgesetz, aber auch in Gesetzen der Bundesländer geregelt. Der Grundbesitzwert bildet unabhängig von der gesetzlichen Grundlage die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Eine Einbringung i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG liegt vor bei der Übertragung eines Grundstücks von einem Gesellschafter auf eine KapGes. oder PersGes., und zwar nur28, wenn der Gesellschafter damit – eine Sacheinlageverpflichtung, beispielsweise in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 5 Abs. 4 GmbHG) oder eine Aktiengesellschaft (§ 27 AktG), oder – Beitragspflichten (§ 706 BGB)29 erfüllt.

28 BFH v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. 29 BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329.

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A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.36 Kap. 8

Auch bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ermittelt sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Hierunter fallen nur solche Grundstücksübertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, durch die die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert wird, insbesondere Erhöhung oder Minderung der Beteiligung.30 – Änderung der Beteiligungsverhältnisse, – Kaufvertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, – Auflösung einer Gesellschaft, – Anwachsung bei PersGes., (3) in den Fällen des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt auch ein Wechsel im Gesellschafterbestand einer PersGes., sofern innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Der Gesetzgeber fingiert dann grunderwerbsteuerlich die Übereignung der Grundstücke im Vermögen der Gesellschaft auf eine neue PersGes. (§ 1 Abs. 2a GrEStG). Eine vergleichbare Regelung gilt ab dem 1.7.2021 bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer KapGes. (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Der Erwerbstatbestand setzt voraus, dass sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar ändert. Es müssen 90 % der Anteile der KapGes. auf neue Gesellschafter übergehen. Die Rechtsfolge besteht in der Fiktion eines Rechtsgeschäfts, das auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue KapGes. gerichtet ist. Schließlich sind die Anteilsvereinigung und die Übertragung vereinigter Anteile grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge (§ 1 Abs. 3, 3a GrEStG). Die Anteilsvereinigung ist die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft in einer Hand, die Übertragung vereinigter Anteile die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft. Es wird ein Rechtsträgerwechsel der Grundstücke im Vermögen der Gesellschaft fingiert, und zwar im Falle der Anteilsvereinigung von der Gesellschaft auf den Gesellschafter und im Falle der Übertragung vereinigter Anteile von dem Veräußerer auf den Erwerber. Es liegt für jedes Grundstück im Vermögen der Gesellschaft ein Steuerfall vor. Der Grundbesitzwert bildet die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG). Der Grundbesitzwert wird nicht gekürzt, wenn weniger als 100 % der Anteile an der Gesellschaft übertragen werden. Die Bemessung der Grunderwerbsteuer nach dem Grundbesitzwert verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.31 30 BFH v. 20.2.2019 – II R 28/15, BStBl. II 2019, 555; v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483. 31 BFH v. 18.11.2005 – II B 23/05, BFH/NV 2006, 612–614.

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Kap. 8 Rz. 8.36 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

(4) wenn zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums i.S.d. §§ 2, 20 Abs. 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 verwirklicht wird, der Wert der Gegenleistung geringer ist als der Grundbesitzwert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a ausgelöst hätte. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Rz. 8.65 verwiesen.

8.37 Bei den in § 8 Abs. 2 GrEStG genannten Fällen handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Die Ermittlung des Bedarfswert nach dem BewG ist dabei auf den jeweiligen Besteuerungszeitpunkt, also dem Zeitpunkt der Verwirklichung (§ 23 GrEStG) des grunderwerbsteuerbaren Vorgangs, vorzunehmen. 8.38 Von diesem Grundsatz des Stichtagsprinzip stellt § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG eine Abweichung dar. Hiernach sind nicht die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Verwirklichung, sondern die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend. Dabei verlangt diese Vorschrift eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung des Grundstücks (sog. „Einheitliches Vertragswerk“). Zum einen muss es einen vorgefassten Plan geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten so auf die Bebauung eines Grundstücks festgelegt hat, dass sie sich im Regelfall nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen davon lösen könnte. Zum anderen müssen die Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile wegen dieses Plans die Anteile an der Gesellschaft erworben haben. 8.39 Diese Vorschrift könnte zukünftig durch die Einfügung des neuen Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG (Wechsel des Bestands der Anteilseigner einer grundbesitzenden KapGes.) eine größere Praxisrelevanz erfahren. 8.40 Beispiel 6: Änderung des Anteilseignerbestandes und vorgefasster Plan zur Bebauung A und B gründen zum Erwerb eines unbebauten Grundstücks die AB GmbH. A und B erbringen jeweils eine Einlage i.H.v. 750.000 Euro. Nach Erwerb des Grundstücks durch die AB GmbH wird ein Plan zur Bebauung des Grundstücks erarbeitet. Die hierfür benötigten finanziellen Mittel i.H.v. 20 Mio. Euro sollen im Wege der Kapitalaufstockung durch Beitritt neuer Gesellschafter i.H.v. 10 Mio. Euro und durch Darlehen diverser Banken i.H.v. 10 Mio. Euro eingeworben werden. In der folgenden Zeit treten 18 neue Gesellschafter mit einer Einlage von je 1 Mio. Euro und 1 Gesellschafter mit einer Einlage von 500.000 Euro der KapGes. bei. Die bisherigen Gesellschafter A und B nehmen an der Kapitalerhöhung nicht teil. Mit der Bebauung wird kurze Zeit nach dem letzten Gesellschafterbeitritt und der entsprechenden Darlehenszusage begonnen. In Verhältnis des bisherigen (500.000 Euro) zum neuen Kapital (20,5 Mio. Euro) sind 92,5 % der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 2b GrEStG auf neue Gesellschafter übertragen worden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG richtet sich die Bemessungsgrundlage grundsätzlich nach den gesondert festzustellendem Grundbesitzwert zum Zeitpunkt des letzten Erwerbs der Anteile, der zum Erreichen des gesetzlich notwendigen Quantums von mind. 90 % führt. Al-

898 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.46 Kap. 8 lerdings wird durch den vorliegenden Bebauungsplan für die Ermittlung des Grundstückswerts nach § 151 i.V.m. § 157 BewG abweichend auf den Tag der Fertigstellung des Gebäudes abgestellt. Damit wird der Grundstückswert nach den Grundsätzen der Ermittlung eines bebauten Grundstücks ermittelt und wird im Regelfall weit über den Grundstückswert eines unbebauten Grundstücks liegen.

b) Ermittlung des Grundstückswerts Der Einheitswert bildete bis zum 31.12.1996 die Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.32 Mit Wirkung vom 1.1.1997 wurden für die Erbschaftsteuer und die Grunderwerbsteuer neue Regeln zur Bewertung von Grundstücken eingeführt.33 Es galt nunmehr der Grundbesitzwert, ermittelt gem. §§ 138 ff. BewG i.d.F.d. JStG 1997. Die Regelungen verstoßen gegen den Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), weshalb das Bundesverfassungsgericht34 die Anwendung über den 31.12.2008 hinaus untersagt hat. Sie bleiben darüber hinaus im Rahmen des Vertrauensschutzes (§ 176 AO) von Bedeutung.

8.41

Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wurde § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG geändert. Nunmehr verweist die Vorschrift auf die Regelungen über die Grundbesitzbewertung nach den §§ 151 i.V.m. 157 ff. BewG. Damit wird die vom BVerfG eingeforderte Annäherung der als Ersatzbemessungsgrundlage ermittelten Werte an den gemeinen Wert und damit an die Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG ab dem 1.1.2009 gewährleistet.

8.42

Die Bewertungsregeln differenzieren nach der Vermögensart:

8.43

– land- und forstwirtschaftliches Vermögen, – Grundvermögen. Grundstücke, die einem gewerblichen Betrieb oder der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit dienen, werden wie Grundvermögen bewertet (§ 99 BewG).

8.44

Zu Einzelheiten der Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Grunderwerbsteuer wird auf die Ausführungen in Rz. 8.77 ff. verwiesen.

8.45

3. Asset Deal (Aufteilung Kaufpreis) Ein Asset Deal ist ein „Geschäft über die Abtretung von Vermögenswerten“. Anders als beim Anteilskauf wird hier nicht die gesamte Eigentümerschaft übernommen. Stattdessen kann man bspw. nur eine bestimmte Sparte, eine Immobilie oder Maschinen eines Unternehmens erwerben. Vereinfacht gesagt wird das Unternehmen in seine einzelnen Vermögenswerte aufgespalten, die dann abgetreten werden. Beim Asset Deal ist das Ziel des Käufers also nicht die vollständige Kontrolle, sondern lediglich der Erwerb von besonders attraktiven Vermögenswerten. 32 § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F.v. 17.12.1982, § 10 GrEStG i.d.F.v. 17.12.1982. 33 § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F.d. JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 34 Beschl. v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 1423.

Krohn | 899

8.46

Kap. 8 Rz. 8.47 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.47 Für den Erwerber ist die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises nicht nur für die Grunderwerbsteuer von herausragender Bedeutung. Denn die Aufteilung des Kaufpreises bestimmt im Endergebnis das Abschreibungspotential und damit die steuerliche Geltendmachung des gezahlten Kaufpreises. 8.48 Eine Gesamtgegenleistung für den Erwerb mehrerer Gegenstände wird nach der folgenden Formel aufzuteilen35: Gesamtgegenleistung × gemeiner Wert des Grundstücks (gemeiner Wert der weiteren Gegenstände + gemeiner Wert des Grundstücks)

8.49 Der gemeine Wert orientiert sich am Veräußerungspreis (§ 9 BewG). 8.50 Bei der Veräußerung eines Unternehmens im Ganzen, das der Erwerber fortführt, wird die Gesamtgegenleistung, bestehend aus Kaufpreis und übernommenen Schulden, nach dem Verhältnis der Teilwerte aufgeteilt.36 Der Teilwert ist der Betrag, den der Erwerber im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut angesetzt hat (§ 10 BewG). Dabei wird auch ein etwaiger Firmen-/Geschäftswert berücksichtigt. 8.51 Beispiel 7: A erwirbt die Produktionshalle des B einschließlich sämtlicher Bestandteile zu einem Gesamtkaufpreis von 500.000 Euro. Im notariellen Kaufvertrag wurde zwischen den Vertragsparteien keine Aufteilung des Gesamtkaufpreises vorgenommen. Die Teilwerte der erworbenen Bestandteile stellen sich wie folgt dar: Grund und Boden Gebäude Maschinen

400.000 Euro 400.000 Euro 200.000 Euro

Die Gesamtgegenleistung verteilt sich nach der oben dargestellten Formel wie folgt auf die erworbenen Bestandteile: Grund und Boden Gebäude Maschinen

200.000 Euro (40 %) 200.000 Euro (40 %) 100.000 Euro (20 %)

Zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) gehören lediglich 400.000 Euro (Grund und Boden und Gebäude).

8.52 Eine Gesamtgegenleistung liegt nicht vor, wenn die Parteien für die einzelnen Gegenstände Einzelpreise vereinbart haben. Diese Einzelpreise werden, bis zur Grenze der missbräuchlichen Aufteilung, der Besteuerung zugrunde gelegt.37

35 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162; v. 31.10.1973 – II R 97/66, BStBl. II 1974, 250. 36 BFH v. 22.11.1995 – II R 26/92, BStBl. II 1996, 162. 37 BFH v. 17.6.1998 – II R 35/96, BFH/NV 1998, 1527–1528.

900 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.56 Kap. 8

Es ist zu empfehlen schon im notariellen Vertrag eine Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf die erworbenen Wirtschaftsgüter, wie z.B. Maschinen, Betriebsvorrichtungen, Grund und Boden, Gebäude etc. vorzunehmen. Hierbei können noch die Informationen des Verkäufers berücksichtigt werden, der zumindest einen guten Überblick über die Einzelwerte der veräußerten Assets haben sollte. Man sollte unbedingt darauf achten, dass realistische Preise angesetzt werden. Mit dieser Vorgehensweise ist eine pauschale Aufteilung des Gesamtkaufpreises nach der oben dargestellten Formel nicht mehr geboten. Sollte das Finanzamt im Nachgang einzelne Wertansätze überprüfen und evtl. verwerfen wollen, trifft nunmehr das Finanzamt die Feststellungslast.38

8.53

4. Share Deal Ein Share Deal wird dadurch charakterisiert, dass Anteile („Shares“) einer grundbesitzenden PersGes. oder KapGes. und mithin indirekt auch die von der Gesellschaft gehaltenen Grundstücke an einen Erwerber veräußert werden. Zwar bleibt hier formal der Eigentümer des Grundstückes (die Gesellschaft) unverändert, jedoch werden bestimmte Transaktionen als wirtschaftliche Übertragung des Grundstückes angesehen. Grundsätzlich fällt dabei keine Grunderwerbsteuer an, da die Grundstücke nicht direkt übertragen werden. Das Grunderwerbsteuerrecht hat diverse Regelungen (Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG) geschaffen, um auch in diesen Fällen eine „ungewollte“ grunderwerbsteuerliche Nichterfassung und damit Ungleichbehandlung mit unmittelbaren Grundstückserwerben möglichst zu verhindern.

8.54

Da in diesen Fällen aber keine direkte Gegenleistung für die in der Gesellschaft vorhandenen Grundstücke geleistet wird, hat der Gesetzgeber für all diese Tatbestände die Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnet.

8.55

Beispiel 8: A erwirbt die B GmbH zu einem Kaufpreis von 500.000 Euro. Im notariellen Kaufvertrag wurde aufgenommen, dass die B GmbH über Grundbesitz verfügt. Aus der Bilanz der B GmbH ergeben sich folgende Buchwerte:

8.56

Grund und Boden Gebäude Maschinen

100.000 Euro 200.000 Euro 500.000 Euro

Der Grundstückswert nach dem BewG wurde mit 1,5 Mio. Euro vom zuständigem Finanzamt ermittelt. Der Erwerb der Anteile (100 %) an der B GmbH erfüllt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG. Steuerschuldnerin nach § 13 Nr. 7 GrEStG ist die B GmbH. Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage wird nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ermittelt. Dabei stellt der Grundstückswert nach dem BewG i.H.v. 1,5 Mio. Euro die Ersatzbemessungsgrundlage dar.

38 FG Köln v. 8.11.2017 – 5 K 2938/16, DB 2018, 20 (rkr.).

Krohn | 901

Kap. 8 Rz. 8.56 | Bemessungsgrundlage und Bewertung Die Bilanzansätze und der gezahlte Kaufpreis für die Anteile an der B GmbH sind dabei unbeachtlich.

II. Besondere Konstellationen 1. Symbolischer Kaufpreis

8.57 Die Grunderwerbsteuer bemisst sich auch nach einer vereinbarten Gegenleistung, die zum Verkehrswert des übertragenen Grundstücks außer Verhältnis steht.39 Eine symbolische Gegenleistung, beispielsweise von einem Euro40, kann der Grunderwerbsteuer jedoch nicht zugrunde gelegt werden. Diese liegt vor, wenn sich die vereinbarte Gegenleistung zu dem Wert des übertragenen Grundstücks überhaupt nicht in eine Relation bringen lässt und dadurch den Charakter einer Gegenleistung verliert. Wo die Grenze für diese fehlende Relation liegt, ist aktuell nicht einzuschätzen, da dem BFH bisher keine weiteren Sachverhalte oberhalb einer Gegenleistung von über einem Euro vorgelegt wurden. Nach der hier vertretenden Auffassung kann nicht mehr von einer symbolischen Gegenleistung gesprochen werden, wenn die vereinbarte Gegenleistung 10 % des Verkehrswerts des Grundstücks nicht unterschreitet. 8.58 Der Grundbesitzwert41 bildet in den Fällen der symbolischen Gegenleistung dann die Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG).42 8.59 Eine symbolische Gegenleistung liegt nicht vor, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen sich die Ernsthaftigkeit der vereinbarten Gegenleistung ergeben.43 8.60 Gründe, die für eine ernsthafte Vereinbarung eines Kaufpreises von einem Euro sprechen, können beispielsweise sein44: – hohe Kosten verursachender Gebäudezustand bei mangelnder Gewähr für Beschaffenheit und Verwendbarkeit oder – bei fehlender Gewinn- oder Überschusserwartung negativer oder gegen Null gehender Ertragswert. 2. Erwerb des Grundstücks mit anschließendem Erwerb der Anteile

8.61 Nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören auch Leistungen, die der Veräußerer von einem Dritten als Gegenleistung dafür erhält, dass er dem Erwerber das Grundstück überlässt, zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass Hauptzweck der Leistung des Dritten ist, den Veräußerer zur ÜberBFH v. 12.7.2006 – II R 65/04, BFH/NV 2006, 2128–2129. BFH, Urt. v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268. Vgl. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 157 Abs. 1 – 3 BewG. BFH v. 5.1.2007 – II B 31/06, BFH/NV 2007, 972–974; v. 7.12.1994 – II R 9/92, BStBl. II 1995, 268. 43 BFH v. 2.11.2010 – II B 61/10, BFH/NV 2011, 307–308. 44 So FG Hamburg v. 29.12.2008 – 3 K 128, 08, juris; FG Sachsen v. 22.6.2017, 6 K 1514/15, juris.

39 40 41 42

902 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.65 Kap. 8

lassung des Grundstücks an den Erwerber zu veranlassen. Dabei ist der notwendige finale Bezug zwischen der Leistung des Dritten und der Überlassung des Grundstücks ausschließlich aus der Sicht des Dritten zu beurteilen. Der Dritte kann dabei auch eigene Interessen an der Überlassung des Grundstücks an den bestimmten Erwerber verfolgen.45 Eine Kenntnis des Erwerbers von der Leistung des Dritten ist nicht erforderlich.46 Diese Grundsätze sind auch in den Fällen, in denen eine KapGes. einer Tochterkapitalgesellschaft ein Grundstück zum Bruchteil des Verkehrswerts überträgt, um danach die Anteile an der Tochterkapitalgesellschaft teilweise zu veräußern, ohne dass hier nochmals Grunderwerbsteuer anfällt, anzuwenden. Beläuft sich hier der Kaufpreis der Anteile auch auf den Verkehrswert des Grundstücks, ist dieser mit in die Bemessungsgrundlage der ursprünglichen Veräußerung des Grundstücks an die Tochtergesellschaft einzubeziehen.47

8.62

Die Anwendung dieser Grundsätze auf die folgende Fallkonstellation ist nach der hier vertretenden Auffassung ebenfalls geboten:

8.63

Beispiel 9: Die G GmbH verfügt über Grundbesitz, dessen Verkehrswert sich auf insgesamt 500.000 Euro beläuft. Die Anteile der G GmbH werden zu 100 % von A gehalten, der diese Anteile an B insgesamt veräußern will. Der Kaufpreis für die Anteile soll sich nach ersten Verhandlungen auf 1 Mio. Euro belaufen, dabei wurde der Wert des Grundstücks nicht berücksichtigt. Vor der Veräußerung der Anteile an der G GmbH veräußert die G GmbH das Grundstück für einen Kaufpreis von 100.000 Euro an B, der anschließend die Anteile an der G GmbH zu einem Kaufpreis von 1,4 Mio. Euro erwirbt.

8.64

Der Verkauf des Grundstücks durch die G GmbH an B unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Dabei sind die G GmbH und B nach § 13 Nr. 1 GrEStG als Beteiligte Schuldner der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich nach der Gegenleistung zu bemessen, die sich hier auf insgesamt 500.000 Euro beläuft. Dabei sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 100.000 Euro und nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG 400.000 Euro (Mehrpreis der Anteile an der G GmbH) zu erfassen.

3. Erwerb im Rückwirkungszeitraum Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Im Regelfall entspricht die Gegenleistung dem gemeinen Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Grundstücksübergangs, weil die Vertragsparteien gegenläufige Geschäftsinteressen verfolgen. Bei deutlichen Abweichungen der Gegenleistung von dem gemeinen Wert ergeben sich im Regelfall steuerliche Kompensationsansprüche entweder im Bereich der Schenkungsteuer (natürliche Personen) oder

45 Vgl. BFH v. 18.9.1985 – II R 168/82, BFH/NV 1986, 698; v. 22.10.2003 – II B 158/02, BFH/NV 2004, 228. 46 Vgl. BFH v. 14.7.1965 – II 155/62 U, HFR 1965, 551. 47 Vgl. sinngemäß FG Düsseldorf v. 8.12.2010 – 7 K 3228/09 GE, EFG 2011, 732 und FG Hessen v. 17.6.2020 – 5 K 2191/15, EFG 2020, 1435, anh. BFH Az. II R 19/20.

Krohn | 903

8.65

Kap. 8 Rz. 8.65 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

im Bereich der Körperschaftsteuer durch verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. verdeckte Einlagen.

8.66 Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund eine Gestaltungspraxis identifiziert, die er durch gesetzliche Maßnahmen im GrEStÄndG 202148 unterbinden möchte. Dabei lag den Überlegungen des Fiskus folgende Fallkonstellation zugrunde: 8.67 Beispiel 10: Im Nachgang einer Übertragung von 94,9 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft wird die Gesellschaft mit ertragsteuerlicher Rückwirkung nach §§ 2, 20 Abs. 6, 24 Abs. 4 UmwStG auf den Erwerber des 94,9 %-Anteils verschmolzen. Gleichzeitig werden die Grundstücke im Rückwirkungszeitraum, also zu einem Zeitpunkt zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister, zu einem meist sehr deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis an die übernehmende Gesellschaft verkauft. Da die Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer keine Rückwirkung kennt, und erst mit der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister entsteht, fällt im Rahmen der Umwandlung keine Grunderwerbsteuer mehr an, da die übergehende Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt über keinen Grundbesitz mehr verfügt. Da die Gesellschaftsgrundstücke bereits im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum an die übernehmende Gesellschaft veräußert wurden, liegt zu diesem Zeitpunkt eine Grundstücksveräußerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, bei der sich die Grunderwerbsteuer gem. § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem vereinbarten Kaufpreis bemisst. Eine Besteuerung nach anderen Steuerarten (Schenkung-/Ertragsteuer) erfolgt hier nicht: Eine verdeckte Gewinnausschüttung in Form der verbilligten Übertragung des Grundstücks an die übernehmende Gesellschaft liegt nicht vor, weil Leistungsbeziehungen zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger im Rückwirkungszeitraum für ertragsteuerliche Zwecke nicht berücksichtigt werden. Auch eine schenkungsteuerlich relevante Bereicherung der übernehmenden Gesellschaft ist nicht gegeben, weil der gegenüber dem Kaufpreis erhöhte Grundstückswert durch die Wertminderung der Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft ausgeglichen wird. Der Wert der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft bleibt für die Gesellschafter identisch, sodass auch insoweit keine Bereicherung besteht. Ohne die Veräußerung der Grundstücke im Rückwirkungszeitraum läge aufgrund des Vermögensübergangs im Rahmen der Verschmelzung nach § 20 UmwG ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang vor, dem nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG der Grundbesitzwert zugrunde zu legen ist.

8.68 Diese Gestaltung soll durch eine Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG künftig verhindert werden, wobei sich die Neuregelung auf die Fälle beschränkt, in denen Grundstücke im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum i.S.v. §§ 2, 20 Abs. 6, 24 Abs. 4 UmwStG an den übernehmenden Rechtsträger veräußert werden. Im Ergebnis findet eine Besteuerung des Vorgangs wie bei einem Grundstücksübergang im Rahmen der Umwandlung nach § 20 UmwG statt.49

48 BGBl. I 2021, 986. 49 Nach § 23 Abs. 18 GrEStG ist die Neuregelung erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht werden.

904 | Krohn

A. Ermittlung der Bemessungsgrundlage | Rz. 8.69 Kap. 8 Beispiel 11: G GmbH ist Eigentümerin eines Verwaltungsgebäudes im Wert von 10 Mio. Euro (entspricht hier auch dem Grundbesitzwert). Die G GmbH soll nach den Vorschriften des UmwG und UmwStG rückwirkend zum 31.12.2021 auf M verschmolzen werden. Aufgrund des Vermögensübergangs gem. § 20 UmwG würde ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG erfolgen, weil das Grundstück kraft Gesetzes auf die A GmbH übergehen würde. Der Erwerbsvorgang würde mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der A GmbH erfolgen. Dabei wird der Grundbesitzwert i.H.v. 10 Mio. Euro für das Grundstück als Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG zugrunde gelegt. Die Grunderwerbsteuer beträgt zum Beispiel bei einem Steuersatz von 6,5 % 650.000 Euro. Zur Vermeidung der hohen Belastung mit Grunderwerbsteuer wird das Grundstück im steuerlichen Rückwirkungszeitraum (Zeitraum zwischen steuerlichem Übertragungsstichtag 31.12.2021 und tatsächlicher Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister) durch die G GmbH an die A GmbH mit notariellem Kaufvertrag vom 1.4.2022 verkauft. Dabei wird ein Kaufpreis i.H.v. 1 Mio. Euro für das Grundstück als Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG vereinbart. Die Grunderwerbsteuer beträgt bei einem Steuersatz von 6,5 % 65.000 Euro.

Vorher:

Schritt 1: A

A

100 %

G GmbH

A

100 %

A GmbH

100 %

Schritt 2:

A GmbH Verkauf GrSt

100 %

G GmbH

100 %

A GmbH Verschmelzung

100 %

G GmbH

Abb. 1 Die verbilligte Übertragung des Grundstücks der G GmbH an die A GmbH würde körperschaftsteuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten sein, weil die G GmbH auf eine Vermögensmehrung verzichtet. Aufgrund dieser verdeckten Gewinnausschüttung i.H.v. 9 Mio. Euro würde sich eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Belastung ergeben. Diese verdeckte Gewinnausschüttung wird jedoch durch die ertragsteuerliche Rückwirkung der Verschmelzung auf den steuerlichen Übertragungszeitpunkt körperschaftsteuerlich nicht mehr erfasst, weil Leistungsbeziehungen zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger im Rückwirkungszeitraum für ertragsteuerliche Zwecke nicht berücksichtigt werden. Es liegt ferner keine Bereicherung vor, auf deren Grundlage eine Festsetzung von Schenkungsteuer erfolgen kann. Im Beispiel erhält die A GmbH zwar ein wertvolles Grund-

Krohn | 905

8.69

Kap. 8 Rz. 8.69 | Bemessungsgrundlage und Bewertung stück zu einem geringen Kaufpreis, auf der anderen Seite wird aber der Wert ihrer Beteiligung an der G GmbH entsprechend geringer. Auch die an der A GmbH beteiligte natürliche Person ist nicht bereichert, da der Wert ihrer Beteiligung gleichbleibt. Grunderwerbsteuerlich liegt in der Veräußerung des Grundstücks an die A GmbH am 1.4.2022 ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Steuerschuldnerin für diesen Vorgang sind nach § 13 Nr. 1 GrEStG die Beteiligten, allerdings wird von der FinVerw. grundsätzlich der Erwerber (A GmbH) als Steuerschuldner herangezogen. Grundsätzlich bemisst sich die Bemessungsgrundlage nach der Gegenleistung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, soweit keine symbolische Gegenleistung vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall, da die Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert nicht untergeordnet ist. Da die Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert liegt und der Erwerb des Grundstücks durch den übernehmenden Rechtsträger (A GmbH) im Rahmen der anschließenden Verschmelzung erfolgt, gilt für diesen Erwerb die Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG i.H.v. 10 Mio. Euro. Die darauf entfallende Grunderwerbsteuer beträgt bei einem Steuersatz von 6,5 % 650.000 Euro.

8.70 Die Ausweitung der Ersatzbemessungsgrundlage auf die genannte Gestaltung wird durch entsprechende Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 GrEStG flankiert. Danach sind künftig auch Veräußerungen im ertragsteuerlichen Rückwirkungszeitraum sowie vereinbarte Gegenleistungen, die unterhalb des Grundbesitzwerts liegen, anzuzeigen. Dem Steuerschuldner wird dadurch faktisch die Pflicht zur Ermittlung des Grundbesitzwerts auferlegt. 4. Besonderheiten bei Erbbaurechten

8.71 Das Erbbaurecht ist ein dingliches, grundstücksgleiches Recht. Sein wesentlicher Inhalt ist es, ein Bauwerk auf einem fremden Grundstück zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Mit seiner Bestellung wird das Grundstück rechtlich aufgespalten in das Erbbaurecht einerseits und in das belastete Grundstück andererseits. Das – zu errichtende oder bereits bestehende – Bauwerk ist nun wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts, nicht des belasteten Grundstücks (§ 12 ErbbauRG). 8.72 Das Erbbaurecht ist grunderwerbsteuerlich einem Grundstück gleichgestellt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Dies hat zur Folge, dass Grunderwerbsteuer entsteht, bei – Bestellung, – Übertragung, – Verlängerung, – Aufhebung und vorzeitigem Erlöschen des Erbbaurechts sowie – Heimfall.

8.73 Ein Erbbaurecht wird durch Einigung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erwerber des Erbbaurechts über den Inhalt des Erbbaurechts, die Eintragung der Belastung ins Grundbuch des belasteten Grundstücks und die Anlegung des Erbbaugrundbuchs bestellt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, § 873 BGB). Die Bestellung erfolgt zumeist entgeltlich. Die Gegenleistung kann in einmaligen Leistungen (Kauf906 | Krohn

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.76 Kap. 8

preis) oder wiederkehrenden Leistungen bestehen. Die wiederkehrenden Leistungen werden als Erbbauzins bezeichnet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG). Das Verpflichtungsgeschäft zur Bestellung des Erbbaurechts unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), hilfsweise die Bestellung selbst (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).50 Die Steuer bemisst sich nach der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG), wozu insbesondere der Kapitalwert des Erbbauzinses gehört. Die Übertragung des Erbbaurechts erfolgt durch Einigung des Erbbauberechtigten mit dem Erwerber des Erbbaurechts über den Eintritt des Inhaberwechsels und Eintragung des Inhaberwechsels ins Erbbaugrundbuch (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, § 873 BGB). Die wesentlichen Bestandteile des Erbbaurechts, insbesondere die aufgrund des Erbbaurechts errichteten Bauwerke (§ 12 ErbbauRG), gehen auf den Erwerber über. Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung des Erbbaurechts, regelmäßig Kaufvertrag, unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), hilfsweise die Übertragung selbst (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Die Gegenleistung bildet die Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Der Erwerber übernimmt die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG), deren Kapitalwert in Abhängigkeit von deren Restlaufzeit berechnet wird. Hinzu kommen weitere Aufwendungen, insbesondere das Entgelt für die Bauwerke.

8.74

Die Verlängerung des Erbbaurechts bzw. das dazu verpflichtende Rechtsgeschäft ist ein eigenständiger grunderwerbsteuerlicher Tatbestand (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG).51 Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG), die für die Verlängerung erbracht wird. Das Recht auf den Erbbauzins wird mit dem Kapitalwert angesetzt, wobei der Vervielfältiger entsprechend der Laufzeitverlängerung zur Anwendung kommt. Eine Abzinsung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verlängerungsvertrages unterbleibt.52

8.75

Sind Gesellschaften Inhaber eines Erbbaurechts, dass nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG als fiktives Grundstück gilt, können auch bezogen auf das Erbbaurecht die Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG ausgelöst werden.

8.76

B. Bewertung von Grundstücken Literatur: Ache/Krägenbring/Voß, Die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021) – ein Paradigmenwechsel?, in zfv – Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement 2022, 86–96; Arbeitshilfe zur Anwendung der neuen Grundbesitzbewertung der OFD Nordrhein-Westfalen v. 24.4.2014, OFD NRW 24.4.2014 S 3015-2014/0001St 251; Bischoff, ImmoWertV 2021, Mediengruppe Oberfranken, 2021; Bischoff, Grundstückswertermittlung – Eine Einführung in die Praxis, 2. Aufl. 1996; Bobka, ImmoWertV 2021 – der 50 BFH v. 9.8.1978 – II R 164/73, BStBl. II 1978, 678; v. 21.12.1977 – II R 47/73, BStBl. II 1978, 318; v. 28.11.1967 – II R 37/66, BStBl. II 1968, 223. 51 BFH v. 18.8.1993 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766. 52 FG Münster v. 10.4.2014 – 8 K 3046/11 GrE, EFG 2014, 1220–1221; Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, 16.9.2015, 3-S450.0/93; a.A. Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG Rz. 52.

Krohn und Engelberth/Möller | 907

Kap. 8 Rz. 8.76 | Bemessungsgrundlage und Bewertung Entwurf, in der immobilienbewerter 2020, Heft 5, 3–15; Drießen, Die neue ImmoWertV 2021 (Teil 1), in immobilien & bewerten (ib) 2021, Heft 3, 4–8; Drießen, Die neue ImmoWertV 2021 (Teil 2), in immobilien & bewerten (ib) 2021, Heft 4, 4–9; Drießen, Die neue ImmoWertV 2021 (Teil 3), in immobilien & bewerten (ib) 2022, Heft 1, 4–9; Drießen, Mit der ImmoWertV 2021 ist das Novellierungsvorhaben nicht abgeschlossen, in immobilien wirtschaft 2021, Heft 9, 54–56; Drosdzol, Sachverständige und steuerliche Bewertung; zu den geplanten Änderungen der Bedarfsbewertung, in immobilien & bewerten (ib) 2008, 14–21; Geppert/ Werling, Praxishandbuch Wertermittlung von Immobilieninvestments, 2009; Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, 2022; Kleiber, Immobilienbewertung in der Bundesrepublik Deutschland, in Rehkugler/Francke (Hrsg.), Immobilienmärkte und Immobilienbewertung, 2. Aufl. 2011, S. 259–290; Kleiber, Wertermittlungsverfahren, in Kühnberger/Wilke (Hrsg.), Immobilienbewertung, 2010, S. 11–128; Krause/Grootens, Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grunderwerb-, Erbschaft- und Schenkungsteuer für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009, Grundlagen NWB VAAAE-54625; Leopoldsberger, Grundstückswertermittlung, in Murfeld (Hrsg.), Spezielle Betriebswirtschaftslehre der Immobilienwirtschaft, 2018, S. 1230– 1255; Leopoldsberger/Thomas/Naubereit, Immobilienbewertung, in Schulte (Hrsg.), Immobilienökonomie, Band I: Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl. 2005, S. 453–527; Lorenz, Wahlrecht des Steuerpflichtigen beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts von Grundvermögen nach § 198 BewG, ZEV 2020, 474–478; J. Möller, Novellierte ImmoWertV und der niedrige gemeine Wert, in FS Sigloch zum 65. Geburtstag, 2009, S. 941–970; J. Möller, Immobilie als Unternehmen, 2007; Schaper, Novellierung des Wertermittlungsrechts (ImmoWertV 2021), in Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG) 2022, 3–12; Schaper/Moll-Amrein, Wertermittlungsverfahren, 2016; Schulte/Leopoldsberger, Bewertung von Immobilien, in Drukarczyk/Ernst (Hrsg.), Branchenorientierte Unternehmensbewertung, 2006, S. 429–450; Schlund/Nagel, Novellierung des Wertermittlungsrechts, in NVwZ 2020, 1727–1731; Sommer/ Kröll, Lehrbuch zur Immobilienbewertung, 2022; Sprengnetter/Kierig/Drießen, Das 1x1 der Immobilienbewertung, 2018; Thomas/Brauers/Hocke, Immobilienbewertung, in Rottke/Thomas (Hrsg.), Immobilienwirtschaftslehre – Management, 2017, S. 763–833.

I. Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach dem BewG 1. Einordnung und Bewertungsmaßstab a) Einordnung

8.77 Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist grundsätzlich – insbesondere in den Fällen regulärer Kaufverträge i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung. Sofern eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG), eine Umwandlung auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes, eine Einbringung oder ein anderer Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vorliegt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG) oder ein steuerbarer Tatbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a, 2b, 3 oder 3a GrEStG gegeben ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG), wird die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten i.S.d. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG ermittelt. 8.78 Bildet ein noch zu errichtendes Gebäude den Gegenstand des Erwerbs oder beruht die Steuerbarkeit i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 oder Abs. 2b Satz 1 GrEStG auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung des Grundstücks, ist dessen Wert gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt der Gebäudefertigstellung zu ermitteln. 908 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.83 Kap. 8

Mit Beschlüssen vom 23.6.2015 entschied das BVerfG53, dass die Ermittlung der Bemessungsgrundlage anhand des Bedarfswerts i.S.d. §§ 138 ff. BewG, wie ihn § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG a.F. vorsah, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und rückwirkend ab dem 1.1.2009 nicht mehr anzuwenden sei. Der anhand der Bedarfswertermittlung nach den §§ 138 ff. BewG errechnete Grundbesitzwert lag regelmäßig deutlich unter dem tatsächlichen Verkehrswert und führte insoweit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber den mit dem Kaufpreis angesetzten Grundstücken.54 Die alte Bedarfswertermittlung ist dennoch weiterhin für Grunderwerbsteuerfälle bis zum 31.12.2008 anwendbar. Durch das StÄndG 2015 wurde in § 8 Abs. 2 GrEStG der Verweis auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG aufgenommen, sodass die (regelmäßig höhere) Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grunderwerbssteuer in den zuvor genannten Fällen nach den gleichen Regeln, wie die Bewertung für Erbschaftsteuerzwecke erfolgt und die Bewertung mit dem gemeinen Wert zum Ziel hat.55

8.79

Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit der aktuellen Fassung des § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG und dem Verweis auf die (regelmäßig höheren) Grundbesitzwerte des § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. Betriebsgrundstücke und zum Privatvermögen gehörende Grundstücke sind hingegen gemäß § 157 Abs. 3 i.V.m. §§ 159 und 176 bis 198 BewG zu bewerten. Bebaute Grundstücke werden demnach entweder im Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG), im Ertragswertverfahren (§ 185 BewG) oder im Sachwertverfahren (§ 189 BewG) bewertet.

8.80

Im folgenden Beitrag wird nicht weiter auf die alte Bedarfswertermittlung nach den §§ 138 ff. BewG für Grunderwerbssteuerfälle vor dem 1.1.2009 eingegangen.

8.81

b) Bewertungsmaßstab Das Grundvermögen ist in § 176 BewG definiert. Zum Grundvermögen gehören der Grund und Boden, Gebäude sowie die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, das Erbbaurecht, das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 158 und 159 BewG) oder um Betriebsgrundstücke (§ 99 BewG) handelt.

8.82

Nicht einzubeziehen in das Grundvermögen sind Bodenschätze sowie Maschinen und Betriebsvorrichtungen, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind (§ 176 Abs. 2 BewG).56

8.83

53 BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, veröffentlicht am 17.7.2015 = DStR 2015, 1678. 54 Vgl. Horschitz/Groß/Lahme, Erbschaft- und Schenkungssteuer, Bewertungsrecht, Rz. 4315. 55 Vgl. Horschitz/Groß/Lahme, Erbschaft- und Schenkungssteuer, Bewertungsrecht, Rz. 4444 ff. 56 S. auch gleich lautender Erlass zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 5.6.2013, BStBl. I, 734, Beck’sche Steuererlasse Nr. 200, § 68/1.

Engelberth/Möller | 909

Kap. 8 Rz. 8.84 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.84 Die Zugehörigkeit zu der betreffenden Vermögensart hat erhebliche Bedeutung für die Art und die Methoden der Bewertung.57 8.85 Für das Grundvermögen gilt, dass der jeweiligen Bewertung der gemeine Wert (§ 9 BewG) zu Grunde zu legen ist (§ 177 BewG). Das Bewertungsgesetz gibt typisierte Bewertungsverfahren vor, anhand welcher der gemeine Wert vorrangig zu ermitteln ist. Diese Bewertungsverfahren sind an die von Sachverständigen verwendeten Wertermittlungsverfahren der Wertermittlungsverordnung (WertV) und der Wertermittlungsrichtlinien 2006 (WertR 2006) bzw. der zum 1.7.2010 in Kraft getretenen Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) angelehnt (s. hierzu Rz. 8.313 ff.). Die geänderte ImmoWertV 2021 findet auf Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 in der bis zu diesem Stichtag geltenden typisierten steuerlichen Wertermittlung keine Berücksichtigung. Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2022 vom 16.12.2022 ist eine Anpassung der Vorschriften des BewG hinsichtlich der Grundbesitzbewertungen an die ImmoWertV 2021 erfolgt, welche auf Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 anzuwenden sind (§ 265 Abs. 14 BewG). Die hieraus ergangenen Änderungen sind in den Rz. 8.265 ff. dargestellt. 8.86 Im Rahmen der Grundsteuerreform58 wurde § 177 BewG um Absatz 2 ergänzt, welcher für Bewertungsstichtage ab dem 23.7.2021 Anwendung findet. Danach beträgt die längste Anwendungsdauer für die von den Gutachterausschüssen abgeleiteten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten bei den Bewertungen nach den §§ 182 bis 196 BewG zwei Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem der vom Gutachterausschuss zugrunde gelegte Auswertungszeitraum endet. Soweit sich die maßgeblichen Wertverhältnisse nicht wesentlich geändert haben, können die Daten auch über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre hinaus angewendet werden. 8.87 Über § 198 BewG wird dem Steuerpflichtigen über die sogenannte „Öffnungsklausel“ die Möglichkeit eingeräumt einen niedrigeren, unter dem nach den allgemeinen typisierten Bewertungsverfahren ermittelten Grundbesitzwert, gemeinen Wert nachzuweisen (s. hierzu Rz. 8.287 ff.). 2. Bewertung unbebauter Grundstücke a) Unbebaute Grundstücke

8.88 Ein unbebautes Grundstück ist ein Grundstück, auf welchem sich kein benutzbares Gebäude befindet (§ 178 BewG). Demnach können auch Grundstücke mit einem nicht benutzbaren Gebäude, also trotz Bebauung, zu den unbebauten Grundstücken zählen. Ein Gebäude ist nicht mehr benutzbar, wenn dieses infolge des Verfalls oder der Zerstörung keine benutzbaren Räume mehr vorweisen kann. Von einem Verfall des Gebäudes ist auszugehen, wenn dieser so weit fortgeschritten ist, dass das Gebäude nach objektiven Maßstäben auf Dauer nicht mehr benutzt werden kann. Die Verfallsmerkmale müssen an der Bausubstanz erkennbar sein und das gesamte Gebäude betreffen. Hierzu zählen erhebliche Schäden an den konstruktiven Teilen des Gebäu57 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 176 BewG Rz. 2. 58 Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021 (GrStRefUG), BGBl. I, 2931.

910 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.94 Kap. 8

des und ein Zustand, der aus bauordnungsrechtlicher Sicht zur sofortigen Räumung des Gebäudes führt. Beispiel 12: In einem Mehrfamilienhaus kam es infolge eines durchgeschmorten Kabels zu einem Brand. Die Feuerwehr sperrte zunächst das gesamte Gebäude. Anschließend verfügte die Bauordnungsbehörde den Abriss des Gebäudes.

8.89

Ausschlaggebend ist die dauerhafte nicht Benutzbarkeit. Hingegen wirken sich behebbare Baumängel, Bauschäden sowie ein aufgestauter Instandhaltungs- bzw. Renovierungsbedarf nur vorrübergehend auf die Art und den Umfang der Gebäudenutzung aus und betreffen nicht unmittelbar die Konstruktion.59 Hiervon abzugrenzen sind Gebäude, welche aufgrund von Umbaumaßnahmen vorübergehend nicht benutzbar sind. In diesen Fällen liegen grundsätzlich bebaute Grundstücke vor.60

8.90

Mit Bezugsfertigkeit gilt ein Gebäude als benutzbar (vgl. § 178 Abs. 1 Satz 2 BewG). Dabei ist die Zumutbarkeit der Bezugsfertigkeit nach objektiven Merkmalen zu überprüfen. Davon ist auszugehen, wenn am Bewertungsstichtag alle wesentlichen Bauarbeiten abschlossen, sind. Noch nicht durchgeführte geringfügige Restarbeiten (wie bspw. Malerarbeiten) schließen die Bezugsfertigkeit nicht aus.61

8.91

Ob ein Gebäude bezugsfertig ist, bemisst sich nach dem Zustand des ganzen Gebäudes und nicht nach einzelnen Wohnungen oder Räumen. Die Bewertung von Grundstücken im Zustand der Bebauung richtet sich nach § 196 BewG (s. hierzu Rz. 8.262 ff.).62

8.92

Beispiel 13: In einem Wohnhaus ist die im Erdgeschoss gelegene Wohnung vor dem Bewertungsstichtag bezugsfertig. Die Wohnungen im 1. OG und 2. OG sind erst nach dem Bewertungsstichtag bezugsfertig. Folglich gilt das gesamte Wohnhaus zum Bewertungsstichtag als nicht bezugsfertig.

8.93

b) Bewertungsgrundsätze Der Wert eines unbebauten Grundstücks bestimmt sich nach dem Bodenwert gem. § 179 BewG. Demnach errechnet sich der Grundbesitzwert unbebauter Grundstücke regelmäßig nach der Fläche des Grundstücks und den Bodenrichtwerten i.S.d. § 196 Baugesetzbuchs (BauGB). Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach den Vorgaben des Baugesetzbuchs zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. Bei der Wertermittlung ist der zuletzt vor dem Bewertungsstichtag durch den örtlichen Gutachterausschuss ermittelte Bodenrichtwert anzusetzen.

59 60 61 62

Vgl. R B 178 Abs. 4 ErbStR 2019. Vgl. R B 178 Abs. 4 Satz 8 ff. ErbStR 2019. Vgl. R B 178 Abs. 2 ErbStR 2019. Vgl. R B 178 Abs. 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 911

8.94

Kap. 8 Rz. 8.94 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Bodenrichtwert (ggf. angepasster Bodenwert) × Grundstücksfläche = Bodenwert (§ 179 BewG)

Abb. 2: Bodenwert § 179 BewG

8.95 Durch die geänderte Formulierung des § 179 BewG wurde in Satz 3 hinter dem Wort „zuletzt“ die Wörter „vor dem Bewertungsstichtag“ eingefügt, um deutlich zu machen, dass bei den Wertermittlungen stets der Bodenrichtwert anzusetzen ist, der von den Gutachterausschüssen zuletzt vor dem Bewertungsstichtag zu ermitteln war.63 Es kommt somit nicht darauf an, wann der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert tatsächlich ermittelt, und dem Finanzamt mitgeteilt hat.64 Der 20%ige Abschlag vom Bodenrichtwert, wie er bei der „alten“ Grundbesitzbewertung nach § 145 Abs. 3 BewG a.F. vorgenommen wurde, wurde nicht in die neue Wertermittlung aufgenommen.65 8.96 Dass der Abschlag in der Grundbesitzwertermittlung nach aktuell geltendem Recht entfallen ist, führt in der praktischen Umsetzung dazu, dass wertmindernde sonstige wertbeeinflussende Merkmale in der typisierten Bewertung nicht mehr berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass belastete Grundstücke regelmäßig eine Überbewertung erfahren und eine Berücksichtigung der wertmindernden sonstigen wertbeeinflussenden Merkmale nur noch über die Öffnungsklausel des § 198 BewG gelingt (s. hierzu Rz. 8.287 ff.). c) Bodenrichtwerte

8.97 Bei der Bestimmung des Wertes eines unbebauten Grundstücks ist vom Bodenrichtwert auszugehen (§ 179 Satz 1 BewG). Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich um durchschnittliche Lagewerte, die von den Gutachterausschüssen nach § 196 BauGB

63 Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2021 (GrStRefUG), BGBl. I, 2931. 64 R B 179.2 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019. 65 Vgl. BR-Drucks. 4/08 v. 4.1.2008.

912 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.102 Kap. 8

auf Grundlage von Kaufpreisansammlungen flächendeckend unter Berücksichtigung des unterschiedlichen sogenannten Entwicklungszustands ermittelt werden.66 Die Bodenrichtwerte sind in einem Turnus von maximal zwei Jahren jeweils zum Ende eines Kalenderjahres festzustellen. Zudem hat der Gutachterausschuss seit dem 1.7.2009 zwingend Bodenrichtwertzonen zu bilden (§ 196 Abs. 1 Satz 3 BauGB), mit dem Ziel die punktbezogenen Bodenrichtwerte abzulösen. Die Richtwertzonen umfassen jeweils Gebiete, die nach Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen. Hierbei sind die wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks vom Gutachterausschuss darzustellen. Zu den wertbeeinflussenden Grundstückmerkmalen (Art und Maß der baulichen Nutzung) zählen die Geschossflächenzahl, die Grundstückstiefe und -größe sowie die Unterteilung in erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland.67

8.98

Grundsätzlich gilt es das zu bewertende Grundstück mit den wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks in der jeweiligen Bodenrichtwertzone zu vergleichen. Stimmen die Grundstücksmerkmale überein, ist der Bodenrichtwert anzusetzen. Weichen jedoch die wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks und des zu bewertenden Grundstücks voneinander ab, ist der Bodenrichtwert grundsätzlich nach den Vorgaben des Gutachterausschusses aus dem Bodenrichtwert der jeweiligen Richtwertzone abzuleiten (angepasster Bodenrichtwert).68

8.99

Je nach welchem Grundstücksmerkmal der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert definiert hat, ist der Bodenrichtwert in den abweichenden Fällen wie folgt abzuleiten:

8.100

Weicht die bei dem zu bewertenden Grundstück planungsrechtlich zulässige Geschossflächenzahl von der des Bodenrichtwertgrundstücks ab, ist der Bodenrichtwert nach der folgenden Formel abzuleiten69:

8.101

Umrechnungskoeffizient für die Geschossflächenanzahl des zu bewertenden Grundstücks Umrechnungskoeffizient für die Geschossflächenzahl des Bodenrichtwertgrundstücks

× Bodenrichtwert = Bodenrichtwert/m2

Die Umrechnungskoeffizienten werden von den Gutachterausschüssen zusammen mit den Bodenrichtwerten mitgeteilt. Sollten keine örtlichen Umrechnungskoeffizienten von den Gutachterausschüssen vorliegen, gelten die in H B 179.2 ErbStH genannten Umrechnungskoeffizienten.

66 Vgl. R B 179.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019; s. zum Entwicklungszustand auch R B 179.1 ErbStR 2019 bzw. §§ 5 ff. ImmoWertV. 67 Vgl. R B 179.2 Abs. 1 Satz 5 ff. ErbStR 2019. 68 Vgl. R B 179.2 Abs. 1 Satz 9 ErbStR 2019. 69 Vgl. R B 179.2 Abs. 2 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 913

8.102

Kap. 8 Rz. 8.103 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.103 Beispiel 14: Der zuletzt ermittelte Bodenrichtwert eines Grundstücks beträgt 220 Euro/m2 bei einer Geschossflächenzahl von 0,6. Das zu bewertende Grundstück hat eine zulässige Geschossflächenzahl von 1,2 und eine Grundstücksfläche von 600 m2. Vom örtlichen Gutachterausschuss wurde mitgeteilt das bei einer GFZ von 0,6 der Umrechnungskoeffizient 0,75 beträgt und bei einer GFZ von 1,2 der Umrechnungskoeffizient 1,10 beträgt. Demnach errechnet sich der Bodenrichtwert des zu bewertenden Grundstücks wie folgt:

1,10 0,75

× 220 = 322,67 Euro/m2

Der Bodenwert des Grundstücks beträgt folglich: 322,67 Euro/m2 × 600 m2 = 193.600 Euro

8.104 Sofern die Gutachterausschüsse Umrechnungskoeffizienten in Abhängigkeit der Grundstücksgröße oder Grundstückstiefe vorgeben, so sind diese anzusetzen.70 8.105 Erfolgte die Ermittlung der Bodenrichtwerte in Abhängigkeit der Grundstückstiefe, ist die Grundstücksfläche aufzuteilen. Die Grundstücksfläche ist ihrer Tiefe nach in Zonen zu gliedern, deren Abgrenzung sich nach den Vorgaben des Gutachterausschusses richtet.71 8.106 Wesentliches wertbeeinflussendes Grundstücksmerkmal ist bei baureifem Land der erschließungsbeitragsrechtliche Zustand. Bodenrichtwerte für baureifes Land werden von den Gutachterausschüssen in der Regel für erschließungsbeitragsfreie und kostenerstattungsbeitragsfreie Grundstücke ermittelt. Wurde ein Bodenrichtwert für erschließungsbeitragspflichtiges Bauland festgelegt, so ist dieser Richtwert maßgebend.72 8.107 Sofern das zu bewertende Grundstück Frei- und Verkehrsflächen beinhaltet, ist von dem Bodenrichtwert ein angemessener Abschlag zu machen, vorausgesetzt dieser ist noch nicht in die Ermittlung des Bodenrichtwertes eingeflossen. Der Abschlag ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu bemessen.73 8.108 Die zuvor genannten Wertkorrekturen des Bodenrichtwerts können auch nebeneinander zur Anwendung kommen.74 Weitere wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale wie beispielsweise Ecklage, Zuschnitt, Belästigungen durch Lärm, Staub oder Geruch, Altlasten sowie Außenanlagen bleiben bei der Wertkorrektur des Bodenrichtwertes außer Ansatz.75 8.109 In solchen Fällen sollte dem Steuerpflichtigen regelmäßig dazu geraten werden, einen niedrigeren gemeinen Wert für die wirtschaftliche Einheit des unbebauten Grund-

70 71 72 73 74 75

Vgl. R B 179.2 Abs. 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 179.2 Abs. 4 ErbStR 2019. Vgl. R B 179.2 Abs. 6 ErbStR 2019. Vgl. R B 179.2 Abs. 5 ErbStR 2019. Vgl. hierzu R B 179.2 Abs. 7 ErbStR 2019. R B 179.2 Abs. 8 ErbStR 2019.

914 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.114 Kap. 8

stücks nachzuweisen, da bei der typisierten Bewertung genau diese vermutlich wertmindernden Besonderheiten keine Berücksichtigung finden. Die ermittelten Bodenrichtwerte pro m2 sind auf volle Cent abzurunden und ergeben in Multiplikation mit der Grundstücksfläche den Bodenwert. Der Bodenwert ist auf volle Euro abzurunden.76

8.110

Wenn kein Bodenrichtwert durch den Gutachterausschuss ermittelt wurde, ist der Bodenrichtwert aus vergleichbaren Flächen abzuleiten (§ 179 Satz 4 BewG). Hierbei ist es unerheblich, was die Gründe für die Nichtermittlung waren. Da vorwiegend bei Bauerwartungsland und Rohbauland noch keine Bewertung durch den Gutachterausschuss erfolgt ist, werden die folgenden, aus Vereinfachungsgründen angegebenen, Wertansätze regelmäßig angesetzt:

8.111

1. Bauerwartungsland 25 %, 2. Bruttorohbauland 50 %, 3. Nettorohbauland 75 % des Bodenrichtwerts für vergleichbares erschließungsbeitragsfreies Bauland, sofern hierzu keine Angaben der Gutachterausschüsse vorliegen.77 Die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte können vielfach über das Internet z.B. über die Seite der Gutachterausschüsse, die Plattform BORIS oder das Geoportal abgerufen werden. Die ermittelten Bodenrichtwerte ab dem Stichtag 1.1.2022 sind, dank der Grundsteuerreform, in allen Bundesländern kostenfrei abrufbar.

8.112

3. Bewertung bebauter Grundstücke a) Bebaute Grundstücke Ein bebautes Grundstück ist ein Grundstück, auf dem sich ein benutzbares (s. zur Benutzbarkeit Rz. 8.88 ff.) Gebäude befindet (§ 180 Abs. 1 BewG). Die Benutzbarkeit eines Gebäudes beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Zur wirtschaftlichen Einheit eines bebauten Grundstücks gehören der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör (vgl. hierzu Rz. 8.82 f.).

8.113

Als bebautes Grundstück gilt auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet wurde oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist (§ 180 Abs. 2 BewG; s. hierzu Rz. 8.248 ff.).

8.114

76 Vgl. R B 179.3 Abs. 1 ErbStR 2019. 77 H B 179.3 (2) ErbStH.

Engelberth/Möller | 915

Kap. 8 Rz. 8.115 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

b) Grundstücksarten aa) Überblick

8.115 Bei bebauten Grundstücken richtet sich die Wahl des anzuwendenden Bewertungsverfahrens (s. hierzu Rz. 8.123 ff.) nach der Grundstücksart. Jedes bebaute Grundstück ist einer der insgesamt sechs verschiedenen Grundstücksarten zuzuordnen (§ 181 Abs. 1 BewG). Die Abgrenzung der Grundstücksarten ist nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzfläche vorzunehmen. Maßgebend ist hierbei die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV). Es ist auf die tatsächliche Nutzung zum Bewertungsstichtag abzustellen.78 Es ist stets auf die gesamte wirtschaftliche Einheit zur Feststellung der Grundstücksart abzustellen. Dies gilt auch für Grundstücke, auf welchen sich mehrere Gebäude oder Gebäudeteile unterschiedlicher Bauart und Nutzung befinden.79 8.116 Es wird zwischen den folgenden sechs (bebauten) Grundstücksarten unterschieden: bb) Ein- und Zweifamilienhäuser

8.117 Ein- und Zweifamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die bis zu zwei Wohnungen enthalten und kein Wohnungseigentum ist. Ein Grundstück gilt auch dann als Einoder Zweifamilienhaus, wenn es zu weniger als 50 %, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt wird aber dadurch die Eigenart als Ein- oder Zweifamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 181 Abs. 2 BewG). Dies ist z.B. bei einem Einfamilienhaus eines Konditors der Fall, der im Erdgeschoss seine Verkaufsfläche und Backstube hat. cc) Mietwohngrundstücke

8.118 Mietwohngrundstücke sind Grundstücke, die zu mehr als 80 %, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, Wohnzwecken dienen und keine Ein- und Zweifamilienhäuser oder Wohneigentum sind und demnach mehr als zwei Wohnungen beinhalten (§ 181 Abs. 3 BewG). Mehrfamilienhäuser ab drei Parteien sind typische Mietwohngrundstücke. dd) Wohnungs- und Teileigentum

8.119 Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem das Wohneigentum zählt (§ 181 Abs. 4 BewG). Teileigentum ist das Sondervermögen an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 181 Abs. 5 BewG).

78 Vgl. R B 181.1 Abs. 1 Satz 3 ff. ErbStR 2019. 79 Vgl. R B 181.1 Abs. 2 ErbStR 2019.

916 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.123 Kap. 8

Eine Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist. Hierzu müssen alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sein. Die Wohnung muss baulich von anderen Wohnungen und Räumen getrennt sein und über einen eigenen Zugang erreicht werden können. Die Wohnfläche soll mindestens 20 m2 betragen (§ 181 Abs. 9 BewG). ee) Geschäftsgrundstücke Geschäftsgrundstücke sind Grundstücke, die zu mehr als 80 %, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Teileigentum sind (§ 181 Abs. 6 BewG). Typische Geschäftsgrundstücke sind z.B. Fabriken, Werkstätten, Hotels, Krankenhäuser oder Bankgebäude.

8.120

ff) Gemischt genutzte Grundstücke Gemischt genutzte Grundstücke sind Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen, aber nicht bereits in die Kategorisierung der Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum oder Geschäftsgrundstücke zählen (§ 181 Abs. 7 BewG). Typische gemischt genutzte Grundstücke sind Gebäude deren Wohn- und Nutzfläche zu 50 % betrieblichen Zwecken und zu 50 % Wohnzwecken dient (z.B. Wohn- und Geschäftshaus mit Arztpraxen und Wohnungen).

8.121

Bei der Grundstücksart eines gemischt genutzten Grundstücks sind Nutzflächen, die in einem Nutzungszusammenhang mit Wohnflächen stehen (z.B. Garagen und Kellerräume) nicht in die Ermittlung des Wohn-/Nutzflächen-Verhältnisses einzubeziehen.80 Nebenräume, die nicht zur Wohnfläche, sondern zur Nutzfläche zählen sind in § 2 Abs. 3 Wohnflächenverordnung (WoFIV) aufgeführt und bleiben bei der Wohnflächenermittlung generell unberücksichtigt. Die Abgrenzung von Wohn- und Nutzflächen dient der richtigen Zuordnung der Grundstücksart. gg) Sonstige bebaute Grundstücke Sonstige bebaute Grundstücke sind alle Grundstücke die nicht unter die Nummern 1 bis 5 fallen (§ 181 Abs. 8 BewG). Beispiele hierfür können Club- und Vereinshäuser oder Sportstätten sein.

8.122

c) Übersicht der Bewertungsverfahren Die steuerlich typisierten Regelbewertungsverfahren für die Bewertung von bebauten Grundstücken sind in § 182 BewG aufgelistet und werden anhand der Grundstücksart des zu bewertenden Grundstücks ausgewählt. Diese sind: 80 Vgl. R B 181.1 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 917

8.123

Kap. 8 Rz. 8.123 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

– Vergleichswertverfahren (§ 182 Abs. 2 i.V.m. § 183 BewG; vgl. Rz. 8.130 ff.), – Ertragswertverfahren (§ 182 Abs. 3 i.V.m. §§ 184–188 BewG; vgl. Rz. 8.143 ff.), – Sachwertverfahren (§ 182 Abs. 4 i.V.m. §§ 189–191 BewG; vgl. Rz. 8.189 ff.).

Übersicht der Bewertungsverfahren

Vergleichswertverfahren

Sachwertverfahren

Ertragswertverfahren

Ein- und Zweifamilienhäuser Wohn- und Teileigentum

Sonstige bebaute Grundstücke

Mietwohngrundstücke

wenn kein Vergleichswert vorliegt

Ein- und Zweifamilienhäuser Wohn- und Teileigentum Geschäftsgrundstücke Gemischt genutzte Grundstücke

Geschäftsgrundstücke Gemischt genutzte Grundstücke

wenn keine übliche Miete ermittelbar ist

Abb. 3: Übersicht der Bewertungsverfahren

8.124 Die Festlegung der Grundstücksart nach § 181 BewG lässt keine Verfahrenswahl zu. Es ist für jede Grundstücksart und jeden Umstand ein Verfahren vorgegeben. 8.125 Beispiel 15: Das zu bewertende Grundstück ist mit einem Gebäude bebaut. Im Erdgeschoss befindet sich eine Bäckerei, im ersten Obergeschoss ein Maklerbüro und im zweiten Obergeschoss und Dachgeschoss jeweils zwei Mietwohnungen. Alle Etagen sind gleich groß. Eine übliche Miete konnte nicht ermittelt werden. Grundsätzlich wäre das gemischt genutzte Grundstück im Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG). Da sich aber keine übliche Miete ableiten lässt, kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung (§ 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG).

8.126 Für alle Grundstücksarten gibt es ein vorrangiges Bewertungsverfahren. So sind Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungs- und Teileigentum vorrangig im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Die Bewertung dieser Grundstücksarten erfolgt im dem Vergleichswertverfahren nachrangigen Sachwertverfahren, wenn für die zu bewertenden Grundstücke keine Vergleichswerte vorliegen. Geschäftsgrundstücke und 918 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.131 Kap. 8

gemischt genutzte Grundstücke werden vorrangig im Ertragswertverfahren bewertet, sofern sich für das jeweilige zu bewertende Grundstück eine übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermitteln lässt. Ist dies nicht der Fall, greift auch hier nachrangig das Sachwertverfahren. Die typisierten Bewertungsverfahren (auch Regelbewertungsverfahren genannt) wurden an die Bewertungsverfahren der Sachverständigen nach der WertV und der WertR 2006 abgelehnt, sie sind aber gegenüber den vorgenannten Verfahren deutlich vereinfacht bzw. typisiert worden. Besonderheiten des jeweiligen bebauten Grundstücks bleiben bei der Anwendung der typisierten Verfahren unberücksichtigt.

8.127

Neben den Regelbewertungsverfahren für bebaute Grundstücke bestimmt das Bewertungsgesetz unter Punkt IV. des sechsten Abschnitts weitere Vorschriften für Sonderfälle bzw. Sonderverfahren. Hierzu zählen die Bewertung von Erbbaurechten (§§ 192–193 BewG; vgl. Rz. 8.223 ff.), Erbbaugrundstücken (§§ 192–194 BewG; vgl. Rz. 8.241 ff.), Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke (§ 195 BewG; vgl. Rz. 8.248 ff.) sowie Grundstücken im Zustand der Bebauung (§ 196 BewG; vgl. Rz. 8.256 ff.).

8.128

Im Folgenden werden zunächst die typisierten Regelbesteuerungsverfahren dargestellt. Hierbei ist zu beachten, dass die Ermittlung des Gebäudeertragswerts im Ertragswertverfahren sowie das Sachwertverfahren durch das JStG 2022 vom 16.12.2022 für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 angepasst wurden. An den entsprechenden Stellen wird auf die Rz. 8.265 ff. verwiesen.

