Grundeinkommen statt Urheberrecht?: Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt [1. Aufl.] 9783839426807

Intellectual property and free knowledge - the debate on copyright in the digital age has settled between these two pole

176 104 3MB

German Pages 192 Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Grundeinkommen statt Urheberrecht?: Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt [1. Aufl.]
 9783839426807

Table of contents :
Inhalt
Dank
Einleitung
1. Cardillacs Erben
Kreative Krämerseelen
Aus dem Geiste der Romantik
Urheberrecht und Copyright
Champagner aus Gehirnschalen
Angemessene Vergütung und Vertragsfreiheit
2. Der Wert der Kreativität
That unprosperous race of men called men of letters
Aneignung durch Leistung
Respekt vor der Leistung
Respekt vor der Eigentumsordnung
Kunst und Markt
3. Neue Geschäftsmodelle statt veralteten Urheberrechts?
Mehr Markterfolg für alle
Selbstvermarktung
Neue Geschäftsmodelle
Der Unterschied zwischen Künstlern und Unternehmern
4. Von Qualitätsklassen, Mehrwertdiensten und Premium-Content
Die Flatrate-Falle
Das Ende der Netzneutralität
Zweiseitige Märkte
Cui bono?
5. Urheberrecht und Datenschutz
Öffentlichkeit und Privatsphäre
Haste was, dann biste was: bürgerliches Privateigentum
Urheberrecht und Datenschutz
Daten als Treibstoff der Netzökonomie
Zwischen Traum und Tat
6. Kampfbegriff geistiges Eigentum
Knapp vorbei?
Ostrom reloaded
Enclosure of the commons
Das Ende des Eigentums?
Verwertung
Das neue DRM
Weg von der Distributionsebene
7. Kulturflatrate: Bezahlsystem, Vergütungsmodell oder Gesellschaftsvertrag?
Die Kulturflatrate
Berechnungsmodelle
Entkriminalisierung und Kompensation
Marktversagen
Vergüten statt verfolgen
Die CCC-Kulturwertmark
Abkehr von der Nutzung als Grundlage der Vergütung
Umverteilung
Flattr reloaded?
Sharing – Kultur jenseits des Marktes
Verteilungsfragen
8. Ein öffentlich-rechtliches Internet
Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkfonds
Fondsmodell für Netzinhalte
Das AG-DOK-Modell
Mehr Geld fürs Netz
Öffentlich-rechtlich neu denken
Noch eine Zwangsgebühr?
Chance für Kreative
Geräteabgaben
Gedankenspiele
9. Wie weit reicht das Urheberrecht?
Verrechtlichung
Die Grenzen des Vertragsrechts
10. Bedingungsloses Grundeinkommen
Wer, wie, was, warum?
Incentives
Nonmarket peer-production
Wikinomics
Mehr Reichtum, weniger Arbeit
Kreative Arbeit und Grundeinkommen
Ausblick
Literatur (Auswahl)
Anmerkungen

Citation preview

Ilja Braun Grundeinkommen statt Urheberrecht?

X T E X T E

X T E X T E Das vermeintliche »Ende der Geschichte« hat sich längst vielmehr als ein Ende der Gewissheiten entpuppt. Mehr denn je stellt sich nicht nur die Frage nach der jeweiligen »Generation X«. Jenseits solcher populären Figuren ist auch die Wissenschaft gefordert, ihren Beitrag zu einer anspruchsvollen Zeitdiagnose zu leisten. Die Reihe X-TEXTE widmet sich dieser Aufgabe und bietet ein Forum für ein Denken ›für und wider die Zeit‹. Die hier versammelten Essays dechiffrieren unsere Gegenwart jenseits vereinfachender Formeln und Orakel. Sie verbinden sensible Beobachtungen mit scharfer Analyse und präsentieren beides in einer angenehm lesbaren Form.

Denken für und wider die Zeit

Ilja Braun, freier Autor und Journalist, hat als Lektor und Literaturübersetzer für Buchverlage gearbeitet, für das Urheberrechtsportal iRights.info geschrieben und am Deutschen Bundestag die Arbeit der EnqueteKommission »Internet und digitale Gesellschaft« begleitet. Er gehört der Redaktion des Medienmagazins CARTA an und pendelt zwischen Köln und Berlin.

Ilja Braun

Grundeinkommen statt Urheberrecht? Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Tabea Koepp, Bielefeld Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck Print-ISBN 978-3-8376-2680-3 PDF-ISBN 978-3-8394-2680-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Dank | 9 Einleitung | 11 1. Cardillacs Erben | 15 Kreative Krämerseelen | 16 Aus dem Geiste der Romantik | 19 Urheberrecht und Copyright | 22 Champagner aus Gehirnschalen | 24 Angemessene Vergütung und Vertragsfreiheit | 27

2. Der Wert der Kreativität | 33 That unprosperous race of men called men of letters | 34 Aneignung durch Leistung | 36 Respekt vor der Leistung | 39 Respekt vor der Eigentumsordnung | 41 Kunst und Markt | 43

3. Neue Geschäftsmodelle statt veralteten Urheberrechts? | 47 Mehr Markterfolg für alle | 48 Selbstvermarktung | 51 Neue Geschäftsmodelle | 53 Der Unterschied zwischen Künstlern und Unternehmern | 55

4. Von Qualitätsklassen, Mehrwertdiensten und Premium-Content | 57 Die Flatrate-Falle | 57 Das Ende der Netzneutralität | 60

Zweiseitige Märkte | 62 Cui bono? | 65

5. Urheberrecht und Datenschutz | 67 Öffentlichkeit und Privatsphäre | 69 Haste was, dann biste was: bürgerliches Privateigentum | 70 Urheberrecht und Datenschutz | 72 Daten als Treibstoff der Netzökonomie | 76 Zwischen Traum und Tat | 78

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum | 79 Knapp vorbei? | 80 Ostrom reloaded | 83 Enclosure of the commons | 87 Das Ende des Eigentums? | 88 Verwertung | 90 Das neue DRM | 91 Weg von der Distributionsebene | 93

7. Kulturflatrate: Bezahlsystem, Vergütungsmodell oder Gesellschaftsvertrag? | 95 Die Kulturflatrate | 96 Berechnungsmodelle | 99 Entkriminalisierung und Kompensation | 102 Marktversagen | 104 Vergüten statt verfolgen | 106 Die CCC-Kulturwertmark | 109 Abkehr von der Nutzung als Grundlage der Vergütung | 110 Umverteilung | 112 Flattr reloaded? | 114 Sharing – Kultur jenseits des Marktes | 116 Verteilungsfragen | 119

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet | 123 Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkfonds | 125 Fondsmodell für Netzinhalte | 127 Das AG-DOK-Modell | 128 Mehr Geld fürs Netz | 129

Öffentlich-rechtlich neu denken | 132 Noch eine Zwangsgebühr? | 134 Chance für Kreative | 136 Geräteabgaben | 137 Gedankenspiele | 139

9. Wie weit reicht das Urheberrecht? | 143 Verrechtlichung | 145 Die Grenzen des Vertragsrechts | 146

10. Bedingungsloses Grundeinkommen | 149 Wer, wie, was, warum? | 151 Incentives | 154 Nonmarket peer-production | 157 Wikinomics | 159 Mehr Reichtum, weniger Arbeit | 163 Kreative Arbeit und Grundeinkommen | 169 Ausblick | 171

Literatur (Auswahl) | 175 Anmerkungen | 179

D ANK Für Anmerkungen zum Manuskript danke ich Constanze Brockmann, Leonhard Dobusch, Claudia Jünke, Jan Valk und Michael Volkmer. Berlin, im Dezember 2013

Einleitung »[…] ist Armut an sich noch keineswegs rebellisch. […] so gehört jedenfalls ein ziemlich geheimnisvoller Antrieb dazu, revolutionär zu sein. Er stammt nie aus der Armut allein, die ihn oft verdeckt, sondern aus einem Gefühl unbesessenen ›Besitzes‹, der einem zukommt […]« Ernst Bloch, Spuren1

Wenn das Urheberrecht sich im Internet nicht mehr durchsetzen lässt, wovon sollen Kreativschaffende dann in Zukunft leben? Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Sie wird in der Regel von Leuten gestellt, die durchaus nicht bereit sind, sich mit der eigenen Diagnose abzufinden. Sondern im Gegenteil erreichen wollen, dass das Urheberrecht im Internet besser durchgesetzt wird. Von Leuten also, die keine Antwort suchen, sondern die Frage loswerden wollen. In den letzten zwei Jahren hat in Deutschland eine große Urheberrechtsdebatte stattgefunden. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Mai 2012 mit einem in der ZEIT veröffentlichten Aufruf von mehr als 100 Autoren. Unter dem trotzigen Titel »Wir sind die Urheber« protestierten diese gegen die vermeintlichen »öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht«. 2 Sie hatten dabei vermutlich vor allem die Forderungen der Piratenpartei im Sinn, die gerade ein vorübergehendes Stimmungshoch erreicht hatte. Wie fast jede mediale Debatte ist auch diese gänzlich folgenlos geblieben. Die von manchen erhoffte und von vielen gefürchtete radikale Reform des Urheberrechts ist ausgeblieben. Und die patzige Frage, wovon denn Kreative bitteschön leben sollen, wenn nicht von ihrem Urheberrecht, ist unbeantwortet geblieben. Zu Recht, meinen jene, die sich mit ihr konfrontiert sahen. Schließlich habe niemand je die Abschaffung des

12

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Urheberrechts gefordert. Und warum soll man sich mit einer Frage beschäftigen, die man hingeworfen bekommt wie einen Fehdehandschuh? Zugegeben, ideologische Grabenkämpfe führen zu nichts. Aber an sich hat die Frage durchaus eine Antwort verdient. Denn tatsächlich können die meisten Kreativen von ihrem Urheberrecht heutzutage nicht leben. Konnten sie es je? Wenn man sich die Zahlen zum Einkommen von Kreativschaffenden anschaut, die Jahr für Jahr von der Künstlersozialkasse veröffentlicht werden, muss man daran zweifeln. Das Durchschnittseinkommen der Künstler liegt diesen Zahlen zufolge seit Jahren bei rund 1.200 Euro im Monat. Hinzu kommt, dass dieses Einkommen sehr ungleich verteilt ist: Einer kleinen Gruppe von Spitzenverdienern steht eine große Schar von Habenichtsen gegenüber. Kulturelle Märkte sind Winner-takes-all-Märkte. Das liegt zwar nicht am Urheberrecht; das Urheberrecht ändert aber auch nichts daran. In der medialen Debatte über das Urheberrecht war davon jedoch kaum die Rede. Vielmehr blieb diese fast ausschließlich auf eine Piraterie-Diskussion beschränkt, auf die Auseinandersetzung um illegale Tauschbörsen und eine vermeintliche »Gratismentalität« der Netzrezipienten. Obwohl kaum jemand, der sich mit dem Urheberrecht halbwegs auskennt, ernsthaft behaupten wird, Internetpiraterie sei die Wurzel der meist prekären Einkommensverhältnisse von Kreativschaffenden. Es ist an der Zeit, über diese fruchtlose Diskussion hinausdenken. Die Vergütung Kreativschaffender wird mittlerweile von allen Seiten als unbefriedigend empfunden, von Verwertern ebenso wie von Urhebern und mittlerweile auch von Nutzern. Es stellt sich daher die Frage, ob es für dieses Problem nicht eine andere Lösung geben sollte als das Urheberrecht. Können Künstler in der digitalen Welt ihr Glück als Selbstvermarkter finden? Helfen vielleicht neue Vergütungsmodelle wie die Kulturflatrate? Oder brauchen wir ein öffentlich-rechtliches Internet? Und was ist überhaupt eine »angemessene Vergütung« für Kreativschaffende? Geht es dabei um den bloßen Tauschwert? Um eine soziale Absicherung? Oder um einen »Wert der Kreativität«, der in irgendeiner Weise jenseits von marktwirtschaftlichen Erwägungen bestimmt werden müsste? Das Urheberrecht war zweifellos eine emanzipatorische Errungenschaft. Es war dazu gedacht, die Unabhängigkeit und Freiheit des einzelnen Kreativen abzusichern. Diesen radikalen Anspruch hat es jedoch nie

Einleitung

ganz einlösen können. Heute verstärkt es oftmals gerade die Abhängigkeit der Kreativen von tradierten Verwertungsstrukturen, statt ihre Autonomie zu sichern. Die zeitgemäße Antwort auf dieses Versagen des Urheberrechts ist die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Dabei geht es nicht um eine Sozialabspeisung prekärer Existenzen, die mit dem Kopf in den Wolken leben. Und erst recht nicht darum, Angehörigen des ohnehin schon stark subventionierten Kulturbetriebs weitere Privilegien zu sichern. Sondern um die Anerkennung der Kreativität als herausragenden Produktivfaktor in unserer Gesellschaft. Um general intellect. Und deshalb letztlich auch um Umverteilung.

13

1. Cardillacs Erben Abstract Sichert das Urheberrecht den Kreativen eine angemessene Vergütung? Stellt es eine Garantie dafür dar, dass sie von ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten können? Nur weil der Urheber an den Produkten seiner Arbeit ein »geistiges Eigentum« besitzt, kann er diese verkaufen. Nur weil er gefragt werden muss, bevor seine Arbeit verwertet werden darf, kann er für seine Leistung eine angemessene Gegenleistung verlangen. Entstanden ist das Urheberrecht aus dem Geist der Romantik. Der Schöpfer soll eine weitreichende Verfügungsgewalt über sein Werk haben. Warum können die meisten Urheber dann von ihrer Arbeit trotzdem nicht leben? Weil das Einkommen, das Urheber erzielen können, davon abhängt, wie viel die Rechte an ihren Werken auf dem Markt wert sind. Das Urheberrecht selbst ist zwar unübertragbar, die Verwertungsrechte jedoch werden gehandelt wie andere Waren auch. Wie gut oder schlecht Urheber von ihrer Arbeit leben können, hängt also nicht vom Urheberrecht ab, sondern davon, wie gut oder schlecht die jeweiligen Verträge sind, die sie unterzeichnen.

Wovon bezahlen Künstler ihre Miete? Wie bestreiten Kreativschaffende ihren Lebensunterhalt? »Armut ist ein großer Glanz aus Innen«, heißt es bei Rilke, und das Spitzwegsche Bild vom »Armen Poeten«, der in seinem unbeheizten Dachkämmerchen friert, hat sich tief ins kulturelle Bewusstsein eingebrannt. Einer verbreiteten Auffassung zufolge müssen Künstler sogar arm sein, denn wer satt und zufrieden ist, wird eher faul und träge. Not macht hingegen erfinderisch. Also ist ein leerer Magen gut für die Kreativität. Es gibt aber auch die gegenteilige Auffassung, die moderner daherkommt, aber kaum weniger romantisch ist. Ihr zufolge sichert das Urheberrecht den Künstlern ihr Einkommen. Es sorgt dafür, dass sie nicht

16

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

vom Wohlwollen irgendwelcher Mäzene abhängig sind, sondern für ihre Arbeit Geld verlangen, die Produkte ihrer Arbeit verkaufen können. Also stellt das Urheberrecht die Lebensgrundlage der Künstler dar. Auch diese Auffassung verdankt sich indes nicht einer Analyse der tatsächlichen Lebensbedingungen von Kreativschaffenden. Denn formal gesehen, sind sie alle vom Urheberrecht geschützt. Tatsächlich sichert es den allermeisten von ihnen jedoch keineswegs das Überleben. Im Gegenteil, die meisten Künstler bleiben Hungerleider, die sich mehr schlecht als recht durchschlagen. Die jährlich veröffentlichten Zahlen der Künstlersozialkasse, also der staatlichen Kranken- und Rentenversicherung für Kreative, sprechen da eine deutliche Sprache. Sie veranschlagen das Durchschnittseinkommen aus künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit mit schöner Regelmäßigkeit bei etwa 1.200 Euro im Monat, schon seit Jahren. Irgendetwas scheint da mit dem Urheberrecht nicht zu stimmen.

K RE ATIVE K R ÄMERSEELEN Die Geschichte von der Geburt des Urheberrechts aus dem Geiste der Emanzipation ist bis heute seine wesentliche Legitimationserzählung. Und sie hat historisch durchaus ihre Richtigkeit. Kunst und Kultur haben im Barock noch eine Art Aufhübschungsfunktion, sollen den fürstlichen Ruhm mehren oder die Herrschenden amüsieren. Maler malen repräsentative Portraits der Herrschenden, Musiker komponieren die Musik für höfische Feste. Die Vorstellung einer Kunst, die keine dienende Funktion hätte, gibt es noch nicht. Das ändert sich mit dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft. Die Bürger bauen sich als Kaufleute und Handeltreibende eine eigene Existenz auf, befreien sich von der Bevormundung durch den Adel. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das bürgerliche Privateigentum. Während der Bauer, der auf dem Acker seines Lehnsherrn arbeitet, unfrei ist, weil er über die Mittel zur Erwirtschaftung seiner Existenzgrundlagen nicht selbst verfügt, wird der Bürger zum freien Mann, weil er eigenen Besitz hat, mit dem er handeln kann. Die Zugehörigkeit zur bürgerlichen Klasse ist ohne privates Eigentum nicht denkbar. Im selben Maße, wie die junge, aufstrebende Klasse an Selbstbewusstsein gewinnt, befreit sich auch die Kunst von den Fesseln der Hof kultur.

1. Cardillacs Erben

Während also die Bürger sich eine Sphäre der Freiheit und Unabhängigkeit von der Herrschaft der Fürsten erkämpfen, erringen die Kreativen eine Freiheit von der Unterwerfung ihres Schaffens unter die Zwecke der Repräsentation. Wie die Unabhängigkeit des Bürgertums darauf beruht, dass die Sphäre des Wirtschaftens und Handelns dem Zugriff der Machthaber entzogen bleibt, so basiert die neu gewonnene Unabhängigkeit der Künstler auf deren Autonomie, die ihnen der Markt garantiert. Mit der Entstehung eines bürgerlichen Lesepublikums entsteht auch die Grundlage für ein »freies«, unabhängiges Schriftstellertum. Wie sein großer Bruder, der Kaufmann, so hat auch der kleine Künstler sein Eigentum, eben sein geistiges Eigentum. Es gehört von Natur aus ihm, da er es aufgrund seiner eigenen Leistung geschaffen, es sich erarbeitet hat. Und wie bei seinem Sacheigentum, so hat er auch beim geistigen Eigentum das Recht, Dritte von dessen Nutzung auszuschließen – oder eben Geld dafür zu verlangen. Über den Begriff des geistigen Eigentums wird im Zusammenhang mit dem Urheberrecht derzeit viel gezankt. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass geistiges Eigentum nicht dasselbe sei wie Sacheigentum. Auch sei der Begriff eine sehr junge Erfindung. Das ist beides richtig, schließlich ist das Konzept des bürgerlichen Privateigentums ohnehin noch sehr jung. Und doch ist es dieser moderne Eigentumsbegriff, den wir in aller Regel als den unseren verstehen. Eigentumsrechte sind das A und O einer Marktwirtschaft. Aber wenn Eigentum auf einem Markt gehandelt wird, also ständig den Besitzer wechselt, woher weiß man dann eigentlich, was gerade wem gehört? Bei materiellen Gegenständen scheint das ganz einfach: Man nimmt an, dass sie Eigentum desjenigen sind, in dessen Besitz sie sich befinden. Doch selbst dieser Anschein kann trügerisch sein. Zum Beispiel gehören viele Häuser nicht denen, die drin wohnen. Deshalb gibt es zum Beispiel für Häuser Grundbucheinträge, die als juristischer Beweis für das Eigentum gelten. Bei unkörperlichen Dingen wie etwa den Produkten geistiger Leistungen ist es noch schwieriger. Wem gehört zum Beispiel die Melodie eines Liedes? Oder der Text, der in einem Buch abgedruckt ist? Die Gedanken sind bekanntlich frei, und der Besitz des Buchs zeigt gerade nicht das geistige Eigentum an dem darin gedruckten Text an. Man weiß ja beim Hören oder Lesen nicht, wer das Werk komponiert oder geschrieben hat. Um zu entscheiden, wem das Werk gehört, braucht man eine juristische

17

18

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Konstruktion wie das Urheberrecht. Das Urheberrecht ist also in seinem Kern dazu da, Eigentumsrechte zuzuweisen. Es ist ein Zuordnungsprinzip. Wie das Eigentum an Sachen, so musste allerdings auch das Eigentum an immateriellen Gütern erst hergeleitet und begründet werden. Und zwar durchaus nicht, wie häufig behauptet wird, wegen der Unterschiede zum Sacheigentum, sondern gerade wegen der Gemeinsamkeiten. Es scheint uns heute so selbstverständlich, dass wir oft nicht mehr darüber nachdenken, aber natürlich ist es keineswegs gottgegeben, dass das, was sich jemand ausdenkt, ihm auch als sein Eigentum gehört. Dahinter steht eine aufklärerische Haltung. Schöpfertum war bis zur Aufklärung etwas Religiöses. Gott hatte die Welt geschaffen, und Inspiration war dort, wo sie eine Rolle spielte, etwa bei Mönchen, eine göttliche Gabe, keine eigene Leistung. Kunst definierte sich durch die möglichst vollkommene Erfüllung vorgegebener Regeln. So sind auch die normativen Vorschriften aus der Poetik des Aristoteles zu verstehen. Dieser hatte die Bedeutung der imitatio betont: Dramatiker sollten echte Menschen so nachbilden, dass die Handlung möglichst wahrscheinlich wirkte. Darunter wurde zwar kein realistisches Abbild der Wirklichkeit verstanden, aber eben doch ein Abbild, keine eigene Neuschöpfung. Und natürlich hatten die Griechen keinerlei Begriff von einem Eigentum des Dichters an seinen Epen oder Dramen. Diese waren Kult oder Geschichtsschreibung, sie standen im Dienst der Gemeinschaft. Auch zu Zeiten, als die Kunst noch im Dienst der Fürstenhöfe stand, gab es eine solche Vorstellung nicht. Hofdichter wurden bezahlt, aber nicht dafür, dass sie mit den Fürsten Lizenzverträge abgeschlossen hätten. Übrigens auch nicht für ihre Arbeitszeit. Künstler waren Dienende, und die Kunst war auch eine dienende. Sie erfüllte klar definierte Funktionen und hatte keine individuelle Komponente. Sie musste sich an Regeln halten, die genauso starr waren wie die fürstliche Etikette selbst. Dies wirkt noch in die Kunsttheorie der Auf klärung hinein. Nachahmung der Wirklichkeit und die Beherrschung des eigenen Handwerks nach allen sprichwörtlichen »Regeln der Kunst« stehen hier am Anfang der Poetik.

1. Cardillacs Erben

A US DEM G EISTE DER R OMANTIK Im 18. Jahrhundert findet dann eine architektonische Verschiebung statt, die Jochen Schmidt in seiner »Geschichte des Geniegedankens« ausführlich beschrieben hat (Schmidt 1985). Die Wahrscheinlichkeitsregel, die bei Aristoteles den Maßstab für die Qualität der Nachahmung darstellt, wird immer mehr gegen den Strich gelesen, um immer größere Freiräume herauszuschinden. Wenn etwas nur »wahrscheinlich« zu sein braucht, braucht es ja gerade keine Abbildung zu sein, keine bloße Kopie. Die Vorgabe der Nachahmung wird immer mehr in Richtung schöpferischer Freiheit ausgedehnt. »Hier sitz ich, forme Menschen nach meinem Bilde«, lässt Goethe seinen Prometheus sprechen. Der Mensch nimmt für sich in Anspruch, was bis dato Gott vorbehalten war: Schöpfer zu sein. Bei Goethe ist dies noch aufklärerisch gedacht, doch wenig später wird das autonome Ich zum romantischen Genie. Das Schöpfertum wird zwanghaft und nähert sich dem Wahnsinn an, der in der Romantik selbst literaturfähig, ja zum bevorzugten literarischen Sujet wird. 1810 tritt in Baden das erste deutsche Urheberrechtsgesetz in Kraft, ausgestaltet nach französischem Vorbild. Der Schutz der Werke ist beschränkt auf die Lebenszeit des Autors, also nur etwa halb so lang wie heute in Europa. 1820 veröffentlicht E.T.A. Hoffmann seine Novelle »Das Fräulein von Scuderi«. Sie spielt am Hof von König Ludwig XIV. Eine Serie rätselhafter Morde erschüttert die Stadt. »Die Ermordeten, wie sie beinahe jeden Morgen auf der Straße oder in den Häusern lagen, hatten alle dieselbe tödliche Wunde. Einen Dolchstich ins Herz, nach dem Urteil der Ärzte so schnell und sicher tötend, daß der Verwundete, keines Lautes mächtig, zu Boden sinken mußte.« Und immer handelt es sich um junge Adlige, die auf dem Weg zu ihrer Geliebten sind, mit wertvollem Schmuck in der Tasche, auf den der Mörder es offenbar abgesehen hat. Die jungen Adligen wenden sich an den König, der für eine Verstärkung der Polizei sorgen soll. Doch dessen Hofdichterin, das Fräulein von Scuderi, rät ihm ab. »Un amant qui craint les voleurs, n’est point digne d’amour«, meint sie. Ein Liebhaber, der die Diebe fürchtet, ist der Liebe unwürdig. Kurze Zeit später wird der Scuderi zu ihrer Überraschung ein Kästchen überbracht, das ein kunstvolles Geschmeide enthält – und eine Dankesbotschaft des Mörders. Ein makaberer Scherz? Die Scuderi trägt das

19

20

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Schmuckkästchen zur Marquise, welche erkennt, dass es sich um eine Arbeit des berühmten Goldschmieds René Cardillac handeln muss. Um zu erfahren, wessen Eigentum das geraubte Schmuckstück sei, wird dieser an den Hof zitiert. Er gibt an, das Schmuckstück, das aus seiner Werkstatt entwendet worden sei, nur für sich selbst geschaffen zu haben. Doch bittet er die Scuderi, sie möge es behalten, da er bei der Arbeit stets nur an sie gedacht habe. Obwohl ihr die Sache unheimlich ist, nimmt sie das Geschenk an. Wenig später erfährt sie vom Tod des Goldschmieds, der angeblich von seinem Gesellen Olivier ermordet wurde. Dieser bittet jedoch um eine Audienz bei der Scuderi und enthüllt ihr, wie es sich wirklich zugetragen hat. Cardillac selbst war der Mörder, und sein Motiv bestand darin, die edlen Schmuckstücke, die er angefertigt hatte, wieder in seinen Besitz zu bringen. Er konnte es nicht ertragen, dass Fremde, die ihren wahren Wert nicht erkennen, sich zu gesellschaftlichen Anlässen mit ihnen schmückten. Der letzte Mord Cardillacs sei aber misslungen, da das Opfer, ein junger Offizier, sich zur Wehr gesetzt und schließlich Cardillac selbst getötet habe. Er, Olivier, habe lediglich die Leiche bergen wollen und werde nun verdächtigt. Da diese Version schließlich von dem jungen Offizier selbst bestätigt wird, kann das Fräulein von Scuderi den König von der Unschuld Oliviers überzeugen, der so vor der Hinrichtung bewahrt wird und mit seiner jungen Geliebten nach Genf ziehen kann. Der Goldschmied Cardillac ist von E.T.A. Hoffmann eindeutig als Künstlerfigur angelegt, wie die Beschreibung seiner Tätigkeit zeigt: »[O]ft, war die Arbeit beinahe vollendet, mißfiel ihm plötzlich die Form, er zweifelte an der Zierlichkeit irgendeiner Fassung der Juwelen, irgendeines kleinen Häkchens – Anlaß genug, die ganze Arbeit wieder in den Schmelztiegel zu werfen und von neuem anzufangen. So wurde jede Arbeit ein reines, unübertreffliches Meisterwerk, das den Besteller in Erstaunen setzte. Aber nun war es kaum möglich, die fertige Arbeit von ihm zu erhalten. Unter tausend Vorwänden hielt er den Besteller hin von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. […] Mußte er dann endlich dem Andringen des Bestellers weichen und den Schmuck herausgeben, so konnte er sich aller Zeichen des tiefsten Verdrusses, ja einer innern Wut, die in ihm kochte, nicht erwehren.« Cardillac kann es nicht ertragen, dass seine Schmuckstücke zur Ware werden, dass er sich von ihnen trennen und sie veräußern muss.

1. Cardillacs Erben

Der Künstler, der sein Innerstes in sein Werk hineingelegt hat, kann sich nicht mehr davon lösen, auch wenn die Arbeit längst bezahlt ist, das Werk das Atelier längst verlassen hat. Trotz des Verkaufs gehört es in einem inneren Sinne noch immer ihm. »Da geschah es, daß Cardillac plötzlich alle Munterkeit verlor. Er schlich trübe umher, starrte vor sich hin, murmelte unverständliche Worte, focht mit den Händen, Feindliches von sich abwehrend, sein Geist schien gequält von bösen Gedanken. So hatte er es einen ganzen Morgen getrieben.« Erst mit dem Raubmord, durch den er den kunstvollen Schmuck wieder in seinen Besitz bringt, lässt diese innere Unruhe nach. Dass die kunstvollen Geschmeide Teil des gesellschaftlichen Lebens werden, degradiert zur bloßen Zierde am Hals der Damen, die die höfischen Feste besuchen, ist ihrem Schöpfer ein Stachel im Fleisch. Die Genialität des künstlerischen Strebens erweist sich als unvereinbar mit der sozialen Funktion, die der Schmuck in der weltlichen Sphäre hat. »Das genial-autonome Schaffen ist weltlos und so darf und kann die Welt keinen Anteil daran haben«, schreibt Jochen Schmidt (Schmidt 1985: Bd. 2, 37). Der Antagonismus von Kunst und sozialer Wirklichkeit ist auf die Spitze getrieben. Die Freiheit des Künstlers in seinem Schaffen schlägt um in Schicksal, in einen Zwang, der ein Wiederholungszwang im ganz wörtlichen Sinne ist. Der Künstler will allein über sein Werk bestimmen. Die Vorstellung genialen schöpferischen Schaffens aus dem Innersten der eigenen Persönlichkeit heraus ist hier vom Eigentum des Künstlers an seinem Werk nicht zu trennen. Im Gegenteil, der Geniegedanke rechtfertigt ein solches Eigentum überhaupt erst. Zugleich artikuliert die Novelle die typische Paradoxie der bürgerlichen Künstlerexistenz: dass die Freiheit des Geistes mit dem Zwang zusammenfällt, sich der Erzeugnisse zu entäußern, die dieser hervorbringt, sie als Waren auf einem Markt feilzubieten, um sich auf diese Weise den Lebensunterhalt zu sichern. Mit seinem Leiden an dieser Paradoxie ist Cardillac der Prototyp des Urhebers. Nur aus der Geschichte des Genie-Gedankens heraus, der in dieser literarischen Figur seinen deutlichsten Vertreter findet, wird das kontinental-europäische Urheberrecht überhaupt verständlich. Und es ist erstaunlich, wie wirkmächtig dieses Denken bis heute ist. Der Kulturkampf um das Urheberrecht, auf der einen Seite von Verteidigern des geistigen Eigentums, auf der anderen Seite von Reformen und Netzaktivisten geführt, ist nicht zuletzt auch ein Kampf um den romantischen Geist des Urheberrechts.

21

22

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Niedergeschlagen hat sich dieser Geist auch im Gesetzestext: »Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes«, heißt es in § 11. Aus diesem Leitbild werden unmittelbar die sogenannten Urheberpersönlichkeitsrechte hergeleitet, die konkretisieren, wie weit der Schutz reicht. So kann der Urheber sich etwa gegen Entstellungen seines Werks zur Wehr setzen oder dagegen, dass sein Name nicht genannt wird. Er kann unerwünschte Bearbeitungen verbieten, und vor allem kann er einzig und allein darüber bestimmen, in welcher Weise das Werk verwendet werden darf. Die Urheberpersönlichkeitsrechte begründen auch, warum das Urheberrecht in Deutschland grundsätzlich nicht übertragbar ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Verbindung des Künstlers zu seinem Werk so eng ist, dass ihm nicht zugemutet werden kann, sich vollständig davon zu trennen. Er kann einem anderen lediglich Nutzungsrechte an seinem Werk einräumen. Grundsätzlich gehört es aber immer ihm, bleibt sein unveräußerliches Eigentum.

U RHEBERRECHT UND C OPYRIGHT Im kontinental-europäischen Urheberrecht steht der Urheber stets im Mittelpunkt. Er darf entscheiden, zu welchen Bedingungen sein Werk von wem genutzt werden darf. Die Nutzer haben keine originären Rechte, sondern kommen nur dort zum Zuge, wo das Recht des Urhebers ausnahmsweise ein bisschen eingeschränkt ist. Man spricht hier von sogenannten »Schrankenregelungen«, mit denen beispielsweise Nutzungen im Bereich von Wissenschaft und Forschung privilegiert werden. Durch seine Ausrichtung auf die Persönlichkeit des Urhebers unterscheidet das Urheberrecht kontinentaleuropäischer Prägung sich grundsätzlich vom anglo-amerikanischen Copyright. Wie der Name schon sagt, ist das Copyright weniger ein Recht des Urhebers als des Nutzers. Es geht nicht vom Akt der Schöpfung aus, sondern von der Handlung des Kopierens. Ihm geht es eher darum, welche Funktion das Recht in der Gesellschaft hat. Dies wird deutlich in einer Rede, die Thomas Babington Macaulay, der spätere Lord Macauly, am 5. Februar 1841 vor dem englischen Parlament gehalten hat:

1. Cardillacs Erben

»The advantages arising from a system of copyright are obvious. It is desirable that we should have a supply of good books; we cannot have such a supply unless men of letters are liberally remunerated; and the least objectionable way of remunerating them is by means of copyright. You cannot depend for literary instruction and amusement on the leisure of men occupied in the pursuits of active life. Such men may occasionally produce compositions of great merit. But you must not look to such men for works which require deep meditation and long research. Works of that kind you can expect only from persons who make literature the business of their lives. Of these persons few will be found among the rich and the noble. The rich and the noble are not impelled to intellectual exertion by necessity. […] It is then on men whose profession is literature, and whose private means are not ample, that you must rely for a supply of valuable books. Such men must be remunerated for their literary labour. And there are only two ways in which they can be remunerated. One of those ways is patronage; the other is copyright.« 1 Das Copyright ist nicht naturrechtlich begründet, sondern pragmatisch, funktional. Es soll dafür sorgen, dass der Gesellschaft auch weiterhin genügend Werke zur Verfügung stehen. Dies setzt voraus, so Macaulay, dass die Autoren mit ihrer Arbeit Geld verdienen können – zumindest, wenn es keine Mäzene gibt, die sie aushalten. Der Urheber bekommt deshalb ein zeitlich begrenztes Monopol auf die wirtschaftliche Verwertung seines geistigen Eigentums. Das ist eine aus europäischer Sicht erstaunlich pragmatische Haltung. Es wird geradezu egoistisch aus Sicht der Gemeinschaft argumentiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen Nutzen die Gesellschaft aus dem künstlerischen Schaffen zieht. Es geht in erster Linie um den Zugang der Nutzer zu den Werken. Dieser Ansatz wird als utilitaristisch bezeichnet. Hingegen ist der europäische Begründungsansatz eher ein naturrechtlicher. Die Rechte des Urhebers an seinem Werk wachsen ihm aufgrund seiner persönlich-geistigen Beziehung zu diesem Werk zu. Das Publikum hat nicht viel mitzureden. Verhandelt wird im Rahmen dieser unterschiedlichen Ansätze letztlich, was der Künstler der Gesellschaft schuldet und umgekehrt. Hat der Künstler ein naturgegebenes Recht an seinem Werk, weil er es aus sich selbst heraus geschaffen hat? Oder hat umgekehrt die Gesellschaft ein Recht, jedes künstlerische Werk so zu nutzen, wie es ihr sinnvoll erscheint, den eigenen Bedürfnissen entsprechend, unabhängig von den

23

24

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Intentionen und dem Willen des Künstlers? Es geht also um die Frage nach der Sozialpflichtigkeit von Kunst und Kultur. Oder allgemeiner ausgedrückt: um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft. Was darf die Gesellschaft vom Einzelnen erwarten und umgekehrt? Wie viel Freiheit hat der Einzelne, und wo fängt die Freiheit der anderen an? Sich ein Urheberrecht vorzustellen, das die größtmögliche Freiheit der Kreativen mit der größtmöglichen Freiheit der Gesellschaft im Umgang mit deren Werken verbinden würde, ist alles andere als leicht. Man könnte nun meinen, dass das kontinental-europäische Urheberrecht tendenziell urheberfreundlicher sei als das anglo-amerikanische Copyright. Denn das Copyright ist komplett übertragbar: Der Urheber kann alle Rechte an seinem Werk aus der Hand geben. Hingegen ist das Urheberrecht unveräußerlich. Bedeutet dies nicht, dass das Urheberrecht ein stärkerer Schutz ist?

C HAMPAGNER AUS G EHIRNSCHALEN Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns genauer ansehen, wie der Verkauf von geistigen Werken in der Praxis funktioniert. Normalerweise verkauft ein Autor nicht sein Manuskript an einen Leser, sondern er wendet sich an einen Verlag, dem er das Recht einräumt, dieses Manuskript als Buch zu drucken und zu verkaufen. Damit kommt eine dritte Instanz ins Spiel, der sogenannte Verwerter des Werks, der als Mittler zwischen dem Autor und dem Leser steht. Verkauft der Autor also doch sein Urheberrecht an den Verlag? Nein, sondern er räumt diesem ein sogenanntes Nutzungsrecht ein, in diesem Fall also das Recht, das Werk zu drucken und im Buchhandel zu vertreiben. Das Urheberrecht ist nicht übertragbar, die daraus abgeleiteten Nutzungsrechte aber durchaus. Sie sind es, die verkauft werden wie andere Waren auch. Wenn wir also im Bezug auf das Urheberrecht von einem Markt sprechen, sprechen wir von einem Markt, auf dem Rechte gehandelt werden, nicht Bücher, Filme oder Musik-CDs. Wir sprechen auch nicht von einem Arbeitsmarkt, auf dem ein Künstler Geld für abgeleistete Arbeitsstunden bekommt. Ein Urheber erhält immer nur Geld dafür, dass er Nutzungsrechte an seinem Werk verkauft. Obwohl also das Urheberrecht formal unübertragbar ist, gehören diese Rechte fortan nicht mehr ihm. Das ist nun einmal der Sinn von Wa-

1. Cardillacs Erben

renhandel: Es geht dabei immer um eine Übertragung von Eigentum. Das Urheberpersönlichkeitsrecht verbleibt zwar beim Autor, aber er kann sich im wahrsten Sinne des Wortes nichts davon kaufen, es ist nur eine leere Hülle. Wirtschaftlich relevant sind allein die Verwertungsrechte, die nun dem Verlag gehören. Inwiefern der Verlag ihn an etwaigen Gewinnen beteiligt, die er mit dem Werk erzielt, hängt nicht vom Urheberrecht ab, sondern davon, wie stark die Verhandlungsposition des Autors bei der Vertragsunterzeichnung gewesen ist. Durch die Rechteübertragung ist der Verlag in die Position des Autors eingerückt. Das Urheberrecht schützt nun nicht mehr den Autor, sondern den Verwerter. Verlage, Labels, Contentportale, all diese sogenannten »Werkmittler« kommen nun also in den Genuss der Monopolrechte, die das Urheberrecht den Urhebern zugedacht hat. In der öffentlichen Diskussion um das Urheberrecht wird oft davon ausgegangen, dass Werkmittler und Urheber dieselben Interessen hätten. Tatsächlich ist das nur begrenzt der Fall. Der Künstler, also der Autor, Komponist oder sonstige Kreativschaffende, hat natürlich ein Interesse daran, dass seine Arbeit wahrgenommen, also rezipiert wird. Er möchte, dass sein Werk sich möglichst weit verbreitet. Zugleich hat er ein Interesse, für seine Arbeit bezahlt zu werden. Der Verwerter hat hingegen das Interesse eines jeden Wirtschaftsunternehmens: Er möchte möglichst viel Gewinn machen. Das bedeutet, dass er möglichst hohe Einnahmen erzielen und zugleich seine Produktionskosten möglichst gering halten muss. Er hat also keinen Anlass, den Komponisten und Musikern, Programmierern und Autoren mehr zu bezahlen, als unbedingt nötig ist. Verleger schlürfen aus den Hirnschalen ihrer Autoren Champagner, meinte einmal der Publizist Erich Kuby. (Das Zitat wird allerdings fälschlich oft Tucholsky zugeschrieben.) Das sehen Verleger naturgemäß anders, aber nicht nur sie. Auch die Autoren selbst betonen oft, wie vertrauensvoll sie mit ihren Verlagen zusammenarbeiten. Und es ist kein Zufall, sondern ein Ausdruck von Geschäftssinn, dass die meisten Autoren ihre Bücher nicht im Selbstverlag herausbringen, obwohl das mittlerweile leicht möglich ist, sondern sich für die Zusammenarbeit mit einem Verlag entschieden. Ähnlich im Musikbereich: Zwar kann jeder Künstler heute seine Musik leicht selbst veröffentlichen, aber, so geben Vertreter großer wie kleiner Musikunternehmen zu bedenken, wenn man wirklich Erfolg haben wolle, brauche man Profis für die Vermarktung. Selbst neue Finanzierungs- und Vermarktungsformen wie etwa Crowdfunding funk-

25

26

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

tionieren letztlich besser, wenn man sich als Künstler von Profis helfen und beraten lässt – schon allein, um sich Arbeit zu sparen. Viele Urheber kommen also mit ihren Vertragspartnern gut aus. Es kommt aber in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob das persönliche Verhältnis des Schriftstellers a zum Verlag b oder des Musikers x zum Label y gut oder schlecht ist. Und es geht auch nicht darum, ob es sich für den Einzelnen wirtschaftlich lohnt, mit einem Verwerter zusammenzuarbeiten, oder eher nicht. Sondern hier geht es um die Funktion von Verwertern und darum, welche Interessen sie haben. Dieselben wie die Urheber? Oder andere? Unbestreitbar ist: Verwerter wollen Geld verdienen. Obwohl sie also gegenüber den Nutzern in diesem Punkt dasselbe Anliegen haben wie die Urheber, vertreten sie doch nicht deren Interessen, sondern ihre eigenen. Sie sind keine Treuhänder der Urheber, sondern deren Vertragspartner. Das ist ein Unterschied. Treuhänder verwalten fremdes Eigentum im besten Interesse derer, die es ihnen anvertraut haben. Sie handeln ohne eigene Gewinnerzielungsabsicht. Auch im Kulturbereich gibt es solche Treuhänder, beispielsweise die staatlich kontrollierten Verwertungsgesellschaften wie die VG WORT oder die GEMA. Diese bereichern sich nicht an den Einnahmen, die sie erzielen, sondern verwalten diese lediglich für die Urheberinnen und Urheber.2 Sie handeln also nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse. Anders Plattenfirmen oder Verlage: Diese kaufen den Urhebern Nutzungsrechte ab, um sie möglichst profitabel zu verwerten, also Bücher zu drucken, CDs zu pressen oder Downloads an Endkunden zu verkaufen, und dabei möglichst viel Gewinn zu machen. Das ist nicht an sich verwerflich. Und völlig legitim ist es auch, dass Verwerter einen Teil des Gewinns, den sie mit den Werken der Urheber erzielen, für sich behalten. Im Idealfall profitiert schließlich auch der Urheber von der Leistung des Verwerters. Das heißt aber nicht, dass beide dieselben Interessen hätten. Denn offenkundig konkurrieren sie letzten Endes um das Geld, das von den Rezipienten der Werke bezahlt wird. Je mehr davon beim Verwerter hängen bleibt, desto weniger kommt beim Urheber an.