8.129

d) Vergleichswertverfahren aa) Anwendung des Vergleichswertverfahrens Das Vergleichswertverfahren ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Wohnungs- und Teileigentum anzuwenden (§ 182 Abs. 2 BewG). Zur Wertermittlung des zuvor genannten Grundbesitzes stehen zwei Verfahren, die Heranziehung von Vergleichspreisen sowie die Anwendung von Vergleichsfaktoren zur Verfügung. Die beiden Verfahren stehen gesetzessystematisch gleichrangig nebeneinander, sodass ein Auswahlermessen besteht.81

8.130

bb) Rückgriff auf Vergleichspreise Bei dem Rückgriff auf Vergleichspreise sind vorrangig Kaufpreise von Grundstücken (Vergleichsgrundstücke) heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (§ 183 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der Vergleichswert wird aus einer ausreichenden Zahl von geeigneten Vergleichspreisen ermittelt.

81 Vgl. R B 183 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 919

8.131

Kap. 8 Rz. 8.132 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.132 Eine hinreichende Übereinstimmung82 liegt vor, wenn die Vergleichsgrundstücke insbesondere hinsichtlich ihrer Lage, ihrer Art und Maß der baulichen Nutzung, ihrer Größe, ihres Erschließungszustands, ihrer Gebäudeart und ihres Alters mit dem zu bewertenden Grundstück weitgehend übereinstimmen bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise berücksichtigt werden können.83 Vorrangig ist auf die für die Grundstückswerte von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise zurückzugreifen. Sollten mehrere Vergleichspreise vorliegen, so ist der Durchschnittswert anzusetzen. Nicht als Vergleichspreise geeignet sind von den Gutachterausschüssen abgeleitete Durchschnittskaufpreise aus einer Vielzahl von Kauffällen einer Grundstückart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher wertbeeinflussender Grundstücksmerkmale. 8.133 Liegen keine Vergleichspreise bei den Gutachterausschüssen vor, kann nachrangig auf die in der Finanzverwaltung vorliegenden Unterlagen zu vergleichbaren Kauffällen zurückgegriffen werden84. 8.134 Bloße Auszüge aus der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses und deren schematische Mittelwertbildung stellen keine geeigneten Vergleichspreise dar.85 8.135 In Anlehnung an die Bewertungssystematik des § 11 Abs. 2 BewG kann ein innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten erzielter Kaufpreis als Vergleichspreis des zu bewertenden Grundstücks angesetzt werden, unter der Voraussetzung, dass zwischenzeitlich keine Änderungen der Wertverhältnisse eingetreten sind und dem Verkauf keine ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse zugrunde gelegen haben.86 cc) Vergleichsfaktoren

8.136 Anstelle von Vergleichspreisen können von den Gutachterausschüssen ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, zur Wertermittlung herangezogen werden (§ 183 Abs. 2 Satz 1 BewG). Vergleichsfaktoren sind geeignet, wenn die Grundstücksmerkmale der ihnen zugrunde liegenden Grundstücke hinreichend mit denen des zu bewertenden Grundstücks übereinstimmt bzw. die Abweichungen in sachgerechter Weise berücksichtigt werden.87 Der Bodenwert ist gesondert zu berücksichtigen, wenn Vergleichsfaktoren verwendet werden, die sich nur auf das Gebäude beziehen (§ 183 Abs. 2 Satz 2 BewG). Der Bodenwert wird nach § 179 BewG ermittelt (vgl. Rz. 8.94 ff.).

82 83 84 85 86 87

Vgl. auch Halaczinsky in Rössler/Troll, § 183 BewG Rz. 2–5. R B 183 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 182 Abs. 2 Satz 7 ErbStR 2019. Vgl. H B 183 (2) „Auszüge aus der Kaufpreissammlung“ ErbStH. Vgl. H B 183 Abs. 2 ErbStH 2019. Vgl. R B 183 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2019.

920 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.141 Kap. 8

Geeignete Bezugseinheiten sind bspw. die Wohnfläche (Gebäudefaktor) oder der erzielbare jährliche Ertrag (Ertragsfaktor). Der Vergleichswert bestimmt sich dann aus der Vervielfachung der Bezugseinheit mit dem Vergleichsfaktor.88

8.137

Es sind die Vergleichsfaktoren anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Weichen die Grundstücksmerkmale der Vergleichsgrundstücke bzw. der den Vergleichsfaktoren zugrunde liegenden Grundstücke von den Grundstücksmerkmalen des zu bewertenden Grundstücks ab, so sind diese Abweichungen durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des Gutachterausschusses zu berücksichtigen.89

8.138

Hat der örtliche Gutachterausschuss Vergleichsfaktoren in Spannen veröffentlicht und dabei Differenzierungsmerkmale ausgewiesen, wird der Bewertung der entsprechend differenzierte Wert aus der Spanne zugrunde gelegt. Weist der Gutachterausschuss keine Differenzierungsmerkmale aus, ist regelmäßig nicht der Mittelwert, sondern der unterste Wert der Spanne anzusetzen.90 In aller Regel dürfte diese Vorgehensweise im Interesse des Steuerpflichtigen sein, da dies der für ihn günstigere Wert sein sollte.

8.139

Beispiel 16: Ein im Jahr 1950 errichtetes freistehendes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 160 m2 liegt im Randgebiet des Kölner Nordens (Stadtbezirk B; Wohnlage einfach). Vom Gutachterausschuss wurden die Vergleichsfaktoren für Einfamilienhäuser (ohne weitere Differenzierungsmerkmale) nur in Stadtbezirke A und B untergliedert. In der Baujahrklasse 1945 bis 1960 werden für Einfamilienhäuser Vergleichsfaktoren je m2 Wohnfläche in einer Spanne von 1.300 Euro bis 1.700 Euro angegeben. Da es an weiteren Differenzierungsmerkmalen mangelt, darf nicht der Mittelwert, sondern nur der unterste Wert der Spanne, also 1.300 Euro pro m2 Wohnfläche berücksichtigt werden. Vergleichswert: 160 m2 × 1.300 Euro = 208.000 Euro

8.140

Stehen vom örtlichen Gutachterausschuss zur Berücksichtigung der Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen der Vergleichsgrundstücke bzw. der den Vergleichsfaktoren zugrunde liegenden Grundstücke und den Grundstücksmerkmalen des zu bewertenden Grundstücks keine Anpassungsfaktoren zur Verfügung, kann eine hinreichende Übereinstimmung i.S.d. § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG noch unterstellt werden, wenn die Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks (z.B. Wohn-/Nutzfläche, Grundstücksgröße, Alter des Gebäudes) um höchstens 20 % vom Vergleichsgrundstück abweichen.91

8.141

88 89 90 91

Vgl. R B 183 Abs. 3 Satz 2 f. ErbStR 2019. R B 183 Abs. 4 Satz 1 ErbStR. Vgl. H B 183 Abs. 3 ErbStH. H B 183 Abs. 4 ErbStH.

Engelberth/Möller | 921

Kap. 8 Rz. 8.141 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Übereinstimmung der wertbeeinflussenden Merkmale von Vergleichsgrundstück und zu bewertendem Grundstück?

Ja

Ansatz der Vergleichspreise bzw. der Vergleichsfaktoren ohne Zu-/Abschlag

Ja

Ansatz der Vergleichspreise bzw. der Vergleichsfaktoren ohne Zu-/Abschlag

Nein Anpassungsfaktoren nach Vorgabe des örtlichen Gutachterausschusses vorhanden? Nein Abweichung der Grundstücksmerkmale des Nein Ansatz der Vergleichspreise bzw. zu bewertenden Grundstücks gegenüber dem -faktoren ohne Zu-/Abschlag, vgl. Vergleichsgrundstück um mehr als 20 %? H B 183 (4) ErbStH Nein Es liegt keine „hinreichende Übereinstimmung“ i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 BewG vor. Ein Vergleichswert kann damit nicht ermittelt werden, d.h., nach § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG ist das Sachwertverfahren anzuwenden.

Abb. 4: Hinreichende Übereinstimmung

8.142 Das Vergleichswertverfahren kommt in der Praxis aufgrund von nicht ermittelten Vergleichspreisen und Vergleichsfaktoren regelmäßig nicht zur Anwendung. Überwiegend in Grundstücksmarktberichten in ländlichen Regionen werden diese Werte mangels ausreichender Datenlage nicht zu finden sein. Häufiger können Vergleichspreise und Vergleichsfaktoren in Großstädten durch eine ausreichende Datenlage abgeleitet werden. e) Ertragswertverfahren aa) Anwendung des Ertragswertverfahrens

8.143 Das Ertragswertverfahren wird bei klassischen Renditeobjekten (Mietwohngrundstücke und Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke) angewandt, bei welchen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt im Vordergrund steht (§ 182 Abs. 3 BewG). 8.144 Das Ertragswertverfahren ist daher regelmäßig für Mietwohngrundstücke sowie Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, anzuwenden. 8.145 Beim Ertragswertverfahren wird der Grundbesitzwert (Ertragswert) aus der Summe von Gebäudewert (Gebäudeertragswert) und Bodenwert ermittelt (§ 184 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BewG). Der Bodenwert ist nach § 179 BewG zu ermittelt (§ 184 Abs. 2 BewG). Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 regelt § 184 Abs. 3 Satz 3 BewG a.F., dass sonstige bauliche Anlagen, insbesondere Außenanlagen, regelmäßig 922 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.147 Kap. 8

mit dem Ertragswert des Gebäudes abgegolten sind. Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 sind bauliche Außenanlagen und sonstige Anlagen mit dem Ertragswert abgegolten (§ 184 Abs. 4 BewG). Insgesamt ist bei einem negativen Gebäudeertragswert mindestens der Bodenwert nach § 179 BewG als Grundbesitzwert anzusetzen (§ 184 Abs. 3 Satz 2 BewG). Folglich werden nur positive Gebäudeertragswerte bei der Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren berücksichtigt.

8.146

Beispiel 17: Nach Anwendung des Ertragswertverfahren ergibt sich ein Gebäudeertragswert i.H.v. 54.000 Euro und ein Bodenwert i.H.v. 300.000 Euro. Der Grundbesitzwert beläuft sich auf 300.000 Euro, da ein negativer Gebäudeertragswert nicht zu berücksichtigen ist, da der Bodenwert den Mindestwert bildet.

8.147

Rohertrag (Jahresmiete bzw. übliche Miete) (§ 185 Absatz 1, § 186 BewG) ./. Bewirtschaftungskosten (§ 185 Absatz 1, § 187 BewG) = Reinertrag des Grundstücks (§ 185 Absatz 1 BewG) ./. Bodenwertverzinsung/Bodenwert × Liegenschaftszinssatz (§ 179, §185 Absatz 2, § 188 BewG) = Bodenrichtwert (ggf. angepasster Bodenwert)

Gebäudereinertrag (≥ 0 Euro) (§ 185 Absatz 2 BewG)

×

×

Grundstücksfläche

Vervielfältiger (§ 185 Absatz 3 BewG)

=

=

Bodenwert (§ 179, § 184 Absatz 2 BewG)

Gebäudeertragswert (§ 185 Absatz 1 bis 3 BewG)

Ertragswert = Grundbesitzwert (§ 184 Absatz 3 BewG)

Abb. 5: Ertragswertverfahren

Engelberth/Möller | 923

Kap. 8 Rz. 8.148 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

bb) Bodenwertermittlung

8.148 Bei der Ermittlung ist vor der Ermittlung des Gebäudeertrags zunächst der Bodenwert zu bestimmen, da der Bodenwert auch im weiteren Ermittlungsschema benötigt wird. Der Bodenwert ermittelt sich nach § 179 i.V.m. § 184 Abs. 2 BewG. Zur Ermittlung des Bodenwerts verweisen wir auf Rz. 8.94 ff. cc) Berechnung des Gebäudeertragswerts (1) Ermittlung des Rohertrags (§ 186 BewG)

8.149 Zur Bestimmung des Gebäudeertragswerts ist zunächst der Rohertrag des Grundstücks zu ermitteln (§§ 185 Abs. 1, 186 BewG). Der Rohertrag ist das Entgelt, das für die Benutzung der bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist (§ 186 Abs. 1 Satz 1 BewG). Bei dem Entgelt handelt es sich um die Sollmiete. Auf die tatsächlich gezahlte Miete kommt es nicht an, sodass bei Mietausfall trotz des geringeren Ertrags eine Bewertung auf der Grundlage der vereinbarten Miete vorzunehmen ist.92 8.150 Zum Entgelt gehören beispielsweise auch93: – Mieteinnahmen für Stellplätze, – Mieteinnahmen für Nebengebäude z.B. Garagen, – Vergütungen für Reklamenutzung sowie dem Aufstellen von Automaten, – Untermietzuschläge, – Vergütungen für Nebenleistungen, die zwar die Raumnutzung betreffen, jedoch nur einzelnen Mietern zu Gute kommen (z.B. zusätzliche Mieteinnahmen für die Verkabelung des Gebäudes zwecks Datenfernübertragung, für den Einbau einer Klimaanlage oder für die Nutzung eines Schwimmbads), – Leistungen des Mieters, die nicht in Geld bestehen, soweit sie nicht gleichzeitig als Betriebskosten zu berücksichtigen wären (z.B. die Übernahme der Grundstücksverwaltung).

8.151 Nicht zum Entgelt gehören hingegen beispielsweise94: – Umlagen, die für die Deckung der Betriebskosten gezahlt werden, – Einnahmen für die Überlassung von Betriebsvorrichtungen oder Einrichtungsgegenständen, – Dienstleistungen, die nicht die Grundstücksnutzung betreffen (Reinigungsdienste), – die Umsatzsteuer. 92 Vgl. R B 186.1 Abs. 1 Satz 5 ff. ErbStR 2019. 93 R B 186.1 Abs. 1 ErbStR 2019. 94 R B 186.1 Abs. 1 ErbStR 2019.

924 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.158 Kap. 8

Die Sollmiete ist grundsätzlich die tatsächliche (vereinbarte) Miete, es sei denn, diese weicht zu mehr als 20 % von der üblichen Miete ab.

8.152

Die übliche Miete ist die Miete, die üblicherweise für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. In die übliche Miete sind Betriebskosten nicht einzubeziehen (§ 186 Abs. 2 BewG). Für Grundstücke oder Grundstücksteile die am Bewertungsstichtag eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind oder zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen worden, ist die übliche Miete anzusetzen.

8.153

Beispiel 18: Das zu bewertende Mietwohngrundstück verfügt über vier gleich große Wohnungen mit einer einheitlichen Ausstattung. Die beiden Wohnungen im Erdgeschoss werden zu einer üblichen Miete von 800 Euro pro Monat vermietet. Die beiden Wohnungen, die im Obergeschoss gelegen sind, werden zum einen von der Eigentümerin selbst und zum anderen von ihrer Enkelin bewohnt. Die Enkelin zahlt eine monatliche Miete i.H.v. 400 Euro.

8.154

Alle Wohnungen sind mit der üblichen Miete von 800 Euro pro Monat in der Bewertung zu berücksichtigen. Die an die Enkelin vermietete Wohnung wird für die Hälfe der üblichen Miete vermietet, sodass die 20 %-Grenze überschritten ist.

Bei der Nutzung durch den Eigentümer ist die übliche Miete nicht nur bei Wohnraum, sondern auch bei gewerblicher oder freiberuflicher Nutzung der Räumlichkeiten anzusetzen. Daher wird ein vom Eigentümer selbst genutztes Bürohaus oder ein selbst genutzter Laden stets mit der üblichen Miete zu bewerten sein.95

8.155

Die übliche Miete kann aus Vergleichsmieten oder aus einem Mietspiegel abgeleitet, mit Hilfe einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) geschätzt oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden.

8.156

Die Ableitung der üblichen Miete aus Vergleichsmieten kommt in Betracht, wenn eine vergleichbare Ausstattung vorliegt. So kann ein Steuerpflichtiger, in dessen Eigentum mehrere Objekte (eigengenutzt und fremdvermietet) stehen, welche in unmittelbarer Nachbarschaft belegen und in ihrer Ausstattung vergleichbar sind als übliche Miete die Vergleichsmieten der vermieteten Objekte ableiten.96

8.157

Liegt ein Mietspiegel vor, kann die übliche Miete aus einem repräsentativen Querschnitt der ortüblichen Entgelte der vergleichbaren Objekte abgeleitet werden. Hierbei ist darauf zu achten, welche Bestandteile in die Ermittlung der ausgewiesenen Entgelte eingeflossen sind. So kann es vorkommen, dass die Betriebskosten mit aufgenommen wurden, welche zur Bestimmung der üblichen Miete aus dem Entgelt aber hinauszurechnen wären.97

8.158

95 R B 186.4 Abs. 2 Satz 1 f. ErbStR 2019. 96 Vgl. R B 186.5 Abs. 2 ErbStR 2019. 97 Vgl. R B 186.5 Abs. 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 925

Kap. 8 Rz. 8.159 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.159 Die übliche Miete kann auch durch den Steuerpflichtigen mittels Mietgutachten nachgewiesen werden. Mietgutachten sind von einem Sachverständigen oder dem zuständigen Gutachterausschuss zu erstellen.98 8.160 Eine vertraglich vereinbarte Miete ist nicht mehr üblich, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne.99 Auf den Mittelwert des Mietspiegels kommt es insoweit nicht an.100 Durch diese Regelung können hochwertige Objekte in besonders guter Lage begünstigt werden. 8.161 Vorbehaltlich des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG ist in den Fällen einer Betriebsaufspaltung von der zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen vertraglich vereinbarten Miete auszugehen. Ist das Grundstück oder ein Teil des Grundstücks zum Bewertungsstichtag nicht vermietet ist die übliche Miete anzusetzen.101 8.162 Beispiel 19: Die ABC OHG ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks, welches sie an die ABC GmbH zur Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit für 25 Euro pro m2 vermietet. Zwischen der ABC OHG und der ABC GmbH liegt unstreitig eine Betriebsaufspaltung aufgrund von personeller und sachlicher Verflechtung vor. Die übliche Miete beträgt 15 Euro pro m2. Da die tatsächliche Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht, ist die übliche Miete anzusetzen.

(2) Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG)

8.163 Von dem zuvor ermittelten Rohertrag des Grundstücks sind die Bewirtschaftungskosten in Abzug zu bringen. Ergebnis ist der Reinertrag des Grundstücks. 8.164 Die Bewirtschaftungskosten sind die bei gewöhnlicher Bewirtschaftung nachhaltig entstehenden Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten und das Mietausfallwagnis (§ 187 Abs. 1 BewG). Nicht zu den Bewirtschaftungskosten zählen durch Umlagen oder sonstige Kostenübernahmen gedeckte Kosten sowie Zinsen für Hypothekendarlehen und Grundschulden. 8.165 Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 sind vorrangig die Bewirtschaftungskosten nach von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Erfahrungssätzen anzusetzen. Die tatsächlich gezahlten Kosten sind nicht zu berücksichtigen (§ 187 Abs. 2 Satz 1 BewG a.F.). Sofern keine (brauchbaren) Erfahrungssätze vorliegen, sind die pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum BewG a.F. anzusetzen. 8.166 Zur Ableitung der pauschalierten Bewirtschaftungskosten kommt die Grundstücksart und die Restnutzungsdauer des zu bewertenden Grundstücks zur Anwen98 Vgl. R B 186.5 Abs. 5 ErbStR 2019. 99 BFH, Urt. v. 5.12.2019 – II R 41/16, BStBl. II 2020, 741. 100 BFH, Urt. v. 5.12.2019 – II R 41/16, BStBl. II 2020, 741; vgl. R H 186.5 „Mietspiegel“ ErbStH. 101 Vgl. R B 186.1 Abs. 2 ErbStR 2019.

926 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.170 Kap. 8

dung. Die Restnutzungsdauer ist durch eine Mindest-Restnutzungsdauer gedeckelt, welche regelmäßig mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer beträgt.102 Beispiel 20: Bei einem Mietwohngrundstück beträgt die Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 zum BewG in der für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung 70 Jahre. Folglich beträgt die Mindest-Restnutzungsdauer 21 Jahre (30 % von 70 Jahren), sodass die pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum BewG in der für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung mit einer Restnutzungsdauer kleiner 20 Jahre (BWK 29 % bzw. 26 %) grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen.

8.167

Der Abzug der Bewirtschaftungskosten ist folglich begrenzt. Diese Regelung ist insbesondere bei älteren Gebäuden mit regelmäßig steigenden Instandhaltungsaufwendungen kritisch zu betrachten.

8.168

In der Praxis wird regelmäßig für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 auf die pauschalisierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum BewG zurückzugreifen sein, da die Gutachterausschüsse nur in wenigen Fällen Erfahrungswerte für Bewirtschaftungskosten benannt haben.

8.169

Mit dem JStG 2022 vom 16.12.2022 wurden die Bewirtschaftungskosten nach § 187 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 überarbeitet. Hierzu verweisen wir auf Rz. 8.269 ff.

8.170

Restnutzungsdauer Die Restnutzungsdauer ermittelt sich aus dem Unterschied zwischen der typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, welche sich aus Anlage 22 zum BewG ableiten lässt, und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag. Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer richtet sich nach der Grundstücksart i.S.d. § 181 BewG. Sollte die zu bewertende Gebäudeart nicht aufgeführt sein, so ist die Gesamtnutzungsdauer anhand von vergleichbaren Gebäudearten abzuleiten.103 Bei der wirtschaftlichen Einheit eines Mietwohngrundstücks oder gemischt genutzten Grundstücks bestimmt sich die Gesamtnutzungsdauer allein nach der Grundstücksart. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Gebäude enthaltene Räume für Zwecke genutzt werden, die eine andere wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer haben (bspw. ein Mietwohngrundstück mit enthaltenen Räumlichkeiten für Verkaufsräume oder Büros). Bei der wirtschaftlichen Einheit eines Geschäftsgrundstücks ist die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer der Gebäudeklasse anzunehmen, die dem durch die Hauptnutzung des Gebäudes bestimmten Gesamtgepräge des Gebäudes entspricht. Dies gilt unabhängig davon, ob im Gebäude enthaltene Räume für Zwecke genutzt werden, für die eine abweichende wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer anzunehmen wäre.104 102 Vgl. R B 187 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2019; § 185 Abs. 3 Satz 5 BewG. 103 Vgl. R B 185.3 Abs. 2 ErbStR 2019. 104 Vgl. R B 185.3 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 bis Nr. 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 927

Kap. 8 Rz. 8.170 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Ein Bankgebäude mit einer zu Wohnzwecken vermieteten Wohnung bleibt in der Hauptnutzung ein Bankgebäude, sodass die Gesamtnutzungsdauer eines Bankgebäudes zum Ansatz kommt. Für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gilt, dass von einer Verlängerung oder Verkürzung der entsprechenden Restnutzungsdauer auszugehen ist, wenn nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten sind, die die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes verlängert oder verkürzt haben (§ 185 Abs. 3 Satz 4 BewG a.F.). Nach den Anpassungen durch das JStG 2022 vom 16.12.2022 spricht das Gesetz in § 185 Abs. 3 Satz 5 BewG nur noch von Veränderungen, welche zu einer Verlängerung der Restnutzungsdauer führen. Hierzu verweisen wir auf Rz. 8.276.

8.171 Verlängerung der Restnutzungsdauer Um eine Verlängerung der Restnutzungsdauer bei der typisierten Bewertung anzunehmen, müssen durchgreifende Modernisierungen in den letzten zehn Jahren vorgenommen worden sein. Diese werden anhand eines Punktesystems in überwiegende oder umfassende Modernisierungen eingeteilt. Die durchgeführten Modernisierungsarbeiten sind hinsichtlich der überwiegenden Erneuerung bzw. Verbesserung der jeweiligen einzelnen Bauteile zu bewerten. Die hierauf entfallenden Punkte sind entweder insgesamt oder gar nicht anzusetzen. Die verlängerte Restnutzungsdauer ergibt sich sodann aus den unter R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 abgebildeten Tabellen.105 Ab 14 Punkten verlängert sich die Restnutzungsdauer, da von einer überwiegenden Modernisierung ausgegangen werden kann. Ab 18 Punkten verlängert sich die Restnutzungsdauer, weil das Gebäude als umfassend modernisiert gilt.

8.172 Beispiel 21: Bewertungsstichtag ist der 31.12.2022. Ein Mietwohnhaus wurde im Jahr 1982 fertiggestellt und hat eine Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren. Zum Bewertungsstichtag hat es eine Restnutzungsdauer von 30 Jahren, es wurden aber die folgenden Modernisierungen durchgeführt: Modernisierung der Strom, Wasser und Gasleitungen, der Heizungsanlage, der Bäder und des Innenausbaus sowie der Wärmedämmung der Außenwände. Durch neue Wände wurde eine wesentliche Verbesserung der Grundrissgestaltung erzielt. Nach Tabelle 1 unter R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 werden den Modernisierungsmaßnahmen 14 Punkte zugewiesen. Es liegt eine überwiegende Modernisierung vor. Die neue Restnutzungsdauer steigt nach Tabelle 2 nach R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 von 30 auf 49 Jahre. Abwandlung: Wie zuvor. Darüber hinaus wird das Dach erneuert und dadurch eine bessere Wärmedämmung erzielt. Fester und Außentüren werden ebenfalls modernisiert. Nach Tabelle 1 unter R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 werden den Modernisierungsmaßnahmen 20 Punkte zugewiesen. Es liegt eine umfassende Modernisierung vor. Die neue Restnutzungsdauer steigt nach Tabelle 2 nach R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 von 30 auf 55 Jahre.

105 Vgl. R B 185.3 Abs. 4 Tabellen 1 bis 6 ErbStR 2019.

928 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.177 Kap. 8

8.173

Verkürzung der Restnutzungsdauer Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei einer vertraglich bestehenden und hinreichend konkreten Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten können im typisierten Ertragswertverfahren nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer führen.106 Sollten solche wertmindernden Gegebenheiten vorliegen, ist dem Steuerpflichtigen regelmäßig damit geraten die Möglichkeit des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts für die gesamte wirtschaftliche Einheit in Anspruch zu nehmen. Restnutzungsdauer bei mehreren selbstständigen Gebäuden bzw. Gebäudeteilen

8.174

Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus mehreren Gebäuden oder Gebäudeteilen, mit einer baulichen Selbstständigkeit, welche verschiedene Bauarten aufweisen, unterschiedlich genutzt werden oder in verschiedenen Jahren bezugsfertig geworden sind und sich daraus unterschiedliche Restnutzungsdauern ergeben, ist für das Grundstück die gewogene Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung der jeweiligen Roherträge zu ermitteln. Können die auf die selbstständigen Gebäude bzw. Gebäudeteile entfallenden Roherträge nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand ermittelt werden, bestehen keine Bedenken die gewichtete Restnutzungsdauer anhand der Wohn- und Nutzflächen zu bestimmen. Die ermittelte gewogene Restnutzungsdauer ist auf volle Jahre abzurunden.107 (3) Bodenwertverzinsung Der Reinertrag des Grundstücks ist, um den Betrag zu mindern, der sich durch eine angemessene Verzinsung des Bodenwerts ergibt. Ergebnis ist der Gebäudereinertrag (§ 185 Abs. 2 Satz 1 BewG).

8.175

Die Verzinsung des Bodenwerts ergibt sich aus der Multiplikation des Bodenwerts mit dem Liegenschaftszinssatz. Der Reinertrag eines bebauten Grundstücks stellt somit die Verzinsung sowohl des Grund und Bodens als auch für die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude dar. Da das Gebäude anders als das Grundstück einer Abnutzung unterliegt, ist der Reinertrag in Verzinsungsanteile des Grund und Boden und des Gebäudes aufzuspalten. Der Reinertragsanteil des Grund und Bodens ist im Ertragswertverfahren durch den Ansatz des Bodenwerts nach § 179 BewG bereits erfasst. Der Reinertragsanteil des Gebäudes wird als Zeitrente über die Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisiert.108

8.176

Der angemessene und nutzungstypische Liegenschaftszinssatz ist der Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst wird (vgl. § 188 Abs. 1 BewG). Als Liegenschaftszinssatz sind vorrangig die örtlichen Liegenschaftszinssätze anzusetzen, die durch den jeweiligen Gutachterausschuss er-

8.177

106 Vgl. R B 185.3 Abs. 5 ErbStR 2019. 107 Vgl. R B 185.4 ErbStR 2019. 108 Vgl. R B 185.1 Abs. 1 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 929

Kap. 8 Rz. 8.177 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

mittelt worden sind (§ 188 Abs. 2 Satz 1 BewG). Üblicherweise veröffentlichen die Gutachterausschüsse die Liegenschaftszinssätze in den Grundstücksmarktberichten. Durch den Gutachterausschuss ermittelte örtliche Liegenschaftszinssätze sind für die Bewertung von Grundstücken geeignet, wenn der Gutachterausschuss bei der Ermittlung die an ihn gerichteten Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen eingehalten und die Liegenschaftszinssätze für einen Zeitraum berechnet hat, der den Bewertungsstichtag umfasst. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung nicht an.109 Bei den Wertermittlungen sind stets die Liegenschaftszinssätze anzuwenden, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.

8.178 Stehen zum Zeitpunkt der Feststellung des Grundbesitzwerts keine geeigneten Liegenschaftszinssätze des Gutachterausschusses zur Verfügung, sind nachrangig die in § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 BewG genannten Liegenschaftszinssätze anzusetzen. 8.179 Liegenschaftszinssätze in Wertspannen In den Fällen, in denen von den Gutachterausschüssen Liegenschaftszinssätze in Wertspannen angeben wurden, benennen die ErbSt-Hinweise110 Vereinfachungsregeln, welche ohne Bedenken angewendet werden können. Bevor diese Vereinfachungsregeln in die Hinweise aufgenommen wurden, war der für das zu bewertende Grundstück anzuwendende Liegenschaftszinssatz vom zuständigen Finanzamt beim örtlichen Gutachterausschuss zu erfragen. Liegt der gesetzliche Liegenschaftszinssatz nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 BewG innerhalb der vom Gutachterausschuss angegebenen Spanne, ist der gesetzliche Liegenschaftszinssatz der Grundbesitzbewertung zugrunde zu legen.111 Liegt der gesetzliche Zinssatz außerhalb der Spanne, ist der Liegenschaftszinssatz innerhalb der Spanne zu wählen, der dem gesetzlichen Liegenschaftszinssatz am nächsten liegt. Dies ist der obere oder untere Grenzwert der Spanne.112 Nach der Arbeitshilfe zur Anwendung der neuen Grundbesitzbewertung der OFD NRW kann der Steuerpflichtige vortragen, dass der Liegenschaftszinssatz für das zu bewertende Grundstück, von dem auf Grundlage der vorgenannten Vereinfachungsregeln angewendeten Liegenschaftszinssatz abweicht, indem er dies durch eine schriftliche Bestätigung des Gutachterausschusses nachweist. Demnach handelt es sich insoweit um eine Konkretisierung des nach § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG vorrangig anzusetzenden Liegenschaftszinssatzes des Gutachterausschusses. Dieser Liegenschaftszinssatz ist somit zu berücksichtigen.113 109 110 111 112 113

Vgl. BFH, Urt. v. 18.9.2019 – II R 13/16, BStBl. II 2020, 760. H B 188 Abs. 2 ErbStH 2019. H B 188 Abs. 2 Nr. 1 ErbStH 2019. H B 188 Abs. 2 Nr. 2 ErbStH 2019. Arbeitshilfe zur Anwendung der neuen Grundbesitzbewertung der OFD NordrheinWestfalen v. 24.4.2014, Nr. 6.

930 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.181 Kap. 8

Kein Liegenschaftszinssatz in Spannen liegt vor, wenn der Gutachterausschuss den Liegenschaftszinssatz als festen Wert vorgibt und zusätzlich nach oben und nach unten eine Standardabweichung benennt. In diesem Fall ist als Liegenschaftszinssatz der vorgegebene feste Wert anzusetzen.114 Der Ansatz des zutreffenden Liegenschaftszinssatzes ist für den Grundbesitzwert (Ertragswert) von größer Bedeutung. Durch den Ansatz eines zu geringen Liegenschaftszinssatzes steigt der Grundbesitzwert. Generell gilt, umso höher der Liegenschaftszins umso geringer der Grundbesitzwert. Beispiel 22: Bei einem Mietwohngrundstück mit einer Grundstücksfläche von 600 m2 und üblichen jährlichen Mieteinnahmen von 36.000 Euro, einer Restnutzungsdauer von 50 Jahren und pauschalierten Bewirtschaftungskosten von 23 % der Jahresmiete ergeben sich die folgenden Ertragswerte in Anhängigkeit des Liegenschaftszinses:

8.180

Liegenschaftszins 4,0 % = Ertragswert in Höhe von 614.060 Euro Liegenschaftszins 3,5 % = Ertragswert in Höhe von 673.825 Euro Liegenschaftszins 3,0 % = Ertragswert in Höhe von 743.339 Euro Bei einem um 0,5 % geringeren Liegenschaftszinssatz steigt der Ertragswert um knapp 10 %.

8.181

Liegenschaftszinssatz bei übergroßen Grundstücken Ist das zu bewertende Grundstück wesentlich größer, als es einer der aufstehenden Gebäude angemessenen Nutzung entspricht, und ist eine zusätzliche Nutzung oder Verwertung einer Teilfläche zulässig und möglich, ist bei der Berechnung des Verzinsungsbedarfs der Bodenwert dieser Teilfläche nicht zu berücksichtigen (§ 185 Abs. 2 Satz 3 BewG). Dem folgend ist bei der Ermittlung des Betrags der Bodenwertverzinsung nur die der jeweiligen Bebauung zurechenbare Grundstücksfläche anzusetzen. Diese zurechenbare Grundstücksfläche ist regelmäßig die bebaute Fläche einschließlich sogenannter Umgriffsflächen. Es ist nicht entscheidend, ob die selbstständig nutzbaren Teilflächen einer baulichen Nutzung unterliegen. Vielmehr muss der selbstständig nutzbaren Teilfläche eine sinnvolle Nutzung zukommen (Lagerfläche, Abstellfläche, Gartenfläche, Schrebergarten usw.). Neben der sinnvollen Nutzung ist es erforderlich, dass diese Nutzung auf einer hinreichend großen und gestaltbaren Teilfläche möglich sein muss.115 Bei übergroßen Grundstücken fallen der Gebäudeertragswert und Grundbesitzwert entsprechend höher als bei einer Verzinsung des gesamten Grund und Bodens aus. Diese Tatsache ist auch verständlich, da ein fiktiver Mieter nur bereit sein wird eine angemessene Miete für das Gebäude bzw. den bebauten Grund zu zahlen. In der Regel wird daher im Entgelt (Rohertrag) nur der für die Bebauung erforderliche Grund und Boden erfasst sein, sodass der Rohertrag entsprechend nur um die Bodenwertverzinsung für den Grund und Boden bereinigt werden darf, auf den auch ein Teil 114 H B 188 „Liegenschaftszinssatz in Spannen“ ErbStH 2019. 115 Vgl. R B 185.1 Abs. 3 Satz 2 ff. ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 931

Kap. 8 Rz. 8.181 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

der Miete entfällt. Im Ergebnis wird die selbstständig verwertbare Teilfläche durch den vollen Ansatz beim Bodenwert als zusätzliches unbebautes Grundstück bewertet.

8.182 Beispiel 23:

Gebäude

Straße

Grundstück A

Teilfläche 1

Teilfläche 2

Abb. 6: Teilflächen Für das Ertragswertobjekt auf dem Grundstück A ist lediglich die Teilfläche 1 für den zu erzielenden Ertrag notwendig. Die Teilfläche 2 ist selbstständig nutzbar. Eine sofortige Parzellierung der beiden Teilflächen ist nicht möglich, so dass das Grundstück A eine wirtschaftliche Einheit bildet. Bei der Berechnung des Betrags der Bodenwertverzinsung ist ausschließlich die Teilfläche 1 zu berücksichtigen. Bei der Bodenwertermittlung sind dagegen beide Teilflächen anzusetzen.116

(4) Vervielfältiger § 185 Abs. 3 BewG i.V.m. Anlage 21 zum BewG

8.183 Der Vervielfältiger, mit welchem der Gebäudereinertrag kapitalisiert wird, bestimmt sich aus dem Liegenschaftszinssatz und der Restnutzungsdauer.117 Aus der Kapitalisierung des Gebäudereinertrags mit dem Vervielfältiger ergibt sich der Gebäudeertragswert. 8.184 Die Vervielfältiger sowie die Formel zur Berechnung des Vervielfältigers ist der Anlage 21 zum BewG zu entnehmen. Die Formel kommt in den Fällen zur Anwendung, in denen von den in der Tabelle aufgeführten Liegenschaftszinssätzen abweichende Liegenschaftszinssätze durch die Gutachterausschüsse ermittelt wurden. Mathematisch 116 Vgl. H B 185.1 Abs. 3 ErbStH 2019. 117 Vgl. R B 185.2 Satz 1 ErbStR 2019.

932 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.191 Kap. 8

handelt es sich um einen Zeitrentenbarwertfaktor mit jährlich nachschüssig zahlbaren Renten. Mit dem Gebäudeertragswert sind sonstige bauliche Anlagen, insbesondere die Außenanlagen, regelmäßig abgegolten und daher nicht gesondert zu erfassen (§ 184 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F.). Die baulichen Anlagen dürften regelmäßig über das Entgelt (Miete) Berücksichtigung gefunden haben, sodass ein zusätzlicher Ansatz nicht nötig erscheint bzw. zu einer doppelten Erfassung führen würde.

8.185

Der anzuwendende Vervielfältiger ergibt sich in Abhängigkeit der Restnutzungsdauer des Gebäudes und des Liegenschaftszinssatzes, sodass die Alterswertminderung in dem Vervielfältiger berücksichtigt wird.

8.186

Beispiel 24: Bewertungsstichtag ist der 31.12.2022. Ein Mehrfamilienhaus hat eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren. Im Jahr 2016 hatte es noch eine Restnutzungsdauer von 60 Jahren. Der von dem zuständigen Gutachterausschuss ermittelte Liegenschaftszinssatz beträgt 3 %.

8.187

Für die Ermittlung im Jahr 2016 wäre der Anlage 21 zum BewG ein Vervielfältiger i.H.v. 27,68 zu entnehmen. Im Jahr 2018 und mit einer Restnutzungsdauer von dann 58 Jahren und gleichem Liegenschaftszinssatz von 3 % sinkt der Vervielfältiger nach Anlage 21 zum BewG auf 27,33.

Der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Grundbesitzwert setzt sich aus dem Bodenwert und dem (positiven) Gebäudeertragswert zusammen (§ 184 Abs. 3 Satz 1 BewG).

8.188

f) Sachwertverfahren aa) Anwendung des Sachwertverfahrens Das Sachwertverfahren kommt bei bebauten Grundstücken zur Anwendung, bei denen für die außersteuerliche Verkehrswertermittlung am Grundstücksmarkt nicht der Ertrag, sondern vielmehr die Herstellungskosten die Bewertungsgrundlage bilden. Hierzu zählen regelmäßig eigengenutzte Grundstücke, für welche kein Vergleichswert vorliegt oder Grundstücke, für die sich kein Ertrag ermitteln lässt.

8.189

Nach dem Gesetzeswortlaut sind im Sachwertverfahren Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser, soweit ein Vergleichswert nicht vorliegt, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt, sowie sonstige bebaute Grundstücke zu bewerten (§ 182 Abs. 4 BewG).

8.190

Im Sachwertverfahren wird der Wert der Gebäude (Gebäudesachwert) getrennt vom Bodenwert auf der Grundlage von gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelt. Sonstige bauliche Anlagen (insbesondere Außenanlagen) und der Wert der sonstigen Anlagen sind regelmäßig mit dem ermittelten Wert des Gebäudes abgegolten (§ 189 Abs. 1 BewG). Die regelmäßige Abgeltung bezieht sich nicht auf Einzelfälle mit besonders werthaltigen Außen- oder sonstigen Anlagen (z.B. aufwändiges Außenschwimm-

8.191

Engelberth/Möller | 933

Kap. 8 Rz. 8.191 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

becken). In diesen Fällen sind gesonderte Wertansätze erforderlich (vgl. hierzu auch vgl. Rz. 8.217).

8.192 Der Gebäudesachwert besteht aus der wirtschaftlichen Einheit. Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus mehreren Gebäuden oder Gebäudeteilen von einer gewissen Selbstständigkeit, die eine verschiedene Bauart aufweisen, unterschiedlich genutzt werden oder die in verschiedenen Jahren bezugsfertig geworden sind, ist jedes Gebäude und jeder selbstständige Gebäudeteil für sich zu bewerten.118 8.193 Ist ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut, ergibt sich der Gebäudesachwert aus der Summe des Gebäudesachwerts des Einfamilienhauses und dem Gebäudesachwert der Garage. Folglich sind die Regelherstellungskosten, die Brutto-Grundfläche und die Alterswertminderung jeweils gesondert für jedes Gebäude bzw. für jeden Gebäudeteil zu ermitteln.119 8.194 Beispiel 25: Bewertungsstichtag ist der 31.12.2022. Ein im Jahr 2010 fertiggestelltes freistehendes Einfamilienhaus ohne Keller mit Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss (Brutto-Grundfläche 180 m2) und einem Gebäudestandard entsprechend der Standardstufe 4 ist zum Bewertungsstichtag 1.3.2020 zu bewerten. Auf dem Grundstück befindet sich eine freistehende Doppelgarage in Massivbauweise (Standardstufe 3) mit einer Brutto-Grundfläche von 35 m2. Das Grundstück ist 600 m2 groß. Der Bodenrichtwert beträgt 400 Euro m2. Der Sachwert setzt sich zusammen aus dem Bodenwert, und dem Gebäudesachwert für das Einfamilienhaus und die Garage: I. Bodenwert: 600 m2 × 400 Euro = 240.000 Euro II. Gebäudesachwert: 1. EFH: RHK (Anlage 24 zum BewG II. 1.21, Standardstufe 4): 1.215 Euro × Baupreisindex 127,2/100 × 180 m2 = 278.100 Euro Gebäuderegelherstellungswert abzgl. Alterswertminderung (10 Jahre/70 Jahre = 14,3 %) 39.768 Euro = 238.332 Euro. 2. Garage: RHK (Anlage 24 zum BewG II. 14.1, Standardstufe 3): 245 Euro × Baupreisindex 128,1/100 × 35 m2 = 10.990 Euro Regelherstellungswert Garage abzgl. Alterswertminderung (10 Jahre/60 Jahre = 16,7 %) 1.835 Euro = 9.155 Euro. Vorläufige Sachwert = Bodenwert 240.000 Euro + Gebäudesachwert 247.487 Euro = 487.487 Euro × Wertzahl 1,0 = Grundbesitzwert 487.487 Euro

8.195 Die Summe aus dem Gebäudesachwert und dem Bodenwert (sowie gegebenenfalls dem Sachwert der Außenanlagen) ergibt den vorläufigen Sachwert. Zur Wertermittlung des gemeinen Grundbesitzwertes ist der vorläufige Sachwert mit einer Wertzahl nach § 191 BewG zu multiplizieren (§ 189 Abs. 3 BewG). Mit dem JStG 2022 vom 16.12.2022 wurde das Sachwertverfahren für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 überarbeitet. Hierzu verweisen wir auf die Rz. 8.278 ff. Die folgende Abbildung stellt das für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültige Sachwertverfahren dar:

118 Vgl. R B 190.8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019. 119 Vgl. R B 190.8 Abs. 1 Satz 2 ff. ErbStR 2019.

934 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.196 Kap. 8

Regelherstellungskosten (§ 190 Absatz 1, Anlage 24 II., III. BewG) × Baupreisindex (§ 190 Absatz 1 und 2 BewG a.F.) × Brutto-Grundfläche (§ 190 Absatz 1, Anlage 24 I. BewG a.F.) = Bodenrichtwert (ggf. angepasster Bodenwert)

Gebäuderegelherstellungswert (§ 190 Absatz 1 BewG a.F.)

×

./.

Grundstücksfläche

Alterswertminderung (§ 190 Absatz 4 BewG a.F.)

=

=

Bodenwert (§ 179, § 189 Absatz 2 BewG)

Gebäudesachwert (§ 190 Absatz 1 und 4 BewG a.F.)

Vorläufiger Sachwert (§ 189 Absatz 3 BewG) × Wertzahl (§ 189 Absatz 3, § 191 BewG) = Sachwert = Grundbesitzwert (§ 189 Absatz 3 BewG)

Abb. 7: Sachwertverfahren für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022

bb) Bodenwertermittlung Wie auch im Ertragswertverfahren ist der Bodenwert getrennt von dem Gebäudesachwert zu ermitteln. Der Bodenwert ermittelt sich nach § 179 i.V.m. § 189 Abs. 2 BewG. Zur Ermittlung des Bodenwerts verweisen wir auf vgl. Rz. 8.94 ff. Engelberth/Möller | 935

8.196

Kap. 8 Rz. 8.197 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

cc) Berechnung des Gebäudesachwerts (1) Regelherstellungskosten

8.197 Bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts ist von den Regelherstellungskosten (RHK) des Gebäudes auszugehen (§ 190 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die RHK sind nicht die tatsächlichen Herstellungskosten, sondern die gewöhnlichen Herstellungskosten je Quadratmeter Brutto-Grundfläche einschließlich der Umsatzsteuer. Die RHK werden unterteilt nach – Grundstücksarten, – Gebäudearten und – Gebäudestandards.

8.198 Die RHK sind der Anlage 24, II. und III. zum BewG zu entnehmen und wurden aus den Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010) abgeleitet.120 8.199 Grundstücksarten Die in Anlage 24 zum BewG Grundstücksarten entsprechen den Grundstücksarten i.S.d. § 181 BewG.

8.200 Gebäudearten Bei der Auswahl der Gebäudeart nach Anlage 24 Teil II. zum BewG ist auf das gesamte Gebäude oder einen baulich selbstständig abgrenzbaren Teil eines Gebäudes (Gebäudeteil) abzustellen. Hierbei ist für die Einstufung allein das durch die Hauptnutzung des Gebäudes bzw. des Gebäudeteils entstandene Gesamtgepräge entscheidend.121 Beispiele zur Hauptnutzung von Gebäuden und Gebäudeteilen: – Bei Wohnungseigentum mit Tiefgaragenstellplatz wird von einer wirtschaftlichen Einheit ausgegangen. Der Tiefgargagenstellplatz ist aber als gesonderter Gebäudeteil unter Anwendung der Regelherstellungskosten der Gebäudeart 14.3. zu bewerten.122 Für Wohnungseigentum in Gebäuden, die wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet sind, ist die Gebäudeart für Ein- und Zweifamilienhäuser anzusetzen.123

Wird die vorliegende Gebäudeart nicht in der Anlage 24 zum BewG aufgeführt, sind die Regelherstellungskosten anhand von vergleichbarer Gebäudearten abzuleiten. Hierbei ist auf die Gebäudeart abzustellen, die mit der Hauptnutzung des zu bewertenden Gebäudes die größten Übereinstimmungen aufweist.124

120 121 122 123 124

Vgl. R B 190.1 Abs. 1 ErbStR 2019. Vgl. R B 190.2 Abs. 1 Satz 1 f. ErbStR 2019. Vgl. H B 190.2 (1) Tiefgaragenstellplatz bei Wohnungs- und Teileigentum ErbStH 2019. Vgl. H B 190.2 (1) Wohnungseigentum ErbStH 2019. Vgl. R B 190.2 Abs. 2 ErbStR 2019.

936 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.206 Kap. 8

8.201

Gebäudestandards Anlage 24 Teil III. zum BewG enthält eine ausführliche Beschreibung der Gebäudestandards. Die Beschreibungen sind beispielhaft und dienen der Orientierung, sodass nicht alle aufgeführten Merkmale auf das zu bewertenden Gebäude zutreffen müssen. Die Gebäudestandards sind in fünf Standardstufen unterteilt, die sich nach den Standardmerkmalen der Bauteile unterscheiden. In Fällen, in denen zwei Standardstufen von ihren Merkmalen auf das zu bewertende Gebäude zutreffen ist auf die Standardstufe abzustellen, auf die die überwiegenden Standardmerkmale zutreffen.125 (2) Baupreisindex Die nach Anlage 24 zum BewG abgeleiteten RHK sind durch die entsprechenden Baupreisindizes am Bewertungsstichtag in die gewöhnlichen RHK zum Bewertungsstichtag umzurechnen (vgl. § 190 Abs. 4 BewG).

8.202

Die in Anlage 24 zum BewG dargestellten RHK enthalten die RHK auf dem Kostenstand des Jahres 2010 und sind daher auf den Bewertungsstichtag zu beziehen. Diese Anpassung erfolgt mittels der Preisindizes für die Bauwirtschaft, die durch das Statistische Bundesamt für den Neubau in konventioneller Bauart von Wohn- und Nichtwohngebäuden jeweils als Jahresdurchschnitt ermittelt wurden. Diese Preisindizes sind für alle Bewertungsstichtag des folgenden Kalenderjahres anzuwenden. Die Veröffentlichung der Baupreisindizes erfolgt durch das Bundesministerium der Finanzen im Bundessteuerblatt.

8.203

(3) Brutto-Grundfläche Die Brutto-Gesamtfläche (BGF) ist die Summe der bezogen auf die jeweilige Gebäudeart marktübliche nutzbaren Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks. In Anlehnung an die DIN 277-1:2005-02 sind bei den Grundflächen folgende Bereiche zu unterscheiden:

8.204

Bereich a: überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen, Bereich b: überdeckt, jedoch nicht allseitig in voller Höhe umschlossen, Bereich c: nicht überdeckt (Anlage 24 Teil I. Nr. 1 zum BewG). Die RHK berücksichtigen jedoch nur die BGF der Bereiche a und b. Der Bereich c wird nicht erfasst. Die Grundflächen sind in Quadratmeter anzugeben.126

8.205

Der Gebäuderegelherstellungswert ermittelt sich für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 sodann aus der Multiplikation der an den Bewertungsstichtag angepassten Regelherstellungskosten und der Brutto-Grundfläche des Gebäudes (§ 190 Abs. 1 Satz 3 BewG a.F.).

8.206

125 Vgl. R B 190.3 Satz 1 ff. ErbStR 2019. 126 Vgl. R B 190.6 Abs. 2 Satz 2 f., Abs. 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 937

Kap. 8 Rz. 8.207 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.207 Beispiel 26: Ein unterkellertes Reihenmittelhaus mit Erdgeschoss und ausgebautem Dachgeschoss hat eine Wohnfläche von 90 m2. Die Ausstattung entspricht der Standardstufe 3. Das Reihenmittelhaus verfügt zudem über einen Balkon mit einer Nutzfläche von 6 m2. Jahr des Besteuerungszeitpunktes ist das Jahr 2022. Die Regelherstellungskosten des Reihenmittelhauses ergeben sich aus Anlage 24 zum BewG II. 3.01: 735 Euro. Der Baupreisindex beträgt 141. Damit belaufen sich die RHK des Reihenmittelhauses auf 735 Euro × 141/100 = 1.036 Euro × 90 m2 = 93.240 Euro. Der Balkon, auch wenn er überdeckt ist, ist dem Bereich c zuzuordnen und wird daher nicht bei der Ermittlung der Brutto-Gesamtfläche berücksichtigt.

(4) Alterswertminderung bei Bewertungsstichtagen bis zum 31.12.2022

8.208 Vom Gebäuderegelherstellungswert ist bei Bewertungsstichtagen bis zum 31.12.2022 eine stichtagsbezogene Alterswertminderung in Abzug zu bringen (§ 190 Abs. 4 a.F. BewG). Ergebnis ist der Gebäudesachwert. Die Alterswertminderung wird regelmäßig nach dem Verhältnis des Alters des Gebäudes zum Bewertungsstichtag zur typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 zum BewG bestimmt. Vereinfachend, und in der Praxis üblich, kann das Alter des Gebäudes aus der Subtraktion des Jahres des Bewertungsstichtag vom Jahr der Bezugsfertigkeit ermittelt werden.127 8.209 Die Grundsätze hinsichtlich der Ermittlung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer unterscheiden sich nicht von den Grundsätzen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer für das Ertragswertverfahren. 8.210 Wie auch beim Ertragswertverfahren können bestimmte Veränderungen, welche nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes eingetreten sind, die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer verlängern. In diesen Fällen ist ein entsprechend fiktiv späteres Baujahr anzunehmen.128 8.211 Ein fiktiv späteres Baujahr ist dabei nur anzunehmen, wenn in den letzten zehn Jahren vor dem Bewertungsstichtag durchgreifende Modernisierungen vorgenommen wurden, die nach dem Punktesystem gem. R B 190.7 Tabelle 1 ErbStR 2019 eine überwiegende oder umfassende Modernisierung ergeben. Hinsichtlich der durchgeführten Modernisierungsarbeiten ist auf die überwiegende Erneuerung bzw. Verbesserung der jeweiligen einzelnen Bauteile abzustellen. 8.212 Übersteigt das Gebäudealter am Bewertungsstichtag die übliche typisierte Gesamtnutzungsdauer so ermittelt sich das fiktiv spätere Baujahr nach der folgenden Formel:129 fiktives Baujahr =

Jahr des Bewertungsstichtags + Verschiebung Baujahr typisierte übliche Gesamtnutzungdauer

127 Vgl. R B 190.7 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019. 128 Vgl. R B 190.7 Abs. 2 ErbStR 2019. 129 Vgl. R B 190.7 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2019.

938 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.218 Kap. 8

Der Zähler Verschiebung Baujahr ist dabei die Jahreszahl, um welche sich die Nutzungsdauer laut der tabellarischen Ausführungen in R B 190. 7 Tabelle 2 bis Tabelle 6 ErbStR 2019 durch die überwiegende bzw. umfassende Modernisierung in Abhängigkeit zum Gebäudealter ergibt.

8.213

Wie auch bei dem Ertragswertverfahren kommt bei dem Sachwertverfahren eine Verkürzung der Restnutzungsdauer nur in Betracht, wenn eine Abbruchverpflichtung besteht. In diesem Fall ist bei der Ermittlung der Alterswertminderung für das Gebäude die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes anzusetzen (§ 190 Abs. 4 Satz 4 BewG a.F.).

8.214

Die Restnutzungsdauer ist begrenzt, sodass nach Abzug der Alterswertminderung regelmäßig 30 % des Gebäuderegelherstellungswertes anzusetzen sind (§ 190 Abs. 4 Satz 5 BewG a.F.).

8.215

Demnach ist die Alterswertminderung im Ergebnis auf 70 % begrenzt, da der verbleibende Gebäudesachwert mindestens 30 % des Gebäuderegelherstellungswerts betragen muss.

8.216

Für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 kommt durch das JStG 2022 der sogenannte Alterswertminderungsfaktor nach § 190 Abs. 6 BewG zur Anwendung. Zudem ist ein sogenannter Regionalfaktor zu berücksichtigen. Hierzu verweisen wir auf Rz. 8.279 ff. (5) Exkurs: Außenanlagen Übliche Außenanlagen und sonstige Anlagen sind regelmäßig mit dem Gebäudewert und dem Bodenwert abgegolten. Bei besonders werthaltigen Außenanlagen und sonstigen Anlagen ist in Einzelfällen ein gesonderter Wertansatz zu prüfen. Dabei gelten Außenanlagen als besonders werthaltig, wenn sie das übliche Maß der für die Gebäudeart typischen Außenanlagen offensichtlich überschreiten. Davon ist auszugehen, wenn ihre Sachwerte bei einer überschlägigen Berechnung 10 % des Gebäudesachwerts übersteigen.130 Liegen besonders werthaltige Außenanlagen vor, sind sie zu durchschnittlichen Herstellungskosten entsprechend der Tabelle zu R B 190.5 ErbStR 2019 zu berücksichtigen. Aus Vereinfachungsgründen bestehen keine Bedenken, die Regelherstellungskosten für Außenanlagen analog den Wohngebäuden auf den Bewertungsstichtag zu indizieren.131

8.217

(6) Wertzahl Aus der Summe von Gebäudesachwert und Bodenwert (sowie ggf. dem Wert der besonders werthaltigen Außenanlagen) ergibt sich der vorläufige Sachwert. Durch die Multiplikation des vorläufigen Sachwerts mit einer Wertzahl nach § 191 BewG ergibt sich der gemeine Wert nach dem Sachwertverfahren (§ 189 Abs. 3 Satz 2 BewG).

130 Vgl. R B 190.5 ErbStR 2019. 131 Vgl. R B 190.5 Satz 6 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 939

8.218

Kap. 8 Rz. 8.219 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.219 Als Wertzahlen sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB für die Verkehrswertermittlung im Sachwertverfahren ermittelten und regelmäßig im Grundstücksmarktbericht veröffentlichten Sachwertfaktoren zur Angleichung an den gemeinen Wert anzuwenden.132 8.220 Wurden von den Gutachterausschüssen keine oder keine geeigneten Sachwertfaktoren ermittelt, ist auf die in Anlage 25 zum BewG dargestellten Wertzahlen zurückzugreifen (§ 191 Satz 2 BewG). 8.221–8.222 Einstweilen frei. 4. Bewertung von Erbbaurechten (§§ 192–193 BewG) a) Anwendungsbereich der Bewertung von Erbbaurechten

8.223 Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so sind die Grundbesitzwerte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht (§ 193 BewG) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194 BewG) gesondert zu ermitteln (§ 192 Satz 1 BewG). 8.224 Im Allgemeinen erstreckt sich das Erbbaurecht auf das ganze Grundstück. Erstreckt es sich jedoch zivilrechtlich nur auf einen Teil des Grundstücks, so ist dieser Teil als selbstständige wirtschaftliche Einheit i.S.d. §§ 192 ff. BewG zu bewerten. Der restliche Teil des Grundstücks ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu bewerten.133 8.225 Ähnlich ist zu verfahren, wenn der Erbbauberechtigte ein einheitliches Gebäude über zwei Grundstücke, das erbbaurechtsbelastetes und ein ihm gehörendes angrenzendes Grundstück, errichtet hat. In diesem Fall ist der Gebäudeteil, der auf dem erbbaurechtsbelasteten Grundstück steht als Erbbaurecht und der auf dem eigenen Grundstück errichtete Gebäudeteil als bebautes Grundstück getrennt zu bewerten.134 8.226 Beispiel 27: X erbaute mit Fertigstellung im Jahr 2012 auf seinem Grundstück und auf dem an sein Grundstück angrenzenden Erbbaugrundstück ein Mehrfamilienhaus, welches er an verschiedenen Parteien vermietet. Das Mehrfamilienhaus wurde, gemessen an seiner gesamten Nutzfläche, zu 25 % auf dem Erbbaugrundstück und zu 75 % auf seinem eigenen Grundstück errichtet. Demnach ist der Gebäudeteil auf dem eigenen Grundstück grundsätzlich zu 75 % nach dem Ertragswertverfahren (§§ 184 ff. BewG) und der Gebäudeteil auf dem Erbbaugrundstück zu 25 % grundsätzlich nach dem Vergleichswertverfahren nach § 193 Abs. 1 BewG zu bewerten.

8.227 Ist ein Grundstück mit mehreren Wohnungs- und Teilerbbaurechten belastet, so bildet jedes einzelne Erbbaurecht eine wirtschaftliche Einheit.135

132 133 134 135

Vgl. R B 191 Satz 1 ErbStR 2019. Vgl. R B 192.1 Abs. 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 192.1 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2019. Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2020 – II R 43/18, BStBl. II 2021, 597.

940 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.233 Kap. 8

Im Folgenden werden die für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültigen Verfahren zur Bewertung von Erbbaurechten dargestellt. Für die Bewertung von Erbbaurechten mit Bewertungsstichtagen nach dem 31.12.2022 verweisen wir hinter Rz. 8.283 ab e) Erbbaurechtsverhältnisse. b) Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 Bei der Wertermittlung ist vorrangig das Vergleichswertverfahren anzuwenden. Voraussetzung ist es, dass für das zu bewertende Erbbaurecht Vergleichspreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren für entsprechende Vergleichsgrundstücke vorliegen (§ 193 Abs. 1 BewG). Vergleichspreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren liegen vor, wenn sie aus bebauten Erbbaurechten abgeleitet wurden, die eine hinreichende Übereinstimmung mit der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit aufweisen. Dabei ist von einer hinreichenden Übereinstimmung auszugehen, wenn die Grundstücksart übereinstimmt und wenn die Bebauung, der Erbbauzins, der Bodenrichtwert sowie die Restlaufzeit des Erbbaurechts nicht erheblich abweichen.136 Folglich muss die Grundstücksart übereinstimmen. Alle weiteren zuvor genannten Merkmale dürfen hingegen nur nicht erheblich voneinander abweichen.

8.228

Sollten keine oder keine hinreichend übereinstimmenden Vergleichspreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen und daher das Vergleichswertverfahren nicht anwendbar sein, so bestimmt sich der Wert des Erbbaurechts nachrangig aus der sog. finanzmathematischen Methode. Danach setzt sich der Wert des Erbbaurechts aus dem Bodenwertanteil nach § 193 Abs. 3 BewG und dem Gebäudewertanteil nach § 193 Abs. 5 BewG zusammen (§ 193 Abs. 2 BewG).

8.229

Ist das zu bewertende mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück unbebaut, so ergibt sich der Grundbesitzwert des Erbbaurechts allein aus dem Bodenwertanteil.137

8.230

In der Praxis ist es nur sehr selten der Fall, dass ein hinreichend übereinstimmendes Erbbaurecht vorliegt, sodass überwiegend die nachrangige finanzmathematische Methode zur Anwendung kommt.

8.231

c) Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 Der Bodenwertanteil ergibt sich aus dem kapitalisierten Unterschiedsbetrag zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins am Bewertungsstichtag.138

8.232

Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich aus der Multiplikation des Bodenwerts nach § 179 BewG mit dem Liegenschaftszinssatz i.S.d. § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG (§ 193 Abs. 4 Satz 1 BewG a.F.). Sollten

8.233

136 Vgl. R B 193 Abs. 1 ErbstR 2019. 137 Vgl. R B 193 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2019. 138 R B 193 Abs. 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 941

Kap. 8 Rz. 8.233 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

keine oder keine geeigneten Liegenschaftszinssätze i.S.d. § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG vorliegen, so sind die im § 193 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 5 BewG a.F. aufgeführten Zinssätze anzusetzen.

8.234 Der maßgebende Erbbauzins ist der am Bewertungsstichtag zu zahlende Erbbauzins. Dabei ist stets auf die vertragliche Vereinbarung abzustellen. Auf den tatsächlich gezahlten Erbbauzins kommt es demnach nicht an.139 8.235 Wird der Erbbauzins durch Sonderzahlungen oder gestaffelte Zahlungen während der Laufzeit des Erbbaurechts vereinnahmt, kann aus Vereinfachungsgründen ein durchschnittlicher Jahresbetrag, aus dem insgesamt nach dem Bewertungsstichtag zu leistenden Erbbauzinsen in Anhängigkeit von der Restlaufzeit gebildet werden.140 Künftige Anpassungen aus Wertsicherungsklauseln sind hingegen nicht zu berücksichtigen.141 8.236 Beispiel 28: Der Erbbauzinsvertrag sieht vor, dass der am Bewertungsstichtag zu zahlende Erbbauzins 2.000 Euro/m2 beträgt und innerhalb der Restlaufzeit von 60 Jahren nach Ablauf von jeweils 10 Jahren um 200 Euro im Jahr steigt. 60 Jahre × 2.000 Euro = 120.000 Euro 50 Jahre × 200 Euro = + 10.000 Euro 40 Jahre × 200 Euro = + 8.000 Euro 30 Jahre × 200 Euro = + 6.000 Euro 20 Jahre × 200 Euro = + 4.000 Euro 10 Jahre × 200 Euro = + 2.000 Euro Summe = 150.000 Euro: 60 Jahre = 2.500 Euro/Jahr Aus Vereinfachungsgründen kann ein durchschnittlicher Jahresbetrag von 2.500 Euro angenommen werden.

8.237 Wird kein Erbbauzins vertraglich vereinbart, stellt der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts gleichzeitig den Unterschiedsbetrag dar.142 8.238 Um den Bodenwertanteil zu ermitteln ist der Unterschiedsbetrag mit dem, in Abhängigkeit des maßgebenden Liegenschaftszinssatzes und der auf volle Euro abgerundeten Restlaufzeit des Erbbaurechts, anzuwendenden Vervielfältiger nach Anlage 21 zum BewG zu kapitalisieren (§ 193 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F.). Für den Fall, dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts weniger als ein Jahr beträgt, ist der Vervielfältiger und der Bodenwert mit 0 Euro anzusetzen.143

139 140 141 142 143

Vgl. R B 193 Abs. 5 Satz 2 ErbStR 2019. Vgl. R B 193 Abs. 5 Satz 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 193 Abs. 5 Satz 4 ErbStR 2019. Vgl. R B 193 Abs. 5 Satz 5 ErbStR 2019. Vgl. R B 193 Abs. 6 Satz 3 ErbStR 2019.

942 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.245 Kap. 8

Bei der Bewertung des bebauten Grundstücks ist der Gebäudewertanteil im Ertragswertverfahren nach § 185 BewG (Gebäudeertragswert) bzw. ist Sachwertverfahren nach § 190 BewG (Gebäudesachwert) zu ermitteln (§ 193 Abs. 5 Satz 1 BewG a.F.).

8.239

Ist bei Ablauf des Erbbaurechts der verbleibende Gebäudewert nicht oder nur teilweise zu entschädigen, ist der Gebäudewertanteil des Erbbaurechts um den Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks gem. § 194 Abs. 4 BewG a.F. zu mindern (§ 193 Abs. 5 Satz 2 BewG a.F.).

8.240

5. Bewertung von Erbbaugrundstücken (§§ 192–194 BewG) a) Verfahrenshierarchie Die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Erbbaugrundstücks erfolgt wie auch die Bewertung des Erbbaurechts nach dem vorrangigen Vergleichswertverfahren und dem nachrangigen finanzmathematischen Verfahren.

8.241

Im Folgenden werden die für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültigen Verfahren zur Bewertung von Erbbaugrundstücken dargestellt. Für die Bewertung von Erbbaugrundstücken mit Bewertungsstichtagen nach dem 31.12.2022 verweisen wir auf Rz. 8.283 ab e) Erbbaurechtsverhältnisse. b) Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 Vorrangig ist der Wert des Erbbaugrundstücks im Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG zu ermitteln (§ 194 Abs. 1 BewG a.F.). Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit stimmen mit denen der Bewertung des Erbbaurechts überein (vgl. Rz. 8.223 ff.).

8.242

Der Wert des Erbbaugrundstücks kann auch durch Anwendung eines Vergleichsfaktors auf den Wert des unbelasteten Grundstücks ermittelt werden.144

8.243

c) Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 Bei der Bewertung des Erbbaugrundstücks entspricht der Bodenwertanteil dem Grundbesitzwert, wenn der Gebäudewert bei Ablauf des Erbbaurechts vollumfänglich zu entschädigen ist (§ 194 Abs. 2 Satz 1 BewG a.F.). Der Bodenwertanteil ergibt sich aus dem abgezinsten Bodenwert des fiktiv unbebauten Grundstücks und den über die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierten, vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzinsen (§ 194 Abs. 3 BewG a.F.).

8.244

Korrespondierend zur Bewertung des Erbbaurechts ist der Bodenwertanteil, um einen Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks zu erhöhen, wenn der Wert des Gebäudes vom Eigentümer des Erbbaugrundstücks nicht oder nur teilweise zu entschädigen ist (§ 194 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F.).

8.245

144 Vgl. R B 194 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 943

Kap. 8 Rz. 8.246 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.246 Der Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks entspricht dem abgezinsten (anteiligen) Gebäudeertrags- bzw. Gebäudesachwert, der dem Eigentümer des Erbbaugrundstücks bei Beendigung des Erbbaurechts durch Zeitablauf entschädigungslos zufällt (§ 194 Abs. 4 BewG a.F.). Die Abzinsung erfolgt nach Anlage 26 zum BewG. 8.247 Der entschädigungslose Gebäudeteil des abgezinsten Gebäudewerts ist als Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks, korrespondierend zur Wertminderung beim Erbbaurecht, werterhöhend beim Erbbaugrundstück zu erfassen. 6. Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke (§ 195 BewG) a) Definition des Gebäudes auf fremden Grund und Boden

8.248 Ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden liegt vor, wenn ein anderer als der Eigentümer des Grund und Bodens ein Gebäude auf dem Grundstück errichtet hat und ihm das Gebäude zuzurechnen ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn es ein Scheinbestandteil des Grund und Bodens i.S.d. § 95 BGB ist. Bewertungsrechtlich ist auch von einem Gebäude auf fremden Grund und Boden auszugehen, wenn der Nutzungsberechtigte am Ende der Nutzungsdauer einen Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des Gebäudes gegenüber dem Eigentümer des Grund und Bodens geltend machen kann.145 8.249 Zu bewerten sind die beiden selbstständigen wirtschaftlichen Einheiten: Gebäude auf fremden Grund und Boden und das belastete Grundstück (§ 195 Abs. 1 BewG). Im Folgenden werden die für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 gültigen Verfahren zur Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke dargestellt. Für die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke mit Bewertungsstichtagen nach dem 31.12.2022 verweisen wir hinter Rz. 8.283 ab f) Gebäude auf fremdem Grund und Boden. b) Bewertung des Gebäudes auf fremden Grund und Boden für Bewertungsstichtage bis zum 31. Dezember 2022

8.250 Die Wertermittlung des Gebäudes auf fremden Grund und Boden richtet sich im Ertragswertverfahren nach dem Gebäudeertragswert i.S.d. § 185 BewG und nach dem Sachwertverfahren nach dem Gebäudesachwert i.S.d. § 190 BewG (§ 195 Abs. 2 Satz 1 BewG a.F.). 8.251 In den Fällen, in denen der Nutzungsberechtigte verpflichtet ist nach der Nutzung das Gebäude zu beseitigen, ist bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts der Vervielfältiger nach Anlage 21 zum BewG anzuwenden, der sich für die am Bewertungsstichtag verbleibende Restnutzungsdauer ergibt. Hierbei ergibt sich die Besonderheit,

145 Vgl. R B 195.1 Abs. 2 ErbStR 2019.

944 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.257 Kap. 8

dass die Mindestrestnutzungsdauer von 30 % der Gesamtnutzungsdauer keine Anwendung findet (§ 195 Abs. 2 Satz 3 BewG a.F.). Wird das Gebäude im Gebäudesachwertverfahren bewertet, bemisst sich die Restnutzungsdauer nach dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag und der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer. Wie auch beim Gebäudeertragswert ist für den Fall, dass das Gebäude nach der Nutzungsdauer beseitigt werden muss, auch bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Mindestrestnutzungsdauer von 30 % der Gesamtnutzungsdauer keine Anwendung findet (§ 195 Abs. 2 Satz 5 BewG a.F.).

8.252

Ein Bodenwertanteil ist bei Gebäuden auf fremden Grund und Boden nicht zu berücksichtigen.146

8.253

c) Bewertung des belasteten Grundstücks für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 Die Bewertung des belasteten Grundstücks erfolgt nach dem auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Bodenwerts nach § 179 BewG und der Kapitalisierung des Nutzungsentgelts (§ 195 Abs. 3 BewG a.F.) in Abhängigkeit der Restlaufzeit des Nutzungsentgelts. Die Restnutzungsdauer ist dabei auf volle Jahre abzurunden.147

8.254

Ein Gebäudewertanteil ist, korrespondierend zur Bewertung des Gebäudes auf fremden Grund und Boden, nicht zu berücksichtigen.

8.255

7. Bewertung von Grundstücken im Zustand der Bebauung (§ 196 BewG) a) Definition des Grundstücks im Zustand der Bebauung Ein Grundstück im Zustand der Bebauung liegt vor, wenn durch Abgrabungsarbeiten oder mit der Einbringung von Baustoffen zur planmäßigen Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils begonnen worden ist (§ 196 Abs. 1 BewG). Dem gegenüber genügt der vorherige Abbruch eines Gebäudes noch nicht als Beginn der Baumaßnahmen zur Errichtung eines neuen Gebäudes oder Gebäudeteils.148

8.256

Von einem Gebäude im Zustand der Bebauung ist auch auszugehen, wenn durch An-, Aus- oder Umbaumaßnahmen an einem bereits vorhandenen Gebäude neuer Wohnoder Gewerberaum entsteht. Dabei ist entscheidend, dass neuer Wohn- und Gewerberaum geschaffen wird, daher erfüllen Modernisierungsmaßnahmen diese Voraussetzung regelmäßig nicht.149

8.257

146 147 148 149

R B 195.2 Abs. 1 Satz 8 ErbStR 2019. Vgl. R B 195.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 196.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019. Vgl. R B 196.1 Abs. 1 Satz 4 f. ErbStR 2019.

Engelberth/Möller | 945

Kap. 8 Rz. 8.258 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.258 Beispiel 29: In einem Mehrparteienhaus wird in der Erdgeschosswohnung der Fliesenboden durch Parkett ersetzt und die Bäder saniert. Diese Maßnahmen sind als Modernisierungen einzustufen. Es wird kein neuer Wohnraum geschaffen. Beispiel 30: In einem Mehrparteienhaus wird der zuvor nicht bewohnbare Dachstuhl ausgebaut. Es werden neue Giebel und Fenster eingesetzt, Strom- und Wasserleitungen verlegt und Wände eingezogen. Durch den Ausbau wird eine neue Wohnfläche von 75 m2 geschaffen. Da neuer Wohnraum geschaffen wird handelt es sich nicht um eine Modernisierungsmaßnahme, sondern um ein Gebäude im Zustand der Bebauung.

8.259 Abgrabungsarbeiten beginnen in dem Zeitpunkt, in dem Erdarbeiten durchgeführt werden. Bei der Einbringung von Baustoffen ist als Beginn der Zeitpunkt anzusehen, in dem erstmalig mit der Verarbeitung von Baustoffen begonnen wurde.150 8.260 Der Zustand der Bebauung endet mit der Bezugsfertigkeit des ganzen Gebäudes, sofern es nicht in Bauabschnitten errichtet wird. 8.261 Zur wirtschaftlichen Einheit des Grundstücks im Zustand der Bebauung gehören der Grund und Boden, die Gebäude bzw. Gebäudeteile, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Gebäude und Gebäudeteile sind auch einzubeziehen, wenn sie am Bewertungsstichtag noch nicht bezugsfertig sind.151 b) Wertermittlung des Grundstücks im Zustand der Bebauung

8.262 Bei der Wertermittlung ist zunächst zwischen bisher unbebauten Grundstücken und bereits bebauten Grundstücken zu unterscheiden. Befindet sich zu Beginn der Baumaßnahmen kein bezugsfertiges Gebäude auf dem Grundstück, so gilt es als unbebaut und ist nach § 179 BewG zu bewerten. Befinden sich vor Beginn der noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen bereits bezugsfertige Gebäude oder Gebäudeteile auf dem Grundstück, so sind diese nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen (§§ 182 bis 195 BewG) zu bewerten.152 8.263 Den ermittelten Werten der unbebauten bzw. bebauten Grundstücke sind sodann die bis zum Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten des im Bau befindlichen Gebäudes oder Gebäudeteils hinzuzurechnen. Dabei sind die entstandenen, und nicht die tatsächlich bezahlten, Herstellungskosten maßgeblich. Abbruchkosten zählen unabhängig von ihrer ertragssteuerlichen Beurteilung nicht zu den Herstellungskosten.153 8.264 Der Grundbesitzwert des Grundstücks im Zustand der Bebauung ist nicht auf den Wert des fertiggestellten und im Regelverfahren bewerteten Grundstücks beschränkt,

150 151 152 153

Vgl. R B 196.1 Abs. 1 Satz 4 f. ErbStR 2019. Vgl. R B 196.1 Abs. 2 ErbStR 2019. Vgl. R B 196.2 Abs. 2 ErbStR 2019. Vgl. R B 196.2 Abs. 3 ErbStR 2019.

946 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.267 Kap. 8

sondern wird um die bis zum Bewertungsstichtag entstandenen Herstellungskosten erhöht. Bei weit fortgeschrittenen oder besonders kostspieligen Baumaßnahmen kann sich daher eine Überbewertung des Grundbesitzwerts gegenüber einem vergleichbaren fertiggestellten Gebäude ergeben. 8. Änderungen in der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung durch das JStG 2022 a) Bedeutung für den Steuerpflichtigen Mit dem JStG 2022 vom 16.12.2022 wurde die typisierte steuerliche Immobilienbewertung weiter an ihr „Vorbild“ die ImmoWertV angepasst. Für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 kann es in Einzelfällen durch die Anpassungen zu höheren steuerlichen Immobilienwerten kommen. Das BewG räumt den von den Gutachterausschüssen ermittelten Daten Anwendungsvorrang ein, sodass die pauschalierten gesetzlichen Größen grundsätzlich nachrangig zur Anwendung kommen. In diesem Kontext kommt der Öffnungsklausel des § 198 BewG verstärkt Bedeutung zu (vgl. Rz. 8.287 ff.). Die typisierten steuerlichen Bewertungsverfahren orientieren sich grundsätzlich an den allgemein geltenden Wertermittlungsgrundsätzen. Aufgrund dieser Typisierungen bleiben auch nach den Änderungen durch das JStG 2022 individuelle wertrelevante Grundstücksmerkmale unberücksichtigt. Aus diesem Grund ist die Öffnungsklausel bzw. ein Gutachten nach ImmoWertV aus der Sicht des Steuerpflichtigen eine wichtige Vorschrift, um Überbewertungen zu vermeiden.

8.265

Durch die Änderungen aufgrund des JStG 2022 in der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung nach dem BewG werden umfangreiche Anpassungen der Erbschaftssteuer-Richtlinien 2019 sowie den Erbschaftsteuer-Hinweise 2019 erforderlich. Die wesentlichen Änderungen durch das JStG 2022 sollen im Folgenden dargestellt werden. Insbesondere die Vorschriften zur Ermittlung des Gebäudewerts im Ertragswert-/sowie im Sachwertverfahren des BewG sowie die Bewertung von Erbbaurechtsverhältnissen wurden angepasst. Das Vergleichswertverfahren (vgl. Rz. 8.130 ff.) erfuhr hingegen keine Anpassung durch das JStG 2022.

8.266

b) Grundsatz der Modellkonformität In Übereinstimmung mit dem Vorgehen in der ImmoWertV 2021 (vgl. Rz. 8.331 ff.) erfolgt durch das JStG 2022 in § 177 BewG die Aufnahme des Grundsatzes der Modellkonformität in die typisierte steuerliche Immobilienbewertung. In § 177 Abs. 2 und 3 BewG werden die Voraussetzungen für die Anwendung der von den Gutachterausschüssen ermittelten sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten bei den Bewertungen geregelt. Demnach sind sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten geeignet, wenn deren Ableitung weitgehend in demselben Modell erfolgt ist, wie die Bewertung selbst.

Engelberth/Möller | 947

8.267

Kap. 8 Rz. 8.268 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.268 Für den Fall, dass der Gutachterausschuss diese Daten auf einen Stichtag bezogen hat, ist nach dem JStG 2022 der letzte Stichtag vor dem Bewertungsstichtag maßgeblich, sofern dieser nicht mehr als drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag liegt. Bei einem Zeitraum von mehr als drei Jahren kann die Geeignetheit der erforderlichen Daten nur noch angenommen werden, wenn sich die maßgeblichen Wertverhältnisse nicht wesentlich geändert haben (§ 177 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 BewG). c) Anpassungen im Ertragswertverfahren

8.269 Wesentliche Änderung bei dem steuerlichen Ertragswertverfahren durch das JStG 2022 ist die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten. Diese werden für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 mit von den Gutachterausschüssen ermittelten Erfahrungssätzen bei der Gebäudeertragswertermittlung berücksichtigt (vgl. Rz. 8.163). Für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 werden die Bewirtschaftungskosten nach der neu gefassten Anlage 23 zum BewG bestimmt. Diese berücksichtigt die Prämisse des Grundsatzes der Modellkonformität und ist an Anlage 3 der ImmoWertV angepasst. 8.270 Der für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 bestehende Vorrang, die von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Erfahrungssätze anzusetzen, wurde durch das JStG 2022 für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 abgeschafft. Auch die für Bewertungsstichtage vor dem 31.12.2022 gültige pauschale Wertermittlung der Bewirtschaftungskosten auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Jahresmiete wurde für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 abgeschafft und durch eine differenziertere Ermittlung unter Aufschlüsselung nach Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis in Abhängigkeit der Nutzung (Wohnnutzung oder gewerbliche Nutzung) ersetzt. Wie auch nach Anlage 3 zur ImmoWertV soll eine jährliche Anpassung der Angaben in der Anlage 23 zum BewG erfolgen. Demnach sind die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten für Wohnnutzung jährlich anzupassen. Der hierfür erforderliche maßgebliche Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts soll im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. 8.271 Die Bewirtschaftungskosten stellen eine den Rohertrag des Gebäudes kürzende Größe dar, umso höher die Bewirtschaftungskosten ausfallen umso niedriger ist der Reinertrag des Grundstücks. Durch die Anpassung auf das aktuelle Marktniveau werden die Kürzungen regelmäßig niedriger ausfallen als bisher und daher zu einem höheren Gebäudeertragswert führen. 8.272 Auch die Liegenschaftszinssätze i.S.d. § 188 BewG wurden im Rahmen des JStG 2022 auf ein aktuelles marktübliches Niveau angepasst. Vorrangig sind danach auch weiterhin die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze anzusetzen. Soweit keine Liegenschaftszinssätze von den Gutachterausschüssen erhoben wurden, sind ersatzweise die folgenden Zinssätze anzusetzen:

948 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.276 Kap. 8 Bewertungsstichtag

Bis zum 31.12.2022154

Ab dem 1.1.2023

Mietwohngrundstücke

5,0 %

3,5 %

Gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %

5,5 %

4,5 %

Gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 %

6,0 %

5,0 %

Geschäftsgrundstücke

6,5 %

6,0 %

Grundstücksart

Damit ergeben sich für alle Grundstücksarten aufgrund der Anpassung auf das marktübliche Niveau Senkungen bei den ersatzweise anzusetzenden Liegenschaftszinssätzen, welche im Ergebnis zu höheren Gebäudeertragswerten führen.

8.273

Beispiel 31: Ein Mietwohngrundstück hat zum Bewertungsstichtag einen Bodenwert i.H.v. 360.000 Euro, wurde im Jahr 1980 fertiggestellt und weist eine Nutzungsdauer von 80 Jahren vor. Die tatsächliche Miete entspricht der üblichen Miete. Jährlich beträgt diese 28.800 Euro. Die Bewirtschaftungskosten werden vereinfachend mit 21 % angenommen. Liegenschaftszinssätze wurden von den örtlichen Gutachtenausschüssen nicht abgeleitet.

8.274

Ermittelt man den Ertragswert mit dem bis zum 31.12.2022 geltenden Liegenschaftszinssatz von 5 %, so würde sich ein Ertragswert i.H.v. 453.122 Euro ermitteln. Nach dem JStG 2022 (ab dem 1.1.2023) und einen Liegenschaftszinssatz von 3,5 % würde sich ein Ertragswert unter sonst gleichen Prämissen i.H.v. 631.554 Euro ergeben.

Für den Ermittlung des Gebäudealters wurde die bisherige Verwaltungsauffassung mit dem JStG 2022 gesetzlich in § 185 Abs. 3 Satz 4 BewG verankert. Demnach ist das Alter des Gebäudes durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes vom Jahr des Bewertungsstichtags zu bestimmen.

8.275

Die Restnutzungsdauer kann zukünftig bei Wohngebäuden verlängert werden, wenn bei Modernisierungen ein überwiegend oder umfassender Modernisierungsgrad nach Anlage 2 der ImmoWertV vorliegt. Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer sieht § 185 Abs. 3 BewG nicht mehr vor. Der Entwurf stellt damit klar, dass die Regelung zur Mindest-Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes (mind. 30 %) vorbehaltlich der Abbruchverpflichtung gilt. Nur bei einer bestehenden Abbruchverpflichtung kann die Mindest-Restnutzungsdauer unterschritten werden, ist aber auf den Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag begrenzt (§ 185 Abs. 3 Satz 7 BewG).

8.276

Auch die Gesamtnutzungsdauer für die Gebäudearten „Ein- und Zweifamilienhäuser“, „Mietwohngrundstücke“, „Wohnungseigentum“ sowie „Gemischt genutzte Grundstücke“ wurde entsprechend der Anlage 1 zur ImmoWertV von bisher 70 Jah-

154 Vgl. § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F.

Engelberth/Möller | 949

Kap. 8 Rz. 8.276 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

ren auf 80 Jahre erhöht. Damit wurde die Anlage 22 zum BewG in Anlehnung an die Modellansätze für die Gesamtnutzungsdauer nach der ImmoWertV angepasst.

8.277 Auch zu der Bewertung der baulichen Außenanlagen stellt das JStG 2022 klar, dass der Wert der baulichen Außenanlagen mit dem ermittelten Ertragswert nach § 184 Abs. 1 und Abs. 3 BewG abgegolten ist (§ 184 Abs. 4 BewG). d) Anpassungen im Sachwertverfahren

8.278 Die Ermittlung des Gebäudesachwerts wurde durch das JStG 2022 strukturell an die Ermittlung des Sachwerts der baulichen Anlagen nach § 36 ImmoWertV angelehnt. Damit erfährt die Ermittlung des Gebäudesachwerts nach § 190 BewG eine grundlegende Überarbeitung. 8.279 Die Ermittlung des Gebäudesachwerts für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 ergibt sich aus der Multiplikation der durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes mit dem neu eingeführten Regionalfaktor sowie dem Alterswertminderungsfaktor. Die durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes ergeben sich aus der Multiplikation der Regelherstellungskosten nach Anlage 24 zum BewG und der Bruttogrundfläche des Gebäudes sowie der Anpassung auf den Bewertungsstichtag anhand des vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindex (§ 190 Abs. 3 S. 2 BewG).

8.280 Die durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes sind danach mit dem von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Regionalfaktor zu multiplizieren. Für den Fall, dass von den Gutachterausschüssen keine Regionalfaktoren ermittelt wurden, ist ein Regionalfaktor von 1,0 anzusetzen (§ 190 Abs. 5 BewG). 8.281 Der Alterswertminderungsfaktor entspricht dem Verhältnis der Restnutzungsdauer des Gebäudes am Bewertungsstichtag zur Gesamtnutzungsdauer. Damit erfolgt die Ablösung der bisherigen Alterswertminderung durch den Alterswertminderungsfaktor nach § 190 Abs. 6 BewG im Ergebnis wertneutral. 8.282 Auch die Wertzahlen zur Anpassung des vorläufigen Sachwerts des Grundstücks an den gemeinen Wert nach § 191 BewG in Anlage 25 zum BewG wurden für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 im Sinne einer verfassungskonformen Marktanpassung an das aktuelle Marktniveau angepasst. Das Sachwertverfahren, welches für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 anzuwenden ist kann schematisch wie folgt dargestellt werden:

950 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.282 Kap. 8

Regelherstellungskosten (§ 190 Absatz 1 u. 2, Anlage 24 II., III. BewG) × Brutto-Grundfläche (§ 190 Absatz 3 Satz 2 BewG) × Baupreisindex (§ 190 Absatz 3 Satz 2 i.V.m. Absatz 4 BewG) = Durchschnittliche Herstellungskosten des Gebäudes (§ 190 Absatz 3 BewG) × Bodenrichtwert (ggf. angepasster Bodenwert)

Regionalfaktor (§ 190 Absatz 3 i.V.m. Absatz 5 BewG)

×

×

Grundstücksfläche

Alterswertminderungsfaktor (§ 190 Absatz 3 i.V.m. Absatz 6 BewG)

=

=

Bodenwert (§ 179, § 189 Absatz 2 BewG)

Gebäudesachwert (§ 190 BewG)

Vorläufiger Sachwert (§ 189 Absatz 3 BewG) × Wertzahl (§ 189 Absatz 3, § 191 BewG) = Sachwert = Grundbesitzwert (§ 189 Absatz 3 BewG)

Abb. 8: Sachwertverfahren für BewSt ab dem 1.1.2023

Engelberth/Möller | 951

Kap. 8 Rz. 8.283 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

e) Erbbaurechtsverhältnisse

8.283 Durch das JStG 2022 wurden auch die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen in komplexem Umfang an die ImmoWertV 2021 angepasst. Die §§ 193 und 194 BewG wurden neu gefasst. Die Bewertung des Erbbaurechts soll für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 durch zwei Verfahrensvarianten erfolgen. Liegt ein sog. Erbbaurechtskoeffizient vor, erfolgt die Bewertung auf Grundlage des Werts des unbelasteten Grundstücks (§ 193 Abs. 1 BewG). Der Wert des Erbbaurechts wird aus der Multiplikation des Wertes des unbelasteten Grundstücks – als Wert des Grundstücks, welcher sich nach den §§ 179,182 bis 186 BewG ergeben würde, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde – und dem von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB ermittelten Erbbaurechtskoeffizienten berechnet. Liegen keine Erbbaurechtskoeffizienten i.S.d. § 193 Abs. 1 BewG vor, ist die Bewertung anhand des sog. finanzmathematischen Werts des Erbbaurechts vorzunehmen (§ 193 Abs. 2 BewG). Der Wert des Erbbaurechts wird hierbei durch Multiplikation des finanzmathematischen Werts des Erbbaurechts mit dem von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Erbbaurechtsfaktor nach § 22 ImmoWertV ermittelt. Soweit keine geeigneten Erbbaurechtsfaktoren von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellt werden, ist von einem Erbbaurechtsfaktor von 1,0 auszugehen (§ 193 Abs. 2 Satz 3 BewG). Der finanzmathematische Wert des Erbbaurechts lässt sich in drei Schritten ermitteln. Als erstes ist vom Wert des unbelasteten Grundstücks i. S.d. § 193 Abs. 1 Satz 3 BewG der Bodenwert des unbelasteten Grundstücks nach § 179 BewG abzuziehen. Im zweiten Schritt ist der Unterschiedsbetrag aus dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins zu bilden und über die Restlaufzeit des Erbbaurechts mit dem in Anlage 21 zum BewG genannten Vervielfältiger zu kapitalisieren (§ 193 Abs. 4 Satz 1 BewG). Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts ist in § 193 Abs. 4 Satz 4 BewG definiert. Liegen für die Ermittlung des angemessenen Verzinsungsbetrags von den Gutachterausschüssen keine geeigneten Zinssätze vor, sind ersatzweise die in § 193 Abs. 4 Satz 3 BewG gesetzlich fixierten Zinssätze anzuwenden. Im dritten Schritt ist, falls vorhanden, ein bei Ablauf des Erbbaurechts nicht zu entschädigender Wertanteil der Gebäude oder des Gebäudes abzuziehen (§ 193 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 BewG). Der bei Ablauf des Erbbaurechts nicht zu entschädigende Wertanteil des Gebäudes ist die Differenz aus dem Wert des Grundstücks nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG und dem Bodenwert nach § 179 BewG. Die Differenz ist über die Restlaufzeit des Erbbaurechts unter Berücksichtigung der Vorgaben aus Anlage 26 zum BewG auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Der auf den Bewertungsstichtag abgezinste Unterschiedsbetrag ist mit dem nicht zu entschädigenden Wertanteil der jeweiligen Gebäude zu multiplizieren. Nach der Neufassung der Bewertung von Erbbaugrundstücken, welche für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 anzuwenden ist, sind auch hier die beiden Verfahrensvarianten gesetzlich verankert. Liegt ein von den Gutachterausschüssen abgeleiteter Erbbaugrundstückskoeffizient nach § 23 ImmoWertV vor, erfolgt die Werter952 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.285 Kap. 8

mittlung auf Grundlage des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks. Der Wert des Erbbaugrundstücks errechnet sich aus der Multiplikation des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks nach § 179 BewG, so als ob die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde, und dem Erbbaurechtskoeffizienten (§ 194 Abs. 1 BewG). Wenn für das zu bewertende Erbbaurechtsgrundstück kein Erbbaugrundstückskoeffizient vorliegt, hat die Wertermittlung anhand des finanzmathematischen Werts des Erbbaugrundstücks zu erfolgen (§ 194 Abs. 2 BewG). Der Wert des Erbbaugrundstücks ergibt sich aus der Multiplikation des finanzmathematischen Werts des Erbbaugrundstücks mit einem von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Erbbaugrundstücksfaktor nach § 22 ImmoWertV. Soweit derartige Erbbaugrundstücksfaktoren nicht zur Verfügung stehen, gilt ein Erbgrundstücksfaktor von 1,0 (§ 194 Abs. 2 Satz 3 BewG). Der finanzmathematische Wert des Erbbaugrundstücks ist aus der Summe des über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinsten Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und des über die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierten vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzinses zu ermittelt. Ein bei Ablauf des Erbbaurechts nicht zu entschädigender Wertanteil der Gebäude oder des Gebäudes ist hinzuzurechnen (§ 194 Abs. 3 BewG). Liegen für die Abzinsung des Bodenwerts keine geeigneten Zinssätze von den Gutachterausschüssen vor, sind ersatzweise die in § 194 Abs. 4 Satz 3 i.V. mit § 193 Abs. 4 Satz 3 BewG bestimmten Zinssätze anzuwenden. Das gleiche gilt für die Ermittlung des auf den Bewertungsstichtag bezogenen Barwerts der über die Restlaufzeit des Erbbaurechts erhaltenen Erbbauzinsen (§ 194 Abs. 5 Satz 3 i.V. mit § 193 Abs. 4 Satz 3 BewG). f) Gebäude auf fremden Grund und Boden Aufgrund der Anpassungen der Bewertungsverfahren in Erbbaurechtsverhältnissen durch das JStG 2022 (vgl. Rz. 8.327) sind in Anlehnung an die Regelungen nach §§ 48 ff. ImmoWertV die Bewertungen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nach § 195 Abs. 2 bis 4 BewG sowie die Verfahren zur Wertermittlung belasteter Grundstücke nach § 195 Abs. 5 bis 7 BewG analog zu den Erbbaurechtsfällen ausgestaltet. In der ab dem 1.1.2023 geltenden Fassung wird in § 195 Abs. 1 Satz 2 BewG klargestellt, dass die ermittelten Grundbesitzwerte nicht weniger als 0 Euro betragen dürfen. 9. Grenzen der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung Die typisierte steuerliche Immobilienbewertung findet, wie der Name bereits vermuten lässt, ihre Grenzen in der Typisierung. Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, die den Wert des Grundstücks beeinflussen, werden in den typisierten Bewertungsverfahren nicht berücksichtigt. Die Erfassung dieser bewertungsmindernden Umstände ist allein über den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes nach Maßgabe des § 198 BewG möglich.

8.284

Die Typisierungen der Bewertungsregelungen des BewG haben Bewertungsaufgaben im steuerlichen Massenverfahren zu bewältigen. Damit bleibt nicht nur der Finanz-

8.285

Engelberth/Möller | 953

Kap. 8 Rz. 8.285 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

verwaltung eine aufwendige Individualbewertung von Grundstücken erspart, sondern auch dem Steuerpflichtigen. Bei den typisierten Bewertungen kann regelmäßig auf eine Ortsbesichtigung und ein Sachverständigengutachten verzichtet werden. Die obligatorische Auswertung von Grundbüchern, Katasterunterlagen, Bauleitplanungen, Bau- und Altlastenverzeichnissen kann bei der steuerlichen Bewertung ebenfalls unterbleiben.155 So ist die typisierte Bewertung regelmäßig kosten- und vor allem zeitsparender gegenüber einem Sachverständigengutachten.

8.286 Die im vorigen dargestellten Bewertungsverfahren orientiert sich grundsätzlich an den allgemein geltenden Wertermittlungsgrundsätzen. Aufgrund der Typsierungen bleiben dennoch etliche individuelle wertrelevante Grundstücksmerkmale unberücksichtigt. Altlasten werden nach den Bewertungsvorschriften gar nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund ist die nachfolgend dargestellte „Öffnungsklausel“ aus der Sicht des Steuerpflichtigen eine wichtige Vorschrift, um Überbewertungen zu vermeiden.156 II. Niedrigere gemeine Werte nach BewG 1. Öffnungsklausel – Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes

8.287 Nach § 198 BewG wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt für Zwecke der Grundbesitzbewertung von den typisierten Bewertungsverfahren nach §§ 176 ff. BewG abzuweichen. Der Steuerpflichtige kann einen für ihn steuerlich günstigeren niedrigeren gemeinen Wert für die nach § 179, §§ 182 bis 196 BewG bewerteten wirtschaftlichen Einheiten nachweisen. Dabei hat sich der Nachweis jeweils auf die gesamte wirtschaftliche Einheit zu beziehen. Die Öffnungsklausel schützt den Steuerpflichtigen vor Überbewertungen, die sich durch die typisierenden Bewertungsregelungen nicht vermeiden lassen.157 8.288 § 198 BewG eröffnete dem Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch, durch andere anerkannte Bewertungsmethoden nachzuweisen, dass der mittels der typisierten Verfahren ermittelte Grundbesitzwert zu hoch ist und daher der niedrigere gemeine Wert der Besteuerung zu Grunde zu legen ist.158 Daher wird § 198 BewG auch „Öffnungsklausel“ genannt. 8.289 Die Möglichkeit von den typisierten gesetzlichen Bewertungsvorschriften abzuweichen, gilt nur für den Steuerpflichtigen, nicht aber für Finanzämter und Gerichte.159 8.290 Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes kann mittels eines Sachverständigengutachtens sowie durch den Nachweis eines Kaufpreises aus einem zeitnahen Verkauf des zu bewertenden Grundstücks erbracht werden.

155 156 157 158 159

Vgl. Mannek in von Oertzen/Loose, ErbStG2, § 198 BewG Rz. 6. Vgl. Mannek in von Oertzen/Loose, ErbStG2, § 198 BewG Rz. 7. Vgl. Mannek in von Oertzen/Loose, ErbStG2, § 198 BewG. Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 198 BewG Rz. 3. Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 198 BewG Rz. 3.

954 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.297 Kap. 8

Durch den Entwurf des JStG 2022, welcher die typisierten steuerlichen Regelungen an die geänderte ImmoWertV 2021 anpassen soll, ist ab dem 1.1.2023 mit höheren steuerlichen Grundbesitzwerten zu rechnen, welche zu einer höheren Steuerlast führen werden. Ziel der Anpassungen soll sein, die nicht mehr marktüblichen Regelungen des BewG an das aktuelle Marktniveau anzupassen (s. hierzu Rz. 8.265 ff.). Da die typisierten steuerlichen Bewertungsverfahren auch nach den geplanten Anpassungen weiterhin durch ihre Typisierungen begrenzt sind, liegt die Vermutung nahe, dass ab dem 1.1.2023 die Bedeutung der Öffnungsklausel (weiter) steigen wird.

8.291

2. Gutachten als Nachweis a) Formelle Qualifikation des Gutachters Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes ist regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich.160

8.292

Darüber wer in den Kreis der Sachverständigen mit einzubeziehen ist, herrscht seitens des BFH und der Finanzverwaltung Uneinigkeit.

8.293

In Anlehnung an die Uneinigkeit wurde § 198 BewG um den Absatz 2 ergänzt.161

8.294

Seit dem 23.7.2021 ist gesetzlich festgeschrieben, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, erbringen kann (§ 198 Abs. 2 BewG).

8.295

Abschließend sollte nun Rechtssicherheit über den qualifizierten Personenkreis für die Erstellung eines Gutachtens eingetreten sein. Zudem lässt die Formulierung „regelmäßig“ offen, ob bei methodisch einwandfreier Darlegung auch andere, als die in Absatz 2 genannten Personen für die Erstellung eines Gutachtens in Frage kommen könnten.162

8.296

Da die Wahl des Sachverständigen beim Steuerpflichtigen selbst liegt empfiehlt es sich aus Zeit- und Kostengründen den Nachweis durch Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses, eines öffentlich bestellten und vereidigten oder eines zertifizierten Sachverständigen zu führen. Bei diesem Personenkreis kann davon ausgegangen werden, dass das Gutachten nicht allein aufgrund von nicht vorhandener Qualifikation des „Gutachters“ und folglich ohne inhaltliche Prüfung vom Finanzamt verworfen wird. Das Gutachten unterliegt zunächst der Beweiswürdigung durch das Finanzamt, kommt dieses zu dem Schluss, dass das vorgelegte Gutachten die Ord-

8.297

160 Vgl. R B 198 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019. 161 Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021 (GrStRefUG), BGBl. I, 2931. 162 Krause/Grootens, Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grunderwerb-, Erbschaft- und Schenkungsteuer für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009, Rz. 375c.

Engelberth/Möller | 955

Kap. 8 Rz. 8.297 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

nungsmäßigkeit eines Sachverständigengutachtens nicht erfüllt, wird dieses ohne Gegengutachten zurückgewiesen.163 b) Anforderungen an das Gutachten

8.298 § 198 Abs. 1 Satz 2 BewG verweist für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich auf § 199 Abs. 1 BauGB. Hierin heißt es: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze bei der Ermittlung der Verkehrswerte und bei der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte zu erlassen.“ Zu den Ausführungen der seit dem 1.7.2010 geltenden Regelungen der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) verweisen wir auf Rz. 8.313 ff.). 8.299 Das Sachverständigengutachten wird durch die Finanzverwaltung bzw. in der Praxis im Allgemeinen durch Bausachverständige, auf Schlüssigkeit und Richtigkeit geprüft.164 Enthält das Gutachten methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze wird es durch die Finanzverwaltung ohne die Erstellung eines Gegengutachtens zurückgewiesen.165 8.300 Zur Ordnungsmäßigkeit gehören methodische Qualität und eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Nach Maßgabe des § 199 Abs. 1 BauGB sind sämtliche wertbeeinflussenden Umstände zu berücksichtigen. Hierunter fallen auch die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art.166 8.301 Die Nachweispflicht entfällt, wie eingangs erwähnt auf den Steuerpflichtigen, sodass er die Kosten eines Gutachtens zu tragen hat. Hierbei ist es ratsam eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen zu unternehmen. Wirtschaftlich sinnvoll ist die Beauftragung eines Sachverständigen, wenn der im Sachverständigengutachten niedrigere gemeine Wert zu einer Steuerersparnis führt, die die Kosten für das Gutachten deckt. 3. Kaufpreis als Nachweis

8.302 Als Nachweis des niedrigen gemeinen Werts dient auch ein, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind (§ 198 Abs. 3 BewG).

163 164 165 166

Vgl. R B 198 Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStR 2019. Vgl. Mannek in von Oertzen/Loose, ErbStG2, § 198 BewG Rz. 49. Vgl. R B 198 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2019. Vgl. R B 198 Abs. 3 Satz 4 ff. ErbStR 2019.

956 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.308 Kap. 8 Beispiel 32: Ein im Jahr 1890 fertiggestelltes Einfamilienhaus wurde zum 1.1.2021 zu einem Kaufpreis i.H.v. 900.000 Euro verkauft. Im Juni 2021 wurde ein Sachverständigengutachten erstellt, welches einen Immobilienwert von 1.100.000 Euro ausweist. An dem Einfamilienhaus wurden in den Jahren 2020 und 2021 keine baulichen Veränderungen vorgenommen. Der Kaufpreis dient daher von Januar 2020 bis Dezember 2021 als Nachweis des niedrigen gemeinen Wertes.

8.303

Abwandlung: Das Einfamilienhaus wurde im Mai 2021 um eine neue Etage aufgestockt, welche ebenfalls Wohnzwecken dient und die Wohnfläche um 120 m2 erweitert. Das Erdgeschoss wurde umgebaut und dient nun nicht mehr Wohnzwecken, sondern wird als Ladenlokal genutzt. Hier wurden die maßgeblichen Verhältnisse verändert, sodass der Kaufpreis nicht mehr als niedriger gemeiner Wert dienen kann.

Ist ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen, so kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind. Regelmäßig bestehen keine Bedenken, diesen Wert ohne Wertkorrekturen als Grundbesitzwert festzustellen.167

8.304

4. Verhältnis der Nachweise untereinander Bisher in der BFH-Rechtsprechung unbeantwortet ist die Frage, ob der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes mittels Sachverständigengutachten auch dann möglich ist, wenn ein Kaufpreis aus einem zeitnahen Verkauf des zu bewertenden Grundstücks vorliegt.168

8.305

Für den Fall, dass im Rahmen des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts gleichzeitig ein zeitnah zum Bewertungsstichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommener Kaufpreis und ein Sachverständigengutachten vorliegen, bestehen keine Bedenken, als Grundbesitzwert den Kaufpreis festzustellen. Der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbarte bzw. erzielte Kaufpreis liefert den sichersten Anhaltspunkt für den gemeinen Wert.169

8.306

Hieraus drängt sich die Frage auf, ob der Nachweis des niedrigen gemeinen Wertes mittels eines Kaufpreises vorrangig vor dem Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes mittels eines Sachverständigengutachtens zu berücksichtigen ist, auch wenn das Sachverständigengutachten einen unter dem Kaufpreis liegenden und somit für den Steuerpflichtigeren günstigeren Grundbesitzwert ausweist.

8.307

Beispiel 33: Der Steuerpflichtige beauftragte einen Sachverständigen mit einem Immobilienwertgutachten nach ImmoWertV für sein Mietwohnhaus. Der Sachverständige bewertete das Wohnhaus zum Bewertungsstichtag 1.7.2021 mit einem gemeinen Wert i.H.v. 1.500.000 Euro. Zum 31.12.2021 veräußert der Steuerpflichtige das Mietwohnhaus an X für 1.700.000 Euro.

8.308

167 Vgl. R B 198 Abs. 4 Satz 2 f. ErbStR 2019. 168 S. hierzu auch Lorenz, ZEV 2020, 474-478. 169 Vgl. H B 198 „Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch zeitnahen Kaufpreis“ ErbStH; BFH, Urt. v. 2.7.2004 – II R 55/01, BStBl. II, 703.

Engelberth/Möller | 957

Kap. 8 Rz. 8.309 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.309 Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich in der Wahl seiner Mittel zum Nachweis des gemeinen Wertes frei.170 Zwischen dem Nachweis mittels Gutachten oder einem zeitnahen Kaufpreis besteht folglich gerade keine Hierarchie.171 8.310 In zwei Fällen entschieden die Finanzgerichte172 den Kaufpreis vorrangig gegenüber dem unter dem Kaufpreis liegenden Wertnachweis des Sachverständigengutachtens zu berücksichtigen. 8.311 Die beiden Urteile sind dahingehen kritisch zu betrachten, da die Norm des § 198 BewG dem Sinn und Zweck dient, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, selbst wenn ein zeitnaher Verkauf vorliegt.173 8.312 Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Steuerpflichtige bestmöglich beraten, auf einen Verkauf innerhalb eines Jahres nach dem Bewertungsstichtag zu verzichten.174 III. Novellierte ImmoWertV 2021 1. Einordnung und Bewertungsmaßstab

8.313 Die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) stellt die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien in Deutschland dar. Dabei ist der Verkehrswert als Bewertungsmaßstab der ImmoWertV wie folgt definiert: „Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“ (§ 194 BauGB).

8.314 Der Verkehrswert ist als ein Tauschwert zu verstehen, der im allgemeinen Geschäftsverkehr vermutlich erzielt werden kann.175 Zwar ist der Verkehrswert nicht mit dem tatsächlich erzielten Preis gleichzusetzen, aber eine Vielzahl an gezahlten Kaufpreisen hat eine objektivierende Wirkung. Im Gegensatz zur tatsächlichen Preisbildung wird aber bei der Verkehrswertermittlung von ungewöhnlichen und persönlichen Verhältnissen wie Zeitdruck oder Zwang abstrahiert.176

170 BFH, Urt. v. 2.7.2004 – II R 55/01, BStBl. II 2004, 703. 171 Vgl. Lorenz, ZEV 2020, 476. 172 FG Berlin-Brandenburg v. 15.9.2010 – 3 K 3232/07, DStZ 2011, S. 144 Nr. 5; Niedersächsischen Finanzgericht v. 6.9.2018 – 1 K 68/17, DStR 2019, S. 8 Nr. 15. 173 Vgl. auch Lorenz, ZEV 2020, 478. 174 Vgl. auch Lorenz, ZEV 2020, 478. 175 Vgl. Leopoldsberger/Thomas/Naubereit in Schulte, S. 461. 176 Vgl. Kleiber in Rehkugler/Francke, S. 263.

958 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.318 Kap. 8

Insbesondere im Zusammenhang steuerlicher Bewertungsanlässe nimmt die ImmoWertV eine zentrale Rolle ein. Einerseits unmittelbar durch die Öffnungsklausel den gutachterlichen Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts mittels Gutachten nach ImmoWertV darlegen zu können (vgl. auch Rz. 8.287 ff.)177 und andererseits mittelbar dadurch, dass der Gesetzgeber bei der steuerlichen Bewertung auf ausgewählte Bewertungsparameter der ImmoWertV (z.B. Bodenrichtwert) abstellt, die den Finanzämtern nach § 193 Abs. 5 Satz 3 BauGB mitgeteilt werden. Auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen gilt die ImmoWertV als anerkannter Standard und ist zumeist die einschlägige Referenz.178

8.315

Dass die steuerlichen Bewertungsregeln durch das JStG 2022 ein Jahr nach der Novellierung der ImmoWertV 2021 überarbeitet werden, ist kein Zufall. Auch wenn der steuerliche Bewertungsansatz für sich steht, ist dieser Ansatz ein „Derivat“ der ImmoWertV. Bei der Einführung der steuerlichen Bewertungsverfahren (§§ 182 bis 196 BewG) hat sich der Gesetzgeber an den Grundsätzen der Verkehrswertermittlung orientiert.

8.316

Ursprünglich war damals vorgesehen, den Ansatz der Grundstücke lediglich mit dem gemeinen Wert (vgl. § 9 BewG) vorzuschreiben und auf besondere Bewertungsvorschriften prinzipiell zu verzichten. Stattdessen sollte die erneuerte steuerliche Bewertung auf die Vorschriften der Verkehrswertermittlung (auf Basis der ImmoWertV) zurückgreifen. Schlussendlich entschied sich damals der Gesetzgeber für eine light Version der ImmoWertV. Um einerseits die steuerliche Bewertung von Detailregelungen zu entlasten und andererseits eine Wertermittlung ohne eine Ortsbesichtigung und ein Sachverständigengutachten zu ermöglichen, wurden zahlreiche Erleichterungen und Typisierungen vorgenommen.179

8.317

Grundsätzlich sind zwei Parteien im Kontext der ImmoWertV zu unterscheiden. Einerseits die Gutachterausschüsse, die die erforderlichen Daten für die Wertermittlung ableiten und veröffentlichen sowie anderseits die Sachverständigen, die die Bewertungen durchführen.180 So erläutert die ImmoWertV einerseits wie die Verfahrensgrundsätze und -schritte der Immobilienbewertung (Sachverständige) sind und andererseits wie bei der Ableitung der erforderlichen Daten vorzugehen ist (Gutachterausschüsse). Die nachfolgenden Ausführungen sind vorwiegend auf die Aspekte der Immobilienbewerter abgestellt, allerdings gibt es Interdependenzen auf die bei Bedarf punktuell eingegangen wird.

8.318

177 178 179 180

Vgl. § 198 BewG i.V.m. § 199 Abs. 1 BauGB. Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 86. Vgl. Möller in FS Sigloch, S. 941 ff. Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 86.

Engelberth/Möller | 959

Kap. 8 Rz. 8.319 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

2. Wesentliche Neuerungen durch die ImmoWertV 2021 a) Überblick

8.319 Aus finanzieller Sicht hat sich durch die Neuordnung der ImmoWertV keine Änderungen ergeben. So hat keine Wertverschiebung in den Wertansätzen der Bewertungsobjekte eingesetzt. Es gilt, dass bei richtiger Anwendung der Bewertungsstandards, das Bewertungsergebnis stets die Verhältnisse auf dem Immobilienmarkt widerspiegelt. 8.320 Vielmehr handelt es sich bei den Änderungen vornehmlich um formelle Änderungen (wie z.B. neue Begrifflichkeiten), einheitliche Vorgaben oder geschlossene und nachvollziehbare Vorgehensweisen (wie z.B. Gesamtnutzungsdauer, Bewirtschaftungskosten, Verfahrensgrundnorm). Folgende Neuerung sind im Kontext der steuerlichen Bewertungsanlässe von besonderer Bedeutung und werden im Detail beleuchtet: – Verfahrensauswahl und Verfahrensgrundnorm, – Grundsatz der Modellkonformität, – erforderliche Daten und ihre Eignung. b) Verfahrensauswahl und Verfahrensgrundnorm

8.321 Wie ihre Vorgängerin stellt auch die ImmoWertV 2021 primär auf den Vergleichs-, Ertrags- sowie Sachwert ab.181 Bei der Wahl des Bewertungsverfahrens besteht nach ImmoWertV weitestgehend Freiheit: Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Eignung der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen.182

8.322 Allerdings ist die Anwendung der normierten Verfahren nach ImmoWertV 2021 nicht mehr zwingend, sondern nur noch grundsätzlich vorgegeben. Neben den genannten – normierten – Verfahren, können auch nicht normierte Ansätze verwendet werden. 8.323 Bewertungsverfahren wie das Discounted Cashflow-Verfahren (DCF) oder die Residualwertmethode (Bauträgermethode), deren Verfahrensablauf nicht Gegenstand der ImmoWertV sind und für deren Modellansätze auch keine expliziten Verfahrensvorgaben existieren, können im Kontext der ImmoWertV verwendet werden. In diesen Fällen besteht kein Bedarf einer Kontrollrechnung. Es ist nicht erforderlich neben dem nicht normierten Verfahren gleichfalls ein normiertes Verfahren anzuwenden.

181 Vgl. § 6 Abs. 1. ImmoWertV. 182 Vgl. § 6 Abs. 1 ImmoWertV.

960 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.325 Kap. 8

Jedoch stellt die Wahl eines nicht normierten Verfahrens eine Ausnahme dar; die besonders zu begründen ist.183 Für alle normierten Verfahren gibt es eine Vorgabe der wesentlichen Verfahrensschritte. Diese Verfahrensgrundnorm legt die allgemeine Struktur fest und bestimmt die Reihenfolge der Verfahrensschritte. vorläufiger Verfahrenswert (ggf.) Marktanpassung marktangepasster vorläufiger Verfahrenswert

(ggf.) Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

Verfahrenswert

vorläufiger Vergleichswert

vorläufiger Ertragswert

vorläufiger Sachwert

ggf. Marktanpassung

marktangepasster vorläufiger Vergleichswert

8.324

Marktanpassung

marktangepasster vorläufiger Ertragswert

marktangepasster vorläufiger Sachwert

ggf. Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

Vergleichswert

Ertragswert

Sachwert

Verkehrswert Abb. 9: Ablaufschemata zu den einzelnen Wertermittlungsverfahren184

In diesem Zusammenhang wird unterschieden zwischen allgemeinen Wertverhältnissen (Marktanpassung) und besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen (boG).185 Die allgemeinen Wertverhältnisse (Marktanpassung) werden vom Grundsatz in den Verfahren wie folgt berücksichtigt:

183 Vgl. 6.(1).1. ImmoWertA. 184 Entnommen aus 6.(3).2. ImmoWertA. 185 Vgl. § 6 Abs. 2 ImmoWertV.

Engelberth/Möller | 961

8.325

Kap. 8 Rz. 8.325 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Allgemeinen Wertverhältnissen (Marktanpassung)

Vergleichswert

Ertragswert

Sachwert

Durch den Ansatz von: – Vergleichspreisen, – Vergleichsfaktoren – Indexreihen

Durch den Ansatz von: – marktüblich erzielbaren Erträgen – Liegenschaftszinssätzen

Durch den Ansatz von: – Sachwertfaktoren

Bei Ermittlung: – des vorläufigen Verfahrenswerts

Bei Ermittlung: – des vorläufigen Verfahrenswerts

Bei Ermittlung: – des marktangepassten vorläufigen Verfahrenswerts

Abb. 10: Berücksichtigung der allgemeinen Wertverhältnisse186

8.326 Falls die Bewertungsparameter die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt nicht vollumfänglich erfassen, haben ergänzende Marktanpassungen durch Zu- und Abschläge zu erfolgen.187 Eine Marktanpassung ist im Sachwertverfahren stets erforderlich, im Vergleichs- und Ertragswertverfahren je nach Einzelfall notwendig, wenn die Bewertungsparameter (z.B. Liegenschaftszinssatz) aus zurückliegenden Zeiträumen stammen und daher die aktuelle Marktlage nicht angemessen abbilden.188 8.327 Im Weiteren sind die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale zu beachten. Dabei sind die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale zunächst von den allgemeinen Grundstücksmerkmalen abzugrenzen. Allgemeine Grundstücksmerkmale sind wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale, die hinsichtlich Art und Umfang auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt regelmäßig auftreten. Ihr Werteinfluss wird bei der Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts berücksichtigt.189

8.328 Hierzu zählen Aspekte wie Lage, Ausstattung oder Zustand.190 Sie werden im Liegenschaftszinssatz, Vergleichsfaktor und Sachwertfaktor abgebildet. Es handelt sich um Merkmale, die auch die Vergleichsgrundstücke aufweisen, die in den Liegenschaftszinssatz, Vergleichsfaktor und Sachwertfaktor eingeflossen sind.191

186 187 188 189 190 191

Eigene Abbildung, s. hierzu § 7 Abs. 1 ImmoWertV. Vgl. § 7 Abs. 2 ImmoWertV. S. hierzu zu 7.2. ImmoWertA. § 8 Abs. 2 ImmoWertV. Vgl. Bischoff, ImmoWertV 2021, 60. Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 640 f.

962 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.332 Kap. 8 Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale, die nach Art oder Umfang erheblich von dem auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt üblichen oder erheblich von den zugrunde gelegten Modellen oder Modellansätzen abweichen.192

Die ImmoWertV zählt als mögliche besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale folgende Aspekte auf: Besondere Ertragsverhältnisse, Baumängel und Bauschäden, Liquidationsobjekte, Bodenverunreinigungen, Bodenschätze sowie grundstücksbezogene Rechte und Belastungen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.193 Falls diese Faktoren nicht schon anderweitig berücksichtigt worden sind, haben Zu- oder Abschläge auf den ermittelten Verfahrenswert zu erfolgen.194

8.329

Die Aufteilung in allgemeine Grundstücksmerkmale versus besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale erfolgt für den Einzelfall und muss stets die Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt beachten. So kann das ein und dasselbe Grundstücksmerkmal je nach Gegebenheiten auf dem Grundstücksmarkt unterschiedlich zugeordnet werden.195

8.330

c) Grundsatz der Modellkonformität Zentraler und neu aufgenommener Grundsatz der novellierten ImmoWertV ist die Modellkonformität.196 Obwohl dieser allgemeine Grundsatz schon seit einigen Jahren in der Bewertungspraxis Einzug erhalten hat, fehlte bislang eine verbindliche Regelung, aus der sich ein Geltungsanspruch ableiten lässt.197 Primäres Ziel der Modellkonformität ist, eine Verbesserung der Genauigkeit in den Bewertungen zu erzielen.

8.331

Um den Grundsatz der Modellkonformität und seine Wirkungsweise anschaulich darzulegen, ist nochmals auf die schon beschriebene Zielgruppe der ImmoWertV und ihre Funktion einzugehen. Auf der einen Seite gibt es die Gutachterausschüsse, die die Kaufpreissammlungen führen und die erforderlichen Daten für die Wertermittlung zur Verfügung stellen (vgl. § 193 Abs. 5 BauGB). Bei der Veröffentlichung der Daten ist der Gutachterausschuss angehalten offenzulegen, welcher Modellansatz, Modell und Bezugseinheit sowie weitere Informationen verwendet wurden (sog. Modellbeschreibung). Die ImmoWertV führt an dieser Stelle folgende Aspekte bei der Modellbeschreibung auf: Stichtag, sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich, Datengrundlage, Beschreibung der Stichprobe, Beschreibung der Ermittlungsmethodik, Beschreibung der verwendeten Parameter und der zugrunde gelegten Bezugseinheiten sowie sonstige Selektionsparameter.198

8.332

192 193 194 195 196 197 198

§ 8 Abs. 3 Satz 1 ImmoWertV. S. hierzu 8.(3).7 ImmoWertA. Vgl. § 8 Abs. 3 ImmoWertV. S. hierzu 8.1. ImmoWertA. Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 90. Vgl. Bobka, Der Immobilienbewerter 2020, 6. Vgl. § 12 Abs. 6 ImmoWertV.

Engelberth/Möller | 963

Kap. 8 Rz. 8.333 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.333 Demgegenüber greift der Bewerter bei der Durchführung seiner Wertermittlung auf die veröffentlichten Bewertungsparameter zurück, die der örtliche Gutachterausschuss erhoben hat. In diesem Zusammenhang schreibt die ImmoWertV vor, dass „bei der Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten sind dieselben Modelle und Modellansätze zu verwenden, die der Ermittlung dieser Daten zugrunde lagen (Grundsatz der Modellkonformität).“199 8.334 Es wird prinzipiell eine Verwendung identischer Modellansätze bei Ableitung und Anwendung gefordert.200 Das Bewertungsmodell, in dem die Daten angewendet werden, muss so aufgebaut sein, wie das anfängliche Erhebungsverfahren, mit dessen Hilfe die Ableitung der Daten erfolgte. Wird z.B. im Rahmen des Ertragswertverfahren der Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschusses herangezogen, so hat der Bewerter die zugrundeliegenden modellkonformen Bewirtschaftungskosten heranzuziehen. Weichen die beiden Ansätze voneinander ab, sind Anpassungen in den Bewertungsparametern des Bewertungsmodel vorzunehmen, um eine schlüssige Überleitung herzustellen. Im Falle abweichender Bewirtschaftungskosten finden zunächst die „modellkonformen“ Bewirtschaftungskosten des Gutachterausschusses Anwendung und der erhöhte/verminderte marktübliche Bewirtschaftungsaufwand ist als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal zu erfassen.201 8.335 Abschließend ist hervorzuheben, das der Grundsatz der Modellkonformität nicht die Anwendung bestimmter Modellansätze fordert. Es ist ein übergeordnetes Prinzip, das es erlaubt, im konkreten Bewertungsfall auch Wertansätze außerhalb der einheitlichen Vorgaben der ImmoWertV zu verwenden. Allerdings bedingt die sachgerechte Verwendung anderer Datenquellen die vollumfängliche Kenntnis der Grundlagen und Modelle der Datenauswertung.202 d) Erforderliche Daten und ihre Eignung

8.336 Eine weitere Neuerung der ImmoWertV 2021 ist die Forderung nach Eignung der erforderlichen Daten. Zu den erforderlichen Daten gehören dabei einerseits die Bodenrichtwerte und andererseits die sonstigen für die Wertermittlung erforderliche Daten (Indexreihen, Umrechnungskoeffizienten, Vergleichsfaktoren, Liegenschaftszinssätze, Sachwertfaktoren, Erbbaurechts- und Erbbaugrundstücksfaktoren sowie Erbbaurechts- und Erbbaugrundstückskoeffizienten). Diese erforderlichen Daten werden mittels Kaufpreissammlung auf Basis ausreichender Anzahl geeigneter Kaufpreise bestimmt.203

199 § 10 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV. 200 Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 807. 201 Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 92; Schaper/Moll-Amrein, Wertermittlungsverfahren 2016, S. 233. 202 Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 90; Bischoff, ImmoWertV 2021, S. 66. 203 Vgl. § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ImmoWertV.

964 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.340 Kap. 8

Diese erforderlichen Daten sind für den einzelnen Bewertungsfall nur geeignet, wenn sie die folgenden drei Kriterien erfüllen:

8.337

– Aktualität in Bezug auf den maßgeblichen Stichtag vorhanden, – Repräsentativität zum relevanten Grundstücksmarkt zutreffend abgebildet und – Anpassungsfähigkeit – falls Abweichungen (in allgemeinen Wertverhältnissen und Grundstücksmerkmalen) vorhanden sind.204 Für den Immobilienbewerter gilt stets, dass er die Daten nicht ungeprüft übernehmen kann. Er ist verpflichtet zur konkreten Prüfung. Eine bloße Nennung der Datenquelle ist unzureichend. Vielmehr muss sich der Bewerter zunächst einen Überblick über die verfügbaren Datenquellen machen. Anschließend ist zu klären, ob die Daten ausreichend beschrieben sind, um eine Eignungsprüfung vornehmen zu können (Modellbeschreibung). Aufbauend kann die Eignungsprüfung anhand der drei Kriterien (Aktualität, Repräsentativität und Anpassungsfähigkeit) erfolgen. Zum Abschluss wird die geeignetste Datenquelle für die Bewertung herangezogen.205

8.338

Prinzipiell gibt es keine Vorrangigkeit einer bestimmten Datenquelle. Es gibt keinen Grundsatz, dass nur Gutachterausschüsse geeignete Daten erheben.206 Allerdings gilt gemäß ImmoWertA für den Regelfall folgende Rangfolge für die Wahl der Quelle:

8.339

1.) Vorrangig sind die Daten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses zu verwenden. 2.) Stehen beim örtlich zuständigen Gutachterausschuss keine geeigneten Daten zur Verfügung, können Daten von anderen Gutachterausschüssen und Stellen nach § 198 BauGB (Obere Gutachterausschüsse und Zentrale Geschäftsstellen) herangezogen werden. 3.) Stehen weder beim örtlichen Gutachterausschuss noch bei anderen Gutachterausschüssen geeignete Daten zur Verfügung, können auch Kaufpreise und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten aus anderen Quellen herangezogen werden.207

Als Hauptargumente für die Eignung der Daten der Gutachterausschüsse wird deren Selbstständigkeit und Unabhängigkeit angeführt sowie der Umstand betont, dass sie infolge der Übermittlungspflicht der Kaufverträge, ein umfassendes Bild über das Marktgeschehen besitzen.208 In der Bewertungspraxis leiden die Daten der Gutachterausschüsse unter einem Aktualitätsproblem. Einerseits werden die Daten noch nicht Mal jährlich aktualisiert. Andererseits sind nicht genügend aktuelle Vergleichswerte vorhanden, so dass oftmals ein durchschnittlicher Wert aus den vergangenen Jahre errechnet bzw. fortgeführt wird.209

204 205 206 207 208 209

Vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV. Vgl. Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 91. Vgl. Drießen, immobilien & bewerten (Teil 2), 6; Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 91. 9.(3).1 Satz 1 ImmoWertA. Vgl. 9.(3).1 Satz 2 bis 4 ImmoWertA. Vgl. Geppert/Werling, S. 28; Ache/Krägenbring/Voß, zfv 2022, 91 f.

Engelberth/Möller | 965

8.340

Kap. 8 Rz. 8.341 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.341 Liegen keine Daten vor, kann eine sachverständige Schätzung erfolgen. Diese Schätzung ist jedoch zu dokumentieren.210 Ausgehend vom Umstand, dass gelegentlich diese Schätzungen auf langfristige Expertise beruhen, für die keine umfangreiche und vor allem schriftlich ausgearbeitete Dokumentation existiert, könnte diese Anforderung ein Auslöser für gerichtliche Auseinandersetzungen werden.211 3. Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 a) Überblick

8.342 Im nachfolgenden werden die normierten Bewertungsverfahren der ImmoWertV – Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren – skizziert. b) Vergleichswert aa) Konzept und Varianten

8.343 Unter der Voraussetzung, dass genügend Transaktionen zur Verfügung stehen, gilt das Vergleichswertverfahren als einfachste, zuverlässigste und überzeugendste Methode der Verkehrswertermittlung.212 Beim Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert durch das Heranziehen von tatsächlich am Markt realisierten Kaufpreisen für vergleichbare Immobilien bestimmt. Grundlegende Voraussetzung für den Einsatz des Vergleichswertverfahrens ist die hinreichende Übereinstimmung der wertrelevanten Charakteristika.213 Das Verfahren wird insbesondere zur Bodenwertermittlung von unbebauten und bebauten Grundstücken eingesetzt.214 8.344 Die ImmoWertV unterscheidet zwischen unmittelbaren Vergleichswertverfahren (Vergleichspreise mit statistischer Auswertung) und mittelbaren Vergleichswertverfahren (Vergleichsfaktor und Bodenrichtwert).215 Im Folgenden werden die beiden Vergleichsansätze beschrieben.