1. Cardillacs Erben

A NGEMESSENE V ERGÜTUNG UND V ERTR AGSFREIHEIT Es geht hier also um die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Deshalb ist der Begriff »Rechteinhaber«, der heutzutage gern benutzt wird, um das Urheberrecht zu verteidigen, so irreführend. Er verschleiert, dass sich dahinter in der Regel gerade nicht der Urheber selbst verbirgt. Rechteinhaber ist immer nur einer: entweder der Urheber oder der Verwerter, also der Autor oder der Verlag, der Künstler oder das Label. Wenn der Urheber seine Rechte abgetreten hat (»eingeräumt«, wie die Juristen sagen), hat er oft nicht mehr viel zu melden. Insbesondere wenn Urheber Verträge mit großen Medienkonzernen schließen, sind sie bei den Vertragsverhandlungen in der Regel in der schwächeren Position. Und da sie Freiberufler sind, schützt sie kein Arbeitsrecht und keine Gewerkschaft. Damit ihr Werk überhaupt veröffentlicht wird, müssen sie bei Vertragsschluss alle oder doch die meisten Rechte daran aus der Hand geben. Sie bekommen dafür entweder eine Einmalzahlung, mit der alle Rechte abgegolten sind und die meist ziemlich niedrig ist. Solche Verträge nennt man Total-Buyout-Verträge. Oder sie erhalten einen Vorschuss auf prozentuale Beteiligungen an verkauften Stückzahlen, einzelnen Downloads oder Abogebühren. Dann sind die Prozentsätze meist so niedrig, dass die Schwelle, ab der die Einnahmen über die Vorschusszahlung hinausgehen würden, nie erreicht wird. Und wenn doch, fließen meist nur noch Kleckerbeträge. Irgendwann hat in Deutschland der Gesetzgeber gemerkt, dass es da ein Problem gibt. Und er hat versucht, ein für Europa vorbildliches Urhebervertragsrecht zu schaffen. Im Jahr 2002 hat der Bundestag einen Anspruch auf »angemessene Vergütung« ins Urheberrechtsgesetz aufgenommen – mit dem erklärten Ziel, Urhebern bei ihren Vertragsverhandlungen mit großen Verwerterkonzernen den Rücken zu stärken. Genützt hat es wenig. Lediglich in wenigen Teilbranchen ist es zur Einführung solcher Vergütungsregeln gekommen, etwa bei den literarischen Schriftstellern, den freiberuflichen Tageszeitungsjournalisten, bei Pressefotografen und Drehbuchautoren. Während die Vereinbarung der Schriftsteller den status quo festgeklopft, aber keine Verbesserung gebracht hat, ist die Abmachung der Tageszeitungsjournalisten nicht nur von den Betroffenen selbst stark kritisiert worden, sondern sie bleibt bis heute auch weitgehend wirkungslos. Die meisten Zeitungsverleger halten sich einfach nicht daran. Und bei den Drehbuchautoren ist gar nicht

27

28

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

sicher, ob die mit dem ZDF erzielte Einigung überhaupt als Vergütungsregel im Sinne des Gesetzes zu gelten hat. Warum war diese grundsätzlich richtige Herangehensweise zum Scheitern verurteilt? Zum einen aufgrund der Medienmacht der Verwerter. Diese führten damals eine beispiellose Kampagne gegen die von einer SPD-Justizministerin mehr oder weniger im Alleingang vorangetriebene Reform. Im Fernsehen wurden Untertitel eingeblendet, die mitteilten, man werde solche Programme nicht mehr zeigen können, wenn das »Stärkungsgesetz«, wie es im Bundestag genannt wurde, verabschiedet würde. Die Verleger schalteten ganzseitige Anzeigen in ihren Zeitungen, in denen sie für den Fall des Inkrafttretens dieses angeblich kulturfeindlichen Gesetzes so ungefähr das Ende des Abendlandes verkündeten. Viele Urheber, die im Zusammenhang mit der Pirateriediskussion von 2012 Aufrufe unterzeichnen, in denen das symbiotische Verhältnis von Urhebern und Verwertern beschworen wurde, konnten sich an diese Kampagne offenbar nicht mehr erinnern. Am Ende wurde das Gesetz trotzdem verabschiedet, aber so entschärft, dass es nicht mehr viel nützte. Man kann sich allerdings fragen, ob es neben dieser politischen Kampagne der Verwerter nicht auch einen tieferen Grund für das Scheitern der Initiative gab. Das Gesetz stellte nämlich durchaus einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit dar. Dieser war zwar begründet, nämlich mit der Notwendigkeit, den strukturell schwächeren Vertragspartner zu schützen. Weil das Urheberrecht aber von seinem Ursprung her ein Recht des geistigen Eigentums ist, ist natürlich jede Einschränkung der Freiheit, über dieses Eigentum zu verfügen, systemwidrig. Wenn Rechte an geistigen Werken gehandelt werden sollen wie Waren, dann müssen sie auch wie Waren zirkulieren können. Dazu passt es nicht, wenn man diese Zirkulationsfähigkeit einschränkt, indem man die Übertragbarkeit der Rechte an Bedingungen knüpft. Wie der freie Handel mit Gütern, so beruht auch die Freiheit, Verträge miteinander zu schließen, auf der Freiheit des Eigentums. Das Verhältnis, in dem die Vertragspartner zueinander stehen, ist dabei dem Verhältnis freier Warenbesitzer auf einem Marktplatz nachgebildet. Noch heute werden Schulkindern Kaufverträge anhand eines Brötchenkaufs beim Bäcker erklärt. Wenn man etwas für Geld kauft, schließt man einen Vertrag. Das setzt natürlich voraus, dass man über das, was man kauft, verfügen kann wie über sein Eigentum. Entsprechend möchte auch der Käufer von Nutzungsrechten am Werk eines Urhebers keine Einschrän-

1. Cardillacs Erben

kungen hinnehmen. Folglich sichern die Verwerter sich in solchen Verträgen gegen Ansprüche der Urheber maximal ab. Die Urheber stecken hier in einer echten Zwickmühle: Einerseits garantiert nur die Behandlung ihrer Werke als geistiges Eigentum ihnen die Freiheit, autonom zu agieren und sich in niemandes Abhängigkeit begeben zu müssen. Andererseits bedeutet gerade diese Freiheit, dass sie der Logik des Marktes schutzlos ausgeliefert sind. Je radikaler sie sich also auf ihr Urheberrecht berufen, desto nachhaltiger legitimieren sie, dass sie für die Nutzungsrechte eben nicht das erhalten, was sie gerne hätten, sondern nur das, was diese Rechte tatsächlich wert sind. Das wiederum sieht man daran, wie viel jene, die diese Rechte kaufen, dafür zu zahlen bereit sind. Denn wenn der Wert durch den Tauschwert bestimmt wird, so richtet er sich letztlich nach dem Preis, den die Ware auf dem Markt erzielt. Seine Bestimmung wird dann rein tautologisch, denn der Markt bedarf keiner externen Begründungen, er rechtfertigt sich selbst. Das Urheberrecht ist keineswegs ein Schutzschild, das die Kreativen gegen den freien Markt hochhalten könnten. Sondern es macht diesen freien Markt für den Handel mit geistigem Eigentum überhaupt erst möglich. Wie gut oder schlecht Künstler von ihrer Arbeit leben, hängt nicht vom Urheberrecht ab, sondern davon, was in ihren Verträgen steht. Diese können sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, wie gut oder schlecht die Urheber verhandelt haben. Wie gut oder schlecht sie verhandeln können, hängt wiederum vor allem von ihrer Position auf dem Markt ab. Sind sie erfolgreich, können sie bei künftigen Vertragsabschlüssen souveräner auftreten. Dasselbe gilt umgekehrt: Wenn sie souverän verhandeln, haben sie in der Regel auch ein höheres Einkommen, weil sie sich dann einen größeren Teil vom Kuchen sichern können. Nicht das Urheberrecht des Kreativen ist also entscheidend, sondern seine »Wettbewerbsfähigkeit«. Die in Wirklichkeit keine Fähigkeit ist, sondern ein Kräfteverhältnis. Jeder selbstständige Unternehmer, der mit seinen Auftraggebern über Honorare verhandelt, kennt das. Verhandelt haben Künstler schon lange, bevor es überhaupt ein Urheberrecht gab. Oft waren sie mit dem Ergebnis nicht glücklich, manchmal schon. Daran hat sich durch das Urheberrecht nichts geändert. Und übrigens auch nicht durch die Digitalisierung, mit der zahlreiche neue Nutzungsarten entstanden sind. Theoretisch hätten die Urheber seither ständig mehr verdienen müssen, da ihre Werke ja in vielerlei neuen Formen verwertet werden. In Wirklichkeit ist davon nichts zu spüren. Wenn überhaupt mehr Geld hereinkommt, so kommt es of-

29

30

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

fenbar nicht bei den Urhebern an. Mit oder ohne Urheberrecht gilt auf einem freien Markt immer das Recht des Stärkeren. Die formale Freiheit und Gleichheit beim Verhandeln über Leistung und Gegenleistung führt regelmäßig zu einer tatsächlichen Ungleichheit und Unfreiheit, wenn auf der einen Seite große Konzerne stehen und es auf der anderen Seite ein Überangebot an freien Kleinunternehmern gibt. Nicht anders ist es auf dem Kultur- und Kreativmarkt. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass in der Diskussion um das Urheberrecht häufig von einem Konflikt zwischen Urhebern und Nutzern die Rede ist. Zumindest, sofern dabei die Endnutzer gemeint sind, also die Konsumenten, und nicht die Verwerter als die ersten Nutzer urheberrechtlicher Werke. Denn sie sind es schließlich, die Rechte erwerben und wirtschaftlich verwerten. Wohingegen die Endnutzer im Normalfall lediglich Produkte kaufen, also für Bücher, CDs oder Downloads bezahlen, ohne dabei irgendwelche Rechte an dem geistigen Eigentum der Urheber erwerben zu müssen. Solche Rechte benötigen sie auch gar nicht. Das Lesen von Büchern, das Anschauen von Filmen oder das Anhören von Musik – juristisch gesprochen: der reine »Werkgenuss« – ist völlig urheberrechtsfrei. Deshalb sind Endnutzer in aller Regel nicht die Vertragspartner der Urheber. Sofern Urheber nicht Selbstverwerter sind – was tatsächlich immer mehr von ihnen probieren – könnten ihnen Piraterie und illegale Downloads also völlig gleichgültig sein. Ihr Problem ist nicht, dass die Nutzer nicht zahlen würden, sondern dass selbst dann, wenn die Nutzer zahlen, oft zu wenig von dem Geld bei ihnen ankommt. Einen Konflikt zwischen Urhebern und Nutzern gibt es allenfalls indirekt. Wenn die Nutzer für die Endprodukte kein Geld mehr bezahlen wollen, sondern diese illegal kopieren, kann auch bei den Urhebern keine Umsatzbeteiligung mehr ankommen. Auf diesen Zusammenhang zielen in der Tat die öffentlichkeitswirksamen Kampagnen der Rechteindustrie ab, die stets behauptet, das größte Problem im Zusammenhang mit dem Urheberrecht sei die Online-Piraterie. Ob aber »Internetpiraterie« tatsächlich »einen jährlichen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe« verursacht, wie der Bundesverband Musikindustrie auf seiner Webseite3 behauptet, ist sehr fraglich. Eine im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie kommt zu dem Schluss, dass der größte Teil der Musik, die im Netz illegal konsumiert wird, auch dann nicht legal gekauft worden wäre, hätten die illegalen Angebote nicht zur

1. Cardillacs Erben

Verfügung gestanden.4 Die meisten Studien gehen von einer Substitutionsrate von 20-30 Prozent aus. Zehn illegal heruntergeladene Songs bedeuten also maximal zwei oder drei entgangene Verkäufe. Trotzdem lassen sich Urheberinnen und Urheber von den Verwertern immer wieder einreden, ihre schlechten Honorare hingen mit der OnlinePiraterie zusammen. Vor ein paar Jahrzehnten waren die Kulturindustrie und das Starsystem schuld daran, dass die meisten Künstlerinnen und Künstler Hungerleider blieben. Mittlerweile hat man andere Schuldige gefunden: die Leser, Zuhörer und Zuschauer mit ihrer angeblichen »Gratismentalität« und ihrem Mangel an »Respekt« vor dem »Wert der Kreativität«. Um diesen Zusammenhang zu bekräftigen, fahren die Verwerter eine groß angelegte Kampagne nach der anderen. Nur scheinbar richten diese sich an eine auf klärungsbedürftige Öffentlichkeit. In Wahrheit sind sie dazu da, die Urheberinnen und Urheber zu überzeugen. Die Rede vom mangelnden Respekt vor dem »Wert der Kreativität« erfüllt eine ähnliche Funktion. Damit wird suggeriert, Nutzerinnen und Nutzer seien nicht (mehr) bereit, Künstlern Geld zukommen zu lassen, würden deren Arbeit nicht (mehr) wertschätzen. Respekt vor Eigentum ist allerdings nicht unbedingt dasselbe wie künstlerische Wertschätzung, und es hat wenig damit zu tun, welchen Preis man für ein Konsumprodukt hinzublättern bereit ist. Im nächsten Kapitel soll es darum gehen, was Kreativität eigentlich wert ist.

31

2. Der Wert der Kreativität Abstract In seiner Arbeitstheorie legt der Philosoph John Locke dar, wie mit der Aneignung von Gütern der Natur durch Arbeit ein Privateigentum entsteht. Diese Vorstellung wurde auf das geistige Eigentum übertragen. Mit der Wirklichkeit hat sie allerdings wenig zu tun. In den allermeisten Gesellschaftsformen begründet Arbeit vielmehr gerade kein Eigentum an ihren Produkten. Trotzdem ist im Kontext von Debatten über das Urheberrecht immer wieder von einem mangelnden Respekt vor dem geistigen Eigentum und dem »Wert der Kreativität« die Rede. Was ist gemeint, wenn man fordert, Urheber sollten dem Wert ihrer Arbeit entsprechend bezahlt werden? Geht es um die Zeit, die der Kreative in sein Schaffen investiert? Um den ästhetischen Wert? Um den Tauschwert seiner Nutzungsrechte? Die Rede vom »Wert der Kreativität« ist ein Ideologem: Sie legt nahe, Produkte geistigen Eigentums hätten einen Wert, der sich nicht im rein Wirtschaftlichen erschöpft. In einer Gesellschaft, in der Kreativgüter von vornherein für einen Warenmarkt hergestellt werden, sind jedoch Markterfolg und ästhetische Wertschätzung untrennbar miteinander verbunden. Die Forderung, Kreative sollten dem Wert ihrer Arbeit entsprechend bezahlt werden, hilft dann nicht weiter.

»In einer längst verfloßnen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleißige, intelligente und vor allem sparsame Elite und auf der andren faulenzende, ihr alles und mehr verjubelnde Lumpen. […] So kam es, daß die ersten Reichtum akkumulierten und die letztren schließlich nichts zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut. Und von diesem Sündenfall datiert die Armut der großen Masse, die immer noch, aller Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und der Reichtum der wenigen, der fortwährend wächst, obgleich sie längst aufgehört haben zu arbeiten.« Karl Marx, Das Kapital1

34

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Als Adam Smith 1776 sein Hauptwerk über den Wohlstand des nationalen Gemeinwesens veröffentlichte, »Wealth of Nations«, kam er darin zu einem eindeutigen Schluss: Von literarischer Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sei ein schwieriges Unterfangen. »That unprosperous race of men commonly called men of letters« würden in der Regel für eine Lauf bahn in der Kirche ausgebildet, aber in viel zu großer Zahl, als dass sie alle dort ein Unterkommen finden würden. Folglich müssten sie sich als Hauslehrer oder als Autoren auf dem freien Markt verdingen, was in die Armut führe, denn »their numbers are everywhere so great as commonly to reduce the price of their labour to a very paultry recompence.« 2 Die schlechte Bezahlung werde jedoch durch die öffentliche Anerkennung herausragender Leistungen kompensiert: »To excel in any profession, in which but few arrive at mediocrity, is the most decisive mark of what is called genius or superior talents. The public admiration which attends upon such distinguished abilities, makes always a part of their reward; a greater or smaller in proportion as it is higher or lower in degree. It makes a considerable part of that reward in the profession of physic; a still greater perhaps in that of law; in poetry and philosophy it makes almost the whole.«3 Dass Kreativschaffende für ihre Arbeit nicht ordentlich bezahlt werden, weil es zu viele von ihnen gibt, war also offenbar im 18. Jahrhundert schon so. Und auch das Phänomen, dass die schlechte Bezahlung im auffälligen Widerspruch zu der allgemeinen Wertschätzung steht, gab es damals schon. Eine hohe Wertschätzung zieht nicht automatisch eine hohe Bezahlung nach sich.

THAT UNPROSPEROUS R ACE OF MEN CALLED MEN OF LE T TERS Davon können Urheber ein Lied singen. Jeder professionelle Kreative, der ein bisschen länger im Geschäft ist, hat schon Gespräche in schicken Büros hinter sich, bei denen er sich hat erklären lassen, wie unglaublich toll seine Arbeit sei und dass man sie auch rein persönlich ganz besonders gemocht habe, aber dass es leider, leider nicht möglich sei, mehr dafür zu bezahlen als das, was nun gerade auf dem Tisch liege. Man wisse natürlich, dass damit eigentlich die Arbeit total unterbezahlt sei, aber es gehe eben einfach nicht, es sei »hier im Haus nicht durchsetzbar«, die Controller und so weiter. Dafür seien aber auch alle anderen Mitarbeiter ganz

2. Der Wer t der Kreativität

besonders begeistert, und man werde sich, so gut man könne, für den Erfolg des Werks einsetzen. Dieselben Leute beschweren sich derzeit, wo sie nur können, lauthals über einen Mangel an Respekt vor dem »Wert der Kreativität«, über eine angebliche »Kostenloskultur« und »Gratismentalität«. Dabei braucht man nicht Adam Smith gelesen haben, um zu wissen, dass beides wenig miteinander zu tun hat. Aber was macht den »Wert der Kreativität« aus? Worin genau besteht die Leistung, für die Kreativschaffende eine Gegenleistung beanspruchen können? Worin besteht der Wert ihrer Arbeit, für den sie einen Gegenwert in Form eines Einkommens verlangen können? Denn ganz selbstverständlich scheint das ja angesichts der Auseinandersetzungen darüber nicht zu sein. Fragt man die Urheber selbst, bekommt man in aller Regel zu hören, dass ihre Tätigkeit schließlich Arbeit sei und dass sie für Arbeit anständig bezahlt werden möchten. Fragt man genauer nach, können die Antworten sehr unterschiedlich ausfallen. Journalisten oder Übersetzer, die in der Regel im Auftrag von Verlagen arbeiten, würden am liebsten nach Aufwand bezahlt werden: Je mehr Zeit sie investieren müssen, desto mehr Geld wollen sie bekommen. Schriftsteller ticken da schon ein bisschen anders, weil die Zeit, die sie für das Schreiben aufwenden, häufig in keinem direkten Verhältnis zur Qualität des Ergebnisses steht. Weder der Tauschwert noch der ästhetische Wert ihrer Produkte hängt allein davon ab, wie lange sie daran gearbeitet haben. Auf dem Musikmarkt wird ohnehin mehr in Marktkategorien gedacht. Viele Songwriter sind zugleich Produzenten. Der urheberrechtlich relevante Aspekt, das Komponieren, macht nur einen kleinen Teil ihrer Tätigkeit aus. Für sie geht es weniger darum, wie viel sie dafür bezahlt bekommen, als vielmehr darum, wer überhaupt das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit übernimmt und wie sie an den Gewinnen beteiligt werden. Für einen Orchestercellisten sieht die Sache wieder ganz anders aus: Er lebt in der Regel von einem Gehalt – nur ausnahmsweise hat seine Tätigkeit mit Urheberrecht überhaupt zu tun, etwa, wenn er an einer Aufnahme mitwirkt. Schon an diesen wenigen Beispielen sieht man, dass ganz und gar nicht klar ist, wofür genau Urheber eigentlich bezahlt werden oder bezahlt werden sollten. Geht es um die Arbeitszeit beziehungsweise den Arbeitsaufwand? Geht es um eine angemessene Beteiligung an den Gewinnen aus der Verwertung? Soll es davon abhängen, wie hoch der Tauschwert der kreativen Produkte ist? Soll der ästhetische Wert eine Rolle spielen?

35

36

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Man wüsste doch gern, was eigentlich gemeint ist, wenn vom »Wert der Kreativität« gesprochen wird, für den angeblich zu wenig gezahlt wird. Es scheint dabei so etwas wie Leistungsgerechtigkeit auf dem Spiel zu stehen. Dahinter steht die Erwartung, dass Urheber für ihre Arbeit einen gerechten Gegenwert erhalten sollen. Auf Anhieb springt nun allerdings ins Auge, dass die kreative Leistung schwer messbar ist, jedenfalls nicht als Performance, als Verhältnis von Input zu Output. Ein Schriftsteller kann jahrelang an einem Roman arbeiten, der am Ende trotzdem ein völlig wertloses Machwerk ist. Er kann aber auch innerhalb weniger Monate ein Manuskript abliefern, das das Zeug zum Bestseller hat. Und noch komplizierter wird es, wenn man bedenkt, dass der ökonomische Wert seiner Arbeit mit dem literarischen, dem künstlerischen Wert keineswegs übereinzustimmen braucht. Wird man unter diesen Umständen jemals Leistungsgerechtigkeit erzielen können? Oder wird man sich am Ende schlichtweg damit abfinden müssen, dass kreative Arbeit eben so viel wert ist, wie auf dem Markt dafür bezahlt wird? Denn der Markt ist schließlich unbestechlich: Niemand wird für eine bestimmte Leistung freiwillig zu viel bezahlen, und umgekehrt wird – unter der Voraussetzung einer normalen Konkurrenz – niemand für seine Leistung weniger verlangen müssen, als sie wert ist. Oder? Das klingt wunderbar, ist aber im Wesentlichen eine Ideologie, nämlich die altbekannte Ideologie der unsichtbaren Hand des Marktes, die schon alles zum Vorteil aller richten wird, so lange nur die Voraussetzungen für den Wettbewerb gesichert sind. Tatsächlich fungiert die Plattitüde, dass der Wert von Kunst nicht objektiv festzustellen sei, immer wieder als Ausrede dafür, Künstler und Kreativschaffende nicht angemessen zu bezahlen.

A NEIGNUNG DURCH L EISTUNG Schauen wir uns den Mythos der Leistungsgerechtigkeit näher an. Dieser geht zurück auf die von John Locke im 17. Jahrhundert entwickelte Arbeitstheorie. Es verwundert wenig, dass diese, wie das Urheberrecht, untrennbar mit der Rechtfertigung des Privateigentums verbunden ist. Die eigene Leistung, in Form von Arbeit, begründet nach Locke ein natürliches Recht auf Eigentum. Das ist insofern bemerkenswert, als nicht nur das geistige Eigentum, sondern das Eigentum überhaupt seinerzeit noch

2. Der Wer t der Kreativität

begründungsbedürftig war. Immerhin hatte Gott nicht nur den Menschen, sondern auch die Erde geschaffen. Die Schöpfung war die seine. Wie konnte da etwas rechtmäßig dem Menschen gehören? Um dieses verzwickte Problem zu lösen, dachte sich Locke seine Theorie aus, mit der er den menschlichen Besitz als Naturrecht begründen wollte. Der Mensch habe ein Selbsterhaltungsrecht, argumentierte er. Deshalb dürfe er der Natur einen Teil für sich selbst entnehmen. In diese Aneignung der Natur investiere er Arbeit. So müsse er sich zum Beispiel bücken, um einen vom Baum gefallenen Apfel aufzuheben. Man könnte ergänzen: Er muss auch Land umpflügen, Saatgut aussähen und Brot backen, wenn er sich nicht mit dem Apfel zufrieden geben möchte. Er investiert also Arbeit. Diese Arbeit begründet nach Locke das Eigentum an den Früchten der Arbeit. Einem Stück Gemeinbesitz, einem Stück Natur, wird etwas Eigenes hinzugefügt. Dadurch eignet der Mensch es sich an. Diese naturrechtliche Theorie wurde zum Fundament des bürgerlichen Privateigentums und der damit zusammenhängenden Leistungsethik. Naturrechtliche Begründungen sind stets ideologisch, da sie von Setzungen ausgehen, nicht von Beobachtungen. Das Entstehen des Eigentums wird hier aus dem von vornherein gegebenen Recht des Menschen zur Aneignung der Natur hergeleitet. Diese Setzung enthebt den Philosophen der Mühe zu untersuchen, ob Eigentum tatsächlich so entsteht oder anders. Wird Eigentum, mit welcher Begründung auch immer, als Naturrecht konstruiert, ist es von vornherein jeder Kritik entzogen. Tatsächlich steht Lockes Theorie in Widerspruch zu den meisten gesellschaftlichen Ordnungen, die wir kennen. So sind etwa Sklaven durchaus nicht in der Lage, sich durch ihre eigene Arbeit Eigentum anzueignen. Was sie erarbeiten, gehört ihrem Herrn. Bauern, die in Lehnsverhältnissen arbeiten, bestellen Felder, die nicht die ihren sind, und dürfen lediglich einen kleinen Teil der Früchte ihrer Arbeit für ihren Selbsterhalt behalten. Auch in der modernen Marktwirtschaft ist es keineswegs so, dass man durch die selbst geleistete Arbeit zum Eigentümer der Produkte würde, die man in seiner Arbeitszeit hergestellt hat. Vielmehr enthält man einen kleinen Teil von deren wirtschaftlichem Wert als Lohn ausgezahlt. Die Behauptung, die eigene Leistung berechtige einen Menschen natürlicherweise dazu, den Gegenwert dieser Leistung zu erhalten, ist also nicht mehr als eine schöne Theorie. In der Wirklichkeit erleben wir immer wieder, dass die sogenannten Leistungsträger der Gesellschaft, also

37

38

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

zum Beispiel Bankmanager oder Wirtschaftslobbyisten, Spitzengehälter einfahren, obwohl ihre Leistung hauptsächlich darin besteht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu ruinieren. Hingegen werden Krankenpfleger, Müllmänner oder Postboten, die zweifellos nützliche Tätigkeiten ausführen, mit Hungerlöhnen bezahlt. Mit der Leistungsgerechtigkeit ist es also nicht besonders weit her.4 Natürlich werden auch Kreativschaffende nicht ihrer tatsächlichen Leistung entsprechend bezahlt. Dies lässt sich nachweisen, ohne dass man erst lange darüber philosophieren muss, was der »Wert der Kreativität« sein mag. Der Umsatz der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft betrug im Jahr 2011 143,38 Milliarden Euro5 (2010: 137 Milliarden Euro6). Die von den Verwertern an die Künstlersozialkasse gemeldete Gesamtsumme der im selben Jahr an Kreativschaffende gezahlten Honorare betrug hingegen nur 4,8 Milliarden Euro (2010: 4,7 Milliarden Euro),7 und das Durchschnittseinkommen der 173.284 in der Künstlersozialkasse gemeldeten Kreativen 8 lag sogar bei nur 14.142,00 Euro9 (2010: 13.689,00 Euro10) – insgesamt also bei etwa 2,4 Milliarden Euro und somit nicht einmal 2 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche. Nun ist Umsatz nicht gleich Gewinn, und nicht alle, die in der Kulturund Kreativwirtschaft arbeiten, verdienen ihr Geld mit der Verwertung von Urheberrechten. Umgekehrt sind viele Kreative, die im öffentlichen Kulturbereich arbeiten, nicht über die KSK versichert. Dennoch ist die Diskrepanz offensichtlich. Ein Großteil des Geldes, das mit kreativer Arbeit verdient wird, kommt offenbar nicht bei den Kreativen an. Wo bleibt dieser Großteil? Schauen wir zunächst, wie das bei ganz normaler Arbeit funktioniert. Mit der Marx’schen Werttheorie ist das schnell erklärt: Der Arbeiter arbeitet am Tag eine gewisse Anzahl von Stunden. Der Wert seiner Arbeit fließt in das Produkt ein. Mit dem Lohn, den er dafür erhält, ist aber nicht der reale Gegenwert dieser Arbeit abgegolten, sondern nur ein Teil davon. Der Arbeiter leistet gewissermaßen jeden Tag ein paar Stunden unbezahlter Arbeit. Den Wert dieser unbezahlten Stunden realisiert der Arbeitgeber später als Gewinn, wenn er das Produkt als Ware verkauft. Und wie ist es bei Kreativschaffenden? Mit John Locke gedacht: Wie andere Leute sich durch Arbeit die Güter der Natur aneignen, so findet der Schriftsteller bestehendes Material vor, das er sich durch seine kreative Arbeit aneignet. Das neue Werk wird dadurch zu seinem geistigen Eigentum. Wir haben schon erläutert, dass das Urheberrecht mit seiner

2. Der Wer t der Kreativität

Konstruktion der übertragbaren Nutzungsrechte darauf abzielt, dieses Eigentum in eine handelbare Ware zu verwandeln. Wie Kaufleute ihre Güter verkaufen und Arbeiter ihre Arbeitskraft, so verkaufen Urheber Rechte an ihren Werken. Dadurch sichern sie sich ihren Lebensunterhalt. Soweit die Theorie. Die Frage ist nun, wo bei kreativer Arbeit der Mehrwert steckt. Denn in aller Regel werden Kreative ja nicht für abgeleistete Arbeitsstunden bezahlt, und es bestehen auch berechtigte Zweifel, ob die in Stunden messbare Arbeit überhaupt der wesentliche Wertschöpfungsfaktor ist. Und wie können andere als die Urheber sich den Mehrwert der kreativen Arbeit aneignen, wenn doch das Urheberrecht, wie bereits erläutert, in Deutschland gar nicht übertragbar ist? Die Antwort ist denkbar einfach: Die Aneignung des Mehrwerts erfolgt durch den Erwerb der exklusiven Nutzungsrechte. Die Verwerter zahlen dafür einfach weniger, als sie hinterher mit der Verwertung der Produkte, die auf diesen Rechten aufsetzen, erwirtschaften. Dieses Missverhältnis ist systemisch bedingt. Würden die Medienunternehmen für die Rechte der Urheber tatsächlich so viel bezahlen, wie diese Rechte wert sind, wären sie außerstande, mit deren Verwertung einen Profit zu erzielen. Dies aber ist das eigentliche Ziel ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, die jedweder Vorstellung von Leistungsgerechtigkeit also schon grundsätzlich entgegensteht. Eine leistungsgerechte Urheberbezahlung würde voraussetzen, dass der wirtschaftliche Gegenwert der kreativen Arbeit bei den Urhebern ankommt. So wie das Urheberrecht und die bürgerliche Leistungsethik es immer behaupten.

R ESPEK T VOR DER L EISTUNG Es wäre allerdings auch erstaunlich, hätte man feststellen können, dass Kunst und Kultur in der allgemeinen Wirtschaftslogik die große Ausnahme darstellen, dass also Künstler und Kulturschaffende allein in der Lage wären, den Mehrwert ihrer Arbeit für sich zu behalten. Natürlich ist dies nicht der Fall. Darin und nicht in der vielfach beklagten Internetpiraterie liegt der eigentliche Grund für die prekäre Lage vieler Künstler und Kulturschaffender. Denn es wäre naiv anzunehmen, dass bei den Produzenten mehr ankäme, wenn die Konsumenten mehr zahlen müssten. Und dass dieses Fair-Trade-Prinzip sich ganz von selbst verwirklichen würde,

39

40

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

wenn man zum Beispiel Netzsperren gegen Urheberrechtsverletzungen einführen würde. Dass vom wirtschaftlichen Gegenwert wenig beim Urheber ankommt, lässt sich halbwegs objektiv feststellen. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, was die kreative Arbeit tatsächlich wert ist und welcher Gegenwert dafür verlangt werden kann. Denn dies waren ja die Ausgangsfragen. Wie kann kreative Leistung überhaupt gemessen werden? Was Kunst wert ist, mag schwer zu bestimmen sein, und dennoch haben Produkte kreativen Schaffens unbestreitbar einen Preis. Er lässt sich daran ablesen, was Verleger, Labels oder Netzportale für die Verwertungsrechte an einem bestimmten Werk zu zahlen bereit sind. Es ist wenig verwunderlich, dass die Höhe dieses Betrags nicht davon abhängt, wie viel Mühe und Arbeit der jeweilige Urheber in sein Werk investiert hat. Vielmehr wird zum Beispiel ein Verlag für die Rechte an einem potenziellen Bestseller mehr zahlen als für die Rechte an einem nach seiner Einschätzung marktuntauglichen Roman – auch wenn in letzterem mehr Arbeit steckt. Ja selbst, wenn dieser womöglich literarisch hochwertig ist, während der Bestseller eher uninteressant wirkt. Was immer der »Wert der Kreativität« sein mag – ihr Preis hängt jedenfalls weder unmittelbar mit der geleisteten Arbeit zusammen noch mit deren ästhetischer Qualität. Der Preis, der für die Nutzungsrechte gezahlt wird, bestimmt sich vielmehr ausschließlich aus der Verkaufserwartung des Verwerters. Sie kann mit der ästhetischen Qualität zusammenfallen, muss es aber nicht. Ein Verlag kann sich zutrauen, ein literarisch hochwertiges Buch auch gut zu verkaufen, wenn er beispielsweise gute Kontakte zu den Feuilletons und zum Buchhandel hat. Er kann sich aber auch zutrauen, einen eher durchschnittlichen Unterhaltungsroman gut zu verkaufen – gerade weil er gute Kontakte zu den Feuilletons und zum Buchhandel hat. Im Regelfall wird die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen, sprich, der Verlag wird sich bemühen, den Feuilletons und dem Buchhandel solche Werke anzubieten, von denen er meint, dass sich möglichst viele Leute als Käufer dafür interessieren. Seine Einschätzung wird dabei von vielen Faktoren abhängen. Hat der Autor bereits einen bekannten Namen? Schreibt er über ein aktuelles Thema? Trifft sein Werk irgendeinen Nerv, passt es zum Zeitgeist? Für Bücher gilt vielleicht noch am wenigsten, was für viele andere Kreativwaren schon lange selbstverständlich ist: Sie müssen sich dazu

2. Der Wer t der Kreativität

anbieten, gekauft zu werden, um der eigenen Individualität des Käufers Ausdruck zu verleihen. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, in der Konsum weitgehend ein Mittel des Selbstausdrucks, der Identifikation, des Lebensstils geworden ist. Alles, was wir wirklich brauchen, haben wir längst. Konsumenten kaufen Dinge, um damit etwas über sich selbst auszusagen, aber auch, um dazuzugehören, um mitreden zu können. Lesen bildet vielleicht, aber social reading macht mehr Spaß. Man möchte vernetzt sein, sich austauschen können, Gemeinsamkeiten mit anderen erfahren. Diese sozialen Bedürfnisse werden befriedigt, indem man kauft, was andere kaufen, liest und hört, was andere hören und lesen, und sich mit anderen über die gemeinsam konsumierten Inhalte austauscht. Für den Erfolg von Produkten ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung, dass sie als Identifikationsangebote taugen. Wenn nicht für die breite Masse, dann zumindest für eine kleine Schar von Enthusiasten. Ob dies der Fall sein wird, weiß man dummerweise im Vorhinein nicht, denn der Erfolg auf dem Markt muss sich immer erst erweisen – er ist erst im Nachhinein objektiv feststellbar. Deshalb muss der Wert der Nutzungsrechte nicht unbedingt dem Preis entsprechen, den die Rechteeinkäufer den Urhebern oder ihren Agenten dafür zahlen. Er kann darunter oder auch darüber liegen. Verkauft sich das Produkt auf dem Endkundenmarkt weniger gut als erwartet, wird der Verwerter in der Regel mehr für die Rechte gezahlt haben, als sie wert waren. Verkauft es sich umgekehrt besser, hat er offenbar zu wenig gezahlt. Am erfolgreichsten sind Verwerter, wenn sie den Urhebern möglichst wenig zahlen, aber möglichst viel Geld mit der Verwertung von deren Werken verdienen. Ein Kniff, der durchaus nicht immer gelingt.

R ESPEK T VOR DER E IGENTUMSORDNUNG Dass die kreative Leistung von Künstlern umso mehr wert ist, je besser sie sich verkaufen lässt, ist jedoch banal. Die Rede vom »Wert der Kreativität« bleibt, so lange sie der Leistungslogik hörig ist, einem Zirkelschluss verhaftet: Je höher der Tauschwert, desto höher die Leistung. Leistung ohne Erfolg ist in solchem Denken ebenso unmöglich wie Erfolg ohne Leistung, da der Erfolg selbst den Gradmesser für die Leistung darstellt. Es handelt sich also um eine self-fulfilling prophecy. Vor diesem Hintergrund Respekt vor dem »Wert der Kreativität« einzufordern, ergibt wenig

41

42

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Sinn, da immer schon vorausgesetzt ist, dass der Wert vom Markt selbst bestimmt wird. Wenn der Erfolg weder von der Arbeitsleistung noch vom autonomen ästhetischen Wert der Arbeit abhängt, sondern im Gegenteil als Gradmesser für Leistung und Wert immer schon vorausgesetzt ist, ist das eine rein tautologische Antwort. Auf einem Markt ist erfolgreich, wer Abnehmer für seine Arbeit findet. Dies ist in Wahrheit oft von Zufällen in der Aufmerksamkeitsökonomie abhängig. In Wirklichkeit liegt der Grund für die ungleiche Bezahlung kreativer Leistungen weniger in der Ökonomie als vielmehr in der ungleich verteilten Aufmerksamkeit des Publikums. Die beste Versicherung für zukünftigen Kreativerfolg liegt dabei in vergangenem Kreativerfolg, wie Andreas Reckwitz feststellt (Reckwitz 2012: 351). Der ökonomische Wert zukünftiger Leistungen bemisst sich faktisch an den Erträgen früherer. Tatsächlich schwingt im Klagelied vom mangelnden Respekt vor dem »Wert der Kreativität« aber etwas anderes mit. Meistens geht es dabei gar nicht um das Geld, das für den Rechteerwerb an die Urheber gezahlt wird, sondern um die Preise der Endprodukte, die die Kunden angeblich oder tatsächlich nicht zu zahlen bereit sind. Dabei wird suggeriert, die verlangte Zahlung sei nicht nur eine Gegenleistung für ein Buch, eine CD oder einen Download, sondern für einen sich gerade nicht im Materiellen erschöpfenden Wert künstlerischer Arbeit – eine irgendwie magische Auffassung. Es wird so getan, als würde man nicht für marktgerechte Produkte zahlen, sondern für künstlerischen Wert, für ästhetischen Symbolwert, für einen wie auch immer gearteten Kunst-Wert. Das aber ist blanker Warenfetischismus. Hier soll kaschiert werden, dass kreatives Schaffen heutzutage in Form von gängigen Marktprodukten verkauft wird, als Ware unter anderen Waren. Die Kulturpolitik treibt diesen Fetischismus besonders weit. Um Kulturfördermittel jedweder Art zu rechtfertigen, argumentiert sie gebetsmühlenartig mit dem hohen Wert, den die Kreativität angeblich für die Gesellschaft hat. Darauf haben Pius Knüsel und seine Mitautoren in ihrem »Kulturinfarkt«-Buch hingewiesen (Knüsel/Haselbach/Klein/ Opitz 2012). Die Förderung von Kunst und Kultur soll mittlerweile nicht mehr nur helfen, kulturferne Schichten zu erreichen – früher hieß das »ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts« –, sondern darüber hinaus etwa zur touristischen Attraktivität einer Region beitragen. Geld für Kultur auszugeben, so behaupten die Kulturpolitiker, sei sogar eine

2. Der Wer t der Kreativität

»Investition«, denn die Kultur- und Kreativwirtschaft leiste mittlerweile einen größeren Beitrag zur Bruttowertschöpfung als die Chemieindustrie. Diese Katze beißt sich selbst in den Schwanz. Denn wenn der Wert der Kreativität an ihrem Nutzen für die Gesellschaft gemessen wird, der seinerseits auf den ökonomischen Output zurückgeführt wird, so ist unklar, wozu überhaupt eine besondere Förderung nötig ist. Wäre der »Wert der Kreativität« tatsächlich so groß, hätte sie wohl kaum Finanzierungsprobleme. Vermutlich hat der gesamte Kulturbetrieb deshalb so allergisch auf das »Kulturinfarkt«-Buch reagiert. In Wirklichkeit hat mangelnde Zahlungsbereitschaft auf dem Endkundenmarkt mit mangelnder Wertschätzung wenig zu tun. Der Roman »Trainspotting« von Irvine Welsh gehörte seinerzeit zu den in britischen Buchhandlungen am häufigsten gestohlenen Titeln und hat trotzdem inzwischen Kultstatus. Warum auch sollte jemand etwas »stehlen«, was er nicht in irgendeiner Weise zu schätzen weiß? Der angeblich mangelnde Respekt vor dem »Wert der Kreativität« ist vielleicht respektlos gegenüber der herrschenden Eigentumsordnung, aber nicht unbedingt gegenüber der Leistung der Künstler. Jedenfalls fügt die ständige Vermischung verschiedener Wertbegriffe der Diskussion um das Urheberrecht erheblichen Schaden zu. Es wäre nützlich, klarer auseinanderzuhalten, ob der ökonomische oder der ästhetische Wert von Kunst gemeint ist, ob es um die künstlerische Arbeit und die Leistung der Urheberinnen und Urheber geht oder um die Kreativität in der Vermarktung solcher Arbeit.