210 211 212 213 214 215

Vgl. § 9 Abs. 3 ImmoWertV. Vgl. Bischoff, ImmoWertV 2021, 64. Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1026 f. Vgl. § 25 ImmoWertV. Vgl. § 40 ImmoWertV i.V.m. § 24 ImmoWertV. Vgl. § 24 Abs. 2 ImmoWertV i.V.m. 24.2 ImmoWertA.

966 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.344 Kap. 8

bb) Unmittelbares Vergleichswertverfahren

1

3

5

2

Ermittlung der Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale des Bewertungsobjekts

4

Anpassung mit Umrechnungskoeffizient bei Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale

Beschaffung (Ver-)Kaufspreise ähnlicher Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale Anpassung mit Indexreihe auf Bewertungsstichtag

Bereinigungen wegen a) ungewöhnliche oder b) persönliche Verhältnisse

1. Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts

Unmittelbares Vergleichswertverfahren

Mittelwert bilden × Bezugsgröße von Bewertungsobjekt = vorläufiger Vergleichswert

ggf. Marktanpassung = marktangepasster vorläufiger Vergleichswert −/+ boG Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

2. Anpassungen und Ergänzungen

×

= Vergleichswert

Abb. 11: Ablaufschemata des unmittelbaren Vergleichswertverfahrens

Engelberth/Möller | 967

Kap. 8 Rz. 8.345 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.345 Bei der unmittelbaren Vergleichsbewertung wird der Verkehrswert der zu bewertenden Immobilie idealtypisch direkt aus den realisierten Kaufpreisen vergleichbarer Objekte errechnet. Hierfür werden im ersten Schritt die wertrelevanten Charakteristika des Bewertungsobjekts bestimmt. Typische wertrelevante Merkmale sind die Lage, der Entwicklungszustand, die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzbarkeit, die Bodenbeschaffenheit, die Größe, die Grundstücksgestalt und der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand. Bei bebauten Grundstücken sind zudem die Gebäudeart, der bauliche Zustand, die Wohn- oder Nutzfläche, die energetischen Eigenschaften, das Baujahr und die Restnutzungsdauer relevant.216 8.346 Im nächsten Schritt sind die Kaufpreise der Vergleichsobjekte zu bestimmen. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die Bewertung auf einer ausreichenden Anzahl an Vergleichsobjekten beruhen muss. Je größer die Anzahl an Referenzobjekten ist, desto geringer ist das Risiko einer Fehlbewertung. Voraussetzung für die Anwendung des unmittelbaren Vergleichswertverfahrens ist somit eine ausreichende Anzahl an Kaufpreisen von vergleichbaren Objekten. 8.347 Insbesondere die Gutachterausschüsse, die sämtliche Grundstückskaufverträge in Kopie erhalten, können mit ihren Auskünften dem Bewerter weiterhelfen. Neben der hinreichenden Übereinstimmung des Grundstückszustands bzw. der Gebäudeart, muss die zeitliche Nähe zwischen Verkaufsstichtag und Bewertungsstichtag gegeben sein (sog. hinreichende Übereinstimmung des Vertragszeitpunktes). 8.348 Da sich in der täglichen Wertermittlungspraxis kaum Vergleichsfälle finden lassen, ist im Umkehrschluss eine Vergrößerung des Kaufpreismaterials oftmals erforderlich. Die Anforderungen bzgl. hinreichender Übereinstimmung werden aufgeweicht. Um jedoch sicherzustellen, dass Gleiches mit Gleichem verglichen wird, müssen Anpassungsmaßnahmen vorgenommen werden. Die ImmoWertV nennt in diesem Zusammenhang zwei Anpassungsmaßnahmen. Bei Abweichungen der allgemeinen Wertverhältnisse sind die Daten durch geeignete Indexreihen oder in anderer Weise an die Wertverhältnisse am Wertermittlungsstichtag anzupassen. Wertbeeinflussende Abweichungen der Grundstücksmerkmale des Wertermittlungsobjekts sind durch geeignete Umrechnungskoeffizienten, durch eine Anpassung mittels marktüblicher Zu- oder Abschlägen oder in anderer Weise zu berücksichtigen.217

8.349 Je weitreichender die Anpassungen sind, die der Gutachter an den ausgewählten Kaufpreisen vornimmt, desto mehr stellt sich die Frage, bis zu welchem Grad der Verschiedenartigkeit Unterschiede durch diese Vorgehensweise kompensiert werden können. Hohe Kaufpreiskorrekturen lassen augenscheinlich nur den Rückschluss zu, dass in diesen Fällen selbst von einer eingeschränkten Vergleichbarkeit kaum gesprochen werden kann.

216 Vgl. 25.1. ImmoWertA. 217 Vgl. § 9 Abs. 1 ImmoWertV.

968 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.353 Kap. 8

Ferner ist aufzupassen, dass die Kaufpreise nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst sind. Insbesondere Transaktionen unter Zwang, Zeitdruck oder besonderer Interessenswahrung fallen in diese Kategorie. Diese Kaufverträge sind nicht unmittelbar aus einer Kaufpreissammlung ersichtlich. Vielmehr ist eine tiefergehende Analyse erforderlich, um etwaige Ausreißer zu identifizieren.218 Erhebliche Abweichung liegen vor, wenn sie nicht mehr mit „normalen“ Preisschwankungen erklären lassen. Je nach betrachteten Immobilienteilmarkt fallen jedoch die „normalen“ Schwankungen unterschiedlich hoch aus. Allerdings sind Abweichungen bei den Vergleichspreisen in der Bandbreite von +/- 15 % vom Mittelwert gemäß Anwendungshinweis der ImmoWertV keine erhebliche Abweichung.219

8.350

Durch Bildung des arithmetischen Mittels aus den Kaufpreisen gelangt der Bewerter zum vorläufigen Vergleichswert. Um weiterhin zum gesuchten Vergleichswert zu gelangen, sind anschließend nur die besonderen objektspezifischen Grundstückmerkmale (wie z.B. besondere Ertragsverhältnisse oder grundstücksbezogene Rechte) zu beachten.

8.351

cc) Mittelbares Vergleichswertverfahren Liegen nicht genügend hinreichend übereinstimmende Vergleichsfälle vor oder kann die Übereinstimmung nicht durch entsprechende Korrekturmaßnahmen erreicht werden, steht dem Gutachter die mittelbare Vergleichsbewertung offen. Die Wertermittlung erfolgt in diesen Fällen mit Hilfe von Bodenrichtwerten oder Vergleichswertfaktoren bei bebauten Grundstücken.

8.352

Bodenrichtwerte

8.353

Unter Bodenrichtwerten werden nach BauGB durchschnittliche Lagewerte für Grund und Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands verstanden. Sie werden unter der Fiktion ermittelt, dass keine Bebauung stattgefunden hat. Dabei werden sie alle zwei Jahre vom Gutachterausschuss ermittelt (vgl. § 196 Abs. 1 BauGB).

218 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 22 f. 219 Vgl. 9.(2).2 ImmoWertA.

Engelberth/Möller | 969

Kap. 8 Rz.8.354 | Bemessungsgrundlage und Bewertung 8.354

1

3

2

Ermittlung der Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale des Bewertungsobjekts

4

Anpassung mit Umrechnungskoeffizient bei Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale

Beschaffung Bodenrichtwert ähnlicher Lage- und Nutzbarkeitsmerkmale Anpassung mit Indexreihe auf Bewertungsstichtag

objektspezifisch angepasster Bodenrichtwert (EUR/m2) ×

1. Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts

Mittelbares Vergleichswertverfahren – Bodenrichtwert

Grundstücksfläche = vorläufiger Vergleichswert

ggf. Marktanpassung = marktangepasster vorläufiger Vergleichswert −/+ boG Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale = Vergleichswert

Abb. 12: Ablaufschemata des mittelbares Vergleichswertverfahren – Bodenrichtwert

970 | Engelberth/Möller

2. Anpassungen und Ergänzungen

×

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.357 Kap. 8

Der Bodenrichtwert drückt den Quadratmeterpreis der Grundstücksfläche eines Bodenrichtwertgrundstücks aus. Dabei weist das Bodenrichtwertgrundstück keine Grundstücksmerkmale auf, die nur im Rahmen einer Einzelbegutachtung ermittelt werden können (wie z.B. privatrechtliche, öffentlich-rechtliche und tatsächliche Besonderheiten).220

8.355

In diesem Kontext muss darauf hingewiesen werden, dass der Bodenrichtwert nicht mit dem Verkehrswert unbebauter Grundstücke gleichzusetzen ist. Auch wenn identische Lage und Nutzungsverhältnisse existieren, erfasst nur der Verkehrswert besondere Grundstückseigenschaften.221 Im Kontrast dazu stellt der Bodenrichtwert auf typische Bedingungen ab, die für den Durchschnitt des betreffenden Gebietes gelten. Die wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks werden in der Anlage 5 der ImmoWertV spezifiziert.222 Die Berechnungen der Bodenrichtwerte nimmt der örtliche Gutachterausschuss auf der Grundlage von Kaufpreissammlungen vor (vgl. § 193 Abs. 5 BauGB).

8.356

Neben der Lage ist für den Bodenwert auch die bauliche Ausnutzung des Baugrundstücks relevant. Hierbei fällt der wertrelevanten Geschossflächenzahl (WGFZ) als Maß der baulichen Nutzung eine besondere Rolle zu. Sie drückt das Verhältnis zwischen Grundstücksgröße und wertrelevanten Geschoßfläche aus. Eine WGFZ von 1,0 bedeutet, dass 100 % der Grundstücksfläche als wertrelevante Geschoßfläche auf dem Baugrundstück realisiert werden soll bzw. bereits vorhanden ist.223 Unterschiede im Maß der baulichen Nutzung bzw. Nutzbarkeit zwischen Bodenrichtwertgrundstück und Bewertungsobjekt haben Wertrelevanz.

8.357

220 Vgl. § 16 Abs. 1 ImmoWertV. 221 Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1096 f.; Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 30 f. 222 Vgl. § 16 Abs. 3 ImmoWertV i.V.m. Anlage 5 ImmoWertV. 223 Für weitere Erläuterungen zu WGFZ und GFZ s. Sprengnetter/Kierig/Drießen, Das 1x1 der Immobilienbewertung, S. 89 ff.

Engelberth/Möller | 971

Kap. 8 Rz. 8.357 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Beispielhafte Anwendung der WGFZ als Umrechnungskoeffizienten Bodenrichtwert (€/m2) 0,4

0,6

0,8

wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ) 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6

200

0,88 0,93 0,97 1,00 1,03 1,05 1,07 1,08 1,10 1,11

250

0,79 0,88 0,94 1,00 1,05 1,09 1,13 1,17 1,20 1,23 1,26

300

0,71 0,83 0,92 1,00 1,07 1,13 1,19 1,24 1,29 1,34 1,38 1,43

2,8 3,0

350

0,80 0,91 1,00 1,08 1,16 1,23 1,30 1,36 1,42 1,47 1,52 1,58

400

0,77 0,89 1,00 1,10 1,18 1,27 1,35 1,42 1,49 1,56 1,62 1,68

450

0,88 1,00 1,11 1,21 1,31 1,40 1,48 1,57 1,64 1,72 1,79 1,86

500

0,87 1,00 1,12 1,24 1,34 1,45 1,55 1,64 1,73 1,82 1,90 1,98

Ausgangsbedingung – Bodenrichtwert: 380 €/m2 bei einer WGFZ von 1,2 – Bewertungsobjekt: WGFZ von 1,6 – gesucht: angepasster Bodenwertrichtwert mit WGFZ des Bewertungsobjekts – Umrechnungskoeffizient für WGFZ 1,2 = 1,09 (siehe Tabelle 1,08 bis 1,10) – Umrechnungskoeffizient für WGFZ 1,6 = 1,25 (siehe Tabelle 1,23 bis 1,27) 380 €/m2 ×

1,25 = 435 1,09

Abb. 13: Beispielhafte Anwendung der WGFZ beim Bodenrichwert als Umrechnungskoeffizienten224

8.358 Zur Verkehrswertermittlung wird der objektspezifisch angepasste Bodenrichtwert benötigt. Dieser Wert ist an die Gegebenheiten des Wertermittlungsobjekts angepasst. Die Anpassung erfolgt mittels Umrechnungskoeffizienten. Sind weitere besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind diese durch Zu- und Abschläge zu beachten.225 8.359 Vergleichswertfaktoren Aufgrund der Tatsache, dass der unmittelbare Preisvergleich bei bebauten Grundstücken kaum realisierbar ist, wird vielfach auf Vergleichsfaktoren der Gutachterausschüsse ausgewichen (vgl. § 193 Abs. 5 Nr. 5 BauGB). Da der Immobilienwert dem Vielfachen einer gewählten Bezugsgröße entspricht, wird in diesem Fall auch vom Vervielfältiger gesprochen, der den Quotient aus Kaufpreis und Bezugsgröße der Ver224 Beispiel entnommen Anhang 1 der ImmoWertA. 225 Vgl. § 26 Abs. 2 ImmoWertV.

972 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz.8.360 Kap. 8

gleichsobjekte darstellt.226 Der realisierte Kaufpreis der Vergleichsimmobilien wird auf das Bewertungsobjekt übertragen. 8.360

1

3

2

Bewertungsobjekt in eine Gebäudekategorie einordnen

Ermittlung des durchschnittlichen Vergleichsfaktors der Gebäudekategorie

Anpassung mit Umrechnungskoeffizient bei Lage- und Nutzbarkeitsmerkmalen

Vergleichsfaktoren a) Gebäudefaktor b) Ertragsfaktor

1. Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts

Mittelbares Vergleichswertverfahren – Vergleichsfaktoren

× Bezugsgröße von Bewertungsobjekt = vorläufiger Vergleichswert

ggf. Marktanpassung = marktangepasster vorläufiger Vergleichswert −/+ boG Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

2. Anpassungen und Ergänzungen

×

= Vergleichswert

Abb. 14: Ablaufschemata des mittelbares Vergleichswertverfahrens – Vergleichsfaktoren

226 Vgl. Bischoff, Grundstückswertermittlung, S. 57.

Engelberth/Möller | 973

Kap. 8 Rz. 8.361 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.361 Die Vergleichsfaktoren sind empirisch abgeleitete Vervielfältiger. Mit Hilfe der Kaufpreissammlungen werden sie für verschiedene Kategorien bebauter Grundstücke von den Gutachterausschüssen berechnet und veröffentlicht. Als durchschnittlicher Wert einer Vielzahl an Transaktionen geben sie an, dass wie vielfache bei der zugrunde gelegten Transaktion für die betreffende Bezugsgröße gezahlt wurde.227 8.362 Typische Gebäudekategorien, die bei der Berechnung der Vergleichsfaktoren gebildet werden, sind Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser oder auch Bürogebäude. Dabei wird für jede Kategorie ein Vergleichsfaktor berechnet, der eine durchschnittliche Größe für diesen Gebäudetyp darstellt. 8.363 Die ImmoWertV unterscheidet zwischen Gebäudefaktoren (Kaufpreis bezogen auf Flächen- oder Raumeinheit) und Ertragsfaktoren (Kaufpreis bezogen auf marktüblich erzielbaren jährlichen Ertrag).228 Während Ertragsfaktoren vorrangig bei Liegenschaften eingesetzt werden, bei denen der Ertrag im Vordergrund steht, kommen Gebäudefaktoren meist in Betracht, wenn der Fokus auf dem Sachwert der baulichen Anlage liegt. 8.364 Zur Ermittlung des objektspezifisch angepassten Vergleichsfaktors sind Abweichungen einzelner individueller Grundstücksmerkmale mithilfe von Umrechnungskoeffizienten oder in anderer geeigneter Weise (Zu- oder Abschlag) vorzunehmen. Aufgrund der oftmals eingeschränkten Datenbasis kann diese Anpassung nur überschlägig geschätzt werden.229 c) Ertragswert

8.365 Im Regelfall kommt das Ertragswertverfahren zum Einsatz, wenn der Grundstücksmarkt die betreffende Immobilie als Renditeobjekt einstuft. Vorrangig handelt es sich um Mietwohnhäuser oder geschäftliche Immobilien wie Bürohäuser oder Ladengeschäfte, die vermietet bzw. zur Vermietung vorgesehen sind. Das Verfahren hat dominierende Rolle bei der Verkehrswertermittlung bebauter Grundstücke, wenn von Ein- und Zweifamilienhäusern abgesehen wird.230 8.366 Entscheidend für die Höhe des ermittelten Ertragswertes ist vor allem der zu kapitalisierende Ertrag. Im Ertragswertverfahren nach ImmoWertV wird in diesem Zusammenhang vom erzielbaren Ertrag gesprochen. Dabei handelt es sich um den Ertrag, der marktüblich erzielbar ist.231

227 228 229 230 231

Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1073 f. Vgl. § 20 Abs. 3 Nr. 2 ImmoWertV. Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 47 f. Vgl. Kleiber in Kühnberger/Wilke, S. 37. Vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 27 Abs. 1 ImmoWertV.

974 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.368 Kap. 8 Marktüblich erzielbare Erträge sind die nach den Marktverhältnissen am Wertermittlungsstichtag für die jeweilige Nutzung in vergleichbaren Fällen durchschnittlich erzielten Erträge.232

Davon ausgehend, dass die Erträge des Bodens ewig fließen und die der baulichen Anlage zeitlich auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes befristet sind, teilt das normierte Ertragswertverfahren die Erträge auf. Während der zu Grund und Boden gehörige Ertragsantragsanteil als Jahresbetrag einer ewigen Rente aufgefasst wird, geht der verbleibende Anteil der baulichen Anlage als Jahresbetrag einer zeitlich befristeten Rente in das Ertragswertverfahren ein.

8.367

Die ImmoWertV unterscheidet drei Verfahrensvarianten im Zusammenhang mit dem Ertragswert: das allgemeine Ertragswertverfahren, das vereinfachte Ertragswertverfahren sowie das periodische Ertragswertverfahren.233 Das ursprüngliche und in der Bewertungspraxis dominierende Verfahren ist das allgemeine Ertragswertverfahren, dessen Bewertungsschema die nachfolgende Abbildung zeigt und im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen steht. Bei einheitlicher Anwendung führen alle Verfahren zum selben Ergebnis.

8.368

232 § 5 Abs. 3. Satz 2 ImmoWertV. 233 Vgl. § 27 Abs. 4 ImmoWertV.

Engelberth/Möller | 975

Kap. 8 Rz.8.369 | Bemessungsgrundlage und Bewertung 8.369 Bewirtschaftungskosten

Liegenschaftszinssatz

Bodenwert



×

Reinertrag

Bodenanteile −

Vervielfältiger

Gebäudereinertrag ×

Gebäudeertragswert

1. Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts

Rohertrag

Bodenwert +

vorläufiger Ertragswert

ggf. Marktanpassung = marktangepasster vorläufiger Ertragswert −/+ boG Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

2. Anpassungen und Ergänzungen

×

= Ertragswert

Abb. 15: Ablaufschemata des Ertragswertverfahrens234

234 Eigene Darstellung in Anlehnung an Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 191.

976 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.373 Kap. 8

Ausgangsgröße der normierten Ertragswertermittlung ist der Rohertrag (Jahresmiete), von dem alle anfallenden Bewirtschaftungskosten abgezogen werden, um den Reinertrag zu erhalten. Der Rohertrag umfasst alle Einnahmen, die bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig und zulässig erzielt werden. Dabei ist auf die tatsächlichen Erträge abzustellen, wenn sie marktüblich erzielbar sind.235 Vor allem Mieten und Pachten, aber auch sonstige Vergütungen wie unentgeltliche Überlassung von Räumen sowie Instandhaltungsleistungen sind einzubeziehen. Nicht Teil des Rohertrags bei gewerblichen Vermietungen ist die anfallende Mehrwertsteuer.236

8.370

Die Bewirtschaftungskosten wiederum stellen regelmäßige Aufwendungen dar, die im Falle einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung sowie zulässigen Nutzung entstehen und nicht durch Umlagen oder sonstige Kostenübernahmen gedeckt sind. Es ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass die Bewirtschaftungskosten eine entscheidende Eingangsgröße im Ertragswertverfahren darstellen. Daher müssen anzusetzende Kostenarten sorgfältig ausgewählt und berechnet werden. So gibt der Immobilienverband Deutschland (IVD) eine mittlere Spanne je nach Immobilientyp von 10 % bis 35 % des marktüblichen erzielbaren Rohertrags an.237 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass zur Wahrung der Modellkonformität bei der Wertermittlung dieselben Bewirtschaftungskosten anzusetzen sind, die der Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes zugrunde lagen. Bei erheblichen Abweichungen zwischen den tatsächlichen Bewirtschaftungskosten und den üblichen Bewirtschaftungskosten ist ein bestehender Werteinfluss als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale zu berücksichtigen.238

8.371

Aus vier Komponenten setzen sich die Bewirtschaftungskosten zusammen: Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, Mietausfallwagnis und Betriebskosten.239 Die Verwaltungskosten umfassen laut ImmoWertV „die Kosten der zur Verwaltung des Grundstücks erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht und die Kosten der Geschäftsführung sowie den Gegenwert der von Eigentümerseite persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit.“240 Dabei fallen Verwaltungskosten stets an, selbst wenn das bebaute Grundstück vom Eigentümer eigenständig verwaltet wird. Typische Kostenpositionen sind: Buchhaltung, Bearbeitung von Versicherungsfällen, Jahresabschlussrechnung und Zahlungsverkehr.241

8.372

Die Instandhaltungskosten sind „die Kosten, die im langjährigen Mittel infolge Abnutzung oder Alterung zur Erhaltung des der Wertermittlung zugrunde gelegten Ertragsniveaus der baulichen Anlagen während ihrer Restnutzungsdauer marktüblich aufgewendet werden müssten.“242 Die Instandhaltung umfasst drei Maßnahmen: War-

8.373

235 Vgl. § 31 ImmoWertV. 236 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 54. 237 Vgl. ivd, Bewertungshilfe für Immobiliensachverständige – abbrufbar unter https://ivd. net/wp-content/uploads/2020/12/Liegenschaftszins%C3 %A4tze-2021.pdf. 238 Vgl. 32.(1).1 ImmoWertA. 239 Vgl. § 32 Abs. 1 ImmoWertV. In der Anlage 3 der ImmoWertV sind Modellansätze für Bewirtschaftungskosten veröffentlicht. Dabei wird zwischen Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung unterschieden. 240 § 32 Abs. 2 ImmoWertV. 241 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 225 f. 242 § 32 Abs. 3 ImmoWertV.

Engelberth/Möller | 977

Kap. 8 Rz. 8.373 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

tung (Bewahrung des Sollzustandes), Inspektion (Feststellung des Istzustandes) und Instandsetzung (Wiederherstellung des Sollzustandes). Instandhaltungskosten decken die Kosten der Instandsetzung ab, allerdings nicht die Kosten der Modernisierung (Verbesserung des Zustandes). Im Normalfall fallen die Instandhaltungskosten nicht in gleicher Höhe über die Laufzeit an. Vielmehr haben die Immobilien in den Anfangsjahren nur geringe Instandhaltungskosten, die über die Jahre sukzessive steigen.243

8.374 Das Mietausfallwagnis ist das Risiko einer Ertragsminderung, welches im Rahmen des Ertragswertverfahrens abgedeckt wird. Insbesondere Ertragsausfälle, die durch leerstehende Mietflächen oder uneinbringliche Mietrückstände verursacht werden, sollen auf diesem Wege erfasst werden. Weiterhin gehören dazu Kosten für die Rechtsverfolgung, Aufhebung eines Mietverhältnisses sowie Vornahme einer Räumung.244 Entscheidend für die Höhe des Mietausfallwagnisses sind Lage und Art der Immobilie, sowie Laufzeit des Vertrages und Bonität des Mieters. Während in guten Lagen das Mietausfallrisiko oftmals als sehr gering einzustufen ist, weisen Randlagen aufgrund starker Fluktuation und häufigen Leerständen ein überdurchschnittlich hohes Risiko auf. Zumeist hat das Mietausfallrisiko beim Gewerberaum eine größere Bedeutung als beim Wohnraum.245 8.375 Unter den Betriebskosten sind die Kosten subsumiert, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen.246 Oftmals wird im Zusammenhang mit den Betriebskosten die Bezeichnung die „2. Miete“ verwendet. Hierunter fallen gerade Kosten der Wasserversorgung, Heizung inklusive Warmwasser, Straßenreinigung und Müllabfuhr, Gartenpflege usw. Die Betriebskosten sind im Ertragswertverfahren nur dann aufzunehmen, wenn sie nicht durch eine besondere Umlage neben der Miete erhoben werden. Enthält der Mietvertrag die Vereinbarung, dass der Mieter die Betriebskosten voll übernimmt, erfolgt kein Ansatz.247 8.376 Sind Jahresrohertrag und Bewirtschaftungskosten bestimmt, steht der Jahresreinertrag fest. Im Anschluss daran wird der gesamte Reinertrag um den Anteil gemindert, der auf Grund und Boden entfällt. Der Reinertragsanteil, der Grund und Boden anhängt, bestimmt sich aus der Multiplikation des separat ermittelten Bodenwerts (Vergleichswertverfahren Rz. 8.343 ff.)248 mit dem so genannten Liegenschaftszinssatz, der die marktübliche Verzinsung der zu bewertenden Liegenschaft (Rz. 8.377 ff.) darstellt.249 243 Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1528 f.; Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 226 f. 244 Vgl. § 32 Abs. 4 ImmoWertV. 245 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 228; Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1542 ff. 246 § 32 Abs. 1 Nr. 4 ImmoWertV i.V.m. § 556 Abs 1 Satz 2 BGB. 247 Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1515 f.; Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 229 f. 248 Vgl. § 40 Abs. 1 ImmoWertV i.V.m. §§ 24 bis 26 ImmoWertV. 249 Vgl. § 28 ImmoWertV i.V.m. §§ 31–32 ImmoWertV.

978 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.376 Kap. 8

Modellansätze für Bewirtschaftungskosten nach ImmoWertV Bewirtschaftungskosten

Wohnnutzung

Gewerbliche Nutzung

Verwaltungskosten

– 298 Euro – jährlich je Wohnung bzw. Wohngebäude bei Ein- und Zweifamilienhäusern – 357 Euro – jährliche Eigentumswohnung – 39 Euro – jährlich je Garage oder ähnlichem Einstellplatz Die vorstehend genannten Werte gelten für das Jahr 2021. Für Wertermittlungsstichtage in den Folgejahren sind sie mit Hilfe des Verbraucherpreisindex anzupassen.

– 3 Prozent des marktüblich erzielbaren Rohertrags bei reiner und gemischter Nutzung

Instandhaltungskosten

– 11,70 Euro – jährlich je Quadratmeter Wohnfläche, wenn die Schönheitsreparaturen von den Mietern getragen werden – 88 Euro – jährlich je Garage oder ähnlichem Einstellplatz einschließlich der Kosten für Schönheitsrepa raturen Die vorstehend genannten Werte gelten für das Jahr 2021. Für Wertermittlungsstichtage in den Folgejahren sind sie mit Hilfe des Verbraucherpreisindex anzupassen.

– 100 Prozent für gewerbliche Nutzung wie z.B. Büros, Praxen, Geschäfte und vergleichbare Nutzungen bzw. gewerblich genutzte Objekte mit vergleichbaren Baukosten, wenn der Vermieter die Instandhaltung für „Dach und Fach“ trägt – 50 Prozent für gewerbliche Nutzung wie z.B. SB-Verbrauchermärkte und vergleichbare Nutzungen bzw. gewerblich genutzte Objekte mit vergleichbaren Baukosten, wenn der Vermieter die Instandhaltung für „Dach und Fach“ trägt – 30 Prozent für gewerbliche Nutzung wie z.B. Lager-, Logistikund Produktionshallen und vergleichbare Nutzungen bzw. gewerblich genutzte Objekte mit vergleichbaren Baukosten, wenn der Vermieter die Instandhaltung für „Dach und Fach“ trägt

Mietausfallwagnis

– 2 Prozent des marktüblich erzielbaren Rohertrags bei Wohnnutzung

– 4 Prozent des marktüblich erzielbaren Rohertrags bei reiner bzw. gemischter gewerblicher Nutzung

Abb. 16: Modellansätze für Bewirtschaftungskosten nach ImmoWertV250 250 Vgl. § 12 Abs. 5 Satz 2 ImmoWertV i.V.m. Anlage 3 ImmoWertV.

Engelberth/Möller | 979

Kap. 8 Rz. 8.377 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.377 Der Liegenschaftszinssatz ist der Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Immobilien je nach Art im Durchschnitt marktüblich verzinst wird.251 Er wird oftmals als die risikoadäquate Verzinsung eines Immobilieninvestments beschrieben.252 Auf Basis geeigneter Vergleichsobjekte mit deren dazugehörigen Kaufpreisen und Reinerträgen wird der Liegenschaftszins unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer vom örtlichen Gutachterausschuss abgeleitet.253 Die Gutachterausschüsse erhalten für diesen Zweck sämtliche Vertragsdokumente der Transaktion einschließlich des vereinbarten Kaufpreises in Kopie. 8.378 Der Liegenschaftszinssatz stellt eine zentrale Größe des Ertragswertverfahrens dar, mit dessen Hilfe eine Fülle an wertrelevanten Einflussfaktoren indirekt in das Ertragswertverfahren Eingang finden sollen. Hierbei sind zu nennen Erwartungen bzgl. Mietentwicklung, steuerliche Rahmenbedingungen, Bewirtschaftungskosten, Grundstückspreise, Finanzierungskosten, anfallende Erwerbsnebenkosten sowie künftige Inflations- und Wachstumsraten, die im einwertigen Jahresertrag vernachlässigt werden. Dabei muss dieser „durchschnittliche“ Wert an die individuellen Gegebenheiten des Bewertungsobjekts angepasst werden. Finales Ergebnis ist ein „objektspezifisch angepasster Liegenschaftszinssatz“.254 8.379 Neben der Bestimmung der Bodenwertverzinsung wird der Liegenschaftszinssatz auch zur Berechnung des Barwertfaktors (Vervielfältigers) benötigt. Entsprechend der Barwertformel für eine nachschüssige Rente wird der Barwertfaktor (Vervielfältiger) folgendermaßen berechnet: 0

1

2

3

4

n t B0 = Z ×

B0 Z

Z

Z

Z

iL = Liegenschaftszinssatz n = Restnutzungsdauer

(1 + iL)n − 1 iL × (1 + iL)n

Z B0 = Barwert in t0 Z = nachschüssige gleich hohe Rente

Beispiel Liegenschaftszinssatz = 5 % Restnutzungsdauer = 40 Jahren

B0 = 17,16 ×

(1 + 0,05)40 − 1 0,05 × (1 + 0,05)40

(Nachschüssige Rente nimmt bei der Berechnung des Barwertfaktors den Wert 1 an) Abb. 17: Berechnung des Barwertfaktors (Vervielfältigers) 251 252 253 254

Vgl. § 21 ImmoWertV. Vgl Leopoldsberger in Murfeld, S. 1241. Vgl. § 21 Abs. 2 ImmoWertV i.V.m. § 193 Abs. 5 Nr. 1 BauGB. Vgl. § 33 ImmoWertV.

980 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.380 Kap. 8

Für die Berechnung des Barwertfaktors wird neben dem Liegenschaftszinssatz die Restnutzungsdauer benötigt. Die ImmoWertV definiert die Restnutzungsdauer als „die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden kann.“255 Obwohl die wirtschaftliche Betrachtung im Vordergrund steht wird gemäß Verordnung in der Regel die Restnutzungsdauer aus dem Differenzbetrag zwischen Gesamtnutzungsdauer und Alter der baulichen Anlage ermittelt. Allerdings kann sie sich jedoch durch Modernisierung oder unterlassene Instandhaltung verlängern oder verkürzen. In der Anlage 1 zur ImmoWertV sind folgende Modellansätze für die Gesamtnutzungsdauer von baulichen Anlagen vorgesehen. Gesamtnutzungsdauer nach Art der baulichen Anlage Verbrauchermärkte, Autohäuser Betriebs- und Werkstätten, Produktionsgebäude Sporthallen, Freizeitbäder, Heilbäder Krankenhäuser, Tageskliniken Kauf- und Warenhäuser Kindergärten, Schulen Bürogebäude, Banken Wohnhäuser mit Mischnutzung freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser, Doppelhäuser, … 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Abb. 18: Modellansätze für die Gesamtnutzungsdauer nach ImmoWertV256

255 § 4 Abs. 3 Satz 1 ImmoWertV. 256 Vgl. ImmoWertV Anlage 1.

Engelberth/Möller | 981

8.380

Kap. 8 Rz. 8.381 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

8.381 Durch Multiplikation von Barwertfaktor mit Gebäudereinertrag ergibt sich der Gebäudeertragswert. Mittels Addition des Gebäudeertragswerts und separat ermitteltem Bodenwert errechnet sich letztlich der vorläufige Ertragswert der zu bewertenden Immobilie.257 Abschließend werden die Adjustierungen bzgl. Marktanpassung und besonderer objektspezifischer Merkmale durchgeführt. Ertragswertverfahren nach ImmoWertV 2021 Jahresrohertrag Bewirtschaftungskosten Reinertrag Restnutzungsdauer Liegenschaftzinssatz Bodenwert Reinertragsanteil des Bodens Reinertragsanteil des Gebäude Kapitalisierungsfaktor Gebäudeertragswert Bodenwert vorläufiger Ertragswert Marktanpassung vorläufiger marktangepasster Ertragswert boG Ertragswert

EUR EUR EUR

30.000 8.162 21.838 40 4,45% 150.000

EUR EUR EUR EUR EUR EUR EUR

6.675 15.163 18,5337 281.026 150.000 431.026 – 431.026 – 431.026

d) Sachwert

8.382 Eine weitere Bewertungsmethode, die gleichrangig neben dem Vergleichs- und Ertragswertverfahren in der Wertermittlungsverordnung genannt wird, ist das Sachwertverfahren.258 Im Gegensatz zu den bereits vorgestellten Verfahren, die aus dem Markt abgeleitet werden, ist die Sachwertermittlung mit Vergangenheitsbezug und Kostenorientierung.259 Grundlegende Vorstellung ist, dass sich der Verkehrswert auf fiktive Wiederherstellungskosten stützt, die bei Errichtung der bestehenden Immobilie im gegenwärtigen Zustand zu tragen sind.260 Es ist kein simpler Reproduktionswert, sondern ein Ersatzbeschaffungswert, der technische Entwicklungen berücksichtigt. Die beschaffungsmarktorientierte Bewertung verfolgt somit nicht das Ideal einer exakten Kopie, sondern sucht nach einem funktionsgleichen Objekt.261

257 258 259 260 261

Vgl. § 28 Satz 1 und § 27 Abs. 3 ImmoWertV. Vgl. § 6 Abs. 1 ImmoWertV. Vgl. Schulte/Leopoldsberger in Drukarczyk/Ernst, S. 439. Vgl. Thomas/Brauers/Hocke in Rottke/Thomas, S. 818. Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 66; Thomas/Brauers/Hocke in Rottke/Thomas, S. 819.

982 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.384 Kap. 8

Gemäß ImmoWertV kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung, „wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr der Sachwert von nutzbaren baulichen oder sonstigen Anlagen für die Preisbildung ausschlaggebend ist.“262 Üblicherweise wird das Sachwertverfahren bei Ein- und Zweifamilienhäusern eingesetzt. Aufgrund einer unterstellten fehlenden Ertragsorientierung wird in diesen Bewertungsfällen der Sachwert als relevant erachtet. Auch bei (eigengenutzten) Spezialimmobilien findet das Sachwertverfahren zum Teil Anwendung.

8.383

Nach der ImmoWertV setzt sich der Sachwert einer Immobilie aus dem Bodenwert, dem Wert der baulichen Anlage sowie dem Wert der sonstigen Anlage zusammen.263 Entsprechend dem Ertragswertverfahren findet auch beim normierten Sachwertverfahren zunächst eine getrennte Bewertung der drei Wertkomponenten statt, die anschließend zusammen den Sachwert bilden. Dabei wird der Bodenwert üblicherweise mittels Vergleichswertverfahren berechnet und der Wert der baulichen Anlage aus empirisch abgeleiteten, durchschnittlichen Herstellungskosten ermittelt. Bestehen neben dem Gebäude zusätzlich bauliche Außenanlagen (wie z.B. befestigte Wege, Plätze und Terrassen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen und Einfriedungen) oder sonstige Anlagen (Gartenanlagen) sind diese Teile ergänzend zu berücksichtigen. Sind diese Anlagen abweichend zum Regelfall sehr bedeutsam, ist ein bestehender Werteinfluss gesondert als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal anzusetzen.264 Das Vorgehen des Sachwertverfahrens zeigt die nachfolgende Darstellung:

8.384

262 6.(1).6. ImmoWertA. 263 Vgl. § 35 ImmoWertV. 264 Vgl. § 37.2. ImmoWertA.

Engelberth/Möller | 983

Kap. 8 Rz. 8.384 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Herstellungskosten der baulichen Außenanlage und sonstigen Anlage

×

×

Indexierung

ggf. Indexierung

×

×

1. Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts

Herstellungskosten der baulichen Anlage

Regionalfaktor −

− Alterswertminderung

=

=

vorläufiger Sachwert der baulichen Anlagen

vorläufiger Sachwert der baulichen Außenanlagen und sonstigen Anlagen

Bodenwert

+ vorläufiger Sachwert

objektspezifischer angepasster Sachwertfaktor (Marktanpassung) = marktangepasster vorläufiger Sachwert −/+ boG Berücksichtigung besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale

2. Anpassungen und Ergänzungen

×

= Sachwert

Abb. 19: Ablaufschemata Sachwertverfahren265 265 Eigene Darstellung in Anlehnung an Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1710.

984 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.389 Kap. 8

Gemäß ImmoWertV ist der Bodenwert beim Sachwertverfahren gesondert nach den Regeln zur Bodenwertermittlung (Vergleichswertverfahren, Bodenrichtwert, deduktive Ermittlung) zu bestimmen.266 Im Gegensatz zum Ertragswertverfahren schlägt sich beim vorläufigen Sachwertverfahren jede Wertveränderung von Grund und Boden unmittelbar in gleicher Höhe im Sachwert nieder. Ein steigender oder fallender Bodenwert hat weder Auswirkungen für den Wert der baulichen Anlage noch für die sonstigen Anlagen, sondern wirkt sich wertbestimmend auf den Sachwert aus.

8.385

Bei der Bewertung der baulichen Anlage im Rahmen der Sachwertermittlung sieht die ImmoWertV den Ansatz zu durchschnittlichen Herstellungskosten vor, die mit einem Regionalfaktor multipliziert und um die Alterswertminderung gemindert werden.267 Dabei definiert die ImmoWertV die durchschnittlichen Herstellungskosten der baulichen Anlagen wie folgt:

8.386

Die durchschnittlichen Herstellungskosten der baulichen Anlagen stehen für die aufzuwendenden Kosten, die sich unter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte für die Errichtung eines dem Wertermittlungsobjekt nach Art und Standard vergleichbaren Neubaus am Wertermittlungsstichtag unter Zugrundelegung zeitgemäßer, wirtschaftlicher Bauweisen ergeben würden.268

Zur Ableitung der durchschnittlichen Herstellungskosten werden die sog. Normalherstellungskosten (NHK) je Bezugseinheit (Flächen-, Raum- oder sonstige Bezugseinheit) herangezogen. Aktuell sind die NHK 2010 einschlägig, die auf die Bezugseinheit Brutto-Grundfläche (BGF) abstellt. Diese Kostenkennwerte der NHK sind in Euro pro Quadratmeter Grundfläche angegeben. Weitere Erläuterungen zu den NHK 2010, der Brutto-Grundfläche und den verschiedenen Gebäudetypen finden sich in der Anlage 4 der ImmoWertV. Eine Aktualisierung der NHK soll bis Ende 2024 erfolgen.269 Bei der Anwendung der NHK-Tabellen ist für das Bewertungsobjekt einerseits der Gebäudetyp und andererseits die Gebäudestandardstufe zu bestimmen.270 Erfassen die NHK nicht alle werthaltigen Bauteile des Bewertungsobjekts sind zusätzlich marktübliche Zuschläge bei den durchschnittlichen Herstellungskosten vorzunehmen.271

8.387

Im nächsten Schritt sind die ermittelten Kosten auf den Bewertungsstichtag anzupassen. Die NHK 2010 sind die Herstellungskosten, wenn das Bewertungsobjekt im Basisjahr 2010 erstellt wird. Mittels Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes findet die Anpassung auf den Bewertungsstichtag statt.272

8.388

Unter der Annahme, dass es sich bei den NHK um durchschnittliche Kosten für gesamt Deutschland handelt und allerdings zwischen den Bundesgebieten regionale Unterschiede existieren, werden die Kosten um einen Regionalfaktor angepasst.273

8.389

266 267 268 269 270 271 272 273

Vgl. § 35 Abs. 2 ImmoWertV i.V.m. §§ 40 bis 43 ImmoWertV. Vgl. § 36 Abs. 1 ImmoWertV. § 36 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV. S. hierzu Schaper, GuG 2022, S. 3 und 10. Für eine beispielhafte Erläuterung s. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 66 ff. Vgl. § 36 Abs. 2 Satz 3 ImmoWertV. Vgl. § 36 Abs. 2 Satz 4 ImmoWertV. Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 77.

Engelberth/Möller | 985

Kap. 8 Rz. 8.389 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

Dieser Regionalfaktor wird vom örtlichen Gutachterausschuss veröffentlicht.274 Mit welcher Methode die Regionalfaktoren ermittelt werden, gibt die Verordnung keine Aussage. Ein möglicher Ansatz zur Ableitung des Regionalfaktors sind Immobilienkaufpreise reduziert um Bodenwerte, welche anschließend mit den durchschnittlichen Herstellungskosten (NHK) dividiert werden. Solche Regionalfaktoren enthalten jedoch Elemente der Marktanpassung, die vornehmlich Aufgabe des Sachwertfaktors ist.275 Entsprechend ist hierbei zu beachten, dass keine doppelte Berücksichtigung von ein- und demselben Faktor erfolgt.

8.390 Ausgehend von der Vorschrift, dass der ermittelte Gebäudenormalherstellungswert dem Substanzwert eines neuen, am Wertermittlungsstichtag errichteten Gebäudes entspricht, ist eine Wertminderung für ein „gebrauchtes“ Gebäude zwingend vorzunehmen. Der Wertverlust wird linear erfasst.276 Im Normalfall wird die Restnutzungsdauer schematisch aus der Differenz von Gesamtnutzungsdauer und Alter der baulichen Anlage ermittelt.277 8.391 Liegt der vorläufige Sachwert der baulichen Anlage vor, sind die bauliche Außenanlage und sonstige Anlage zu bewerten. Für diese gesonderte Bewertung kann entweder auf durchschnittliche Herstellungskosten, Erfahrungssätze oder sachverständige Schätzung zurückgegriffen werden. Typischerweise sind hier Schätzungen auf Basis von langjährigen Erfahrungen einschlägig.278 Im Falle der baulichen Außenanlagen als Prozentsatz des Sachwertes der baulichen Anlage und im Falle der sonstigen Anlage als pauschaler Wert.279 8.392 Aus Addition von Bodenwert, Wert der baulichen Anlage und Wert der baulichen Außenanlage sowie sonstigen Anlage ermittelt sich ein vorläufiger Sachwert. Bei dieser technisch- und kostenorientierten Ausgangsgröße handelt es sich um einen Wiederherstellungswert, der nicht mit dem Verkehrswert als wahrscheinlichstem Preis am Grundstücksmarkt gleichzusetzen ist. Eine Überleitung vom Sachwert zum Verkehrswert ist erforderlich, da die Kostensicht nicht Grundlage für die Kaufpreisverhandlung ist. Die erforderliche Marktanpassung des vorläufigen Sachwertes findet durch so genannten Sachwertfaktor (Marktanpassungsfaktor) statt. Die Sachwertfaktoren werden prinzipiell von den Gutachterausschüssen auf Basis der Kaufpreissammlungen ermittelt und geben das Verhältnis des vorläufigen marktangepassten Sachwertes zum vorläufigen Sachwert an.280 8.393 Da es sich bei den veröffentlichten Sachwertfaktoren um Durchschnittsgrößen für die jeweils betrachtete Region handelt, muss vor Anwendung im Bewertungsmodell 274 275 276 277

Vgl. § 36 Abs. 3 ImmoWertV. Vgl. Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1641; Schaper, GuG 2022, S. 8. Vgl. § 38 ImmoWertV. Zur Berechnung von Gesamtnutzungsdauer und Restnutzungsdauer s. Ausführung zum Ertragswertverfahren. 278 Vgl. § 37 Satz 2 ImmoWertV. 279 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 89 f.; Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, S. 1653. 280 Vgl. § 193 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 21 Abs. 3 ImmoWertV.

986 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.396 Kap. 8

eine Anpassung auf das Bewertungsobjekt erfolgen. Um zum objektspezifisch angepassten Sachwertfaktor zu gelangen, wird im Regelfall eine sachverständige Schätzung über einen Zu- und Abschlag vom Bewerter durchgeführt, die dieser im Gutachten begründet.281 Abschließend werden gemäß Verfahrensnorm die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale berücksichtigt und der finale Sachwert liegt vor. Sachwertverfahren nach ImmoWertV 2021 NHK 2010 Baupreisindex (freistehendes EFH Standardstufe 3) NHK am Bewertungsstichtag Brutto-Grundfläche Herstellungskosten Wohngebäude Außenanlage durchschnittlichen Herstellungskosten Regionalfaktor Herstellungskosten am Wertermittlungsstichtag Restnutzungsdauer/Gesamtnutzungsdauer Alterswertminderungsfaktor Gebäudewert am Bewertungsstichtag Bodenwert vorläufiger Sachwert Sachwertfaktor marktangepasster vorläufiger Sachwert boG Sachwert

EUR EUR m2 EUR EUR EUR EUR 45/80 EUR EUR EUR EUR EUR

8.394

835 1,2520 1.045 265 277.036 12.000 289.036 0,97 280.365 0,5625 157.705 150.000 319.705 0,95 303.720 – 303.720

4. Implikationen für die steuerliche Immobilienbewertung Die Probleme der steuerrechtlichen Immobilienbewertung ergeben sich vornehmlich aus einer unverhältnismäßigen Typisierung, fehlenden Akzeptanz bei den Steuerpflichtigen sowie ökonomischer Zwang zur vereinfachten Bewertung, die dazu führen, dass eine Annährung zum gemeinen Wert nicht immer gewährleistet ist.282 Wird der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes geführt (vgl. Rz. 8.287 ff.), ist die Anwendung der ImmoWertV zwingend vorgeschrieben. Dabei kann der Nachweis durch ein (Verkehrswert-)Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbracht werden.283 Hierbei ist zu betonen, dass die Gutachten nicht bindend sind, sondern der Beweiswürdigung durch das Finanzamt unterliegen.

8.395

Bedingt durch den Umstand, dass die Gutachterausschüsse einige Zeit benötigen, um sämtliche Neuerungen bei den Datenerhebung und -aufbereitung (z.B. Liegenschaft-

8.396

281 Vgl. Sommer/Kröll, Grundstückswertermittlung, S. 95 f. 282 Vgl. Drosdzol, immobilien & bewerten 2008, 21. 283 Vgl. § 198 Abs. 1 und 2 BewG i.V.m. § 199 Abs. 1 BauGB.

Engelberth/Möller | 987

Kap. 8 Rz. 8.396 | Bemessungsgrundlage und Bewertung

zinssätze, Sachwertfaktoren) umzusetzen, werden die gesamten Auswirkungen der ImmoWertV 2021 erst in einigen Jahren offensichtlich werden.284 Mit Blick auf die novellierte ImmoWertV stellt sich die Frage, welche Implikationen für die steuerliche Immobilienbewertung resultieren.

8.397 Unmittelbare Auswirkungen ergeben sich für die typisierte steuerliche Bewertungsverfahren nach BewG insoweit, dass benötigte Bewertungsparameter vom örtlichen Gutachterausschuss künftig nach bundeseinheitlichen Regelungen ermittelt werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Detailregelung im Zusammenhang mit den Bodenrichtwerten und den dazugehörigen Bodenrichtwertzonen hinzuweisen, die direkte Auswirkung auf die steuerliche Bewertung unbebauter Grundstücke nach dem BewG hat. So sollen lagebedingte Wertunterschiede zwischen den einzelnen Grundstücken, für die der abgeleitete Bodenrichtwert gilt, und dem Bodenrichtwertgrundstück grundsätzlich nicht mehr als 30 % betragen.285 Diese Anforderung wird dazu führen, dass in zahlreichen Fällen die örtlichen Gutachterausschüsse neue Bodenrichtwertzonen abgrenzen, welche bei der steuerlichen Bewertung herangezogen werden. Ferner sollte sich der Unterschiedsbetrag von Bodenrichtwert zu Verkehrswert mit der neuen Festsetzung der Bodenrichtwert zum 1.1.2022 tendenziell reduzieren. Im Einklang mit der anhaltenden Marktentwicklung ist in den meisten Fällen von steigenden Bodenrichtwerten auszugehen. 8.398 Eine weitere direkte Änderung sind die oben beschriebenen Anpassungen des BewG im Rahmen des JStG 2022 (vgl. Rz. 8.265 ff. und 8.291 ff.). Hier sind insbesondere die Neuerungen im Sachwertverfahren und Ertragswertverfahren zu nennen, die im Einzelfall zu deutlich höheren Werten führen können. 8.399 Mittelbare Auswirkungen für die Verkehrswertgutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes sind in erhöhten Dokumentationsanforderungen sowie einer breiteren Verfahrensauswahl zu sehen. Durch die Aufnahme des Grundsatzes der Modellkonformität, die Prüfung der Dateneignung sowie Vorgabe fester Modellansätze (z.B. fixe Gesamtnutzungsdauer) wird die Dokumentation noch bedeutsamer werden. Der Gutachter wird in den Bewertungsfällen, bei denen sein Vorgehen von den (Verfahrens- oder Parameter-) Vorgaben der ImmoWertV abweicht, gezwungen sein umfassende Begründungstexte zu schreiben und sich mit diversen Rückfragen auseinandersetzen müssen. Vor allem bei komplexen gewerblichen Objektarten mit zahlreichen Besonderheiten wird der Gesichtspunkt der Nachweisführung einschlägig sein.286 Im Falle der gerichtlichen Auseinandersetzung kann der Gutachter unter Verweis auf die Modellkonformität und der Dateneignung aufgefordert sein, seine Auswertungen und Analysen Schritt-für-Schritt darzulegen.287 Allerdings hat sich in der Vergangenheit oftmals bei Gericht gezeigt, dass sich regelmäßig der simple „one size fits all approach“ durchsetzt. Anstelle dem „Stand der Technik“ folgend und ad-

284 285 286 287

Vgl. Schaper, GuG 2022, S. 11. Vgl. § 15 ImmoWertV. Vgl. Drießen, immobilien wirtschaft 2021, Heft 9, 55. Vgl. Bischoff, ImmoWertV 2021, S. 66.

988 | Engelberth/Möller

B. Bewertung von Grundstücken | Rz. 8.401 Kap. 8

äquate Bewertungsparameter anzusetzen, wurden die bundesweiten Einheitsansätze des Gesetzgebers vertraut.288 Ungewiss ist, inwieweit die nicht normierten Ansätze (z.B. Discounted CashflowVerfahren), welche die novellierte ImmoWertV einräumt, Einzug in die steuerlichen Bewertungsanlässe erhält. Bedingt durch den Umstand, dass die ImmoWertV für die nicht normierten Ansätze keine konkreten Vorgaben macht, besteht eine hohe Flexibilität. Insbesondere bei Objekten, die nicht dem steuerlichen Standardfall entsprechen und vornehmlich zu den Nachweisfällen gehören, ist das hohe Maß an Flexibilität wünschenswert. Demgegenüber ist im Falle einer möglichen Auseinandersetzung mit dem Fiskus die Akzeptanz entscheidend. Rasch kann der Verdacht der Willkür entstehen. Während das allgemeine Ertragswertverfahren von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung akzeptiert wurde, fehlt diese Bestätigung für die nicht normierten Verfahren.

8.400

Aber letztendlich ist der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes nach ImmoWertV aus Sicht des Steuerpflichtigen und seinen steuerlichen Folgen zu würdigen. Allein aus Zeit- und Kostengründen kann sich unter diesen Umständen ein Verkehrswertgutachten für kleine Immobilienvermögen nicht lohnen. Der betriebene Mehraufwand einschließlich anfallender Kosten muss in einem angemessenen Verhältnis zum erhofften steuerlichen Vorteil stehen. Je weniger die starren gesetzlichen Vorgaben des BewG mit dem regionalen Immobilienmarkt vereinbar sind, je mehr Anwendungsprobleme auftreten und wertrelevante Besonderheiten das Bewertungsobjekt aus machen, desto zahlreicher sind die Nachweisfälle.

8.401

288 Vgl. Schaper, GuG 2022, S. 11.

Engelberth/Möller | 989

Kapitel 9 Ertragsteuerliche Behandlung der Grunderwerbsteuer A. Ertragsteuerliche Ausgangslage I. Überblick über ertragsteuerliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung des GrESt-Bescheides für die ertragsteuerliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Subjektive Zuordnung des GrESt-Aufwands I. Allgemeiner Grundsatz: Steuerschuldnerschaft ist maßgebend . . . II. Vereinbarungen über die Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen einer veranlassungswidrigen Kostenübernahme . . . . . . . . . . C. Ertragsteuerliche Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände I. GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1. Grundfall: Übertragung eines Grundstücks a) Sofortiger Betriebsausgabenabzug oder Aktivierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) GrESt und Folgekosten als Teil der Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufteilung von Anschaffungskosten bei mehreren Wirtschaftsgütern . . . . . . . . d) Zeitliche Fragen der Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Behandlung der GrESt bei teilentgeltlichen Erwerben . f) Behandlung der GrESt bei unentgeltlichen Erwerben und Einlagen . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei Umstrukturierungen im Unternehmen a) Ausgangspunkt: Zuordnung der GrESt-Schuld zum Erwerber . . . . . . . . . . . b) GrESt bei übertragenden Umwandlungen nach dem UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . .

9.1

9.2

9.6 9.8 9.12

9.16 9.19 9.21 9.25 9.28 9.29

9.32

c) GrESt bei Umstrukturierungsmaßnahmen jenseits des UmwStG . . . . . . . . . . . . 3. GrESt bei grundstücksgleichen Rechten (insb. Erbbaurecht) . . . II. GrESt wegen Einräumung von Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 GrEStG) 1. Überblick und ertragsteuerlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . 2. Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG) a) Grundbesitzende Personengesellschaft . . . . . . . . . . b) Grundbesitzende Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 3. Anteilsvereinigung bzw. -übertragung nach § 1 Abs. 3, 3a GrEStG a) Anteile an grundbesitzender Kapitalgesellschaft . . . . b) Anteile an grundbesitzender Personengesellschaft . . c) „Wirtschaftliche Beteiligung“ i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. GrESt als umwandlungsteuerliche „Kosten für den Vermögensübergang“ . . . . . . . . . . . . . . D. Auswirkungen nachträglicher Veränderungen bei der GrESt I. Nachträgliche Korrekturen der GrESt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wegfall der GrESt-Befreiung nach §§ 5, 6, 6a GrEStG . . . . . . . . . III. Rückgängigmachung eines Erwerbs nach § 16 GrEStG . . . . . .

9.39 9.46

9.47

9.50

9.52 9.59

9.63 9.68 9.70 9.71

9.73 9.75 9.79

9.35

Böwing-Schmalenbrock | 991

Kap. 9 Rz. 9.1 | Ertragsteuerliche Behandlung Literatur: Behrens, Ertragsteuerliche Behandlung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG angefallener Grunderwerbsteuer, DStR 2008, 338; Brühl/Weiss, Abziehbarkeit einer im Rahmen einer Aufwärtsverschmelzung angefallenen Grunderwerbsteuer als Betriebsausgabe, GmbHR 2020, 983; Ergenzinger/Solowjeff, Sind „Kosten für den Vermögensübergang“ i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG „Kosten des Vermögensübergangs“? Anmerkung zum Urteil des FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, DStR 2020, 2844; Fleischer/Schuhmann/Peterich, Praxishinweise zur ertragsteuerlichen Behandlung der Grunderwerbsteuer, Einstufung als Betriebsausgabe oder Anschaffungsnebenkosten, NWB 2021, 3401; Freikamp, Bewertung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach einer Einbringung zu Buchwerten gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, DB 2021, 2037; Freikamp, Bewertung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach einer Einbringung zu Zwischenwerten gem. § 24 Abs. 2 UmwStG, DB 2022, 212; Gadek/Mörwald, Ertragsteuerliche Abzugsfähigkeit von GrESt in Fällen von § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG, DB 2012, 2010; Heine, Die Grunderwerbsteuer als aktivierungspflichtige Anschaffungskosten des Grundstückserwerbs oder Aufwand, INF 2004, 583; Henerichs/Stadje, Die ertragsteuerliche Behandlung von Grunderwerbsteuern bei „fiktiven“ Grundstückserwerben nach § 1 Abs. 2a GrEStG, FR 2011, 890, 894; Holle/Weiss, Verschmelzung, Spaltung und die Kosten für den Vermögensübergang nach § 12 Abs. 2 UmwStG, DStR 2018, 167; Kahle, Ergänzungsbilanzen bei Personengesellschaften, FR 2013, 873; Kahle/Mock, Zur Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStZ 2022, 232; Krohn, Greulich: Ausgewählte Einzelprobleme des neuen Umwandlungssteuerrechts aus der Praxis, DStR 2008, 646; Lohmann/von Goldacker/Zeitz, Ertragsteuerliche Behandlung der Grunderwerbsteuer bei Unternehmensreorganisationen, BB 2009, 477; Orth, Umwandlung durch Anwachsung (Teil I), DStR 1999, 1011; Ott, Steuerliche Behandlung von Einbringungskosten, DStR 2016, 777; Ott, Kapitalgesellschaften: Körperschaftsklausel: Einzelwirtschaftsgüter zwischen zwei GmbHs steuerneutral übertragen, GStB 2022, 256; Patt, Realteilung einer Personengesellschaft zu Buchwerten, Gefahr des nachträglichen Wegfalls früherer Steuervergünstigungen?, EStB 2014, 182; v. Proff, Die Anwachsung als Gestaltungsmodell bei Personengesellschaften, DStR 2016, 2227; Ronneberg, Umwandlungskosten bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, Steuerrechtliche Würdigung und praktische Hinweise, NWB 2017, 954; Schießl, Ertragsteuerliche Behandlung der durch Wechsel im Gesellschafterbestand ausgelösten Grunderwerbsteuer, Zugleich Anmerkung zu dem BFH-Urteil v. 2.9.2014 – IX R 50/13, DStR 2015, 1902; Schmitz, Bilanzierung von Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen, Aktivierungspflichtige Anschaffungsnebenkosten oder (steuerlich abziehbarer?) Aufwand?, NWB 2014, 2466; Schmudlach, GrESt beim Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft und bei der Anteilsvereinigung, Überblick über ausgewählte Fiktionstatbestände und deren bilanzielle Behandlung, DB 2015, 703; Sobisch, Entstrickung wegen Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG durch Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft, ErbStB 2022, 6; Steinhauff, Abgrenzung Grundlagenbescheid von bloßer Tatbestandswirkung, Unterschiedliche Voraussetzungen und verfahrensrechtliche Rechtsfolgen, AO-StB 2010, 271; Stimpel, Behandlung von Umwandlungskosten bei Verschmelzungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften, GmbHR 2012, 199.

A. Ertragsteuerliche Ausgangslage I. Überblick über ertragsteuerliche Fragestellungen

9.1 Liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang (§ 1 GrEStG) vor, für den kein Befreiungstatbestand (vgl. §§ 3 ff. GrEStG) einschlägig ist, fällt mithin GrESt an, erlangt diese als unternehmerische Kostenposition auch ertragsteuerlich Relevanz. Zur zutreffenden Behandlung muss im Ausgangspunkt bestimmt werden, wem der GrESt992 | Böwing-Schmalenbrock

A. Ertragsteuerliche Ausgangslage | Rz. 9.3 Kap. 9

Aufwand in subjektiver Hinsicht zuzurechnen ist (dazu Rz. 9.6 ff.). In sachlicher Hinsicht ist die betriebliche Veranlassung i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG bei grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgängen im Unternehmenszusammenhang dem Grunde nach zwar grds. nicht zweifelhaft.1 Ist die GrESt allerdings dem Erwerber in einer Transaktion zuzuordnen, kommt ein Abzug der GrESt als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe nur in Betracht, wenn nicht aktivierungspflichtige Anschaffungs(neben) kosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) vorliegen. Dabei hängt die Beantwortung dieser Abgrenzungsfrage insbesondere auch davon ab, ob aus ertragsteuerlicher Sicht ein Grundstück unmittelbarer Gegenstand der grunderwerbsteuerpflichtigen Transaktion ist (dazu Rz. 9.16 ff.; Rz. 9.47 ff.) oder ob es nur mittelbar als Vermögensgegenstand einer Gesellschaft grunderwerbsteuerrelevant ist (dazu Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.). Im Umwandlungskontext ist hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der GrESt bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses ferner die Kontroverse um den Begriff der „Kosten für den Vermögensübergang“ i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG im Blick zu behalten (Rz. 9.71 f.). Weitergehende Fragen können sich bei nachträglichen Änderungen der GrESt stellen (Rz. 9.73 ff.). II. Bedeutung des GrESt-Bescheides für die ertragsteuerliche Beurteilung Grundlegend für die ertragsteuerliche Behandlung der GrESt in sämtlichen Konstellationen ist die Frage, welche Bedeutung dem GrESt-Bescheid zukommt.2 Dies ist kontrovers (geworden) und wird bedeutsam, wenn der Inhalt des GrESt-Bescheides von der zutreffenden Sach- und/oder Rechtslage abweicht. Hierzu hat das FG München angenommen, dem GrESt-Bescheid komme eine „Tatbestandswirkung“ dergestalt zu, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der GrESt-Festsetzung die Veranlassung der GrESt anhand des Lebenssachverhalts „rechtmäßige Grunderwerbsbesteuerung“ nicht in Betracht komme;3 der BFH hat diese Frage in der nachfolgenden Revisionsentscheidung (abstrakt) nicht abschließend beantwortet.4 Der Einschätzung des FG München ist in dieser Allgemeinheit indessen nicht beizupflichten.5

9.2

Urteilsfall6: Die B GmbH hielt mittelbar über die Z KG alle Anteile an der grundbesitzenden G KG. Die drei Gesellschafter der A GmbH übertrugen ihre Anteile z.T. durch Verkauf, z.T. durch Ein-

9.3

1 Das sollte im Grundsatz auch für die die GrESt betreffenden Gebühren einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) gelten, wenn und weil diese nicht die in § 12 Nr. 3 EStG bzw. § 10 Nr. 2 KStG genannten Steuern betrifft (vgl. dazu BFH v. 8.12.2021 – I R 24/19, BFH/ NV 2022, 835). Differenzierend auch Dürrschmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz. 73; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 235. Vgl. im Kontext von Einbringungskosten Ott, DStR 2016, 777. 2 Ohne klare Aussage insoweit insbesondere BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 („nach Maßgabe von § 1 Abs. 2a GrEStG festgesetzt“). 3 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 (nachfolgend BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4). 4 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 5 Kritisch zur Annahme einer Tatbestandswirkung auch Brühl/Weiss, GmbHR 2020, 983. 6 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 und nachfolgend BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4.

Böwing-Schmalenbrock | 993

Kap. 9 Rz. 9.3 | Ertragsteuerliche Behandlung bringung auf die B GmbH. Anschließend wurde die B GmbH auf die A GmbH verschmolzen. Das FA ging davon aus, dass aufgrund der „Übertragungs- und Verschmelzungsvorgänge“ eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht worden sei, und knüpfte im GrESt-Bescheid hierzu an den Verschmelzungsvertrag an. Das FG war der Meinung, es sei bei der ertragsteuerlichen Veranlassungsprüfung aufgrund der „Tatbestandswirkung“ einer eigenen Prüfung enthoben, weil zwingend und ausschließlich die Bescheidbegründung zugrunde zu legen sei. Dies greift – jedenfalls in der Begründung7 – zu kurz.