K UNST UND M ARK T Allerdings sind gerade im Bereich der Kreativgüter diese Unterscheidungen manchmal extrem schwierig. Denn worin genau besteht der ästhetische Wert eines Kreativguts, und wie klar lässt er sich vom ökonomischen abgrenzen? Dass künstlerische Leistung als Performance, als Verhältnis von Input zu Output, schwer zu messen ist, darüber wird man sich leicht einig werden. Kunst und Markt jedoch als unversöhnliche Gegensätze zu begreifen, wäre ein schwerer Irrtum. In seinen ideologiekritischen Schriften der siebziger Jahre hat darauf schon Bourdieu hingewiesen. Kreativprodukte, die marktwirtschaftlich hergestellt werden, suchten ihre Kommerzialität zwar zu leugnen, indem

43

44

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

sie sich mit dem Schein der Einzigartigkeit und Originalität umgäben, schrieb Bourdieu. Die Konzentration auf den Schöpfer verbiete »die Frage danach, was eigentlich den Autor autorisiert, was die Autorität macht […]. Wer ist der eigentliche Produzent des Wertes des Kunstwerks, der Maler oder der Händler, der Schriftsteller oder der Verleger?« (Bourdieu 2011: 101) Die ständige, fast zwanghafte Leugnung der ökonomischen Dimension jener Kreativproduktion sei jedoch die wesentliche Bedingung für ihre institutionelle Konsekration, also dafür, von den relevanten Institutionen und den Kritikern als wertvoll anerkannt zu werden. Dieses Verhältnis scheint sich mittlerweile geradezu umgekehrt zu haben. Oft ist gerade der Markterfolg ausschlaggebend dafür, dass Künstler von der Kritik bejubelt werden. Nicht zuletzt aus Rücksicht auf ihr eigenes Publikum interessieren sich Kritiker nämlich für Verkaufszahlen weit mehr als für Ästhetik. Zu glauben, es ließe sich ein ästhetischer Wert unabhängig vom Tauschwert eines Werks feststellen, ist jedenfalls eine Illusion. Wenn Kunst als Ware produziert wird, kann sie von vornherein nicht mehr als Gegenstück zum Markt fungieren. Ein marktfernes, rein kritisches Urteil über den ästhetischen Wert von Kreativgütern ist deshalb nicht möglich. Ästhetischer Wert, also Symbolwert, beruht stets auf gesellschaftlichen Zuschreibungen. Zugleich sind solche Zuschreibungen extrem wichtig für den ökonomischen Wert eines Kunstwerks. Denn schließlich haben Kreativgüter keinen unmittelbaren Gebrauchswert, sondern stellen Folien für die Selbstprojektionen der Konsumenten dar. Kritische Urteile über die Werke färben auf ihren ökonomischen Wert ab. Sie können noch so sehr um Unabhängigkeit bemüht sein, darum, sich vom Markt nicht beeinflussen zu lassen – sie bleiben doch nicht ohne Auswirkung darauf, wie viel für Kunst bzw. die Rechte daran bezahlt wird. Sie prägen das Image von Künstlern und Kreativschaffenden, und dieses Image prägt umgekehrt wieder die Haltung der Kritiker. Kunst ist nicht von selbst Kunst, sondern dadurch, dass sie von der Kritik dazu erklärt wird. Etwas als Kunst zu bezeichnen, ist nie eine neutrale Feststellung, sondern immer schon ein Werturteil. Umgekehrt werden nur solche Kreativgüter, die als künstlerisch wertvoll gelten, zum Gegenstand der Kritik. Ästhetischer und ökonomischer Wert sind untrennbar miteinander verwoben. Die Zeiten, in denen Kunstkritik über den ästhetischen Wert ihrer Objekte jenseits von markttauglichen Erwägungen urteilen konnte, sind lang vorbei. Das ist nicht unbedingt zu bedauern, denn eine Kritik, die anhand normativer Kriterien über den Wert künstlerischer Werke urtei-

2. Der Wer t der Kreativität

len wollte, müsste heutzutage zwangsläufig weltfremd wirken. Kunstkritik ist in der Warengesellschaft etwas anderes als das, was sie in den bürgerlichen Salons war. Trug sie dort zur Selbstverständigung der bürgerlichen Gesellschaft jenseits der Sphäre der Ökonomie bei, erfüllt sie hier die Funktion, die erfolgreiche Vermarktung der von ihr beworbenen Produkte zu befördern. Aus der Kunstkritik ist die Kaufempfehlung geworden. Ein Blick in die führenden Feuilletons bestätigt dies. Kunst, so hat Isabelle Graw festgestellt (Graw 2008), ist damit die prototypische Ware. Was mittlerweile für fast alle Konsumprodukte gilt, nämlich dass nicht für ihren Gebrauchswert, sondern für ihr Image und die damit verbundenen Fantasmagorien bezahlt wird, galt für Kreativgüter zuallererst. Für Künstler war schon immer die Verwertbarkeit ihres Images, ihrer Marke ihr größtes Kapital. Gerade an den erfolgreichsten Künstlern lässt sich das ablesen: Salvador Dalí ist für seine exzentrische Persönlichkeit womöglich sogar bekannter als für seine Kunst. Der Celebrity-Faktor spielt eine herausragende Rolle. Das größte Kompliment, das die Kritik dem modernen Künstler machen kann, besteht bezeichnenderweise darin, ihm eine möglichst große Originalität zu bescheinigen. Nichts ist dem ökonomischen Wert zuträglicher als dies, denn es bestätigt die weit verbreitete Auffassung, dass Kunst mühelos, aus Geistesblitzen heraus entsteht. Was keine Mühe macht, ist aber auch keine Arbeit. Ein wahrer Künstler darf seinen Erfolg gar nicht bloßem Fleiß verdanken. Eine solche Diagnose ist vielmehr ein vernichtendes Urteil über den künstlerischen Wert seiner Arbeit – und schmälert damit auch den ökonomischen. Paradoxerweise gilt der künstlerische Wert eines Kunstwerks oft als umso größer, je weniger das Werk auf eine messbare Leistung zurückzuführen ist. Kunst soll nach Möglichkeit gerade kein ökonomisches Produkt sein. Wenn es ihr gelingt, diesen Eindruck zu erwecken, kann ihr ökonomischer Wert ins Unendliche steigen. Deshalb ist es durchaus nicht falsch, wenn Kreativschaffenden heutzutage geraten wird, sich mehr um ihre Selbstvermarktung zu kümmern. Denn für die meisten Kreativen geht die Rechnung ja offenbar am Ende des Monats nicht auf: Der »Wert ihrer Kreativität« ist nicht hoch genug, als dass sie davon ihre Miete zahlen könnten. Sollten sie sich dann nicht vielleicht darum kümmern, eine Marke zu etablieren, unverwechselbar und unkopierbar zu werden? Sollten sie nicht verstärkt versuchen, als Selbstvermarkter erfolgreich zu sein?

45

3. Neue Geschäftsmodelle statt veralteten Urheberrechts? Abstract Müssen Kreative Betriebswirtschaft lernen, um auf dem Markt erfolgreicher zu sein? Wenn das Urheberrecht ihnen ihr Überleben nicht mehr sichert, können sie dann nicht als Selbstvermarkter reüssieren? Die Politik wünscht sich Kreative als selbstständige Unternehmer, die sich mit »neuen Geschäftsmodellen« am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Aber diese Geschäftsmodelle basieren häufig darauf, dass nicht mehr das Produkt künstlerischer Arbeit, sondern das eigene Künstler-Image vermarktet wird. Die künstlerische Arbeit wird also für die Selbstvermarktung instrumentalisiert. Manchmal klappt das. Aber man verdient sein Geld dann nicht mehr mit kreativem Schaffen, sondern mit dessen Vermarktung. Das ist nicht unbedingt schlechter, aber etwas anderes.

»Noch einmal, dieses Wort Unternehmer stört mich.« Sven Nielsen, Vorstandsvorsitzender der Presses de la Cité, in einem Interview, 1968.1 Leben Autoren von ihren Urheberrechten? Oder ist das nur ein Mythos? Martin Kretschmer und Philip Hardwick vom Centre for Intellectual Property Policy & Management der britischen University of Bournemouth haben im Dezember 2007 eine Studie2 vorgelegt, die als bahnbrechend bezeichnet werden müsste, wäre sie nicht mehr oder weniger komplett ignoriert worden, wenigstens in Deutschland. Die Autoren haben sich im Auftrag der britischen Autorenvereinigung ACLS mit der Frage beschäftigt, welchen Teil ihres Einkommens britische beziehungsweise deutsche Autoren aus urheberrechtlichen Quellen beziehen. Erhebungen zum Ein-

48

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

kommen freiberuflicher Kreativschaffender gibt es viele. Welcher Teil dieses Einkommens allerdings mit dem Urheberrecht zusammenhängt, also welcher Anteil des Geldes tatsächlich aus urheberrechtlichen Quellen stammt, hatte zuvor noch niemand untersucht. Die Ergebnisse der Studie waren verblüffend. Das Einkommen, das professionelle deutsche Autoren, die mehr als 50 Prozent ihrer Zeit dem Schreiben widmen, im Jahr 2005 aus urheberrechtlichen Quellen bezogen haben, betrug typischerweise 12.000 Euro. Typischerweise bedeutet: 50 Prozent haben mehr als dies verdient, 50 Prozent weniger – ein Wert, der nicht mit dem Durchschnittswert verwechselt werden darf, welcher aufgrund vereinzelter sehr hoher Werte beträchtlich höher liegen kann. Das typische Jahreshaushaltseinkommen eines professionellen Autors lag jedoch erheblich höher als sein Einkommen aus urheberrechtlichen Quellen, nämlich bei typischen 41.644 Euro. Das bedeutet: Ein Großteil selbst der professionellen Autoren ist darauf angewiesen, die eigene Arbeit querzufinanzieren. Das Urheberrecht erfüllt seine Funktion, den Künstlern ihren Lebensunterhalt zu sichern, also nur unzureichend. Können Urheber unter diesen Umständen nicht mal etwas Neues ausprobieren? Können sie nicht Selbstvermarkter werden und versuchen, aus eigener Kraft auf dem Markt erfolgreich zu sein? Mit kreativen neuen Geschäftsmodellen?

M EHR M ARK TERFOLG FÜR ALLE Es gibt in Deutschland seit einigen Jahren eine »Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft«, die genau diesen Ansatz verfolgt. Getragen wird sie vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Staatsminister für Kultur. Die Initiative hat sich in den Kopf gesetzt, dass Künstler lernen müssen, sich selbst besser zu vermarkten. Dass sie sich ein bisschen mit Betriebswirtschaft auskennen müssten. Dass sie, mit einem Wort, zu kulturellen Unternehmern werden müssen. »Viele Kreative übersehen allzu leicht, dass dauerhafter Erfolg nicht vom Himmel fällt, sondern immer auch eine gute Portion unternehmerisches Know-how und Geschick dahintersteckt«, verkündet die Initiative in einer Broschüre, die noch jede Menge solcher Besserwissereien enthält.3 Um das unternehmerische Know-how der Kreativen zu befördern, treibt die finanziell gut ausgestattete Initiative allerlei Aufwand. Sie ver-

3. Neue Geschäf tsmodelle statt veralteten Urheberrechts?

anstaltet Branchenhearings, bei denen die armen Kreativen zu Kaffee und Kuchen eingeladen und befragt werden. Diese Hearings werden dann in dicken Wortprotokollen dokumentiert. Außerdem hat sie in allen Bundesländern Berater eingestellt, die orientierungslosen Anfängern erklären sollen, ob deren Geschäftsideen und Businesspläne etwas taugen. Wenn diese Berater nichts zu tun haben, organisieren sie wieder neue Kongresse und Meetings, bei denen Kreativschaffende mit der regionalen Wirtschaft zusammentreffen sollen, um Kontakte zu knüpfen. Dort tauchen dann Politiker aus den jeweiligen Landtagen auf und erzählen, dass Kreativität sich auch wirtschaftlich lohnen kann. Schließlich bräuchten auch Unternehmen, die zum Beispiel Autos herstellen, kreative Köpfe, die gute Ideen für die Innenausstattung dieser Autos lieferten. Die Botschaft ist klar: Kreative, die nicht von ihrer Arbeit leben können, sind selbst schuld. Sie haben sich offenbar nicht intensiv genug darum gekümmert, sich selbst zu vermarkten. Vielleicht leben sie mit dem Kopf in den Wolken, es sind schließlich Künstler. Denen fällt es nicht leicht, sich betriebswirtschaftliche Grundlagen anzueignen. Aber ein bisschen Mühe könnten sie sich ruhig geben. Vielleicht sollten sie mal Existenzgründerseminare besuchen. Kein Wort von den vertragsrechtlichen Problemen, mit denen Kreativschaffende sich herumschlagen. Kein Wort davon, dass sie gezwungen werden, in Buyout-Verträgen sämtliche Rechte an ihren Werken für viel zu niedrige Pauschalhonorare abzutreten, sodass sie nichts mehr in der Hand haben, womit sie noch Geld verdienen könnten, selbst wenn sie sich selbst vermarkten wollten. Kein Wort davon, dass sie bei solchen Verhandlungen regelmäßig von ihren Vertragspartnern über den Tisch gezogen werden. Oder davon, dass sie als Selbstvermarkter mit mächtigen Medienkonzernen konkurrieren müssen, die für Vermarktung und Vertrieb einen beträchtlichen organisatorischen und finanziellen Aufwand treiben. Stattdessen ein Hohelied auf die großartigen Chancen, mit neuen Geschäftsmodellen auf dem Markt erfolgreich zu sein. Kreativ, innovativ, selbstständig und für das eigene Schicksal selbst verantwortlich: Der Künstler war schon immer der Prototyp des freien Unternehmers und deshalb eine Figur, die die Phantasie der Deregulierer besonders anregte. Was liegt da näher, als von ihm zu verlangen, dass er diesem Bild auch entsprechen möge?

49

50

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Doch nicht nur die Politik wünscht sich Künstler als Unternehmer. Der Ruf nach »neuen Geschäftsmodellen« gehört mittlerweile zum Standardrepertoire auch der urheberrechtskritischen Netzszene. Mit dem technischen Wandel, so scheint es, sind die besten Voraussetzungen für erfolgreiche Selbstvermarktung entstanden. Bräuchte man diese Gelegenheiten nicht bloß am Schopfe zu packen? Gelänge es Künstlern, am Markt erfolgreich zu sein, bräuchten sie doch eigentlich gar kein Urheberrecht mehr, so die stille Hoffnung. Das Paradoxe daran: Das Urheberrecht sorgt überhaupt erst dafür, dass Kreative ihre Arbeit in Warenform verkaufen können. Das ist sogar seine Hauptfunktion, wie wir bereits gesehen haben. Es verwandelt immaterielle Schöpfungen, geistige Werke, in Eigentumsgüter, nämlich in Rechte, die genau wie anderes Eigentum in Warenform verkauft werden. Ohne diese Operation hätten die Urheber nichts in der Hand, was sie überhaupt versilbern könnten. Auf dem Markt erfolgreich zu sein, bedeutet für Urheber nichts anderes als erfolgreich Rechte an den eigenen Werken zu verkaufen. Urheberrecht und Markt sind also keine Gegensätze, sondern ohne Urheberrecht gäbe es keinen Markt. Jedenfalls keinen Markt für geistiges Eigentum. Anders gesagt: Das Urheberrecht ist schon ein Geschäftsmodell. Der Künstler ist, wenn er Urheber ist, per definitionem auch schon Unternehmer. Wozu braucht man also eigentlich diese »neuen Geschäftsmodelle«, die immer eingefordert werden? Urheberrechtskritiker verweisen in diesem Zusammenhang stets darauf, dass der digitale Wandel den Markt für geistiges Eigentum schwer gestört hat. Das ist zweifellos richtig. Die technische Entwicklung hat dazu geführt, dass immaterieller Content unkontrolliert vervielfältigt werden kann. Das bedeutet, dass Dritte nicht mehr ohne Weiteres vom Zugang dazu ausgeschlossen werden können. Der Schutz des geistigen Eigentums ist im digitalen Bereich also nicht mehr so leicht durchsetzbar. Bekanntlich hat die Rechteindustrie zunächst versucht, das Prinzip der Besitzstandswahrung durch Ausschlussverfahren aufrechtzuerhalten, indem sie Bezahlschranken und Kopierschutzmaßnahmen einführte. Mit mäßigem Erfolg. Nicht nur ließ sich der Kopierschutz leicht umgehen, sondern es wurde auch erkennbar, dass es sich dabei um eine künstliche Verknappung handelte, deren einziger Zweck darin bestand, dafür zu sorgen, dass man Dateien genauso verkaufen konnte wie körperliche Werkexemplare – obwohl die Reproduktionskosten extrem ge-

3. Neue Geschäf tsmodelle statt veralteten Urheberrechts?

sunken waren. Es ging darum, ein Modell aus der analogen Welt in die digitale zu übertragen. Davon wollten die digital natives nichts wissen. Das Problem war nur: Bisher hatten Kreativschaffende davon gelebt, an den Einnahmen aus dem Verkauf einzelner Werkexemplare prozentual beteiligt zu werden. Wenn diese Art von Warenhandel zukünftig nicht mehr funktionierte, konnten die Künstler dann nicht von etwas anderem leben? Von Geschäftsmodellen, die nicht auf Knappheit basieren? Wenn es keinen Markt für geistiges Eigentum mehr gab, gab es dann nicht vielleicht andere Märkte?

S ELBST VERMARK TUNG Eine interessante Frage. Können Kreativschaffende ihre Arbeit in anderer Weise monetarisieren als durch den Verkauf von Rechten und, daraus abgeleitet, der Beteiligung an den Erlösen von Vervielfältigungsstücken? Warum nicht. Chris Anderson hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, dass man Erfolg damit haben kann, das eine zu verschenken, um mit dem anderen Geld zu verdienen: »Free – The future of a radical price«. Eine ähnliche Variante nennt sich »Freemium«: Hier gibt es ein kostenloses Basisangebot, und wer mehr möchte, mehr Benutzungskomfort oder mehr Funktionen, muss zusätzlich zahlen. Und dann gibt es ja noch die Creative-Commons-Geschäftsmodelle: Man kann mit Hilfe einer CC-Lizenz jedermann ein einfaches Nutzungsrecht an den eigenen Werken für den nicht-kommerziellen Privatgebrauch einräumen, aber nach wie vor an kommerziellen Vermarktungen verdienen. So steigert man zudem seine eigene Bekanntheit, was sich wiederum in harte Währung umsetzen lässt. Oder man versucht es mit Crowdfunding: Man baue sich eine Fanbasis auf, die bereit ist, die eigene Arbeit auf freiwilliger Basis vorzufinanzieren. Dafür muss man zwar ein bisschen Aufwand treiben, nämlich die eigene Idee ansprechend kommunizieren, die Fans nach Möglichkeit die Gestaltung des Produkts mitbestimmen lassen und überhaupt eine möglichst enge Beziehung zu seinen Unterstützern auf bauen. Aber mit ein bisschen Glück kann man auf diese Weise durchaus ein prekäres Projekt finanziell absichern. Nicht zu vergessen: Liveauftritte. Insbesondere für Musiker ist das eine wichtige Einnahmequelle. Für Eintrittskarten werden immer höhere Summen gezahlt, weil Fans sich von einem Live-Konzert ein ein-

51

52

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

maliges Erlebnis versprechen. Das Begehren, das sich in früheren Zeiten auf den Besitz des Tonträgers richtete, verschiebt sich zunehmend auf das einmalige Ereignis. Allein zwischen 2009 und 2011 ist der Umsatz im Veranstaltungsmarkt, der zu über 70 Prozent aus Musikveranstaltungen besteht, um 24 Prozent gewachsen.4 Aufgrund von oligopolistischen Strukturen kommt allerdings von den Eintrittsgeldern nicht besonders viel beim Künstler an. Bei einem Ticketpreis von 40 Euro bleiben für den Künstler am Ende oft nur vier Euro übrig.5 Künstler, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, gehen deshalb schon einen Schritt weiter und vermarkten persönliche Begegnungen. Wer bei musikalischen Crowdfunding-Projekten einen nicht ganz niedrigen Betrag zu investieren bereit ist, kann als Dankeschön ein Hauskonzert oder ein Abendessen mit dem Künstler gewinnen. Wer selbst ein Instrument spielt, bekommt bisweilen sogar die Chance, bei der nächsten Tournee an einem Abend mit dem Künstler zusammen auf der Bühne zu stehen. Manche verscherbeln auch Kleidungsstücke, die sie in ihren YouTube-Videos getragen haben – was freilich die Frage aufwirft, ob es Fans oder Stalker sind, die sich dafür interessieren. Dass bei Crowdfunding künstlerische Projekte vorfinanziert werden, ähnlich wie schon im 18. Jahrhundert bei Subskriptionsangeboten, ist aber nicht der Kern des Modells. Dieser besteht vielmehr darin, ein Gemeinschaftserlebnis zu monetarisieren, ein Gefühl von Zugehörigkeit, eine persönliche Beziehung zum jeweiligen Objekt der Begierde. Auf die CD, die verschickt wird, nachdem Fans die Aufnahme vorfinanziert haben, oder auf das Buch, das gedruckt wird, nachdem mit freiwilligen Beiträgen die Recherchereise bezahlt worden ist, kommt es im Grunde kaum an. Solche Endergebnisse werden den Fans quasi umsonst hinterhergeworfen, wenn das Aufregendste längst vorbei ist. Das eigentliche Produkt ist die Community, zu der man nur dazugehört, wenn man zahlt. Crowdfunding-Spenden sind freiwillig. Gleichwohl nähert das Modell sich den Prozessen an, die Marcel Mauss in seinem Essay über den Gabentausch als Vorstufe zu modernen Vertrags- und Handelspraktiken beschrieben hat. Wie das Geschenk in archaischen Gesellschaften nur scheinbar ein bedingungsloses, freiwilliges ist, für das in Wahrheit eine Gegenleistung erwartet wird, deren Ausbleiben mit schweren sozialen Sanktionen gerächt wird, so ist die Freiwilligkeit der Spende beim Crowdfunding nur oberflächlich eine Gabe ohne Gegenleistung. Tatsächlich wird dafür die aufwändige Inszenierung eines als einzigartig empfun-

3. Neue Geschäf tsmodelle statt veralteten Urheberrechts?

denen Gemeinschaftserlebnisses erwartet. Versagt der »Künstler« hierin, zieht er mindestens den Missmut der großzügigen Spenderinnen und Spender auf sich. All dies ist gar kein großes Geheimnis. Fast alle Geschäftsmodelle, die im Netz funktionieren, basieren auf etwas, was nicht ohne Weiteres kopiert werden kann, auf Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit. Dabei wird der Fokus von den Produkten künstlerischer Arbeit weg verlagert, nämlich zumeist auf die Vermarktung der Künstlerpersönlichkeit, bisweilen auch eines Erlebnisses. So lässt sich der Monetarisierungsverlust auf der einen Seite mit einer Kommerzialisierung auf der anderen Seite ausgleichen.

N EUE G ESCHÄF TSMODELLE Die Frage, ob Künstler in der digitalen Welt mit neuen Geschäftsmodellen erfolgreich sein können, lässt sich also umformulieren: Gibt es etwas anderes, was sie anstelle ihrer kreativen Arbeit als Ware verkaufen können, um statt von ihren Rechten von diesem anderen zu leben? Aber selbstverständlich. Dafür gibt es genügend Beispiele. Nur, was folgt daraus? Dass Not erfinderisch macht? Dass man etwas Besseres als den Tod überall findet? Natürlich gibt es Geschäftsmodelle, die nicht auf dem Handel mit geistigem Eigentum basieren, die nichts mit Nutzungsrechten zu tun haben. Das aber bedeutet bloß festzustellen, dass es neben dem Markt für geistiges Eigentum auch noch andere Märkte gibt, auf denen man potenziell Geld verdienen kann. Man verdient sein Geld dann eben nicht mehr als Urheber, sondern irgendwie anders. Die Realisierung eines erfolgreichen Crowdfunding-Projekts ist eine Kunst für sich. Nicht umsonst tummeln sich mittlerweile allerlei Berater, die einem erklären, wie man das richtig anstellt. Man muss andere für sein eigenes Projekt begeistern, zu Fans eine persönliche Beziehung aufbauen und sich neue Arten von Eigenwerbung ausdenken. Das verlangt Talent und durchaus auch Kreativität. Aber eine künstlerische Tätigkeit ist es allenfalls in einem sehr weiten Sinne. Künstler, die auf diese Weise erfolgreich sind, sind es nicht als Künstler, sondern als Selbstvermarkter. Da können die Betreiber von Crowdfunding-Portalen noch so oft damit

53

54

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

werben, wie viele erfolgreiche Projekte sie angeblich vorzuweisen haben – es bleiben am Ende doch nur erfolgreich finanzierte Projekte. Erfolgreiche Geschäftsmodelle im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft laufen erstaunlich oft darauf hinaus, dass die eigentliche kreative Tätigkeit, also das Schreiben, Musikmachen oder sonstige produktive Arbeiten, zugunsten einer Vermarktung der Künstlerpersönlichkeit instrumentalisiert wird. Zugegeben, die Trennung ist nicht immer sauber zu vollziehen. Im Bereich der Kreativwirtschaft ist das Image, geadelt von Kritikern und von anderen professionellen Mitläufern des Betriebs anerkannt, häufig der wesentliche Ausweis künstlerischer Qualität. Wenn aber die Ware, die man zu verkaufen hat, nicht mehr das Produkt der kreativen Arbeit ist, sondern das eigene Image, wird die kreative Arbeit notwendigerweise instrumentalisiert. Das Kreativprodukt wird tendenziell zum Werbemittel für den Verkauf des Images. Damit kehrt sich das Verhältnis von Mittel und Zweck um: War früher der unbezahlte Auf bau eines Images notwendige Bedingung für den Verkauf der kreativen Güter, also etwa von Büchern oder CDs (genauer gesagt: der für ihre Herstellung nötigen Nutzungsrechte), so wird heute die kreative Produktion zur Bedingung für die Monetarisierung des Images. Solche Feststellungen sind unpopulär, weil sie klingen, als sträubte man sich gegen jede Veränderung. Als fände man es despektierlich, von Künstlern zu erwarten, dass sie mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren. Was ist so schlimm daran, wenn anstelle von Werkexemplaren Erlebnisse vermarktet werden? Wenn statt einer körperlichen Ware ein Image verkauft wird? Gibt es ein Recht auf ein Leben im Elfenbeinturm? Ist es unzumutbar, dass Künstler auch mal etwas Neues ausprobieren? Dass sie auf den digitalen Wandel in irgendeiner Weise reagieren? Statt von der Gesellschaft zu erwarten, dass diese ihre Kunst finanziert? Oder auf den Punkt gebracht: Ist es Urhebern wirklich nicht zuzumuten, dass sie als Unternehmer agieren, statt sich ganz auf ihre Kunst zu konzentrieren? Vielleicht schon. Nur verdienen sie ihr Geld dann eben nicht mehr als Urheber, sondern anders. Deshalb sind »neue Geschäftsmodelle« auch keine Alternative zum alten Urheberrecht. Sondern sie stellen entweder eine neue Form des Handelns mit Nutzungsrechten dar, oder sie ersetzen die Ware Nutzungsrecht durch eine andere Ware. Ein grundsätzlicher Unterschied ist das nicht. In einer Warenhandelsgesellschaft sind Künstler per definitionem immer schon Unternehmer. Es fragt sich nur, womit sie handeln.

3. Neue Geschäf tsmodelle statt veralteten Urheberrechts?

D ER U NTERSCHIED Z WISCHEN K ÜNSTLERN UND U NTERNEHMERN Das Wort »Entrepreneur« ist in letzter Zeit sehr in Mode gekommen. Ein Entrepreneur ist anscheinend mehr als ein Unternehmer, nämlich eine kreative, innovative und schöpferische Persönlichkeit – also eher ein Künstler als ein Unternehmer. Was auch wieder dafür spricht, dass es zwischen beiden eigentlich keinen Unterschied gibt. Oder vielleicht doch? Sieht man von dem ideologischen Brimborium um Innovation und unternehmerische Kreativität ab und fragt ganz trocken, worin Unternehmertum besteht, kommt man zu einem recht ernüchternden Ergebnis. Unternehmer sind Leute, die Geld haben, das sie in ein Geschäft investieren: in die Produktion von Gütern, die Bereitstellung von Dienstleistungen und so weiter. Sie tun dies, um diese Güter oder Dienste zu verkaufen und dabei einen Erlös zu erzielen, der höher ist als das, was sie investiert haben. Diesen Gewinn können sie entweder reinvestieren, sodass sie in der nächsten Runde mehr produzieren oder ihren Dienst irgendwie aufwerten können, um noch mehr Geld zu verdienen. Vielleicht entscheiden sie sich auch, das Geld in Aktien anzulegen, wenn sie meinen, dass die Zinsen höher sein werden als die Profite aus dem eigentlichen Geschäft. Was genau ein Unternehmer produziert oder anbietet, ist ihm völlig gleichgültig. Er denkt wirtschaftlich, quantitativ. Er denkt an Wachstum. Gilt dies auch für Künstler? Wohl kaum. Es würde bedeuten, dass Künstler Kapital investieren, um zu arbeiten und dabei Produkte herzustellen, die sie so verkaufen können, dass sie dabei einen höheren Erlös erzielen, als sie zur Finanzierung der Arbeit investieren mussten. Gelänge ihnen dies, könnten sie erfreulicherweise noch mehr Kunst produzieren, sich neue Märkte für deren Absatz erschließen, Subunternehmer beschäftigen oder vielleicht sogar aufhören zu arbeiten und das Geld gewinnbringend anlegen. Es mag sein, dass Dieter Bohlen so arbeitet. Aber der ist kein Künstler, sondern ein Gesamtkunstwerk. Und ein Unternehmer, vielleicht sogar ein kreativer. Die meisten Künstler jedoch denken nicht in Wachstumskategorien, sondern sie wollen hauptsächlich von ihrer Arbeit leben können. Sie arbeiten nicht, um Geld zu verdienen, das sie reinvestieren können, sondern für sie gilt, mit Max Weber gesprochen: »Der Mensch will ›von Natur‹ nicht Geld und mehr Geld verdienen, sondern einfach leben, so leben, wie er zu leben gewohnt ist, und soviel erwerben, wie dazu erforderlich ist«

55

56

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

(Weber 2005: 48). Künstler arbeiten nicht wachstumsorientiert, sondern sie wollen etwas Bestimmtes tun und brauchen Geld, um es sich zu ermöglichen. Mehr nicht. Und zweifellos hat das einen ganz eigenen Reiz. Dass künstlerische Kreativität nicht unter dem Primat der Verwertung steht, ist das große, wenn auch oft enttäuschte Versprechen, das ihr innewohnt. Künstlerisches Schaffen gilt bis heute als Prototyp selbstbestimmter Arbeit. Nur deshalb wollen so viele Leute Künstler sein, auch wenn sie oft nicht davon leben können. Heutzutage arbeiten immer mehr Menschen in hohem Grade selbstständig. Sie nehmen ihre eigene Zeiteinteilung vor, bringen sich mit Engagement und Ideen in ihren Job ein. Und doch haben sie meist wenig Einfluss darauf, welchen Zielen ihre Arbeit dient. Diese werden extern bestimmt, den Interessen des jeweiligen Unternehmens entsprechend, das die Lohnlisten führt (falls es das tut). Sich solcher Fremdbestimmung nicht unterwerfen zu müssen und doch sozial anerkannt zu werden, bleibt in unserer Gesellschaft Künstlern vorbehalten. Freilich, die Kehrseite der sprichwörtlichen künstlerischen Freiheit ist die wirtschaftliche Prekarisierung. In diesem Spannungsfeld zwischen Freiheit und wirtschaftlicher Abhängigkeit bewegt sich Kunst schon immer, so lange es sie als Profession in der bürgerlichen Gesellschaft gibt. Kann man von Künstlern verlangen, dass sie diesen Konflikt individuell lösen und sich mit neuen Geschäftsmodellen aus der Misere befreien? Man kann, natürlich. Aber man nimmt dann in Kauf, dass das kreative Schaffen sein emanzipatorisches Potenzial einbüßt. Die eigentliche Herausforderung besteht also nicht darin, neue Geschäftsmodelle zu finden, von denen Künstler leben können, wenn sie von ihrem Urheberrecht nicht (mehr) leben können. Sondern darin, wie man das Privileg, frei und selbstbestimmt zu arbeiten, das abzusichern einmal die Aufgabe des Urheberrechts sein sollte, in einen gesellschaftlichen Default verwandelt.

4. Von Qualitätsklassen, Mehrwertdiensten und Premium-Content Abstract Die sogenannte Netzneutralität steht vor dem Aus. Die Telekommunikationsunternehmen wollen in Zukunft mit »Qualitätsklassen« und »Mehrwertdiensten« untereinander konkurrieren. Dafür müssen sie die Inhalte, die sie verschicken, inspizieren, denn nur so können sie manche Datenpakete schneller transportieren als andere. Die Kommunikationsvermittler werden also zu Gatekeepern und Kontrolleuren. Dies kann weder im Interesse der Inhalteanbieter noch der Nutzer sein. Außerdem führt es dazu, dass für Infrastruktur immer mehr Geld bezahlt wird, während für Inhalte immer weniger übrig bleibt.

Während viele Kreativschaffende sich mit neuen Geschäftsmodellen schwer tun, sind die Telekomunternehmen in dieser Hinsicht auf dem besten Weg. Sie wollen neue Geschäftsmodelle entwickeln, Qualitätsklassen und Mehrwertdienste einführen und richtig gut verdienen. Das Problem ist nur: Nicht alle finden das gut. Und für Urheber, also für alle, die im Netz Inhalte anbieten, ist es eine fatale Entwicklung.

D IE F L ATR ATE -F ALLE Die Telekomunternehmen haben in den letzten Jahren vor allem eine Aufgabe gehabt: für einen reibungslosen Betrieb zu sorgen, ihre Netze zu warten und sicherzustellen, dass der Transport der Daten über ihre Leitungen halbwegs funktioniert. Dafür zahlten ihre Kunden Anfang des Jahrtausends noch per Einzel- oder Volumenabrechnung. Mittlerweile werden fast nur noch Flatrates angeboten. Tarife, bei denen der Inter-

58

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

netzugang nach dem Verbrauch abgerechnet wird, gibt es im Endkundenbereich so gut wie gar nicht mehr. Man zahlt eine monatliche Pauschale. Allerdings bekommt man für diesen monatlichen Pauschalpreis durchaus nicht permanent die Bandbreite geboten, für die man bezahlt. Im Gegenteil verschweigen die Anbieter in aller Regel, dass sie die Geschwindigkeit zwischenzeitlich drastisch drosseln, wenn im Netz gerade viel los ist. Sonst würden sich die Flatrate-Preise für sie überhaupt nicht rechnen. »Internet mit bis zu xy MBit«, heißt das im Kleingedruckten. Die Betonung liegt auf »bis zu«. Mit der derzeitigen Flatrate-Manie ist der Endpunkt einer Entwicklung erreicht, die mit der Privatisierung der Telekommunikationsnetze in den 1990er Jahren angefangen hat. Damals ging es darum, das Telekom-Monopol zu brechen und einen wettbewerbsgesteuerten Markt zu ermöglichen. Dieser Versuch ist gründlich gescheitert. Das staatliche Telekommunikationsnetz konnte zwar unter verschiedenen Eigentümern aufgeteilt werden, was seine effektive Verwaltung erheblich verkomplizierte, aber ein richtiger Wettbewerb konnte nicht entstehen, denn dafür hätte man parallele Infrastrukturen auf bauen müssen. Bis heute verfügen jedoch die wenigsten Telekommunikationsanbieter über eigene Leitungen. Nicht jeder Telekommunikationsanbieter ist ein Netzbetreiber. Viele Unternehmen mieten die Leitungen selbst nur an. Und die Zugangsleitung, also die sogenannte letzte Meile, gehört in Deutschland sowieso fast immer der Deutschen Telekom. Bekanntlich ist das Telefonieren seit der Jahrtausendwende beträchtlich billiger geworden. Ermöglicht hat diesen Preisverfall, anders als häufig behauptet wird, jedoch nicht der privatwirtschaftliche Wettbewerb, sondern die Tatsache, dass die Vermittlungs- und Übertragungstechnik wenige Jahre zuvor digitalisiert worden war. Diese durchaus kostspielige Umstellung ist indirekt durch die bis dato hohen Telefongebühren mitfinanziert worden – es ist sehr fraglich, ob private Anbieter derartige Investitionen auf ihre eigene Kappe genommen hätten. Dadurch, dass die Privatisierung erst später erfolgte, bekamen die neuen Anbieter sie quasi geschenkt. Als Gegenleistung wurde ihnen lediglich der weitere Ausbau von Breitbandnetzen in noch nicht erschlossenen Gebieten abverlangt. Finanziert werden sollte er durch die privaten Gewinne aus eigenen Angeboten auf den Leitungen des ehemaligen Monopolisten. Doch das blieb eher eine politische Forderung, als dass es eine wirtschaftliche Realität geworden wäre. Telekommunikationsnetze sind näm-

4. Von Qualitätsklassen, Mehr wer tdiensten und Premium-Content

lich, wie andere Infrastrukturen auch, natürliche Monopole. Das bedeutet: hohe Fixkosten bei sinkenden Grenzkosten und ausgeprägten Skaleneffekten. Der Netzausbau ist im Lowtech-Bereich extrem teuer: Leitungen zu verlegen und Vermittlungsstellen zu bauen, kostet eine Menge Geld. So etwas rechnet sich nur, wenn mit einer hohen Teilnehmerdichte zu rechen ist, also einer hohen Dichte von Anschlüssen auf möglichst engem Raum. 100.000 und mehr Anschlüsse pro Vermittlungsstelle sollten schon drin sein, damit die Grenzkosten für den einzelnen Anschluss spürbar sinken. Solche Verhältnisse sind in Städten durchaus gegeben, auf dem Land jedoch nicht. Entsprechend ist es für private Investoren effizienter, ihre Netze nur in Ballungsgebieten auszubauen (Fischbach 2005). Gerade weil die Fixkosten des Netzausbaus so hoch sind, lohnen sich auch parallele Infrastrukturen nicht, die einen echten Wettbewerb erst ermöglichen würden. Wenn ein einzelner Anbieter ein bestimmtes Gebiet erschlossen hat, ist es für alle anderen billiger, keine eigenen Netze zu bauen, sondern sie vom Konkurrenten an- und den eigenen Kunden weiterzuvermieten. So abgegriffen der Vergleich von Telekommunikationsnetzen mit Schienennetzen sein mag – im Hinblick auf die Frage nach einem funktionierenden Wettbewerb bietet er sich an. Auch auf einem Schienennetz kann es kaum einen sinnvollen Wettbewerb geben, schließlich fahren die Züge alle auf denselben Schienen. Warum sollte ein Anbieter in der Lage sein, dies günstiger anzubieten als ein anderer? Dies ist nur vorstellbar, wenn er beispielsweise darauf verzichten kann, in den Erhalt der Infrastruktur zu investieren – etwa weil die öffentliche Hand es ihm abnimmt, oder weil ihm die Sicherheit der Fahrgäste schnuppe ist. Oder wenn er sich auf profitträchtige Strecken beschränkt und die Provinzbahnhöfe gar nicht erst anfährt. Bei den Telekommunikationsnetzen ist es genauso: So lange die unterschiedlichen Anbieter nichts Unterschiedliches anzubieten haben, können sie kaum sinnvoll miteinander konkurrieren. Was es dennoch an Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt gibt, lässt sich größtenteils auf kreative Preisgestaltung zurückführen. Dieses Modell ist mittlerweile an seine Grenzen gekommen: Die angebotenen Flatrates können kaum noch sinken, wenn die Netze halbwegs wirtschaftlich betrieben werden sollen. Die Telekommunikationsanbieter sind deshalb händeringend auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen.