9.4 Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten bedeutet – wenngleich der Begriff nicht einheitlich verwendet wird8 – eine Bindungswirkung nicht offensichtlich rechtswidriger Entscheidungen. Sie bezweckt (nur), dass die Entscheidung über Rechtmäßigkeit und Bestand eines behördlichen Bescheids den dazu berufenen Fachbehörden und Spezialgerichten vorbehalten bleibt9 und betrifft folglich richtigerweise sog. ressortfremde Verwaltungsakte, deren Regelung (z.T. auch deren Begründung) von den Finanzbehörden und -gerichten nicht infrage gestellt werden kann.10 Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der (materiellen) Bestandskraft des GrESt-Bescheides ableiten. Sie bezieht sich stets nur auf den Tenor, den Ausspruch, eines Verwaltungsaktes (bei der GrESt-Festsetzung: Höhe und Adressat der GrESt), und umfasst nicht auch die Besteuerungsgrundlagen (vgl. auch § 157 Abs. 2 AO), also z.B. nach welchem Tatbestand des § 1 GrEStG die Behörde die Besteuerung vorgenommen hat. Der Tenor bindet insoweit zwar auch die Finanzbehörden, aber allein in Bezug auf die konkret getroffene Regelung und darüber hinaus nur, wenn eine gesetzliche Vorschrift dies – wie z.B. bei Grundlagenbescheiden i.S.d. § 171 Abs. 10 AO – vorschreibt; beides ist im Verhältnis von GrESt und Ertragsteuer nicht einschlägig. Die Auffassung des FG München geht daher auch deshalb zu weit, weil die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines GrESt-Bescheides nicht von der Richtigkeit der im Bescheid gegebenen Begründung abhängt; mithin kann auch ein GrESt-Bescheid rechtmäßig sein, dessen Begründung falsch ist, solange der Tenor (im Ergebnis) zutreffend ist.11 Für das Ertragsteuerrecht kommt es indessen auf die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit als solche gar nicht an. Denn abgesehen davon, dass ertragsteuerlich ohnehin bereits die (materielle) Entstehung der GrESt maßgebend ist (dazu auch Rz. 9.16 ff.),12 ergibt sich letztlich allein aus dem bestandskräftigen Tenor die wirtschaftliche Belastung (d.h. die Zahlungspflicht) des Steuerpflichtigen,13 die bei diesem ertragsteuerlich in der Gewinnermittlung abzubilden und insoweit Teilstück des vom Bilanzsteuerrecht vorgefundenen Lebenssachverhalts ist. Von dieser 7 Ob dies im Ergebnis zutreffend war, lässt sich anhand des veröffentlichten Urteilstatbestandes nicht abschließend beurteilen. 8 S. dazu Drüen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 88 AO Rz. 48 ff.; Steinhauff, AO-StB 2010, 271. 9 Vgl. dazu grundlegend BFH v. 21.1.2010 – VI R 52/08, BStBl. II 2010, 703; v. 15.3.2012 – III R 82/09, BStBl. II 2013, 226. 10 S. aber BFH v. 29.1.1992 – II B 133/91, juris.de. 11 Die Besteuerungsgrundlagen sind daher – bei gebundenen Entscheidungen – austauschbar, vgl. z.B. BFH v. 14.1.2004 – X R 19/02, BStBl. II 2004, 711. 12 BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686. A.A. (offenbar) van Lishaut in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. 13 In diesem Sinne auch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4.

994 | Böwing-Schmalenbrock

B. Subjektive Zuordnung des GrESt-Aufwands | Rz. 9.7 Kap. 9

subjektiven Zuordnung ausgehend ist (beim Bescheid-Adressaten) ertragsteuerlich richtigerweise nach den allgemeinen Grundsätzen – und ohne Bindung an die Begründung des Bescheides – zu fragen, welcher Lebenssachverhalt der GrESt-Festsetzung tatsächlich zugrunde gelegen hat und was das „auslösende Moment“ für die konkrete GrESt-Festsetzung war.14 Insofern sollte sich die Prüfung in der Praxis nicht auf die bloße Lektüre des GrESt-Bescheides beschränken. Das bedeutet zugleich aber auch, dass der GrESt-Festsetzung nicht ein anderer Lebenssachverhalt „untergeschoben“ werden kann, als die Behörde zum Anlass für die Festsetzung genommen hat. Beispiel 1: Ist anlässlich eines Immobilienerwerbs gegenüber dem Erwerber GrESt (bestandskräftig) festgesetzt, obwohl ein Steuerbefreiungstatbestand einschlägig war, hat der Bescheid-Adressat die wirtschaftliche Belastung aus dem Bescheid nach den allgemeinen Regeln (s. dazu im Einzelnen Rz. 9.16 ff.) ertragsteuerlich zu behandeln: Es liegen Anschaffungskosten vor. Dass der Bescheid rechtswidrig ist, ist für sich besehen ertragsteuerlich ohne Bedeutung.

9.5

B. Subjektive Zuordnung des GrESt-Aufwands I. Allgemeiner Grundsatz: Steuerschuldnerschaft ist maßgebend Die subjektive Zuordnung der GrESt als Kostenposition richtet sich grds. nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen, insbesondere dem objektiven Nettoprinzip, dem Kostentragungsprinzip und dem Veranlassungsprinzip (s. auch § 4 Abs. 4 EStG). Danach kann im Grundsatz daran angeknüpft werden, wer nach näherer Maßgabe von § 13 GrEStG als Steuerschuldner anzusehen ist (dazu im Einzelnen Rz. 7.1 ff.) und von der Finanzverwaltung als solcher auch in Anspruch genommen wird. Dies gilt grds. auch dann, wenn im Einzelfall für einen Erwerbsvorgang nach § 13 GrEStG mehrere Steuerschuldner (jeweils als Gesamtschuldner) in Betracht kommen. Das hat zur Folge, dass bei einer entgeltlichen Transaktion unter Lebenden grds. und typischerweise der Erwerber für die gesamte GrESt-Schuld in Anspruch genommen wird. Allerdings kann dies, bei anderweitiger Ermessensausübung des Finanzamts, z.B. auch wenn der Erwerber als zahlender Schuldner ausfällt,15 auch den Veräußerer betreffen, bei dem sich freilich in Ermangelung eines Anschaffungsvorgangs die Frage nach der Aktivierung nicht stellt.

9.6

Zu beachten ist, dass eine anteilige Nichterhebung der GrESt nach den §§ 5 f. GrEStG an der Steuerschuldnerschaft i.S.d. § 13 GrEStG nichts ändert.16

9.7

14 Wohl auch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4, der allerdings keine Diskrepanz zwischen Bescheidbegründung und tatsächlichem Sachverhalt erkennt. 15 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2. 16 Behrens, DStR 2008, 338, hält zudem nachvollziehbar dafür, dass es bei Personengesellschaften – zumindest wenn auch der Gesellschaftsvertrag keine entsprechende Regelung enthält – an einer gesetzlichen Grundlage dafür fehlt, die von der Personengesellschaft zu zahlende GrESt nur den Neu-Gesellschaftern zuzuordnen, d.h. die Befreiung von der GrESt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG in voller Höhe dem Alt-Gesellschafter zugutekommen zu lassen.

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Kap. 9 Rz. 9.8 | Ertragsteuerliche Behandlung

II. Vereinbarungen über die Kostentragung

9.8 Vielfach werden bei Grundstückstransaktionen Vereinbarungen über die Kostentragung getroffen, die auch die GrESt umfassen. Solche Abreden zwischen den Transaktionsbeteiligten sind von den Finanzbehörden im Rahmen der (Auswahl-)Ermessensausübung bei der Inanspruchnahme wegen der GrESt zu berücksichtigen (dazu Rz. 7.12 ff.).17 So entspricht es pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO), dass das Finanzamt von Gesamtschuldnern zunächst denjenigen zur GrESt heranzieht, der im Kaufvertrag die GrESt übernommen hat.18 Dies ist richtigerweise auch ertragsteuerlich jedenfalls solange zu akzeptieren, wie kein besonderes ertragsteuerliches Korrektiv eingreift (z.B. die besonderen Prüfungsgrundsätze für Vereinbarung zwischen nahestehenden Personen). Insofern sollte auch eine vereinbarungsgemäße Kostentragung ertragsteuerlich berücksichtigungsfähig sein. Dies sollte im Ergebnis richtigerweise auch unabhängig von einer Aufteilung in der GrESt-Festsetzung gelten, weil – zwischen fremden Dritten – kraft der zugrunde liegenden Vereinbarung ein (partieller) Regress- bzw. Ausgleichsanspruch bestünde, der zu einer Anschaffungskostenminderung im Rahmen des § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB führt, wenn und weil der Anspruch seinen Grund unmittelbar im Anschaffungsgeschäft hat.19 9.9 Beispiel 2: A und B vereinbaren im Grundstückskauf- und -übertragungsvertrag eine hälftige Kostenteilung u.a. betreffend die GrESt. Das FA setzt dies auch so um. Folge: Der Erwerber hat im Umfang der von ihm getragenen Kosten Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren. Variante: Das FA nimmt allein den Erwerber auf GrESt in Anspruch, der sodann wiederum kraft vertraglicher Vereinbarung seinen hälftigen Freistellungs-/Ausgleichsanspruch gegenüber dem Veräußerer durchsetzt. Folge: Es liegen im Ergebnis – aufgrund der Anschaffungskostenminderung (s. dazu auch Rz. 9.73 f.) – ebenfalls nur in hälftigem Umfang Anschaffungskosten vor.

9.10 Einschränkungen unterliegt die freie subjektive Zuordnung der GrESt durch Parteivereinbarung indessen insbesondere im Umwandlungskontext: Anlässlich eines Verfahrens der – im Zuge einer Verschmelzung von zwei Tochterkapitalgesellschaften – übernehmenden GmbH hat der BFH entschieden, dass die Zuordnung von verschmelzungsbedingten Kosten zum übertragenden oder zum übernehmenden Unternehmen sich nach dem objektiven Veranlassungsprinzip richtet und den Transaktionsbeteiligten kein Zuordnungswahlrecht belässt.20 Der BFH nimmt Bezug auf seine Entscheidung zur Verschmelzung von zwei Genossenschaften, in der er die Kos17 S. auch Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 41 ff.; Hofmann11, § 13 GrEStG Rz. 22. 18 BFH v. 26.6.1996 – II R 31/93, BFH/NV 1997, 2, bestätigt z.B. durch BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746. 19 Vgl. zur Minderung von Anschaffungsnebenkosten z.B. BFH v. 14.6.2012 – VI R 89/10, BStBl. II 2012, 835. 20 BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698; BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70 (in Bezug genommen v. AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.05, 04.34). S. auch Dremel in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns22, Rz. 11.128.

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B. Subjektive Zuordnung des GrESt-Aufwands | Rz. 9.10 Kap. 9

tentragung aus allgemeinen Grundsätzen ableitet, dass nämlich die GrESt beim Erwerber zu den objektbezogenen (nachträglichen) Anschaffungsnebenkosten gehört.21 Ist im (Verschmelzungs-)Vertrag zwischen den Transaktionsbeteiligten zivilrechtlich eine abweichende Kostentragung vereinbart, wirkt sich diese steuerrechtlich nicht aus.22 Infolgedessen kann für die GrESt beim übertragenden Rechtsträger auch keine Rückstellung gebildet werden.23 Obwohl der BFH diese Rechtsprechung nicht zuletzt mit dem Wegfall des übertragenden Rechtsträgers gerechtfertigt hat (weshalb die zugrunde liegenden GrESt-Festsetzungen auch gegenüber dem Erwerber ergangen waren), werden diese Erwägungen von der ganz h.M. insoweit verallgemeinert, als die GrESt bei sämtlichen rechtsgeschäftlichen Veräußerungen im Umwandlungskontext, insbesondere auch bei Spaltungen24 und Einbringungen,25 nach dem objektiven wirtschaftlichen Veranlassungsprinzip stets dem Erwerber bzw. übernehmenden Rechtsträger zugewiesen wird.26 Dem hat sich die Finanzverwaltung für die umwandlungsbedingte GrESt ausdrücklich angeschlossen.27 Eine steuerwirksame „Verschiebung“ der GrESt (ggf. mit dem Ziel der Umqualifizierung von Anschaffungskosten in sofort abziehbare Betriebsausgaben) sollte damit in diesem Kontext ausscheiden;28 zu den Folgen derartiger Kostenübernahmen s. Rz. 9.12 ff. Allerdings wird im Zusammenhang mit umwandlungsteuerlichen Einbringungen (§§ 20 ff. UmwStG) z.T. dafürgehalten, dass die (freiwillige) Übernahme von Kosten des übernehmenden Rechtsträgers zu Anschaffungskosten der im Rahmen der Einbringung erhaltenen Anteile gehören soll.29 Dem ist entgegenzuhalten, dass das unmittelbar auslösende Moment der hierbei anfallenden GrESt nicht der Anteilserwerb des Einbringenden, sondern die Grundstücksübertragung auf den übernehmenden Rechts21 BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. 22 BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168; v. 22.4.1998 – I R 72/97, juris.de; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 3 UmwStG Rz. 125a. Vgl. auch AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.34 unter Hinweis auf BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70. 23 S. auch AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.05 unter Verweis auf BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. 24 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 04.34; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 12 UmwStG Rz. 29; Mayer in Widmann/ Mayer, § 126 UmwG Rz. 329 [zur Spaltung]. 25 Ott, DStR 2016, 777 [zu § 20 UmwStG]; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski5, § 20 UmwStG Rz. 430; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 418; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 24 UmwStG Rz. 265. 26 Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 3 UmwStG Rz. 123; Rödder in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 242; Schmitz, NWB 2014, 2466. 27 BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70 (in Bezug genommen von AEUmwStG 2006 Tz. 03.05, 04.34). 28 Ebenso Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 21 UmwStG Rz. 123, § 20 UmwStG Rz. 404; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 418. 29 So Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 383; Dremel in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns22, Rz. 11.246. I.d.S. auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 21 UmwStG Rz. 88. Vgl. auch Fuhrmann in Widmann/Mayer, § 24 UmwStG Rz. 1074.

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Kap. 9 Rz. 9.10 | Ertragsteuerliche Behandlung

träger (als grunderwerbsteuerlichem Erwerber) ist und (nur) eine Kostentragung durch den Erwerber (fremd-)üblich ist. Wenn allerdings die Beteiligten die Vertragsgestaltung im „natürlichen Interessengegensatz“ (keine nahestehenden Personen) ausgehandelt haben, ist eine normative Grundlage für eine steuerliche Korrektur des Verhandlungsergebnisses nicht erkennbar und es sollte – z.B. in den zuvor angesprochenen Einbringungsfällen – im Ergebnis eine verhandlungsweise Zuweisung der Kosten mit ertragsteuerlicher Wirkung möglich sein.

9.11 Unbeschadet dessen ließe sich im Umwandlungskontext zwar argumentieren, dass sich eine Abrede über eine abweichende Kostentragung auf die subjektive ertragsteuerliche Kostentragung auswirken sollte, wenn das Finanzamt diese in die GrESt-Festsetzung übernimmt; denn in einem solchen Fall würde die Kostentragung der anderen Vertragspartei im Ausgangspunkt nicht lediglich aus dem (steuerlich unbeachtlichen) Innenverhältnis resultieren,30 sondern aus der (ggf. alleinigen) Inanspruchnahme. Allerdings steht dem (bei nahestehenden Personen) das Rechtsprechungsdogma entgegen, dass die GrESt (fremd-)üblicherweise beim Erwerber zu berücksichtigen ist, wenn und weil sie nach dem objektiven wirtschaftlichen Veranlassungsprinzip dessen Sphäre zuzuordnen ist;31 zumal hieraus ein Rückgriffsanspruch (Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB) gegen den „richtigen“ Gesamtschuldner resultieren könnte.32 Zum Tragen käme eine solche (beachtliche) Abrede allerdings freilich ohnehin nur, wenn überhaupt mehrere Schuldner der GrESt in Betracht kommen (s. dazu § 13 GrEStG). III. Folgen einer veranlassungswidrigen Kostenübernahme

9.12 Die Übernahme von Kosten, die den Grundsätzen der subjektiven Zuordnung auf der Basis des objektiven Veranlassungsprinzips widerspricht (s. Rz. 9.8 ff.), ist bei nahestehenden Personen als gesellschaftsrechtlich veranlasst anzusehen, mithin können bei der Beteiligung von KapGes. verdeckte Gewinnausschüttung bzw. verdeckte Einlagen vorliegen.33 9.13 Beispiel 3: Übernimmt die Muttergesellschaft die bei der Verschmelzung ihrer beiden Tochterkapitalgesellschaften anfallende GrESt, die steuerlich der übernehmenden Tochtergesellschaft zuzuordnen ist, liegt eine die Anschaffungskosten des Anteils an der übernehmenden Tochtergesellschaft erhöhende verdeckte Einlage vor.34

30 Zur Unbeachtlichkeit des Innenverhältnis s. nochmals BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. 31 BFH v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698. Vgl. auch BFH v. 15.10.1997 – I R 22/ 96, BStBl. II 1998, 168; BFH v. 22.4.1998 – I R 72/97, juris.de. 32 I.d.S. auch Martini in Widmann/Mayer, § 3 UmwStG Rz. 622. 33 van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 138; Stimpel/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 12 UmwStG Rz. 54; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski5, § 20 UmwStG Rz. 431; Ott, DStR 2016, 777; Stimpel, GmbHR 2012, 199, 200; Schmitz NWB 2014, 2466. S. auch BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70. 34 Stimpel, GmbHR 2012, 199.

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C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.17 Kap. 9 Variante: Übernimmt die übertragende Tochterkapitalgesellschaft die GrESt, ist dieser Vorgang in eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) der übertragenden Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft sowie eine verdeckte Einlage der Mutter in die übernehmende Tochterkapitalgesellschaft zu zerlegen.35

Dem Beispiel Entsprechendes würde bei Einbringungsvorgängen nach § 20 UmwStG für eine Übernahme durch die aufnehmende Kapitalgesellschaft gelten,36 sofern dies überhaupt ausnahmsweise dem Kostentragungsprinzip widersprechen sollte. Es ist auf ertragsteuerliche Besonderheiten für die Behandlung dieser Vorgänge zu achten, wenn sie im umwandlungsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum (§ 2 UmwStG) erfolgen.37

9.14

In entsprechender Weise kann auch in Personenunternehmen der GrESt-Aufwand im Fall eines steuerlichen Näheverhältnisses nicht steuerwirksam entgegen dem objektiven Veranlassungsprinzip verschoben werden, sodass entsprechende Vorgänge (über Entnahmen und Einlagen) zu korrigieren sind.38 Auch insoweit ist auf Besonderheiten im umwandlungssteuerlichen Rückwirkungszeitraum (§ 2 UmwStG) zu achten.

9.15

C. Ertragsteuerliche Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände I. GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1. Grundfall: Übertragung eines Grundstücks a) Sofortiger Betriebsausgabenabzug oder Aktivierung? Nach § 1 Abs. 1 GrEStG entsteht die GrESt grds. anlässlich des zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsels in Bezug auf das Eigentum an einem Grundstück, sei es als grundstückbezogene Einzeltransaktion, sei es als Teil einer Übertragung mehrerer Wirtschaftsgüter oder auch im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge, z.B. im Zuge einer Umwandlung (dazu im Einzelnen Rz. 9.32 ff.).

9.16

Ist diese GrESt (ausnahmsweise) – und ertragsteuerlich anzuerkennen (s. Rz. 9.6 f.) – vom Veräußerer eines betrieblichen Grundstücks getragen, ist sie in Ermangelung

9.17

35 Vgl. Stimpel, GmbHR 2012, 199. 36 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 239; Menner in Haritz/Menner/Bilitewski5, § 20 UmwStG Rz. 431; Widmann in Widmann/Mayer, § 20 UmwStG Rz. 717; Ott, DStR 2016, 777. 37 S. dazu im Einzelnen AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/ 0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 02.25 ff. sowie van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 138 sowie Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 235. 38 Schmitz, NWB 2014, 2466; s. auch BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70. Vgl. auch BFH v. 16.4.2015 – IV R 44/12, BFH/NV 2015, 1085 zur (gesellschaftsrechtlich veranlassten) Übernahme von Notarkosten für einen Anteilswechsel durch die PersGes.

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Kap. 9 Rz. 9.17 | Ertragsteuerliche Behandlung

eines von diesem angeschafften Wirtschaftsguts grds. eine sofort39 abziehbare Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 EStG);40 im Einzelfall können besondere Regeln für Veräußerungskosten (z.B. § 16 Abs. 2 EStG) einschlägig sein.

9.18 Ist die GrESt hingegen, wie im Regelfall, subjektiv dem Erwerber zuzuordnen (s. dazu Rz. 9.6 f.), ist sie im Fall des § 1 Abs. 1 GrEStG nicht sofort nach § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgabe abziehbar, wenn und weil einer solchen grunderwerbsteuerpflichtigen Transaktion der Übergang des Eigentums – zumindest des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 AO – an einem Grundstück zugrunde liegt. Ein solcher führt zu einer (steuer-)bilanziellen Aktivierung41 des Grundstücks gem. § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG (bzw. bei Einnahmenüberschussrechnern zu einer im Ergebnis vergleichbaren Behandlung nach § 4 Abs. 3 Sätze 3 ff. EStG). Sollte es im Einzelfall an einem Übergang des (wirtschaftlichen) Eigentums am Grundstück fehlen,42 liegt in Ermangelung einer Aktivierungsmöglichkeit sofort43 abziehbarer betrieblicher Aufwand vor. b) GrESt und Folgekosten als Teil der Anschaffungskosten

9.19 Wird das Grundstück zu (wirtschaftlichem) Eigentum entgeltlich erworben, liegt eine Anschaffung des Erwerbers vor und die in diesem Zusammenhang anfallende GrESt gehört zu den objektbezogenen (nachträglichen) Anschaffungsnebenkosten (vgl. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).44 Denn der Anschaffungskostenbegriff umfasst aufgrund des steuerlichen Rückgriffs auf das Handelsrecht gem. § 255 Abs. 1 HGB alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben, ihn also von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen.45 Dazu gehören gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB ausdrücklich auch die Nebenkosten des Erwerbs, also alle im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang stehenden Kosten, mithin insbesondere auch die GrESt, deren Zahlung den (zivilrechtlichen) Abschluss des Eigentumsübergangs i.d.R. überhaupt erst ermöglicht

39 S. zu den je nach GrESt-Tatbestand variierenden Zeitpunkten Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401. 40 Vgl. BFH v. 26.3.1992 – IV R 121/90, BStBl. II 1992, 1038. 41 Schindler in Kirchhof/Seer22, § 6 EStG Rz. 31 m.w.N. 42 Schubert/Gadek in Beck’scher Bilanzkommentar13, § 255 HGB Rz. 72, verweisen beispielhaft auf einen Treuhanderwerb; Fleischer in Kessler/Kröner/Köhler3, § 5 Rz. 2 f., verweisen auf bestimmte Leasing-Konstellationen; Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401 und Heine, INF 2004, 583, verweisen auf Zwischengeschäfte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5-7 GrEStG. 43 S. zu den je nach GrESt-Tatbestand variierenden Zeitpunkten Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401. 44 S. schon BFH v. 13.4.1988 – I R 104/86, BStBl. II 1988, 892; v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. Nochmals bestätigt in BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 45 Zum Rückgriff auf das Handelsrecht s. z.B. BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260; v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878; v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761.

1000 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.24 Kap. 9

(vgl. § 22 GrEStG).46 Bei einer Grundstücksübertragung, die den Tatbestand des § 1 Abs. 1 GrEStG erfüllt, stellen sich weitergehende Fragen der sog. Finalität des Anschaffungskostenbegriffs nicht,47 weil die GrESt hier „zielgerichtet“ für den Erwerb des betreffenden Grundstücks bzw. im inneren Zusammenhang damit aufgewandt wird (zur Relevanz einer Finalität s. jeweils auch Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.; Rz. 9.71 f.; Rz. 9.75 ff.). Das Gleiche gilt nach Auffassung des BFH zum einen auch für die mit der GrESt zusammenhängenden steuerlichen Nebenleistungen (wie z.B. Säumniszuschläge zur GrESt) sowie zum anderen für Folgekosten (wie z.B. Prozesskosten betreffend die GrESt),48 soweit diese nicht Entgelt für eine gesonderte Leistung sind (wie z.B. [Aussetzungs-]Zinsen [§ 237 AO] als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung).49

9.20

c) Aufteilung von Anschaffungskosten bei mehreren Wirtschaftsgütern Sofern das die GrESt auslösende Grundstück ertragsteuerlich aus mehreren Wirtschaftsgütern besteht, bedarf es einer Aufteilung der angefallenen GrESt auf die einzelnen Wirtschaftsgüter.

9.21

Beispiel 4: A erwirbt für ihr Unternehmen ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude. Unbeschadet der Zivilrechtslage werden hier ertragsteuerlich (mindestens50) zwei Wirtschaftsgüter – Grundstück („Grund und Boden“) und Gebäude – angeschafft, die getrennt bilanziert und bewertet werden müssen. Hierzu sind die Anschaffungskosten, zu denen neben dem Kaufpreis u.a. auch die angefallene GrESt gehört, auf die beiden Wirtschaftsgüter aufzuteilen.

9.22

Praktische Bedeutung hat dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass von Anschaffungskosten nur bei den abnutzbaren Wirtschaftsgütern (des Anlagevermögens) – also etwa Gebäuden, nicht aber Grund und Boden – Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG vorzunehmen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG), während der Aufwand bei den nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern bis zu ihrem Abgang, insbesondere bis zur Veräußerung oder Entnahme, als Teil der Anschaffungskosten im Buchwert gespeichert bleibt.

9.23

Die Aufteilung des GrESt-Aufwandes auf die verschiedenen Wirtschaftsgüter hat nach dem Verhältnis der Verkehrswerte bzw. bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nach dem Verhältnis der Teilwerte zu erfolgen;51 hierzu stellt das BMF für

9.24

46 BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96. 47 Vgl. dazu BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260; v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. Gadek/Mörwald, DB 2012, 2010, werfen die Frage aufgrund des zwangsläufigen Anfalls der GrESt gleichwohl auf. 48 BFH v. 14.1.1992 – IX R 226/87, BStBl. II 1992, 464; s. auch Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 50. 49 BFH v. 25.7.1995 – IX R 38/93, BStBl. II 1995, 835. 50 S. zu verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen im Einzelnen Rade in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 290 ff. 51 BFH v. 15.2.1989 – X R 97/87, BStBl. II 1989, 604. Vgl. auch BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/ 19, BStBl. II 2021, 372 [Verkehrswert]; v. 8.7.1998 – VIII B 80/97, BFH/NV 1999, 37 [Teil-

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Kap. 9 Rz. 9.24 | Ertragsteuerliche Behandlung

die Praxis eine – mit Blick auf die BFH-Rechtsprechung52 – überarbeitete Arbeitshilfe zur Verfügung.53 Wurde eine vertragliche Aufteilung des Kaufpreises vereinbart, kann diese der Besteuerung grds. zugrunde gelegt werden, sofern keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vereinbarung, für das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) oder für nennenswerte Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der vertraglichen Aufteilung bestehen.54 d) Zeitliche Fragen der Aktivierung

9.25 In zeitlicher Hinsicht erfolgt die Aktivierung des angeschafften Wirtschaftsgutes (Grundstücks) mit seiner „Lieferung“ (§ 9a EStDV). Hierunter ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu verstehen, bei Grundstücken mithin grds. der Übergang von Besitz sowie Nutzen und Lasten.55 Lediglich in Ausnahmefällen kann es, da nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits die Einräumung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung (z.B. der Kaufvertrag) – und nicht erst die dingliche Übertragung – die GrESt auslöst, zu (ertragsteuerlich) fehlgeschlagenen Anschaffungsvorgängen kommen, in denen zwar bereits die GrESt entstanden ist, die Anschaffung aber nicht vollendet wird. 9.26 Die (Hinzu-)Aktivierung der GrESt hat dabei bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges als jenem ihres grunderwerbsteuerlichen Entstehens zu erfolgen, nicht jedoch (erst) im Zeitpunkt der Festsetzung oder der Zahlung56 und nicht (schon) im Zeitpunkt einer umwandlungsteuerlichen Rückbeziehung, die für GrESt nämlich nicht gilt.57 Da insofern die materielle Entstehung der GrESt maßgebend ist, ist nach den Entstehungstatbeständen zu differenzieren.58 So entsteht die GrESt z.B. im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits mit dem wirksamen Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts. Demgegenüber kommt es in Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auf die Eigentumsübertragung an, sodass bei entsprechenden Umwandlungen die Handelsregister-Eintragung maßgebend ist.59

52 53 54 55 56 57 58 59

wert]; Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 50 („GrESt“); Ott, DStR 2016, 777. Vgl. BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl. II 2021, 372, in dem die frühere Fassung der Arbeitshilfe verworfen wird. Die Arbeitshilfe nebst Anleitung (Stand: Juni 2022) kann über die Internetseite www.bun desfinanzministerium.de abgerufen werden. BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl. II 2021, 372. BFH v. 12.9.2002 – IV R 66/00, BStBl. II 2002, 815. Im Einzelnen auch Schindler in Kirchhof/Seer22, § 6 EStG Rz. 31 m.w.N. BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686. A.A. (wohl) van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. I.d.S. auch Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 238. S. zu den je nach GrESt-Tatbestand variierenden Zeitpunkten Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401. BFH v. 29.9.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137. S. auch Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 242.

1002 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.30 Kap. 9

Da Anschaffungsnebenkosten unbeschadet dessen vorliegen, ob sie vor oder im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran entstehen,60 ist es i.d.R. auch ohne nennenswerte Bedeutung, wenn die „Lieferung“ des Grundstücks und die Entstehung der GrESt nicht synchron erfolgen. Zu beachten ist aber, dass nachträgliche Anschaffungs(neben)kosten nicht rückwirkend, sondern erst im Zeitpunkt ihres Anfalls zu aktivieren sind.61 Das kann Auswirkungen auf die Abschreibung haben. Zu späteren Änderungen der GrESt s. D. (Rz. 9.73 ff.).

9.27

e) Behandlung der GrESt bei teilentgeltlichen Erwerben Nebenkosten, wie die GrESt, sind bei teilentgeltlichem Erwerb eines betrieblichen Wirtschaftsguts (Grundstücks), bei dem grds. die Trennungstheorie anzuwenden ist,62 als Anschaffungsnebenkosten vollständig (und nicht nur anteilig) beim entgeltlichen Teil zu aktivieren.63

9.28

f) Behandlung der GrESt bei unentgeltlichen Erwerben und Einlagen Im Fall einer (echten) Einlage (auch bei verdeckter Einlage in eine Kapitalgesellschaft), die mit einem nach § 1 Abs. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb einhergeht, ist das Wirtschaftsgut aufseiten des Erwerbers gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG grds. mit dem Teilwert zu bewerten. Hierzu gehören bei einer Grundstücksübertragung nach der Rechtsprechung des BFH auch die Anschaffungsnebenkosten, wie die GrESt.64 Denn der Teilwert ist nach der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des gesamten Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut unter Annahme der Betriebsfortführung ansetzen würde und umfasst auch die Aufwendungen, die ein Erwerber im Rahmen einer Anschaffung oder Wiederbeschaffung des Wirtschaftsguts als Nebenkosten an Dritte zu zahlen hat. Etwas anderes gilt nur, wenn GrESt anlässlich einer Anteilseinlage entsteht, bei der die GrESt nur in Ausnahmefällen (z.B. § 1 Abs. 3 GrEStG) als Folgekosten entsteht (dazu Rz. 9.59 ff.; Rz. 9.63 ff.).65

9.29

Zu einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens hat der BFH entschieden, dass sich § 11d EStDV nur auf die vom Rechtsvorgänger übernommenen Kosten (Sphäre des Übertragenden) beziehe. Daher sind beim Erwerber eigene Kosten berücksichtigungsfähig und neben dem für den Erwerb anzusetzenden (übernommenen) Wert zu aktivieren. Dies führt aufseiten des Erwerbers zu einer „eigenständigen“ AfA-Bemessungsgrundlage „aufgrund eigenständiger

9.30

Z.B. BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 m.w.N. Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 47a. S. dazu Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 753 f. BFH v. 20.12.1990 – XI R 2/85, BFH/NV 1991, 383; v. 11.9.1991 – XI R 4/90, BFH/NV 1992, 169; Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 53 f. 64 BFH v. 29.4.1999 – IV R 63/97, BStBl. II 2004, 639; v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281 (auch zum Einlagebegriff bei Kapitalgesellschaften); Ott, GStB 2022, 256. 65 BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281. S. auch Henerichs/Stadje, FR 2011, 890. 60 61 62 63

Böwing-Schmalenbrock | 1003

Kap. 9 Rz. 9.30 | Ertragsteuerliche Behandlung

Rechtsgrundlage“ (gem. § 7 Abs. 4 EStG).66 Dem hat sich in Änderung ihrer Einschätzung auch die Finanzverwaltung angeschlossen.67 Eine Vielzahl von Stimmen in der Literatur überträgt diese BFH-Rechtsprechung auch auf den betrieblichen Kontext.68 Dem ist im Ergebnis beizupflichten. Dem steht auch nicht entgegen, dass mit § 6 Abs. 4 EStG eine Vorschrift existiert, die für unentgeltliche Übertragungen zwischen zwei Betriebsvermögen unterschiedlicher Steuerpflichtiger sowie – nach von beachtlichen Stimmen vertretener Auffassung69 – auch für Übertragungen aus einem Privatvermögen in ein Betriebsvermögen eine eigene Zugangsbewertung (in Gestalt einer Bewertung mit dem gemeinen Wert i.S.d. § 9 BewG) enthält. Denn § 6 Abs. 4 EStG fingiert ausweislich seines ausdrücklichen Wortlauts lediglich die Höhe der Anschaffungskosten des „Erwerbers“. Damit greift die Regelung – über die entsprechenden Tatbestände in § 6 Abs. 1 EStG – auf § 255 Abs. 1 HGB zu, sodass insoweit richtigerweise auch Raum für die Annahme eigener Anschaffungsnebenkosten des „Erwerbers“ ist,70 zu denen wiederum auch die GrESt zählt. Diese Regelungskonzeption rechtfertigt es zugleich, die GrESt in eine einheitliche AfA-Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

9.31 Zu vergleichbaren Fragen bei der Anwendung von § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG s. Rz. 9.32 ff. 2. Besonderheiten bei Umstrukturierungen im Unternehmen a) Ausgangspunkt: Zuordnung der GrESt-Schuld zum Erwerber

9.32 Auch im Umwandlungskontext kann eine GrESt-Schuld nach § 1 Abs. 1 GrEStG ausgelöst werden, wenn es im Zuge der Umstrukturierung auch zu einer Grundstücksübertragung kommt. Wenn und weil der GrESt-Aufwand subjektiv dem Erwerber zuzuordnen ist (dazu im Einzelnen Rz. 9.6 ff.), stellt sich die Frage nach der Aktivierung des Grundstücks im Grundsatz in derselben Weise wie im Grundfall des § 1 Abs. 1 GrEStG (dazu Rz. 9.16 ff.). Dies gilt unter der Prämisse, dass nicht ein grund-

66 BFH v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878, auch zum (seinerzeitigen) Streitstand. Anschließend FG München v. 18.5.2021 – 12 K 1506/20, DStRE 2022, 641 (rkr.). 67 BMF v. 13.1.1993 – IV B 3-S 2190-37/92, BStBl. I 1993, 80 Tz. 13 (dort Fn. 12); insoweit dürfte auch BMF v. 9.7.1993 – IV B 2-S 2134-186/93, DB 1993, 1492, überholt sein. 68 Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 53 f.; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 200; M. Prinz in Bordewin/Brandt, § 6 EStG Rz. 1, 152; Ehmcke/Krumm in Brandis/ Heuermann, § 6 EStG Rz. 317; Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 42; Korn/Strahl in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 6 EStG Rz. 70; Freikamp, DB 2021, 2037. A.A. Oellerich in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 6 EStG Rz. 268 unter Verweis auf BFH v. 8.6.1994 – X R 51/91, BStBl. II 1994, 779 (zu § 10e EStG). Zweifelnd auch Wacker in Schmidt42, § 16 EStG Rz. 67. 69 Ehmcke/Krumm in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz. 1264; Niehus/Wilke in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1415; Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 751. A.A. (nur aus Betriebsvermögen) BMF v. 6.12.2005 – IV B 2-S 2134a-42/05, BStBl. I 2005, 1047 Rz. 11. 70 I.d.S. auch Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1421 m.w.N. zu dieser Auffassung. A.A. Oellerich in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 6 EStG Rz. 267.

1004 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.35 Kap. 9

erwerbsteuerlicher Befreiungstatbestand einschlägig ist (s. insbesondere §§ 5–6a GrEStG; zu dessen nachträglichem Wegfall s. Rz. 9.75 ff.). Im Anwendungsbereich des UmwStG kann es nach den bereits dargelegten Grundlegungen grds. bei sämtlichen übertragenden Umwandlungen – mit Ausnahme des Anteilstausches gem. § 21 UmwStG, bei dem GrESt nicht nach § 1 Abs. 1 GrESt entsteht – zu einer Aktivierung von GrESt aufgrund eines nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerpflichtigen Vorgangs kommen (im Einzelnen Rz. 9.35 ff.). Soweit die Verwaltung mitunter früher aus Vereinfachungsgründen einen Sofortabzug der GrESt zugelassen hat, ist diese Verwaltungspraxis überholt.71

9.33

Da ein Formwechsel als nicht-übertragende Umwandlung der GrESt nicht unterliegt (Rz. 1.78; 2.129 ff.),72 stellt sich die Frage nach der ertragsteuerlichen Behandlung der GrESt bei Grundstücken im Gesamthandsvermögen nicht. Entsprechendes gilt im Fall einer nach § 1a KStG (im Wege eines für Ertragsteuerzwecke fingierten Formwechsels) ins KSt-Regime optierten PersGes. (Rz. 6.257 ff.). Anders kann es bei Grundstücken im Sonderbetriebsvermögen liegen; soweit nicht eine Steuerbefreiung eingreift (§§ 5 ff. GrEStG).73 Ferner kann sich ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ergeben (dazu Rz. 9.63 ff.), wenn der Formwechsel nicht quotenwahrend erfolgt und es hierdurch zu einer grunderwerbsteuerrelevanten Veränderung der Beteiligungsverhältnisse kommt.74

9.34

b) GrESt bei übertragenden Umwandlungen nach dem UmwStG Der BFH – wie nunmehr auch die Finanzverwaltung75 – sieht sämtliche Umwandlungsvorgänge des UmwStG als tauschähnliche Geschäfte, mithin als rechtsgeschäftliche Veräußerungen, an,76 und zwar unbeschadet dessen, ob das Grundstück zivil-

71 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 23.01 [zu § 23 UmwStG]. Vgl. auch BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686 sowie bereits BMF v. 18.1.2010 – IV C 2-S 1978-b/0, BStBl. I 2010, 70 (in Bezug genommen von AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 03.05, 04.34). A.A. für die Verschmelzung auf eine PersGes. Gottwald/Behrens/Böing/Seewald, GrESt6, Kap. 13 Rz. 4, die eine nicht näher begründete Schlussfolgerung aus AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/ 0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 03.05. ziehen wollen. 72 BFH v. 4.4.2001 – II R 57/98, BStBl. II 2001, 587. S. auch Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 93. 73 Schießl in Widmann/Mayer, § 1a KStG Rz. 58, 235, m.w.N. 74 S. zur grunderwerbsteuerlichen Relevanz eines Formwechsels einer Gesellschaft mit Grundbesitz Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, UmwG/UmwStG, Verkehrssteuern bei Umwandlungs- und Einbringungsvorgängen (Überblick) Rz. 109 f. 75 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02. 76 S. schon BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168 [zur Verschmelzung von Personenunternehmen]; BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686; BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 [zur Verschmelzung von Körperschaften]; BFH v. 1.3.2018 – IV R 38/15, BStBl. II 2018, 587 [zur Einbringung nach § 24 UmwStG]; BFH v. 5.6.2002

Böwing-Schmalenbrock | 1005

9.35

Kap. 9 Rz. 9.35 | Ertragsteuerliche Behandlung

rechtlich im Wege einer Singular- oder einer Universalsukzession übertragen wird.77 Auf der Erwerberseite ergeben sich hinsichtlich der Fragen der „Anschaffung“ (Ansatz) und der „Anschaffungs(neben)kosten“ (Bewertung) insoweit im Ausgangspunkt keine Besonderheiten gegenüber dem o.a. Grundfall eines entgeltlichen Grundstückserwerbs (Rz. 9.16 ff.). Die GrESt ist als Teil der Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB (ggf. nach Aufteilung auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits) zu aktivieren.78 Es liegen sog. objektbezogene Kosten vor, die unmittelbar im Zusammenhang mit bestimmten Grundstücken stehen.79

9.36 Dies vorausgeschickt führen namentlich Verschmelzungen nach §§ 3 ff. UmwStG80 und §§ 11 ff. UmwStG81 sowie Spaltungen nach §§ 15 ff. UmwStG,82 soweit ihnen grunderwerbsteuerlich ein Fall von § 1 Abs. 1 GrEStG zugrunde liegt (s. dazu Rz. 6.1 ff.),83 grds. aufseiten des übernehmenden Unternehmens zu einer Anschaffung des Grundstücks und zur resultierenden Aktivierungspflicht (zur subjektiven Zuordnung des GrESt-Aufwandes s. bereits Rz. 9.6 ff.; Rz. 9.32 ff.),84 und zwar selbst dann, wenn keine neuen Anteile entstehen.85 Eine anfallende GrESt ist als originärer Aufwand des übernehmenden Rechtsträgers – unabhängig vom Wertansatz der übernommenen Wirtschaftsgüter – hinzuzuaktivieren;86 sie steht daher auch einer Buchwertfortführung nicht entgegen. Anders können die Dinge in Ansehung der Aktivierungspflicht liegen, wenn die GrESt aufgrund der Ersatztatbestände in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG entsteht (s. dazu Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.). Zu den „Kosten für den Vermögensübergang“ i.S.d. §§ 4 Abs. 4, 12 Abs. 2 UmwStG rechnet (jedenfalls) die als Anschaffungs(neben)kosten zu aktivierende GrESt als ob-

77 78

79 80 81

82 83 84 85 86

– I R 6/01, BFH/NV 2003, 88 [zur Einbringung nach § 20 UmwStG]. Kritisch z.B. Gadek/ Mörwald, DB 2012, 2013. Vgl. auch BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 418. AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 23.01 [zu § 23 UmwStG], Rz. 03.34 (unter Verweis auf BMF-Schreiben v. 18.1.2010, BStBl. I 2010, 70 zu § 4 UmwStG). S. zur Einbeziehung in das Übernahmeergebnis im Einzelnen van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 23.01 [zu § 23 UmwStG]. S. auch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. S. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. Vgl. BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168 und v. 22.4.1998 – I R 83/96, BStBl. II 1998, 698 [beide zur Verschmelzung von zwei Körperschaften]. S. dazu z.B. auch Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 242; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl9, § 3 UmwStG Rz. 125a, § 11 UmwStG Rz. 82 und § 12 UmwStG Rz. 29. Vgl. z.B. Fleischer in Kessler/Kröner/Köhler3, § 5 Rz. 41. S. dazu BFH v. 15.10.1997 – I R 22/96, BStBl. II 1998, 168. S. auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 4 UmwStG Rz. 58. S. auch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/ 20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. Zur Aufwärtsverschmelzung BFH v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45. Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 4 UmwStG Rz. 58.

1006 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.38 Kap. 9

jektbezogene Aufwendung nach allgemeiner Meinung nicht (s. dazu im Einzelnen Rz. 9.71 f.).87 Soweit auch die Einbringungs- bzw. Sacheinlagetatbestände der §§ 20, 24 UmwStG als tauschähnliche Vorgänge anzusehen sind und es dabei – anders als beim Anteilstausch gem. § 21 UmwStG – zu einer unmittelbaren Grundstücksübertragung und infolgedessen (unter Berücksichtigung von §§ 5 f. GrEStG) zur GrESt-Entstehung nach § 1 Abs. 1 GrEStG kommt, liegt ebenfalls auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers eine Anschaffung der einzelnen Wirtschaftsgüter vor, sodass die GrESt nach allgemeiner Meinung als objektbezogene (Anschaffungsneben-)Kosten aktiviert werden muss.88 Die Hinzuaktivierung als Anschaffungsnebenkosten ist nach h.M. vom gewählten Wertansatz des übernehmenden Rechtsträgers unabhängig,89 da in allen Fällen ein entgeltliches Geschäft mit originären Aufwendungen des übernehmenden Rechtsträgers vorliegt. Die GrESt kann auch bei Ansatz des gemeinen Wertes hinzuaktiviert werden.90 Umgekehrt steht die Hinzuaktivierung der GrESt einer Buchwertfortführung nicht entgegen.91 Da die GrESt-Schuld grds. subjektiv dem Erwerber, also dem übernehmenden Rechtsträger, zuzuordnen ist (vgl. dazu Rz. 9.6 ff.; Rz. 9.32 ff.),92 stellt sich die Frage, ob es sich dabei um Einbringungskosten handelt, praktisch nicht.93

9.37

Kontrovers und höchstrichterlich ungeklärt ist allerdings, wie die AfA in Bezug auf die umwandlungsbedingt anfallende und aktivierungspflichtige GrESt umzusetzen ist. Die Finanzverwaltung legt sich hierzu nicht fest und führt (zu § 23 UmwStG) im AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 lediglich aus, dass die GrESt als zusätzliche Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter zu aktivieren ist, bei deren Erwerb sie angefallen sind.94 Zur konkreten Durchführung der AfA wird insoweit vielfach vertreten, dass die GrESt (stets) auf die (bestehende) Restnutzungsdauer der übernommenen Wirt-

9.38

87 S. auch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. Vgl. AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.34; vgl. hierzu z.B. Schmitz, NWB 2014, 2433. 88 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Tz. 23.01, s. auch Tz. 00.02; BFH v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686 [zu § 20 UmwStG]; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 236; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 418; Rasche in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 24 UmwStG Rz. 128; Freikamp, DB 2021, 2037; Freikamp, DB 2022, 212. S. Ott, DStR 2016, 777 (auch zur Rückstellungsbildung). 89 Widmann in Widmann/Mayer, § 23 UmwStG Rz. 11; Bilitewski in Haritz/Menner/Bilitewski5, § 23 UmwStG Rz. 76, § 20 UmwStG Rz. 433; Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 236; Freikamp, DB 2021, 2037, 2040; Ott, DStR 2016, 777. A.A. im Fall der Buchwertfortführung (wohl) Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl9, § 24 UmwStG Rz. 73. 90 Z.B. Ritzer in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 23 UmwStG Rz. 232. 91 Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 24 UmwStG Rz. 265. 92 Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 236; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 24 UmwStG Rz. 265. 93 S. dazu aber Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 20 UmwStG Rz. 383. 94 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 23.01 [zu § 23 UmwStG].

Böwing-Schmalenbrock | 1007

Kap. 9 Rz. 9.38 | Ertragsteuerliche Behandlung

schaftsgüter abzuschreiben ist.95 Dies erscheint gut vertretbar; die praktischen Vorzüge dessen liegen auf der Hand. Gleichwohl ist für die Praxis darauf hinzuweisen, dass an dieser Einschätzung Zweifel angebracht sind. Denn bei den betreffenden Umwandlungen handelt es sich erstens um einen (neuen) Anschaffungsvorgang des übernehmenden Rechtsträgers, zweitens sind die Anschaffungsnebenkosten, wie die GrESt, allein dessen Rechtskreis zuzuordnen96 und drittens erstrecken sich die umwandlungsteuerlichen (Spezial-)Regeln in §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (ggf. in Verbindung mit § 24 Abs. 4 UmwStG) nicht auf diese Sphäre des Erwerbers.97 Es sprechen daher gute Gründe dafür, von einer Anschaffung übergehender Grundstücke auszugehen, deren Bewertung sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: Einerseits aus den umwandlungssteuerlich determinierten Werten und Modalitäten, die aus der Sphäre des übertragenden Rechtsträgers übernommen werden (müssen) und insofern die Bewertung zu (Haupt-)Anschaffungskosten überlagern, und andererseits aus den originär eigenen Anschaffungsnebenkosten, für die – in Ermangelung einer anderweitigen gesetzlichen Regelung – eine eigene, neue AfA-Reihe zu eröffnen ist98 und die nach den allgemeinen Regeln für das betreffende Wirtschaftsgut (im Fall von Grundstücken gem. § 7 Abs. 4, Abs. 5 EStG) zu behandeln sind.99 Da ein Anschaffungsgeschäft des übernehmenden Rechtsträgers vorliegt, kann richtigerweise auch nicht auf der Grundlage der übernommenen, umwandlungsteuerrechtlich determinierten Werte von den für nachträgliche Anschaffungskosten geltenden allgemeinen Grundsätzen100 ausgegangen werden.101 c) GrESt bei Umstrukturierungsmaßnahmen jenseits des UmwStG

9.39 Die allgemeinen Grundsätze (Rz. 9.16 ff.) gelten grds. auch bei Umstrukturierungen jenseits des UmwStG, soweit die entgeltliche Übertragung eines Grundstücks zur GrESt-Entstehung nach § 1 Abs. 1 GrEStG führt, und zwar auch, wenn sie im umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum erfolgt (vgl. aber seit dem 1.7.2021: § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG).102

95 Martini in Widmann/Mayer, § 4 UmwStG Rz. 153. Wohl auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 12 UmwStG Rz. 70, § 23 UmwStG Rz. 78, 80; Ott, DStR 2016, 777. 96 Vgl. zu diesem Gedanken auch BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407. 97 Zur Reichweite der Vorschriften ebenso Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 236; Ott, DStR 2016, 777. 98 Vgl. dazu bei unentgeltlichem Erwerb BFH v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878. 99 Freikamp, DB 2022, 212. 100 S. dazu Kulosa in Schmidt42, § 7 EStG Rz. 133: Danach ist zu differenzieren, ob die AfA nach typisierten Sätzen wie in § 7 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 EStG (Folge: Erhöhung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage, gleicher AfA-Satz, Verlängerung der Abschreibungsdauer) oder nicht nach typisierten Sätzen wie in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG (Folge: Erhöhung des letzten Buchwerts, Neuschätzung der Restnutzungsdauer bzw. nach R 7.4 Abs. 9 Satz 2 EStR 2021 Fortsetzung des Abschreibungszeitraums) erfolgt. Vgl. auch BFH v. 29.11.2007 – IV R 73/02, BStBl. II 2008, 407; v. 25.11.1970 – I R 165/67, BStBl. II 1971, 142. 101 I.d.S. wohl auch Widmann in Widmann/Mayer, § 23 UmwStG Rz. 244. 102 Vgl. dazu mit Beispielen Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 8 GrEStG Rz. 32.

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C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.41 Kap. 9

Veräußerungen von Personen- sowie Kapitalgesellschaftsanteilen führen nicht zur unmittelbaren Übertragung von Grundstücken und mithin nicht zur Entstehung von GrESt nach § 1 Abs. 1 GrEStG, sondern ggf. nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 GrEStG (s. dazu Rz. 9.52 ff. zu § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG und Rz. 9.63 ff. zu § 1 Abs. 3 GrEStG).

9.40

Durch die Realteilung einer grundbesitzenden Mitunternehmerschaft kann GrESt (unter Beachtung von § 6 GrEStG103) nach § 1 Abs. 1 GrEStG ausgelöst werden. Diese ist richtigerweise unbeschadet dessen als Anschaffungsnebenkosten eines übernommenen Grundstücks zu behandeln, ob es sich um eine Realteilung mit oder ohne Spitzenausgleich104 handelt.105 Die dogmatische Einordnung der Realteilung mit Spitzenausgleich ist kontrovers. Sie wird richtigerweise von der h.M. – entgegen der BFH-Rechtsprechung106 – als teilentgeltliche Anschaffung des übernommenen Wirtschaftsgutes angesehen,107 sodass insoweit zur Behandlung der GrESt auf die allgemeinen Grundsätze zur teilentgeltlichen Übertragung verwiesen werden kann (Rz. 9.28), wonach in vollem Umfang von Anschaffungsnebenkosten auszugehen ist.108 Nichts anderes kann aber für die Auffassung des BFH sowie für Realteilungen ohne Spitzenausgleich gelten. Zwar hält § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG eine eigenständige Bewertungsregel bereit, wonach die im Zuge der Realteilung übertragenen Wirtschaftsgüter zum Buchwert („Wert, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt“) zu übernehmen sind. Diese Wertübernahme bezieht sich allerdings – insoweit vergleichbar mit §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (Rz. 9.35 ff.) – nur auf die aus der Sphäre der übertragenden Mitunternehmerschaft übernommenen Werte und sperrt eigene Anschaffungsnebenkosten des Übernehmers nicht aus; dass Anschaffungsnebenkosten auch bei unentgeltlichen Erwerben anfallen können, entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des BFH (Rz. 9.29 ff.). Bei der Durchführung der AfA stellt sich indessen dieselbe Problematik wie im Bereich des UmwStG unter Geltung der §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (dazu Rz. 9.35 ff.). Nimmt man an, dass es sich bei der Realteilung letztlich nicht um einen entgeltlichen Vorgang handelt, der lediglich wie ein unentgeltlicher behandelt wird,109 erscheint es auch hier vorzugswürdig, aufgrund der Anschaffung für die eigenen Anschaffungs(neben)kosten des Übernehmers eine eigene AfA-Reihe zu eröffnen. Damit würde die Behandlung insoweit auch der

9.41

103 Vgl. BFH v. 25.8.2020 – II R 30/18, BStBl. II 2021, 322 sowie Patt, EStB 2014, 182. 104 S. dazu im Einzelnen Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 555. 105 Ebenso Pupeter in Widmann/Mayer, Anhang 10: Realteilung Rz. 1304; Gottwald/Behrens/Böing/Seewald, GrESt6, Kap. 13 Rz. 7. Vgl. dazu auch Fleischer in Kessler/Kröner/ Köhler3, § 5 Rz. 41. 106 BFH v. 20.10.2015 – VIII R 33/13, BStBl. II 2016, 596. 107 BMF v. 19.12.2018, IV C 6-S 2242/07/10002, BStBl. I 2019, 6; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 556 m.w.N. 108 Vgl. zu teilentgeltlichem Erwerb BFH v. 20.12.1990 – XI R 2/85, BFH/NV 1991, 383; Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 53 f. 109 Geissler/Kobor/Kulosa/Patt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz. 556.

Böwing-Schmalenbrock | 1009

Kap. 9 Rz. 9.41 | Ertragsteuerliche Behandlung

„Realteilung“ nicht-mitunternehmerischer PersGes. entsprechen (s. dazu auch Rz. 9.29 ff.).110

9.42 Soweit die Anwachsung eines Personengesellschaftsanteils (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu einem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel in Bezug auf die in der PersGes. gehaltenen Grundstücke führt (bzw. aufgrund des MoPeG111 ab 1.1.2024: geführt hat) und es infolgedessen zu einer Steuerentstehung nach § 1 Abs. 1 (Nr. 3) GrEStG kommt,112 führt dies ebenfalls zu Anschaffungsnebenkosten.113 Soweit hier § 6 Abs. 2 GrEStG eingreift, kommt es allerdings nur zur anteiligen Erhebung der GrESt.114 Ohne Rechtsträgerwechsel kommt eine Entstehung der GrESt nur nach § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG in Betracht (dazu Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.). 9.43 Rechtsprechung und Finanzverwaltung sehen die Einbringung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens in eine KapGes. und in eine Mitunternehmerschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten als tauschähnlichen Vorgang an, der beim einbringenden Gesellschafter zu einer entgeltlichen Veräußerung führt,115 mithin beim Erwerber zu einer Anschaffung. Insofern gelten die Überlegungen aus dem Grundfall (Rz. 9.16 ff.) und es kommt zu Anschaffungsnebenkosten. 9.44 Als ungeklärt anzusehen ist die Behandlung von Nebenkosten bei (unter Berücksichtigung der einschlägigen Einheitstheorie116) unentgeltlicher (Teil-)Betriebsübertragung gem. § 6 Abs. 3 EStG, bei der ebenfalls GrESt nach § 1 Abs. 1 GrEStG anfallen kann. Zum Teil wird hierzu geäußert, dass Erwerbsnebenkosten mit § 6 Abs. 3 EStG nicht vereinbar seien.117 Allerdings werden Anschaffungsnebenkosten grds. auch bei unentgeltlichen Erwerben akzeptiert (dazu Rz. 9.29 ff.); dies sollte auch in diesem Zusammenhang gelten. Dem steht auch § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegen, der nach seiner Struktur eine Übernahme der Werte des Übertragenden durch den Übernehmer vorschreibt (§ 6 Abs. 3 Satz 3 EStG). Denn diese Bindungswirkung bezieht sich nur auf die aus der Sphäre des Übertragenden übernommenen Werte, sodass – in Entsprechung zur vorstehenden Beurteilung bei Realteilungen sowie der Übertra110 BFH v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878. 111 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 112 BFH v. 13.9.1995 – II R 80/92, BStBl. II 1995, 903. S. auch Nienhaus in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 97 f.; Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, UmwG/UmwStG, Verkehrssteuern bei Umwandlungs- und Einbringungsvorgängen (Überblick) Rz. 52. 113 Ebenso Orth, DStR 1999, 1011, anschließend v. Proff, DStR 2016, 2227. 114 Vgl. BFH v. 4.6.1975 – II R 87/66, BStBl. II 1975, 887. 115 BFH v. 15.1.2020 – X R 18/18, X R 19/18, BStBl. II 2020, 538; v. 19.9.2002 – X R 51/98, BStBl. II 2003, 394. Zur Einbringung in eine vermögensverwaltende PersGes. s. BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205. 116 S. dazu Überblick bei Kulosa in Schmidt42, § 6 EStG Rz. 718 ff. sowie u.a. BFH v. 7.11.2000 – VIII R 27/98, BStBl. II 2001, 186; v. 14.9.1994 – I R 12/94, BStBl. II 1995, 407; v. 10.7.1986 – IV R 12/81, BStBl. II 1986, 811. 117 Ohne weitere Begründung FG Nürnberg v. 17.3.2011 – 4 K 582/2009, EFG 2011, 1688 (durch den BFH aus anderen Gründen bestätigt). Zweifelnd auch Wacker in Schmidt42, § 16 EStG Rz. 67.

1010 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.45 Kap. 9

gungen im Rahmen des UmwStG unter Geltung der §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (dazu Rz. 9.35 ff.) – Raum für eigene (objektbezogene) Anschaffungsnebenkosten bleibt. Hinsichtlich der Durchführung der AfA stellt sich dieselbe Frage wie bei der Realteilung und im Bereich des UmwStG unter Geltung der §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (dazu Rz. 9.35 ff.). Wenn und weil es aufgrund der (echten) Unentgeltlichkeit der Übertragung im Fall des § 6 Abs. 3 EStG indessen an einer ertragsteuerlichen Anschaffung des Übernehmers fehlt, fehlt es auch an einer Grundlage für die Eröffnung einer eigenen, zweiten AfA-Reihe, sodass wie im Fall von nachträglichen Anschaffungskosten verfahren werden kann (dazu Rz. 9.37 f.).118 Auch im Fall einzelner unentgeltlicher Grundstücksübertragungen, bei denen GrESt anfällt, ist die Beurteilung, ob Anschaffungsnebenkosten anzunehmen sind oder ein Sofortabzug erfolgen kann, kontrovers und ungeklärt; vgl. dazu bereits die Ausführungen zum Grundfall (Rz. 9.29 ff.). Das gilt in gleicher Weise für eine Grundstücksübertragung in Anwendung von § 6 Abs. 5 (Satz 3) EStG, für die zum Teil ein Betriebsausgaben-Sofortabzug verfochten wird.119 Ungeachtet dessen, ob es um eine unentgeltliche Übertragung oder eine solche gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, mithin eine entgeltliche Übertragung, geht, überzeugt das Argument, das Gesetz halte eine ausdrückliche Bewertung zum Buchwert bereit, nicht. Vielmehr liegt es auch insoweit in der Konsequenz der vorstehenden Beurteilung bei Realteilungen und bei Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG sowie auch bei teil- und unentgeltlichen Übertragungen (Rz. 9.28; Rz. 9.29 ff.) und bei den Übertragungen im Rahmen des UmwStG unter Geltung der §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (dazu Rz. 9.35 ff.) davon auszugehen, dass sich § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG lediglich auf die aus der Sphäre des Übertragenden übernommenen Werte bezieht, was Raum für eigene Anschaffungsnebenkosten lässt.120 Hinsichtlich der (ebenfalls ungeklärten) Durchführung der AfA wird man – angesichts der vorstehenden Überlegungen zur Realteilung, zur unentgeltlichen Betriebsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG und zu den Vorgängen im Bereich des UmwStG unter Geltung der §§ 23 Abs. 3, Abs. 4, 12 Abs. 3, 4 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG (dazu Rz. 9.35 ff.) – danach differenzieren können, ob es sich um eine (echt) unentgeltliche Übertragung handelt oder um eine entgeltliche Übertragung (gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten). Während es im ersten Fall an einer Anschaffung fehlt, sodass wie im Fall von nachträglichen Anschaffungskosten verfahren werden kann (dazu Rz. 9.73 f.),121 ließe sich im Fall einer eigenen Anschaffung des Erwerbers ungeachtet der Buchwertfortführung auch die Eröffnung einer eigenen, zweiten AfA-Reihe für die eigenen Anschaffungsnebenkosten rechtfertigen.

118 Vgl. z.B. Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 47 ff. 119 So Niehus/Wilke in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 1579 (zu § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG). 120 Im Ergebnis auch Sobisch, ErbStB 2022, 6. 121 Vgl. z.B. Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 47 ff.

Böwing-Schmalenbrock | 1011

9.45

Kap. 9 Rz. 9.46 | Ertragsteuerliche Behandlung

3. GrESt bei grundstücksgleichen Rechten (insb. Erbbaurecht)

9.46 Für grundstücksgleiche Rechte, die grunderwerbsteuerpflichtig sind, gelten die Ausführungen zu den Grundstücken entsprechend. So ist insbesondere das Erbbaurecht ein Vermögensgegenstand i.S.d. Handelsrechts und ein Wirtschaftsgut i.S.d. Ertragsteuerrechts. Es ist grds. beim Anlagevermögen auszuweisen und einmalige Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechts (darunter auch die GrESt) sind – im Unterschied zu den Erbbauzinszahlungen – Anschaffungs(neben)kosten des Wirtschaftsguts „Erbbaurecht“.122 II. GrESt wegen Einräumung von Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG)

9.47 Entsteht die GrESt (lediglich) aufgrund der Einräumung der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG,123 „bewegt“ sich im zivilrechtlichen Sinn zwar das Grundstück nicht. Gleichwohl gelten die allgemeinen Ausführungen zu § 1 Abs. 1 GrEStG im Ausgangspunkt entsprechend (s. dazu Rz. 9.16 ff.).124 Allerdings kommt dabei der Frage besondere Bedeutung zu, ob unbeschadet des fehlenden zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsels infolge der Übertragung (nur) der Verwertungsbefugnis ein ertragsteuerlicher Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) stattgefunden hat,125 der eine Aktivierung überhaupt ermöglicht. Dies ist eine Frage des Einzelfalls.126 9.48 Beispiel 5: Schließt ein Grundstückseigentümer eine Treuhandabrede mit einem Dritten ab, wodurch ersterer zum Treuhänder und letzter zum Treugeber wird, wird zivilrechtlich kein Eigentum übertragen. Gleichwohl kommt es (grds.127) grunderwerbsteuerlich aufgrund der Begründung der Einwirkungsmöglichkeit des Treugebers zur Einräumung einer Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG128 und ertragsteuerlich erwirbt der Treugeber (grds.129) das wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Satz 1 AO,130 sodass bei ihm ein Anschaffungsvorgang vorliegt; die vom Erwerber zu tragende GrESt ist aktivierungspflichtig.

122 BFH v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70; vgl. auch BFH v. 14.9.1999 – IX R 31/ 96, BFH/NV 2000, 558. S. auch Richter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz. 20. 123 Zu typischen Fällen im unternehmerischen Kontext s. z.B. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Anhang 10 Rz. 83 ff. m.w.N. 124 Vgl. auch Demleitner in Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht2, § 5 Rz. 153. 125 Vgl. z.B. BFH v. 10.9.2015 – V R 41/14, BStBl. II 2016, 308. 126 Zur Abgrenzung „Verwertungsbefugnis“-“wirtschaftliches Eigentum“ s. auch Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 206 f. 127 Vgl. im Einzelnen gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757. 128 Vgl. zu § 1 Abs. 2 GrEStG z.B. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, BFHE 275, 373 sowie gleichlautende Ländererlasse v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757. 129 Zu den Einzelheiten und Spielarten der Treuhand s. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 31 ff. 130 Vgl. z.B. BFH v. 2.2.2022 – I R 22/20, BStBl. II 2022, 324.