59

60

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

D AS E NDE DER N E T ZNEUTR ALITÄT Das in diesem Zusammenhang diskutierte Stichwort lautet Netzneutralität. Um zu verstehen, worum es dabei geht, muss man zunächst den Unterschied zwischen einer Standleitung und einer paketvermittelten Übertragung kennen, wie sie durch die Digitalisierung möglich geworden ist. Eine Standleitung steht den Kommunikationsteilnehmern exklusiv zur Verfügung, ist jedoch während eines Übertragungsvorgangs für alle anderen Teilnehmer blockiert. Bei der paketvermittelten Übertragung werden die Signale hingegen in kleine Teile aufgesplittet, bevor sie durch die Leitungen gejagt werden, und erst am Ende wieder zusammengesetzt und in elektronische Signale zurückverwandelt. Folglich können Daten, die zu unterschiedlichen Kommunikationsvorgängen gehören, durch dieselben Leitungen fließen. Die Paketvermittlung erlaubt also eine effizientere Ausnutzung begrenzter Leitungskapazitäten. Netzneutralität bedeutet nun, dass bei der paketvermittelten Übertragung alle Datenpakete gleich behandelt werden, unabhängig davon, was für Daten es sind, und entsprechend der aktuellen Netzauslastung gleich schnell oder langsam transportiert werden. Ob also Audiodaten von Telefongesprächen übertragen werden, Textdateien oder Filme, ist völlig gleichgültig, obwohl die dafür benutzten Programme auf ganz unterschiedlichen Diensten beruhen. Die Daten werden nach dem sogenannten best-effort-Prinzip durchgeleitet. Dieses Grundprinzip sicherte dem Internet bislang seine Innovationsoffenheit, denn jeder Programmierer konnte neue Protokolle entwickeln, die auf der Basis der bestehenden Infrastruktur funktionierten. Er brauchte die Leitungen nicht selbst zu besitzen, sondern es genügte, einen Zugang dazu zu haben. Niemand konnte ihn daran hindern, Inhalte seiner Wahl über das Netz zu verschicken. Mehr noch, die Telekommunikationsanbieter hatten gar nicht die Möglichkeit zu kontrollieren, um was für Inhalte es sich handelte. Das hat sich mittlerweile geändert, nicht zuletzt dank der sogenannten Deep Packet Inspection. In den letzten Jahren hat sich die Technik, mit der die Telekomunternehmen in die Datenpakete hineinschauen können, beträchtlich verbessert und verbilligt. Auch haben die Unternehmen eine Menge Geld in entsprechende Router investiert. Sie sind heute in der Lage, Datenpakete automatisiert anhand der Protokolle, auf denen sie basieren, zu unterscheiden. Man kann darüber streiten, ob dies bereits eine datenschutzrechtlich bedenkliche Inhaltekontrolle ist oder nicht. Jeden-

4. Von Qualitätsklassen, Mehr wer tdiensten und Premium-Content

falls ermöglicht sie, Internettelefonie, Filesharing oder Mailversand voneinander zu unterscheiden. Dies ist durchaus sinnvoll, um die Stabilität der Übertragung zu gewährleisten. Wenn es zu einem hohen Verkehrsauf kommen kommt, ergibt es Sinn, Pakete, die zu einem bestimmten Dienst gehören, etwa zu einem Netztelefonat, schneller durchzuleiten als andere, etwa eine Email. Denn wenn eine Email ein paar Sekunden später ankommt, stört dies nicht weiter. Wenn es hingegen bei einem Telefonat zu Verzögerungen in der Übertragung kommt, leidet die Qualität des Dienstes erheblich. Das Ganze hat aber auch eine Kehrseite: Die Telekommunikationsanbieter sind durch diese Technik in die Lage versetzt worden, den Kommunikationsfluss zu kontrollieren. Sie können nach Belieben bestimmte Daten schneller durchleiten, andere langsamer. Hierfür besteht ein großer Anreiz, denn sie können von den Anbietern der Daten Geld dafür verlangen, dass sie deren jeweilige Angebote schneller befördern als andere. So ist es beispielsweise denkbar, dass ein Anbieter von Fußball-LiveÜbertragungen einem Telekommunikationsunternehmen Geld dafür bezahlt, dass diese Daten auch dann ruckelfrei zum Kunden gelangen, wenn gerade viel los ist im Netz. Um das zu gewährleisten, kann der Netzanbieter den sonstigen Netzverkehr drosseln. Im Mobilfunk ist das längst die Regel: Viele Telekomunternehmen bremsen die Internettelefonie über Skype künstlich aus, damit die Kunden nicht den kostenfreien Dienst benutzen, sondern die eigenen Mobilfunkangebote. Von neutralen Informationsvermittlern, die lediglich Daten durch ihre Leitungen schleusen und dabei auf eine bestmögliche Qualität achten, entwickeln sich die Netzbetreiber allmählich zu Gatekeepern. Denn die »Next Generation Networks« ermöglichen es, die Transportebene von der Diensteebene zu trennen. Bei der Durchleitung der Inhalte selbst kann die Technik erkennen, ob es sich um das Angebot eines Kooperationspartners handelt oder um ein beliebiges anderes Angebot aus dem weiten Internet. Aber auch, ob der Nutzer für einen bestimmten Dienst im Rahmen seines Vertrags zusätzlich zahlt oder nicht. Je nachdem, wie das Ergebnis dieser Überprüfung ausfällt, werden die Daten dann schneller oder langsamer zum Kunden weitergeleitet. Die Videos ruckeln dann auf dem Bildschirm oder eben nicht. »Smart Networks«, lautet die Werbevokabel dafür.

61

62

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Z WEISEITIGE M ÄRK TE Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Telekommunikationsmärkten grundsätzlich um zweiseitige Märkte handelt. Der Netzbetreiber hat zwei Arten von Kunden: einerseits die Dienste- und Inhalteanbieter, die die Netze zum Versenden von Daten nutzen; andererseits die Endkunden, die jene Angebote von zu Hause aus abrufen. Das Unternehmen, das zwischen beiden steht, kann für beide Kundengruppen unterschiedliche Preise festlegen. Je mehr Geld es von den Inhalteanbietern dafür verlangt, dass es deren Inhalte auf seine Leitungen lässt, desto weniger braucht es von den Konsumenten dafür zu verlangen, dass diese die Inhalte abrufen können, und umgekehrt. Ein vergleichbares Phänomen kennen wir seit Langem vom Mobilfunkmarkt: Hier gibt es Anrufer und Angerufene. Eine Mobilfunknummer aus dem Netz eines anderen Anbieters heraus anzurufen, ist teuer, weil der Netzanbieter des Angerufenen keine Konkurrenz zu fürchten hat. Der gewünschte Gesprächspartner ist, wenn er nicht noch eine zweite Nummer hat, auf anderem Wege nicht erreichbar. Entsprechend wird von dem Anrufer eine hohe Gebühr dafür verlangt, dass sein Anruf durchgestellt wird. Den Angerufenen kostet das Gespräch hingegen nichts außer seiner monatlichen Gebühr, die er ohnehin zahlt. Denn sonst würden die Kunden sich ziemlich schnell für einen anderen Anbieter entscheiden. Dieses Prinzip möchten die Telekommunikationsunternehmen auf das Internet übertragen. Sie möchten von den Inhalteanbietern, die dabei den Anrufern entsprechen, Geld dafür verlangen, dass sie deren Inhalte über ihre Netze zu den Nutzern transportieren. Ganz deutlich wurde das 2012 im Rahmen der Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation in Dubai. Die European Telecommunications Network Operators’ Association, eine Brüsseler Lobbyorganisation, der große Unternehmen wie France Télécom, die Deutsche Telekom und Telecom Italia angehören, schlug bei dieser Konferenz vor, dass es Netzbetreibern zukünftig erlaubt sein sollte, Anbietern, deren Inhalte besonders viel Bandbreite in Anspruch nehmen, Durchleitungsgebühren in Rechnung zu stellen. Dabei geht es nicht um den letzten Meter von der Verteilerdose zum Telefonanschluss, sondern um die Kapazität im Backbone, also zwischen den Verkehrsknotenpunkten im Hinterland des Netzes. Aber der letzte Meter, also der Zugang zum Endkunden, ist das Druckmittel, das die Telekoms dabei in der Hand haben. Denn auf diesen Zugang haben sie ein Mono-

4. Von Qualitätsklassen, Mehr wer tdiensten und Premium-Content

pol. Weil es auf dem letzten Meter, also auf dem Weg zum Anschluss des Kunden, keine parallelen Infrastrukturen und somit auch keinen Wettbewerb gibt, können die Provider faktisch bestimmen, welche Dienste und Inhalte den Kunden in welcher Qualität erreichen. Natürlich verursachen beispielsweise die Abrufe von Videos auf YouTube, einem Tochterunternehmen von Google, eine Menge Traffic. Doch die Anbieter solcher Plattformen zahlen bislang lediglich für die Einspeisung ihrer Inhalte ins Netz, nicht für das Datenaufkommen, das sie verursachen, wenn diese Inhalte dem Endnutzer »zugestellt« werden, wenn sie also von einem ganz anderen Netz aus abgerufen werden. Dafür zahlen vielmehr die Empfänger im Rahmen ihres jeweiligen FlatrateAbonnements, also die Nutzer. Dieses Prinzip würden die Telekommunikationsunternehmen gern umdrehen, entsprechend dem Modell auf dem Telefonmarkt, wo stets derjenige, der den Kunden eines bestimmten Unternehmens erreichen will, dafür zahlt, nicht dieser Kunde. Und sie verbuchen durchaus Erfolge. Unter der Hand zahlt zum Beispiel Google Geld an den französischen Anbieter Orange. In dessen Netz machen die Suchmaschine und YouTube zusammen ungefähr die Hälfte des Datenverkehrs aus. Nicht zuletzt aufgrund der starken Stellung, die Orange im afrikanischen Raum hat, ist Google dazu offenbar bereit.1 Hinter den Kulissen ist der Kampf darum, wer in Zukunft für die Durchleitung der Inhalte zahlen soll, voll entbrannt. Ganz unverständlich ist die Haltung der europäischen Telekommunikationsunternehmen nicht. Die meisten Inhalte, die die Endkunden in Europa erreichen, werden nicht von heimischen Anbietern in die Netze eingespeist. Wäre dem anders, müssten diese Anbieter auch heute schon an die Netzbetreiber zahlen. Wer in Deutschland zum Beispiel ein internetbasiertes Unterhaltungs-TV-Angebot machen möchte, muss für den Upload in das Netz seines Providers natürlich zahlen. Tatsächlich stammen jedoch die am meisten genutzten Inhalte-Angebote aus den USA. Ein Anbieter wie Google zahlt also an seinen dortigen Netzbetreiber, etwa an die Washingtoner Firma Cogent. Diese leitet die Daten nach Europa weiter, und dort übernimmt zum Beispiel die Deutsche Telekom. Im Rahmen sogenannter Peering-Abkommen übernehmen die beiden Netzbetreiber den Datenverkehr des jeweils anderen, ohne dafür extra zu zahlen. Dieser wechselseitige Tausch wird von den europäischen Netzbetreibern zunehmend als ungerecht empfunden, weil wesentlich mehr Daten aus den USA nach Europa fließen als umgekehrt. Um dieses ansteigende Vo-

63

64

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

lumen zu bewältigen, müssen die europäischen Unternehmen immer mehr in den Netzausbau investieren. An diesen Kosten, so verlangen sie, sollen sich die Inhalte-Anbieter beteiligen.2 Doch nicht nur die Anbieter, auch die Kunden sollen zukünftig verstärkt zur Kasse gebeten werden. Der Anfang ist in Deutschland bereits gemacht. Im April 2013 hat die Deutsche Telekom angekündigt, dass sie ab 2016 bei Nutzern, die im Monat mehr als 75GB an Datenvolumen verbrauchen, die Downloadgeschwindigkeit drosseln wird. Wer das nicht möchte, kann gegen Aufpreis zusätzliches Volumen hinzukaufen. Zwar hat kürzlich ein Landgericht entschieden, dass das Unternehmen solche Tarife dann nicht mehr als »Flatrate« verkaufen darf. Aber das bedeutet nur, dass eine 500-GB-Flatrate dann künftig zum Beispiel »Flat 500« heißen muss.3 An sich ist gegen ein solches Preisgestaltungsmodell auch gar nichts einzuwenden. Bedenklich ist jedoch, dass die Telekom bestimmte Angebote von der Drosselung ausnehmen möchte, namentlich Telekom Entertain, das hauseigene IPTV-Angebot. Das Argument dafür lautet, Telekom Entertain gehöre nicht zum normalen Internet, sondern sei ein »managed service«. Tatsächlich läuft der Dienst physikalisch auf denselben Leitungen, aber getrennt vom sonstigen Internetverkehr. Die Anbieter übergeben die Daten nicht aus einem eigenen Netz an das der Telekom, sondern bekommen im Rahmen eines Kooperationsvertrags einen Server im Netz der Telekom selbst. Technisch gesehen besteht also ein Unterschied zu anderen Videoangeboten wie Maxdome, Sky oder Watchever, die von der Telekom nur durchgeleitet werden. Faktisch jedoch läuft es darauf hinaus, dass Anbieter, mit denen die Telekom gemeinsame Sache macht, einen besseren Zugang zum Kunden bekommen als alle anderen. Seit geraumer Zeit steht deshalb die Forderung nach einer gesetzlichen Absicherung der Netzneutralität im Raum. In Deutschland gab es zwar schon einen Vorschlag für eine entsprechende Verordnung, der aus dem Bundeswirtschaftsministerium kam.4 Doch nachdem die Telekommunikationsunternehmen dagegen protestiert hatten, wurde die Vorlage wieder eingestampft. Und mittlerweile sieht es so aus, als wäre der Weg einer gesetzlichen Verankerung von Netzneutralität demnächst ohnehin versperrt. Die Europäische Union plant nämlich derzeit eine neue Telekommunikationsverordnung, und eine solche Verordnung geht nationalen Gesetzen grundsätzlich vor – sie gilt unmittelbar und muss nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden. Dem Entwurf vom September

4. Von Qualitätsklassen, Mehr wer tdiensten und Premium-Content

20135 zufolge soll die Einführung unterschiedlicher Diensteklassen mit differenzierten Abrechnungsmodellen in Zukunft erlaubt werden. Die Telekommunikationsunternehmen bekämen damit eine rechtliche Absicherung für umfassende Eingriffe in den Datenverkehr. Im Februar 2014 wird voraussichtlich der Industrieaussschuss des Europaparlaments der Verordnung zustimmen. Es ist also nicht undenkbar, dass sie noch in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments in Kraft tritt – die letzte Plenarsitzung findet am 17. April 2014 statt.

C UI BONO? Was hat all dies mit der Frage der Vergütung von Kreativschaffenden zu tun? Es ist oft betont worden, dass das freie, für alle zugängliche Netz die Möglichkeiten der Selbstvermarktung erleichtert hat, weil es hier einen direkten Zugang zu den Rezipienten gab. Die Verwerter, also die Verlage, Labels und großen Medienunternehmen, hatten ihr Privileg eingebüßt, als Werkmittler zu fungieren. Kreativschaffende konnten erstmals ohne große Investitionskosten im Netz selbst publizieren. Jetzt aber werden die Telekommunikationsunternehmen im Netz zu den neuen Gatekeepern. Es ist offensichtlich, welche Inhalte dabei in Zukunft benachteiligt sein werden: die nicht-kommerziellen. Jene Anbieter, die es sich im Gegensatz zu den Googles dieser Welt nicht leisten können, Geld für eine schnellere Durchleitung ihrer Daten zu bezahlen, werden das Nachsehen haben. Dass Kreative im Netz bis dato jederzeit selbst publizieren und ihre Werke verbreiten können, bedeutet zwar nicht unbedingt, dass sie damit auch erfolgreich Geld verdienen. Es ist aber grundsätzlich einer Situation vorzuziehen, in der Telekom-Unternehmen und Plattformanbieter kontrollieren können, welche Inhalte den Endnutzer in welcher Qualität erreichen. Denn Letzteres bedeutet, dass Produzenten und Rezipienten keinen direkten Zugang mehr zueinander haben, sondern nur einen vermittelten. Wenn Urheber ihre Einnahmen zukünftig nicht mehr mit Verwertern teilen müssen, dafür aber mit Telekommunikationsanbietern, haben sie wenig gewonnen. Ob die Inhalteanbieter direkt dafür zur Kasse gebeten werden, dass ihre Inhalte in einer bestimmten Qualität über die Netze geleitet werden, oder ob die Kunden für bestimmte Angebote in optimaler Qualität zusätzlich zahlen müssen, ist letztlich gleichgültig. Vermutlich wird ohnehin beides

65

66

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

der Fall sein. Fest steht aber: Je mehr Geld zukünftig für Dienstequalität ausgegeben werden muss, damit die Netzbetreiber mehr verdienen, desto weniger wird in die Produktion von Inhalten fließen. Wer kommerziell interessante Inhalte anzubieten hat, kann auf Kooperationsverträge mit den Netzbetreibern hoffen. Einzelnen Urhebern wird dieser Weg jedoch verschlossen bleiben. Vielmehr wird es zu einer zunehmenden vertikalen Integration von großen Unternehmen kommen. Große Medienkonzerne werden Verträge mit großen Telekommunikationsunternehmen eingehen. Alle anderen müssen leider draußen bleiben oder extra zahlen. Oder die Nutzer überreden, dass sie extra zahlen sollen. Die Erhaltung der Netzneutralität liegt also im ureigenen Interesse der Urheberinnen und Urheber. Begriffen hat das immerhin der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der sich selbst als Inhalteanbieter sieht und sich deshalb ausdrücklich für einen Erhalt der Netzneutralität ausgesprochen hat. Die Urheberverbände oder die Gewerkschaft ver.di, die viele freiberufliche Urheber zu vertreten beansprucht, scheinen von der Debatte indes noch nicht viel mitbekommen zu haben. Im Gegensatz zur netzpolitischen Nutzerszene, die schon länger für eine gesetzliche Verankerung der Neutralität der Netze kämpft. Tatsächlich wäre es an der Zeit, darüber hinaus die Frage aufzuwerfen, ob eine bestimmte Infrastruktur nicht in öffentlicher Hand besser aufgehoben wäre als in privater – nämlich die physikalische Infrastruktur der Telekommunikationsnetze. Nicht zuletzt, um eine klare Trennung der Transportebene von der Ebene der Dienste zu gewährleisten und so zu verhindern, dass Netzbetreiber eigennützig auf die digitale Öffentlichkeit Einfluss nehmen können. Doch diese Frage ist von vornherein verpönt, nämlich als wettbewerbsfeindlich, was ungefähr der schlimmste Vorwurf ist, den man sich hierzulande überhaupt einhandeln kann. Wäre dem anders, wären also Überlegungen zu einer Vergesellschaftung von Infrastrukturen legitim, es würden sich ganz neue Perspektiven eröffnen. Nicht zuletzt könnten Inhalteanbieter und Nutzer dann tatsächlich so etwas wie einen Gesellschaftsvertrag miteinander aushandeln.

5. Urheberrecht und Datenschutz Abstract Urheberrecht und Datenschutz sind im Bereich der Netzpolitik vermutlich die beiden am meisten diskutierten Themen. Das ist kein Zufall, sondern beide Regulierungsansätze haben einen gemeinsamen Nenner: das Privateigentum. Wie dem Urheber ein Eigentum an seinen geistigen Schöpfungen zugesprochen wird, so gilt für den Nutzer: Meine Daten gehören mir. Zugleich sind diese Daten der Treibstoff der Netzökonomie: sie müssen mobil sein, damit sie monetarisiert, zu Geld gemacht werden können. Ein zu hohes Schutzniveau hemmt diese Mobilität. Urheber und Nutzer sind also in derselben Situation: Beide geben tagtäglich aus der Hand, was sie als das ihre betrachten, für einen viel zu geringen Gegenwert.

»Facebook’s users do not pay, so they are not its clients. They are its merchandise, to be sold to other businesses.« Richard Stallman, Aktivist und Programmierer, Spiegel Online International, 20111

Die Tatsache, dass US-amerikanische Geheimdienste offenbar die Kommunikation über das Internet flächendeckend überwachen, hat 2013 zu erheblicher Verstörung geführt – insbesondere bei jenen, die das Netz bislang für einen freien und unzensierten Kommunikationsraum hielten. War im Zusammenhang mit der ein Jahr zuvor entbrannten Urheberrechtsdebatte immer wieder die Rede davon gewesen, das Netz dürfe kein »rechtsfreier Raum« sein, so war daraus über Nacht sogar ein grundrechtsfreier Raum geworden. Dass private Unternehmen, insbesondere Internetprovider, an dieser Überwachung kräftig mitverdienen, weil sie von den Geheimdiensten für den Zugriff auf ihre Daten fürstlich entlohnt werden, trug auch nicht gerade zu größerem Vertrauen in den Datenschutz bei.

68

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Es wäre interessant, den Zusammenhang von staatlicher Überwachung und Urheberrecht genauer zu untersuchen. Immerhin steht das Urheberrecht historisch in engem Zusammenhang mit den Druckerprivilegien, die von Fürsten und Königshäusern vergeben wurden, um über die Kontrolle des Publikationswesens auch die Gedanken ihrer Untertanen unter Kontrolle zu behalten. Hier soll es jedoch um einen anderen Zusammenhang zwischen Urheberrecht und Datenschutz gehen: den kommerziellen. Denn die Begehrlichkeiten von Staaten, die ihre Bürger überwachen wollen, sind das eine. Auf einem anderen Blatt steht, dass Daten auch ein Wirtschaftsgut sind. Beim Urheberrecht geht es einerseits um die Anerkennung der Urheberschaft am jeweiligen Werk, andererseits um die Verwertung, also die Monetarisierung des Inhalts. Beim Datenschutz geht es um den Schutz der Privatsphäre vor dem Zugriff des Staats, aber auch um die kommerzielle Nutzbarmachung dieser Daten durch privatwirtschaftliche Akteure. Urheberrecht und Datenschutz haben also einen gemeinsamen Nenner: Etwas, das von den Betroffenen als Ureigenes begriffen wird, erfährt eine kommerzielle Verwertung. Wie berechtigt die Klage sein mag, dass im Netz angeblich nicht genug Geld für urheberrechtlich geschützte Inhalte ausgegeben wird, sei dahingestellt. Eine Menge Geld wird jedenfalls für die Daten der Nutzerinnen und Nutzer ausgegeben. Dabei machen personalisierte Werbeanzeigen (targeted ads), die auf dem Nutzungsverhalten der Konsumenten beruhen, den Löwenanteil des Geschäfts aus. Die kleinen blinkenden Werbeflächen im Netz werden an die meistbietenden Anzeigenkunden versteigert. Dies geschieht in automatisierten Verfahren, innerhalb von Sekundenbruchteilen, vermittelt durch spezialisierte Agenturen – so ähnlich wie beim vollautomatisierten Börsenhandel. Würde man diese weit verbreitete Praxis unterbinden (was einige Rechteinhaber fordern, weil solche Werbung natürlich auch auf illegalen Seiten hochploppt), würde die Internetwirtschaft einen ganz beträchtlichen Schaden erleiden. Die Datensammelwut kommerzieller Firmen ist mittlerweile vielen Leuten fast genauso unheimlich wie die der Staaten. »Meine Daten gehören mir« lautet der Slogan, mit dem Datenschützer und Netzaktivisten ihrer Forderung nach einem möglichst weitreichenden Verfügungsrecht des Einzelnen über die »eigenen« Daten Nachdruck verleihen. Wenn man diesen Anspruch für berechtigt hält, muss man anerkennen, dass er dem-

5. Urheberrecht und Datenschut z

jenigen der Urheberinnen und Urheber, die über die Verbreitung und Nutzung ihrer Werke selbst bestimmen möchten, nicht unähnlich ist. Interessanterweise wird dieser Zusammenhang jedoch selten hergestellt. Im Gegenteil: Dieselben Leute, die sich für einen besseren Nutzerdatenschutz im Netz aussprechen, plädieren in Sachen Urheberrecht häufig für eine Liberalisierung, für eine Lockerung des rechtlichen Rahmens. Weniger Verbotsrechte, mehr freier Zugang. Wie passt das zusammen? Wie verhält sich der Anspruch der Urheber, über die Verbreitung der eigenen Werke im Netz selbst bestimmen zu wollen, zu dem der Nutzerinnen und Nutzer, die eigenen persönlichen Daten nicht als Rohstoff für die Werbewirtschaft freigeben zu wollen?

Ö FFENTLICHKEIT UND P RIVATSPHÄRE Jürgen Habermas hat in seiner bekannten Arbeit zum »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas 1971) beschrieben, wie sich mit dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft ein Diskursraum abseits der Sphäre von Wirtschaft und Handel herausgebildet hat. Die Diskussion über Kunst, Literatur und Philosophie, die in den bürgerlichen Salons, aber auch in den Zeitungen stattfand, spielte für die Selbstverständigung der jungen bürgerlichen Gesellschaft eine Schlüsselrolle. Die neu entstehende Öffentlichkeit war das Forum für die Herausbildung kulturellen und politischen Selbstbewusstseins der bürgerlichen Klasse im Prozess ihrer Emanzipation. Sie fand durchaus jenseits der Sphäre des Marktes statt, auf dem dieselben Akteure als Kaufleute und Händler agierten, und war insofern eine »freie« Öffentlichkeit, getrennt vom Bereich des für den Lebensunterhalt Notwendigen. Sie etablierte sich aber auch jenseits der feudalen Sphäre, und es war gerade ihre Unabhängigkeit von jener, die es ermöglichte, dass sie zu einer kritischen Kontrollinstanz avancierte. Herrschaft kam angesichts dieser neu entstehenden Öffentlichkeit zunehmend in die Verlegenheit, sich zu rechtfertigen, zu legitimieren. Die bürgerliche Öffentlichkeit war in ihrem Ursprung also eine kritische Gegenöffentlichkeit. Aus dieser neuen Öffentlichkeit schälte sich dann gleichsam die bürgerliche Privatsphäre heraus. Die privaten Räume der Bürgerwohnungen entstanden als Schutzräume und Rückzugsgebiete. Der Bürger wurde Herr im eigenen Haus, und so lange er seine Rechnungen bezahlen konnte, war er niemandem Rechenschaft schuldig. Während der öffentliche

69

70

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Raum ein Raum der Verhandlungen und des Ausgleichs von Partikularinteressen wurde, die sich in ihrer Willkür gegenseitig einschränken und kontrollieren sollten, gewann das traute Heim zunehmend an Intimität und Privatheit. Wie man beispielsweise am Briefroman gut sehen kann, wo die psychologischen Erfahrungen aus der Sphäre der Subjektivität in eine literarische Öffentlichkeit einfließen, blieb diese Privatheit jedoch stets auf die Öffentlichkeit bezogen. Mit der Entwicklung einer Netzöffentlichkeit im Schatten der etablierten Massenmedien hat sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein solcher Strukturwandel der Öffentlichkeit wiederholt. In Blogs und Foren entstand eine sich von der bisherigen Medienkultur deutlich abgrenzende Publizität, die sich später auf soziale Netzwerke und Kollaborationsplattformen ausdehnte. War die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger im Paradigma der massenmedialen Kommunikation darauf festgelegt, bloßer Empfänger vorgefertigter, medial vermittelter Botschaften zu sein, entstand mit dem digitalen Wandel eine dialogische Öffentlichkeit. An die Stelle der one-to-many-Kommunikation der Massenmedien trat eine many-to-many-Kommunikation unterschiedlicher, nicht zuletzt auch zivilgesellschaftlicher Akteure. Yochai Benkler, der Habermas der USA, hat diesen Prozess in seinem Buch »The Wealth of Networks« schon 2006 treffend beschrieben (Benkler 2006). Zugleich haben sich innerhalb dieser neu entstandenen Öffentlichkeit schon nach kurzer Zeit neue Privatsphären herausgebildet. Die private Homepage oder das eigene Profil in einem sozialen Netzwerk gelten zwar, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, de jure als öffentlich. Tatsächlich werden diese Räume von den Betroffenen jedoch häufig als private Räume wahrgenommen. Auch die Mediennutzung, etwa das Kopieren von Musik oder Filmen, wird im öffentlichen Raum häufig als rein privates Handeln empfunden, nicht als bewusste Teilnahme an einer Medienöffentlichkeit. Juristisch wird aber zum Beispiel das Anbieten eines Songs in einer Tauschbörse genauso gewertet wie eine kommerzielle Veröffentlichung.

H ASTE WAS , DANN BISTE WAS : BÜRGERLICHES P RIVATEIGENTUM In der bürgerlichen Gesellschaft beruhten sowohl die Öffentlichkeit als auch die Privatsphäre auf dem Privateigentum, das die wirtschaftliche

5. Urheberrecht und Datenschut z

Grundlage der neuen Autonomie darstellte. Erst die Tatsache, dass der persönliche Besitz fremdem Zugriff entzogen blieb, ermöglichte den freien Handel und somit eine Unabhängigkeit von der Alimentation durch Dritte. Im Gegensatz zum unfreien Bauern, der auf den Feldern seines Lehnsherrn arbeitete, dafür einen Anspruch auf dessen Schutz hatte, aber auch über die Früchte seiner Arbeit nicht selbst verfügte, konnte der Bürger sich als unabhängig begreifen, weil er die Grundlagen seiner Existenz selbst in der Hand hatte. Schon Habermas hat indes darauf hingewiesen, dass die bürgerliche Öffentlichkeit ihren Anspruch, eine allgemein zugängliche zu sein, nie ganz einlösen konnte. Ihre ökonomische Grundlage bedingte von vornherein den Ausschluss nicht-besitzender Schichten. Eine Gesellschaft, aus der angebbare Gruppen ausgeschlossen sind, ist jedoch, gemessen am Gleichheitsideal, keine ganz demokratische Gesellschaft. Und eine Öffentlichkeit, in der Repräsentanten bestimmter Schichten von vornherein nicht vertreten sind, ist letztlich keine. Einfacher gesagt: Wenn Öffentlichkeit etwas ist, das per definitionem allen zugänglich sein soll, dann geht es nicht an, dass dieser Zugang den Besitz von Eigentum voraussetzt, das seinerseits nicht allen zugänglich ist. Der neue, mit dem Entstehen einer Netzöffentlichkeit einhergehende Strukturwandel schien diesen Widerspruch zunächst zu entschärfen. Denn mit dem digitalen Wandel ist eine zentrale Voraussetzung für die Teilnahme an öffentlicher, massenmedialer Kommunikation weggefallen: der Besitz von Kapital. Wer in den 80er Jahren eine Massenöffentlichkeit erreichen wollte, musste Zeitungen und Fernsehsender besitzen oder zumindest Zugang zu ihnen haben, was einem kleinen Kreis professioneller Journalisten vorbehalten war. Im Netz gab es diese Hürde nicht. Yochai Benkler hat dies 2006 auf zwei wesentliche Voraussetzungen zurückgeführt. Zum einen auf eine grundsätzliche Neutralität der Netze: Einzelne Kommunikationsteilnehmer, die als Inhalteanbieter auftraten, konnten nicht ohne Weiteres von der Nutzung ausgeschlossen werden. Zum anderen darauf, dass die Kommunikationsteilnehmer ihre Endgeräte universell verwenden und also selbst festlegen konnten, zu welchen Zwecken sie diese einsetzten. So konnte eine Sphäre entstehen, die Benkler als »non-market production« bezeichnet, eine marktferne, soziale Öffentlichkeit. Um die politische Regulierung dieses Kommunikationsraums ist seither jede Menge Streit entstanden, der sich im Wesentlichen um die Bereiche Urheberrecht und Datenschutz dreht. Der gemeinsame Nenner dieser

71

72

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

beiden Rechtsbereiche ist wiederum der Eigentumsbegriff. Das Urheberrecht schützt das »geistige Eigentum« in klarer Analogie zum privaten Sacheigentum. Da es Kommunikationsgüter betrifft, ist hier unmittelbar der Bereich der Öffentlichkeit tangiert. Der Datenschutz hingegen schützt die Privatsphäre des Einzelnen, indem er ihm ein Recht an die Hand gibt, über die Verwendung der eigenen Daten zu bestimmen. Er eröffnet einen privaten Schutzraum für persönliche Autonomie im Kontext des Sozialen.

U RHEBERRECHT UND D ATENSCHUT Z Dass das Eigentum hier der gemeinsame Nenner ist, zeigt sich auch daran, dass in beiden Bereichen der grundsätzliche Mechanismus der eines Ausschlussverfahrens ist. Der Rechteinhaber, also sozusagen der Eigentümer des jeweiligen Schutzgegenstands, kann Dritte von der Nutzung ausschließen. Dies bedingt umgekehrt, dass er den Schutzgegenstand grundsätzlich ökonomisieren kann: Da der Zugang von seiner Genehmigung abhängig ist, kann er diese von einer Gegenleistung abhängig machen. So wie die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an die Zahlung eines Honorars gebunden werden kann, ist die Genehmigung zur Erhebung und Speicherung privater Daten von der Einwilligung des Betroffenen abhängig. Er erhält dafür ebenfalls eine Gegenleistung, etwa die Möglichkeit, einen bestimmten Dienst zu nutzen, für den er sonst bezahlen müsste. Damit ist die Verkehrsfreiheit von urheberrechtlichen Werken und privaten Daten im Sinne des allgemeinen Güterverkehrs sichergestellt. Obschon immateriell, können Werke und Daten nun gehandelt werden wie andere Wirtschaftsgüter auch. Auf das Eigentum als gemeinsame Grundlage von Urheberrecht und Datenschutz deutet auch die zunehmende Konvergenz im Anwendungsbereich des Schutzes hin. Die ständige Ausdehnung des urheberrechtlichen Schutzumfangs auf immer kleinere Werkteile führt dazu, dass tendenziell jedes Bit urheberrechtlich geschützt sein kann. Bekanntlich betrifft das Urheberrecht mittlerweile auch Software und Datenbanken, und im Bereich der Musik umfassen sogenannte Leistungsschutzrechte, die dem Urheberrecht verwandt sind, kleinste Werkteile: Schon Samples von wenigen Sekunden Länge sind betroffen. Im Bereich des Datenschutzes ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten. Hier führt die Möglichkeit, alle Daten zu verketten und zu verknüpfen, dazu, dass potenziell

5. Urheberrecht und Datenschut z

jedes Datum ein personenbezogenes ist. Urheber- und Datenschutzrecht nähern sich einander also immer weiter an. Sie schützen kaum mehr persönliche Werke oder Daten, sondern nur noch Bits und Bytes. Im Dezember 2013 unterzeichneten 560 Schriftsteller aus 83 Ländern einen Aufruf gegen die Überwachung durch die Geheimdienste. »Überwachung ist Diebstahl«, heißt es in dem hierzulande von der FAZ dokumentierten Schriftstück. »Denn diese Daten sind kein öffentliches Eigentum: Sie gehören uns.«2 Viele der Unterzeichner aus Deutschland hatten anderthalb Jahre zuvor, im Mai 2012, auch einen Aufruf zum Schutz des Urheberrechts unterzeichnet: »Die neuen Realitäten der Digitalisierung und des Internets sind kein Grund, den profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern«, hatte es dort geheißen.3 Beide Manifeste speisen sich aus derselben Quelle der Empörung: Man möchte nicht hinnehmen, dass andere sich das eigene Eigentum unbefugt aneignen. Daten sind aufgrund ihres qualitätslosen Charakters zur Universalwährung in der Netzökonomie geworden. Fast alle Geschäftsmodelle der digitalen Welt basieren heute direkt oder indirekt auf der Monetarisierung von Daten, als Ware oder Produktionsfaktor. Constanze Kurz und Frank Rieger haben dies in ihrem »Datenfresser«-Buch (Kurz/Rieger 2011) anschaulich beschrieben. Von personalisierter Werbung, für die pro Klick gezahlt wird, war oben schon die Rede. Wir wissen auch, dass unsere Facebook-Profile einen zu beziffernden Wert haben, der umso höher ist, je mehr Beziehungen, je mehr »Freunde« wir haben. Wir wissen, dass Datensätze miteinander verknüpft und in vielfachen Variationen verkauft werden. Je sensibler solche Daten sind, desto lukrativer sind sie. Portale, auf denen Nutzer medizinische Daten hochladen können, um sie mit Hilfe verschiedener Tools zu analysieren und mit den Inhalten großer Datenbanken abzugleichen, sind ein riesiges Geschäft. An solche von den Nutzern selbst gefütterte Datenbanken kommt eine klassische klinische Studie nicht mehr heran. Ihr ökonomischer Wert für die Pharmabranche liegt auf der Hand. Auf einer Vielzahl von Internetseiten finden sich sogenannte Tracking Cookies, die Daten an spezialisierte Drittanbieter senden, welche das Surfverhalten der Nutzer über verschiedene Seiten hinweg verfolgen. Manche bekannten Webseiten erlauben mehr als 200 Werbefirmen gleichzeitig, ihre Nutzer auszuspähen.4 Eigentlich gibt es in der EU eine Richtlinie, die vorschreibt, dass der Einsatz solcher Spähdateien zustimmungspflichtig sein muss. Aber bislang hat die Bundesregierung die Vorschriften nicht in

73

74

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

deutsches Recht umgesetzt. Dafür überlegt die Mozilla Foundation derzeit, Nutzern ihres Firefox-Browsers die Möglichkeit zu eröffnen, den Zugriff der einschlägigen Werbesammel-Server zu blockieren. Als das bekannt wurde, hat es sogleich zu einem Aufschrei in der Werbewirtschaft geführt.5 Oder nehmen wir das Beispiel Google. Google ist im Wesentlichen ein Werbeunternehmen: Die Firma lebt davon zu wissen, was gesucht wird, und die Suchbegriffe mit entsprechenden Werbeanzeigen in den Ergebnissen zu verknüpfen. Bekanntlich speichert Google diese Daten für 18 Monate, wenn auch ohne Personenbezug, um sie zu analysieren, zu aggregieren und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Welche, verrät das Unternehmen nicht. Die Algorithmen, die neben den nutzergenerierten Daten das eigentliche Kapital der erfolgreichsten Firmen darstellen, bleiben als Geschäftsgeheimnis, also wiederum als eine Art Privateigentum, der Öffentlichkeit entzogen. Wir wissen nicht genau, was Google alles mit den Nutzerdaten anstellt, aber angeblich spekuliert das Unternehmen mittlerweile auf Basis der von Nutzern generierten Daten an der Börse. Aufgrund der immensen Reichweite soll Google in der Lage sein, anhand einer Analyse von Suchanfragen die Kursentwicklung von Aktien vorherzusagen. Google hat sich übrigens auch ein Patent auf eine Technologie zur dynamischen Bepreisung elektronischen Contents gesichert.6 Mit Hilfe eines solchen Systems kann ein Shopbetreiber unterschiedlichen Kunden für dieselben Produkte unterschiedliche Preise anzeigen – je nachdem, wie viel diese vermutlich zu zahlen bereit wären. Das wird von einem Algorithmus berechnet, auf der Grundlage des Surfverhaltens. Vergleichbare Techniken werden von einer Vielzahl von Shops eingesetzt. Deshalb sind die Preise im Internet manchmal günstiger, wenn man über eine Preisvergleichsmaschine sucht, als wenn man die Seiten der jeweiligen Shops direkt aufruft. Und all dies ist erst der Anfang. Mittlerweile gibt es Eye-Tracking-Technologien, die auf Infrarotbasis die Augenbewegungen der Nutzerinnen und Nutzer vor dem Bildschirm erfassen. So wird es beispielsweise möglich, einen Text herunterzuscrollen, ohne die Maus oder die Tastatur zu bedienen. Aber genauso kann gemessen werden, wohin der Nutzer schaut – ob er also zum Beispiel eine eingeblendete Werbung überhaupt wahrnimmt oder nicht. Aus pay per view wird damit in nicht allzu ferner Zukunft pay per gaze: Werbetreibende werden nicht mehr den bloßen Seitenaufruf vergüten, sondern die Sekundendauer, die ein Nutzer tatsächlich eine bestimmte Werbung anschaut. Es ist leicht vorstellbar, dass darüber hinaus auch die emotionale Reaktion gemessen werden kann, die sich etwa

5. Urheberrecht und Datenschut z

in einer Weitung der Pupillen ausdrückt. Mit einem Gadget wie der angekündigten Google-Brille namens »Google Glass« wird es dann möglich sein, nicht nur das bewusste Verhalten, sondern auch die unbewussten, emotionalen Reaktionen eines Nutzers zu registrieren, beliebig lange zu speichern, sie mit anderen Daten zu verknüpfen und zu monetarisieren.7 In Frankreich gab es zeitweise die Überlegung, die Datensammel-Aktivitäten der großen Internetunternehmen mit einer besonderen Steuer zu belegen.8 Unternehmen, die besonders viele Nutzerdaten erheben, sollten mit dieser Steuer in gewissem Rahmen zu einer Kompensationsleistung gezwungen werden.9 Schließlich erklärte Google sich bereit, 60 Millionen Euro für Online-Projekte der französischen Verlage zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Beruhigungspille für seinen größten Lobbygegner gelang es dem Konzern, das Gesetz zu verhindern.10 Was genau in dem Abkommen zwischen Google und den Verlagen steht, ist geheim.11 Damit bleibt es demokratischen Kontrollen entzogen – was man von einer Steuer nicht hätte behaupten können, wie immer man zu einer solchen Steuer stehen mag. Auch in Italien gab es schon mehrfach Pläne für eine Art Google-Steuer. Zuletzt hat die Mitte-links-Partei PD im November 2013 vorgeschlagen, Unternehmen wie Google, Amazon und Yahoo vorzuschreiben, dass sie ihre Werbung nur noch über eine in Italien selbst steuerpflichtige Agentur verkaufen dürfen.12 Anfang 2013 hat John Rodgers, US-Botschaftsrat für Wirtschaft, auf einer Veranstaltung in Berlin die Pläne für eine neue EU-DatenschutzGrundverordnung heftig angegriffen. Daten bedeuteten Geld, zitiert das Branchenmagazin heise online den Diplomaten. Es gehe um Milliarden von Euro, die zwischen beiden Kontinenten flössen. Ganz unverblümt warnte Rodgers die Europäer davor, »einen Handelskrieg anzuzetteln«.13 Kein Zweifel: Aus US-Sicht sind Daten nichts als käufliche Ware. Die gesamte Netzökonomie würde nicht mehr funktionieren, wenn Datenschutz im Netz funktionieren würde. Wenn die Nutzer von Google oder Facebook diesen Unternehmen untersagen könnten, die Daten, die sie ihnen zur Verfügung stellen, zu speichern oder zu nutzen, wären deren Geschäftsmodelle dahin. Denn wie alle Geschäftsmodelle, basieren auch diese auf Knappheit. Knapp sind in der Netzökonomie nicht die Inhalte, sondern die Nutzerdaten. Sie sind es, die in anonymisierter und aggregierter Form verkauft werden. Und zwar nicht von den ursprünglichen Produzenten, also den Nutzern, sondern von großen Firmen, die sich diese Daten zunächst aneignen. Oft genug gegen den Willen der Nutzer.