1012 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.51 Kap. 9

Im Fall eines sog. atypischer Makler kann grunderwerbsteuerlich ebenfalls ein Fall von § 1 Abs. 2 GrEStG vorliegen. Eine entsprechende Verwertungsbefugnis besteht beispielsweise, wenn der Makler aufgrund eines Vermittlungsauftrags über Grundstückseigentum eine „Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks“ erhält, weil er das Grundstück auf eigene Rechnung verwerten kann, indem der Grundstückseigentümer zum Abschluss von Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision zusteht.131 Ertragsteuerlich kommt es dabei allerdings nicht zu einem Anschaffungsgeschäft, wenn und weil der atypische Makler den Eigentümer nicht in allen relevanten Belangen wirtschaftlich von den Eigentümerrechten (z.B. tatsächliche Sachherrschaft) ausschließen kann. Die GrESt ist dann nicht aktivierungspflichtig.

9.49

III. GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 GrEStG) 1. Überblick und ertragsteuerlicher Ausgangspunkt Zu einer Entstehung von GrESt aufgrund der Ersatztatbestände in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG kann es kommen, wenn Gesellschaftsanteile (oder wirtschaftliche Beteiligungen) unmittelbarer Gegenstand einer Transaktion sind und sich ein Grundstück im (Betriebs-)Vermögen einer Gesellschaft befindet, deren Anteilsstruktur sich hierdurch ändert. Solche z.T. als „mittelbare Grundstücksübertragungen“ bezeichnete grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge können aus ertragsteuerlicher Sicht durch isolierte Anteilsübertragungen ausgelöst werden, aber auch durch Umstrukturierungen im Unternehmen, und zwar ggf. auch dann, wenn die Grundstücke sich lediglich in Beteiligungsgesellschaften befinden.132

9.50

Ertragsteuerlich stellt sich auch bei mittelbaren Grundstücksübertragungen die Frage nach der Abziehbarkeit der GrESt. Diese ist für die einzelnen grunderwerbsteuerlichen Entstehungstatbestände z.T. noch kontrovers. Da die GrESt darüber hinaus in diesen Fällen nach Maßgabe von § 13 GrEStG unterschiedlichen Regelungen zur Steuerschuldnerschaft unterliegt, ist bei der Beurteilung nach den Entstehungstatbeständen zu differenzieren (dazu unter Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.). Da grunderwerbsteuerpflichtige mittelbare Grundstücksübertragungen auch im Rahmen von umwandlungssteuerrechtlichen Verschmelzungen und Spaltungen vorkommen, ist zudem die Frage relevant, ob die GrESt zu den „Kosten für den Vermögensübergang“ i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gehört (dazu Rz. 9.71 f.).

9.51

131 Vgl. BFH v. 10.9.2015 – V R 41/14, BStBl. II 2016, 308 m.w.N. 132 S. Überblick zu mittelbaren Grundstücksübertragungen bei Keuthen in Schmitt/Hörtnagl9, UmwG/UmwStG, Verkehrssteuern bei Umwandlungs- und Einbringungsvorgängen (Überblick) Rz. 39 ff.

Böwing-Schmalenbrock | 1013

Kap. 9 Rz. 9.52 | Ertragsteuerliche Behandlung

2. Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG) a) Grundbesitzende Personengesellschaft

9.52 Obwohl kein (zivilrechtlicher) Rechtsträgerwechsel in Bezug auf ein Grundstück (und auch kein Übergang der Verwertungsbefugnis hieran) erfolgt ist, liegt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vor, wenn zum Vermögen einer PersGes. ein inländisches Grundstück gehört und sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen (s. zu den grunderwerbsteuerlichen Einzelheiten Rz. 3.95 ff.). Das GrEStG fingiert dabei ein auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue PersGes. gerichtetes Rechtsgeschäft.133 GrESt-Schuldnerin ist in diesen Fällen (nur) die PersGes. (§ 13 Nr. 6 GrEStG), bei der das betreffende Grundstück (nach wie vor) bilanziert ist. 9.53 Die ertragsteuerlichen Folgen dieses GrESt-Tatbestands waren lange kontrovers,134 müssen aber zwischenzeitlich durch die – von der Finanzverwaltung akzeptierten135 – Rechtsprechungsgrundsätze des BFH136 als geklärt gelten:137 Die GrESt ist – vorbehaltlich einer Qualifizierung als „Kosten für den Vermögensübergang“ im Rahmen eines umwandlungsteuerlichen Übernahmeergebnisses (dazu Rz. 9.71 f.) – eine sofort abziehbare Betriebsausgabe, weil die i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG betrieblich veranlasste GrESt in dieser Konstellation weder dem einzelnen bilanzierten Grundstück noch dem Anteilserwerb als Anschaffungs(neben)kosten zuzuordnen ist. „Anschaffungs“kosten eines Wirtschaftsguts können – i.S. eines finalen Anschaffungskostenbegriffs in § 255 Abs. 1 HGB138 – nämlich nur solche Kosten sein, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten dessen Beschaffung tatsächlich zuzuordnen sind. Hierzu soll nach Auffassung des BFH ein bloßer kausaler oder zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung nicht ausreichen. Vielmehr kommt es auf die Zweckbestimmung der Aufwendungen an,139 die auf die beabsichtigte Funktion und Eigenschaft („angestrebter Erfolg und betriebsbereiter Zustand“) des angeschafften Wirtschafts-

133 Vgl. auch BFH v. 8.11.2000 – II R 64/98, BStBl. II 2001, 422; v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 134 Vgl. zum früheren Streitstand Nachweise in BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260. 135 H 6.2 EStR 2021 („GrESt“); OFD NRW v. 21.4.2015 – S 2174 St 141 (01/2009), DB 2015, 1013; LfSt Nds. v. 16.7.2018 – S 2171-65-St 222/St 221, DB 2018, 2274. 136 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260 (zu den Überschusseinkünften). 137 Z.B. Ehmcke/Krumm in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz. 261. S. dementsprechende Ausführungen des FG Münster v. 14.2.2013 – 2 K 2838/10 G,F, EFG 2013, 806 (zu den Gewinneinkünften) (rkr. nach Rücknahme der Revision BFH IV R 10/13, vgl. OFD NRW v. 21.4.2015 – S 2174 St 141 (01/2009), DB 2015, 1013), dazu auch Schießl, DStR 2015, 1902. 138 Vgl. dazu bereits BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761; v. 13.10.1983 – IV R 160/78, BStBl. II 1984, 101, jeweils m.w.N. 139 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260.

1014 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.56 Kap. 9

guts als Teil des Betriebsvermögens gerichtet sein muss.140 Das soll – was bemerkenswert ist – ausdrücklich unbeschadet dessen gelten, dass es sich bei der GrESt um zwangsläufig (infolge der steuerlichen Tatbestandsverwirklichung) anfallende Aufwendungen handelt. Der BFH spricht hier mitunter auch von einem „inneren, finalen Zweckzusammenhang zwischen Anschaffungsvorgang und Aufwendung“.141 Da es sich bei der nach § 1 Abs. 2a GrEStG entstehenden GrESt ertragsteuerlich um Aufwand der Steuerschuldnerin selbst und nicht des anteilserwerbenden Gesellschafters handelt, ist die Beurteilung aus Sicht der grundbesitzenden PersGes. vorzunehmen. Insofern liegt bezogen auf den Grundbesitz indes keine „Anschaffung“ vor. Denn der betreffende Grundbesitz befindet sich – unbeschadet des GrESt auslösenden Wechsels im Gesellschafterbestand – im unveränderten zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum der PersGes. Die § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegende Fiktion eines zivilrechtlich nicht vorhandenen grundstücksbezogenen Erwerbsvorgangs greift nicht über die GrESt hinaus; zivilrechtlich bleibt die Identität der grundbesitzenden PersGes. unberührt. Auch verfängt der Verweis auf die ertragsteuerliche Transparenz der unternehmerischen PersGes. (Mitunternehmerschaft) – an der sich jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers142 durch das zum 1.1.2024 in Kraft tretende MoPeG143 nichts ändern soll144 – im Ergebnis nicht: Zwar käme als möglicher (anteiliger) „Erwerber“ des Grundstücks insoweit der anteilserwerbende Gesellschafter in Betracht. Dieser ist allerdings nicht selbst Schuldner der GrESt und hat diese ertragsteuerlich nicht zu tragen. Da der Anknüpfungspunkt für die Entstehung der GrESt im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht der Gesellschafterwechsel als solcher, sondern eine spezifisch grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion im Hinblick auf ein anderes, nicht vom Anteilserwerber angeschafftes und nicht bei diesem zu erfassendes Wirtschaftsgut ist, handelt es sich nach Einschätzung des BFH um Aufwand, der aus ertragsteuerlicher Sicht nicht spezifisch und final den erworbenen Kommanditanteilen zugeordnet werden kann.145

9.54

Beispiel 6: A ist mit 90%iger Vermögensbeteiligung Kommanditistin einer grundbesitzenden KG. A überträgt ihren Anteil entgeltlich auf B. Aufgrund dessen setzt das FA gegenüber der KG GrESt fest (§§ 1 Abs. 2a, 13 Nr. 6 GrEStG). Diese führt ertragsteuerlich nicht zu Anschaffungskosten bei B, sondern zum sofortigen Betriebsausgabenabzug in der Gesamthand.

9.55

Die danach als Aufwand der grundbesitzenden PersGes. selbst – und nicht des Gesellschafters – zu behandelnde GrESt ist in die gesonderte und einheitliche Feststellung nach §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 AO einzubeziehen und unterliegt dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel, soweit nicht (auf der Ebene der Ge-

9.56

140 BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. 141 BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 (zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). 142 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zum MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, 107. Dazu mitunter kritisch Kahle/Mock, DStZ 2022, 232 m.w.N. zur Diskussion. 143 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 144 Vgl. hierzu Überblick bei Kahle/Mock, DStZ 2022, 232. 145 Vgl. BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260.

Böwing-Schmalenbrock | 1015

Kap. 9 Rz. 9.56 | Ertragsteuerliche Behandlung

sellschaft) – gesellschaftsvertraglich146 – eine beachtliche Abweichung hiervon vereinbart ist. Anderweitige Abreden der Gesellschafter der PersGes. untereinander können an einer Zuordnung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel demgegenüber nichts ändern;147 s. zu den Folgen von Kostenvereinbarung Rz. 9.12 ff.

9.57 Sofern die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils gem. § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten erfolgt, gelten die vorstehenden Ausführungen im Ergebnis entsprechend. 9.58 Die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG, nach der bei der Ermittlung der für § 1 Abs. 2a GrEStG relevanten Beteiligungsquoten bestimmte Anteilsübergänge außer Betracht bleiben, führt zu keiner abweichenden ertragsteuerlichen Beurteilung. b) Grundbesitzende Kapitalgesellschaft

9.59 Für grundbesitzende Kapitalgesellschaften, für die in § 1 Abs. 2b GrEStG mit Wirkung zum 1.7.2021148 ein § 1 Abs. 2a GrEStG entsprechender GrESt-Tatbestand geschaffen wurde, haben die materiell-ertragsteuerlichen Ausführungen zu den grundbesitzenden PersGes. für den Fall eines grunderwerbsteuerbaren Gesellschafterwechsels (Rz. 9.52 ff.) richtigerweise in gleicher Weise zu gelten.149 Daher kann weder von Anschaffungsnebenkosten in Bezug auf das Grundstück noch in Bezug auf die erworbenen Anteile ausgegangen werden. Die GrESt ist daher – vorbehaltlich einer Qualifizierung als „Kosten für den Vermögensübergang“ im Rahmen eines umwandlungsteuerlichen Übernahmeergebnisses (dazu Rz. 9.71 f.) – eine sofort abziehbare Betriebsausgabe. GrESt-Schuldnerin ist in diesen Fällen die KapGes. (§ 13 Nr. 7 GrEStG), bei der das betreffende Grundstück (nach wie vor) bilanziert ist. In subjektiver Hinsicht handelt es sich bei der GrESt daher um Aufwand der Steuerschuldnerin selbst und nicht um einen solchen des erwerbenden Gesellschafters. Zwar liegt § 1 Abs. 2b GrEStG derselbe Gedanke bzw. dieselbe Fiktion einer Übertragung des gehaltenen Grundstücks zugrunde;150 sie gilt aber ebenfalls nicht für die ertragsteuerliche Beurteilung. Wie im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG fehlt es bei einem Kapitalgesellschafterwechsel – aus ertragsteuerlicher Sicht – zum einen für die Annahme von Anschaffungskosten in Bezug auf das Grundstück mangels diesbezüglichen Rechtsträgerwechsels an einer „Anschaffung“; das Transparenzprinzip greift hier von vornherein nicht ein. Zum anderen ist die GrESt auch nicht – i.S. einer Finalität bzw. eines inneren Zusammenhangs – „für“ die Anschaffung der Kapitalgesellschaftsanteile entstanden.

146 Vgl. dazu z.B. BFH v. 16.10.2008 – IV R 82/06, BFH/NV 2009, 581. 147 Zu alledem BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260; v. 19.9.2012 – IX B 65/12, BFH/NV 2013, 15. Zur Einbeziehung in das Feststellungsverfahren näher Schießl, DStR 2015, 1902. 148 Gesetz v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986. 149 Ebenso Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401. 150 Vgl. BT-Drucks. 19/13437, S. 12.

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C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.63 Kap. 9 Beispiel 7: A hält eine 90%ige Beteiligung an einer grundbesitzenden GmbH, die sie entgeltlich auf B überträgt. Aufgrund dessen setzt das FA gegenüber der GmbH GrESt fest (§§ 1 Abs. 2b, 13 Nr. 7 GrEStG). Weil B kein Grundstück, sondern einen GmbH-Anteil erworben hat und darüber hinaus auch nicht Schuldnerin der GrESt ist, führt die GrESt ertragsteuerlich nicht zu Anschaffungskosten bei B, sondern zum sofortigen Betriebsausgabenabzug bei der GmbH.

9.60

Entsteht die GrESt aufgrund der Tatbestände in § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG im Rahmen eines ertragsteuerlichen Einlagetatbestandes, etwa weil Anteile an einer grundbesitzenden KapGes. eingelegt werden, kommt es gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG grds. nicht zur Bewertung mit den Anschaffungskosten, sondern mit dem Teilwert i.S.d. Legaldefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Hierzu kann zwar grds. auch die GrESt gehören (dazu schon Rz. 9.29 ff.). Der BFH hat es – vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 2b GrEStG – im Fall einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG aber abgelehnt, im Teilwert der eingelegten grundbesitzenden KapGes. die konkret angefallene GrESt zu berücksichtigen, und hat einen sofortigen Betriebsausgabenabzug ermöglicht.151 Denn Erwerbs- und Bewertungsgegenstand ist das konkrete Wirtschaftsgut, mithin der Kapitalgesellschaftsanteil, und bei der GrESt handelt es sich insoweit nicht um regelmäßige, sondern nur in bestimmten Ausnahmefällen an den Anteilserwerb geknüpfte Folgekosten. Eine Aktivierung bei den (ggf.) auf Seiten des aufnehmenden Betriebs schon vorhandenen Anteilen an derselben KapGes. kommt aus Sicht des BFH ebenfalls nicht in Betracht, weil es insoweit an dem für Anschaffungsnebenkosten erforderlichen ursächlichen Zusammenhang der GrESt mit dem diese Anteile betreffenden früheren Erwerbsvorgängen fehlt.152 Diese Erwägungen sollten auch im Fall des § 1 Abs. 2b GrEStG gelten.

9.61

Die sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG, nach der bei der Ermittlung der für § 1 Abs. 2b GrEStG relevanten Beteiligungsquoten bestimmte Anteilsübergänge außer Betracht bleiben, führt zu keiner abweichenden ertragsteuerlichen Beurteilung.

9.62

3. Anteilsvereinigung bzw. -übertragung nach § 1 Abs. 3, 3a GrEStG a) Anteile an grundbesitzender Kapitalgesellschaft Ebenfalls ohne (zivilrechtlichen) Rechtsträgerwechsel in Bezug auf ein Grundstück wird grunderwerbsteuerlich die (unmittelbare) Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG) besteuert: Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, kann die GrESt nach näherer Maßgabe von § 1 Abs. 3 GrEStG auch dadurch entstehen, dass es zu einer Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft kommt. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereini-

151 BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281. S. dazu auch Henerichs/Stadje, FR 2011, 890. 152 BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281.

Böwing-Schmalenbrock | 1017

9.63

Kap. 9 Rz. 9.63 | Ertragsteuerliche Behandlung

gen.153 Zu beachten ist, dass der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG durch die Einführung des vorrangigen § 1 Abs. 2b GrEStG (dazu Rz. 9.59 ff.) beschnitten wurde. Gem. § 13 Nr. 5 GrEStG ist bei der Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG GrESt-Schuldner nur der (oder die) Erwerber der Anteile, in dessen (bzw. deren) Hand die Anteilsvereinigung erfolgt.

9.64 Wie im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG (dazu Rz. 9.52 ff.) war die Beantwortung der ertragsteuerlichen Frage, ob von Anschaffungsnebenkosten auszugehen ist, lange kontrovers.154 Der BFH hat allerdings für § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in entsprechender Weise entschieden, dass dies bei einer grunderwerbsteuerlichen Vereinigung von Anteilen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften nicht der Fall ist;155 Verwaltung und Literatur haben sich dem angeschlossen.156 Die Argumentation verläuft parallel zu § 1 Abs. 2a GrEStG: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fingiert (nur) für grunderwerbsteuerliche Zwecke einen grundstücksbezogenen Erwerbsvorgang aufgrund einer Anteilstransaktion.157 Mangels zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsels in Bezug auf das Grundstück fehlt es diesbezüglich an einem ertragsteuerlichen Anschaffungsvorgang, dem die GrESt als Anschaffungsnebenkosten zugeordnet werden könnte. Bezogen auf die erworbenen Anteile an der KapGes. kann zwar eine Anschaffung vorliegen. Insoweit fehlt es indessen – i.S. eines finalen Anschaffungskostenbegriffs – an einem über die reine Kausalität hinausgehenden inneren, finalen Zusammenhang, weil die GrESt aus ertragsteuerlicher Sicht nicht „für“ den Anteilserwerb entrichtet worden ist und sie mithin nicht spezifisch und final dem hinzuerworbenen Geschäftsanteil zugeordnet werden kann.158 Die GrESt ist daher – vorbehaltlich einer Qualifizierung als „Kosten für den Vermögensübergang“ im Rahmen eines umwandlungsteuerlichen Übernahmeergebnisses (dazu Rz. 9.71 f.) – eine sofort abziehbare Betriebsausgabe. Entsprechendes gilt, soweit die Beteiligung an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften in Rede steht, ohne weiteres auch für den zugehörigen Auffangtatbestand in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.

153 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4; v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489; v. 20.10.1993 – II R 116/90, BStBl. II 1994, 121. 154 Vgl. zum früheren Streitstand Nachweise in BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. 155 BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761 (zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Die Urteile des FG München v. 21.6.2005 – 2 K 3182/02, EFG 2007, 252 und FG BW v. 7.7.2009 – 6 K 2349/08, juris.de sind damit überholt. A.A. weiterhin offenbar Martini in Widmann/Mayer, § 4 UmwStG Rz. 858 (ohne weitere Begründung). 156 H 6.2 EStR 2021 („GrESt“); OFD NRW v. 21.4.2015 – S 2174 St 141 (01/2009), DB 2015, 1013; LfSt Nds. v. 16.7.2018 – S 2171-65-St 222/St 221, DB 2018, 2274. Ferner Ehmcke/ Krumm in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz. 261. 157 BFH v. 15.12.2006 – II B 26/06, BFH/NV 2007, 500 (zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG); v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225 (zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG). S. für § 1 Abs. 3 GrEStG insgesamt BFH v. 19.12.2007 – II R 65/06, BStBl. II 2008, 489. 158 A.A. Patt in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 20 UmwStG Rz. 237 (Anschaffungskosten der Anteile).

1018 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.67 Kap. 9 Beispiel 8: A und B halten jeweils eine 50%ige Beteiligung an einer grundbesitzenden GmbH. A überträgt einen 40%igen Anteil entgeltlich auf B (Anteilsvereinigung). Aufgrund dessen setzt das FA gegenüber B als Anteilserwerberin GrESt fest (§§ 1 Abs. 3 Nr. 1, 13 Nr. 5 GrEStG). Da die GrESt nicht (final) „für“ den Grundstücks- sondern „für“ den Anteilerwerb aufgewendet wird, führt sie ertragsteuerlich nicht zu Anschaffungskosten, sondern zum sofortigen Betriebsausgabenabzug bei B.

9.65

Die GrESt kann – soweit nicht § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG einschlägig ist – nach näherer Maßgabe von § 1 Abs. 3 GrEStG auch dadurch entstehen, dass bereits in einer Hand vereinigte Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von mindestens 90 % übertragen werden. Auch § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingiert einen zivilrechtlich nicht vorhandenen grundstücksbezogenen Erwerbsvorgang, bei dem dem Anteilserwerber eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst.159 In Ansehung der ertragsteuerlichen Behandlung gelten, wie in der Finanzrechtsprechung zu Recht bereits erkannt wurde, die Erwägungen zur Vereinigung von Kapitalgesellschaftsanteilen auch für diese Übertragung bereits vereinigter Anteile an einer KapGes. nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG („mittelbare Anteilsvereinigung“);160 es liegen weder Anschaffungsnebenkosten des betreffenden Grundstücks noch der Kapitalbeteiligung vor. Hieran ändert es nichts, dass bei einer solchen Anteilsübertragung nach § 13 Nr. 1 GrEStG – anders als bei der Anteilvereinigung (Rz. 9.68 f.) – eine Gesamtschuldnerschaft von Erwerber und Veräußerer besteht.161 Die GrESt ist – vorbehaltlich einer Qualifizierung als „Kosten für den Vermögensübergang“ im Rahmen eines umwandlungsteuerlichen Übernahmeergebnisses (dazu Rz. 9.71 f.) – eine sofort abziehbare Betriebsausgabe; wegen der subjektiven Zuordnung s. Rz. 9.6 ff.

9.66

Fällt GrESt aufgrund § 1 Abs. 3 GrEStG im Rahmen einer gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG mit dem Teilwert i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu bewertenden Einlage von Kapitalgesellschaftsanteilen an, ist der für den eingelegten Anteil anzusetzende Teilwert nach der Rechtsprechung des BFH162 bilanziell nicht um die tatsächlich entstandene GrESt zu erhöhen (s. dazu im Einzelnen schon Rz. 9.68 f.); gleiches gilt – in Ermangelung des für Anschaffungsnebenkosten erforderlichen ursächlichen Zusammenhangs – für den Buchwert eines etwaig bereits zuvor vorhandenen Anteils an dieser Gesellschaft. Folglich ist die GrESt auch hier eine sofort abziehbare Betriebsausgabe.

9.67

159 BFH v. 25.11.2015 – II R 64/08, BFH/NV 2016, 42. 160 S. dazu auch Sächsisches FG v. 23.1.2017 – 6 K 1187/16, DStRE 2017, 596 (rkr.) (zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Ebenso Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, GrESt6, Kap. 13 Rz. 11. 161 Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 13; Schmitz, NWB 2014, 2466. 162 BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281.

Böwing-Schmalenbrock | 1019

Kap. 9 Rz. 9.68 | Ertragsteuerliche Behandlung

b) Anteile an grundbesitzender Personengesellschaft

9.68 Höchstrichterlich durch die BFH-Entscheidungen zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG163 sowie auch zu § 1 Abs. 2a GrEStG164 zwar vorgeprägt (dazu Rz. 9.63 ff. bzw. Rz. 9.52 ff.), aber nicht abschließend geklärt ist, inwieweit die dortigen Erwägungen – mit der Folge, dass keine Anschaffungsnebenkosten vorliegen – auch dann gelten, wenn Anteile an einer grundbesitzenden PersGes. übertragen werden und hierdurch GrESt nach § 1 Abs. 3 GrEStG entstehen sollte. Vielfach wird im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht zwischen den verschiedenen Varianten unterschieden. Sofern aber nicht eine Übertragung von Kapitalgesellschaften zugrunde liegt, wird man in den Blick nehmen müssen, dass das zu § 1 Abs. 2a GrEStG maßgeblich herangezogene Argument, von der die Kosten tragenden (grundbesitzenden) Gesellschaft werde ertragsteuerlich kein Grundstück „angeschafft“ und vom Anteilserwerber würden keine Kosten getragen, auf § 1 Abs. 3 GrEStG nicht ohne weiteres übertragen werden kann. Denn anders als im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG ist hier nicht die grundbesitzende Gesellschaft selbst Schuldnerin der GrESt (§ 13 Nr. 6 GrEStG), sondern gerade der Erwerber, sei es betreffend § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG als Anteilserwerber (bzw. die Erwerbergruppe) gem. § 13 Nr. 5 GrEStG, sei es betreffend § 1 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG gem. § 13 Nr. 1 GrEStG165 (zur Bedeutung des Veranlassungsprinzips s. Rz. 9.6 ff.). Insofern liegt der Aufwand beim Erwerber und ist auf der Ebene des Erwerbs direkt zuordenbar.166 Damit sprechen gute Gründe dafür, dass die Nebenkosten des Erwerbs unabhängig davon, ob die Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, zu Anschaffungsnebenkosten führen,167 sofern nicht ausnahmsweise eine vom Ertragsteuerrecht abweichende, rein grunderwerbsteuerlich begründete Zugehörigkeit des Grundstück zum Gesellschaftsvermögen in Rede steht.168 Denn ein Anteilserwerber erwirbt dann aufgrund der ertragsteuerlichen Transparenz von PersGes. – an der sich jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers169 auch durch das zum 1.1.2024 in Kraft tretende MoPeG170 nichts ändern soll171 – (anteilig) deren

163 164 165 166 167 168 169 170 171

BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260. Bartone in Behrens/Wachter2, § 13 GrEStG Rz. 13. Vgl. hierzu auch BFH v. 16.4.2015 – IV R 44/12, BFH/NV 2015, 1085, wonach eine Übernahme von Notarkosten (Nebenkosten des Erwerbs) für einen Anteilswechsel durch die Personengesellschaft zu einer Entnahme führt. So auch Korn/Strahl in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 6 EStG Rz. 70 zu BFH v. 16.4.2015 – IV R 44/12, BFH/NV 2015, 1085 (unentgeltliche Anteilsübertragung). S. zum grunderwerbsteuerlichen Vermögensbegriff und einer vom Zivil- und Ertragsteuerrecht abweichenden Vermögenszuordnung z.B. Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 725 ff. sowie. Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zum MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 107. Dazu mitunter kritisch Kahle/Mock, DStZ 2022, 232 m.w.N. zur Diskussion. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. Vgl. hierzu Überblick bei Kahle/Mock, DStZ 2022, 232.

1020 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.69 Kap. 9

Wirtschaftsgüter.172 Daher wird die aufgrund des Anteilserwerbs anfallende GrESt – auch i.S.d. finalen Anschaffungskostenbegriffs173 – aus ertragsteuerlicher Sicht gerade zum Zweck des Erwerbs des Grundstücks (als Teil des Gesamthandsvermögens) aufgewendet. Der Erwerber eines Personengesellschaftsanteils bilanziert nämlich auch nicht den Personengesellschaftsanteil selbst, der seinerseits gar nicht als Wirtschaftsgut qualifiziert, sondern die in der PersGes. enthaltenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die nach der h.M., einschließlich der Rechtsprechung des BFH, im Wege eines zusammengefassten Ausweises (Netto-Eigenkapital) abgebildet werden (sog. Spiegelbildmethode).174 Vor diesem Hintergrund ließe sich die GrESt beim Erwerber mit überzeugenden Gründen auch (objektbezogen) dem betreffenden Grundstück zuordnen und ggf. im Rahmen einer Ergänzungsbilanz beim betreffenden Grundstück aktivieren, in der auch sonst gesellschafter- und gegenstandsbezogen zusätzliche Anschaffungskosten erfasst werden.175 Dem ist zwar jedenfalls im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 GrEStG die Aufteilung der grunderwerbsteuerlichen Tatbestandsverwirklichung in Teilakte und die mögliche zeitliche Streckung auf bis zu fünf (nach heutiger Rechtslage: zehn) Jahre entgegenzuhalten, die der BFH auch im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG ebenfalls als Argument gegen eine Aktivierung angeführt hat.176 Zwingend erscheint das gleichwohl nicht, weil der BFH das Argument auf den Anteil an der PersGes. bezieht und es aufgrund des Transparenzprinzips bzw. der Spiegelbildmethode auf das über die PersGes. anteilig gehaltene Grundstück selbst ankommen sollte. Beispiel 9: A und B sind mit jeweils 50%iger Vermögensbeteiligung Kommanditistinnen einer grundbesitzenden KG. A überträgt einen 40%igen Anteil entgeltlich auf B (Anteilsvereinigung). Aufgrund dessen setzt das FA GrESt gegenüber B als Anteilserwerberin fest (§§ 1 Abs. 3 Nr. 1, 13 Nr. 5 GrEStG). Obwohl ertragsteuerlicher Anschaffungsgegenstand aus Transparenzgründen nicht ein Personengesellschaftsanteil, sondern die hierdurch verkörperten (anteiligen) Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen sind, nimmt die h.M. zu diesem Vorgang an, dass die GrESt nicht zu Anschaffungskosten bei B führt, sondern zum sofortigen Betriebsausgabenabzug. Die zutreffende ertragsteuerliche Behandlung ist indessen nicht abschließend geklärt.177

172 Z.B. BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. 2013, 142; v. 6.5.2010 – IV R 52/08, BStBl. II 2011, 261. Vgl. zu dieser Erwägung auch BFH v. 9.5.2019 – IV R 13/17, BStBl. II 2019, 754. Vgl. zur dahingehenden grunderwerbsteuerlichen Fiktion in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 GrEStG BFH v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225. 173 Insoweit a.A. FG Münster v. 14.2.2013 – 2 K 2838/10 G,F, EFG 2013, 806. 174 Z.B. BFH v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27; BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, BFH/NV 2017, 1548. Z.B. OFD Frankfurt a.M. v. 23.7.2013, DStR 2013, 2699 sowie m.w.N. Kahle/Mock, DStZ 2022, 232. 175 S. dazu im Einzelnen mit Nachweisen zur Rechtsprechung Kahle, FR 2013, 873. 176 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260. 177 Aus BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4, haben sich insoweit keine neueren Erkenntnisse ergeben.

Böwing-Schmalenbrock | 1021

9.69

Kap. 9 Rz. 9.70 | Ertragsteuerliche Behandlung

c) „Wirtschaftliche Beteiligung“ i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG

9.70 Grunderwerbsteuerlich gilt gem. § 1 Abs. 3a GrEStG – i.S. eines Auffang(ersatz)tatbestandes – als Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein Vorgang, der (teils) unmittelbar oder (teils) mittelbar zu einer „wirtschaftlichen Beteiligung“ i.H.v. mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft führt, sofern er nicht von § 1 Abs. 2a, 2b, 3 GrEStG erfasst wird. Gem. § 13 Nr. 8 GrEStG ist bei solchen „wirtschaftlichen Anteilsvereinigungen“ GrESt-Schuldner (nur) der Rechtsträger, der die wirtschaftliche Beteiligung von 90 % i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG innehat. Ertragsteuerlich gelten die § 1 Abs. 3 GrEStG betreffenden Überlegungen (unter Rz. 9.63 ff. betreffend Kapitalgesellschaften und unter Rz. 9.68 f. betreffend PersGes.) für diesen Tatbestand jeweils in entsprechender Weise.178 4. GrESt als umwandlungsteuerliche „Kosten für den Vermögensübergang“

9.71 Kommt es nach dem UmwStG zur Ermittlung eines Übernahmeergebnisses,179 stellt sich die Frage, ob die GrESt als Teil der „Kosten für den Vermögensübergang“ i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG (ggf. i.V.m. §§ 15 f. UmwStG180) anzusehen ist, mit der Folge, dass sie hinsichtlich ihrer (Nicht-)Abzugsfähigkeit grds. das Schicksal dieses Übernahmeergebnisses teilt.181 Diese Frage ist zu bejahen.182 Was im Einzelnen unter dem Merkmal der „Kosten für den Vermögensübergang“ zu verstehen ist, regelt das Gesetz nicht ausdrücklich selbst. Weitreichender Konsens, der nunmehr auch vom BFH bestätigt wurde,183 besteht insoweit, dass hierzu nur solche Kosten zählen, die nicht als Anschaffungs(neben)kosten i.S.d. § 255 HGB („objektbezogene Aufwendungen“) qualifizieren.184 Im Übrigen war die Auslegung kontrovers. Z.T.185 – u.a. vom Sächsischen FG186 – wurde (wird) für die GrESt angenommen, dass „Kosten für den Vermögensübergang“ nicht vorliegen, weil dem Wortlaut („für“) in § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ein finales Verständnis zugrunde liege und insofern die Erwägungen des BFH zur Finalität des Anschaffungskostenbegriffs übertragbar seien. Die GrESt sei aus ertragsteuer-

178 Ebenso Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, GrESt6, Kap. 13 Rz. 11; Demleitner in Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht2, § 5 Rz. 156; Schmudlach, DB 2015, 703; Schmitz, NWB 2014, 2466. 179 S. zum Anwendungsbereich im Überblick Holle/Weiss, DStR 2018, 167. 180 Vgl. Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 15 UmwStG Rz. 103. 181 Zur Kontroverse im Fall von § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG s. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 4 UmwStG Rz. 44. 182 S. nunmehr BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 183 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 184 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.34; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 4 UmwStG Rz. 44; Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401; Stimpel/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 12 UmwStG Rz. 57; (wohl auch) Holle/Weiss, DStR 2018, 167; Schmitz, NWB 2014, 2466. 185 Fleischer/Schuhmann/Peterich, NWB 2021, 3401; Ergenzinger/Solowjeff, DStR 2020, 2844; Holle/Weiss, DStR 2018, 167. 186 Sächs. FG v. 23.1.2017 – 6 K 1187/16, DStRE 2017, 596 (rkr.) (zu einer Spaltung, § 15 Abs. 1 UmwStG).

1022 | Böwing-Schmalenbrock

C. Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände | Rz. 9.72 Kap. 9

licher Sicht dem Erwerb der Geschäftsanteile nicht zuordenbar.187 Die Gegenauffassung – darunter die Finanzverwaltung188 und das FG München189 – hält die GrESt für „Kosten für den Vermögensübergang“, weil der Begriff unter Berücksichtigung des wirtschaftlich verstandenen objektiven Veranlassungsprinzips auszulegen sei.190 Die letztgenannte Auffassung hat der BFH nunmehr (zu Recht) mit der Folge bestätigt,191 dass die GrESt zu den Kosten des Vermögensübergangs gehört. Denn in – der auch vom Gesetzgeber192 hervorgehobenen – Parallelität zum Verständnis von Veräußerungskosten in anderen Tatbeständen, etwa § 8b Abs. 2 KStG, ist bei der Auslegung auf das „auslösende Moment“ der betreffenden Kosten abzustellen. Mithin greift das wirtschaftliche Veranlassungsprinzip Platz.193 Da aber ein und derselbe Vorgang zum einen zum Vermögensübergang i.S.d. §§ 4 Abs. 4, 12 Abs. 2 UmwStG und zum anderen zur Entstehung der GrESt führt, wird die GrESt durch den Vermögensübergang in die Sphäre des Übernehmers ausgelöst.194 Sofern die GrESt danach zu Unrecht als laufender Aufwand beim übernehmenden Rechtsträger berücksichtigt worden sind, hat eine entsprechende außerbilanzielle Korrektur zu erfolgen.195 § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG wie auch § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG enthalten keine zeitliche Beschränkung. Daher ist es – wie auch sonst unter Geltung des Veranlassungsprinzips – unerheblich, wenn die GrESt erst in späteren Veranlagungszeiträumen festgesetzt wird, weil selbst eine spätere Entstehung von Veräußerungskosten unbeachtlich wäre.196 Im Übrigen knüpfen die Vorschriften materiell-rechtlich – ähnlich §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 2 EStG197 und § 8b Abs. 2 KStG198 – an einen einmaligen Vorgang an, sodass ihnen eine zeitpunktbezogene Betrachtung zugrunde liegt,

187 Sächs. FG v. 23.1.2017 – 6 K 1187/16, DStRE 2017, 596 (rkr.). I.d.S. auch Ergenzinger/ Solowjeff, DStR 2020, 2844. 188 AEUmwStG 2006 v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.34. Z.B. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 142. Stimpel, GmbHR 2012, 199, 200; Krohn/Greulich, DStR 2008, 646. Wohl auch Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 243. 189 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 (bestätigt durch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4). 190 FG München v. 13.5.2020 – 6 K 75/19, GmbHR 2020, 980 (bestätigt durch BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4); Stimpel/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 12 UmwStG Rz. 54, 57. Ähnlich auch Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 235 („Sphärenbetrachtung“). 191 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 192 BT-Drs. 16/2710, 41 und 16/3369, 10. 193 Vgl. zu diesem Begriff z.B. Wacker in Schmidt42, § 16 EStG Rz. 300 sowie Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 8b KStG Rz. 240. 194 Vgl. nochmals BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. 195 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4. Vgl. auch R 7.1 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015. 196 BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4 (zu § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). A.A. (wohl) Ronneberg, NWB 2017, 954. 197 Vgl. grundlegend BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897. 198 Vgl. BFH v. 22.12.2010 – I R 58/10, BStBl. II 2015, 668.

Böwing-Schmalenbrock | 1023

9.72

Kap. 9 Rz. 9.72 | Ertragsteuerliche Behandlung

die, soweit steuerlich erheblich, richtigerweise199 eine Änderung von Bescheiden aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gebietet.200

D. Auswirkungen nachträglicher Veränderungen bei der GrESt I. Nachträgliche Korrekturen der GrESt

9.73 Nachträgliche Korrekturen der GrESt – sei es eine Herauf- oder eine Herabsetzung – sind dem Grunde nach ebenso zu qualifizieren wie der ursprüngliche GrESt-Aufwand. War die GrESt zuvor als laufende Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG berücksichtigt worden, erhöht oder vermindert sich diese nunmehr unter Berücksichtigung der einschlägigen Gewinnermittlungsart nachträglich in entsprechender Weise. Zur nachträglichen Änderung der Kosten für den Vermögensübergang i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG bzw. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG s. Rz. 9.71 f. 9.74 Erhöhungen der Anschaffungskosten wirken sich nicht rückwirkend, sondern erst im Zeitpunkt ihres Anfalls aus,201 was z.B. für die Berechnung der Abschreibungen bedeutend ist. Nichts anderes gilt für nachträgliche Erhöhungen der Anschaffungsnebenkosten i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB.202 In diesem Sinne hat der BFH eine nachträgliche Erhöhung von Erschließungsaufwendungen als nachträgliche Erhöhung der Anschaffungskosten qualifiziert.203 Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch, soweit GrESt-Aufwand aktiviert worden ist;204 eine spätere Erhöhung der GrESt führt daher zu (weiteren) nachträglichen Anschaffungs(neben)kosten.205 Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall einer nachträglichen Herabsetzung der aktivierten GrESt (vgl. auch § 16 Abs. 3 GrEStG); insoweit liegt eine nachträgliche Anschaffungskostenminderung i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB vor, der seinem Zweck nach auch auf Nebenkosten Anwendung findet.206 Allerdings ist zu beachten, dass sich die Minderung stets auf den konkreten Anfall der Nebenkosten beziehen muss, was z.B. nicht der Fall ist, wenn der Steuerpflichtige Schadensersatz (in Höhe der GrESt) aufgrund eines Beratungsfehlers erhält, aufgrund dessen die GrESt angefallen 199 Unklar insoweit aber BFH v. 23.11.2022 – I R 25/20, BFH/NV 2023, 460 Nr. 4der die GrESt „wie nachträgliche Anschaffungskosten“ behandeln will. 200 Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf das Übernahmeergebnis grds. bejahend: Schmitt in Schmitt/Hörtnagl9, § 4 UmwStG Rz. 104; Martini in Widmann/ Mayer, § 4 UmwStG Rz. 458 sowie Martini in Widmann/Mayer, § 5 UmwStG Rz. 214; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 42; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 52. 201 Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 47a. 202 Kahle/Haas/Schulz in Baetge/Kirsch/Thiele, § 255 HGB Rz. 111. 203 BFH v. 3.7.1997 – III R 114/95, BStBl. II 1997, 811. 204 Ebenso Freikamp, DB 2022, 212 (218). 205 Drüen in Staub6, § 255 HGB Rz. 11. 206 BFH v. 4.10.2016 – IX R 8/15, BStBl. II 2017, 316 (unter Verweis auf das die GrESt betreffende BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96). Zur zeitlichen Berücksichtigung Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen2, § 255 HGB Rz. 48.

1024 | Böwing-Schmalenbrock

D. Auswirkungen nachträglicher Veränderungen | Rz. 9.77 Kap. 9

und (rechtmäßig) festgesetzt worden ist. Denn ein solcher Schadensersatz lässt die GrESt-Schuld unberührt und beruht auf einem rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen Rechtsgrund.207 II. Wegfall der GrESt-Befreiung nach §§ 5, 6, 6a GrEStG Bei Wegfall eines Steuerbefreiungstatbestandes gem. § 5 Abs. 3 GrEStG oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, liegt zwar grunderwerbsteuerlich ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor (Rz. 2.119; 6.122). Das gilt allerdings – vorbehaltlich einer entsprechenden materiell-rechtlichen Anordnung (s. z.B. Rz. 9.71 f.) – ertragsteuerlich grds. nicht, sodass eine rückwirkende Berücksichtigung ausscheiden muss.208

9.75

Es kommt folglich zum Sofortabzug in der laufenden Periode, wenn bei unterstelltem ursprünglichem Anfall der betreffenden GrESt ebenfalls keine Aktivierung hätte erfolgen müssen bzw. erfolgt ist (wie z.B. in den Fällen von § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG, s. dazu im Einzelnen Rz. 9.16 ff.).

9.76

Jenseits dessen ist ungeklärt, ob eine Hinzuaktivierung zu erfolgen hat oder ob die nachträgliche Veränderung des Anteils am Gesamthandvermögen als eigenständiges „auslösendes Moment“ dem entgegensteht. Überzeugender erscheint es, die GrESt – in Entsprechung zur nachträglichen Erhöhung der GrESt (s. Rz. 9.73 f.) – als nachträgliche Anschaffungs(neben)kosten zu behandeln.209 Hierfür spricht, dass es der BFH (auch im Zusammenhang mit der Behandlung von GrESt) für den Anfall nachträglicher Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB ausreichen lässt, wenn diese mit dem Erwerbsvorgang noch in einem ursächlichen Zusammenhang210 bzw. in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.211 Dem steht die von der Rechtsprechung darüber hinaus angenommene Finalität des Anschaffungskostenbegriffs richtigerweise nicht entgegen.212 Diese ist – bezogen auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Grundstücksübertragung – als Auslöser der GrESt zu prüfen und Grundlage für die Annahme von Anschaffungsnebenkosten. Denn in der Grundstücksübertragung liegt – i.S.d. auslösenden Moments – der eigentliche Belastungs- und Entstehungsgrund für die GrESt, die durch §§ 5 f. GrEStG zeitweise suspendiert ist, bevor sie endgültig „nicht erhoben“ wird. §§ 5 f. GrESt sind von daher – anders als etwa § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 GrEStG (dazu Rz. 9.52 ff.; Rz. 9.63 ff.) – selbst keine eigenständigen Besteuerungstatbestände,213 sodass auch nicht die Verringerung der Mitberechtigung als solche besteuert wird. Die Kausalität und die (maßgebliche) ursprüngliche Finalität werden durch die späteren Änderungen des Anteils

9.77

BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96. Ebenso Lohmann/von Goldacker/Zeitz, BB 2009, 477 (481). A.A. Lohmann/von Goldacker/Zeitz, BB 2009, 477 (481). BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281. Ebenso Ehmcke/Krumm in Brandis/ Heuermann, § 6 EStG Rz. 317. 211 BFH v. 5.5.1983 – IV R 18/80, BStBl. II 1983, 559. 212 BFH v. 2.9.2014 – IX R 50/13, BStBl. II 2015, 260; v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761. 213 Schley in Behrens/Wachter2, § 5 GrEStG Rz. 134. 207 208 209 210

Böwing-Schmalenbrock | 1025

Kap. 9 Rz. 9.77 | Ertragsteuerliche Behandlung

am Gesamthandsvermögen unbeschadet dessen nicht infrage gestellt, dass die Besteuerung erst hierdurch „auflebt“.214 Sieht man die Dinge so, ist für die ertragsteuerliche Behandlung der Umstand ohne Bedeutung, dass der Sperrfristverstoß, der grunderwerbsteuerliche Auslöser der Nachversteuerung im Rahmen von §§ 5 f. GrEStG, nicht durch den GrESt-Schuldner erfolgt ist und ggf. nicht einmal seinem Einflussbereich unterliegt. Es liegt insoweit eine Parallele zur Behandlung von aufschiebend bedingten Kosten nahe, die ebenfalls als nachträgliche Anschaffungskosten akzeptiert werden.215

9.78 Dementsprechende Erwägungen gelten auch für einen nachträglichen Wegfall der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG, wenn sich die Beteiligungsstruktur innerhalb der dortigen Frist nach dem grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgang i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG ändert und dies als grunderwerbsteuerlich rückwirkendes Ereignis angesehen wird (Rz. 6.122). Denn auch § 6a GrEStG stellt – wie §§ 5 f. GrEStG – keinen eigenständigen Besteuerungstatbestand dar.216 III. Rückgängigmachung eines Erwerbs nach § 16 GrEStG

9.79 Wird der Grundstückserwerb grunderwerbsteuerlich gem. § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG rückgängig gemacht, ist dies, sofern es bereits zu einem Betriebsausgabenabzug oder einer Aktivierung gekommen ist, nach den für die jeweilige Gewinnermittlungsart einschlägigen allgemeinen Grundsätzen zu behandeln. Das Grundstück geht aus dem Betriebsvermögen ab; zu beachten ist, dass ein Grundstück nicht erst bei Erlangung des zivilrechtlichen, sondern bereits des wirtschaftlichen Eigentums aktiviert werden musste (s. bereits Rz. 9.16 ff.). Ungeachtet einer vorherigen Aktivierung ist eine infolge des § 16 GrEStG erstattete GrESt eine Betriebseinnahme, sei es als erstattete Betriebsausgabe oder erstattete Anschaffungsnebenkosten.

214 Vgl. insoweit auch die „umgekehrte“ Argumentation von BFH v. 14.3.2011 – I R 40/10, BStBl. II 2012, 281 (unter II.3.). 215 Vgl. BFH v. 1.9.2010 – IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27; v. 22.8.2007 – X R 2/04, BStBl. II 2008, 109. 216 Sanna in eKommentar GrEStG, § 6a GrEStG Rz. 26.

1026 | Böwing-Schmalenbrock

Kapitel 10 Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten I. Anzeigepflicht als grunderwerbsteuerliches Vollzugsinstrument . II. Steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Strafverantwortung a) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) . . b) Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) . . . . . c) Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG . . . . . . . 3. Folgen für das Unternehmen . III. Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit I. Anzeigepflicht bei rechtlicher oder tatsächlicher Unsicherheit . II. Feststellungslast . . . . . . . . . . . . . . . III. Schätzungsbefugnis des Finanzamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.1

10.6

10.9 10.16 10.22 10.27 10.31

10.34 10.39

C. Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring I. Monitoring und Unternehmenscompliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Laufende Überwachung grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgänge 1. Steuertatbestände a) Überwachung des Grundstücksbestands und der Grundstückszuordnung . . b) Überwachung von Gesellschafterwechseln (§ 1 Abs. 2a und 2b GrEStG) . c) Überwachung von Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 und 3a GrEStG) . . d) Überwachung des Aktionärsbestands . . . . . . . . . . . 2. Einhaltung von Behaltensfristen für Steuerbefreiungen (§§ 5, 6, 6a GrEStG) . . . . . . . . . III. Dokumentation des Monitoring D. Dokumentmanagement und Beweismittelvorsorge . . . . . . . . . .

10.48

10.52 10.58 10.64 10.72 10.73 10.79 10.83

10.43

A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten I. Anzeigepflicht als grunderwerbsteuerliches Vollzugsinstrument Während Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEStG im Regelfall vom Notar anzuzeigen sind (§ 18 GrEStG), trifft die Anzeigepflicht bei Verwirklichung eines der Ersatz- und Ergänzungstatbestände nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG den Steuerpflichtigen selbst (§ 19 GrEStG). Der Gesetzgeber sieht die Anzeigepflichten nach § 19 GrEStG (dazu im Einzelnen Rz. 7.27 ff.) als wesentliches Vollzugsinstrument der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände an: „Die Anzeigen in Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG sind vor allem bei den Ergänzungstatbeständen § 1

Broemel/Mörwald | 1027

10.1

Kap. 10 Rz. 10.1 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

Absatz 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG die primäre Informationsquelle der Finanzverwaltung und das wesentliche Instrument zur Vollzugssicherung.“1

10.2 Zusätzlicher Nachdruck wird den Anzeigepflichten durch ein speziell für grunderwerbsteuerliche Zwecke verschärftes Regime der Verspätungszuschläge verliehen. (§ 19 Abs. 6 GrEStG). Die allgemeine höhenmäßige Begrenzung auf 25.000 Euro (§ 152 Abs. 10 AO) wurde durch das JStG 20202 für den Bereich der Grunderwerbsteueranzeigen aufgehoben (§ 19 Abs. 6 Satz 2 GrEStG), so dass hier deutlich höhere Verspätungszuschläge möglich sind als in anderen Steuerarten. Der Verspätungszuschlag beträgt 0,25 % der festgesetzten Steuer für jeden Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO). 10.3 Bei Verletzung der Anzeigepflichten nach § 19 GrEStG wird zudem der Beginn der Festsetzungsfrist gehemmt (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO) und die Dauer der Festsetzungsfrist verlängert (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO); außerdem ist dann keine Rückabwicklung nach § 16 GrEStG möglich, denn § 16 Abs. 5 Satz 1 GrEStG setzt für die in § 1 Abs. 2 bis 3a bezeichneten Erwerbsvorgänge voraus, dass diese fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) worden sind. Gleiches gilt gem. § 16 Abs. 5 Satz 2 GrEStG für die Aufhebung einer bei Abschluss eines Anteilskaufvertrags festgesetzten Steuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG im Zeitpunkt des Closing gem. § 16 Abs. 4a GrEStG (dazu Rz. 3.11 ff.). 10.4 Die Verpflichtung zur Anzeige gilt grds. unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis des Meldepflichtigen.3 Die Anzeigepflicht ist wie die gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen eine objektive, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht.4 Damit besteht bei objektiver Erfüllung eines der Ergänzungstatbestände nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG eine Anzeigepflicht, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen bekannt ist bzw. bekannt sein kann, dass der Tatbestand erfüllt ist. Die Nichtanzeige des Vorganges stellt eine Nichtabgabe einer (verpflichtenden) Steuererklärung dar. 10.5 Neben der Verwirklichung der Ergänzungstatbestände (§ 19 Abs. 1 Nr. 3a bis 7a GrEStG) sind u.a. auch Erhöhungen der Gegenleistung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) sowie Ereignisse mit Relevanz für die Nachbehaltensfristen nach §§ 5, 6 und 6a GrEStG anzuzeigen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 und 4a GrEStG). II. Steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken 1. Überblick

10.6 Eine unterlassene Anzeige i.S.v. § 19 GrEStG ist als Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. §§ 149 ff. AO an1 2 3 4

BT-Drucks. 19/13437, S. 15. BGBl. I 2020, 3096. Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 10. Vgl. BFH v. 12.6.1996 – II R 3/93, BStBl. II 1996, 485; v. 27.9.2017 – II R 41/15, BStBl. II 2018, 667.

1028 | Broemel/Mörwald

A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten | Rz. 10.12 Kap. 10

zusehen. Neben der Möglichkeit, Verspätungszuschläge nach § 19 Abs. 6 GrEStG i.V.m. § 152 AO festzusetzen, kann das Finanzamt die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeige auch zwangsweise durchsetzen (§§ 328 ff. AO).5 Die Anzeigepflicht besteht zwar unabhängig davon, ob der Anzeigeverpflichtete den Rechtsvorgang kannte oder nicht (Rz. 10.4). Für die Frage der steuerstraf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verantwortung von Individualpersonen sind allerdings die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten entscheidend (s. hierzu unter Rz. 10.9 ff.).

10.7

Darüber hinaus können auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen für betroffene Unternehmen drohen (s. hierzu unter Rz. 10.27 ff.).

10.8

2. Persönliche Strafverantwortung a) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) Bei der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG kommt das Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S.v. § 378 AO bzw. eine Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG in Betracht.

10.9

Gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO macht sich derjenige wegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar, der die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch den Erfolg einer Steuerverkürzung herbeiführt. Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Eine Erklärungspflicht ergibt sich insbesondere aus den §§ 18, 19 GrEStG.6

10.10

Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen setzt voraus, dass dem Täter die Vornahme der strafrechtlich geforderten Handlung tatsächlich möglich und zumutbar ist.7 Allerdings kommt eine fehlende Möglichkeit zur Vornahme der geforderten Handlung im Steuerstrafrecht nur in Ausnahmekonstellationen in Betracht.8 Hat sich der Steuerpflichtige selbst (vorwerfbar) außer Stande gesetzt, eine steuerliche Pflicht zu erfüllen (keine Führung von Aufzeichnungen, Vernichtung der Aufzeichnungen), entlastet ihn dies nicht.9

10.11

Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setzt zudem subjektiv zumindest bedingten Vorsatz (Eventualvorsatz) voraus. Dieser ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will10 Es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich

10.12

5 6 7 8 9 10

Wachter in Behrens/Wachter2, § 19 GrEStG Rz. 236 ff. Schmitz/Wulf in MünchKomm.StGB3, § 370 AO Rz. 307. Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz. 71. Schmitz/Wulf in MünchKomm.StGB3, § 370 AO Rz. 361 f. Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz. 71. Vgl. BGH v. 22.4.1955 – 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363; BGH v. 7.7.2011 – 5 StR 561/10, BGHSt 56, 277; BGH v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160.

Broemel/Mörwald | 1029

Kap. 10 Rz. 10.12 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

hält und billigend in Kauf nimmt. Der Hinterziehungsvorsatz setzt deshalb weder dem Grunde noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs voraus.11

10.13 Es handelt also bereits derjenige bedingt vorsätzlich, der es für möglich hält, dass ein Steueranspruch bestehen könnte und der Finanzverwaltung den Sachverhalt gleichwohl nicht offenlegt.12 10.14 Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht erfüllt), wenn der Steuerpflichtige alle ihm zumutbaren Erkundigungen bzgl. des Vorliegens einer Anzeigepflicht eingeholt hat, etwa im Rahmen eines Grunderwerbsteuer-Complianceprozesses, und nach bestem Wissen und Gewissen zu dem Ergebnis kommt, dass keine Anzeigepflicht besteht. Ein deratiger Complianceprozess erfordert, dass klare Zuständigkeiten bestehen, ein konkreter Ablauf eines Prüfprozesses vorgegeben ist und eine effiziente Überwachung erfolgt. Die Ergebnisse des Complianceprozesses sind zu dokumentieren, damit der Nachweis über die Mitwirkungshandlungen des Steuerpflichtigengeführt werden kann. 10.15 Kann der Steuerpflichtige nicht zweifelsfrei feststellen, ob eine Anzeigepflicht besteht, muss er gegenüber den Finanzbehörden offenlegen, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine zweifelsfreie Ermittlung einer potentiellen Anzeigepflicht nicht möglich ist. Die Finanzbehörden werden dann in die Lage versetzt, eigenständige Überprüfungen vorzunehmen. Durch die transparente Kommunikation mit dem Finanzamt zeigt der Steuerpflichtige, dass er eine Tatbestandsverwirklichung jedenfalls nicht billigend in Kauf nimmt und nicht darauf vertraut, dass sich das Risiko einer Grunderwerbsteuer nicht materialisiert. b) Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)

10.16 Darüber hinaus kann eine unterlassene Anzeige eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S.v. § 378 AO (Ordnungswidrigkeitentatbestand) darstellen. Ein leichtfertiges Handeln liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seiner individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen.13 Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen.14 10.17 Bei Rechtsgeschäften von Kaufleuten, die zur kaufmännischen Tätigkeit gehören, werden höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten gestellt als bei anderen Steuerpflichtigen. In Zweifelsfällen hat der Kaufmann von sachkundiger Seite Rat einzuholen.15 Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, trifft auch bei einer unter den 11 BGH v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160. 12 Vgl. hierzu BGH v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160; BGH v. 24.1.2018 – 1 StR 331/17, DStR 2018, 1623. 13 Vgl. BFH v. 29.10.2013 – VIII R 27/10, BFHE 243, 116 Rz. 30. 14 Vgl. BFH v. 29.10.2013 – VIII R 27/10, BFHE 243, 116 Rz. 30. 15 Vgl. BGH v. 17.12.2014 – 1 StR 324/14, wistra 2015, 191; Jäger in Klein16, § 378 AO Rz. 21.

1030 | Broemel/Mörwald

A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten | Rz. 10.22 Kap. 10

Geschäftsführern vereinbarten Aufgabenverteilung grundsätzlich jeden die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft.16 Bezogen auf die unterlassene Anzeige eines Gesellschafterwechsels nach § 1 Abs. 2a GrEStG hat der BFH festgestellt, dass eine bloße Untätigkeit die Leichtfertigkeit nicht ausschließt.17 Dies bedeutet, dass das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung jedenfalls dann in Betracht kommt, sofern die handelnden Organe keinerlei Erkundigungen bzgl. einer potenziell bestehenden Anzeigepflicht einholen.

10.18

Wer nach der Inanspruchnahme steuerlicher Beratung die Steuerpflicht seines Verhaltens kennt, ist umso mehr gehalten, sich um die damit verbundenen Erklärungsund Anzeigepflichten zu kümmern.18 Bei einem steuerlich beratenen Steuerpflichtigen berücksichtigt der BFH, dass diesem die Einholung einer Auskunft über das Bestehen einer Anzeigepflicht („Ob“) und die Modalitäten ihrer Erfüllung („Wie“) leicht möglich ist.19

10.19

Sollte der Steuerpflichtige allerdings nach Durchführung aller zumutbaren Erkundigungen, z.B. im Rahmen eines Grunderwerbsteuer-Complianceprozesses, eine Anzeigepflicht nicht feststellen können, scheidet ein leichtfertiges Handeln aus.

10.20

Falls eine Anzeigepflicht nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, aber das Finanzamt durch transparente Offenlegung des Sachverhalts in die Lage versetzt wird, eigenständige Ermittlungen anzustellen, scheidet ein leichtfertiges Handeln ebenfalls aus. Die Offenlegung des Sachverhalts spricht gerade gegen eine Leichtfertigkeit, d.h. gegen das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt (Rz. 10.16).

10.21

c) Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG Nach § 130 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Der Tatbestand des § 130 OWiG ist nur einschlägig, wenn eine Zuwiderhandlung, d.h. eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit, begangen wurde, die durch Einhaltung der ordnungsgemäßen Aufsicht jedenfalls wesentlich erschwert worden wäre.20 Somit löst nicht jede Aufsichtspflichtverletzung bzw. das alleinige Vorliegen einer Zuwiderhandlung den Tatbestand aus.21 Es muss feststehen, dass durch eine gehörige Aufsicht das Risiko einer Zuwiderhandlung vermindert worden wäre.22 BFH v. 7.3.1995 – VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941. BFH v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932. BFH v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932, Rz. 12. BFH v. 19.2.2009 – II R 49/07, BStBl. II 2009, 932, Rz. 13. Engelhart in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rz. 52. 21 Engelhart in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rz. 65. 22 Beck in BeckOK.OWiG, § 130 OWiG Rz. 93.

16 17 18 19 20

Broemel/Mörwald | 1031

10.22

Kap. 10 Rz. 10.23 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

10.23 Die Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG kann, wenn die Pflichtverletzung mit Strafe (wie bei § 370 AO) bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden (§ 130 Abs. 3 OWiG). Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße (wie bei § 378 AO) bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (d.h. bei § 378 Abs. 1, 2 AO: 50.000 Euro). 10.24 Die Aufsichtspflicht kann vorsätzlich oder fahrlässig verletzt werden. Auf die konkrete Zuwiderhandlung muss sich der Vorsatz bzw. im Rahmen der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit nicht beziehen.23 10.25 Nach der Rechtsprechung bestimmt sich die Aufsichtspflicht nach Art, Größe und Organisation des Betriebes, den einzuhaltenden Vorschriften, den Überwachungsmöglichkeiten, dem Risiko sowie Vorfällen in der Vergangenheit. Dabei müssen die Maßnahmen zumutbar und praktisch durchführbar sein.24 Es können keine Maßnahmen verlangt werden, die offensichtlich überhöhte und unverhältnismäßige Kosten mit sich bringen. Unzumutbarkeit liegt auch bei einer erheblichen Störung der Effektivität des Betriebsablaufs, z.B. aufgrund einer übermäßigen Bürokratisierung des Unternehmens, vor.25 10.26 Die Einrichtung und laufende Durchführung angemessener grunderwerbsteuerlicher Complianceprozesse (z.B. Monitoring des Grundstücks- und Gesellschafterbestands) werden den Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung im Regelfall verhindern. 3. Folgen für das Unternehmen

10.27 Neben steuerstraf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen für die Individualpersonen sind bußgeldrechtliche Konsequenzen für anzeigeverpflichtete Unternehmen denkbar. 10.28 Nach § 30 Abs. 1 OWiG kann eine sog. Verbandsgeldbuße gegen ein Unternehmen verhängt werden, wenn eine Leitungsperson selbst eine betriebsbezogene Straftat oder Ordnungswidrigkeit (sog. Anknüpfungstat) begangen hat. Als Anknüpfungstaten kommen insbesondere das Vorliegen einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO), eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) sowie eine Aufsichtspflichtverletzung i.S.v. § 130 OWiG in Betracht. Zu den Einzelheiten dieser Tatbestände s. vorstehend unter Rz. 10.16 ff. und 10.22 ff. 10.29 § 30 OWiG verlangt, dass eine der Leitungspersonen selbst die entsprechenden Tatbestände verwirklicht hat. 10.30 Im Grundsatz beträgt die Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG bis zu 5 Mio. Euro (bei fahrlässigen Straftaten) bzw. bis zu 10 Mio. Euro (bei vorsätzlichen Straftaten). 23 Engelhart in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 130 OWiG Rz. 50. 24 OLG Düsseldorf v. 12.11.1998 – 2 Ss (OWi) 385/98 – (OWi) 112/98 III, wistra 1999, 115. 25 Beck in BeckOK.OWiG30, § 130 OWiG Rz. 54.

1032 | Broemel/Mörwald

A. Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten | Rz. 10.33 Kap. 10

Im Falle einer Ordnungswidrigkeit (z.B. § 378 AO) bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße hingegen nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (§ 30 Abs. 2 OWiG).26 Bei dem Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG verzehnfacht sich das Höchstmaß der Geldbuße (§ 130 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG). III. Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten Nach dem sog. Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO) hat die Finanzbehörde von Amts wegen den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Beteiligte (§ 78 AO) sind jedoch gem. § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung verpflichtet (allgemeine Mitwirkungspflicht). Sie kommen ihrer Pflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO „[…] insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben“.

10.31

Nach § 90 Abs. 2 AO haben, soweit ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen ist, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung bezieht, die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (erweiterte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht für Auslandssachverhalte, § 90 Abs. 2 Satz 1 AO). Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen (Grenze der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit, § 90 Abs. 2 Satz 2 AO). Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können (Vorsorgepflicht nach § 90 Abs. 2 Satz 3 AO). Der Anwendungsbereich des § 90 Abs. 2 AO erfasst auch die Grunderwerbsteuer.27

10.32

Grundbesitzende Unternehmen trifft damit insbesondere im Hinblick auf Gesellschafterwechsel im Ausland eine erweiterte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht. Allerdings begrenzt § 90 Abs. 2 Satz 2 AO die Pflicht zur Mitwirkung auf das rechtlich und tatsächlich Mögliche. Keine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt daher vor, wenn die Ermittlung des Sachverhalts dem Steuerpflichtigen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht nicht möglich ist.28 Kann eine Gesellschaft ihre Anteilseigner trotz angemessener Bemühungen nicht selbst ermitteln, liegt auch keine Verletzung einer steuerlichen Mitwirkungspflicht vor.

10.33

26 Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 2 AO: 50.000 Euro. 27 Vgl. z.B. BFH v. 5.9.2013 – II R 16/12, BStBl. II 2014, 42. 28 Vgl. z.B. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFH/NV 2001, 957.

Broemel/Mörwald | 1033

Kap. 10 Rz. 10.34 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

B. Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit I. Anzeigepflicht bei rechtlicher oder tatsächlicher Unsicherheit

10.34 In der Praxis sind steuerpflichtige Unternehmen bei der Erfüllung der ihnen auferlegten Anzeige- und Ermittlungspflichten vielfältigen Unsicherheiten und Ermittlungshemmnissen ausgesetzt. Hierbei sind verschiedene Fallgruppen denkbar: 1. Unsicherheit über die rechtliche Beurteilung: Dem Steuerpflichtigen ist der Sachverhalt bekannt, es ist jedoch unklar, ob dieser der Steuerpflicht unterliegt. Beispiel 1: Mit den Aktien der grundbesitzenden A AG werden Wertpapierleihgeschäfte durchgeführt, deren Umfang der A AG bekannt ist. Mangels einschlägiger Rechtsprechung ist ungeklärt, ob diese Geschäfte zu relevanten Gesellschafterwechseln i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG führen (vgl. Rz. 5.126 ff.).

2. Unsicherheit über den Sachverhalt: Dem Steuerpflichtigen sind die tatbestandlichen Anforderungen klar, er kann jedoch nicht ermitteln, ob der Tatbestand verwirklicht wurde. Beispiel 2: Die Aktien der grundbesitzenden A AG werden (auch) an einer nicht von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Börse gehandelt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in beträchtlichem Umfang Altgesellschafter an der A AG dauerhaft beteiligt sind. Es ist unmöglich zu bestimmen, in welchem Umfang die Aktiengeschäfte irrelevante Erwerbe durch Altgesellschafter sind (vgl. Rz. 5.14 ff.).

3. Unsicherheit über Sachverhalt und Würdigung Beispiel 3: Die grundbesitzende A AG hat ein Level 1-ADR Programm aufgelegt. Es ist bislang nicht abschließend geklärt, ob die ADS Holder als Gesellschafter anzusehen sind oder auf die US-Depotbank abzustellen ist (vgl. Rz. 5.113 ff.). Zusätzlich kann nicht ermittelt werden, in welchem Umfang ein relevanter ADS-Handel erfolgt ist.

10.35 In der Praxis wissen Unternehmen und die für sie handelnden Personen häufig nicht, wie sie mit diesen Formen der Unsicherheit umzugehen haben. Wie oben dargestellt (Rz. 10.13 ff.), liegt bedingter Vorsatz bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält.29 10.36 Um steuerstraf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe zu vermeiden, kann es in Fällen der Unsicherheit zweckmäßig und geboten sein, den (unsicheren) Sachverhalt der Finanzbehörde mitzuteilen. Dies ist jedoch auf Fälle begrenzt, in denen realistisch von einer möglichen Tatbestandsverwirklichung auszugehen ist. 10.37 In den obigen Beispielen 1 bis 3 müsste hierfür hinzutreten, dass sicheres Wissen darüber vorliegt, dass in erheblichem Umfang (z.B. 80 %) bereits relevante Zählerwerbe eingetreten sind. Nur dann wäre realistisch für möglich zu halten, dass die in Bei-

29 BGH v. 8.9.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160.

1034 | Broemel/Mörwald

B. Sachverhaltsermittlung | Rz. 10.41 Kap. 10

spiel 1 bis 3 dargestellten Sachverhalte zur tatsächlichen Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG (d.h. zur Überschreitung der 90 %-Schwelle) beitragen. Ebenso kann es in Fällen der Rechtsunsicherheit sinnvoll sein, eine sog. Negativanzeige an das Finanzamt zu richten, in der der Sachverhalt vorsorglich mitgeteilt wird und zugleich die eigene Rechtsauffassung begründet wird, dass kein steuerbarer Vorgang vorliegt.

10.38

II. Feststellungslast Die Finanzverwaltung ist von Amts wegen verpflichtet, den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO). Beteiligte (§ 78 AO) sind jedoch gem. § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung verpflichtet (allgemeine Mitwirkungspflicht). Die Finanzverwaltung bedient sich mithin zur Erfüllung seiner Aufklärungspflicht des Steuerpflichtigen.30

10.39

Umso weniger der Beteiligte mitwirkt, desto weniger Anhaltspunkte stehen der Behörde für eine grunderwerbsteuerliche Untersuchung zur Verfügung. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht führt daher zu einer Reduktion der Sachverhaltsaufklärungspflicht und des Beweismaßes. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO ist eine mögliche Folge fehlender Sachaufklärung.31

10.40

Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht können somit zum Nachteil des Steuerpflichtigen die Beweismaßanforderungen der Finanzverwaltung herabsetzen32:

10.41

– Ist das Sachaufklärungsdefizit auf eine ungenügende oder sogar fehlende Mitwirkung des Steuerpflichtigen zurückzuführen, reduziert sich für steuerbegründende bzw. -erhöhende Tatsachen das Beweismaß nach § 162 Abs. 2 AO je nach Ausmaß der Mitwirkungspflichtverletzung auf eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit. Ein Mitwirkungsdefizit kann zur Zuweisung des Beweisrisikos zum Steuerpflichtigen führen und birgt die Gefahr einer Besteuerung auf der Basis bloß vermuteter Sachverhalte. – Beruht das Sachaufklärungsdefizit hingegen nicht auf einer fehlenden Mitwirkung des Steuerpflichtigen, so darf ihm für steuerbegründende bzw. -erhöhende Tatsachen das Beweisrisiko weder in Form einer Entscheidung mit vermindertem Beweismaß noch in Form einer Beweislastentscheidung zugewiesen werden.

30 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 90 AO Rz. 1. 31 Vgl. z.B. BFH v. 13.1.2006 – VIII B 7/04, BFH/NV 2006, 914 m.w.N.; Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 35 f.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 90 AO Rz. 37 und 130; Rätke in Klein16, § 90 AO Rz. 12; Baum in juris eKommentar AO, § 90 AO Rz. 11; Hahlweg in Koenig4, § 90 AO Rz. 43. 32 Vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz. 91; die skizzierten für § 96 FGO geltenden Grundsätze sind im Besteuerungsverfahren sinngemäß anzuwenden, vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 90 AO Rz. 16

Broemel/Mörwald | 1035

Kap. 10 Rz. 10.42 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

10.42 Bei der Beurteilung, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Entscheidung zu Lasten des Steuerpflichtigen nach den Regeln der Feststellungslast nicht zulässig. Vielmehr muss das Finanzgericht von dem Vorliegen der Tatsachen, die den objektiven sowie subjektiven Tatbestand des § 370 AO bilden, vollständig überzeugt sein.33 III. Schätzungsbefugnis des Finanzamts

10.43 Bei Verletzung der Ermittlungs- und Vorsorgepflicht nach § 90 Abs. 2 AO (dazu Rz. 10.32) besteht eine Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 Satz 4 AO). Es ist umstritten, ob § 162 AO lediglich eine Schätzung der Steuer der Höhe nach erlaubt (Schätzung der Höhe nach) oder ob bereits das Vorliegen eines die Besteuerung auslösenden Sachverhalts (Schätzung dem Grunde nach) im Schätzungswege angenommen werden darf.34 10.44 Beispiel 4: 80 % der Aktien der grundbesitzenden A AG sind von einem neuen Aktionär erworben worden, die übrigen befinden sich im Streubesitz und werden (auch) an einer nicht von § 1 Abs. 2c GrEStG begünstigten Börse gehandelt. Da davon auszugehen ist, dass an der A AG in beträchtlichem Umfang Altgesellschafter dauerhaft beteiligt sind, ist es unmöglich zu bestimmen, wann und in welchem Umfang weitere 10 % der Aktien auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Ob ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG vorliegt, könnte hier – soweit zulässig – allenfalls geschätzt werden.

10.45 Bejaht man mit Teilen der Rechtsprechung35 und Literatur36 die Möglichkeit einer Schätzung dem Grunde nach, bildet indes das Gebot einer realitätsnahen Schätzung37 eine hohe Schranke der Schätzungsbefugnis. Ziel der Schätzung im Besteuerungsverfahren ist die Ermittlung des Ergebnisses, für das die größte Wahrscheinlichkeit spricht.38 10.46 Doch selbst wenn eine Schätzung dem Grunde nach zulässig wäre, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG unterstellt werden darf. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein.39 Eine willkürliche Festlegung, ob, wann und wie häufig ein Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt wird, würde diesen Grundsätzen nicht entsprechen.

33 BFH v. 12.7.2016 – II R 42/14, BFHE 254, 105. 34 Zum Meinungsstand vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 20 m.w.N. 35 Vgl. OVG Lüneburg v. 28.2.2018 – 9 LC 217/16, DVBl. 2018, 722; BFH v. 12.7.2017 – X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204. 36 Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 20. 37 Vgl. BFH v. 25.5.2004 – VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498; v. 12.7.2017 – X B 16/17, BFH/ NV 2017, 1204. 38 BFH v. 5.6.2003 – IV R 36/02, BStBl. II 2003, 871. 39 BFH v. 13.10.2003 – IV B 85/02, BStBl. II 2004, 25.

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C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.50 Kap. 10

Ein praktischer Anwendungsbereich für eine Schätzung dem Grunde nach ist daher derzeit nicht ersichtlich. Im Einzelfall muss zudem stets die Voraussetzung hinzutreten, dass der Steuerpflichtige seiner Ermittlungs- und Vorsorgepflicht nicht nachgekommen ist. Bei Unternehmen, die ein nachhaltiges Monitoring ihres Grundstücksund Gesellschafterbestands praktizieren, sollte eine Schätzung dem Grunde nach – unabhängig von ihrer Zulässigkeit – bereits deshalb nicht in Betracht kommen.

10.47

C. Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring I. Monitoring und Unternehmenscompliance Aufgrund der kenntnisunabhängigen Anzeigepflicht (s. Rz. 10.4) und der zugleich hohen Komplexität und teilweisen Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung (s. Rz. 10.34) ist ein grunderwerbsteuerliches Monitoring essenziell, um für die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe zu vermeiden. In den letzten Jahren werden durch systematische Vorfeldermittlung der Steuerfahndung immer mehr nicht angezeigte Grunderwerbsteuerfälle aufgedeckt; im Regelfall münden diese Ermittlungen in die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens.40

10.48

Bei Unkenntnis der Rechtsvorgänge, die eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands ausgelöst haben, dürfte dem Vorstand oder Geschäftsführer einer grundbesitzenden Gesellschaft kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sein.41 Denn eine Unterlassenstat ist grundsätzlich nur strafbar, wenn dem zur Handlung Verpflichteten die Vornahme der erwarteten Handlung überhaupt möglich war.42 Die Einrichtung und Dokumentation umfassender Compliance- und Überwachungsmaßnahmen kann daher dazu beitragen, eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) auszuschließen.

10.49

Von besonderer Bedeutung sind Compliance- und Überwachungsmaßnahmen, um dem möglichen Vorwurf einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO sowie einer Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG entgegentreten zu können.

10.50

– Nach § 378 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Bei der Leichtfertigkeit handelt es sich um eine ungewollte, aber auf der Nichtbeachten der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruhenden Verwirklichung des Tatbestandes (Rz. 10.16 ff.).

40 Vgl. Hüschemenger/Zumwinkel, PStR 2023, 14. 41 Vgl. Loose in Viskorf20, § 19 GrEStG Rz. 10. 42 Vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 301; Flore in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 149; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 68 f.

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Kap. 10 Rz. 10.50 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

– Nach § 130 OWiG handelt ordnungswidrig, wer es als Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Bußgeld bedroht ist. Dies gilt nur, wenn eine solche Zuwiderhandlung durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre (Rz. 10.22).

10.51 Diese Vorwürfe knüpfen ausdrücklich an das Unterlassen von zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen und die Etablierung von ausreichenden Compliance-Prozessen an. Für die Unternehmenspraxis ist daher zu empfehlen, eine umfassende, laufende Überwachung des Grundstücks- und Gesellschafterbestands durchzuführen (s. nachfolgend Rz. 10.52 ff.) und die Ergebnisse sorgfältig zu dokumentieren (s. nachfolgend Rz. 10.79 ff.). II. Laufende Überwachung grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgänge 1. Steuertatbestände a) Überwachung des Grundstücksbestands und der Grundstückszuordnung

10.52 Für die Beurteilung, ob ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand erfüllt wird, ist es erforderlich, einen Überblick über den relevanten Grundstücksbestand zu haben. Hierzu bedarf es einer Analyse, welcher Gesellschaft im Unternehmensverbund welches Grundstück grunderwerbsteuerlich seit und bis wann zuzurechnen ist. Bei Unternehmens- oder Beteiligungsveräußerungen ist innerhalb zwei Wochen eine Anzeige nach § 19 GrEStG zu erstatten. Um diese Frist einzuhalten, ist es für Unternehmen mit substanziellem Grundstücksbestand unerlässlich, ein laufendes Monitoring der Grundstücke und ihrer Zuordnung zu unterhalten. 10.53 Zu beachten ist dabei, dass für die Zurechnung eines Grundstückes für Zwecke der Ergänzungstatbestände nicht das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung entscheidend ist (s. im Detail auch Rz. 3.28 ff.).43 Sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung vertreten, dass einer Gesellschaft ein Grundstück gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.44 Ein Grundstück gehört nach der Rechtsprechung nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war.45

43 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 44 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375; für die Verwaltungsauffassung s. exemplarisch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 45 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402; v. 20.1.2016 – II R 29/14, BStBl. II 2016; v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375.

1038 | Broemel/Mörwald

C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.60 Kap. 10

Abweichend von der BFH-Rechtsprechung rechtfertigt nach Verwaltungsauffassung ein nach § 1 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbarer Vorgang offenkundig aber nicht, dass dem zivilrechtlichen Eigentümer der Grundbesitz nicht mehr zuzurechnen ist. Denn im Erlass zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG stellt die Finanzverwaltung fest, dass Grundstücke im Eigentum der PersGes., an denen sie einem anderen die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt hat, zu ihrem Vermögen gehören.46

10.54

Nach Auffassung des BFH gelten diese Grundsätze auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen z.B. eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft sei der Obergesellschaft nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft es selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben habe. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führe nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften.47

10.55

Danach ist ein Grundstück für Zwecke der Ergänzungstatbestände stets eindeutig einer (einzigen) Gesellschaft zuzuordnen, nämlich der Gesellschaft, die zuletzt einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand hinsichtlich des Grundstücks verwirklicht hat. Ob die Finanzverwaltung diese Auffassung einer alleinigen Zuordnung umsetzen wird, ist bislang noch unsicher (Rz. 3.51).

10.56

Bei der laufenden Überwachung des Grundstücksbestandes sollte somit stets berücksichtigt werden, dass je nach Lage des Einzelfalls aus Sicht der Finanzverwaltung ggf. eine Mehrfachzurechnung eines Grundstücks zu unterschiedlichen Gesellschaften erfolgen könnte. Dies ist vorsorglich bei der Überwachung der Tatbestandserfüllung der Ergänzungstatbestände zu berücksichtigen.

10.57

b) Überwachung von Gesellschafterwechseln (§ 1 Abs. 2a und 2b GrEStG) Die Tatbestände des § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG werden durch Gesellschafterwechsel an der grundbesitzenden PersGes. bzw. KapGes. ausgelöst. Steuerschuldnerin und Anzeigepflichtige ist hingegen die grundbesitzende Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund obliegt es der grundbesitzenden Gesellschaft selbst, Bewegungen in ihrem Gesellschafterbestand zu überwachen.

10.58

Die Tatbestände in § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG werden im Grundsatz erfüllt, wenn 90 % der Gesellschaftsanteile der grundbesitzenden PersGes. innerhalb von 10 Jahren auf Neugesellschafter übergehen. Mithin sind die Gesellschafteränderungen in einem Zehnjahreszeitraum zu betrachten.

10.59

Relevante Gesellschafterwechsel sind dabei nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Gesellschafterwechsel. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass bei mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestands nochmals differenziert werden

10.60

46 Vgl. exemplarisch gleich lautende Ländererlasse v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 3. 47 Vgl. BFH v. 1.12.2021 – II R 44/18, DStR 2022, 1375 Rz. 25.

Broemel/Mörwald | 1039

Kap. 10 Rz. 10.60 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

muss zwischen mittelbaren Änderungen aufgrund von Gesellschafterwechseln auf der Ebene von Gesellschaften, die (unmittelbar oder mittelbar) an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt sind (mittelbarer Gesellschafterwechsel durch Anteilsübertragung) und mittelbaren Änderungen aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen (mittelbarer Gesellschafterwechsel aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise). Zu den unterschiedlichen Ausprägungsformen mittelbarer Gesellschafterwechsel s. exemplarisch auch Rz. 3.74 ff.).

10.61 Da die Tatbestände in § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG grundstücksbezogen auszulegen sind (zur grundstücksbezogenen Betrachtungsweise s. auch Rz. 3.100), muss für jedes einzelne Grundstück separat geprüft werden, ob in einem für das Grundstück relevanten Zehnjahreszeitraum ein 90%iger der Gesellschaftsanteile auf Neugesellschafter erfolgt ist. Dabei kann ein Zehnjahreszeitraum u.a. mit dem Erwerb des Grundstücks durch die PersGes. beginnen und mit einer Veräußerung des Grundstücks durch die Gesellschaft enden (zu den Vorgängen, die den zehnjährigen Betrachtungszeitraum eröffnen und beenden s. auch Rz. 3.238 ff.). 10.62 Bei Aktionärswechseln börsennotierter Unternehmen ist zu prüfen, ob diese unter Beachtung der Regelungen zur Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG ggf. von der Zählquote auszunehmen sind. Gleichwohl sind in diesem Zusammenhang die praktischen Probleme bei der Anwendung der Börsenklausel zu beachten, welche den Nutzen der Börsenklausel für ein grunderwerbsteuerliches Monitoring erheblich einschränken. 10.63 Vor dem Hintergrund, dass nicht nur unmittelbare Gesellschafterwechsel, sondern auch mittelbare Gesellschafterwechsel tatbestandsrelevant sind, stellt die Erfassung von relevanten Gesellschafterwechseln für die grundbesitzende Gesellschaft regelmäßig eine schwierige und teilweise nicht erfüllbare Pflicht der Gesellschaft dar. Dies gilt nicht zuletzt in Sachverhalten, in denen Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar im Ausland gehalten werden und damit Anteilsübertragungen im Ausland nachverfolgt werden müssen. Gleichwohl schützt eine Unmöglichkeit der Erfassung sämtlicher Gesellschafterbewegungen nicht vor der Anzeigepflicht des grunderwerbsteuerbaren Vorganges. Die Pflicht, einen nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Vorgang anzuzeigen, ist eine objektive Anzeigepflicht (Rz. 10.4). c) Überwachung von Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 und 3a GrEStG)

10.64 Die Tatbestände in § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG werden vereinfacht erfüllt, wenn 90 % der Gesellschaftsanteile einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Rechtsträgers (oder im Fall einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft in von einer Erwerbergruppe) konzentriert („vereinigt“) werden oder wenn derart vereinigte Anteile übertragen werden. Für Zwecke dieser Ergänzungstatbestände muss daher geprüft werden, ob Veränderungen der Beteiligungsstruktur an einer grundbesitzenden Gesellschaft zu einer entsprechenden Konzentration der Anteile führen.

1040 | Broemel/Mörwald

C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.68 Kap. 10

Abweichend von den Tatbeständen in § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG ist der Anzeigepflichtige und Steuerschuldner bei § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG derjenige, in dessen Hand die Anteile konzentriert wurden. Zur Prüfung, ob eine relevante Anteilskonzentration bei einem Rechtsträger eingetreten ist, sind die Änderungen in der Beteiligungsstruktur unterhalb dieses Rechtsträgers auf ihre Wirkung hin zu überprüfen. Anteilsübertragungen oberhalb der betroffenen Gesellschaft entfalten hingegen keine Relevanz für die Verwirklichung der Tatbestände in § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG auf Ebene der betroffenen Gesellschaft. Insbesondere bei der Überwachung von Anteilsübertragungen in Konzernstrukturen bietet sich gleichwohl regelmäßig an, aus Sicht der grundbesitzenden Gesellschaft zu prüfen, ob eine (unmittelbare oder mittelbare) Bewegung von Anteilen an dieser Gesellschaft eine Anteilsvereinigung bei einer der anderen Konzerngesellschaften hervorruft.

10.65

Zur Überwachung, ob die Tatbestände in § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG erfüllt werden, muss daher bei jeder Strukturveränderung hinsichtlich der (ggf. mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft geprüft werden, ob diese Strukturveränderung einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand auslöst.

10.66

Häufig verwirklicht derjenige, der Anteile bewegt, selbst den Tatbestand gem. § 1 Abs. 3 oder 3a GrEStG. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Überwachung der Tatbestände einfacher als das Monitoring der Tatbestände in § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG, bei denen stets Bewegungen oberhalb der grundbesitzenden Gesellschaft den steuerbaren Vorgang auslösen. Allerdings zu beachten, dass auch Bewegungen unterhalb der Gesellschaft zu einer Anteilsvereinigung bei einer Gesellschaft führen können, an denen die betroffene Gesellschaft nicht beteiligt ist. Damit genügt es zur Überwachung nicht, dass eine Gesellschaft nur die von ihr selbst vollzogenen Anteilsübertragungen zu überwachen. Vielmehr ist erforderlich, dass auch die mittelbaren Anteilsbewegungen überwacht werden, die sich auf Beteiligungsebenen unterhalb der Gesellschaft vollziehen.

10.67

Beispiel 5: Die grundbesitzende G GmbH wird zu 60 % von der T1 GmbH, zu 20 % von der T2 GmbH und zu 20 % von der A GmbH gehalten. Anteilseigner der T1 GmbH und T2 GmbH ist allein die M GmbH. Die Anteile an der A GmbH hält ein Dritter. Die Gesellschafter der G GmbH seien Altgesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG.

10.68

Die T2 GmbH erwirbt nun einen weiteren 10 %-Anteil an der G GmbH von der A GmbH.

Broemel/Mörwald | 1041

Kap. 10 Rz. 10.68 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

M GmbH 100 %

100 %

T1 GmbH

T2 GmbH 20 %

60 %

A GmbH 20 %

G GmbH

M GmbH 100 %

100 %

Erwerb 10 %-Anteil von A GmbH durch T2 GmbH

T1 GmbH

T2 GmbH

A GmbH

60 %

30 %

10 %

G GmbH

Abb. 1 Der Erwerb des 10 %-Anteils der A GmbH an der G GmbH durch die T2 GmbH löst eine Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf Ebene der M GmbH aus. Es wird keine Anteilsvereinigung bei der T2 GmbH verwirklicht, da diese nach dem Erwerb der Anteile lediglich 30 % der Anteile an der G GmbH hält. Da der M GmbH jedoch aufgrund ihrer 100 %-Beteiligung an der T1 GmbH auch die von der T1 GmbH an der G GmbH gehaltenen Anteile für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG zuzurechnen sind, werden durch den Erwerb erstmals 90 % der Anteile an der G GmbH auf Ebene der M GmbH vereinigt.

1042 | Broemel/Mörwald

C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.71 Kap. 10

Berücksichtigt werden muss auch, dass Anteilsübertragungen nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar erfolgen können. Hierbei ist zusätzlich zu beachten, dass bei mittelbaren Anteilsübertragungen zwischen Anteilsübertragungen, die nur mittelbar die grundbesitzende Gesellschaft betreffen (mittelbarer Gesellschafterwechsel durch Anteilsübertragung) und mittelbaren Anteilsübertragungen aufgrund von schuldrechtlichen Vereinbarungen (mittelbarer Gesellschafterwechsel aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise) zu differenzieren ist. Zu den unterschiedlichen Ausprägungsformen mittelbarer Gesellschafterwechsel s. exemplarisch auch Rz. 3.74 ff.).

10.69

Zu beachten ist auch, dass die Tatbestände in § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG im Zusammenspiel unabhängig voneinander und im Zweifel auch nacheinander verwirklicht werden können: § 1 Abs. 3 GrEStG, § 1 Abs. 3 GrEStG mit Organschaft und § 1 Abs. 3a GrEStG. In der Folge müssen Anteilsbewegungen auch dann von einer Gesellschaft überwacht werden, wenn diese Gesellschaft (oder eine Erwerbergruppe im Fall einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft) zuvor einen nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Tatbestand verwirklicht hat. Denn auch im Anschluss an eine Tatbestandsverwirklichung nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG ist es möglich, dass diese Gesellschaft bei einer weiteren Anteilsbewegung (wiederum) einen Tatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG erfüllt (s. zur nacheinander folgenden Verwirklichung mehrerer Tatbestände im Anwendungsbereich der § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG auch Rz. 3.799 ff.).48 Entsprechende Sachverhalte treten hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Organschaft insbesondere in Konzernsachverhalten und Umstrukturierungen im Konzern auf. Gleichwohl kann die nacheinander erfolgende Verwirklichung von § 1 Abs. 3 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG in einer Vielzahl denkbarer Konstellationen eintreten.

10.70

Beispiel 6: Die grundbesitzende G GmbH wird zu 90 % von der T GmbH und zu 10 % von der M GmbH gehalten. Die Anteile der T GmbH werden zu 89 % von der M GmbH und zu 11 % von der A GmbH gehalten. Die Anteile an der A GmbH hält ein Dritter. Die M GmbH hat die Anteile an der T GmbH bereits im Jahr 2020 erworben. Die Anteile an der G GmbH erwarb die M GmbH im Jahr 2022. Die T GmbH sei Altgesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG.

10.71

Die M GmbH erwirbt nun einen weiteren 4 %-Anteil an der T GmbH von der A GmbH.

48 Str., bejahend Meßbacher-Hönsch in Viskorf20, § 1 GrEStG Rz. 1343 f.; gleich lautende Ländererlasse v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1078 Tz. 6 Beispiel 8.

Broemel/Mörwald | 1043

Kap. 10 Rz. 10.71 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

A GmbH

M GmbH

11 %

89 % T1 GmbH

10 %

90 % G GmbH

A GmbH

Erwerb 4 %-Anteil von A GmbH

7%

M GmbH 93 %

T1 GmbH

10 %

90 % G GmbH

Abb. 2 Durch den Erwerb der Anteile im Jahr 2022 hat die M GmbH den Tatbestand nach § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht. Denn sie hielt vor diesem Erwerb durchgerechnet bereits 80,1 % der Anteile an der G GmbH und erhielt im Zuge des Erwerbs im Jahr 2022 weitere 10 %. Ein Anwendungsfall des § 1 Abs. 3 GrEStG lag hingegen nicht vor, da der M GmbH die von der T GmbH gehaltenen Anteile (aufgrund der lediglich 89 %igen Beteiligung der M GmbH an der T GmbH) nicht für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG zugerechnet wurden. Der nun erfolgende Erwerb des 4 %-Anteils der M GmbH an der T GmbH bewirkt, dass die von der T GmbH gehaltenen Anteile (aufgrund der Überschreitung der 90 %-Schwelle an der T GmbH durch die M GmbH) erstmals der M GmbH für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG zugerechnet werden. Nach umstrittener Verwaltungsauffassung verwirklicht die M GmbH durch den Erwerb den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG, obwohl sie ihre Beteiligung bereits zuvor nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar erworben hatte (Rz. 3.799 ff.).

d) Überwachung des Aktionärsbestands

10.72 Eine besonders komplexe und in vielen Fällen nicht mehr manuell handhabbare Aufgabe ist das Monitoring von Aktienbewegungen bei börsennotierten Unternehmen. Abhängig von der Beteiligungsstruktur und dem grunderwerbsteuerlichen Risiko1044 | Broemel/Mörwald

C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.77 Kap. 10

profil kommen hier verschiedene Monitoring-Ansätze in Betracht. Eine kontinuierliche Überwachung des Aktionärsbestands dürfte regelmäßig nicht möglich sein, so dass auf praktikable Alternativen – etwa die stichtagsbezogene Überwachung von Anker-Altgesellschaftern – zurückgegriffen werden muss (s. im Einzelnen Rz. 5.164 ff. 2. Einhaltung von Behaltensfristen für Steuerbefreiungen (§§ 5, 6, 6a GrEStG) Die grunderwerbsteuerlichen Steuerbefreiungen sind zum Teil an zeitliche Behaltenserfordernisse geknüpft. So setzen etwa die §§ 5, 6 GrEStG für eine Steuerbefreiung im Grundsatz voraus, dass Vorbehaltensfristen von zehn oder sogar 15 Jahre erfüllt werden. Auch § 6a GrEStG setzt grds. voraus, dass die für die Befreiung relevante Beteiligungsstruktur bereits seit fünf Jahren besteht.

10.73

Neben den Vorbehaltensfristen setzen die Grunderwerbsteuerbefreiungen zum Teil auch die Erfüllung von bestimmten Nachbehaltensfristen voraus. So werden einige der Befreiungen in §§ 5, 6 GrEStG nur gewährt, wenn die vermögensmäßigen Beteiligungen, die zu der Grunderwerbsteuerbefreiung geführt haben, in den folgenden zehn Jahren aufrecht erhalten bleiben. Auch die Befreiung nach der grunderwerbsteuerliche Konzernklausel in § 6a GrEStG ist an eine fünfjährige Nachbehaltensfrist geknüpft.

10.74

Die Erfüllung der für eine Steuerbefreiung relevanten Strukturvoraussetzungen sollten von Unternehmen überwacht werden. Durch ein entsprechendes Monitoring wird einerseits transparent, für welche zukünftigen Strukturveränderungen Steuerbefreiungen in Anspruch genommen werden können. Andererseits wird durch das Monitoring offengelegt, wie sich heutige Strukturveränderungen auf die zukünftige Inanspruchnahme etwaiger Steuerbefreiungen auswirken können. Zum Dritten ermöglicht ein Monitoring die Überwachung grunderwerbsteuerlicher Nachbehaltensfristen.

10.75

Bei Implementierung eines Monitoring für die Strukturvoraussetzungen in §§ 5, 6, 6a GrEStG kann eine zeitliche Steuerung von Strukturmaßnahmen und damit eine optimierte Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen erreicht werden:

10.76

Beispiel 7: Die grundbesitzende G KG wird zu jeweils 50 % von der A GmbH und der B GmbH gehalten. Die A GmbH hält ihren Anteil an der G KG bereits seit der Gründung der Gesellschaft. Die B GmbH hat ihren Anteil an der G KG hingegen vor drei Jahren erworben. Ein Teil des Grundbesitzes steht bereits seit 15 Jahren im Eigentum der G KG (Altbestand). Ein Teil des Grundbesitzes hat die G KG im letzten Jahr erworben (Neubestand). Geplant ist nun, dass der gesamte Grundbesitz der G KG auf eine Tochterpersonengesellschaft der G KG übertragen wird. Für die Übertragung käme u.a. die Tochtergesellschaft G2 KG in Betracht, an der die G KG bereits seit vier Jahren beteiligt ist. Alternativ könnte auch eine Übertragung auf eine neuzugründende PersGes. erfolgen. Zudem soll die G KG in eine KapGes. umgewandelt werden.

10.77

Broemel/Mörwald | 1045

Kap. 10 Rz. 10.77 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

Zielvorstellung A GmbH

B GmbH 50 %

50 %

A GmbH

B GmbH 50 %

50 %

G GmbH 100 %

G KG

Altbestand

Neubestand

KG

Altbestand

Neubestand

Abb. 3 Bei einer Überwachung der Strukturvoraussetzungen in §§ 5, 6, 6a GrEStG ergibt sich vorliegend, dass für den Altbestand des Grundbesitzes die Vorbehaltensfristen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG gegenwärtig nicht vollständig erfüllt sind, da die B GmbH ihre Beteiligung an der G KG erst vor drei Jahren erworben hat. Hinsichtlich des Neubestandes des Grundbesitzes erfüllt die B GmbH hingegen die Vorbehaltensfrist gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG, da sie im Zeitpunkt des Grundbesitzerwerbs durch die G KG bereits an dieser beteiligt war. Die Beteiligung der A GmbH erfüllt hingegen die Vorbehaltensfristen für sowohl den Alt- als auch Neubestand. Wenn somit der Grundbesitz auf eine Tochterpersonengesellschaft der G KG übertragen wird, wäre eine vollständige Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG für den Neubestand zu gewähren, während die Übertragung des Altbestandes nur zu 50 % begünstigt wäre. Der geplante Formwechsel der G KG würde indes zu einer rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung führen, wenn er innerhalb der Nachbehaltensfrist für die gewährte Steuerbefreiung erfolgt. Damit wäre die Grundbesitzübertragung letztlich vollständig steuerpflichtig. Ergebnis des grunderwerbsteuerlichen Monitorings wäre mithin, dass die geplanten Maßnahmen zu einer einmaligen Grunderwerbsteuerbelastung auf den gesamten Grundbesitz der G KG führen würde. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Monitoring der Vor- und Nachbehaltensfristen könnte einerseits erwogen werden, ob ein Formwechsel vor der Grundstücksübertragung in Betracht kommt. Bei einem Formwechsel vor der Übertragung des Grundbesitzes würde die anschließende Grundstücksübertragung einen Anwendungsfall der Steuerbefreiung in § 5 Abs. 2 GrEStG darstellen. Diese Steuerbefreiung ist jedoch nicht an Vorbehaltensfristen geknüpft. In der Folge wäre die Grundstücksübertragung vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit.

1046 | Broemel/Mörwald

C. Risikoabwehr durch Monitoring | Rz. 10.82 Kap. 10 Alternativ könnte erwogen werden, die Übertragung des Grundbesitzes als eine umwandlungsrechtliche Ausgliederung vorzunehmen, um in den Anwendungsbereich der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in § 6a GrEStG zu gelangen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die fünfjährige Vorbehaltensfrist hinsichtlich der bestehenden Beteiligung an der G2 KG nicht erfüllt ist, da die G KG an dieser erst seit vier Jahren beteiligt ist. Zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a GrEStG könnte stattdessen erwogen werden, die Ausgliederung zur Neugründung auf eine neu zu gründende PersGes. vorzunehmen (s. zur Unschädlichkeit einer umwandlungsbedingten Nichterfüllung der Vorbehaltensfristen in § 6a GrEStG auch Rz. 6.96 ff.).49

Zu beachten ist, dass das Monitoring aufgrund der sich unterscheidenden Tatbestandsvoraussetzungen der verschiedenen Befreiungstatbestände individuell für die einzelnen Steuerbefreiungen erfolgen sollte und dabei jeweils grundstücksbezogen vorzunehmen ist. Bei der Grundstücksbezogenheit ist zu berücksichtigen, dass die grunderwerbsteuerliche Zuordnung des einzelnen Grundstücks für Zwecke der Ergänzungstatbestände nicht notwendigerweise zum zivilrechtlichen Eigentümer erfolgt (s. zur Zuordnung eines Grundstücks für Zwecke der Ergänzungstatbestände auch Rz. 3.28 ff.

10.78

III. Dokumentation des Monitoring Die umfassende und sorgfältige Dokumentation der Monitoring-Maßnahmen ist essenziell, um nachzuweisen können, auf welcher Grundlage eine grunderwerbsteuerliche Prüfung erfolgt ist und bei etwaigen straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorwürfen die Nachweismöglichkeit zu haben, dass die zur Verfügung stehenden Mittel zur Sachverhaltsermittlung ausgeschöpft worden sind.

10.79

Eine bestimmte Form zur Dokumentation des Monitoring ist nicht vorgeschrieben. So ist es nicht zu beanstanden, wenn Grundstücks- und Gesellschafterverzeichnisse in Excel-Dateien geführt werden. Hierbei ist aber besonders wichtig, dass entsprechende Prozessanweisungen existieren, die eine einheitliche Anwendung durch die Personen, die den Prozess durchführen, sicherstellen („Prozesshandbuch“). Darüber hinaus ist insbesondere dann, wenn das Monitoring „frei“ in Dateiform erfolgt, sicherzustellen, dass die regelmäßige Durchführung der Prüfungs- und Aktualisierungsprozesse dokumentiert wird.

10.80

Unterhält das Unternehmen bereits ein steuerliches Compliance-Managementsystem („TCMS“), kann es sich anbieten, die grunderwerbsteuerlichen Monitoringprozesse dort zu integrieren.

10.81

Abhängig von der Architektur der zur Verfügung stehenden Unternehmenssysteme kommt zudem ein systemgestütztes Monitoring in Betracht. Das Grunderwerbsteuer-Monitoring kann hierbei auf bestehende Grundstücks- und Gesellschafterdatenbanken zurückgreifen.

10.82

49 Die zivilrechtliche Zulässigkeit einer Ausgliederung zur Neugründung auf eine PersGes. müsste in diesem Fall vorab sichergestellt werden.

Broemel/Mörwald | 1047

Kap. 10 Rz. 10.83 | Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen

D. Dokumentmanagement und Beweismittelvorsorge 10.83 Parallel zur Überwachung, ob sich grunderwerbsteuerlich relevante Vorgänge ereignet haben, ist es essenziell, dass für alle Grunderwerbsteuerfälle die relevanten Dokumente und Beweismittel zur Verfügung stehen und – etwa für die innerhalb von zwei Wochen zu erstattende Anzeige nach § 19 GrEStG – griffbereit sind. 10.84 Hierzu gehört eine Vertragsdatenbank, die die Urkunden aller Anteilstransaktionen umfasst, die grunderwerbsteuerlich relevant werden können. Bei gestreckten Erwerbsvorgängen (z.B. Optionsgeschäfte mit Ausübungszeitpunkt weit in der Zukunft) ist ein besonderes Vertragsmanagement erforderlich, um im entscheidenden Zeitpunkt die richtigen grunderwerbsteuerlichen Schlüsse zu ziehen und dies entsprechend nachweisen zu können. 10.85 Bei der Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen ist regelmäßig der Nachweis der Erfüllung von Vorbehaltensfristen erforderlich, sodass bei einer sich abzeichnenden Inanspruchnahme der Befreiung die nötigen Beweismittel zusammengestellt sein sollten. 10.86 Neben dem Nachweis zur historischen Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse sollte beachtet werden, dass das Grunderwerbsteuergesetz tatbestandsmäßig zum Teil auch an die Erfüllung anderer Voraussetzungen in der Vergangenheit und der Zukunft anknüpft. Dies mag etwa die „wirtschaftliche Tätigkeit“ des herrschenden Unternehmens für Zwecke des § 6a GrEStG betreffen, welche jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem begünstigten Rechtsvorgang gegeben sein muss. Zum Nachweis der Erfüllung der entsprechenden Tatbestände sollten idealerweise fortlaufend eine Dokumentation und Beweismittel aufbereitet werden. 10.87 Insbesondere in Sachverhalten, in denen der zivilrechtliche Eigentümer des Grundbesitzes oder der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft Rechte oder Chancen an den Vermögenswerte auf einen Dritten überträgt, stellt sich regelmäßig die Frage, ob dies relevant für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist (exemplarisch kann hierbei die Begründung einer steuerbaren Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG oder einer mittelbaren Beteiligung für Zwecke der Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a, 2b, 3, 3a GrEStG erfolgen). Um auch in diesen Fallkonstellationen die grunderwerbsteuerlichen Rahmenbedingungen nachweisen zu könnten, sollten entsprechende Beweismittel dokumentiert und zusammengestellt werden. 10.88 Beim Monitoring des Grundstücksbestands (dazu Rz. 10.52 ff.) sollten alle relevanten Grundstücksdaten gespeichert werden, die auch in § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG verlangt werden. Dazu gehört die Bezeichnung jedes Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer, sowie die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung, sowie in bestimmten Fällen auch der Anteil am Grundstück bzw. bei Wohnungs- und Teileigentum die genaue Bezeichnung des Wohnungs- und Teileigentums sowie den Miteigentumsanteil.

1048 | Broemel/Mörwald

D. Dokumentmanagement und Beweismittelvorsorge | Rz. 10.92 Kap. 10

Für Share Deals gelten die besonderen Anforderungen des § 20 Abs. 2 GrEStG. Anzeigen, die sich auf Anteile an einer Gesellschaft beziehen, müssen demnach zusätzlich diverse Informationen zur Gesellschaft (Firma, Ort der Geschäftsführung, Wirtschafts-Identifikationsnummer bzw. Register- und Steuernummer), eine Bezeichnung des oder der Gesellschaftsanteile sowie eine Beteiligungsübersicht enthalten. Insbesondere die Beteiligungsübersicht wird in der Praxis immer häufiger von Finanzämtern als nicht hinreichend aussagekräftig beanstandet und sollte daher in detaillierter Form und auf stets aktuellem Stand gepflegt und bereitgehalten werden.

10.89

Die Grundstückszurechnung hängt nach der BFH-Rechtsprechung maßgeblich davon ab, ob und welche Grunderwerbsteuertatbestände in der Vergangenheit verwirklicht wurden (dazu Rz. 3.28 ff.). Um die relevanten Umstände bei späteren Erwerbsvorgänge prüfen zu können und sie ggf. in Rechtsmittelverfahren auch nachweisen zu können, ist die dauerhafte und zeitlich unbegrenzte Aufbewahrung von Grunderwerbsteuerbescheiden erforderlich. Hierzu gehören nicht nur die Grunderwerbsteuerbescheide, sondern auch etwaige Bescheide über Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen.

10.90

Häufig sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Erwerbs eines Grundstücks für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung relevant. Dies ist etwa der Fall, wenn für die grunderwerbsteuerliche Würdigung maßgebend ist, ob bspw. beim Grundstückserwerb ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliegt oder ob die Änderung eines Gesellschafterbestandes auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruht. In diesen Fallsituation sollte sichergestellt werden, dass eine ausreichende Dokumentation existiert, mittels derer die tatsächlichen Umstände des Grundstückserwerbs nachgewiesen werden können.

10.91

Soweit bereits absehbar ist, dass in der Zukunft die heutige Bewertung des betroffenen Grundbesitzes für grunderwerbsteuerliche Zwecke bedeutsam wird, kann es sinnvoll sein, bereits vorab eine Dokumentation zur Bewertung vorzunehmen. Dies kann bspw. dann relevant sein, wenn ein Grundstück, dessen tatsächlicher gemeiner Wert den bewertungsrechtlichen Grundbesitzwert unterschreitet, steuerfrei gem. §§ 5, 6, 6a GrEStG übertragen wird. Auch wenn in diesem Fall im Zeitpunkt der Verwirklichung des grunderwerbsteuerbaren Tatbestandes der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes gem. § 198 BewG aufgrund der Steuerbefreiung zunächst keine Bedeutung zukommt, kann eine entsprechende Beweismittelvorsorge sinnvoll sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn absehbar ist, dass diese Steuerbefreiung in der Folgezeit aufgrund eines Verstoßes gegen eine Nachbehaltensfrist rückwirkend (anteilig) wegfallen könnte.

10.92

Broemel/Mörwald | 1049

Stichwortverzeichnis Bearbeiter: Karl Natho Die Zahlen verweisen auf die Randziffern.

§ 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung – Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 4.67 ff. – Gemischte Schenkungen siehe Gemischte Schenkungen – Reine Schenkung 4.67 f. – Schenkung unter Auflage siehe Schenkung unter Auflage § 6 Abs. 3 GrEStG – Folgen Neugesellschafterstellung Kapitalgesellschaft für Befreiung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG 3.352 f. – Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 3.339 ff. – Veränderungen in Beteiligungskette mit Personengesellschaften 3.339 ff. – Zeitlich gestreckter Erwerb und Anwachsung 3.342 ff. – Zur Steuerbefreiung bei mittelbarer Beteiligung aufgrund Treuhand 3.346 ff.

Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter – Beteiligte Kapitalgesellschaften als Gesellschafter für Zwecke § 1 Abs. 2b GrEStG 3.504 ff. – Folgen des Wechsels von mittelbarer in unmittelbare Stellung 3.497 ff. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.478 ff. – Sonderfälle Formwechsel 3.524

– Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter siehe Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter – Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter 3.492 – Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten siehe Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten Abgrenzung zu anderen Rechtsvorgängen – Stellvertretung 2.384 ff. – Vertrag zugunsten Dritter 2.390 ff. – Vertragsübernahme 2.394 – Zwischengeschäfte 2.382 ff. Abhängige Gesellschaft – Anforderungen an Gesellschaft 6.79 – Ermittlung 95 %-Quote 6.80 ff. – Voraussetzungen 6.79 ff. Abschluss von Poolvereinbarungen – Beurteilung Poolvereinbarung in Grunderwerbsteuer 4.160 ff. – Hintergrund und Inhalt eines Poolvertrags 4.156 ff. – Strukturmaßnahmen im Vorfeld vorweggenommenen Erbfolge 4.156 ff. ADR-Verbriefungen – Grunderwerbsteuerliche Einordnung 5.113 ff. – Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme des Wertpapierhandels 5.105 ff. – Grundlagen und Rechtsnatur 5.105 ff. Altgesellschafterstellungen – Erstmalige Anwendung § 1 Abs. 2b GrEStG 3.621 ff.

1051

Stichwortverzeichnis

– Grundsatz Altgesellschafter zum 1.7.2021 3.621 f. – Sonderfall beteiligte Kapitalgesellschaften 3.623 f. Änderung Bemessungsgrundlage – Anzeigepflichtige Vorgänge 7.42 ff. – Umwandlungen mit Rückwirkung 7.44 f. – Zusätzliche Gegenleistung 7.42 f. Änderungen der typisierten steuerlichen Immobilienbewertung durch JStG 2022 – Anpassungen im Ertragswertverfahren 8.269 ff. – Anpassungen im Sachwertverfahren 8.278 ff. – Bedeutung für Steuerpflichtigen 8.265 f. – Erbbaurechtsverhältnisse 8.283 – Gebäude auf fremden Grund und Boden 8.283 – Grundsatz Modellkonformität 8.267 f. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.265 ff. Anpassung § 1 Abs. 2a GrEStG durch Grunderwerbsteuerreform 2021 – Änderungen durch Reform 3.290 ff. – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.290 ff. – Übergangsregelungen siehe Übergangsregelungen Anteile Gesellschaft – Anteile an Gesellschaft 3.415 ff. – Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke 3.415 ff. – Eigene Anteile 3.422 ff. Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft 3.826 ff. – Begründung und Beendigung von Treuhand- und Auftrags- bzw. Ge1052

schäftsbesorgungsverhältnissen siehe Begründung und Beendigung von Treuhand- und Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsverhältnissen – Beteiligung mehrerer Treuhänder oder Treugeber bzw. mehrerer Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger 3.846 – Treuhandverhältnisse im Anwendungsbereich § 1 Abs. 3a GrEStG 3.847 – Überblick 3.826 ff. Anteilsvereinigung und -übertragung nach § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG – Anteile an grundbesitzender Kapitalgesellschaft 9.63 ff. – Anteile an grundbesitzender Personengesellschaft 9.68 f. – Anteilsbegriff i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG 3.763 ff. – Anteilsvereinigung bei Personengesellschaftern 4.44 ff. – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft 3.763 ff. – Anteilsvereinigungen bei Kapitalgesellschaften 4.49 ff. – Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 4.42 ff. – Dingliche Anteilsvereinigung 3.778 ff. – GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft 9.63 ff. – Rechtsgeschäftliche Anteilsvereinigung 3.776 f. – Seitwärtsübertragungen bereits vereinigter Anteile 3.793 – Überblick und Relevanz 4.42 f. – Übertragung bereits vereinigter Anteile 3.781 ff. – Übertragung bereits vereinigter Anteile auf Tochtergesellschaft 3.786 f. – Unmittelbare und mittelbare Anteilsvereinigung 3.773 ff.

Stichwortverzeichnis

– Verstärkung und Abschwächung bestehender Anteilsvereinigungen unter Beachtung ewigen Fortgeltung alten Rechts 3.788 ff. – Wirtschaftliche Beteiligung i.S.d § 1 Abs. 3a GrEStG 9.70 Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft – Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen siehe Anteilsbezogene Treuhandgeschäfte, Auftragserwerbe und Geschäftsbesorgungen – Aufeinanderfolgen von Anteilsvereinigung und wirtschaftlicher Beteiligung 3.799 ff. – Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen 3.733 ff. – Grunderwerbsteuerliche Organschaft siehe Grunderwerbsteuerliche Organschaft – Sonderfälle Anteilsvereinigung siehe Sonderfälle Anteilsvereinigung – Wirtschaftliche Anteilsvereinigung 3.794 ff. Anwachsung – Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter 2.268 ff. – Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter 2.275 ff. – Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger 2.265 ff. – Überblick 2.265 ff. Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen – § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung siehe § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung – Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG 4.24 ff. – Änderungen im Gesellschafterbestand i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG 4.30 ff. – Erwerb durch Gesellschaften und juristische Personen siehe Erwerb

durch Gesellschaften und juristische Personen – Sukzessive Verwirklichung Erwerbstatbestände siehe Sukzessive Verwirklichung Erwerbstatbestände – Überblick 4.22 f. – Vorweggenommene Erbfolge in Grunderwerbsteuer 4.22 ff. Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG – Anwendung von Steuerbefreiungen 4.212 ff. – Ausschlagung und Abfindung 4.215 – Erbvergleich 4.216 – Erwerb von Todes wegen 4.212 f. – Vermächtnis 4.217 – Vor- und Nacherbschaft 4.214 Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG – Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG 4.227 ff. – Anwendung von Steuerbefreiungen 4.218 ff. – Erwerb aus Vermögen einer Personengesellschaft 4.221 f. – Erwerb nach § 1 Abs. 2a GrEStG 4.223 ff. – Erwerb nach § 1 Abs. 2b GrEStG 4.226 – Grundstückserwerb zur Teilung Nachlasses 4.218 ff. – Wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Abs. 3a GrEStG 4.231 Anwendung von Steuerbefreiungen – Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG siehe Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG – Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG siehe Anwendung von § 3 Nr. 3 GrEStG – Erbfall und Grunderwerbsteuer 4.212 ff. – Nicht erfasste Erwerbe siehe Nicht erfasste Erwerbe – Überblick und Definition persönlichen Steuerbefreiung i.S.d. § 3 GrEStG 4.10 f. 1053

Stichwortverzeichnis

– Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG siehe Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG – Vorweggenommene Erbfolge in Grunderwerbsteuer 4.10 ff. Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG – Fingierten Rechtsgeschäfte bei Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile 3.744 ff. – Prüfung Nachrangigkeit 3.755 ff. – Unterschiede in Tatbestandsvoraussetzungen der Ersatztatbestände 3.759 – Verwirklichung Steuertatbestand bei Share Deals 3.747 ff. – Vorrang § 1 Abs. 2 und 2b GrEStG 3.744 ff. Anwendungsfälle – Allgemeines 7.134 ff. – Auskunftsfähige Rechtsfragen 7.137 ff. – Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen 7.134 ff. – Zeitbedarf 7.144 Anwendungsvoraussetzungen – Anteilsübergang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 oder Abs. 2b Satz 1 GrEStG 5.45 ff. – Ausnahmen durch sog. Börsenklausel 5.41 ff. – Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG 5.43 f. – Tatsächlicher Anteilsübergang an begünstigtem Handelsplatz oder MTF 5.59 ff. – Überblick 5.41 f. – Zulassung zum Handel an begünstigtem Handelsplatz siehe Zulassung zum Handel an begünstigtem Handelsplatz Anzeige- und Ermittlungspflichten – Anzeigepflichten nach §§ 18, 19 GrEStG 5.140 ff.

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– Ermittlungs- und Vorsorgepflichten nach Abgabenordnung 5.143 f. – Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen 5.140 ff. – Verfahrensrechtliche Risiken siehe Verfahrensrechtliche Risiken Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten – Anzeigepflicht als grunderwerbsteuerliches Vollzugsinstrument 10.1 ff. – Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen 10.1 ff. – Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten 10.32 ff. – Steuerstraf- und ordnungwidrigkeitenrechtliche Risiken siehe Steuerstraf- und ordnungwidrigkeitenrechtliche Risiken Anzeigepflichtige Vorgänge – Änderung Bemessungsgrundlage siehe Änderung Bemessungsgrundlage – Änderungen Handelsregisters 7.48 f. – Erwerb von Grundstücken 7.29 f. – Erwerbsvorgänge ohne Rechtsträgerwechsel siehe Erwerbsvorgänge ohne Rechtsträgerwechsel – Steuerschuldner und Anzeigepflichten 7.29 ff. – Wegfall von Steuerbegünstigungen 7.46 f. Aufhebung und Änderung von Festsetzungen nach § 16 Abs. 4a GrEStG – Antragspflicht 3.21 – Fehlende Ablaufhemmung für Änderung § 1 Abs. 3 GrEStG-Bescheides? 3.22 f. – Fehlende Übergangsregelung 3.24 ff. – Risiko Doppelbesteuerung 3.14 ff. – Vermeidung der Doppelbesteuerung 3.11 ff. – Wegweiser Ergänzungstatbestände 3.11 ff.

Stichwortverzeichnis

Auskunftsantrag – Form 7.162 – Inhalt siehe Inhalt – Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen 7.160 ff. – Vorabstimmung 7.160 f. Auskunftsinteresse – Dispositionsinteresse 7.151 f. – Erhebliche steuerliche Auswirkungen 7.150 – Rechtsproblem 7.153 f. – Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen 7.150 ff. Ausnahmen durch Börsenklausel – Anwendungsvoraussetzungen siehe Anwendungsvoraussetzungen – Anzeigepflicht 5.66 – Fazit und voraussichtlicher Anwendungsbereich 5.91 ff. – Gesetzgeberischer Hintergrund 5.38 ff. – Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen 5.38 ff. – Problemfelder siehe Problemfelder – Rechtsfolge: Außerbetrachtbleiben für Zwecke § 1 Abs. 2a/2b GrEStG 5.62 ff. – Verwaltungsanweisungen 5.70 – Zeitliche Anwendung siehe Zeitliche Anwendung Ausscheiden von Gesellschaftern und Anwachsungserwerb – Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG 4.122 f. – Auswirkungen auf grunderwerbsteuerliche Behaltensfristen 4.124 ff. – Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen 4.120 ff. – Überblick zum Anwachsungserwerb 4.120 f. Ausübung eines im Schenkungsvertrag eingeräumten Widerrufsrechts – Anwendung von § 16 GrEStG bei Ausübung von Widerrufsrechten 4.190 ff.

– Anwendung von Steuerbefreiungen bei Ausübung von Widerrufsrechten 4.186 ff. – Gestaltung in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen 4.184 ff. – Steuerbarkeit bei Ausübung von Widerrufsrechten 4.184 f. Auswirkung Formwechsel auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG – Auswirkungen auf Altgesellschaftereigenschaft und sog. Zählvorgänge 6.252 ff. – Formwechsel 6.251 ff. – Kein steuerbarer Erwerbsvorgang aufgrund Formwechsels 6.251 Auswirkung Formwechsel auf Steuerbefreiungen – Formwechsel 6.237 ff. – Mögliche Behaltensfristverstöße nach §§ 5, 6 GrEStG siehe Mögliche Behaltensfristverstöße nach §§ 5, 6 GrEStG – Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG siehe Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG Auswirkungen Erbfall auf frühere Erwerbsvorgänge – Auswirkungen auf Behaltensfristen 4.232 f. – Auswirkungen auf bereits gewährte Befreiungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG 4.234 ff. – Erbfall und Grunderwerbsteuer 4.232 ff. Auswirkungen nachträglicher Veränderungen bei GrESt – Ertragsteuerliche Behandlung Grunderwerbsteuer 9.73 ff. – Nachträgliche Korrektur GrESt 9.73 f. – Rückgängigmachung eines Erwerbs nach § 16 GrEStG 9.79 – Wegfall GrESt-Befreiung nach §§ 5, 6, 6a GrEStG 9.75 ff.

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Stichwortverzeichnis

Bedeutung für Ergänzungstatbestände – Einfluss auf Anwendung von § 1 Abs. 2a/2b GrEStG 6.279 ff. – Einfluss auf Anwendung von § 1 Abs. 3/3a GrEStG 6.282 Beeinträchtigung Mitunternehmerstellung – Auswirkungen fehlenden Mitunternehmerstellung Beschenkten 4.179 ff. – Gestaltung in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen 4.173 ff. – Grundsätze 4.173 ff. – Widerrufsrechte in Schenkungsverträgen 4.176 ff. Befreiung nach § 6a GrEStG – Einbringung und andere Anteilsgeschäfte 6.170 ff. – Grundaussage 6.46 ff., 6.170 f. – Rechtsfolgen 6.193; siehe Rechtsfolgen – Übertragende Umwandlung 6.46 ff. – Voraussetzungen siehe Voraussetzungen Befreiungstatbestand § 3 Nr. 2 GrEStG – Grundstückserwerbe von Todes wegen siehe Grundstückserwerbe von Todes wegen – Grundstücksschenkungen siehe Grundstücksschenkungen – Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern 2.302 ff. – Zweck der Vorschrift 2.302 f. Begrifflichkeiten – Grundbesitzende Gesellschaften 1.79 ff. – Grundstück und grundstücksgleiche Rechte siehe Grundstück und grundstücksgleiche Rechte – Rechtsträger im Sinne Grunderwerbsteuerrechts siehe Rechtsträger im Sinne Grunderwerbsteuerrechts – Rechtsträgerwechsel 1.74 ff. – Systematischer Überblick über Grunderwerbsteuer 1.27 ff. 1056

Begünstigte Tatbestände – Einbringung und sonstige Vorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage 6.172 ff. – Keine Anwendung auf Anteilsübertragungen an Schwestergesellschaften oder sonstige Konzerngesellschaften 6.181 f. – Keine Anwendung auf Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 6.178 ff. – Tabellarische Übersicht 6.183 – Voraussetzungen 6.172 ff. Bemessungsgrundlage, Steuerschuld, Anzeigepflicht und Compliance – Bemessungsgrundlage 3.378 – Compliance siehe Compliance – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.378 ff. – Steuerschuldner 3.379 Bemessungsgrundlage, Steuerschuldner, Anzeigepflicht und Compliance – Anzeigepflicht 3.715 ff. – Bemessungsgrundlage 3.713 – Compliance 3.725 – Gefahr leichtfertigen Steuerverkürzung 3.723 f. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.713 ff. – Steuerschuldner 3.714 Berechnung Gebäudeertragswert – Bewirtschaftungskosten siehe Bewirtschaftungskosten – Bodenwertverzinsung siehe Bodenwertverzinsung – Ermittlung Rohertrag 8.149 ff. – Ertragswertverfahren 8.149 ff. – Vervielfältiger § 185 Abs. 3 BewG i.V.m. Anlage 21 zum BewG 8.183 ff. Berechnung Gebäudesachwert – Alterswertminderung bei Bewertungsstichtagen bis zum 31.12.2022 8.208 ff. – Baupreisindex 8.202 f. – Brutto-Grundfläche 8.204 ff.

Stichwortverzeichnis

– Exkurs: Außenanlagen 8.217 – Regelherstellungskosten siehe Regelherstellungskosten – Sachwertverfahren 8.197 ff. – Wertzahl 8.218 Besondere Konstellationen – Besonderheiten bei Erbbaurechten 8.71 ff. – Ermittlung Bemessungsgrundlage 8.57 ff. – Erwerb des Grundstücks mit anschließendem Erwerb der Anteile 8.61 ff. – Erwerb im Rückwirkungszeitraum 8.65 ff. – Symbolischer Kaufpreis 8.57 ff. Besondere Übertragungsformen – Erwerb Verwertungsbefugnis siehe Erwerb Verwertungsbefugnis – Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.361 ff. – Umwandlungen von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum siehe Umwandlungen von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum – Zwischengeschäfte siehe Zwischengeschäfte Besonderheiten bei beteiligten Kapitalgesellschaften – Alt- oder Neugesellschaftereigenschaft Kapitalgesellschaften 3.152 ff., 3.161 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter 3.152 ff. Besonderheiten bei Kommanditgesellschaft auf Aktien – Anteilsbegriff und Zählquotenermittlung 5.30 ff. – Einordnung KGaA für Zwecke Grunderwerbsteuer 5.28 f. – Zählquotenermittlung und Informationsdefizite 5.28 ff. Besonderheiten bei Treuhandstrukturen – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.601 ff.

– Übergänge von Anteilen in Treuhandfällen 3.601 ff. – Weiterentwicklung rechtlichen Würdigung bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen siehe Weiterentwicklung rechtlichen Würdigung bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen Besonderheiten bei Umstrukturierungen im Unternehmen – Ausgangspunkt: Zuordnung GrEStSchuld zum Erwerber 9.32 ff. – GrESt bei grundstücksgleichen Rechten ins. Erbbaurecht 9.46 – GrESt bei übertragenden Umwandlungen nach UmwStG 9.35 ff. – GrESt bei Umstrukturierungsmaßnahmen jenseits UmwStG 9.39 ff. – GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG 9.32 ff. Besonderheiten beim Formwechsel – Behandlung von Formwechseln für Steuerbefreiung gem. § 6 GrEStG 3.284 f. – Formwechsel beteiligte Gesellschaft 3.278 ff. – Formwechsel grundbesitzende Gesellschaft 3.276 f. – Formwechsel zur gezielten Vermeidung § 1 Abs. 2b GrEStG 3.576 ff. – Formwechselnde Umwandlung unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschaft siehe Formwechselnde Umwandlung unmittelbar oder mittelbar beteiligte Gesellschaft – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.567 ff. – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.271 ff. – Relevanz von Formwechseln im Anwendungsbereich § 1 Abs. 2a GrEStG 3.271 ff. – Wirkung des Formwechsels grundbesitzenden Gesellschaft auf Alt- und Neugesellschafterstellung 3.567 ff. 1057

Stichwortverzeichnis

Besteuerungsverfahren – Gesonderte Feststellung Besteuerungsgrundlagen siehe Gesonderte Feststellung Besteuerungsgrundlagen – Rechtsbehelfe 7.83 ff. – Verfahrensfragen 7.69 ff. – Zuständiges Finanzamt 7.69 Beteiligte Investmentfonds – Außerachtlassung aufgrund § 1 Abs. 2c GrEStG? 5.101 ff. – Grunderwerbsteuerliche Relevanz von Gesellschafterwechseln auf Fondsebene 5.96 f. – Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme Wertpapierhandel 5.96 ff. – Unmöglichkeit der Ermittlung relevanter Anteilsübergänge 5.98 ff. Beteiligungskettenverkürzung – Grundsatz 6.28 – Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG 6.29 ff. – Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 GrEStG 6.32 – Übertragung von Anteilen 6.28 ff. Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke – Anteile Gesellschaft siehe Anteile Gesellschaft – Betroffene Gesellschaften 3.413 f. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.413 ff. – Grundstücksbezogene Betrachtungsweise und Zugehörigkeit Grundstücks 3.428 ff. Betroffene Gesellschaften, Grundstücke und Anteile – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.99 ff. – Grundstücksbezogene Betrachtungsweise 3.100 f. – Personengesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG 3.99 – Vermögensmäßige Betrachtung 3.111 ff. – Zurechnung von Grundbesitz für Zwecke § 1 Abs. 2a GrEStG 3.102 ff. 1058

Beurteilung im Zeitpunkt Signing und Closing – Beispiele 3.671 ff. – Doppelte Grunderwerbsteuer 3.655 ff. – Zeitpunktbezogene Betrachtung 3.655 ff. – Zeitraumbezogene Betrachtung 3.668 ff. Bewertung bebauter Grundstücke – Bebaute Grundstücke 8.113 f. – Ertragswertverfahren siehe Ertragswertverfahren – Grundstücksarten siehe Grundstücksarten – Sachwertverfahren siehe Sachwertverfahren – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.113 ff. – Übersicht Bewertungsverfahren 8.123 ff. – Vergleichswertverfahren siehe Vergleichswertverfahren Bewertung unbebauter Grundstücke – Bewertungsgrundsätze 8.94 ff. – Bodenrichtwerte 8.97 ff. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.88 ff. – Unbebaute Grundstücke 8.88 ff. Bewertung von Erbbaugrundstücken – Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 8.244 ff. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.241 ff. – Verfahrenshierarchie 8.241 – Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 8.242 f. Bewertung von Erbbaurechten – Anwendungsbereich Bewertung von Erbbaurechten 8.223 ff. – Finanzmathematische Methode für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 8.232 ff. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.223 ff.