75

76

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Damit soll übrigens nicht gesagt sein, die Anbieter datenbasierter Dienste würden keine eigene Leistung erbringen. Natürlich bietet beispielsweise eine Suchmaschine eine grandiose Leistung an. Aber sie kann dies wirtschaftlich profitabel nur tun, weil sie nichts dafür zahlen muss, wenn die Nutzer Daten erzeugen, indem sie Suchbegriffe eingeben und auf Ergebnislinks klicken. Und es ist gerade diese Datenbasis, die eine Suchmaschine erfolgreich macht. Denn die Analyse dieser Datenbasis stellt den Ausgangspunkt für die ständige Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Algorithmen dar.14 Man erkennt hier leicht die Parallele zum Urheberrecht: So wie Urheber ihre Nutzungsrechte an Verwerter abgeben, die dann mit deren Monetarisierung Geld verdienen, die Urheber aber nur unzulänglich an den Erlösen beteiligen, so verdienen große Internetfirmen Geld mit den Nutzern, ohne dafür eine adäquate Gegenleistung anzubieten. Denn natürlich ist der kostenlos zur Verfügung gestellte Dienst ökonomisch weniger wert als der Pool von Nutzerdaten, den das Unternehmen sich aneignet, wenn sein Angebot Anklang findet. Wäre dem anders, würde es sich tatsächlich um ein Äquivalenzverhältnis handeln, könnten diese Firmen schließlich keine Gewinne machen. Das schließt übrigens nicht aus, dass der einzelne Nutzer den Deal »Meine Daten gegen Euren Dienst« subjektiv als fair empfinden mag. Zumindest, so lange er nicht genau weiß, mit welchen sonstigen Daten die seinen verknüpft und an welche Unternehmen sie für welche Summe weiterverkauft werden. Vom Zugriff der Geheimdienste ganz zu schweigen.

D ATEN ALS TREIBSTOFF DER N E T ZÖKONOMIE Ist »Enteignung« ein hässliches Wort? Jedenfalls hat es etwas von Enteignung, wenn Urheber gezwungen werden, die Rechte an ihren Werken aus der Hand zu geben, um überhaupt irgendeine Gegenleistung für ihre Arbeit zu erhalten. Und wenn Nutzer gezwungen werden, ihre persönlichen Daten wegzugeben, um alltägliche Dienste nutzen und damit an der digitalen Gesellschaft überhaupt erst teilhaben zu können. Oder wenn man zur Arbeit geht, dem Unternehmen die eigene Kreativität und Leistung zur Verfügung stellt, das Unternehmen reich macht und als Gegenleistung nur einen verschwindend geringen Anteil dieses Reichtums als Lohn ausgezahlt bekommt.

5. Urheberrecht und Datenschut z

Urheberrecht und Datenschutz stehen, bezogen auf die Knappheit dessen, was als Ware verkauft wird, allerdings oft in einem komplementären Verhältnis zueinander. Der kostenlose Zugang zu Inhalten oder zu Diensten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte vermitteln oder auffindbar machen, wird nämlich häufig mit einer Kommerzialisierung der Nutzerdaten erkauft. Auch YouTube verdient letztlich nicht an der Verwertung urheberrechtlich geschützter Musikvideos, die von Nutzern hochgeladen werden, sondern daran, Daten über das Nutzerverhalten auf der Plattform zu sammeln. Und Facebook verdient nicht an den Inhalten, die Nutzer in ihre Profile einstellen, jedenfalls nicht im klassischen Sinne an der Verwertung von Nutzungsrechten an diesen Inhalten (obwohl Facebook sich diese auch einräumen lässt). Sondern daran, dass user den Like-Button anklicken oder gerade nicht anklicken und dadurch Informationen darüber preisgeben, was ihnen »gefällt« und was nicht. Vor allem aber, welche anderen Webseiten außerhalb von Facebook sie besucht haben. Denn auch das erfährt das Unternehmen jedes Mal, wenn irgendwo ein »Like«-Button eingebunden ist. Gleichwohl benötigt die Netzökonomie stets auch Inhalte, nämlich als Treibstoff für die Datenproduktion der Nutzer, die dann kommerziell verwertet wird. Ein großer Teil dieser Inhalte ist urheberrechtlich geschützt, was bedeutet, dass die Rechteinhaber seine Verbreitung blockieren könnten. Deshalb herrscht in der digitalen Welt eine tiefe Feindschaft zwischen der klassischen Medienindustrie und den Internetunternehmen. Und während die Rechtelobby den Internetaktivisten, die für eine Liberalisierung des Urheberrechts streiten, entgegenhält, sie seien die nützlichen Idioten von Google & Co., kontert die Netzwirtschaft mit dem Vorwurf, das Urheberrecht nütze den Autoren sowieso nichts, und statt Inhalte zu blockieren, solle man sich lieber neue Wege ausdenken, diese Inhalte zu monetarisieren. Die traditionellen Verwerterindustrien binden sich in diesem Streit also die Urheber vor den Bauch, die Internetwirtschaft schiebt die Interessen der Nutzer an einer »freien« Öffentlichkeit vor. Im Grunde ist jedoch der Anspruch der Nutzer, über die eigenen Daten selbst zu bestimmen, mit der Forderung der Urheber, über das Schicksal ihrer Werke selbst entscheiden zu wollen, durchaus vergleichbar. Beide möchten nicht, dass ein Gut, das als Ureigenes begriffen wird, einer unkontrollierbaren ökonomischen Verwertung zugeführt wird, auf die sie keinen Einfluss haben und die sie nicht kontrollieren können.

77

78

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Z WISCHEN TR AUM UND TAT Man könnte den Konflikt um das Urheberrecht mit einer ganz einfachen Operation lösen: Urheberrechtlich geschützte Werke werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Man könnte auch alle Datenschutzprobleme auf einen Schlag lösen, indem man die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich verbietet und stattdessen die Nutzer wieder für den Zugang zu Inhalten und Diensten zahlen lässt. Da beides unbefriedigend klingt, hier eine dritte Alternative: Man schafft eine nicht-kommerzielle öffentliche Infrastruktur, bei der Urheber Geld dafür erhalten, dass sie ihre Werke frei zugänglich machen, wobei keine Nutzerdaten gespeichert werden. Sowohl die Inhalte als auch das entsprechende Portal müsste dann aus anderen Quellen finanziert werden. Die Bezahlung der Urheber dürfte also nicht von Lizenzzahlungen der Nutzer abhängen, und der freie Zugang zu dem betreffenden Dienst dürfte nicht auf dem Handel mit Nutzerdaten basieren. Man müsste neue Geldquellen auftreiben. Aber wäre das nicht besser als jetzt, wo Nutzer ihre Daten aus der Hand geben, um Zugang zu Inhalten zu bekommen, deren Urheber dabei häufig leer ausgehen? Vielleicht schon, wenn man voraussetzt, dass die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Dass es also beim Umgang mit Nutzungsrechten an geschützten Werken und mit persönlichen Daten der Nutzer um so etwas wie das Gemeinwohl geht, um die beste Lösung für alle. Eine Gesellschaft, die eine reiche kulturelle Sphäre und zugleich ein freies Internet vor Augen hat, könnte sich eine Lösung einfallen lassen, die den Interessen der Betroffenen Rechnung trägt. Eine Gesellschaft hingegen, die das Internet in erster Linie als Wirtschaftsraum betrachtet, kann an solchen Lösungen naturgemäß kein Interesse haben. Anders gesagt: Wollte man Urheberrecht und Datenschutz im Netz wirklich durchsetzen, gäbe es das Netz, wie wir es kennen, nicht mehr, da die Wertschöpfung in diesem Netz darauf basiert, dass sämtliche Daten möglichst ungehindert fließen können. Wie Louis Paul Boon sagte: Zwischen Traum und Tat hat der Herrgott Gesetze gestellt und praktische Schwierigkeiten.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum Abstract Je mehr die Akzeptanz für das Urheberrecht nachlässt, desto attraktiver erscheinen alternative Regelungsansätze. Wäre es nicht besser, geistige Schöpfungen nicht als private Eigentumsgüter zu behandeln, sondern als Gemeingüter? Unter Berufung auf die Allmende-Theorie Elinor Ostroms plädieren manche für eine umstandslose Rückkehr zu vorindustriellen Eigentumsordnungen. Dabei wird unterstellt, geistige Schöpfungen eigneten sich aufgrund ihrer Immaterialität besonders dazu, als Gemeineigentum behandelt zu werden. Dieses Kapitel erläutert, warum solche Argumente nicht überzeugen. Die Debatte über kreative Gemeingüter krankt daran, dass sie vor einer echten Eigentumskritik zurückschreckt und stattdessen versucht, Immaterialgüter aus der herrschenden Eigentumsordnung herauszuargumentieren.

In der öffentlichen Auseinandersetzung um das Urheberrecht und die Freiheit im Netz hat es um keinen Begriff so viel Streit gegeben wie um den des geistigen Eigentums. Die Contentindustrie hatte auf die Erfolge der Piratenpartei reagiert und ihre Taktik geändert. Filesharer als »Piraten« zu brandmarken, wirkte inzwischen fast wie ein Kompliment, und es klang wohl auch zu sehr nach Johnny Depp. Also ging man dazu über, das »Teilen« urheberrechtlich geschützter Inhalte im Netz fortan lieber als »Diebstahl geistigen Eigentums« zu bezeichnen. Die Gegenseite konterte, »geistiges Eigentum« sei ein ideologischer und irreführender »Kampf begriff«. Denn es gebe bei der Nutzung von Immaterialgütern keine Rivalität, beliebig viele Menschen könnten gleichzeitig davon profitieren. Wissen nutze sich nicht ab, wenn es vervielfältigt und verbreitet werde. Im Gegenteil, es vermehre sich dadurch und nutze allen. Geistige Schöpfungen seien deshalb mit materiellem Eigentum nicht vergleichbar. So könnten digitale Dateien nicht gestoh-

80

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

len, sondern lediglich vervielfältigt werden. Hinterher sei die betreffende Datei nicht weg, sondern im Gegenteil doppelt vorhanden. Anders als bei materiellem Eigentum fehle demnach nichts, also könne man auch nicht von Diebstahl sprechen. Immaterielle Güter seien nicht von Natur aus knapp, sondern würden lediglich durch das Urheberrecht künstlich knapp gehalten. Dies sei nicht nur ineffektiv im Hinblick auf eine möglichst große Verbreitung von Wissen, sondern letztlich auch vergeblich, denn das Netz sei eine einzige große Kopiermaschine, und die Vervielfältigung und Verbreitung von Inhalten lasse sich ohnehin nicht mehr kontrollieren.

K NAPP VORBEI ? Man braucht keine Sympathien für die Kampagnen der Contentindustrien zu hegen, um zu erkennen, dass diese Argumentation die Dinge zumindest arg verkürzt. Sabine Nuss hat darauf schon 2006 hingewiesen und das dahinter stehende Denken als »Dogma von der Nicht-Knappheit digitaler Güter« bezeichnet. Ihre Arbeit über »Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus« (Nuss 2006: 205ff.) leistet hier wertvolle Ideologiekritik. Die Knappheit der Güter, meint Nuss, habe nichts mit ihrer Materialität oder Immaterialität zu tun, sondern mit ihrem Warencharakter. Knappheit sei nicht nur bei materiellen, sondern auch bei immateriellen Gütern stets künstlich erzeugte Knappheit, weil das private Eigentum selbst nichts Natürliches sei, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt. Die Knappheit der Güter müsse hergestellt werden, um ihre Verkehrsfähigkeit auf dem Warenmarkt zu sichern. Es geht auch weniger abstrakt. Am Rand der Straße, in der ich wohne, stehen jede Menge Autos, die eher selten genutzt werden. Ich könnte jederzeit nach draußen gehen, mich in eines hineinsetzen und losfahren, ohne dass es jemanden stören würde. Aber ich darf es nicht, obwohl die Autos keineswegs knapp sind. Sie werden ja, wie gesagt, meist gar nicht gebraucht. Ich kenne in meiner Stadt auch einige Wohnungen, die zumindest die meiste Zeit des Jahres über leer stehen. Wohnraum ist hier ebenfalls nicht knapp. Trotzdem darf ich nicht einfach ein leer stehendes Haus besetzen.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Autos und Wohnungen sind zweifellos materielle Güter. Dennoch sind sie nicht von Natur aus knapp, gemessen an den konkreten Bedürfnissen – anders ergibt der Begriff Knappheit schließlich keinen Sinn. Es wären genug Autos und Wohnungen für alle da. Ihre Knappheit hängt damit zusammen, dass sie private Eigentumsgüter sind. Dies wiederum hat nichts mit ihrer Materialität zu tun. Es gibt durchaus auch immaterielle Güter, die als Waren gehandelt werden. Nehmen wir zum Beispiel Emissionszertifikate. Rechte, die Luft zu verschmutzen, werden an der Börse gehandelt. Ein solches Recht ist ganz offensichtlich ein immaterielles Gut, und dennoch ist es knapp. Sonst würde man ja nicht dafür bezahlen. Ich bin also von der Nutzung bestimmter Güter ausgeschlossen, nicht weil diese von Natur aus knapp wären, aufgrund besonderer Eigenschaften, sondern weil sie Privateigentum Dritter sind. Mit der Materialität oder Immaterialität der Güter hat das nichts zu tun. Die vielfach erhobene Forderung, man solle statt von geistigem Eigentum lieber von Immaterialgütern sprechen, entpuppt sich vor diesem Hintergrund als Leerläufer. Denn die Feststellung, dass ein bestimmtes Gut nicht materiell, sondern immateriell ist, sagt über dessen Eigentumsstatus überhaupt nichts aus. Natürlich sind geistige Eigentumsgüter etwas anderes als materielle. Tatsächlich wird dies auch vom geltenden Urheberrecht anerkannt. So sind urheberrechtliche Werke nicht bis in alle Ewigkeit das Eigentum ihrer Schöpfer, sondern der Schutz endet siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers, wohingegen materielle Güter endlos von einer Generation zur nächsten weitervererbt werden können. Auch gibt es diverse Schrankenbestimmungen, die verhindern, dass Dritten jeglicher Zugang zu dem geistigen Eigentum eines Urhebers verwehrt wird; schließlich handelt es sich um Kommunikationsgüter. Grundsätzlich jedoch werden in unserer Rechtsordnung auch immaterielle Güter behandelt wie Eigentum. Warum dann also nicht von Eigentum sprechen? Verbrennt man sich den Mund, wenn man die Eigentumsfrage auch nur erwähnt? Zugegeben, der Eigentümer mag gewisse Schwierigkeiten haben, seine Rechte durchzusetzen, weil das unkontrollierte Kopieren und Verbreiten von Dateien sich nicht ohne Weiteres unterbinden lässt. Auch dies ist aber nichts, was nur für immaterielle Güter gelten würde. Damit ich nicht das Haus besetze, das einem anderen gehört, muss schließlich auch ein gewisser Aufwand getrieben werden. Üblicherweise ist ein Schloss an der Tür, sodass ich nicht einfach hineinkomme. Und wenn es mir doch

81

82

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

gelingt, ruft der Eigentümer die Polizei und schmeißt mich heraus. Das sind recht drastische Methoden. Dagegen nimmt sich ein digitaler Kopierschutz doch eher harmlos aus. Es stimmt also nicht, dass der Eigentumsschutz immaterieller Güter schwerer durchzusetzen wäre als der materieller. Im Gegenteil muss, um das materielle Eigentum zu schützen, sehr viel mehr Aufwand getrieben werden. Es gibt Länder auf dieser Welt, da steht vor jeder Bank ein Polizist mit einer Knarre. Das hat seinen guten Grund. Aus der Immaterialität geistiger Güter herleiten zu wollen, diese seien von Natur aus als private Eigentumsgüter ungeeignet, verbietet sich also. Auch die Feststellung, dass immaterielle Güter, im Gegensatz zu stofflichen, digital nahezu kostenlos vervielfältigt werden können, ändert daran nichts. Fast alle Güter, seien sie materiell oder immateriell, lassen sich heute zu Kosten vervielfältigen, die erheblich unterhalb der First-Copy-Costs liegen. Bücher zu drucken oder CDs auf den Markt zu bringen, kostet natürlich ein bisschen Geld – aber doch erstaunlich wenig im Vergleich zu den eigentlichen Produktionskosten. Wenn man beispielsweise in Anschlag bringt, wie lange ein Autor an einem Buch schreibt, so stehen die Kosten, die er in dieser Zeit für seinen Lebensunterhalt aufbringen muss, in keinerlei Verhältnis zu den Kosten für die Herstellung und den Vertrieb des gedruckten Buchs. Wollte man zusätzlich, was nur redlich wäre, die Kosten in Anschlag bringen, die der Autor etwa für seine Ausbildung auf bringen musste, die ihn womöglich überhaupt erst in die Lage versetzte, Bücher zu schreiben, wird die Diskrepanz noch offensichtlicher. Die Grenzkosten zur Vervielfältigung und Verbreitung von Wissensgütern lagen schon immer ganz erheblich unterhalb der Kosten für ihre Produktion. Trotzdem hat sich die Gesellschaft dafür entschieden, Wissen in Form kommodifizierter Wissensgüter, also als Waren zu handeln. Warum? Wenn dies doch notwendigerweise den wenig wünschenswerten Ausschluss all jener vom Zugang zu diesem Wissen bedeutet, die sich den Erwerb der Bücher und Zeitschriften nicht leisten können? Ginge es darum, möglichst vielen Menschen möglichst viele Wissensgüter zur Verfügung zu stellen, wäre es vielleicht am effizientesten, dafür zu sorgen, dass die Autoren nicht darauf angewiesen sind, ihr Wissen in Warenform zu verkaufen. Tatsächlich werden Wissensgüter aber genau dafür produziert: um als Waren mit Gewinn verkauft zu werden.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Man kann dieses Prinzip kritisieren. Man kann der Meinung sein, dass Wissen, Kunst und Kultur den marktwirtschaftlichen Zusammenhängen entrissen werden sollten, um stattdessen direkt und unmittelbar gesellschaftlichen Nutzen entfalten zu können. Man kann sich natürlich eine ganz andere Gesellschaft wünschen. Man kann aber kaum seriös aus der Immaterialität von Wissensgütern herleiten, diese seien natürlicherweise ungeeignet dafür, auf Märkten gehandelt zu werden. Diese Entscheidung hat mit der Materialität oder Immaterialität der Güter ebenso wenig zu tun wie mit den Kosten ihrer Produktion oder Reproduktion. Sie geht ihnen vielmehr voraus. Es ist eine gesellschaftliche Entscheidung. Letzteres wiederum bedeutet nicht, dass der Eigentumsstatus solcher Güter beliebig disponibel wäre. Gesellschaftliche Widerstände können mindestens so beharrlich sein wie natürliche, und was Eigentumsfragen angeht, sind sie es zweifellos. Güter, die einmal als Privateigentum definiert sind, lassen sich nicht einfach in öffentliche Güter oder Gemeineigentum verwandeln, weil man es gesellschaftlich für nützlich hält oder meint, damit eine effizientere Nutzung dieser Güter zu ermöglichen. Auch wenn das moderne Privateigentum in volkswirtschaftlicher Betrachtung vielleicht sogar hinderlich ist, weil es den Ausschluss vieler zugunsten weniger bedingt, ist es nicht ohne Weiteres hintergehbar.

O STROM RELOADED Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich ansieht, welche Popularität die US-amerikanische Umwelt-Ökonomin Elinor Ostrom mittlerweile erlangt hat – besonders seit sie 2009 für ihre Theorie der Gemeingüter den Wirtschaftsnobelpreis verliehen bekam. In ihrem Anfang der 90er Jahre erschienenen Standardwerk »Die Verfassung der Allmende« beschäftigt sich die Autorin mit der Frage, wie man Ressourcen, beispielsweise Wasservorräte oder Fischbestände, möglichst effektiv und zugleich nachhaltig nutzen kann. Ausgangspunkt ihrer Theorie ist die Frage, wie am besten mit der sogenannten »Tragedy of the Commons« umzugehen sei. Dabei handelt es sich um ein Modell, das Garrett Hardin 1968 in der Zeitschrift Science beschrieben hat.1 Wenn eine natürliche, knappe Ressource sich in Gemeineigentum befindet und ohne Einschränkungen von allen genutzt werden kann, so wird eine Übernutzung dieser Ressource eintreten, meint Hardin, weil alle Individuen rational

83

84

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

auf die Erzielung eines größtmöglichen persönlichen Vorteils bedacht sind. Wenn beispielsweise eine Weide von zu vielen Bauern gleichzeitig genutzt wird, ist sie schon bald abgegrast. Davon hat letztlich niemand einen Vorteil. Deshalb, so Hardins Argumentation, braucht man entweder staatliche Regulierung, oder man überführt das Gemeineigentum in Privateigentum. Beide Alternativen hält Ostrom für unbefriedigend. Staatliche Regulierung sei in der Regel schwerfällig und bürokratisch. Sie setze mehr oder weniger zentralistisch organisierte Kontrollinstanzen voraus, die das geltende Recht durchsetzen. Dies verursache hohe Kosten. Zudem gehe damit stets die Gefahr von Irrtümern einher, da die Entscheidungsinstanzen mit den Prozessen, die sie regulieren, oft wenig vertraut seien. Beides mindere die Effizienz der Regulierung. Auch die Etablierung einer Privateigentumsordnung habe jedoch ihre Nachteile. Die einzelnen Privatbesitzer seien dann bei allen Schwierigkeiten auf sich selbst gestellt. Sie müssten beispielsweise individuell vorsorgen, um in Dürrejahren über die Runden zu kommen oder um mit anderen unvorhergesehenen Rückschlägen umzugehen. Zwar seien hier Ausgleichskonstrukte denkbar wie etwa Versicherungen oder gegenseitige Hilfsabkommen. Auch diese würden jedoch zusätzliche Kosten verursachen und die Effizienz mindern. Als bessere Alternative schlägt Ostrom deshalb vor, Ressourcen in gemeinschaftlicher Selbstverwaltung zu nutzen, als Allmende-Ressourcen (»common pool resources«). Der Unterschied zu öffentlichen Gütern bestehe darin, dass sich bei Letzteren niemand dafür interessiere, von wem sie in welcher Weise und wie intensiv genutzt würden. Bei Allmende-Gütern gebe es hingegen eine Übereinkunft in der Gemeinschaft über die Aneignung und Nutzung dieser Güter. Es gebe also ein gemeinschaftliches Regelsystem, dessen Einhaltung eher informell durchgesetzt werde. Als einfachstes Beispiel nennt die Autorin ein Fischerdorf im türkischen Alanya, wo die begehrtesten Fangplätze im Rotationssystem zugewiesen worden seien, um Überfischung zu verhindern. Hauptsächlich dreht sich Ostroms Arbeit dann darum, welche Kriterien Selbstverwaltungsorganisationen erfüllen müssen, um eine optimale Verwaltung von Allmende-Ressourcen zu gewährleisten, sodass diese effektiv genutzt werden, ohne dass es zu größeren Konflikten und Verteilungsungerechtigkeiten kommt.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Ostroms Kernanliegen besteht darin, Hardins Theorie von der »Tragik der Allmende« zu widerlegen. Sie möchte nachweisen, dass es durchaus nicht zwangsläufig zur Übernutzung der Weide durch egoistische Hirten kommen muss. Gemeineigentum, will sie sagen, muss nicht zwangsläufig scheitern. Man braucht nur eine Gemeinschaft der Schafshüter, die in einem Prozess der Selbstregulierung demokratisch-partizipatorisch die Bedingungen für die Nutzung aushandeln. Dabei beschäftigt sich die Autorin ausführlich mit der Frage, wie selbstgesetzte Regeln zustandekommen, wie sie überwacht und wie sie sanktioniert werden. Und betont immer wieder, dass all dies auf der Basis von Freiwilligkeit und von informellen Regelungen viel besser funktioniere als auf der Grundlage von Vorschriften und Gesetzen. Die Einhaltung der ungeschriebenen Regeln wird in ihren zahlreichen Beispielen vor allem durch eine gegenseitige Überwachung der beteiligten Akteure gewährleistet. Im Konfliktfall gibt es Streitschlichtungsmechanismen. Die These, dass Selbstverwaltung eine Alternative zu Staat und Markt sei, wenn es gelte, die ansonsten zwangsläufige Übernutzung einer Ressource zu verhindern, hat viele Anhänger gefunden. Man könnte gegen Hardin allerdings auch einen ganz anderen Einwand erheben: dass er nämlich, ohne es ausdrücklich zu sagen, von einer ganz bestimmten Grundvoraussetzung ausgeht. Er nimmt an, dass es für den einzelnen Schaf besitzer tatsächlich Sinn ergibt, die Ressource maximal auszubeuten, weil der persönliche Vorteil, den er dabei erzielen kann, unendlich steigerbar ist. Dies wiederum ist nur plausibel, wenn man davon ausgeht, dass er die Schafzucht betreibt, um Wolle an Manufakturen oder Wollfabriken zu verkaufen. Wollte er nur genug Schafwolle für den Eigengebrauch produzieren, hätte er gar keinen Anlass, die Ressource maximal zu nutzen, da dieses Bedürfnis eine natürliche Grenze hat. Erst im Kontext einer Marktwirtschaft, die auf unbegrenztes Wachstum und Profitsteigerung aus ist, entsteht überhaupt der Anreiz zur Übernutzung der Ressource. Dieser Zusammenhang wird von Ostrom indes ausgeblendet. Ihr Denken vermag letztlich aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Kontext nicht auszubrechen. Die Gemeingüter-Theorie steht vielmehr selbst ganz im Zeichen der Effizienzsteigerung. Das gemeinsame Ziel besteht in der möglichst effizienten Nutzung einer Ressource, die durch eine Optimierung des Umgangs mit ihr überhaupt erst gewährleistet werden soll.

85

86

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Ostroms Theorie hat dennoch in vielen Kontexten eine gesellschaftliche Relevanz, die man nicht unterschätzen sollte. Die Dezentralisierung von Entscheidungsinstanzen und die Konzentration auf lokales Wirtschaften, das gewachsene Strukturen nicht zerstört, sondern auf ihnen auf baut, ist gerade in vielen Ländern des Südens extrem relevant. Einheimische Gemeinschaften in solchen Ländern haben in vielen Fällen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch international operierende Großkonzerne erlebt. Der Wiedergewinn lokaler Entscheidungsmacht hat hier eine emanzipatorische Dimension. Wo es um den Erhalt von natürlichen Lebensgrundlagen oder überliefertem Wissen geht, ist die Wiederaneignung von Gemeineigentum häufig Dreh- und Angelpunkt politischer Auseinandersetzung. Im Streit um das Urheberrecht entfaltet die Allmende-Idee allerdings häufig weit weniger emanzipatorische Strahlkraft, obwohl sie gerade dort einen neuen Popularitätsschub erfahren hat. Die Diskussion dreht sich dabei um die Frage, ob es nicht in »unser aller« Interesse wäre, wenn nicht nur natürliche Ressourcen, sondern auch geistige Immaterialgüter möglichst frei zur Verfügung stünden, weil sie dann zum Wohle aller am effizientesten genutzt werden könnten. Eine solche Fragestellung ignoriert jedoch, dass ein kulturelles Erzeugnis stets zweierlei ist: Rohstoff für die Weiterentwicklung von Wissen, Kultur und Tradition, aber auch Ergebnis produktiver Aneignung und Transformation solchen Rohstoffs durch benennbare Subjekte. Wissensgüter sind also Material und Produkt zugleich, doch Produkt nicht der Natur, sondern geistiger Arbeit. Daraus folgt nicht, dass sie am besten als Waren gehandelt werden müssten oder gar nur als Waren gehandelt werden könnten. Aber man wird sie auch nicht zu bloßen Naturressourcen umdefinieren können, ohne mit den Urhebern dieser Produkte in Konflikt zu geraten, die sich als deren Besitzer betrachten. Zu Recht, oder zumindest im Einklang mit der herrschenden Eigentumsordnung. Diese aber ist Ergebnis einer historischen Entwicklung, die man nicht einfach rückwärts überspringen kann. Und schon gar nicht mit dem Ziel, Immaterialgüter aus dieser Ordnung herauszudefinieren, die Eigentumsverhältnisse bei materiellen Gütern jedoch unangetastet zu lassen.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

E NCLOSURE OF THE COMMONS In der Entwicklungsgeschichte der westlichen Gesellschaften geht das Gemeineigentum mit der Feudalgesellschaft unter. Die Bauern, die ihrem Lehnsherrn Arbeitsleistungen (Frondienste) schulden, besitzen zwar selbst kein Land, dürfen dieses jedoch nutzen, indem sie ihr Vieh darauf weiden lassen und Torf zum Verheizen stechen. Mit dem Entstehen der Wollmanufaktur Anfang des 16. Jahrhunderts werden die Bauern von den Feldern vertrieben, um Weideland für Schafe zu gewinnen. Mit dem Siegeszug der Reformation geht zudem die Beschlagnahmung ausgedehnter Ländereien der katholischen Kirche einher. Im 18. Jahrhundert, mit der industriellen Revolution, kommt es dann zu den »Bills for Inclosures of Commons«, also den Gesetzen für eine Einhegung des Gemeindelands. Kleine Gemeindeländereien werden nun einfach qua Gesetz in Privateigentum umgewandelt. Die Betroffenen, »eine Menge kleiner Eigentümer und Pächter, die sich selbst und ihre Familien erhalten durch das Produkt des von ihnen bestellten Landes, durch Schafe, Geflügel, Schweine usw., die sie auf das Gemeindeland schicken«, werden »verwandelt in Leute, die ihre Subsistenz durch Arbeit für andre gewinnen müssen und gezwungen sind, für alles, was sie brauchen, zu Markt zu gehen«.2 Nur weil die Bauern nach der Beschlagnahmung des Gemeindelands und seiner Verwandlung in Privateigentum nicht mehr in der Lage sind, autonom für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, stehen sie als Lohnarbeiter für die Fabriken zur Verfügung. Hatten sie ursprünglich zum Zwecke der Selbstversorgung gearbeitet, stellen sie nun Waren für einen Markt her und setzen ihren Lohn ein, um diese Waren für den Eigengebrauch zurückzukaufen. Ohne einen Begriff von Privateigentum, der es erlaubt, sie von der Nutzung der für den Lebensbedarf notwendigen Güter auszuschließen, wäre dies nicht möglich gewesen. Es ist hilfreich, sich diese historische Entwicklung, wie Marx sie im Kapital noch weit ausführlicher beschrieben hat, vor Augen zu führen, um zu verstehen, warum sich der umstandslose Rückgriff auf Traditionen des Gemeineigentums heutzutage verbietet. Nämlich weil die durchaus gewaltsame Abschaffung des Gemeineigentums die Voraussetzung für das Entstehen einer modernen Warenhandelsgesellschaft war. Marxistisch ausgedrückt: Die Expropriation der ursprünglichen Produzenten und ihre Verwandlung in Lohnarbeiter bildet den Ursprung und die Grundlage unserer heutigen Wirtschaftsordnung. Von einer Rückkehr zu

87

88

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Formen des Gemeineigentums zu träumen, bedeutet letztlich, mit einer Rückkehr in vormoderne, vorindustrielle Verhältnisse zu liebäugeln. Das ist nicht so negativ gemeint, wie es klingt. Es wird aber kaum geschehen, ohne dass man dabei in heftigste Konflikte mit der herrschenden Wirtschaftsordnung geriete. Übertragen auf den Gegenstandsbereich des Urheberrechts bedeutet dies: Würden kreative Werke geschaffen, um ein menschliches Bedürfnis nach Kunst, Kultur und Wissen zu befriedigen, würde sich ein Rückgriff auf Ideen zu Gemeineigentum vielleicht tatsächlich anbieten. Im Kontext unserer Wirtschaftsordnung werden sie jedoch als Handelsgüter für den Markt der Kultur- und Kreativwirtschaft produziert, und mit Hilfe des Urheberrechts werden sie von großen Medienkonzernen strategisch vermarktet. Dies ist nur möglich, weil sie eben keine Gemeingüter sind, sondern private Eigentumsgüter. Daran zu rütteln, verbietet sich nicht per se. Es geht aber auch nicht geräuschlos.

D AS E NDE DES E IGENTUMS ? Schade eigentlich. Schließlich hat Jeremy Rif kin schon vor einem Jahrzehnt optimistisch das Ende des Eigentums ausgerufen – und damit allerlei Missverständnisse provoziert. Unter dem Titel »Access – Vom Verschwinden des Eigentums« veröffentlichte der Autor im Jahr 2000 ein Buch, in dem er behauptete, wir würden in Zukunft »weniger besitzen und mehr ausgeben«, wie der deutsche Untertitel lautete (Rif kin 2000). Das Eigentum werde in Zukunft in unserer Gesellschaft an Bedeutung verlieren, und stattdessen werde die Frage zentral werden, wer Zugang zu bestimmten Immaterialgütern und Dienstleistungen habe. Zugangsrechte statt Eigentum – ist das der neue Trend seit der Jahrtausendwende? Und was sind eigentlich »Zugangsrechte«? Im juristischen Sinne sind »Zugangsrechte« zunächst solche Rechte, die Zugang zu bestimmten, konkreten Örtlichkeiten definieren. Das Urheberrecht kennt darüber hinaus bestimmte Zugangsrechte der Urheber zu ihren Werkstücken – wenn beispielsweise ein Maler ein Bild, das er bereits verkauft hat, noch einmal in Augenschein nehmen möchte. All dies meint Rif kin aber nicht, wenn er von »Access« spricht. Sondern er weist darauf hin, dass der Trend weg geht vom Sachenkauf, hin zum Erwerb von Nutzungsrechten.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Diese Beobachtung ist sicher nicht falsch. Wir erwerben immer weniger Güter und bezahlen immer mehr für Nutzungsrechte. Im Bereich des Urheberrechts bedeutet dies, dass wir Lizenzverträge abschließen. Wir bezahlen beispielsweise eine Gebühr, um auf bestimmte Angebote jederzeit zugreifen zu können, etwa auf das Repertoire einer Online-Videothek oder das E-Book-Programm einer großen Verlagsgruppe. Selbst wenn man ein einzelnes E-Book kauft, erwirbt man oft faktisch nur einen Zugang zu einer beim Anbieter gespeicherten Datei, von der man sich dann eine Kopie ziehen darf (oder auch nicht). Ob das ein Kaufvertrag oder ein Lizenzvertrag ist, darüber können Juristen trefflich streiten. Jedenfalls zahlt man dafür, den Gebrauchswert der begehrten Güter realisieren zu können, ohne diese selbst besitzen zu müssen. Aber hat sich damit wirklich unser Verhältnis zum Eigentum geändert? Hat das Eigentum an Bedeutung verloren? Wohl kaum. So hellsichtig Rifkin diese Entwicklung auch beschrieben hat, und dies bereits zu einem frühen Zeitpunkt – sein Eigentumsbegriff bleibt unscharf. Auch wer eine Wohnung mietet, erwirbt daran kein Eigentum, sondern nur ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht. Wer einen Telefonvertrag abschließt, erwirbt ein Recht auf die Nutzung der Leitungen, wobei der Vertrag neben dieser Mietkomponente auch einen Dienstleistungsanteil enthält. Und wer eine Eintrittskarte kauft, erwirbt aus juristischer Sicht ein Inhaberpapier, das zur Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung berechtigt. All diese Verträge verschaffen sozusagen Zugänge zu bestimmten Gütern, Örtlichkeiten oder Dienstleistungen. Aber niemand wird behaupten wollen, die herrschende Eigentumsordnung stehe zur Disposition, weil Mietverträge geschlossen werden. Im Gegenteil. Dadurch, dass Zugang an die Stelle von Besitz tritt, können Eigentumsrechte sogar besser durchgesetzt und kontrolliert werden als je zuvor. So kann zum Beispiel das Recht zur Nutzung zeitlich begrenzt werden oder die Möglichkeit des Zugriffs auf einzelne Geräte eingeschränkt werden. Es kann auch jeder einzelne Zugriff erfasst und gegebenenfalls einzeln berechnet werden. Buchverlage haben die Vorteile dieser Entwicklung längst entdeckt und versuchen zunehmend, ihre E-Books nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch zu vermieten, im Rahmen von Abomodellen, die für eine begrenzte Zeit Zugang zu bestimmten Plattformen gewähren. Vor allem beim Geschäft mit Bibliotheken lohnt sich das. Patron-driven acquisition nennt sich dieses Ge-

89

90

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

schäftsmodell. Die Bibliotheken kaufen keine E-Books mehr, sondern bieten ihren Nutzern im Rahmen von Lizenzverträgen mit Verlagen die Möglichkeit, auf deren digitales Gesamtprogramm zuzugreifen. Bezahlt wird dann pro »Ausleihe«, also für jeden elektronischen Abruf eines Bibliotheksnutzers immer wieder neu. Der Unterschied zur Welt des materiellen Besitzens ist deutlich: Hatte die Bibliothek ein Buch erworben, gehörte dieses Exemplar für immer und ewig ihr allein. Am Werk selbst, also dem geistigen Eigentum des Autors, hielt sie damit zwar keine Rechte. Aber das Buch konnte sie so oft verleihen, wie sie wollte. Im Rahmen der patron-driven-acquisition vermittelt sie lediglich noch den Zugang zu einer Plattform. Läuft der Vertrag mit den Verlagen aus, steht die Bibliothek mit leeren Händen da. Natürlich sind mit solchen Verträgen keineswegs die Eigentumsverhältnisse außer Kraft gesetzt oder gar überwunden. Denn für die Realisierung des Gebrauchswerts, also für die Möglichkeit zur Nutzung, wird schließlich nach wie vor bezahlt. Genau so, wie man in anderen Konstellationen für den Erwerb von Waren bezahlt. Eigentum ist in unserer Rechtsordnung nichts anderes als die Möglichkeit, Dritte, die nicht zahlen wollen oder können, von der Möglichkeit auszuschließen, den Gebrauchswert bestimmter Güter zu realisieren. Es ist also ein spezifisches Ausschlussverhältnis. Ausschluss ist aber das Gegenteil von Zugang. Insofern ergibt es keinen Sinn, wie Rif kin es tut, Eigentum und Zugang als Gegensätze zu betrachten.

V ERWERTUNG Aber nicht immer ist die unmittelbare Realisierung des Gebrauchswerts das Entscheidende. Fast noch wichtiger ist die Möglichkeit, das Eigentum profitabel zu verwerten. Diese setzt zwingend voraus, dass Eigentum und Besitz auseinanderfallen, was bei Konstrukten wie Miete und Leihe regelmäßig der Fall ist. Wenn ich eine Eigentumswohnung vermiete, so zahlt der Mieter mir Geld dafür, dass er mein Eigentum für seine eigenen Zwecke nutzen darf. Ich will den Gebrauchswert meiner Räume also nicht selbst realisieren, sondern mein Eigentum lieber verwerten, also Geld damit verdienen. Auch das Urheberrecht funktioniert nach einem solchen Verwertungsprinzip. Ein Verlag, der Nutzungsrechte an einem Werk erwirbt, be-

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

zahlt nicht dafür, dass er das Manuskript lesen darf. Sondern er erwirbt das Recht, den Text zu drucken und die Bücher mit Gewinn zu verkaufen. Dafür zahlt er ein Honorar, zumeist in Form einer Erlösbeteiligung. Und genau dazu ist das Urheberrecht ja ursprünglich auch gedacht: Es soll den Urheber in die Lage versetzen, mit seinen Rechten Geld zu verdienen. Nur weil das Urheberrecht als ein Eigentumsrecht konstruiert ist, bei dem Eigentum und Besitz auseinanderfallen, sind solche Nutzungsrechtseinräumungen überhaupt möglich. Der Urheber bzw. der Rechteinhaber, der durch Vertrag an dessen Stelle getreten ist, kann nur deshalb Geld mit einem geschützten Werk verdienen, weil er rechtlich dessen Eigentümer bleibt, obwohl er Dritten, nämlich privaten oder kommerziellen Nutzern, dessen Gebrauch zu unterschiedlichen Zwecken erlauben oder verbieten kann. Was bedeutet dies im Zusammenhang mit der Diskussion um Gemeingüter und Zugang? Wären kreative Werke Gemeingüter, also nicht Privateigentum, so wäre es nicht möglich, diese Werke zu monetarisieren, indem Dritten gegen Geld der Zugang dazu ermöglicht wird. Es wäre also keine Verwertung dieses Eigentums zum Zwecke der Profitmaximierung und ständigen Kapitalvermehrung möglich. Genau dies ist jedoch der eigentliche Sinn und Zweck der wirtschaftlichen Aktivität. Nur wenn die Eigentumsverhältnisse so konstruiert sind, dass sie den Ausschluss Dritter von der Realisierung des Gebrauchswerts einerseits und von der Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung der Güter andererseits garantieren, besteht die Möglichkeit, das Eigentum als Quelle eines Einkommens zu nutzen. Das Urheberrecht ist gerade dazu da, auch Urhebern diese Möglichkeit zu eröffnen, indem es aus geistigen Schöpfungen private Eigentumsgüter macht.

D AS NEUE DRM Bisweilen wird in diesem Zusammenhang eingewendet, dass sich die Durchsetzung von Eigentumsrechten durch Zugangskontrollen als nicht sehr effektiv erwiesen habe. Da ist etwas dran. In technischer Hinsicht spielt es natürlich durchaus eine Rolle, ob es um materielle Güter geht oder bloß um Dateien. Denn Dateien lassen sich ohne Aufwand verlustfrei kopieren, was auch eine Art und Weise ist, Dritten Zugang dazu zu schaffen, ohne dass sie dafür bezahlen müssten. Und tatsächlich haben

91

92

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

sich Digital Rights Management und Kopierschutzmaßnahmen, die die Rechteindustrie Anfang des Jahrtausends einführte, um ihre Inhalte zu schützen, als nicht sehr effektiv erwiesen. Im Gegenteil haben sie sogar zu Unzufriedenheit bei den Kunden geführt, wenn diese feststellten, dass legal erworbene Inhalte sich beispielsweise nicht auf allen beliebigen Geräten abspielen ließen. Doch man täusche sich nicht. Der erste Versuch, die Zugänge zu Sphären des kostenlosen Konsums dicht zu machen, mag gescheitert sein. Aber das ist nicht das Ende vom Lied. Im Gegenteil, das neue DRM heißt Cloud Computing, und es ist viel effektiver als jeder Kopierschutz. Cloud Computing bedeutet, durchaus im Sinne Rifkins: Wir bezahlen nur noch für den Zugang zu Gütern, bringen diese aber nicht mehr in unseren Besitz. Konnte man bislang noch darüber philosophieren, ob es ein Eigentum an Daten geben kann oder nicht, so wird sich diese Frage bald kaum noch stellen. Die Vision der Zukunft sieht so aus, dass die Nutzer möglichst viele Daten auslagern, statt sie auf ihren eigenen Festplatten zu speichern. Sie erhalten also für ihr Geld allenfalls noch flüchtige Kopien, nicht mehr Dateien, die sie besitzen und über die sie frei verfügen könnten. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen dazu animiert werden, ihre Musiksammlung, ihre Filme und E-Books in der Cloud zu speichern, also auf fremden Servern. Zugriff auf diese Daten haben sie dann nur noch, sofern die Anbieter ihnen dies genehmigen. Ganz in diesem Sinne ist das Software-Unternehmen Adobe 2013 dazu übergegangen, seine »Creative Suite«, zu der auch das beliebte Bildbearbeitungsprogramm Photoshop gehört, nur noch als Cloud-Service anzubieten, nicht mehr zum Herunterladen. Diese Entwicklung geht einher mit einer zunehmenden Kontrolle der Hersteller über die Endgeräte ihrer Kunden. Der heimische PC war noch eine Art universell einsetzbares Produktionsmittel: Die Nutzer konnten fast alles damit machen, ihn also zu jeglichen Zwecken einsetzen, die sie selbst für richtig hielten – sofern sie über das entsprechende technische Wissen verfügten. Die neueren Smartphones hingegen sind sehr viel weniger flexibel, dafür aber genau auf die kommerziellen Dienste des jeweiligen Anbieters abgestimmt. Die Kombination des Kontrollverlusts über die eigenen Endgeräte mit dem Verlust der Verfügungsgewalt über die eigenen Inhalte könnte gut der Anfang vom Ende der Selbstbestimmung im Netz sein.

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Zumal sich in letzter Zeit die Tendenz zeigt, diese im Bereich des mobilen Internets wiedergewonnene Kontrolle auch auf den PC-Bereich auszudehnen. Trusted Computing heißt hier das Stichwort. Die Hersteller beginnen, in PCs und Tablets einen Sicherheitschip einzubauen, der direkt in das BIOS eingreift, also in den Systemstart des Geräts. Diese sogenannten TPM-Chips sollen offiziell verhindern, dass sich Schadsoftware auf dem System einnistet. Genauso gut können sie aber dazu genutzt werden, den Start bestimmter Programme zu verhindern, die dem jeweiligen Hersteller nicht genehm sind. So wird es zukünftig beispielsweise möglich sein, dass die Hersteller Filesharing-Programme schon beim Systemstart blockieren. Derzeit können Nutzer diese Chips noch manuell deaktivieren, aber schon in der nächsten Protokollversion, die ab 2015 verwendet werden soll, wird das nicht mehr möglich sein. Unter dem Strich muss man feststellen: Die Durchsetzung von Eigentumsrechten funktioniert insgesamt ganz gut. Weder hat sich die herrschende Eigentumsordnung mit der Digitalisierung in Luft aufgelöst, noch ist sie im digitalen Bereich nicht mehr durchsetzbar. Will man an die Mechanismen der Durchsetzung von Eigentumsrechten aber grundsätzlich nicht heran, so lässt sich schwer begründen, warum Immaterialgüter einen Sonderstatus haben sollten.

W EG VON DER D ISTRIBUTIONSEBENE Die Debatte darüber, ob urheberrechtlich geschützte Werke private Eigentumsgüter seien oder besser als öffentliche Güter zur Verfügung gestellt oder als Gemeingüter behandelt werden sollten, krankt letztlich daran, dass sie die Konsequenz ihres eigenen Denkens scheut. Sie müsste den Eigentumsbegriff, der den Ausschluss Dritter von der Nutzung bestehender Güter voraussetzt, um die Verwertbarkeit des Eigentums zu gewährleisten, grundsätzlich kritisieren. Stattdessen versucht sie, bestimmte Güter aufgrund ihrer Immaterialität aus dem Geltungsbereich dieses Eigentumsbegriffs herauszudefinieren. Damit tut sie letztlich so, als gäbe es einen natürlichen Eigentumsstatus von Gütern, der von ihrer Materialität oder Immaterialität abhängt. Ob ein Gut Gemeingut ist oder nicht, hängt aber in Wirklichkeit nicht von seinen Eigenschaften ab, sondern davon, zu welchem Zweck es produziert wird. Die Commons-Idee ist mit einer Marktwirtschaft, die im Kern darauf beruht, alle vom Zugang zu

93

94

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

den dort gehandelten Gütern auszuschließen, die dafür nicht bezahlen können oder wollen, schlichtweg unvereinbar. Deshalb ist eine Debatte über Kreativgüter als Commons, die deren Unvereinbarkeit mit dem heutigen Wirtschaftssystem nicht annonciert, wenig zielführend. Wovon sollen Urheber leben, wenn nicht von der Verwertung der Eigentumsrechte an ihren Werken? Jene, die das geistige Eigentum für einen »Kampf begriff« halten, scheinen darauf keine rechte Antwort zu haben – wohl auch, weil sie sich eher für die Rechte der Gesellschaft am Zugang zu geschützten Werken interessieren als für die Bedingungen von deren Produktion. Das ist legitim, bedingt jedoch, dass die Diskussion auf der Zirkulationsebene verharrt. Die Frage, wo solche Güter herkommen, spielt bei den Versuchen, Ostroms Theorie für die Urheberrechtsdebatte nutzbar zu machen, kaum eine Rolle. Vielmehr sind Kreativgüter in diesem Denken immer schon vorhanden, und es geht nur um die Frage ihrer Verteilung bzw. darum, wer Zugang zu ihnen hat. Eine Theorie, die emanzipatorisch wirken wollte, müsste indes auf der Produktionsebene ansetzen und sich dafür interessieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Produzierenden den Zweck ihrer Produktion selbst bestimmen können. So wie man das Welthungerproblem nicht durch eine andere Verteilung der produzierten Lebensmittel lösen wird, sondern nur durch eine globale Umstellung der Lebensmittelproduktion, wird man auch die gesellschaftlichen Probleme rund um das Urheberrecht nicht allein auf der Distributionsebene lösen können.

7. Kulturflatrate: Bezahlsystem, Vergütungsmodell oder Gesellschaftsvertrag? Abstract Sind Pauschalvergütungsmodelle wie die Kulturflatrate eine Antwort auf die Frage, wovon Künstler leben sollen, wenn sie vom Urheberrecht nicht leben können? Reicht das Anliegen, Filesharing zu legalisieren und die Rechteinhaber für Verluste zu entschädigen aus, um ein solches Modell zu rechtfertigen? Das Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob es bei der Kulturflatrate um ein neues Bezahlmodell geht oder einen neuen Gesellschaftsvertrag. Als eine Weiterentwicklung des Modells kann die vom Chaos Computer Club vorgeschlagene Kulturwertmark betrachtet werden. Der Club stellt ausdrücklich die Verteilungsfrage: Statt jenen Urhebern, deren Werke besonders viel getauscht werden, automatisch auch besonders viel Geld zukommen zu lassen, schlagen die Hacker vor, dass die Nutzer Geldbeträge individuell zuweisen sollen, nach eigenem Belieben. Das trifft einen Nerv: Kulturelle Märkte sind winner-takes-allMärkte. Die meisten Urheber können von ihrer Arbeit nicht leben, weil die Masse des Geldes bei wenigen Stars ankommt. Während der CCC-Vorschlag zwar auf eine Umverteilung hinausläuft, diese aber inhaltlich kaum begründet, argumentiert Philippe Aigrain ganz bewusst mit der kulturellen Vielfalt, die er durch eine nicht-proportionale Zuweisung der Tauschlizenz-Gelder sicherstellen will. Allerdings bleibt sein Vorschlag auf eine kulturelle Gemeinsphäre jenseits des Marktes beschränkt. Urhebern ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist nicht sein Anliegen.

Das Szenario ist altbekannt: Eines Tages liegt ein Brief im Briefkasten, von einer Anwaltskanzlei. Diese fordert eine ahnungslose Mutter zur Abgabe einer sogenannten »straf bewehrten Unterlassungserklärung« auf.

96

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Es handelt sich um eine Abmahnung: Ihr wird vorgeworfen, ein aktuelles Hitalbum ohne Genehmigung im Internet öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Meist stellt sich dann heraus, dass ihr Sohn in einer Tauschbörse unterwegs war, sich also in ein Filesharing-Netzwerk eingeloggt hat, um mit Dritten Dateien auszutauschen. Das ist nicht an sich verboten, aber wenn die Dateien urheberrechtlich geschützt sind, braucht man dazu die Genehmigung des Rechteinhabers. Viele Nutzer wissen das nicht und tappen ahnungslos in die Fallen der Abmahnindustrie. Anwaltskanzleien, die sich mit Massenabmahnungen privater Tauschbörsennutzer eine goldene Nase verdienen, gibt es schon seit geraumer Zeit. Eine der bekannteren warb vor einigen Jahren mit dem Slogan »Turn piracy into profit« und dem expliziten Versprechen an die Rechteinhaber, dass sich mit Abmahnungen privater Endnutzer mehr Geld verdienen lasse als mit dem Einzelverkauf von Tonträgern. Mittlerweile sind solche Firmen mit ihrer Werbung etwas zurückhaltender geworden, aber noch immer rücken deutsche Internetprovider 300.000 Kundenadressen im Monat heraus.1 Meist kommt es gar nicht erst zu Prozessen, da die Betroffenen auf Abmahnungen eingeschüchtert reagieren und lieber zahlen, um den Ärger vom Hals zu haben. Selbst dann, wenn die geforderten Beträge viel zu hoch sind: Nach Informationen des Verbraucherzentrale Bundesverbands werden im Rahmen von anscheinend günstigen »Vergleichsvorschlägen« durchschnittlich Forderungen in Höhe von 800 Euro erhoben.2 Zur Akzeptanz des Urheberrechts trägt das nicht gerade bei. Dass der Kampf gegen die Piraterie erhebliche Kollateralschäden mit sich bringt, wird heute außer von der Rechteindustrie von niemandem mehr ernsthaft bestritten. Wer einen Vorschlag parat hätte, mit dem die gesellschaftlichen Konflikte um das Urheberrecht auf einen Schlag zu lösen wären, könnte vermutlich viel Geld als Berater verdienen. Aber lassen sich tatsächlich alle gegensätzlichen Interessen ausgleichen? Gibt es eine Lösung, mit der Urheber, Nutzer und Verwerterindustrie gleichermaßen zufriedengestellt werden könnten?

D IE K ULTURFL ATR ATE Seit etwa zehn Jahren kursiert ein Vorschlag, der genau dies verspricht: eine Win-Win-Lösung für die Pirateriedebatte. Die Rede ist von der be-

7. Kultur flatrate

rühmt-berüchtigten Kulturflatrate. Dabei sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Der Krieg gegen das illegale Filesharing soll beendet werden, indem man es legalisiert. Zugleich soll eine Zahlungspflicht eingeführt werden, um die Verluste, die Urhebern und Verwertern durch den privaten Dateientausch entstehen, zu kompensieren. Die Idee orientiert sich an einem erprobten Vorbild, nämlich der Privatkopierabgabe. Als in den sechziger Jahren Tonbandgeräte aufkamen, entschied der deutsche Gesetzgeber, dass ein Verbot, urheberrechtlich geschützte Musikstücke privat zu vervielfältigen, wenig fruchten würde, weil es nicht oder nur mit erheblichen gesellschaftlichen Schäden durchsetzbar gewesen wäre. Also wurde eine Privatkopierabgabe eingeführt, die auf den Preis der Leermedien und Vervielfältigungsgeräte aufgeschlagen wurde. Das Prinzip hat sich bis heute bewährt. Der Ladenpreis jeder verkauften Packung CD-Rohlinge enthält ein paar Cent Urheberrechtsabgabe. Jeder Copyshop führt Tantiemen an eine Verwertungsgesellschaft ab. Für jedes verkaufte Smartphone fließen derzeit, je nach Speicherkapazität des Geräts, bis zu 36 Euro an Urheber. Die Grundidee der Kulturflatrate besteht nun darin, dieses Prinzip auf p2p-Filesharing auszuweiten – eine Legalisierung von Filesharing gegen eine Pauschalabgabe also. Es wird davon ausgegangen, dass es im Rahmen einer urheberrechtlichen Schrankenregelung erlaubt werden soll, Musik, Filme oder E-Books zu nicht-gewerblichen Zwecken zu tauschen, also zu kopieren und öffentlich zugänglich zu machen. Im Gegenzug soll eine pauschale Vergütung an die Urheber bzw. Rechteinhaber gezahlt werden. Diese könnte zum Beispiel auf den Preis für den Internetanschluss aufgeschlagen und von den Providern an die Verwertungsgesellschaften weitergeleitet werden. Gleichzeitig müsste stichpunktartig gemessen werden, welche Werke wie oft kopiert bzw. heruntergeladen werden, um das Geld entsprechend der Nutzung an die Rechteinhaber verteilen zu können. Dabei bräuchte man keine 100  %ige Genauigkeit, sondern nur statistische Annäherungen, und man bräuchte nicht zu wissen, wer welche Dateien kopiert, sondern bloß, welche Dateien wie oft vervielfältigt werden. Das Geld könnte dann von der GEMA, der VG WORT und den diversen Filmverwertungsgesellschaften an die Rechteinhaber ausgeschüttet werden. In Frankreich hat schon 2005 ein breites gesellschaftliches Bündnis von Kulturschaffenden und Nutzern, die Alliance Public Artistes, dafür gesogt, dass eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht

97

98

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

wurde. Der Vorschlag für eine »licence globale« kann auf deren Internetseite www.lalliance.org noch immer nachgelesen werden. Der Vorstoß hat Rechtshistorie geschrieben, weil das Gesetz kurz vor den Weihnachtsfeiertagen des Jahres 2005, genauer gesagt, in der Nacht des 21. Dezember, vom französischen Senat tatsächlich angenommen wurde. Darauf folgte jedoch eine groß angelegte Kampagne von Urheberverbänden und Verwertungsgesellschaften, unterstützt von der Kultur- und Medienindustrie, allen voran vom Großkonzern Vivendi. Mit Erfolg: Bei einer zweiten Abstimmungsrunde im März 2006 verwarf das Parlament den Vorschlag einer allgemeinen Tauschlizenz wieder (Smiers 2012: 70-71). Ansonsten ist in Sachen Kulturflatrate in Europa bislang nicht viel passiert. Das liegt nicht zuletzt an einem Hindernis im europäischen Recht. Die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (InfoSoc) von 2001 enthält eine Liste von Ausnahmeregelungen, mit denen die EU-Mitgliedsstaaten das Recht des Urhebers, über sein Werk zu verfügen, einschränken dürfen. Darunter fallen etwa das Zitatrecht oder die Privatkopie. Private Kopien seines Werks darf der Urheber nicht verbieten, er hat aber einen Anspruch auf eine Vergütung, die über die erwähnte Geräte- und Leermedienabgabe finanziert wird. Es gibt jedoch keine entsprechende Ausnahmeregelung, die das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung einschränken würde, landläufig auch OnlineRecht genannt: das Recht, Content im Internet hochzuladen. Genau dies wäre nötig, wollte man Filesharing legalisieren. Denn beim Filesharing findet ja nicht nur ein Download statt, sondern zugleich immer auch ein Upload, weil Teile der gerade heruntergeladenen Datei im Netzwerk automatisch anderen Nutzern angeboten werden. Es werden also nicht nur Kopien erstellt, sondern auch Dateien öffentlich zugänglich gemacht. So weit reicht jedoch die Privatkopieregelung derzeit nicht. Eine entsprechende Änderung im europäischen Gesetz wäre also unerlässlich. Von der Umsetzung her wäre das kein großes Problem. Dass es trotzdem noch nicht dazu gekommen ist, liegt hauptsächlich daran, dass die Rechteinhaber dem Kulturflatrate-Modell mit unverhohlener Skepsis begegnen. Buch-, Medien- und Filmindustrie stellen den Flatrate-Befürwortern seit Jahren immer dieselbe Frage: Wie hoch soll der Beitrag sein? Wenn es nach ihnen ginge, sollte er hoch genug sein, um die Verluste zu kompensieren, die ihnen derzeit durch Piraterie entstehen. Zugleich sollte er eine Entschädigung dafür bieten, dass infolge der Legalisierung des Dateientauschs zukünftig vermutlich noch weniger

7. Kultur flatrate

legale Downloads verkauft würden als heute. Ganz zu Recht mutmaßen die Industrievertreter, dass ein Beitrag, der diese Erwartungen erfüllen würde, politisch nicht durchsetzbar wäre.

B ERECHNUNGSMODELLE Dankbarerweise haben die Grünen zur Frage der Finanzierbarkeit bei dem Göttinger Juristen Gerald Spindler ein Gutachten in Auftrag gegeben, das im März 2013 veröffentlicht wurde.3 Der Autor nimmt darin unterschiedliche Berechnungen für eine Kulturflatrate vor und kommt zu Beträgen, die je nach Modell zwischen 5 Euro und 90 Euro schwanken. Angesichts der schlechten Datenlage, die der Autor selbst einräumt, sind diese Berechnungen allerdings gar nicht das Wichtigste. Viel interessanter ist, dass Spindler klar benennt, unter welchen Voraussetzungen er zu den jeweiligen Ergebnissen kommt. Denn die Debatte über die Kulturflatrate leidet häufig daran, dass diese Voraussetzungen nicht expliziert werden und es dann zu Schlüssen kommt, die man nicht nachvollziehen kann. Spindler geht von einem einfachen, aber in der Diskussion um die Kulturflatrate leider nicht selbstverständlichen Grundgedanken aus: Bei einer Kulturflatrate kann hinten nur herauskommen, was man vorne hineinsteckt. Wie hoch ein monatlich zu zahlender Betrag sein müsste, hängt also davon ab, was dieser Betrag ermöglichen soll, für welche Leistung er eine Gegenleistung oder für welchen Schaden er eine Entschädigung darstellen soll. Im Wesentlichen laufen Spindlers Überlegen auf zwei Modelle hinaus. Da wäre zum einen das Lizenzanalogie-Modell. Es heißt so, weil es auf der Analogie mit einer Lizenz beruht. Es geht also darum, wie viel der Nutzer hätte zahlen müssen, hätte er den entsprechenden content individuell erworben, statt ihn privat zu tauschen. Dabei setzt Spindler einen Abschlag für den Wegfall von Vertriebsstufen ein. Denn wenn keine Bücher oder CDs mehr verkauft werden, ist das zwar bedauerlich für den Einzelhandel; es sind aber keine Verluste der Urheber, also können sie dafür auch keinen Schadenersatz verlangen. Orientiert an den Medienanteilen, die bei Downloads durchschnittlich auf Musik, Filme und E-Books entfallen, kommt er in seiner Berechnung monatlich für den Be-

99

100

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

reich Musik auf 62,56 Euro, für den Bereich Film auf 21,03 Euro und für den Bereich Buch auf 6,30 Euro. Macht im Monat 89,89 Euro. Das Lizenz-Analogie-Modell ist ein Kompensationsmodell. Es beruht auf dem Grundgedanken, dass Urheber private Kopien ihrer Werke zwar hinnehmen müssen, aber dafür einen »gerechten Ausgleich« in der Höhe erhalten sollten, in der andernfalls direkte Zahlungen an sie hätten fließen müssen. »Fair compensation« heißt das im EU-Recht. Das Modell geht also vom ökonomischen Wert der privaten Kopien aus. Zum anderen gibt es das Substitutionsmodell. Hier geht es nicht um den »geldwerten Vorteil«, den der Nutzer durch das Filesharing im Gegensatz zum Kauf erlangt, sondern darum, wie hoch die Umsatzverluste sind, die den jeweiligen Industrien durch legales Filesharing entstehen würden. Das hängt wesentlich von der Substitutionsrate ab: Ersetzt tatsächlich jeder getauschte Song einen bezahlten Musikdownload? Oder muss man davon ausgehen, dass die Leute mehr herunterladen, als sie andernfalls gekauft hätten? Studien gehen von einer Substitutionsrate aus, die zwischen 10  Prozent und 30  Prozent liegt. Spindler setzt den worst case von 30 Prozent an und kommt auf wesentlich geringere Zahlen als bei dem anderen Modell. Jährlich 9,54 Euro für den Bereich Musik, 7,38 Euro für Film und 37,09 Euro für den Bereich Buch. Zuzüglich Verwaltungskosten kommt Spindler auf monatlich insgesamt nur 5,18 Euro. Das Substitutionsmodell geht nicht von einer Kompensation für erlittenen Schaden aus, sondern fragt nach den realen wirtschaftlichen Verlusten der jeweiligen Branchen. Wenn es also Einnahmeverluste durch private Kopien gibt, andererseits aber zusätzliche Einnahmen dadurch, dass die Nutzer beim Filesharing neue Musik entdecken, die sie wiederum kaufen, oder dadurch, dass sie mehr Geld für Konzerte und Merchandising ausgeben, so kann man diese beiden in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung miteinander verrechnen. Entsprechend niedriger fällt dann natürlich der Betrag aus, der von der Kulturflatrate aufgebracht werden müsste. Es steht also die Frage im Raum: Haben Urheberinnen und Urheber ein Recht darauf, im Rahmen eines Schadensausgleichs den vollen ökonomischen Gegenwert der Nutzung ihrer Werke zu erhalten, obwohl dieser unter rein marktwirtschaftlichen Bedingungen wohl kaum zu realisieren gewesen wäre? Oder genügt es, wenn man ihnen jene Verluste ersetzt, die sie nicht auf andere Weise wettmachen können? Die Frage birgt Sprengstoff, aus einem einfachen Grund: Es ist nicht sicher, dass diejenigen, die

7. Kultur flatrate

die Verluste erleiden, dieselben sind, die die Mehreinnahmen einstreichen. Was haben Komponisten davon, wenn die Band, für die sie Songs schreiben, mehr an Merchandising verdient? Eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung blendet die Verteilungsfrage aus. Die aber ist aus der Perspektive des Urheberrechts keine Gerechtigkeitsfrage, sondern eine Frage des Eigentumsschutzes. Umverteilung verbietet sich aus dieser Perspektive, da der wirtschaftliche Gegenwert des geistigen Eigentums dem Rechteinhaber so genau wie möglich zuzuweisen ist. Spindler selbst meint, dass eine eher volkswirtschaftliche Betrachtung, die von der Schadensberechnung abweicht, europarechtlich bedenklich wäre. Andererseits weist er darauf hin, dass das reine Lizenzanalogie-Modell zu einem Abgabeerlös von 29.447.964.000 Euro jährlich führen würde: etwa doppelt so viel, wie die drei Branchen derzeit an Umsatz machen, nämlich 14.217.800.800 Euro. Vor diesem Hintergrund tritt der Autor letztlich für ein Mischmodell ein: Er geht vom Lizenzanalogie-Modell aus, bringt aber die 30 %ige Substitution in Abzug und kommt auf monatlich 18,77 Euro bei der Musik, 6,31 Euro beim Film und 1,89 Euro beim Buchbereich. Unter dem Strich sind das im Monat 26,97 Euro. Also ungefähr so viel wie der Rundfunkbeitrag – aber doch noch erheblich mehr als jene fünf Euro, die seit längerer Zeit die Diskussion bestimmen und von den meisten Nutzerinnen und Nutzern offenbar als fair und akzeptabel empfunden werden. Angesichts der Zahlen in dem Spindler-Gutachten haben die Grünen, die es in Auftrag gegeben haben, einen Schrecken bekommen und sich von ihrer früheren Begeisterung für die Kulturflatrate distanziert. Es gebe offenbar »ein Spannungsverhältnis zwischen der Höhe einer solchen Pauschalabgabe und damit ihrer Sozialverträglichkeit gegenüber den NutzerInnen und andererseits der Leistungen für die UrheberInnen, also der Sozialverträglichkeit für die Kreativen«, kalauerte die Fraktion auf ihrer Homepage. Man wolle nun erst einmal abwarten, »in welchem Umfang die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in den nächsten Jahren das Problem von Urheberrechtsverletzungen auf nicht repressive Weise eindämmen können – und dabei UrheberInnen einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Nutzung ihrer Werke bieten«.4 Damit liegen die Grünen im allgemeinen Trend. Nach zehn Jahren Diskussion über die Kulturflatrate hat sich im politischen Betrieb eine gewisse Ermüdung eingestellt. Über alle Differenzen hinweg scheint man sich darauf geeinigt zu haben, dass der Konflikt ums Urheberrecht

101

102

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

nicht mit einem solchen regulierenden Eingriff, sondern eher mit »neuen Geschäftsmodellen« zu lösen sei. Die Contentindustrie soll sich endlich etwas ausdenken, denn eine Zahlungsbereitschaft sei ja grundsätzlich vorhanden, wie man an Beispielen wie dem Musikstreamingdienst spotify sehen könne. Es gibt so gut wie keine politische Opposition zu dieser Auffassung. Das ist fatal, denn die Forderung nach »neuen Geschäftsmodellen« ist weder eine politische noch eine gesellschaftliche Forderung, sondern sie artikuliert bloß den Wunsch nach einem kundenfreundlicheren Markt. Wer darin die richtige Antwort auf den Konflikt ums Urheberrecht sieht, glaubt anscheinend, dass gesellschaftliche Konflikte am besten mit verbesserten Konsumangeboten gelöst werden können. Vielleicht ist das nicht einmal ganz falsch. Es ist aber eine Bankrotterklärung der politischen Akteure. Der politische Gestaltungswille ist anscheinend dem Verfassen von Wunschlisten an die Contentindustrie gewichen. Tatsächlich müsste man aus den bisherigen Debatten auf ganz andere Weise lernen. Nämlich indem man endlich die Frage nach der Frage stellte, auf die die Kulturflatrate die Antwort sein soll. Welches Problem soll sie lösen? Ist sie wirklich dafür da, sämtliche Verluste zu kompensieren, die den traditionellen Verwertern im Zuge der Digitalisierung erwachsen? Geht es um eine Bekämpfung der Piraterie und um eine Entkriminalisierung der privaten Nutzer? Um eine angemessene Vergütung für Urheber? Oder bloß um den Konsumkomfort, per Flatrate zahlen zu können? Ist die Kulturflatrate für die Lösung dieser Probleme wirklich zielführend? Und falls nicht, welche alternativen Modelle gibt es?

E NTKRIMINALISIERUNG UND K OMPENSATION Die Entkriminalisierung der Nutzer war von Anfang an eines der Hauptanliegen der Verfechter einer Kulturflatrate. Umgekehrt haben die Rechteinhaber nicht versäumt, darauf hinzuweisen, dass es nicht Sinn der Sache sein kann, eine verbotene Handlung einfach zu legalisieren, wenn man das geltende Recht nicht durchsetzen kann oder möchte. Da ist etwas dran – aber es ist auch nur die halbe Wahrheit. Denn ein Recht, das nur mit erheblichen gesellschaftlichen Kollateralschäden durchgesetzt werden kann, muss möglicherweise tatsächlich angepasst werden. Es ist

7. Kultur flatrate

kein Einknicken, sondern zeugt von einem Gespür für Verhältnismäßigkeit. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit muss man aber auch umgekehrt stellen: Braucht man tatsächlich eine Kulturflatrate, um der Abmahnindustrie das Handwerk zu legen? Oder würde es nicht auch genügen, dafür zu sorgen, dass das Geschäftsmodell Abmahnung weniger attraktiv wird? Tatsächlich hat der Bundestag unlängst ein Gesetz verabschiedet, das genau dies erreichen will. Das »Gesetz gegen unseriöse Geschäftsbedingungen« ist seit Oktober 2013 in Kraft. Es deckelt unter anderem die Gebühren, die Anwälte in einfach gelagerten Fällen für Abmahnungen verlangen dürfen. Ob das ausreicht, oder ob die Abmahnanwälte nicht einfach darauf reagieren, indem sie ihre Schadenersatzforderungen erhöhen, bleibt abzuwarten. Wenn man aber davon ausgeht, dass Abmahnungen nicht an sich unberechtigt sind, sondern nur im Fall privater, nichtkommerzieller Bagatellverstöße, so würde man das Kind mit dem Bade ausschütten, wollte man eine Praxis nur legalisieren, um die unerwünschten zivilrechtlichen Folgen einzudämmen. Dann scheint es sinnvoller, dafür zu sorgen, dass das Instrument auf jene Fälle beschränkt bleibt, für die es ursprünglich gedacht war: auf gewerbliche, systematische und erhebliche Rechtsverletzungen. Wie aber sieht es mit dem anderen Anliegen aus: der Kompensation für die angeblichen Verluste der Medienindustrien durch privates »Raubkopieren«? Zunächst wäre zu fragen, wie hoch diese Verluste eigentlich sind. Die Medienindustrie hat diese Zahlen anfangs dramatisch hochgerechnet, indem sie behauptete, jedes privat getauschte Album entspreche einem Umsatzverlust in Höhe des Kaufpreises einer CD. Wie bereits erläutert, sind die tatsächlichen Substitutionsraten wesentlich niedriger. Felix Oberholzer-Gee und Koleman Strumpf haben in einer Untersuchung von 2010 mehrere Studien zu dem Thema gesichtet und geben an, dass die Umsatzeinbußen der Musikindustrie im Zusammenhang mit der Digitalisierung offenbar nur zu etwa 20  Prozent auf illegales Filesharing zurückzuführen sind.5 Wenn aber die Umsatzeinbußen in Wirklichkeit kaum mit Filesharing, sondern vielmehr mit strukturellen Umbrüchen im Zuge der Digitalisierung zu tun haben, warum sollte es dann ein Recht darauf geben, dass diese Verluste kompensiert werden? Schließlich hat niemand ein natürliches Anrecht auf kontinuierlich gute Geschäfte nach Maßgabe eines bestimmten Geschäftsmodells. Zudem sind diese Schäden relativ zu se-

103

104

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

hen, denn obwohl es sie gibt, steigen die Umsätze fast aller Medienbranchen seit Jahren kontinuierlich. Unter dem Strich stehen also nicht Umsatzeinbußen, sondern es gibt ein stetiges Umsatzwachstum. Philippe Aigrain hat sich die Umsatzentwicklung verschiedener Branchen für die Jahre 2004-2007 angesehen – anhand der Statistiken des US-amerikanischen Zensus-Büros. (Spätere Zeiträume waren leider nicht mehr abgedeckt.) Diesen Zahlen zufolge ist der Umsatz der US-amerikanischen Film- und Videobranche zwischen 2004 und 2007 von 72 auf 82 Milliarden Dollar gestiegen. Selbst die Musikindustrie, die immer am lautesten jammert, wies ein Umsatzwachstum von 9,8 Milliarden auf 11,1 Milliarden Dollar auf (Aigrain 2012: 67). In Deutschland verzeichnete sie allein 2012 im digitalen Bereich ein Plus von satten 19,3 Prozent,6 und im ersten Halbjahr 2013 legte sie um weitere 16 Prozent zu.7

M ARK T VERSAGEN Dass letztlich weder die Entkriminalisierung der Nutzer noch die Kompensationsfunktion eine Kulturflatrate zu rechtfertigen vermag, sollte jenen, die meinen, dass Märkte allenfalls behutsam reguliert werden dürfen, zu denken geben. Denn immerhin wäre die Einführung eines Kulturflatrate-Modells auch ein ziemlich weitreichender Eingriff in den freien Wettbewerb. Zwar würden die Urheber bzw. Rechteinhaber eine Vergütung erhalten, wo sie derzeit leer ausgehen, weil die Nutzung illegal erfolgt. Aber es würde ihnen durch die Einführung einer gesetzlichen Lizenz zum Tauschen auch die Möglichkeit genommen, für ihre Produkte selbst die Preise festzulegen. Eine solche Einschränkung der Macht zur Preisgestaltung ist in einer Marktwirtschaft immer nur der letzte Notbehelf. Meist sind es wettbewerbsrechtliche Gründe, die zu entsprechenden Eingriffen des Gesetzgebers führen: wenn zum Beispiel auf einem bestimmten Markt ein Anbieter eine Monopolstellung erlangt hat, die er zu missbrauchen droht. Um eine entsprechende Regulierung zu rechtfertigen, muss also ein sehr eklatanter Fall von Marktversagen vorliegen. Tatsächlich wird genau dieses Argument auch im Hinblick auf privates Filesharing immer wieder vorgebracht. Das Paradebeispiel dafür sind amerikanische Serien, die in Deutschland oft gar nicht oder erst einige Monate später zum Download zur Verfügung stehen. Da die Nachfrage aus legalen Quellen nicht befriedigt werden kann, sind die Kunden ge-

7. Kultur flatrate

zwungen, zu illegalen zu greifen, argumentieren die Flatrate-Befürworter. Manchmal wird diese Argumentation auch verallgemeinert: »Kulturelle Werke«, heißt es dann, stünden nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Aber ist das wirklich so? Im Fall der amerikanischen Serien offenbar schon. Das liegt an komplizierten lizenzrechtlichen Problemen. Rechte für die öffentliche Zugänglichmachung solcher Serien werden für verschiedene Regionen auf der Welt getrennt lizenziert. Je mehr Länder ein Anbieter abdecken möchte, desto höher sind die Lizenzgebühren, die er zahlen muss. Diese richten sich meist nach der Zahl potenzieller, nicht tatsächlicher Zuschauer, sodass die Kosten für ein Material, das am Ende nur wenige Nutzer interessiert, unverhältnismäßig hoch sein können. Hinzu kommen Transaktionskosten: Die Preise und Verträge müssen erst einmal ausgehandelt werden. Wegen all dieser Schwierigkeiten verzichten viele Diensteanbieter auf grenzüberschreitende Zugänglichmachung. Manchmal gibt es aber auch schlicht ein Problem mit den Auswertungsfenstern. Wenn geplant ist, eine Serie ins deutsche Fernsehen oder eine DVD-Fassung in den Handel zu bringen, sind die Rechte, die man für eine Zugänglichmachung im deutschen Internet bräuchte, oft gar nicht zu haben. Offenbar gibt es hier tatsächlich eine Nachfrage, die der Markt nicht befriedigt. Die Frage ist dann aber, ob die richtige Antwort auf dieses Marktversagen die Einführung einer Tauschlizenz ist, also die Legalisierung des ungenehmigten Zugangs zu solchen Werken gegen Zahlung einer Pauschalgebühr. Zumindest scheint es nicht die naheliegendste und wohl auch nicht die zielführendste Maßnahme zu sein, um auf ein partielles Marktversagen zu reagieren. Viel naheliegender wäre es, die lizenzrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass leichter legale Angebote entstehen können, die diese Nachfrage in der üblichen Weise befriedigen: im Rahmen eines kommerziellen Angebots. Denn es wäre übertrieben, den speziellen Fall der amerikanischen Serien zu verallgemeinern und daraus zu schließen, kreative Werke stünden insgesamt »nicht ausreichend« zur Verfügung. Was heißt »ausreichend«? Es ist ein anerkanntes Prinzip, dass Güter ausreichend zur Verfügung stehen, wenn sie gegen Geld erworben oder zugänglich gemacht werden können. Nur in Ausnahmefällen ist dies nicht der Fall. Die amerikanischen Serien sind vielleicht ein solcher Ausnahmefall. Aber man kann kaum ernsthaft behaupten, man bräuchte eine Kulturflatrate, weil

105

106

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

die Mehrheit der Werke, die dort getauscht werden, am Markt nicht kommerziell verfügbar sei. Auf ein nur partielles Marktversagen zu reagieren, indem man radikal die Preisgestaltungsmacht der Anbieter beschneidet, verbietet sich jedoch aus marktwirtschaftlicher Sicht.

V ERGÜTEN STAT T VERFOLGEN Und die Urheber? Die Kreativen selbst kommen in den Diskussionen um die Kulturflatrate kaum vor – was auch daran liegen mag, dass ihre Vertreter sie von vornherein so brüsk wie kenntnislos abgelehnt haben. Trotzdem ist die Frage legitim, was eine Kulturflatrate den Urheberinnen und Urhebern bringen würde. Stellt sie eine Alternative zu herkömmlichen Vermarktungsmechanismen dar? Würde sie die Urheberinnen und Urheber in die Lage versetzen, eine angemessene Vergütung für ihre Arbeit zu erhalten? Auch dies ist Teil des Versprechens der Befürworter einer Kulturflatrate. Solange kreative Werke illegal getauscht werden, verdient niemand daran. Wenn das Tauschen legalisiert würde, würden die Urheber zumindest eine Vergütung erhalten. Würden sie dann mehr verdienen als bisher? Wohl kaum. Denn durch eine Kulturflatrate würde schließlich nicht automatisch mehr Geld hereinkommen. Im Gegenteil, zu erwarten ist eher, dass Konsumenten, wenn sie mit einer zusätzlichen Kulturflatrate belastet werden, jenen Teil ihres Haushaltsbudgets, den sie für Kreativgüter ausgeben, entsprechend umschichten werden. Doch selbst wenn mehr Geld hineinkommen würde, hieße das noch lange nicht, dass diese Mehrzahlung auch bei den Urheberinnen und Urhebern ankäme. Dies wäre nur der Fall, wenn in den jeweiligen Verträgen genau dies vereinbart wäre. Wir haben schon erwähnt, dass die Kreativen in der Regel in der schwächeren Position sind, wenn es darum geht, die konkreten Bedingungen der Vermarktung auszuhandeln. Im Rahmen der Ausgestaltung einer Kulturflatrate kann natürlich alles Mögliche vereinbart werden. Für sich genommen beinhaltet das Modell aber keinerlei Mechanismus, der die Urheber in ihrer Verhandlungsposition stärken würde. Gerade im Online-Bereich ist es bislang üblich, dass die Verwerter sich alle Rechte übertragen lassen und die Einnahmen so gut wie gar nicht mit den Urhebern teilen. Am Beispiel des Streaming-Dienstes spoti-

7. Kultur flatrate

fy, der für die Urheber nur Centbeträge abwirft, kann man das gut sehen. Auch die Verwertungsgesellschaften verteilen erhebliche Anteile ihres Aufkommens an Verwerter. Wenn mit einer Kulturflatrate weder automatisch mehr Geld noch eine stärkere vertragsrechtliche Position der Urheber einherginge, fragt sich drittens, ob sich vielleicht wenigstens eine gerechtere Verteilung der Gelder ergeben würde. Denn auf den traditionellen Märkten kann davon keine Rede sein. In seiner bereits erwähnten Studie zum Einkommen professioneller deutscher Schriftsteller hat Martin Kretschmer festgestellt, dass das Einkommen aus urheberrechtlichen Quellen extrem ungleich verteilt ist: 41 Prozent davon entfallen auf die oberen 10 Prozent der Autoren, während 12  Prozent des »Gesamtbudgets« auf die unteren 50  Prozent entfallen. Dabei sind von vornherein nur solche Autoren einbezogen, die mindestens 50  Prozent ihrer Zeit dem Schreiben widmen – es ist also keineswegs so, dass eine Flut von Laienschriftstellern dieses Ergebnis verfälschen würde. Im Musikbereich sieht es nicht anders aus: Allein, was die Leistungsschutzrechte angeht, streichen die drei großen Major Labels, Universal, Sony und Warner Music, bis zu 72 Prozent der Einnahmen aus verwandten Schutzrechten ein. Das erfolgreichste Fünftel der Künstler erhält weitere 24 Prozent. Die verbleibenden 4 Prozent kommen bei 80 Prozent der ausübenden Künstler an.8 Eine Studie von Will Page und Eric Garland kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Bei einer kommerziellen Downloadseite sind nur 5 Prozent der 1,5 Millionen Titel für 90 Prozent des Umsatzes verantwortlich.9 Solche Verteilungsergebnisse sind die Folge eines weitgehend unregulierten Markts, der zur Bildung von Monopolen und Oligopolen neigt. Sie zeugen von einem Strukturdefizit: Kleinere Marktteilnehmer haben offenbar von vornherein kaum eine Chance. Würde die Einführung einer Kulturflatrate daran etwas ändern? Tatsächlich behauptet Philippe Aigrain, in Filesharing-Netzwerken sei die Verteilung der Aufmerksamkeit zwar ebenfalls konzentriert, aber doch weniger stark als in anderen Verbreitungskanälen. Die 30 Prozent der beliebtesten Werke, die auf die ersten 4 Prozent der allerbeliebtesten Werke entfielen, würden immerhin noch 43 Prozent der gesamten Aufmerksamkeit auf sich ziehen (Aigrain 2012: 37).