Stichwortverzeichnis

– Vergleichswerte für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 8.228 ff. Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke – Bewertung belasteten Grundstücks für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 8.254 f. – Bewertung Gebäudes auf fremden Grund und Boden für Bewertungsstichtage bis zum 31. Dezember 2022 8.250 ff. – Definition Gebäudes auf fremden Grund und Boden 8.248 f. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.248 ff. Bewertung von Grundstücken – Bemessungsgrundlage und Bewertung 8.77 ff. – Niedrigere gemeine Werte nach BewG siehe Niedrigere gemeine Werte nach BewG – Novellierte ImmoWertV 2021 siehe Novellierte ImmoWertV 2021 – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG siehe Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG Bewertung von Grundstücken im Zustand Bebauung – Definition Grundstücks im Zustand Bebauung 8.256 ff. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.256 ff. – Wertermittlung Grundstücks im Zustand Bebauung 8.262 ff. Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 – Ertragswert 8.365 ff. – Novellierte ImmoWertV 2021 8.342 ff. – Sachwert 8.382 ff. – Überblick 8.342 – Vergleichswert siehe Vergleichswert

Bewirtschaftungskosten – Berechnung Gebäudeertragswerts 8.163 ff. – Restnutzungsdauer 8.170 – Restnutzungsdauer bei mehreren selbstständigen Gebäuden bzw. Gebäudeteilen 8.174 – Verkürzung Restnutzungsdauer 8.173 – Verlängerung Restnutzungsdauer 8.171 Bodenwertverzinsung – Berechnung Gebäudeertragswerts 8.175 ff. – Liegenschaftszinssätze bei übergroßen Grundstücken 8.181 – Liegenschaftszinssätze in Wertspannen 8.179 Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang – Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen 5.1 ff. – Relevante Fallgruppen im Überblick 5.1 ff. – Zählquotenermittlung und Informationsdefizite siehe Zählquotenermittlung und Informationsdefizite

Compliance – Bemessungsgrundlage, Steuerschuld, Anzeigepflicht und Compliance 3.381 ff. – Erfüllung Anzeigepflichten 3.387 ff. – Grundbesitzende Gesellschaft als Compliance-Verpflichteter 3.381 – Monitoring Tatbestandserfüllung 3.382 ff. Doppelte Grunderwerbsteuer – Auseinanderfallen von sog. Signing und Closing 3.654 – Beurteilung im Zeitpunkt Signing vor 1.7.2021 und Closing nach dem 30.06.2021 3.674 ff. 1059

Stichwortverzeichnis

– Beurteilung im Zeitpunkt Signing und Closing siehe Beurteilung im Zeitpunkt Signing und Closing – Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 3.654 ff.

Einbringung und andere Anteilsgeschäfte – Befreiung nach § 6a GrEStG siehe Befreiung nach § 6a GrEStG – Befreiungen im Personengesellschaftskonzern 6.194 ff. – Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Einbringungen 6.168 – Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen 6.140 ff. – Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen 6.201 – Steuerbare Vorgänge siehe Steuerbare Vorgänge Einbringung von Anteilen – Abtretung Anteilsübertragungsanspruchs 6.156 ff. – Einfache und erweiterte Anwachsung 6.153 ff. – Grundfälle 6.147 ff. – Steuerbare Vorgänge 6.147 ff. Einbringung von Grundstücken – Grundfälle nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 6.140 ff. – Steuerbare Vorgänge 6.140 ff. – Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG 6.145 f. – Zwischengeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis Nr. 7 GrEStG 6.143 f. Einbringungsvorgänge – Einbringungsvertrag 2.54 f. – Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage 2.59 – Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger 2.54 ff. – Steuerbefreiungen bzw. -vergünstigungen 2.56 ff. 1060

Einführung in Regelungsumfang – Ermittlung Bemessungsgrundlage 8.1 ff. – Ersatz-BMG Grundstückswert siehe Ersatz-BMG Grundstückswert – Grundtatbestand Gegenleistung siehe Grundtatbestand Gegenleistung Einordnung als Alt- und Neugesellschafter – Mittelbarer Gesellschafterwechsel 3.614 f. – Übergänge von Anteilen in Treuhandfällen 3.613 ff. – Unmittelbarer Gesellschafterwechsel 3.613 – Wechsel von mittelbarer in unmittelbare Treugeberstellung 3.616 Einordnung und Bewertungsmaßstab – Bewertungsmaßstab 8.82 ff. – Einordnung 8.77 ff. – Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG 8.77 ff. Einzelfälle zum Erwerb der Verwertungsbefugnis – Atypisch stiller Gesellschafter 2.403 – Atypischer Makler 2.400 ff. – Auftragserwerb 2.404 ff. – Einbringung Grundstücks in Personengesellschaft dem Werte nach 2.410 – Erwerb Verwertungsbefugnis 2.399 ff. – Gebäude auf fremdem Grund und Boden 2.411 ff. – Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag 2.414 – Immobilienleasing 2.415 – Nutzungsverträge 2.419 f. – Rückübertragung Verwertungsbefugnis 2.421 – Treuhandgeschäfte 2.422 ff. Erbfall und Grunderwerbsteuer – Anwendung von Steuerbefreiungen siehe Anwendung von Steuerbefreiungen

Stichwortverzeichnis

– Auswirkungen des Erbfalls auf frühere Erwerbsvorgänge siehe Auswirkungen Erbfalls auf frühere Erwerbsvorgänge – Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge 4.196 ff. – Steuerbarkeit beim Erbfall siehe Steuerbarkeit beim Erbfall Ermittlung Bemessungsgrundlage – Bemessungsgrundlage und Bewertung 8.1 ff. – Besondere Konstellationen siehe Besondere Konstellationen – Einführung in Regelungsumfang siehe Einführung in Regelungsumfang Ermittlung Vomhundertsatz – Behandlung eigener Anteile und wechselseitiger Beteiligungen 3.248 f. – Betrachtung nämlichen Anteils 3.244 ff., 3.548 ff. – Eigene Anteile 3.562 – Ermittlung Gesellschafterwechsels bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen 3.563 ff. – Ermittlungsmethode bei beteiligten Kapital- und Personengesellschaften 3.539 ff. – Keine Berücksichtigung von Gesellschafterwechseln vor Grundstückserwerb und nach Grundstücksveräußerung 3.253 f. – Keine Berücksichtigung von Übergängen gem. Börsenklausel 3.250 f. – Keine Berücksichtigung von Übergängen von Todes wegen 3.252 – Übergang von Neugesellschafter auf Altgesellschafter 3.255 ff. – Verkürzung von Beteiligungsketten 3.260 ff. – Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten 3.566 – Vorgehen zur Bestimmung des Vomhundertsatzes 3.239 ff.

– Wechsel Neugesellschafter von mittelbaren in unmittelbare Gesellschafterstellung 3.264 ff. Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen und verwandte Rechtsformen – Ausländische Stiftungen 4.142 – Deutsche Stiftungen 4.139 ff. – Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen 4.139 ff. Ersatz-BMG Grundstückswert – Anwendungsbereich Ersatz-BMG 8.34 ff. – Asset Deal 8.46 ff. – Einführung in Regelungsumfang 8.34 ff. – Ermittlung Grundstückwert 8.41 ff. – Share Deals 8.54 ff. Erstmalige Anwendung § 1 Abs. 2b GrEStG – Altgesellschafterstellungen siehe Altgesellschafterstellungen – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.619 ff. – Zu erfassende Gesellschafterwechsel 3.619 f. Ertragsteuerliche Augangslage – Bedeutung GrESt-Bescheids für ertragsteuerliche Beurteilung 9.2 ff. – Ertragsteuerliche Behandlung Grunderwerbsteuer 9.1 ff. – Überblick über ertragsteuerliche Fragestellungen 9.1 Ertragsteuerliche Beurteilung einzelner Erwerbstatbestände – Ertragsteuerliche Behandlung Grunderwerbsteuer 9.16 ff. – GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG siehe GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG Ertragswertverfahren – Anwendung Ertragswertverfahrens 8.143 ff. – Berechnung Gebäudeertragswert siehe Berechnung Gebäudeertragswerts 1061

Stichwortverzeichnis

– Bewertung bebauter Grundstücke 8.143 ff. – Bodenwertermittlung 8.148 Erwerb durch Gesellschaften und juristische Personen – Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 4.53 ff. – Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften 4.53 ff. – Erwerbe durch Gesamthandsgemeinschaften 4.64 ff. – Erwerbe durch Stiftungen 4.61 ff. – Schenkungen an Kapitalgesellschaften 4.58 ff. Erwerb Verwertungsbefugnis – Besondere Übertragungsformen 2.395 ff. – Einzelfälle siehe Einzelfälle zum der Erwerb Verwertungsbefugnis – Wesentliche Kriterien 2.395 ff. Erwerbsvorgänge ohne Rechtsträgerwechsel – Änderungen Gesellschafterbestand 7.34 f. – Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung 7.36 ff. – Anzeigepflichten 7.31 – Anzeigepflichtige Vorgänge 7.31 ff. – Erwerb Verwertungsbefugnis 7.32 f.

Festsetzungs- und Feststellungsverjährung Anlaufhemmung 7.58 Festsetzungsfrist 7.58 Feststellungsfrist 7.58 Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen 7.57 ff. Fiktiver Formwechsel – Auswirkung Option nach § 1 a KStG auf Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften 6.275 ff. – Auswirkung Option nach § 1a KStG auf Übertragung von Gesamthand auf Gesellschafter 6.273 f.

– – – –

1062

– Auswirkung Option nach § 1a KStG auf Übertragungen auf Gesamthand 6.263 ff. – Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen 6.257 ff. – Hintergrund und Anwendungsfälle 6.257 ff. Fingierte Rechtsgeschäfte bei Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile – Allgemeines 3.733 ff. – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft 3.733 ff. – Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG siehe Anwendungsbereich und Verhältnis zu § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG – Grunderwerbsteuerliche Fiktion § 1 Abs. 3, 3a GrEStG 3.737 ff. Formwechsel – Auswirkung Formwechsel auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG siehe Auswirkung Formwechsel auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG – Auswirkung Formwechsel auf Steuerbefreiungen siehe Auswirkung Formwechsel auf Steuerbefreiungen – Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen 6.202 ff. – Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene siehe Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene – Rechtsnatur und zivilrechtliche Rahmenbedingungen 6.202 ff. Formwechsel und Anteilsvereinigung – Quotenverschiebender heterogener Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft 3.818 – Quotenverschiebender heterogener Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft 3.813 ff.

Stichwortverzeichnis

– Quotenwahrender heterogener Formwechsel 3.806 ff. – Sonderfälle Anteilsvereinigung 3.806 ff. Formwechselnde Umwandlung unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gesellschaft – Besonderheiten beim Formwechsel 3.580 ff. – Formwechsel von Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft 3.585 – Formwechsel von Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft 3.586 ff. – Formwechsel von Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft 3.589 ff. – Formwechsel von Personengesellschaft in Personengesellschaft 3.584 – Grundlegende Einordnung formwechselnder Umwandlung 3.580 ff. – Rückwirkender Tatbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG durch Formwechsel 3.593 ff. – Zusammenfassende Darstellung 3.592

Gebühren

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Anzahl der Gebühren 7.189 ff. Betriebsausgabe 7.195 Ermäßigung 7.193 f. Gebührenarten 7.186 ff. Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen 7.186 ff. Gemischte Schenkungen – § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung 4.69 ff. – Ermittlung des grunderwerbsteuerbefreiten Betrags nach § 3 Nr. 2 GrEStG 4.72 ff. – Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis 4.69 ff. Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht – Ausländische Gesellschaft als eigenständiger Rechtsträger 2.22 ff.

– Erfordernis Rechtsträgerwechsels 2.1 ff. – Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.1 ff. – Kapitalgesellschaft als eigenständiger Rechtsträger 2.5 ff. – Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger siehe Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden – Anteilsminderung i.S.d. § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch schuldrechtliche Vereinbarungen 3.94 – Grundsätze 3.76 ff. – Keine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu Gunsten Steuerpflichtiger 3.87 ff. – Rechtsprechungsübersicht 3.80 ff. – Verdoppelung der Gesellschafterstellung aufgrund wirtschaftlicher Zurechnung 3.90 ff. – Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise 3.76 ff. Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften – GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft 9.52 ff. – Grundbesitzende Kapitalgesellschaft 9.59 ff. – Grundbesitzende Personengesellschaft 9.52 ff. Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften – Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter siehe Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter – Besonderheiten bei Treuhandstrukturen siehe Besonderheiten bei Treuhandstrukturen

1063

Stichwortverzeichnis

– Besonderheiten beim Formwechsel siehe Besonderheiten beim Formwechsel – Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke siehe Betroffene Gesellschaften, Anteile und Grundstücke – Erstmalige Anwendung § 1 Abs. 2b GrEStG siehe Erstmalige Anwendung § 1 Abs. 2b GrEStG – Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen 3.398 ff. – Hintergrund Entwicklung Vorschrift 3.398 ff. – Rückabwicklung nach § 16 GrEStG 3.726 ff. – Tatbestandsmerkmale und Fiktion § 1 abs. 2b GrEStG siehe Tatbestandsmerkmale und Fiktion § 1 abs. 2b GrEStG – Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel siehe Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel – Verhältnis zu § 1 Abs. 2b GrEStG siehe Verhältnis zu § 1 Abs. 2b GrEStG – Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG siehe Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG – Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften siehe Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften – Anpassung § 1 Abs. 2a GrEStG durch Grunderwerbsteuerreform 2021 siehe Anpassung § 1 Abs. 2a GrEStG durch Grunderwerbsteuerreform 2021 – Besonderheiten beim Formwechsel siehe Besonderheiten beim Formwechsel – Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen 3.95 ff. – Rückabwicklung 3.392 ff. – Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften siehe Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 1064

– Überblick über Tatbestandsmerkmale § 1 Abs. 2a GrEStG 3.95 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter siehe Übergang auf neue Gesellschafter – Unmittelbare und mittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes siehe Unmittelbare und mittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes – Verhältnis § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 2b GrEStG 3.320 ff. – Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG siehe Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG – Zusammenspiel mit Sperrfristverstößen nach § 5 Abs. 3/§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG 3.286 ff. Gesetzliche Verankerung der Verfahrensvorschrift – Antragspflicht 3.693 f. – Folgen Anzeigepflicht – Doppelbesteuerung 3.686 ff. – Neuregelung durch JStG 2022 3.682 f. – Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 3.682 ff. – Ziel Neuregelung 3.684 f. Gesonderte Feststellung Besteuerungsgrundlagen – Bedeutung gesonderten Feststellung 7.70 – Besteuerungsverfahren 7.70 ff. – Erstreckung Erwerbs über Landesgrenze oder auf mehrere Grundstücke 7.71 f. – Gesonderte Feststellung in Fällen § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG 7.78 ff. – Gesonderte Feststellung in Umwandlungsfällen siehe Gesonderte Feststellung in Umwandlungsfällen – Inhalt gesonderten Feststellung 7.81 f. Gesonderte Feststellung in Umwandlungsfällen – Erwerbsvorgang 7.74

Stichwortverzeichnis

– Gesonderte Feststellung Besteuerungsgrundlagen 7.73 ff. – Verlegung Geschäftsleitung 7.76 – Verschmelzungsfälle 7.77 Gestaltung in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen – Ausübung eines im Schenkungsvertrag eingeräumten Widerrufsrechts siehe Ausübung eines im Schenkungsvertrag eingeräumten Widerrufsrechts – Beeinträchtigung Mitunternehmerstellung siehe Beeinträchtigung Mitunternehmerstellung – Vorweggenommene Erbfolge 4.173 ff. Gestaltungsüberlegungen zur Herstellung der Altgesellschafterstellung – Herstellung Altgesellschafterstellung von Gesellschaftern beteiligten GmbH 3.232 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter 3.222 ff. – Veräußerung sämtlicher Anteile ohne Auslösung § 1 Abs. 2a GrEStG 3.222 ff. Grenzüberschreitende Sitzverlegung – Ausländische Gesellschaftsformen und Grunderwerbsteuer 6.286 ff. – Auswirkungen Sitzverlegung im Rahmen der Ergänzungstatbestände 6.325 ff. – Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen 6.286 ff. – Grunderwerbsteuerliche Relevanz der Sitzverlegung 6.290 ff. – Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften siehe Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften – Übersicht Fallgruppen 6.332 GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft – Anteilsvereinigung bzw. -übertragung nach § 1 Abs. 3, 3a GrEStG siehe Anteilsvereinigung bzw. -übertragung nach § 1 Abs. 3, 3a GrEStG

– Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften siehe Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften – GrESt als umwandlungsteuerliche Kosten für Vermögensübergang 9.71 f. – GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG 9.50 ff. – Überblick und ertragsteuerlicher Ausgangspunkt 9.50 f. GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG – Besonderheiten bei Umstrukturierungen im Unternehmen siehe Besonderheiten bei Umstrukturierungen im Unternehmen – ErtragsteuerlicheBeurteilung einzelner Erwerbstatbestände 9.16 ff. – GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft siehe GrESt wegen Anteilstransaktion bei grundbesitzender Gesellschaft – GrESt wegen Einräumung von Verwertungsbefugnis 9.47 ff. – Grundfall: Übertragung eines Grundstücks siehe Grundfall: Übertragung eines Grundstücks Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft siehe Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften siehe Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften siehe Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften – Übergreifende Grundlagen siehe Übergreifende Grundlagen Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen – Ausnahmen durch Börsenklausel siehe Ausnahmen durch Börsenklausel 1065

Stichwortverzeichnis

– Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang siehe Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang – Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen siehe Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen – Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme Wertpapierhandels siehe Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme Wertpapierhandels Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen – Ausscheiden von Gesellschaftern und Anwachsungserwerb siehe Ausscheiden von Gesellschaftern und Anwachsungserwerb – Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen und verwandte Rechtsformen siehe Errichtung und Ausstattung von Familienstiftungen und verwandte Rechtsformen – Kettenschenkungen 4.128 ff. – Schenkung gegen Gewährung von Versorgungsleistungen und Veräußerungsrenten 4.100 – Schenkung unter Vereinbarung von disquotalen Gewinnverteilungen 4.114 ff. – Schenkung unter Vereinbarung von Mehrstimmrechten 4.108 ff. – Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch 4.95 ff. – Übertragung von Anteilen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften vs. Übertragung von Mitunternehmeranteilen 4.133 ff. – Unentgeltliche Einräumung einer atypisch stillen Unterbeteiligung 4.101 ff. – Vorweggenommene Erbfolge 4.95 ff.

1066

Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen – Einbringung und andere Anteilsgeschäfte siehe Einbringung und andere Anteilsgeschäfte – Fiktiver Formwechsel siehe Fiktiver Formwechsel – Formwechsel siehe Formwechsel – Grenzüberschreitende Sitzverlegung siehe Grenzüberschreitende Sitzverlegung – Übertragende Umwandlung siehe Übertragende Umwandlung Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge – Erbfall und Grunderwerbsteuer siehe Erbfall und Grunderwerbsteuer – Nachfolgeplanung 4.1 ff. – Vorweggenommene Erbfolge siehe Vorweggenommene Erbfolge Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen – Anzeige- und Ermittlungspflichten siehe Anzeige- und Ermittlungspflichten – Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen 5.140 ff. – Möglichkeiten und Grenzen Sachverhaltsermittlung siehe Möglichkeiten und Grenzen Sachverhaltsermittlung – Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten siehe Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen – Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten siehe Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten – Dokumentmanagement und Beweismittelvorsorge 10.85 ff. – Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring siehe Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring

Stichwortverzeichnis

– Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit siehe Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene – Formwechsel 6.206 ff. – Heterogener Formwechsel siehe Heterogener Formwechsel – Homogener Formwechsel siehe Homogener Formwechsel – Überblick 6.206 ff. Grunderwerbsteuerliche Organschaft – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft 3.848 ff. – Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung in Hand und Organschaft 3.853 ff. – Begründung oder Änderung Organschaftsverhältnisses ohne Anteilsübertragung 3.860 f. – Begründung Organschaftsverhältnisses unter Veränderung bestehender Anteilsverhältnisse 3.862 – Erweiterung Organschaftsverhältnisses 3.865 ff. – Relevanz Organschaft für Grunderwerbsteuerrecht 3.848 ff. – Übertragung von bereits aufgrund Organschaftsverhältnisses vereinigter Anteile 3.863 f. Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme Wertpapierhandels – ADR-Verbriefungen siehe ADR-Verbriefungen – Beteiligte Investmentfonds siehe Beteiligte Investmentfonds – Grunderwerbsteuer bei börsennotierten Unternehmen 5.96 ff. – Öffentliche Übernahme 5.133 ff. – Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft siehe Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft

Grundfall: Übertragung eines Grundstücks – Aufteilung von Anschaffungskosten bei mehreren Wirtschaftsgütern 9.21 ff. – Behandlung GeESt bei teilentgeltlichen Erwerben 9.28 – Behandlung GrESt bei unentgeltlichen Erwerben und Einlagen 9.29 ff. – GrESt und Folgekosten als Teil Anschaffungskosten 9.19 f. – GrESt wegen Grundstückstransaktionen nach § 1 Abs. 1 GrEtG 9.16 ff. – Sofortiger Betriebsausgabenabzug oder Aktivierung? 9.16 ff. – Zeitliche Fragen der Aktivierung 9.25 ff. Grundfälle – Anteile im übertragenen Vermögen 6.10 ff. – Anteilsverschiebungen bei übertragendem und übernehmendem Rechtsträger 6.22 ff. – Übertragung von Anteilen 6.10 ff. Grundlagen – Wertpapierdarlehen 5.118 ff. – Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft 5.118 ff. – Wertpapierpensionsgeschäfte 5.123 ff. Grundstück und grundstücksgleiche Rechte – Begrifflichkeiten 1.27 ff. – Erbbaurecht 1.48 ff. – Gebäude auf fremdem Boden 1.55 ff. – Grundstücke im Sinne bürgerlichen Rechts 1.28 f. – Von Gewerbesteuer erfasste Grundstücksbestandteile siehe Von Gewerbesteuer erfasste Grundstücksbestandteile – Wirtschaftliche Einheit von Grundstücken 1.58

1067

Stichwortverzeichnis

Grundstücksarten – Bewertung bebauter Grundstücke 8.115 ff. – Ein- und Zweifamilienhäuser 8.117 – Gemischt genutzte Grundstücke 8.121 – Geschäftsgrundstücke 8.120 – Mietwohngrundstücke 8.118 – Sonstige bebaute Grundstücke 8.122 – Überblick 8.115 f. – Wohnungs- und Teileigentum 8.119 Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts einer fortgesetzten Gütergemeinschaft – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.349 ff. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.351 Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.346 ff. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.348 Grundstückserwerb nach Scheidung einer Ehe bzw. nach Aufhebung Lebenspartnerschaft – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.239 ff. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.345 Grundstückserwerb zur Teilung des Nachlasses – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.331 ff. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.336 Grundstückserwerb zwischen Ehegatten/Lebenspartnern – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.337 f. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.338 Grundstückserwerbe von Todes wegen – Befreiungstatbestand § 3 Nr. 2 GrEStG 2.304 ff. 1068

– Erbfall 2.305 – Grundstückserwerb auf Grund einer Schenkung auf den Todesfall 2.312 – Grundstückserwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs 2.309 ff. – Grundstückserwerb auf Grund Vertrages zu Gunsten Dritter auf Todesfall 2.313 – Grundstücksübergang auf Grund sonstiger Erwerbe von Todes wegen 2.315 – Grundstücksübergang auf vom Erblasser angeordnete Stiftung 2.314 – Grundstücksübertragung zur Erfüllung eines Vermächtnisses 2.308 – Vor- und Nacherbschaft 2.306 Grundstücksschenkungen – Befreiungstatbestand § 3 Nr. 2 GrEStG 2.316 ff. – Grundstückserwerb auf Grund freigebiger Zuwendung 2.317 ff. – Grundstückserwerb auf Grund gemischter Schenkung 2.323 f. – Grundstückserwerb auf Grund Schenkung unter Auflage 2.325 ff. – Grundstücksübertragungen durch Träger öffentlicher Verwaltung 2.328 – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.329 Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter – Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.228 ff. – Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger siehe Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger – Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger siehe Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft – Formen Grundstücksübertragung 2.33 ff.

Stichwortverzeichnis

– Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.33 ff. – Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger siehe Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger – Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger siehe Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern – Befreiungstatbestand § 3 Nr. 2 GrEStG siehe Befreiungstatbestand § 3 Nr. 2 GrEStG – Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.295 ff. – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG siehe Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG – Überblick 2.295 ff. Grundstücksübertragungen im Unternehmen – Besondere Übertragungsformen siehe Besondere Übertragungsformen – Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht siehe Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht – Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter siehe Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter – Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft siehe Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft – Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern siehe Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern – Grundstücksübertragungen in Gründungsphase siehe Grundstücksübertragungen in Gründungsphase Grundstücksübertragungen in Gründungsphase – Grundstücksübertragungen im Unternehmen 2.27 ff. – Kapitalgesellschaft 2.27 ff.

– Personengesellschaft 2.31 f. Grundtatbestand Gegenleistung – Bestimmung Gegenleistung 8.1 f. – Einführung in Regelungsumfang 8.1 ff. – Gegenleistung für Erwerb des Grundstücks 8.22 ff. – Grundstückszustand 8.3 ff. – Umfang Gegenleistung i.S.d. § 9 GrEStG 8.10 ff. Gutachten als Nachweis – Anforderungen an Gutachten 8.298 ff. – Formelle Qualifikation des Gutachters 8.292 ff. – Niedrigere gemeine Werte nach BewG 8.292 ff.

Haftung für Grunderwerbsteuer – Aktiengesellschaft, GmbH oder eingetragener Verein 7.26 – Gesellschafter einer GbR 7.23 – Gesellschafter einer oHG 7.21 – Komplementäre 7.22 – Steuerschuldner und Anzeigepflichten 7.17 ff. – Vorgründungsgesellschaft 7.25 Herrschendes Unternehmen – Anforderungen an wirtschaftliche Tätigkeit 6.60 ff. – Herrschendes Unternehmen bei mehrstufigem Konzernaufbau 6.67 ff. – Rechtsform 6.59 – Voraussetzungen 6.59 ff. Heterogener Formwechsel – Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene 6.217 ff. – Quotenverschiebender heterogener Formwechsel siehe Quotenverschiebender heterogener Formwechsel – Quotenwahrender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft 6.232 1069

Stichwortverzeichnis

– Quotenwahrender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft siehe Quotenwahrender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft Homogener Formwechsel – Grunderwerbsteuerliche Folgen auf Gesellschafterebene 6.209 ff. – Quotenverschiebender homogener Formwechsel 6.211 ff. – Quotenwahrender homogener Formwechsel 6.209 f.

Inhalt des Auskunftsantrags

– Angaben zum Gegenstandswert 7.180 ff. – Auskunftsantrag 7.163 ff. – Bezeichnung Antragstellers 7.163 – Erklärung und Versicherung 7.178 f. – Rechtsfragen 7.172 ff. – Rechtsproblem und eigene Rechtsauffassung 7.170 f. – Sachverhalt 7.164 ff. – Steuerliches Interesse 7.169

Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger – Einbringungsvorgänge siehe Einbringungsvorgänge – Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft 2.40 ff. – Rechtsgeschäfte im Allgemeinen siehe Rechtsgeschäfte im Allgemeinen – Umwandlungsvorgänge siehe Umwandlungsvorgänge Kapitalgesellschaft als übertragender Rechtsträger – Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter 2.228 ff. – Rechtsgeschäfte im Allgemeinen 2.228 ff. – Umwandlungsvorgänge 2.233 ff.

1070

Laufende Überwachung relevanter Vorgänge – Einhaltung von Behaltensfristen für Steuerbefreiungen 10.75 ff. – Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring 10.54 ff. – Steuertatbestände siehe Steuertatbestände

Mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestandes – Erfordernis wirtschaftliche Betrachtungsweise 3.118 f. – Mittelbare Änderung durch Gesellschafterwechsel 3.120 ff. – Mittelbare Übertragungen aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen 3.126 ff. Mittelbares Vergleichswertverfahren – Bodenrichtwerte 8.353 – Vergleichswert 8.352 ff. – Vergleichswertfaktoren 8.359 Mögliche Behaltensfristverstöße nach §§ 5, 6 GrEStG – Auswirkung Formwechsels auf Steuerbefreiungen 6.244 ff. – Formwechsel einer zwischengeschalteten Gesellschaft 6.247 ff. – Formwechsel erwerbenden Gesamthand 6.244 ff. Möglichkeiten und Grenzen der Sachverhaltsermittlung – Faktische Unmöglichkeit der Tatbestandsermittlung bei mittelbaren Gesellschafterwechseln 5.160 ff. – Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen 5.151 ff. – Know your Shareholder 5.155 ff. – Meldepflichten gem § 33 WpHG 5.151 ff. – Private Informationsdienstleister 5.158 f.

Stichwortverzeichnis

Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter – Allgemeine Voraussetzungen § 6 Abs. 1 GrEStG 2.244 ff. – Einschränkende Auslegung Vorbehaltsfrist § 6 Abs. 4 GrEStG 2.258 ff. – Nachbehaltensfrist § 6 Abs. 4 GrEStG 2.256 f. – Rechtsgeschäfte im Allgemeinen 2.242 ff. Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als übertragender Gesellschafter – Ausnahmefälle zur Nachbehaltensfrist 2.141 f. – Dingliche Mitberechtigung 2.103 ff. – Einschränkende Auslegung im Wege teleologischen Reduktion 2.143 ff. – MoPeG 2.101 – Nachbehaltensfrist 2.118 ff. – Nachbehaltensfrist und sachliche Befreiungsvorschriften 2.159 ff. – Nachbehaltensfrist und Umwandlungen 2.167 ff. – Nachbehaltsfrist und Fiktionstatbestände der § 1 Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG 2.146 ff. – Prüfung Steuervergünstigung 2.102 – Rechtsgeschäfte im Allgemeinen 2.91 ff. – Sonderfall Brexit 2.133 – Sonderfall KöMoG 2.134 – Vermögensmäßige Beteiligung 2.108 ff. Nicht erfasste Erwerbe – Anwendung von Steuerbefreiungen 4.14 ff. – Erwerbe zwischen Geschwistern 4.14 – Nicht eheliche Lebensgemeinschaften 4.15 Niedrigere gemeine Werte nach BewG – Bewertung von Grundstücken 8.287 ff.

– Gutachten als Nachweis siehe Gutachten als Nachweis – Kaufpreis als Nachweis 8.302 ff. – Öffnungsklausel – Nachweis niedrigeren gemeinen Wertes 8.287 ff. – Verhältnis Nachweise untereinander 8.305 ff. Novellierte ImmoWertV 2021 – Bewertung von Grundstücken 8.313 ff. – Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 siehe Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 – Einordnung und Bewertungsmaßstab 8.313 ff. – Implikationen für steuerliche Immobilienbewertung 8.395 ff. – Wesentliche Neuerungen durch ImmoWertV 2021 siehe Wesentliche Neuerungen durch ImmoWertV 2021

Personengesellschaft als eigenständiger Rechtsträger – Gesellschaft als Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht 2.10 ff. – Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts 2.18 ff. – Personengesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft 2.12 ff. – Überblick 2.10 f. Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger – Anwendung § 5 GrEStG zur Absicherung von unternehmensinternen Restrukturierungen 2.220 ff. – Anwendung §§ 5, 6 GrEStG für eine geänderte Zuordnung eines Grundstücks 2.227 – Einbringungsvorgänge 2.213 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten mit §§ 5, 6 GrEStG 2.220 ff. – Grundstücksübertragung von Gesellschafter auf Gesellschaft 2.91 ff. – Umwandlungsvorgänge 2.218 f. 1071

Stichwortverzeichnis

Personengesellschaft als übertragender Gesellschafter – Allgemeine Voraussetzungen § 6 GrEStG 2.177 ff. – Einschränkende Auslegung Vorbehaltsfrist § 6 Abs. 4 GrEStG 2.210 ff. – Nachbehaltensfrist § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG 2.187 ff. – Rechtsgeschäfte im Allgemeinen 2.174 ff. – Sonderfall Brexit 2.192 – Sonderfall KöMoG 2.193 ff. – Vorbehaltensfrist § 6 Abs. 4 GrEStG 2.198 ff. Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger – Anwachsung siehe Anwachsung – Grundstücksübertragung von Gesellschaft auf Gesellschafter 2.239 ff. – Umwandlungsvorgänge siehe Umwandlungsvorgänge Personengesellschaften als Gesellschafter für Zwecke § 1 Abs. 2a GrEStG – Mittelbar beteiligte Personengesellschaften 3.196 ff. – Unmittelbar beteiligte PersGes. 3.193 ff. – Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung 3.193 ff. Persönliche Strafverantwortung – Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG 10.23 ff. – Leichtfertige Steuerverkürzung 10.17 ff. – Steuerhinterziehung durch Unterlassen 10.9 ff. – Steuerstraf- und ordnungwidrigkeitenrechtliche Risiken 10.9 ff. Praktischer Umgang mit Informationsdefiziten – Abschätzung Handelsvolumens 5.171 f. – Grunderwerbsteuerliche Compliance im börsennotierten Unternehmen 5.164 ff. 1072

– Stichtagbezogene Beobachtung von Anker-Altgesellschaften 5.164 ff. – Verfahrensrechtliche Instrumente 5.173 ff. Praxisfragen – Auflösung von Tatbestandskonkurrenzen zwischen § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG 3.46 ff. – Beteiligungskettenverkürzungen 3.57 ff. – Beteiligungskettenverlängerungen 3.61 ff. – Eindeutige Zurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen 3.49 ff. – Grundstückszurechnung und Steuerbefreiungen gem. §§ 3, 5, 6 GrEStG 3.64 ff. – Reichweite Nicht-Zurechnung beim zivilrechtlichen Eigentümer 3.52 f. – Widerspruch zur Signing/ClosingTheorie Finanzverwaltung 3.54 – Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen 3.46 ff. Problemfelder – Anwendung auf Gesellschafterwechsel bei Aktionären 5.88 ff. – Ausnahmen durch Börsenklausel 5.71 ff. – Nicht erfasste Börsenplätze 5.71 ff. – Nicht erfasster Handel an Börsen 5.74 ff. – Off-Market-Transaktionen und OTCHandel 5.85 ff. – Zulassung an mehreren Börsenplätzen 5.80 ff.

Quotenverschiebender heterogener Formwechsel – Heterogener Formwechsel 6.233 ff. – Quotenverschiebender Formwechsel Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft 6.236

Stichwortverzeichnis

– Quotenverschiebender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft 6.233 ff. Quotenwahrender Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft – Formwechsel Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft mit Ausscheiden 0 %- Gesellschafters 6.218 ff. – Grundsatz: Steuerbarer Vorgang nur bei Quotenverschiebung 6.217 – Heterogener Formwechsel 6.217 ff. – Quotenwahrender Formwechsel bei Beteiligung oberhalb 90 %-Schwelle 6.226 ff.

Rechtsentwicklung

– Rechtsentwicklung bei sog. Share Deals 1.10 ff. – Rechtsentwicklung bis zum GrEStG 1983 1.6 ff. – Share Deal Reform 2021 1.14 ff. – Systematischer Überblick über Grunderwerbsteuer 1.6 ff. – Zukünftige Änderungen GrEStG 1.25 f. Rechtsfolgen – Anzeigepflichten 6.121 – Befreiung nach § 6a GrEStG 6.112 ff. – Folgen des Verstoßes gegen Nachbehaltensfrist 6.122 ff. – Keine Erhebung der Grunderwerbsteuer 6.112 ff. Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen – Ausschluss Rückgängigmachung 7.67 f. – Festsetzungs- und Feststellungsverjährung siehe Festsetzungs- und Feststellungsverjährung – Steuerschuldner und Anzeigepflichten 7.57 ff.

– Steuerstrafrechtliche Folgen 7.64 ff. – Verspätungszuschlag siehe Verspätungszuschlag Rechtsgeschäfte im Allgemeinen – Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage 2.52 f. – Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger 2.40 ff. – Kauf- und Übertragungsvertrag 2.40 ff. – Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter siehe Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter – Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als übertragender Gesellschafter siehe Natürliche Person oder Kapitalgesellschaft als übertragender Gesellschafter – Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter 2.263 f. – Personengesellschaft als erwerbender Rechtsträger 2.91 ff. – Personengesellschaft als übertragender Gesellschafter siehe Personengesellschaft als übertragender Gesellschafter – Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger 2.239 ff. – Steuerbefreiung bzw. -vergünstigungen 2.44 ff. – Überblick 2.239 ff. Rechtsträger Grunderwerbsteuerrechts – Begrifflichkeiten 1.59 ff. – Treuhandverhältnisse 1.64 ff. – Weiter Rechtsträgerbegriff 1.59 ff. Regelherstellungskosten – Berechnung Gebäudesachwert 8.197 ff. – Gebäudearten 8.200 – Gebäudestandards 8.201 – Grundstücksarten 8.199

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Stichwortverzeichnis

Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG – Abfindungsleistungen im Rahmen von § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG 4.208 f. – Definition des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG 4.203 ff. – Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG 4.198 ff. – Steuerbarkeit beim Erbfall 4.198 ff. Risikoabwehr durch grunderwerbsteuerliches Monitoring – Dokumentation Monitoring 10.81 ff. – Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen 10.50 ff. – Laufende Überwachung relevanter Vorgänge siehe Laufende Überwachung relevanter Vorgänge – Monitoring und Unternehmenscompliance 10.50 ff. Rückabwicklung Share Deals – Anteilsübertragung und Anteilsvereinigung 7.113 – Ausschluss Rückgängigmachung 7.116 – Fiktiver Grundstückserwerb 7.108 – Grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge 7.111 – Sinn und Zweck Regelung 7.117 – Voraussetzungen für Rückgängigmachung 7.108 ff. Rückerwerb bei Auflösung von Treuhandverhältnissen – Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG 2.352 ff. – Verhältnis zu weiteren Befreiungsvorschriften 2.360 Rückgängigmachung – Rückgängigmachung in Kollisionsfällen 7.130 f. – Tatsächliche Rückabwicklung 7.119 ff. 1074

– Verfahren und Rechtsfolgen Rückabwicklung 7.132 f. – Verfahrensfragen 7.86 ff. – Voraussetzungen für Rückgängigmachung siehe Voraussetzungen für Rückgängigmachung

Sachverhaltsermittlung und Umgang mit Unsicherheit – Anzeigepflicht bei rechtlicher oder tatsächlicher Unsicherheit 10.35 ff. – Feststellungslast 10.40 ff. – Grunderwerbsteuerliche Compliance und Risikoabwehr im Unternehmen 10.35 ff. – Schätzungsbefugnis Finanzamt 10.45 ff. Sachwertverfahren – Anwendung Sachwertverfahren 8.189 ff. – Berechnung Gebäudesachwert siehe Berechnung Gebäudesachwert – Bewertung bebauter Grundstücke 8.189 ff. – Bodenwertermittlung 8.196 Schenkung unter Auflage – § 3 Nr. 2 GrEStG bei verschiedenen Arten der Schenkung 4.75 ff. – Bewertung Auflage i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG 4.79 ff. – Ermittlung Bemessungsgrundlage i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG in Fällen § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG 4.84 – Zivilrechtliches und schenkungsteuerliches Verständnis 4.75 ff. Signing-Closing-Theorie Finanzverwaltung – Einführung § 16 Abs. 4a GrEStG durch JStG 2022 3.333 ff. – Hintergrund Signing-ClosingTheorie und Anwendungserlass 3.325 ff. – Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 3.325 ff.

Stichwortverzeichnis

Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften – Grenzüberschreitende Sitzverlegung 6.296 ff. – Grenzüberschreitender Formwechsel 6.322 ff. – Sitzverlegung im Ausland 6.320 f. – Wegzug deutschen Gesellschaft ins Ausland siehe Wegzug deutschen Gesellschaft ins Ausland – Zuzug ausländischen Gesellschaft nach Deutschland siehe Zuzug ausländischen Gesellschaft nach Deutschland Sonderfälle Anteilsvereinigung – Anteilsvereinigung, wirtschaftliche Beteiligung und Organschaft 3.804 ff. – Aufeinanderfolgen von Anteilsvereinigung und tatsächlichem Grundstückserwerb 3.825 – Eigene Anteile 3.819 – Formwechsel und Anteilsvereinigung siehe Formwechsel und Anteilsvereinigung – Neuabschluss und Vertragsübernahme 3.804 f. – Wechselseitige Beteiligungen und Einheitsgesellschaften 3.820 ff. Sonstige Befreiungstatbestände § 3 GrEStG – Erwerb geringwertiger Grundstücke 2.330 – Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts siehe Grundstückserwerb durch Teilung des Gesamtguts einer fortgesetzten Gütergemeinschaft – Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte siehe Grundstückserwerb durch Verwandte und Gleichgestellte – Grundstückserwerb nach Scheidung einer Ehe bzw. nach Aufhebung Lebenspartnerschaft siehe Grundstückserwerb nach Scheidung einer Ehe

bzw. nach Aufhebung Lebenspartnerschaft – Grundstückserwerb zur Teilung Nachlasses siehe Grundstückserwerb zur Teilung Nachlasses – Grundstückserwerb zwischen Ehegatten/Lebenspartnern siehe Grundstückserwerb zwischen Ehegatten/Lebenspartnern – Grundstücksübertragung zwischen Gesellschaftern 2.330 ff. – Rückerwerb Grundstücks bei Auflösung von Treuhandverhältnissen siehe Rückerwerb Grundstücks bei Auflösung von Treuhandverhältnissen Steuerbare Vorgänge – Anteilsverschiebungen bei aufnehmenden oder ausbringenden Gesellschaft 6.167 – Ausbringung von Grundstücken oder Anteilen 6.164 ff. – Einbringung und andere Anteilsgeschäfte 6.140 ff. – Einbringung von Anteilen siehe Einbringung von Anteilen – Einbringung von Grundstücken siehe Einbringung von Grundstücken – Ketteneinbringungen 6.159 ff. – Kettenumwandlungen 6.37 ff. – Übertragende Umwandlung 6.1 ff. – Übertragung Verwertungsbefugnis 6.9 – Übertragung von Anteilen siehe Übertragung von Anteilen – Übertragung von Grundstücken 6.1 ff. Steuerbarkeit beim Erbfall – Erbengemeinschaft als Rechtsträger 4.210 f. – Erbfall und Grunderwerbsteuer 4.196 ff. – Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge 4.196 f. – Regelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG siehe Re-

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Stichwortverzeichnis

gelungen nach § 1 Abs. 2a Satz 6 und Abs. 2b Satz 6 GrEStG Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG – Anwendungsbereich Konzernklausel 3.354 ff. – Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften 3.354 ff. – Umfang Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a GrEStG 3.358 ff. – Umfang Begünstigung bei mehraktigen Rechtsvorgängen nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG 3.363 ff. – Zusammenspiel Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG 3.368 f. Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften – § 6 Abs. 3 GrEStG siehe § 6 Abs. 3 GrEStG – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.339 ff. – Keine Anrechnung gem. § 1 Abs. 6 GrEStG 3.375 ff. – Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG siehe Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG – Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG 3.370 ff. Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG – Auswirkung Formwechsels auf Steuerbefreiungen 6.237 ff. – Formwechsel als Erwerbsvorgang auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage 6.237 ff. – Keine Auswirkung auf 95 %-Quote im Vor- und Nachbehaltenszeitraum 6.243 Steuerschuldner und Anzeigepflichten – Adressat Anzeige 7.53 ff. – Anzeigepflicht Beteiligten 7.27 f. – Anzeigepflichtige Vorgänge siehe Anzeigepflichtige Vorgänge

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– Form, Frist und Inhalt Anzeige 7.50 ff. – Haftung für Grunderwerbsteuer siehe Haftung für Grunderwerbsteuer – Mehrzahl von Steuerschuldnern 7.10 ff. – Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen siehe Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen – Steuerschuldner 7.1 ff. – Verfahrensfragen 7.1 ff. Steuerstraf- und -ordnungwidrigkeitenrechtliche Risiken – Anzeige-, Mitwirkungs- und Vorsorgepflichten 10.6 ff. – Folgen für Unternehmen 10.28 – Persönliche Strafverantwortung siehe Persönliche Strafverantwortung – Überblick 10.6 ff. Steuertatbestände – Laufende Überwachung grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgänge 10.54 ff. – Überwachung Aktionärsbestand 10.74 – Überwachung Grundstücktatbestand und Grundstückszuordnung 10.54 ff. – Überwachung von Anteilsvereinigungen 10.66 ff. – Überwachung von Gesellschafterwechseln 10.60 ff. Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern – Allgemeine Voraussetzungen Steuervergünstigung 2.63 ff. – Grundstücksübertragung als begünstigte Umwandlung gem. § 6a GrEStG? 2.80 – Grundstücksübertragung durch KapGes 2.81 ff. – Grundstücksübertragung durch natürliche Person 2.84 ff. – Umwandlungsvorgänge 2.63 ff.

Stichwortverzeichnis

Strukturmaßnahmen im Vorfeld vorweggenommenen Erbfolge – Abschluss von Poolvereinbarungen siehe Abschluss von Poolvereinbarungen – Auf- und Abstockung des Vermögens 4.146 ff. – Auflösung von Betriebsaufspaltungen 4.152 f. – Auflösung von Sonderbetriebsvermögen 4.150 f. – Aufteilen von Vermögensgegenständen in verschiedenen Gesellschaften 4.143 ff. – Errichtung von Holdingstrukturen 4.154 f. – Vorweggenommene Erbfolge in Grunderwerbsteuer 4.143 ff. Subjektive Zuordnung GrESt-Aufwands – Allgemeiner Grundsatz: Steuerschuldnerschaft ist maßgebend 9.6 f. – Ertragsteuerliche Behandlung Grunderwerbsteuer 9.6 ff. – Folgen einer veranlassungswidrigen Kostenübernahme 9.12 ff. – Vereinbarungen über Kostentragung 9.8 ff. Sukzessive Verwirklichung der Erwerbstatbestände – Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen 4.85 ff. – Nacheinander erfolgende Erwerbe und Schenkungen 4.85 ff. – Zwischenzeitliche Werterhöhungen im Grundstücksbestand bei sukzessiven Anteilsübertragungen 4.90 ff.

Tatbestandsmerkmale und Fiktion § 1 Abs. 2b GrEStG – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.408 ff. – Grunderwerbsteuerliche Fiktion 3.411 f.

– Überblick Tatbestandsvoraussetzungen 3.408 f. – Verwaltungsanweisungen 3.410 Typisierte steuerliche Immobilienbewertung nach BewG – Änderungen durch JStG 2022 siehe Änderungen typisierten steuerlichen Immobilienbewertung durch JStG 2022 – Bewertung bebauter Grundstücke siehe Bewertung bebauter Grundstücke – Bewertung unbebauter Grundstücke siehe Bewertung unbebauter Grundstücke – Bewertung von Erbbaugrundstücken siehe Bewertung von Erbbaugrundstücken – Bewertung von Erbbaurechten siehe Bewertung von Erbbaurechten – Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke siehe Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und mit fremden Gebäuden bebaute Grundstücke – Bewertung von Grundstücken 8.77 ff. – Bewertung von Grundstücken im Zustand Bebauung siehe Bewertung von Grundstücken im Zustand Bebauung – Einordnung und Bewertungsmaßstab siehe Einordnung und Bewertungsmaßstab – Grenzen typisierter steuerlicher Immobilienbewertung 8.284 ff.

Übergang auf neue Gesellschafter – Begriff Alt- und Neugesellschafter 3.138 – Besonderheiten bei beteiligten Kapitalgesellschaften siehe Besonderheiten bei beteiligten Kapitalgesellschaften 1077

Stichwortverzeichnis

– Besonderheiten bei identitätswahrenden formwechselnden Umwandlungen 3.178 ff. – Besonderheiten bei Treuhandverhältnissen 3.169 ff. – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.138 ff. – Gestaltungsüberlegungen zur Herstellung der Altgesellschafterstellung siehe Gestaltungsüberlegungen zur Herstellung Altgesellschafterstellung – Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter siehe Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter – Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter siehe Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter – Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung siehe Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung Übergangsregelungen – Altgesellschafterstellungen nach altem und neuen Recht 3.301 ff. – Anpassung § 1 Abs. 2a GrEStG durch Grunderwerbsteuerreform 2021 3.295 ff. – Erstmaliges Inkrafttreten 3.295 ff. – Parallellaufen von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. und n.F. 3.298 ff. Übergreifende Grundlagen – Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen 3.1 ff. – Wegweiser Ergänzungstatbestände siehe Wegweiser Ergänzungstatbestände – Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise siehe Zurechnung von Anteilen – Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise – Zurechnung von Grundstücken siehe Zurechnung von Grundstücken Übertragende Umwandlung – Befreiung nach § 6a GrEStG siehe Befreiung nach § 6a GrEStG 1078

– Befreiungen im Personengesellschaftskonzern 6.126 ff. – Bemessungsgrundlage bei steuerbaren Vorgängen aufgrund von Umwandlungen 6.43 ff. – Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und konzerninternen Übertragungen 6.1 ff. – Risiken im Hinblick auf bestehende Sperrfristen 6.135 ff. – Steuerbare Vorgänge siehe Steuerbare Vorgänge Übertragung von Anteilen – Anwachsung nach Verschmelzung 6.35 f. – Beteiligungskettenverkürzung siehe Beteiligungskettenverkürzung – Beteiligungskettenverlängerung 6.25 ff. – Grundfälle siehe Grundfälle – Steuerbare Vorgänge 6.10 ff. – Umwandlungsrechtlicher sog. Squeeze-Out 6.33 f. Umwandlungen von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum – Besondere Übertragungsformen 2.434 ff. – Grundstücksteilung unter Miteigentümern in Flächeneigentum 2.448 ff. – Grundstücksteilung von Gesamthandseigentum in Flächeneigentum 2.454 ff. – Überblick 2.434 ff. Umwandlungsvorgänge – Grundstücksübertragung als Alternative 2.60 ff. – Kapitalgesellschaft als erwerbender Gesellschafter 2.283 f. – Kapitalgesellschaft als erwerbender Rechtsträger 2.60 ff. – Personengesellschaft als erwerbender Gesellschafter 2.285 – Personengesellschaft als übertragender Rechtsträger 2.279 ff. – Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern siehe Steuer-

Stichwortverzeichnis

vergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern – Überblick 2.279 ff. – Verhältnis von §§ 5, 6 GrEStG zu § 6a GrEStG 2.286 ff. Unmittelbare und mittelbare Altgesellschafter – Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter 3.478 ff. – Mittelbar beteiligter Altgesellschafter 3.142 ff. – Mittelbare Altgesellschafter 3.487 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter 3.139 ff. – Unmittelbar beteiligter Altgesellschafter 3.139 ff. – Unmittelbare Altgesellschafter 3.478 ff. Unmittelbare und mittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes – Anwendung Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG 3.137 – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.114 ff. – Mittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes siehe Mittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes – Übergang Gesellschaftsanteile von Todes wegen 3.136 – Unmittelbare Änderungen Gesellschafterbestandes 3.114 ff. Unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel – Anwendung Börsenklausel nach § 1 Abs. 2c GrEStG 3.475 ff. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.452 ff. – Mittelbare Gesellschafterwechsel durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen 3.465 f. – Schenkweiser Übergang von Anteilen 3.470 ff. – Unmittelbare Gesellschafterwechsel 3.452 ff. – Unschädlichkeit Übergang von Todes wegen 3.469

Unmittelbare und mittelbare Neugesellschafter – Mittelbar beteiligter Neugesellschafter 3.148 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter 3.146 ff. – Unmittelbar beteiligter Neugesellschafter 3.146 f.

Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen – Antragsteller 7.145 ff. – Anwendungsfälle siehe Anwendungsfälle – Auskunftsantrag siehe Auskunftsantrag – Auskunftsinteresse siehe Auskunftsinteresse – Bindungswirkung 7.196 ff. – Gebühren siehe Gebühren – Rechtsschutz 7.203 ff. – Verfahrensfragen 7.134 ff. – Zuständigkeit 7.155 ff. Verfahrensfragen – Besteuerungsverfahren siehe Besteuerungsverfahren – Rückgängigmachung siehe Rückgängigmachung – Steuerschuldner und Anzeigepflichten siehe Steuerschuldner und Anzeigepflichten – Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen siehe Verbindliche Auskünfte zu Grunderwerbsteuerfragen Verfahrensrechtliche Risiken – Anzeige- und Ermittlungspflichten 5.145 ff. – Schätzung von steuerauslösenden Aktionärswechseln 5.145 f. – Straf- und -ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorwürfe 5.147 ff. Vergleichswert – Bewertungsverfahren nach ImmoWertV 2021 8.343 ff. 1079

Stichwortverzeichnis

– Konzept und Varianten 8.343 f. – Mittelbares Vergleichswertverfahren siehe Mittelbares Vergleichswertverfahren – Unmittelbares Vergleichswertverfahren 8.345 ff. Vergleichswertverfahren – Anwendung Vergleichswertverfahren 8.130 – Bewertung bebauter Grundstücke 8.130 ff. – Rückgriff auf Vergleichspreise 8.131 ff. – Vergleichsfaktoren 8.136 ff. Verhältnis von § 1 Abs. 2a GrEStG zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.324 ff. – Signing-Closing-Theorie Finanzverwaltung siehe Signing-Closing-Theorie Finanzverwaltung – Vorrang § 1 Abs. 2a GrEStG 3.324 Verhältnis zu § 1 Abs. 2b GrEStG – Änderungsvorschläge an Gesetzgeber 3.647 ff. – Doppelter Erwerbsvorgang 3.634 ff. – Fehlende Subsidiaritätsregelung im § 1 Abs. 2b GrEStG 3.625 ff. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.625 ff. Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG – Anzeigepflichten 3.681 – Auswirkung auf ertragsteuerliche Behandlung und Verhandlungen über Kaufpreis 3.695 ff. – Auswirkung auf Steuerschuldnerschaft 3.678 ff. – Doppelte Grunderwerbsteuer siehe Doppelte Grunderwerbsteuer – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.651 ff. – Gesetzliche Verankerung Verfahrensvorschrift siehe Gesetzliche Verankerung Verfahrensvorschrift

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– Zukünftige Bedeutung § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG 3.651 ff. Verhältnis zu Steuerbefreiungen und Anrechnungsvorschriften – § 3 GrEStG 3.706 ff. – § 6a GrEStG 3.704 f. – Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.701 ff. – Keine Anrechnung § 1 Abs. 6 GrEStG 3.710 ff. – Keine Anwendung §§ 5, 6 GrEStG 3.701 ff. Verkürzung von Beteiligungsketten – Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Kapitalgesellschaften 3.204 ff. – Beteiligungskettenverkürzung bei beteiligten Personengesellschaften 3.213 ff. – Zum Begriff Beteiligungskettenverkürzung 3.202 f. – Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung 3.202 ff. Verlängerung und Verkürzung von Beteiligungsketten – Abgrenzung Alt- und Neugesellschafter 3.509 ff. – Verkürzung Beteiligungsketten 3.513 ff. – Verlängerung Beteiligungsketten 3.509 ff. Verspätungszuschlag – Höhe Verspätungszuschlag 7.62 – Rechtsfolgen nicht erstatteter oder unvollständiger Anzeigen 7.61 ff. Verwirklichung von Erwerbsvorgängen – Entstehung der Steuer bei bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen 1.95 – Entstehung Steuer 1.90 ff. – Systematischer Überblick über Grunderwerbsteuer 1.90 ff. – Unterschiedliche Entstehung der Steuer bei Share Deals 1.96 ff.

Stichwortverzeichnis

Vor- und Nachbehaltensfrist – Forderung nach weitergehender teleologischer Reduktion 6.108 ff. – Grundregelung 6.88 ff. – Unschädliche Nichteinhaltung von Fristen 6.96 ff. – Voraussetzungen 6.88 ff. Vor- und Nachbehaltsfrist – Grundregelung 6.188 f. – Unschädliche Nichteinhaltung von Fristen 6.190 ff. – Voraussetzungen 6.188 ff. Voraussetzungen – Abhängige Gesellschaft 6.187 – Befreiung nach § 6a GrEStG 6.49 ff., 6.172 ff. – Begünstigte Tatbestände siehe Begünstigte Tatbestände – Begünstigte Umwandlungen 6.49 ff. – Beteiligte am Rechtsvorgang 6.55 ff., 6.184 f. – Herrschendes Unternehmen 6.186; siehe Herrschendes Unternehmen – Vor- und Nachbehaltensfrist siehe Vor- und Nachbehaltensfrist – Vor- und Nachbehaltsfrist siehe Vorund Nachbehaltsfrist Voraussetzungen für Rückgängigmachung – Gründe für Rückgängigmachung 7.86 f. – Identität Beteiligten und Grundstücks 7.100 ff. – Rückabwicklung in Fällen § 1 Abs. 2 GrEStG 7.105 ff. – Rückabwicklung innerhalb von zwei Jahren 7.88 f. – Rückabwicklung nach Ablauf von zwei Jahren 7.90 ff. – Rückabwicklung Share Deals siehe Rückabwicklung Share Deals – Rückgängigmachung als Gestaltungsmittel 7.96 ff. – Rückgängigmachung und Rückerwerb 7.86 ff.

Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 GrEStG – Anwendung von Steuerbefreiungen 4.12 ff. – Bedeutung von Steuerbefreiungen nach ErbStG 4.13 – Steuerbarkeit nach ErbStG und GrEStG aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhalts 4.12 ff. Vorweggenommene Erbfolge – Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen siehe Anwendung Befreiungen nach § 3 GrEStG bei Anteilsübertragungen – Anwendung von Steuerbefreiungen siehe Anwendung von Steuerbefreiungen – Auswirkungen vorweggenommenen Erfolge auf grunderewerbsteuerliche Nachbehaltensfristen 4.165 ff. – Gestaltung in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen siehe Gestaltung in Schenkungs- und Gesellschaftsverträgen – Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen siehe Grunderwerbsteuer bei typischen Nachfolgegestaltungen – Grunderwerbsteuer und Unternehmensnachfolge 4.5 ff. – Grunderwerbsteuerliche Prüfungsreihenfolge 4.5 ff. – Strukturmaßnahmen im Vorfeld vorweggenommenen Erbfolge siehe Strukturmaßnahmen im Vorfeld vorweggenommenen Erbfolge

Wechsel zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafterstellung – Hintergrund 3.183 ff. – Wechsel von mittelbarer in unmittelbare Gesellschafterstellung 3.186 ff. – Wechsel von unmittelbarer in mittelbare Gesellschafterstellung 3.192

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Stichwortverzeichnis

– Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung 3.183 ff. Wegweiser Ergänzungstatbestände – Aufhebung und Änderung von Festsetzungen nach § 16 Abs. 4a GrEStG siehe Aufhebung und Änderung von Festsetzungen nach § 16 Abs. 4a GrEStG – Subsidiarität und Tatbestandskonkurrenzen 3.6 ff. – Überblick 3.1 ff. – Übergreifende Grundlagen 3.1 ff. Wegzug deutschen Gesellschaft ins Ausland – Kapitalgesellschaften 6.303 ff. – Personengesellschaft Rechtslage nach MoPeG 6.301 ff. – Personengesellschaft Rechtslage vor MoPeG 6.296 ff. – Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften 6.296 ff. Weiterentwicklung der rechtlichen Würdigung bei Übergängen von Anteilen in Treuhandfällen – Besonderheiten bei Treuhandstrukturen 3.606 ff. – Einordnung als Alt- und Neugesellschafter siehe Einordnung als Altund Neugesellschafter – Prüfung unmittelbaren Gesellschafterwechsels 3.608 ff. – Rechtliche Weiterentwicklung 3.606 f. – Zusammenfassung notwendigen Weiterentwicklung 3.617 Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäft – Grunderwerbsteuerliche Einordnung 5.126 ff. – Grunderwerbsteuerliche Spezialprobleme Wertpapierhandel 5.118 ff. – Grundlagen siehe Grundlagen Wesentliche Neuerungen durch ImmoWertV 2021 – Erforderliche Daten und ihre Eignung 8.336 ff. 1082

– Grundsatz Modellkonformität 8.331 ff. – Novellierte ImmoWertV 2021 8.319 ff. – Überblick 8.319 f. – Verfahrensauswahl und Verfahrensgrundnorm 8.321 ff.

Zählquotenermittlung und Informationsdefizite – Behandlung eigener Aktien und wechselseitiger Beteiligungen 5.23 ff. – Besonderheiten bei Kommanditgesellschaft auf Aktien siehe Besonderheiten bei Kommanditgesellschaft auf Aktien – Börsenhandel als grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang 5.14 ff. – Gesellschafterbezogene Betrachtung 5.14 ff. – Übergang zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums 5.20 ff. Zeitliche Anwendung – Altfälle im Anwendungsbereich § 1 Abs. 2a GrEStG 5.68 f. – Ausnahmen durch Börsenklausel 5.67 ff. – Grundsätze 5.67 Zeitraumbetrachtung und Bestimmung Umfangs schädlichen der Gesellschafterwechsel – Ermittlung Vomhundertsatz siehe Ermittlung Vomhundertsatz – Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 3.238 ff. – Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum 3.238 Zeitraumbetrachtung und Bestimmung Umfangs schädlichen Zählquote – Ermittlung Vomhundertsatz siehe Ermittlung Vomhundertsatz – Ewigkeitsthese bei beteiligten Kapitalgesellschaften 3.529 ff.

Stichwortverzeichnis

– Gesellschafterwechsel bei Kapitalgesellschaften 3.526 ff. – Grundstücksbezogener Zehnjahreszeitraum 3.526 ff. Zulassung zum Handel an begünstigtem Handelsplatz – Anwendungsvoraussetzungen 5.49 ff. – Geregelte Märkte i.S.d. Europäischen Union 5.53 – Gleichwertiger Dritthandelsplatz 5.54 ff. – Handelsplätze 5.49 – Multilaterales Handelssystem 5.57 f. – Organisierter Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG 5.50 ff. Zurechnung von Anteilen – Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden siehe Gesellschafterwechsel aufgrund schuldrechtlicher Abreden – Übergreifende Grundlagen 3.71 ff. Zurechnung von Grundstücken – Übergreifende Grundlagen 3.28 ff. – Zurechnung für nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbare Vorgänge 3.69 f. – Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen siehe Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen – Zurechnung von Grundstücken in zeitlicher Hinsicht 3.28 ff. Zurechnung von Grundstücken in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen – BFH-Rechtsprechung zur Grundstückszurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen 3.34 ff. – Praktische Relevanz 3.31 ff. – Praxisfragen siehe Praxisfragen

– Zurechnung von Grundstücken 3.31 ff. – Zwischenfazit zur vertikalen Zurechnung 3.68 Zuzug ausländischen Gesellschaft nach Deutschland – Kapitalgesellschaft 6.316 ff. – Personengesellschaft 6.311 ff. – Sitzverlegung grundbesitzender Gesellschaften 6.311 ff. Zweifelsfragen zur Alt- und Neugesellschafterstellung – Personengesellschaften als Gesellschafter für Zwecke § 1 Abs. 2a GrEStG siehe Personengesellschaften als Gesellschafter für Zwecke § 1 Abs. 2a GrEStG – Rechtsunsicherheiten bei mittelbaren Gesellschafterstellung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen 3.216 ff. – Übergang auf neue Gesellschafter 3.183 ff. – Verkürzung von Beteiligungsketten siehe Verkürzung von Beteiligungsketten – Wechsel zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafterstellung siehe Wechsel zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gesellschafterstellung Zwischengeschäfte – Abgrenzung zu anderen Rechtsvorgängen siehe Abgrenzung zu anderen Rechtsvorgängen – Abtretung Rechte aus Kaufangebot als Zwischengeschäft 2.374 ff. – Abtretung Übereignungsanspruch als Zwischengeschäft 2.373 – Besondere Übertragungsformen 2.361 ff. – Definition 2.361 ff.

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