107

108

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Solche Theorien sind verführerisch, aber ihnen ist mit Vorsicht zu begegnen. Denn so lange das private Filesharing urheberrechtlich geschützter Dateien illegal ist, werden Filesharing-Netzwerke nur von einer Minderheit genutzt. Es ist gut denkbar, dass Aufmerksamkeit und Interesse einer solchen Community anders verteilt sind als in der Mainstream-Kultur. Würde der private Dateientausch legalisiert, könnte sich das durchaus ändern, und die Aufmerksamkeitsverteilung könnte sich jener annähern, die heute auch auf den legalen Märkten herrscht. Zweifel an Aigrains Befund weckt auch eine Studie von Robert Layton und Paul Watters, die 2010 die größten BitTorrent-Tracker untersucht und herausgefunden haben, dass 10 Prozent der Torrents von 90 Prozent der Seeder angeboten werden. Für 90  Prozent der angebotenen Werke interessiert sich so gut wie niemand.10 Wenn man davon ausgeht, dass die Verteilung der im Rahmen einer Kulturflatrate eingenommenen Gelder der Aufmerksamkeitsverteilung für die Werke entsprechen soll, ist also nicht davon auszugehen, dass dabei eine irgendwie »gerechtere« Verteilung herauskommt als jene, die wir von anderen Märkten kennen. Fazit: Für Urheberinnen und Urheber würde eine Kulturflatrate zunächst einmal wenig Neues bringen. Weder würde automatisch mehr Geld hereinkommen, noch würde mehr von diesem Geld direkt bei den Urhebern ankommen, und auch die Verteilung zwischen Stars und Fußvolk würde sich nicht ändern. Im Grunde ist das auch kein Wunder. Wenn auf der einen Seite, bei den Einnahmen, zukünftig per Flatrate statt per Einzelabrechnung gezahlt wird, ändert sich auf der anderen Seite, bei der Ausschüttung, zunächst einmal überhaupt nichts. Es ist aber bezeichnend, dass die Verfechter der Kulturflatrate, die gern von einem »neuen Gesellschaftsvertrag« sprechen, sich darüber anscheinend auch wenig Gedanken gemacht haben. Wie soll Urheberinnen und Urhebern ein neues Vergütungsmodell schmackhaft gemacht werden, das ihnen keinerlei Vorteile gegenüber dem status quo bringt? Tatsächlich aber könnte die Kulturflatrate durchaus ein erster Ansatz zu einem Gesellschaftsvertrag sein. Nämlich wenn Urheber und Nutzer übereinkämen, dass die Verteilung des Geldes nicht rein marktgerecht zu sein bräuchte, sondern anderen Kriterien folgen könnte. Innerhalb des Systems Urheberrecht ist ein solcher Ansatz freilich kaum zu verwirklichen. Deshalb ist es interessant, sich neben der Kulturflatrate ein weite-

7. Kultur flatrate

res Modell näher anzusehen, dass explizit auf eine solche Umverteilung abzielt. Gemeint ist das »Kulturwertmark«-Modell des Chaos Computer Club. Interessanterweise handelt es sich dabei weniger um eine Vergütung für die Nutzung als vielmehr um einen Beitrag zu einer Art Gemeinschaftsfonds. Damit wird es denkbar, auch die Ausschüttung an die Urheber anders zu verteilen als bisher. Der Umfang der Nutzung braucht dann nicht mehr der einzige Maßstab zu sein.

D IE CCC-K ULTURWERTMARK Der Vorschlag, mit dem sich 2011 der Chaos Computer Club in die Kulturflatrate-Debatte eingemischt hat, versteht sich ausdrücklich als Ansatz für eine zukunftsfähige Vergütung für Kreativschaffende in der digitalen Welt.11 Und er kam durchaus überraschend. Von der Hackervereinigung hatte man nicht unbedingt erwartet, dass sie sich überhaupt in kulturpolitischen Debatten zu Wort melden würde. Der Vorschlag einer Kulturwertmark sieht so aus, dass Nutzer im Monat eine Pauschalgebühr von fünf Euro zahlen und dafür eine kryptografisch gesicherte Cyber-Währung erhalten sollen, die »Kulturwertmark«. Dabei handelt es sich um ein virtuelles Geld, das die Nutzer nach eigenem Ermessen Werken zuweisen können, die von den Urhebern selbst ins Netz gestellt wurden. Die Künstler sollen den Gegenwert dieser Kulturwertmarken dann in Realgeld erhalten. Dafür müssen sie ihre Werke allerdings bei einer gemeinnützigen Stiftung anmelden. Jeder Urheber erhält so viel, wie ihm im jeweiligen Bemessungszeitraum von den Nutzern per Mausklick an Kulturwertmark zugewiesen wird. Wird ein bestimmter Schwellenwert erreicht, fallen die Werke in die Gemeinfreiheit bzw. stehen fortan unter einer freien Creative-Commons-Lizenz. Der Urheber kann dann zwar noch weiter Geldzahlungen entgegennehmen, aber er verliert alle exklusiven Rechte an seinem Werk. Nicht zugewiesene Gelder werden am Jahresende an alle teilnehmenden Urheber ausgeschüttet, und zwar nach Maßgabe des Verhältnisses der erfolgten Zahlungen. Als »Gegenleistung« dafür, dass der CCC auf diese Weise den Kreativschaffenden ein Einkommen garantieren will, verlangt er, dass Schutzfristen verkürzt werden und Abmahnungen aufhören. Dem CCC wurde vorgeworfen, vieles an diesem Vorschlag sei nicht zu Ende gedacht, manches widersprüchlich, anderes sehr nahe an längst be-

109

110

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

stehenden Regelungssystemen. Dass der Vorschlag ohne umfassende Reformen im internationalen Urheberrecht nicht durchsetzbar ist, scheint demgegenüber ein peripheres Problem. Volker Grassmuck hat sich in einem langen Artikel12 ausführlich mit allerlei Widersprüchen und Ungereimtheiten des Konzepts auseinandergesetzt. Ist die vorgeschlagene Stiftung, bei der die Werke registriert und von der die Gelder verteilt werden sollen, ein Register, ein Repositorium oder eine Verwertungsgesellschaft? Wozu braucht man noch CC-Lizenzen, wenn Werke in die Gemeinfreiheit entlassen werden sollen? Soll das System ein freiwilliges oder ein verpflichtendes sein? Was hat überhaupt die kollektive Rechtewahrnehmung mit einem kryptografisch gesicherten Bezahlsystem zu tun? Die Fragen sind allesamt berechtigt. Aber der Chaos Computer Club ist weder eine Vereinigung von Urheberrechtlern noch von Kreativschaffenden. Einige Unschärfen mag man ihm also nachsehen. Interessanter ist, welche Grundannahmen hinter diesem System stehen und was der wesentliche Unterschied zum Ansatz der Kulturflatrate ist. Zunächst fällt auf, dass das Kulturwertmark-Modell vieles mit der Flatrate aka »Tauschlizenz« gemein hat. Es geht hier wie dort im Wesentlichen um eine kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften. Doch die traditionellen Verwertungsgesellschaften verfahren bei ihren Ausschüttungen so, dass die Urheber und Rechteinhaber jener Werke, die am meisten genutzt werden, auch am meisten Geld erhalten. Wo die Nutzung nicht im Einzelnen kontrolliert werden kann, gibt es ausgeklügelte Verfahren, die teils auf Stichproben basieren, teils auf Vergleichen mit anderen Marktsegmenten. Bei der Verteilung der Geräte- und Leermedienabgabe geht man beispielsweise davon aus, dass Werke, die oft verkauft werden, auch oft kopiert werden, und schüttet entsprechend an jene Urheber mehr aus, deren Werke auch bei der Erstverwertung erfolgreicher sind als andere.

A BKEHR VON DER N UT ZUNG ALS G RUNDL AGE DER V ERGÜTUNG Der CCC stellt sich eine andere Art der Verteilung vor: Die Nutzer sollen selbst entscheiden, welchen Werken sie Zahlungen zuweisen – wohlgemerkt unabhängig von der Nutzung. Es wäre nach diesem System also möglich, dass ein Nutzer, der nur Lady Gaga hört, sein Geld einer un-

7. Kultur flatrate

bekannten Nachwuchsband zuweist, wenn er meint, dass diese es nötiger hat als Lady Gaga. Es wäre aber auch denkbar, dass er zwar alles Mögliche hört, seine gesamten Kulturwertmark aber Lady Gaga zuweist, weil er sie immer noch am Tollsten von allen findet. Das ist ganz eindeutig ein Umverteilungsvorschlag, und gerade deshalb ist er aus der Perspektive des geltenden Urheberrechts unannehmbar. Wenn wir uns vor Augen halten, dass das Urheberrecht in seinem Kern ein Eigentumsrecht ist, dann ist es kein Wunder, dass es eine solche Umverteilung ausdrücklich nicht vorsieht. Im Gegenteil, es geht von dem verbrieften Grundsatz aus, dass der wirtschaftliche Gegenwert der urheberrechtlichen Leistung einzig und allein dem Urheber zugewiesen wird. Wir haben auch dargelegt, warum: weil darin der Grundgedanke der Leistungsgerechtigkeit zum Ausdruck kommt, wie er bereits in der Arbeitstheorie von John Locke angelegt ist. Der Mensch soll die Früchte seiner eigenen Hände Arbeit ernten – und der geistig Arbeitende soll eben die Früchte seiner Kreativität ernten. Wir haben auch gesehen, dass diese Theorie in der Realität ständig dadurch unterlaufen wird, dass dieser Anspruch, welcher im Urheberrecht als Anspruch auf eine Vergütung für die Werknutzung ausgestaltet ist, grundsätzlich übertragbar ist, wie jedes andere Eigentum auch. Dogmatisch folgt aber aus der grundsätzlichen Zuweisung des wirtschaftlichen Gegenwerts der Urheberrechte an den Rechteinhaber zwingend, dass der Umfang der Nutzung der Werke der Maßstab für die Verteilung des Geldes sein muss. Die Korrelation zwischen Nutzung und Vergütung ergibt sich aus dem Eigentumsgedanken selbst. Wenn der CCC nun vorschlägt, von einer nutzungsbezogenen Vergütung abzuweichen und stattdessen die Nutzer eine willkürliche Verteilung vornehmen zu lassen, ist das durchaus ein revolutionärer Vorschlag, weil er die Axt an den grundgesetzlichen Eigentumsschutz legt. Freilich wird gerade die grundgesetzliche Eigentumsgarantie von UrheberrechtsHardlinern immer wieder vorgeschoben, um jede Reformdiskussion im Keim zu ersticken – sie ist ein Totschlagargument. Man muss also sehr genau hinschauen. Dass es eine grundgesetzliche Eigentumsgarantie gibt, heißt keineswegs, dass daraus eine bestimmte Ausgestaltung von geistigem Eigentum folgt. Das Urheberrecht könnte durchaus anders aussehen, nicht zuletzt, weil Eigentum bekanntlich auch Verpflichtungen mit sich bringt. Mit einer komplett willkürlichen Zuweisung der Beträge durch die Nutzer wäre jedoch der Bogen eindeutig überspannt.

111

112

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Interessant ist aber, wie der CCC dazu kommt. Dahinter steht offenbar ein Unbehagen an den bestehenden Verwertungsgesellschaften, insbesondere an der GEMA. Deren »komplexe Aufteilungsschlüssel« werden in dem Hackerpapier als »ein im Wesentlichen gescheitertes, verharztes Konzept« bezeichnet. In demselben Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es nicht darum gehen könne, »den Britney Spears dieser Welt ihre zukünftigen Millionengagen zu sichern«. Die derzeitige Verteilung der Einnahmen wird als ungerecht empfunden. Die entsprechenden Entscheidungen von Organisationen wie der GEMA stimmen, so der CCC, »erfahrungsgemäß weder mit den Vorlieben der Zahlungspflichtigen überein, noch unterstützen sie eine gesellschaftlich sinnvolle Kulturentwicklung«.

U MVERTEILUNG Nähere Auskunft über diese Vorlieben oder jene Kulturentwicklung bleibt der CCC zwar schuldig, aber deutlich wird zumindest, worum es den Hackern geht: Sie möchten Geld von großen Medienkonzernen abziehen und es auf kleine Urheber umverteilen, Ressourcen von erfolgreichen Stars auf prekäre Kreativarbeiter umschichten. Das ist ein politisches Anliegen, das man nicht teilen muss. Allerdings ist es letztlich das einzige, das die Einführung eines urheberrechtlichen Pauschalabgabesystems überhaupt zu begründen vermag. Denn wozu benötigt man ein solches, wenn man sowohl die Nutzung genau bestimmen als auch die Gelder genau zuweisen kann und will? Wenn das Ziel eine möglichst genaue Zuweisung einzelner Geldbeträge an individuelle Rechteinhaber ist, ist es offenkundig zielführender, individuell pro Download zu bezahlen als mit einer kollektiven Pauschale, die hinterher, bei der Ausschüttung, wieder auseinandergerechnet werden muss. Flatrates und Pauschalen ergeben nur unter zwei Voraussetzungen Sinn: Entweder, weil man davon ausgeht, dass die Nutzungen auch nicht annähernd genau gemessen werden können. Dies wird häufig als Rechtfertigung für bestimmte Pauschalierungen in bestehenden Ausschüttungsverfahren vorgebracht, dürfte aber im Bereich des Digitalen angesichts fortgeschrittener Messtechnik zunehmend zweifelhaft sein. Oder weil man meint, dass die Zahlungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht individuell zugeordnet werden müssen. Wenn beide Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann hat die

7. Kultur flatrate

Geräteindustrie mit ihrem Argument gegen Verwertungsgesellschaften recht: Dann sind Lizenzzahlungen pro Nutzungsvorgang viel praktischer. Es sei denn, man schert sich um Konsumkomfort. Dann gibt es noch einen weiteren Grund: wenn man meint, dass die Bezahlung per Flatrate für die Nutzer komfortabler ist. So ähnlich wie bei Telefongebühren, die früher auch einzeln abgerechnet, in letzter Zeit aber meist mit Flatrates bezahlt werden. Das ist ein völlig legitimes Geschäftsmodell, aber eben auch nicht mehr. Insbesondere beansprucht es nicht, eine Antwort auf eine gesellschaftliche Frage zu sein. Deshalb wird auch kein Telefonanbieter gezwungen, Flatrates anzubieten. Sondern es gibt auf dem Markt eine Nachfrage, und diese wird befriedigt. Gäbe es auf dem Markt eine Nachfrage nach kommerziellen Flatrates, könnte auch diese befriedigt werden: Die Urheber und Verwerter müssten sich nur zusammenschließen und ein entsprechendes kommerzielles Angebot unterbreiten. Teilweise tun sie das bereits. Und teilweise lassen sie’s, weil sie meinen, dass es sich für sie nicht rechnet. Kommerzielle Flatrates sind etwas grundsätzlich anderes als ein gesellschaftlich verargumentiertes System der kollektiven Rechtewahrnehmung. Modelle wie die Kulturflatrate oder die Kulturwertmark beanspruchen jedoch, einen urheberrechtlichen Konflikt zu befrieden und zugleich für eine bessere Vergütung der Urheber zu sorgen. Sie zielen nicht darauf ab, sich im Wettbewerb auf dem Markt zu behaupten, sondern sollen politisch durchgesetzt werden. Letztlich bedeutet das, dass Urheber, Verwerter und Nutzer per Gesetz verpflichtet werden, an dem Modell teilzunehmen. So ist es jedenfalls bei der Kulturflatrate gedacht – der CCC changiert bei seinem Modell ein wenig verschämt zwischen einer freiwilligen und einer verpflichtenden Variante. Letztlich versteht er jedoch seine Kulturwertmark als politische Forderung, nicht als Beratungsangebot für die Contentindustrie. Die Idee einer Umverteilung im gesellschaftlichen Interesse ist deshalb das einzige Argument, das eine verpflichtende Pauschalabgabe überhaupt zu rechtfertigen vermag. Der Hintergrund einer solchen Entscheidung könnte sein, dass eine Gesellschaft eher an einer vielfältigen kulturellen Landschaft denn an einem System von Stars, Celebrities und Hits interessiert sein sollte. Schon heute gibt es solche Umverteilungsmechanismen in anderen Bereichen: Wir unterstützen Kunst und Kultur, die sich am Markt nicht refinanziert, mit allerlei Stipendien und Preisen. Wir leisten uns einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Inhalte pro-

113

114

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

duzieren soll, die auf dem Markt von selbst nicht entstehen. Wir unterstützen Theater und Opernhäuser mit Steuergeldern. Es ist schon heute keineswegs so, dass Kreativschaffende allein von ihrem Markterfolg leben müssten. Die Gesellschaft hat eine Menge Mechanismen für eine teils sozial, teils kulturell begründete Umverteilung zugunsten bestimmter Kunst und Kultur etabliert. Der Einwand, dass doch der Staat nicht bestimmen könne, welche Kunst mehr wert sei als andere, ignoriert, dass es längst zahlreiche Kulturförderungsmechanismen gibt. Niemand wird bestreiten, dass es kreatives Schaffen gibt, welches objektiv nicht in der Lage ist, sich am Markt zu refinanzieren. Solches Schaffen trotzdem zu ermöglichen, wird von der Kulturpolitik seit jeher als gesellschaftliche Aufgabe gesehen. Aus streng marktwirtschaftlicher Perspektive ist auch dies eine Umverteilung. Mit dem Zuordnungsprinzip des Urheberrechts ist es im Grunde unvereinbar – aber im Interesse der Vielfalt leistet es sich die Gesellschaft. Allerdings kann man fragen, ob der CCC sich nicht täuscht, wenn er glaubt, eine freie Entscheidung der Nutzer darüber, welchen Künstlern sie wie viel Geld zuweisen, würde ein anderes Ergebnis bringen als die bisherige, an der Nutzung orientierte Allokation. Denkbar ist immerhin auch, dass das neue System im Großen und Ganzen an der Verteilung nichts ändern würde. Schon heute geben Nutzer schließlich ihr Geld für Werke jener Künstler aus, die sie besonders schätzen. Warum sollten sie im Rahmen des Kulturwertmark-Modells anders verfahren? Angenommen, man kann das Geld nicht gerade sich selbst oder seinem Lebensabschnittsgefährten zuweisen, gibt es dann irgendeinen Grund, es einer Künstlerin zu spenden, deren Werk man nicht auch kaufen würde? Unter dem Strich ist zu befürchten, dass die vom CCC angestrebte willkürliche Zuweisung der Geldbeträge das Problem der Verteilung zwischen Urhebern und Verwertern einerseits, zwischen Stars und Fußvolk andererseits nicht lösen, sondern nur reproduzieren wird.

F L AT TR RELOADED? Die willkürliche Zuweisung der Beträge an einzelne Werke erinnert nicht zuletzt stark an das Vorbild von Flattr. Flattr basiert auf einem System freiwilliger Spenden. Durch das Anklicken eines in Webseiten integrierten

7. Kultur flatrate

Buttons löst der Nutzer eine Micropaymentzahlung aus. Auf diese Weise kann er seiner Sympathie für das auf der jeweiligen Seite Gelesene, Angehörte oder Angeschaute ausdrücken – so ähnlich, als würde er einem Straßenmusiker ein paar Cent in den Hut werfen. Das Grundprinzip bei Flattr ist Freiwilligkeit: Man spendet Geld, kann es aber auch lassen, denn man bekommt auch ohne Spende Zugang zu dem jeweiligen Werk. Flattr ist also kein Access-Geschäftsmodell im Sinne von Jeremy Rif kin. Es wird nicht ein kostenpflichtiger Zugang verkauft. Trotzdem ist Flattr ein kommerzielles Geschäftsmodell, aber nicht für die Anbieter der Inhalte, sondern für Flattr selbst: Der Anbieter verdient an jeder Transaktion 10 Prozent. Das ist für Micropaymentsysteme nicht ungewöhnlich. Das Besondere an Flattr ist, dass es seine Nutzer animiert, ein Beziehungsverhältnis zu ökonomisieren, das der Wertschöpfung bislang nicht zugänglich war. Schon der Name drückt es aus: Das englische Verb »to flatter« bedeutet: jemandem schmeicheln, ihm oder ihr Komplimente machen. Wurde Sympathie und Wertschätzung im Netz traditionell durch gegenseitige Kommentare oder Linksetzung ausgedrückt, so soll dies nun durch eine Micropayment-Zahlung erfolgen, an der Flattr mitverdient. Bösartig ausgedrückt: Was Mikrokredite für die Dritte Welt sind, ist Flattr für das Netz – der Versuch, noch aus den letzten nicht-ökonomisierten Nischen einen Wert abzuschöpfen, und sei er noch so gering. Mittlerweile lassen sich sogar Inhalte »flattrn«, deren Urheber sich gar nicht für die Teilnahme am System angemeldet haben. Tatsächlich beziehen die Autoren des CCC-Papiers sich auf Flattr und grenzen sich sogar ausdrücklich davon ab. Interessanterweise monieren sie jedoch nicht die Kommerzialität des Modells, sondern die Tatsache, dass dort »der gesamte Aspekt der Rechte am Werk ausgeklammert« sei. Man spende zwar Geld, aber dadurch änderten sich die Verwertungsrechte nicht, und es gebe auch keine »Gegenleistung der Contentindustrie in Form eines entschärften Urheberrechts«. Hier stößt man auf einen Grundwiderspruch des Papiers. Es wird letztlich nicht deutlich, ob das Kulturwertmark-Modell ein Bezahlsystem oder ein Gesellschaftsvertrag sein soll. Ob also die Zuweisung der Kulturwertmark eine Gegenleistung für eine spezifische Leistung sein soll, nämlich die Freigabe bestimmter Verwertungsrechte. Dafür spricht, dass es dem Künstler freistehen soll, »beispielsweise für den Download eines Werkes von seiner Seite einen bestimmten Betrag der Kulturwertmark festzusetzen«, und dass Werke erst frei zugänglich gemacht werden,

115

116

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

wenn »ein zuvor festgelegter Schwellwert erreicht« ist. Dann würde sich das Modell innerhalb der kapitalistischen Tauschökonomie bewegen, in der Arbeit gegen Lohn, Ware gegen Geld, Nutzung gegen Lizenzzahlung oder eben Zugang gegen Pauschalgebühr gehandelt wird. Tatsächlich sprechen die Autoren selbst ausdrücklich von einem »zweiten Markt«, den sie eröffnen wollen. Oder ob eine marktferne kulturelle Allmende geschaffen werden soll, in der Nutzer Kreativen ihre Sympathie ausdrücken, in der aber kein Warenhandel stattfindet. Für die Interpretation als Gesellschaftsvertrag spricht, dass ein »möglichst umfassender Zugang« zu Werken ermöglicht werden soll, wofür im Gegenzug ein »sinnvolles Auskommen für Künstler« geboten wird. Wie ein solches Auskommen aber garantiert werden soll, wenn die Zahlungen ganz und gar willkürlich nach individuellen Vorlieben zugewiesen werden, wird nicht erläutert. Umso detailreicher sind die Ausführungen zu der zu gründenden »Stiftung«, den Modalitäten der Werkregistrierung und vor allem dem angestrebten kryptografischen Micropayment-System. Man wird deshalb den Eindruck nicht los, der CCC betrachte die Frage der Vergütung von Kreativschaffenden letztlich doch vor allem als eine Frage von Bezahlsystemen. So als sei die prekäre Lage der Kreativschaffenden darauf zurückzuführen, dass das Publikum bisher keine Möglichkeit gehabt habe, auf einfache Weise für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu bezahlen. Ein interessanter Debattenbeitrag ist die »Kulturwertmark« trotzdem.

S HARING – K ULTUR JENSEITS DES M ARK TES Die bislang interessanteste Variante eines Kulturflatrate-Modells hat Philippe Aigrain 2012 vorgestellt. Aigrain gehört zur französischen Aktivistengruppe »La quadrature du net« und zu jenen, die die Diskussion um Pauschalvergütungsmodelle bereits seit einem Jahrzehnt verfolgen. Sein Ansatz baut zum Teil auf früheren Modellen auf, weicht aber auch in vielerlei Hinsicht von ihnen ab. Wir alle, so argumentiert der Autor in seinem Buch »Sharing«, profitieren davon, dass es eine Sphäre der cultural commons gibt, ein kulturelles Gemeinwesen. Also sollten wir auch alle einen angemessenen finanziellen Beitrag zu dessen Erhalt und Wachstum leisten. Wir hätten

7. Kultur flatrate

ein Recht auf freien Zugang zu dieser Sphäre, worunter für Aigrain auch das Recht fällt, Werke frei zu kopieren und zu tauschen. Wir hätten aber auch einen Anspruch darauf, für eigene Beiträge zu dieser Sphäre eine Belohnung zu erhalten. Dafür ist ein Teil des Geldes vorgesehen, das durch die »creative contribution«, wie Aigrain seinen Obulus nennt, hereinkommen soll. Ein weiterer Teil soll für die Produktion von neuen Werken verwendet werden, insbesondere solcher, die besonders aufwändig sind. Und ein dritter Anteil soll der Infrastruktur zugutekommen, die es ermöglicht, Werke im Netz aufzufinden und zu erhalten. Hier kommen beispielsweise Suchmaschinen, Archive und Repositorien in Betracht. Wie hoch die »creative contribution« sein müsse, hänge davon ab, »how much we – as a society – are ready to invest in the continued existence and growth of these cultural commons«, meint der Autor zunächst (Aigrain 2012: 70). Dann liefert er aber doch eine ziemlich genaue Berechnung für die Finanzierung der drei Säulen seines Modells. Was die Belohnungsfunktion betrifft, geht er davon aus, dass etwa 20  Prozent aller Erwachsenen im Netz kreative Beiträge leisten. Sie schreiben Blogs oder veröffentlichen Fotos und Videos. Diese Individuen sollen im Jahr einen Betrag erhalten, der hoch genug ist, um einen sinnvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der dafür nötigen Fähigkeiten darzustellen. Was die Förderung der Produktion neuer Werke angeht, meint Aigrain, dass dafür ein Betrag in Höhe von etwa 7  Prozent des derzeit für kulturelle Neuproduktionen zur Verfügung stehenden Budgets hereinkommen sollte. Für »ex-post editorial and archival activities« will Aigrain weitere 10 Prozent der »creative contribution« einplanen. Am Ende kommt heraus: 47,70 Euro pro Haushalt im Jahr, was einer Steigerung des durchschnittlich für kulturelle Ausgaben verwendeten Haushaltsbudgets um 2,9 Prozent entspricht. Das Besondere an Aigrains Ansatz ist, dass der Autor den Kompensationsansatz von vornherein über Bord wirft. Seine »creative contribution« ist nicht dazu gedacht, Verluste zu kompensieren, die Urhebern und Unterhaltungsindustrie durch illegales Filesharing entstehen, sondern Aigrain zielt auf eine solidarische Gesellschaftsbeziehung jenseits der Sphäre des Marktes ab. Nutzer sind bei ihm zugleich auch Urheber und umgekehrt, da grundsätzlich alle Mitglieder der Gesellschaft Beiträge zu den digital cultural commons leisten können, zugleich aber auch alle von der Existenz dieser gemeinfreien Öffentlichkeit profitieren. Es geht ihm also um eine Sphäre freier Kreativität jenseits des Marktes, und

117

118

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

die creative contribution ist ein Beitrag zu deren Absicherung, kein Ersatz für eine Lizenzgebühr. Aigrain spricht von einem »mutualized financing scheme«: Parteien mit einem gemeinsamen Interesse, nämlich einer möglichst vielfältigen digital cultural commons, bündeln ihre Ressourcen für deren Bewahrung. Man vergleiche diesen Ansatz mit dem eigentumsorientierten Herangehen des Urheberrechts. Dort steht der Urheber als Schöpfer seines Werks im Mittelpunkt. Er soll über dieses Werk möglichst frei verfügen können, weil es sein geistiges Eigentum ist, während alle anderen ihm lediglich als Nutzer gegenübertreten können, als Kunden, nicht jedoch als gleichberechtigte Partner. Im Gegensatz dazu stehen bei Aigrain kreative Subjekte als gesellschaftliche Akteure im Fokus. Es bedarf hier nicht mehr eines Interessenausgleichs zwischen Urhebern und Nutzern, sondern die Interessengegensätze sind im Rahmen einer gesellschaftlichen Lösung aufgehoben. Der Unterschied zu einer Vergütung für die Nutzung von Werken kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden. Nutzungs- oder Lizenzgebühren zahlt man im Rahmen von kommerziellen Geschäftsmodellen, bei denen Werke oder der Zugang zu ihnen in Warenform verkauft werden. Man befindet sich dann im Bereich der Tauschökonomie. Die creative contribution hingegen ist ausdrücklich für den Erhalt eines marktfernen Ökosystems bestimmt. Aigrains Kunstgriff besteht darin, den gesamten Bereich des kreativen Schaffens im Netz, von dem ein nicht geringer Teil heute unzweifelhaft einer marktwirtschaftlichen Sphäre angehört, als »digital cultural commons« anzusetzen und damit gewissermaßen aus den Klauen des Kapitalismus zu befreien. Die Rückeroberung des Netzes als gesellschaftlicher Raum geht dabei nicht mit dem Versprechen einer Kostenlos-Kultur einher. Die »creative contribution« erfüllt vielmehr sogar in erster Linie eine Belohnungsfunktion für diejenigen, die kreative Beiträge leisten. Nur ist diese Belohnung keine Gegenleistung für den Zugang zu den Inhalten, sondern Teil des neuen Gesellschaftsvertrags. Das ist bedeutend, denn erst dieser Ansatz erlaubt es Aigrain, vom Prinzip der streng nutzungsbezogenen Vergütung abzuweichen. Auch hier geht es also um eine Umverteilung.

7. Kultur flatrate

V ERTEILUNGSFR AGEN Zum einen ist bereits die Konstruktion als Drei-Säulen-Modell von Belohnung, Produktionsförderung und Infrastrukturförderung Ergebnis einer Umverteilung. Das klassische Urheberrecht weist dem Kreativen eine Zahlung als Gegenleistung für die Nutzung zu. Diese Zahlung soll alles zugleich sein: Vergütung, Anreiz zur Schaffung neuer Werke und zugleich Ressource, von der in aller Regel Verwerter, Agenten und andere Werkmittler noch einen Anteil erhalten. Aigrain vergesellschaftet diese Funktionen und stellt damit sicher, dass die Verteilung im Interesse der Gemeinschaft stattfindet. Zum anderen schlägt er aber auch für die Ausschüttung der Belohnungen verschiedene Grade der Umverteilung vor. Man könnte einerseits versuchen, möglichst nahe an der tatsächlichen Nutzung zu bleiben und den Urhebern jener Werke, die am meisten kopiert und getauscht werden, am meisten Geld zuweisen. Man könnte aber auch soziale und kulturelle Kriterien anlegen und lieber einen toppingoff-Mechanismus einführen. Als Vorbild nennt der Autor die Vergütung, die Schriftsteller in Schweden für die Ausleihvorgänge in öffentlichen Bibliotheken erhalten. Diese werden proportional zur Häufigkeit der Ausleihen vergütet, bis der Gesamtbetrag 16.000 Euro erreicht hat, das nationale Durchschnittseinkommen. Darüber hinaus erhalten sie nur noch jeweils die Hälfte des proportionalen Betrags, und wenn die Gesamtsumme 19.000 Euro überschreitet, bekommen sie nur noch ein Zehntel. Es handelt sich also um ein degressives Modell, bei dem zugunsten weniger erfolgreicher Autoren umgeschichtet wird. Vor Aigrain hat schon Richard Stallman in diese Richtung argumentiert: In seinem Aufsatz »Freedom – or Copyright?«13 schlägt dieser ein abgestuftes Vergütungsmodell nach dem Vorbild von Staffelsteuersätzen vor: »The state should distribute the tax money entirely to the artists, not waste it on corporate executives. But the state should not distribute it in linear proportion to popularity, because that would give most of it to a few superstars, leaving little to support all the other artists. I therefore recommend using a cube-root function or something similar. With linear proportion, superstar A with 1,000 times the popularity of a successful artist B will get 1,000 times as much money as B. With the cube root, A will get 10 times as much as B. Thus, each superstar gets a larger share than a less popular artist, but most of the funds go to the artists who really need this support.«

119

120

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Der Urheber eines Werks, das doppelt so oft kopiert und getauscht wird wie ein anderes, braucht nicht zwingend doppelt so hoch vergütet zu werden, meint Stallman. Der Zuschlag kann auch geringer ausfallen. Ein Werk, das eine Million mal öfter genutzt wird als ein anderes, braucht unter Umständen bloß einhundert mal mehr vergütet zu werden. Aigrain weist nun darauf hin, dass zwischen einer proportionalen und einer gänzlich entkoppelten Vergütung jede Menge Zwischenstufen denkbar sind. Um eine Konzentration auf wenige Werke zu vermeiden, muss sie umso größer sein, je entschiedener man kulturelle Diversität fördern will. Andererseits könnte eine allzu große Abweichung der Verteilung von der Proportionalität zur Nutzung die Akzeptanz des Modells schwächen, fürchtet Aigrain. Er schlägt am Ende drei unterschiedliche Stufen vor: eine starr proportionale, eine gemäßigt umverteilte und eine stark auf Diversität ausgerichtete Verteilung. Die Entscheidung darüber kann letztlich nur von allen Stakeholdern gemeinsam getroffen werden. Aigrains Konzept bringt eine bedeutende Neuerung in die Debatte. Bisher krankte die Diskussion über die Kulturflatrate stets daran, dass sie immer von bereits bestehenden Kreativgütern ausging. Die Werke wurden stets nur als bereits zirkulierende Waren gedacht und die Vergütungsfrage entsprechend vor allem als Allokationsproblem behandelt. Meist ging es nur darum, Zahlung und Zugang möglichst effektiv zu vermitteln. Die Idee der »creative contribution« eröffnet nun hingegen die Perspektive auf eine kulturelle Gemeinsphäre und lenkt somit den Blick weg von der Distributions-, hin zur Produktionsebene. Damit nähert sich das Modell der zentralen Frage an, um die es in diesem Buch geht, nämlich wovon Urheber leben sollen, wenn nicht vom Urheberrecht. Tatsächlich ist Aigrains Modell von allen Pauschalvergütungsansätzen am weitesten vom Urheberrecht entfernt. Zugleich jedoch ist es auch am weitesten davon entfernt, professionellen Urhebern eine Alternative zu bieten. Vielmehr sagt der Autor selbst ausdrücklich, man solle von seinem Modell nicht erwarten, dass es in der Lage sei, den Urhebern ihr Einkommen zu sichern. Das Geld, das hereinkommt, soll gerade einmal dafür reichen, ab und zu eine Fortbildung zu machen oder sich zwischendurch mal ein bisschen freie Zeit zu »erkaufen«. Die solidarisch finanzierte Gemeinsphäre gibt es nur außerhalb des kommerziellen, marktwirtschaftlichen Betriebs. Für die Sicherung des Lebensunterhalts professioneller Kreativschaffender ist aber im Denken von Aigrain nach wie vor der Markt zuständig.

7. Kultur flatrate

Zwar ist es offenbar sein Ansinnen, die Sphäre gesellschaftlich-kreativer Aktivität außerhalb des ökonomischen Gesamtzusammenhangs möglichst auszudehnen, zu Lasten der kommerziellen Vermarktung von Kreativgütern, und sie als Teil der gesamten Volkswirtschaft möglichst fest zu verankern. Doch wie stabil kann ein Gesellschaftsvertrag sein, der sich mit einer Nische neben dem Marktgeschehen bescheiden muss? Kann es gelingen, den Bestand einer gemeinfreien kulturellen Sphäre abzusichern, ohne die Subjekte wirtschaftlich abzusichern, die diese Sphäre kreieren sollen? Vor allem aber: Warum sollen jene, die schon kreative Beiträge zu dieser Sphäre leisten, auch noch finanziell zu ihrem Erhalt beitragen? Wäre es nicht viel sinnvoller, jene zur Kasse zu bitten, die heute schon von ihr profitieren, aber nicht zu ihr beitragen? Also etwa jene Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf freiwillige Beiträge der Nutzer aufsetzen, ohne dass sie den Nutzern eine angemessene Gegenleistung anbieten? Auf diese Fragen wird zurückzukommen sein. Einstweilen ist bemerkenswert, dass Aigrains Begründung für die »creative contribution« sich einem anderen Gebührensystem, das wir in Deutschland seit Langem kennen, erstaunlich weit annähert, nämlich dem System des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Der Haushaltsbeitrag für den Rundfunk hat genau die Funktion, die Aigrain seiner »Creative Contribution« zuschreibt, nämlich die Sicherung eines möglichst vielfältigen Angebots an Kultur und Information für die allgemeine Öffentlichkeit. Und wenn Aigrain ein Mitspracherecht der Nutzer bei der Ausgestaltung der digital cultural commons fordert, so entspricht dies ganz dem Ansatz, dass bei der Erstellung der Programme für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessengruppen repräsentiert sein sollen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist freilich in Misskredit geraten, weil er die Funktionen, für die er seine Gelder erhält, seit Langem nicht mehr erfüllt, sondern sich stattdessen einen Wettstreit mit den Privatsendern um Einschaltquoten liefert. Aber auch heute spricht noch einiges für die Idee, die einmal hinter diesem System stand. Brauchen wir also vielleicht ein öffentlich-rechtliches Internet?

121

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet Abstract Es mehren sich die Rufe nach einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Vorschläge reichen von der Einrichtung eines Fondsmodells für die Produktion öffentlich-rechtlicher Inhalte über ein Finanzierungsmodell für öffentlichrechtliche Netzangebote bis hin zu dem Vorschlag, einen Teil des neu eingeführten Haushaltsbeitrags umzuverteilen. Und die Geräteindustrie verfolgt ihre eigenen Interessen: Sie möchte die urheberrechtlichen Geräteabgaben loswerden. Was all diese Vorschläge gemein haben: Sie wenden sich von einer nutzungsbezogenen Vergütung bestehender Werke ab und tendieren dazu, lieber die Entstehung neuer Werke, an denen ein öffentliches Interesse besteht, direkt zu fördern. Darin liegt auch für Kreative eine große Chance.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in eine Krise geraten. Er betreibt zahllose Fernsehkanäle und Radioprogramme, die alle zusammen 2012 insgesamt 7.492.520.505.97 Euro an Gebührengeldern verschlungen haben. 5,49 Milliarden davon entfallen auf die ARD, 1,81 Milliarden auf das ZDF, 192,4 Millionen auf das Deutschlandradio.1 Die Gebühren steigen seit Jahren kontinuierlich an,2 weil der Rundfunk seit einem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 eine Bestands-, Entwicklungs- und Finanzierungsgarantie hat: Ihm muss zwangsläufig so viel Geld zur Verfügung gestellt werden, wie er braucht, um seinen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen. In der ZEIT nannte ZDF-Intendant Thomas Bellut es im Juli 2012 ein »ehrgeiziges Ziel«, das Durchschnittsalter der Zuschauer von 61 auf 60 Jahre zu senken.3 Die jugendaffin gemeinten Digitalkanäle kommen auf verschwindend geringe Marktanteile: ZDFneo dümpelt bei 0,9 Prozent, ZDFinfo bei 0,6  Prozent vor sich hin,4 und ZDFkultur ist mittlerweile wieder abgeschaltet worden. Zugleich betreibt der öffentlich-rechtliche

124

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Rundfunk ein undurchsichtiges Netz von Tochterfirmen, mit denen er in allerlei kommerzielle Aktivitäten verwickelt ist, die kaum zum Kernbereich öffentlich-rechtlicher Programmgestaltung zählen. So besitzt zum Beispiel die NDR-Tochter Studio Hamburg mehrere Produktionsfirmen zu 100 Prozent und ist an zahlreichen weiteren beteiligt.5 Auch Beteiligungen an allerlei kommerziellen Unternehmungen im Ausland gehören zum Standardrepertoire von ARD und ZDF bzw. ihren Tochterunternehmen. »Die Nimmersatten«, so hat der Journalist Hans-Peter Siebenhaar 2012 sein Buch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betitelt. Sein Lösungsvorschlag: »besseres Fernsehen für weniger Geld«. Die Rundfunkgebühr sollte freiwillig gezahlt werden, wie die Kirchensteuer. ARD und ZDF sollten einen Ombudsmann einstellen, der die Zuschauerinteressen vertritt. Und man sollte Erstes und Zweites Fernsehen zu einem gemeinsamen Hauptprogramm unter Führung des ZDF ausbauen. Vermutlich hatte Siebenhaar seine helle Freude daran, als 2013 in Griechenland der öffentlich-rechtliche Rundfunk gleich ganz abgeschaltet wurde. Nach 75 Sendejahren waren die 300 Millionen Euro im Jahr angeblich zu teuer. In Deutschland ist man so weit zum Glück noch nicht, aber die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk läuft auch hierzulande meist darauf hinaus, den Sendern mangelnde Effizienz zu unterstellen. Im Namen der angeblich entmündigten Beitragszahler wird dann der Ruf nach einer möglichst weitgehenden Einschränkung aller Aktivitäten des »Staatsfernsehens« erhoben. Dabei geht es mitnichten um eine Umgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne seiner eigentlichen Aufgaben, sondern es wird versucht, diesen in Nischen zurückzudrängen, in denen er den Privaten möglichst wenig Konkurrenz macht. Die spannende Frage wäre aber, wie öffentlich-rechtlich finanzierte Medien, die ihrem Auftrag gerecht werden, im 21. Jahrhundert aussehen müssten. In den verkrusteten Strukturen ist von dem ursprünglichen Ansatz, eine gesellschaftlich relevante Grundversorgung mit Beiträgen aller Teilnehmer zu finanzieren, die Zugang zu diesen Angeboten haben, leider nicht mehr viel übrig geblieben. Dabei ist dieser Ansatz hochinteressant, gerade im Vergleich zu dem des Urheberrechts. Anders als Pauschalabgaben, die etwa auf CD- und DVD-Rohlinge erhoben werden, sind nämlich die Beiträge, die an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fließen, keine Urheberrechtsgebühren. Sie dienen nicht der nachträglichen Vergütung

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

für erfolgte Nutzung, sondern sind dafür bestimmt, die Neuproduktion von Inhalten zu finanzieren. Wenn man sich aber nicht mehr auf der Ebene der Distribution bewegt, sondern der Produktion, so eröffnet sich eine Chance zur Umverteilung. Es muss keineswegs das meiste Geld in die Produktion der populärsten Inhalte investiert werden, sondern es können auch andere, etwa kulturelle und qualitative Kriterien eine Rolle spielen. Genau dies ist auch die ursprüngliche Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für die Frage, wovon Kreativschaffende leben sollen, die von ihren Urheberrechten nicht (mehr) leben können, ist das eine durchaus entscheidende Frage.

E IN ÖFFENTLICH - RECHTLICHER R UNDFUNKFONDS Einen interessanten Vorschlag für eine Reform des Öffentlich-Rechtlichen haben die Medienökonomen Hanno Beck und Andrea Beyer schon 2009 unterbreitet.6 Sie haben vorgeschlagen, die Entscheidung darüber, welche öffentlich-rechtlichen Inhalte produziert werden, von der Produktion dieser Inhalte zu entkoppeln. Es sollte ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkfonds eingerichtet werden, schlagen sie vor, der Gelder für Programmangebote offen ausschreibt. Im Rahmen solcher Ausschreibungen könnten sich dann Inhalteproduzenten direkt um jene Gelder bewerben, die heute in den Apparat des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fließen. So würde die Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewahrt, aber seine Institutionen würden reformiert. Die konkrete Arbeitsweise des vorgeschlagenen Fonds beschreiben die Autoren so: »Der Fonds kann entweder Ausschreibungen für bestimmte Sendungen durchführen oder aber Initiativ-Bewerbungen von Sendern zulassen. Er vergibt Aufträge für Sendungen mit öffentlichrechtlichen Inhalten und bezahlt – nach einer Qualitätskontrolle – den Produzenten der Beiträge.« Grundsätzlich solle jeder Sender die Möglichkeit haben, sich um Mittel aus dem Fonds zu bewerben, sodass Privatsender die gleichen Chancen hätten wie öffentlich-rechtliche Anstalten – ein wettbewerbsneutraler Ansatz also, wie er für öffentliche Ausschreibungen üblich ist. Auch soll die Möglichkeit bestehen zu pitchen, also dem Fonds auf eigene Initiative Sendungen vorzuschlagen. Dies dürfte nach Meinung der Autoren »erhebliches kreatives Potenzial bei den Anbietern freisetzen – zum Wohle der Zuschauer«.

125

126

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Die Diskussion um Sinn oder Unsinn, Wert oder Unwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird häufig an der im Rahmen des dualen Systems etablierten Unterscheidung zwischen öffentlichem Auftrag und privatkommerziellem Interesse festgemacht. Verteidiger des bestehenden Systems warnen davor, den Bildungs- und Informationsauftrag ganz aufzugeben bzw. es dem Gutdünken der privatwirtschaftlichen Medien zu überlassen, ob sie entsprechende Inhalte anbieten oder nicht. Gäbe es ARD und ZDF nicht mehr, bliebe nur noch RTL übrig, und das wäre traurig – so ungefähr lautet die gängige Argumentation. Beck und Beyer setzen dieser ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Auftrag entgegen, den sie allerdings von den Anstalten ARD und ZDF trennen möchten, wo er offenbar nicht in den besten Händen ist, um ihn stattdessen einem gemeinnützigen Fonds zu übertragen. Die klare Trennung von öffentlich-rechtlichen und privaten Inhalten bliebe dabei gewahrt. Was der Fonds finanziert, wäre öffentlich-rechtliches Programm, alles andere wäre privat-kommerziell. Neu wäre bloß, dass diejenigen, die die Gelder vergeben, nicht gleichzeitig die Produzenten des Programms zu sein bräuchten. Am öffentlich-rechtlichen Anspruch bräuchten dafür keine Abstriche gemacht zu werden. Im Gegenteil: Die Gremien, die über Programmgestaltung und Programminhalte zu entscheiden hätten, würden eine größere Unabhängigkeit gewinnen, da sie nicht mehr organisatorisch mit ARD und ZDF verflochten zu sein bräuchten. Es gäbe mithin weit weniger Anlass als heute, den Anstalten Vetternwirtschaft vorzuwerfen. Die mit Mitteln des öffentlich-rechtlichen Fonds produzierten Sendungen bräuchten auch nicht zwingend bei ARD und ZDF zu laufen. Vielmehr könnte der Fonds darüber entscheiden, an welchem Sendeplatz die jeweilige Sendung gesendet werden soll, und die Sender könnten Angebote dafür machen, »zu welchem Preis sie diesen Sendeplatz zur Verfügung stellen«. Nicht nur auf der Produktionsseite, sondern auch auf der Distributionsseite könnte also ein Wettbewerb entstehen, und zugleich könnte der Fonds Einfluss auf die Sichtbarkeit der Qualitätsinhalte nehmen – anders als heute, wo Qualitätsinhalte nur zu nachtschlafender Zeit gesendet werden, um Werbekunden nicht zu verschrecken. Die Absicht ist klar: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein hohes Gut, finden die Autoren, doch es kommt dabei nicht auf die Institutionen ARD und ZDF an, sondern auf die Inhalte. Die Bestandsgarantie, die das Bundesverfassungsgericht einmal für den öffentlich-rechtlichen Rund-

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

funk ausgesprochen hat, könne daher nur für die öffentlich-rechtlichen Inhalte, nicht für die Anstalten und ihre bürokratischen Apparate gelten.

F ONDSMODELL FÜR N E T ZINHALTE Thierry Chervel, der Gründer des Internetmagazins Perlentaucher, hat den Reformvorschlag von Hanno Beck und Andrea Beyer 2012 aufgegriffen und weiterentwickelt.7 Angesichts zunehmender Medienkonvergenz, so Chervel, müsse die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Prüfstand gestellt werden: »Im Internet ist nichts ›presseähnlich‹ oder ›fernsehähnlich‹. So lauten nur die Schutzformeln der alten Institutionen, die weiter ihre verbürgten Rollen spielen wollen. In Wahrheit ist es genau umgekehrt: Alles ist Netz. Presse ist eine ausgedruckte Internetdatei. Fernsehen ist ein gestreamtes oder gespeichertes Videoformat.« Im Internet gebe es heute schon eine weit autonomere Öffentlichkeit, als der öffentlich-rechtliche Rundfunk sie jemals bieten könne. Entsprechend möchte auch Chervel das Öffentlich-Rechtliche von den Anstalten befreien. Er geht sogar noch einen Schritt weiter als Beck und Beyer. Er schlägt zwar auch vor, Gelder, die man »aus der Reduktion der Redundanzen« bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gewinnen sollte, auszuschreiben, möchte damit aber nicht nur ein öffentlichrechtliches Rundfunkprogramm finanzieren, sondern denkt an »neuartige Medienprojekte«, insbesondere im Internet. Chervel schlägt sogar explizit einen Ausbau öffentlich-rechtlicher Angebote im Netz vor: »Statt eines weiteren Gesundheitsmagazins eines dritten Programms könnte etwa ein Internetmedium ausgeschrieben werden, das frei und unabhängig über diese Themen informiert und sie bündelt – mit allen Vorteilen der Durchsuchbarkeit, der Kommentar- und Diskussionsfunktionen, die nur das Internet bietet. Es könnten neue Debattenforen entstehen, die sowohl Bürger als auch Experten mobilisieren – zu allen wichtigen Themen: Klima, Energie, Genforschung, Europa. Jeder Medienakteur auf dem Markt könnte sich auf eine solche Ausschreibung bewerben, Zeitungen, Fernsehanstalten und Internetmedien.« Auch bloggende Bürgerinnen und Bürger will Chervel einbeziehen. Was die Umsetzung eines solchen Fondsmodells für freie Kreativschaffende bedeuten könnte, ist offensichtlich. Der deutsche öffentlichrechtliche Rundfunk ist einer der teuersten der Welt: siebeneinhalb

127

128

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Milliarden Euro allein an Gebühren im Jahr (Stand 2012) – noch ohne Werbeeinnahmen. Zum Vergleich: Google macht in Deutschland einen Jahresumsatz (nicht Gewinn) von etwa 5 Milliarden US-Dollar.8 Auf einen Betrag in Höhe der Rundfunkgebühren kommen allenfalls evangelische und katholische Kirche zusammen.9 Thierry Chervel vom Perlentaucher schätzt,10 dass »sämtliche Kultursubventionen aller deutschen Länder und Gemeinden, sämtliche Museen, Theater und Bibliotheken« insgesamt auf einen kaum höheren Betrag kommen. Eine Umverteilung dieser Mittel, raus aus dem Apparat, hinein in die Produktion, könnte also für Urheber, die Werke für die Öffentlichkeit schaffen, insbesondere für Journalisten, zu erheblichen Mehreinnahmen führen.

D AS AG-DOK-M ODELL In eine ähnliche Richtung geht das bereits 2011 vorgestellte Vergütungsmodell der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm. 11 Die in dieser AG zusammengeschlossenen Filmemacher haben sich den Haushaltsbeitrag, der seit 2013 die GEZ-Gebühren ersetzt, genauer angesehen. Schon 2011 gaben sie die Einschätzung ab, dass durch die Umgestaltung jährlich mindestens 500 Millionen Euro mehr hereinkommen würden als bisher. 12 Damit lagen sie gar nicht so falsch: Im Dezember 2013 kündigte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für die Beitragsperiode 2013-2016 voraussichtliche Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt 1.145,9 Millionen Euro an.13 Doch während die KEF der Rundfunkkommission der Bundesländer auf dieser Basis eine Beitragssenkung von 73 Cent im Monat ab dem Jahr 2015 empfiehlt, haben die Dokumentarfilmer andere Vorstellungen davon, was man mit dem Geld, das die Umstellung auf einen haushaltsbezogenen Beitrag zusätzlich einbringt, anstellen könnte. Die AG DOK schlägt vor, dieses zusätzliche Geld umzuverteilen: 10 Prozent des Haushaltsbeitrags sollen zukünftig für Inhalte aufgewendet werden, die originär für das Netz produziert werden. Im Rahmen einer Ausschreibung sollen sich Künstler und Kulturschaffende um die Gelder bewerben können. Auf diese Weise könnten Filme ebenso finanziert werden wie sonstige Inhalte. Bedingung soll sein, dass die Urheber der so finanzierten Werke diese zumindest für eine begrenzte Zeit frei im Netz zur Verfügung stellen. Die Dokumentarfilmer haben hervorgeho-

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

ben, dass es ihnen bei ihrem Vorschlag nicht allein um den Bereich des Films geht. Auch Blogs, Projekte wie die Wikipedia oder sonstige Inhalte sollen förderungswürdig sein. Wie die Gelder verteilt werden, soll sich grundsätzlich nach den Kriterien richten, die schon heute für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten. Dessen Bildungs- und Informationsauftrag, welcher der »freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet« ist, wie es in der Präambel des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags heißt, wird nicht in Frage gestellt. Es sollen also auch für das Netz gerade solche Inhalte produziert werden, die der Markt nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stellt. Dabei beruft die AG DOK sich auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhof, mit dem die Einführung der Haushaltsabgabe legitimiert worden ist.14 Kirchhof hatte den Bildungs- und Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervorgehoben und festgestellt, dass das öffentlich-rechtliche Programm »in Unabhängigkeit von Einschaltquoten und ohne Ausrichtung des Programms auf Massenattraktivität« gestaltet sein solle. Dieses Prinzip wollen die Dokumentarfilmer nun auf das Internet ausdehnen.

M EHR G ELD FÜRS N E T Z Aus ganz verschiedenen Ecken kommen also derzeit Rufe nach so etwas wie einem öffentlich-rechtlichen Internet.Die AG DOK formuliert es ganz ausdrücklich so, Thierry Chervel vermeidet den Begriff, deutet es aber zumindest an. Wolfgang Michal plädierte 2012 bei CARTA für ein Netzmedienfördergesetz, das nach dem Muster der Filmförderung entwickelt werden soll.15 Für die Finanzierung sollten Michal zufolge Provider, Speichermedienhersteller und Rundfunkanstalten gemeinsam auf kommen. Auch eine neunköpfige Forschungsgruppe zu »Grundversorgung 2.0« der Leuphana-Universität Lüneburg hat kürzlich ein Papier mit »Thesen zur medialen Grundversorgung im Internet-Zeitalter« veröffentlicht.16 Die Autoren meinen einerseits, dass der durch das Bundesverfassungsgericht formulierte Grundversorgungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen sich heutzutage auch auf das Internet erstrecken müsse, andererseits müssten die Gebührenzahler mehr demokratische Mitspracherechte über die Verwendung der Gelder bekommen. Selbst die »creative contribution«, die Philippe Aigrain einführen möchte, ist letztlich so etwas Ähnli-

129

130

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

ches wie ein kollektiv erhobener Beitrag für einen öffentlich-rechtlichen Bereich im Internet. Es scheint also durchaus ein breites gesellschaftliches Interesse zu geben, den Begriff des Öffentlich-Rechtlichen für das Internet zu aktualisieren. In Dänemark ist man schon einen Schritt weiter. Dort hat Anfang 2013 die Mitte-Links-Regierung beschlossen, ihr Pressesubventionssystem auf das Internet auszudehnen. Wenn ein Angebot zur Hälfte aus redaktionellem Material besteht, das wiederum zu einem Drittel eigenproduziert ist und einen gesellschaftlichen Bezug hat, kann es nun eine Produktionssubvention erhalten.17 Hierzulande gibt es aber beträchtliche Widerstände gegen solche Ansätze. Man sieht es recht deutlich an der Reaktion der Presseverlage auf die Vorschläge des SPD-Medienpolitikers Marc-Jan Eumann. Dieser bemüht sich derzeit in Nordrhein-Westfalen um die Gründung einer Stiftung für unabhängigen Journalismus jenseits des Öffentlich-Rechtlichen. Sie soll auf dem Wege einer Umwegfinanzierung über die Landesanstalt für Medien ermöglicht werden, die ihrerseits von Rundfunkgebühren finanziert wird. Ein Vorhaben, das gerade in Nordrhein-Westfalen Respekt verdient, denn jenseits vom WDR, einem Kölner Stadtmagazin und ein paar lokalen Blogs gibt es dort bislang keinen unabhängigen Journalismus. Wenn es nach DuMont, WAZ und FAZ geht, soll das auch so bleiben. Sie werfen Eumann vor, den Haushaltsbeitrag zweckentfremden zu wollen, um eine neue Staatspresse zu finanzieren. Wäre das Eigeninteresse hinter solchen Vorwürfen nicht offensichtlich, man könnte meinen, die Verleger hätten vom Strukturwandel der digitalen Öffentlichkeit einfach nichts mitbekommen. Insbesondere das Internet-Engagement der Öffentlich-Rechtlichen ist schon lange hoch umstritten. Die privaten Zeitungsverleger fürchten nämlich die gebührenfinanzierte Konkurrenz und vertreten deshalb die Meinung, es handele sich um eine Wettbewerbsverzerrung, wenn ARD und ZDF im Netz eigene, »presseähnliche« Angebote machen würden. Denn im Rundfunkstaatsvertrag ist schließlich ausdrücklich festgehalten, dass »nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote« 18 unzulässig sind. Im Kern geht es bei diesem Streit um die Frage, inwiefern der vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Auftrag, eine öffentlichrechtliche Grundversorgung mit Information und Unterhaltung anzubieten, sich auch auf das Internet erstreckt.

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

Hans-Jürgen Papier, ein ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat dazu 2010 ein Gutachten19 erstellt. In Zeiten, in denen viele, gerade jüngere Leute sich nur noch über das Internet informieren, so Papier, sei es nur logisch, dass der öffentlich-rechtliche Grundversorgungsauftrag sich auch auf das Netz erstrecken müsse. ARD und ZDF dürften also durchaus online aktiv werden, und zwar mit allen internettypischen Mitteln. Sie müssten dabei freilich, um die Verwendung der Gebührengelder zu rechtfertigen, ihren Auftrag erfüllen, die gesellschaftliche Meinungsvielfalt abzubilden. Sie bräuchten aber nicht in besonderer Weise darauf zu achten, den Presseverlegern nicht ins Gehege zu kommen. Denn das würde dem Grundversorgungsauftrag zuwiderlaufen. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gebührenfinanziert sei, stelle im Netz zwar einen gewissen Wettbewerbsvorteil dar, doch dieser sei im Verfassungsrecht angelegt und durch dieses gerechtfertigt. Dafür müssten ARD und ZDF ja auch den ihnen gestellten Auftrag erfüllen, wohingegen Presseverleger im Internet machen könnten, was sie wollten. »Begibt sich die Presse allerdings auf das Gebiet des Rundfunks, der im modernen Sinne auch Internetangebote umfasst, muss sie die öffentlichrechtliche Konkurrenz aushalten«, schlussfolgert der Autor. Schließlich befände sie sich dabei »in derselben Situation, die private Rundfunkanbieter vorfinden, die im klassischen Rundfunk mit den öffentlich-rechtlichen Sendern konkurrieren«. Diese Analyse schmeckte den Presseverlegern gar nicht. Bis heute pochen sie darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich im Netz möglichst zurückhalten sollen. Jedes öffentlich-rechtliche Inhalteangebot muss deshalb zunächst einen sogenannten Drei-Stufen-Test durchlaufen, bei dem geklärt wird, ob es tatsächlich noch vom öffentlich-rechtlichen Programmauftrag abgedeckt ist oder nicht doch schon eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der Privaten darstellt. Dabei wird abgeklopft, ob das Angebot den »demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen« der Gesellschaft entspricht, inwiefern es im Kontext des bestehenden Wettbewerbs einen qualitativen Mehrwert bietet und wie teuer es ist. Nur wenn alle Parameter stimmen, dürfen die Sender loslegen. Und selbst dann gibt es meist noch Streit, wie zuletzt bei der Auseinandersetzung um die Tagesschau-App zu beobachten war. Diese enthielt nach Meinung der Presseverleger zu viel Text, war also zu »presseähnlich«. Deshalb gingen sie sogar gerichtlich dagegen vor – der Ausgang ist noch ungewiss. Wenn hingegen die Öffentlich-Rechtlichen bewegte

131

132

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Bilder ins Netz stellen, wie bei der »tagesschau in 100 Sekunden«, haben die Zeitungen nichts dagegen. Vielleicht auch nur deshalb nicht, weil die Sender ihnen erlauben, diese Inhalte kostenlos zu übernehmen, um ihre eigenen Internetseiten aufzupeppen. Dafür beschweren sich dann die privaten Radio- und Fernsehanbieter, dass »gebührenfinanzierte Inhalte im Werbeumfeld platziert und damit in den Wettbewerb eingegriffen« werde, obwohl für ARD-Onlineangebote ein Werbeverbot gilt. 20 Bei aller berechtigten Kritik an den verharzten Strukturen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollte man also nicht vergessen, dass diese von der Politik gezwungen werden, sich mit Rücksicht auf privatwirtschaftliche Profitinteressen im Internet möglichst zurückzuhalten. Dies gilt nicht zuletzt auch für die vielgescholtene Depublikation, also die Praxis, Inhalte aus den Mediatheken normalerweise nach sieben Tagen wieder zu löschen. Das sogenannte »Verweildauer«-Konzept passt eigentlich nicht mehr in die digitale Welt. Aber eine längere Verfügbarkeit würden die privaten Rundfunkanbieter als unzulässige Wettbewerbsverzerrung im gerade erst entstehenden Video-on-Demand-Markt begreifen. Und auch die Urheber würden sich beschweren, denn die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten bezahlen keineswegs die komplette Produktion der Inhalte, sondern in der Regel höchstens 80 Prozent davon. Das restliche Geld müssen die Produzenten aus anderen Quellen auftreiben. Und natürlich möchten sie ein zusätzliches Honorar, wenn sie zukünftig nicht mehr nur Senderechte, sondern auch On-Demand-Rechte für den zeitlich unbegrenzten Internetabruf aus der Hand geben sollen. Um von offenen Lizenzen für die Nachnutzung gar nicht erst zu sprechen. Im Hintergrund all dieses Gezerres lauert zudem die Gefahr, dass die EU-Kommission irgendwann doch noch gegen die deutschen Rundfunkgebühren einschreiten könnte. Denn aus EU-Sicht sind diese ohnehin scharf an der Kante zur Wettbewerbswidrigkeit.

Ö FFENTLICH - RECHTLICH NEU DENKEN Zieht man all dies in Betracht, erkennt man den Sprengstoff, der in allen Vorschlägen verborgen liegt, die auf eine Umverteilung öffentlich-rechtlicher Beiträge zugunsten von Produktionen im Internet ausgehen. Doch je verkrusteter Strukturen sind, desto eher wirken eben auch harmlose Vorschläge wie Sprengstoff. Dabei hat schon Yochai Benkler in »The

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

Wealth of Networks« beschrieben, wie mit dem Entstehen des Internets aus einer Top-Down-Öffentlichkeit eine Sphäre der many-to-all-Kommunikation geworden ist. Das Internet hat es nicht nur möglich gemacht, dass alle möglichen Anbieter ihre eigenen Inhalte in der Öffentlichkeit verbreiten können, sondern es hat auch und in erster Linie Rückkanäle eröffnet. Damit hat die Öffentlichkeit selbst sich verändert: Sie ist partizipativer und dialogischer geworden. Längst sind die Kommentarspalten mancher Blogs ähnlich wichtig wie die originalen Postings, und auch viele andere Angebote im Netz leben gerade von dialogischen Strukturen, die das Entstehen einer Community rund um die Inhalte befördern. Benkler hat aber 2006 auch klargestellt, dass eine Öffentlichkeit, die diesen Namen verdient, nicht von selbst entsteht, so partizipativ die technischen Möglichkeiten auch sein mögen. Vielmehr sind dafür Mechanismen nötig, die es ermöglichen, den Input der zahllosen Teilnehmer zu clustern, seine unterschiedliche Relevanz zu bewerten und repräsentative von rein individuellen Stimmen zu unterscheiden. Eine Öffentlichkeit bedarf also kuratorischer Instanzen, es muss Aggregatoren geben, die ihre Vielfalt redaktionell sichten und strukturieren. Wenn man davon ausgeht, dass es in der Netzöffentlichkeit an genau solchen Strukturen mangelt – was eine nicht selten zu hörende Klage ist –, so erkennt man, welche Aufgabe zukünftig dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Netz zuwachsen könnte. Er müsste nicht nur Inhalte produzieren, sondern Angebote machen, die dem Charakter einer neuen, dialogischen Öffentlichkeit Rechnung tragen. Zugleich müsste er die Herrschaft über die Inhalteproduktion bis zu einem gewissen Grad aus der Hand geben. Er müsste sich öffnen für neue Anbieter und diesen den Zugang zu den eigenen Kanälen ermöglichen, sofern die jeweiligen Inhalte als relevante Beiträge zu dieser neuen Öffentlichkeit gelten können. Darüber müssten Gremien entscheiden, in denen Nutzerinnen und Nutzer, aber auch Produzentinnen und Produzenten mehr Mitspracherechte haben, als es heute der Fall ist. Wenn man davon ausgeht, dass eine Öffentlichkeit keine Top-DownKommunikation von Journalisten zu Bürgerinnen und Bürgern ist, sondern bestenfalls ein dialogischer Prozess, in den sich unterschiedliche gesellschaftliche Interessengruppen mit ihren eigenen Medien und Ausdrucksformen einbringen, gelangt man fast automatisch zu dem Schluss, dass das Internet das beste Medium für eine solche Öffentlichkeit ist, das wir derzeit kennen. Es ist dann nur noch ein kleiner Schritt zu der

133

134

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Erkenntnis, dass es auch das beste Medium dafür wäre, den Anspruch auf eine wirkliche Grundversorgung zu verwirklichen, an dem ARD und ZDF derzeit offenbar scheitern. Welche Vorteile die Verwirklichung solcher neuen Ansätze für Urheberinnen und Urheber hätte, ist klar: Das Geld, oder zumindest ein Teil davon, würde nicht mehr in die ineffizienten, intransparenten und bürokratischen Strukturen fließen, sondern stünde für neue Experimente zur Verfügung. Statt mit immensem Aufwand Vorabendserien wie »Hotel Adlon« zu produzieren, um einem vermeintlichen Publikumsgeschmack zu entsprechen und möglichst viele Werbekunden glücklich zu machen, könnten neue Gremien über eine andere Allokation der Gelder entscheiden. Die Chance, dass dabei auch weniger marktgängige, anspruchsvolle und beispielsweise rechercheintensive Projekte Berücksichtigung finden, wäre umso größer, je klarer sich die beteiligten Stakeholder im Vorhinein über den gesellschaftspolitischen Anspruch verständigt hätten, der mit einem solchen öffentlich-rechtlichen Internetprogramm verwirklicht werden soll. Wenn zudem klar wäre, dass die Beitragszahlungen an die eigentlichen Produzenten fließen statt in unbeliebte bürokratische Strukturen, wäre es umso leichter, eine angemessene Vergütung der Urheberinnen und Urheber durchzusetzen.

N OCH EINE Z WANGSGEBÜHR ? All dies würde natürlich voraussetzen, dass das System einer beitragsfinanzierten Produktion öffentlich-rechtlicher Inhalte im Kern nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar auf das Internet ausgedehnt wird. Man müsste also entweder, wie es die AG DOK vorschlägt, einen Teil des Rundfunkbeitrags umverteilen oder einen zusätzlichen »Rundfunkbeitrag« fürs Netz erheben. Dieses Ansinnen dürfte beträchtlichen Widerständen begegnen. Bekanntermaßen ist die Akzeptanz der Rundfunkgebühren nicht sonderlich hoch. Sie werden gern als »staatliche Zwangsabgabe« bezeichnet. Man sieht nicht ein, warum man für ein Angebot bezahlen soll, das man sich nicht ausgesucht hat – so als müsste man für Waren bezahlen, die man geliefert bekommt, ohne sie bestellt zu haben. Ergibt es Sinn, ein so unbeliebtes System auch noch auf das Internet zu übertragen? Es kommt darauf an. Rechtfertigen ließe es sich jedenfalls nur durch ein übergeordnetes gesellschaftliches Interesse. Denn um eine Zwangs-

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

gebühr zu etablieren, die von allen Bürgerinnen und Bürgern oder zumindest von allen Breitband-Internetnutzern erhoben werden soll, bedarf es einer Begründung, die über das reine Konsumbedürfnis hinausgeht. Man müsste also beispielsweise mit dem Bedürfnis an einem ausreichenden Kultur- und Informationsangebot argumentieren, das es sonst nicht geben würde. Genau dies ist die traditionelle Begründung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die unter dem Stichwort »Grundversorgung« zusammengefasst wird – eine Vokabel, die das Bundesverfassungsgericht einst den Rundfunkanstalten ins Stammbuch geschrieben hat. Wenn man diesen Ansatz schon grundsätzlich für falsch hält und davon ausgeht, dass der freie Markt entsprechende Bedürfnisse durchaus erfüllt, braucht man in der Tat keine Zwangsgebühren. Allerdings muss man dann auch bereit sein, die Konsequenz der eigenen Marktgläubigkeit auszuhalten und für den Zugang zu kulturellen Gütern im Einzelfall so viel zu zahlen, wie der Anbieter verlangt. Man kann dann nicht verlangen, dass man für eine monatliche Flatrate einen unbegrenzten Zugang zu diesen Angeboten erhält. Denn wenn Flatrates nicht im Angebot sind, so rentieren sie sich offenbar marktwirtschaftlich nicht. Auf einem Markt handeln nun einmal stets Anbieter und Käufer den Preis miteinander aus. Der öffentlich-rechtliche Ansatz unterscheidet sich davon gerade dadurch, dass er eine Verteilung von Ressourcen anstrebt, die sich anders als der Markt nicht an der bloßen Popularität der Inhalte orientiert, sondern gesellschaftliche Kriterien anlegt. Produziert werden soll das, was der Markt von selbst gerade nicht oder zumindest nicht im ausreichenden Maße hervorbringt. Beides zusammen geht nicht: Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Zwangsabgaben zu erheben, wenn diese rein marktwirtschaftlich verteilt werden sollen, orientiert an der tatsächlichen Nutzung. Die Haushaltsabgabe ist ein Beitrag. Damit werden der Erhalt und die Weiterentwicklung einer öffentlichen Institution finanziert, aus der diejenigen, die den Beitrag zahlen, einen Nutzen ziehen. Dieser Nutzen besteht darin, dass das öffentlich-rechtliche Informations- und Unterhaltungsangebot zur Verfügung gestellt wird. Der Beitrag ist wohlgemerkt keine Steuer, denn Steuern werden für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben des Staats erhoben, und über ihre Verwendung entscheidet der Bundestag, während der Rundfunkbeitrag direkt an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fließt, der selbst darüber entscheidet. Hält man eine solche Institution grundsätzlich für sinnvoll, so muss man dafür eintreten, dass es sie

135

136

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

auch im Netz gibt. Es geht dann um eine Neudefinition dessen, was unter öffentlich-rechtlich zu verstehen ist. Und dies unter Einbeziehung der Produktions-, Publikations- und Verbreitungsmöglichkeiten des Netzes.

C HANCE FÜR K RE ATIVE Dass Kreativschaffende meist von ihrer Arbeit nicht leben können, hat, wie wir erläutert haben, vor allem zwei Gründe. Zum einen kommt ein Großteil dessen, was für ihre Arbeit gezahlt wird, nicht bei ihnen an, sondern bleibt bei allerlei Gatekeepern und Vermittlern hängen, bei Verlagen, Labels, Portalen, Shops. Zum anderen läuft eine marktgerechte Verteilung der Einnahmen immer darauf hinaus, dass 80  Prozent der Kreativen, also alle, die nicht zu den Superstars gehören, von ihren Urheberrechten nicht leben können, weil der Großteil des Geldes bei wenigen Stars ankommt. Die bestehenden Mechanismen der kollektiven Rechtewahrnehmung über Verwertungsgesellschaften ändern hieran nichts, weil sie das Geld nicht einfach umverteilen können. Das privatwirtschaftliche Lizenzmodell ist also offenbar nicht in der Lage, der breiten Masse der Urheber eine angemessene Vergütung ihrer Arbeit zu garantieren. Ein gesellschaftliches Finanzierungsmodell erscheint deshalb als naheliegende Alternative. Zumindest von der Grundidee her stellt das öffentlich-rechtliche Modell dabei eine gute Referenz dar. Anlass, das Öffentlich-Rechtliche ganz neu zu denken und vor allem ganz neu aufzustellen, mit neuen Strukturen und Gremien, gibt es mehr als genug. Dabei könnte nicht zuletzt auch sichergestellt werden, dass die Produktionsfinanzierung an Verwertern vorbei direkt den Urheberinnen und Urhebern zufließt. Zugleich könnte die Entstehung weniger marktgängiger Inhalte unterstützt werden. Zugegeben, das ist etwas ganz anderes als die Forderung nach neuen Geschäftsmodellen. Es ist sogar das genaue Gegenteil, insofern es um eine Produktionsfinanzierung jenseits des Marktes geht. Wer aber die Frage beantworten will, wovon Kreativschaffende leben sollen, wenn sie auf dem Markt nicht überleben können, muss für die Produktion kreativer Werke notwendigerweise andere als marktwirtschaftliche Kriterien definieren. Eine Allianz mit jenen, die für Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eintreten, bietet sich also an.

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

G ER ÄTE ABGABEN Dass der Haushaltsbeitrag ein Zukunftsmodell ist, haben in letzter Zeit auch Akteure entdeckt, auf deren Solidarität man lieber verzichtet hätte, nämlich die Lobbyisten der Geräteindustrie. Die Gerätehersteller zahlen derzeit für jedes Endgerät, das sie verkaufen, Urheberrechtstantiemen an die Verwertungsgesellschaften. Diese schütten das Geld nach festgelegten Verteilungsplänen an die Urheberinnen und Urheber aus. Mit dieser Pauschalvergütung, die über die Endkundenpreise auf die Nutzer umgelegt wird, bezahlen also die Endkunden für die Möglichkeit, dass sie mit diesen Geräten im legalen Rahmen private Kopien urheberrechtlich geschützter Werke anfertigen. Natürlich gefällt das der Geräteindustrie nicht. Denn müsste sie die Urheberrechtsabgabe nicht zahlen, könnte sie ihre Gewinnmargen steigern. In einem von der Druckerfirma Hewlett-Packard und der industrienahen Stiftung Neue Verantwortung herausgegebenen »Kompendium Digitale Standortpolitik« plädiert sie deshalb für einen Systemwechsel, den sie großspurig als »›New Deal‹ im Urheberrecht« bezeichnet.21 Dieser New Deal sieht so aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer in Zukunft mehr Rechte im Umgang mit digitalen Inhalten bekommen sollen. »Privatkopie II« heißt das im Lobby-Sprech. Im Gegenzug soll die Geräte- und Leermedienabgabe, die derzeit von der Geräteindustrie an die Verwertungsgesellschaften gezahlt wird, in einen Haushaltsbeitrag umgewandelt werden. Derzeit setze die Pauschalvergütung für die Privatkopie nämlich »an einem zunehmend unsinnigen Nutzungsindikator an – dem Endgerät«. Es würden ja sowieso immer mehr Inhalte in der Cloud abgelegt und folglich kaum noch kopiert – »Zugang statt Speicherung«. Folglich sei es auch nicht mehr zeitgemäß, Urheberrechtsabgaben auf Endgeräte zu erheben. Dieser Gedanke geht auf einen im Auftrag der EU-Kommission erstellten Bericht zur Zukunft der Pauschalvergütung zurück, den António Vitorino im Januar 2013 vorgelegt hat.22 Vitorinos Grundgedanke: Wenn die Nutzer zunehmend Lizenzverträge schließen, die ihnen gegen Zahlung einer Gebühr den Zugang zu kommerziellen Plattformen ermöglichen, bei denen die Inhalte hinterlegt sind, wieso sollten sie dann noch private Kopien anfertigen? Wenn sie das aber nicht mehr tun, gibt es auch keine Rechtfertigung mehr für die Geräteabgabe, meint Vitorino.

137

138

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Dabei wird natürlich durchaus auch in der Cloud gespeichert und kopiert. Nur dass dafür bislang kein Geld an die Urheber fließt, weil diese Speicherung im Rahmen von Lizenzverträgen mit den Verwertern abgerechnet wird. Die Verwertungsgesellschaften, die für die Urheber die Geräteabgabe einziehen, gehen dabei leer aus. Und die Verwerter denken in aller Regel gar nicht daran, den Urhebern etwas von den Lizenzgebühren abzugeben. Die Geräteindustrie hat aber ohnehin eine ganz andere Motivation für ihren Vorstoß: Sie möchte die Geräteabgabe loswerden. Sie in einen Haushaltsbeitrag umzumodeln, würde bedeuten, dass in Zukunft nicht mehr die Hersteller, sondern die privaten Haushalte zahlen müssten. Um dieses Eigeninteresse zu kaschieren, wird zusätzlich die Notwendigkeit herbeigeredet, ein »Grundrecht auf Internet« einzuführen, das mit der überragenden Bedeutung des Internets an sich für die Demokratie begründet wird. Tatsächlich besteht zwischen der Geräte- und Leermedienabgabe, die beim Kauf auf Drucker oder CD-Rohlinge erhoben wird, und dem Haushaltsbeitrag, mit dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert wird, ein ganz wesentlicher Unterschied. Mit dem Haushaltsbeitrag bezahlt man nicht für die Nutzung geschützter Werke, sondern man finanziert die Produktion solcher Werke, deren Entstehung im öffentlichen Interesse ist. Die Geräte- und Leermedienabgabe ist hingegen als Ausgleichszahlung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke gedacht. Sie muss mehr oder weniger unmittelbar dem Rechteinhaber zugutekommen. Urheberrechtsabgaben stellen nämlich eine privatwirtschaftliche Finanzierung auf der Basis der Vergütung von Eigentumsrechten dar. Urheberrecht verlangt zwingend, dass der wirtschaftliche Gegenwert der Nutzung dem Urheber zugewiesen wird. Um dies zu gewährleisten, wird berechnet, in welchem Umfang ein bestimmtes Gerät, etwa ein Smartphone oder ein Drucker, für private Kopien urheberrechtlich geschützter Werke genutzt wird. Auf der anderen Seite, bei den Verwertungsgesellschaften, wird das Geld an die Urheber ausgeschüttet. Da nicht präzise zu ermitteln ist, welche Werke wie oft kopiert worden sind, müssen die Urheber ihre Arbeiten anmelden, und die Verwertungsgesellschaften bemühen sich, anhand komplizierter Punktesysteme das tatsächliche Verhältnis bei den Ausschüttungen möglichst genau abzubilden.

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

Von diesem Verfahren abzuweichen, ohne gegen die urheberrechtliche Dogmatik zu verstoßen, ist im Grunde unmöglich. Wenn man davon ausgeht, dass die Zahlung an die Urheber eine Entschädigung für die Nutzung ist, kommt man nicht umhin, einerseits den Umfang der Nutzung wenigstens annähernd zu bestimmen, andererseits die Beträge wenigsten annähernd genau den jeweiligen Urhebern zuzuweisen. Deshalb lässt sich auch die Geräteabgabe nicht ohne Weiteres in einen Haushaltsbeitrag umwandeln. Es wäre dies ein Systemwechsel, der mit dem Urheberrecht nicht zu vereinbaren wäre. Es würde bedeuten, die Zahlung von der Nutzung zu entkoppeln und die Urheberinnen und Urheber nicht mehr entsprechend dem Umfang dieser Nutzung zu vergüten.

G EDANKENSPIELE Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Geräteindustrie sich mit diesem Lobbyismus durchsetzen wird. Nicht zuletzt, weil Politiker, die einen solchen Vorschlag durchsetzen wollten, ihren Wählerinnen und Wählern erklären müssten, dass diese in Zukunft einen zusätzlichen Zwangsbeitrag zahlen sollen, damit die Geräteindustrie Geld spart. Sieht man allerdings einmal von dem offenkundigen Eigeninteresse der Industrie ab, wird deutlich, dass der Vorschlag etwas ermöglichen würde, was das Urheberrecht nicht erlaubt. Würde nämlich die Notwendigkeit wegfallen, entsprechend der Nutzung zu vergüten, könnten für die Ausschüttung der Gelder an die Urheber in Zukunft andere als marktwirtschaftliche Aspekte in Anschlag gebracht werden. Schon heute sehen die Satzungen der Verwertungsgesellschaften, etwa der GEMA oder der VG WORT, diese Möglichkeit vor. Verwertungsgesellschaften nehmen in Deutschland qua Gesetz nicht nur die finanziellen Interessen der bei ihnen organisierten Urheber, sondern auch kulturelle und soziale Aufgaben wahr. Diese Anforderung steht jedoch seit jeher in einem Spannungsverhältnis zum Treuhandgebot, dem die Verwertungsgesellschaften ebenfalls unterliegen: Sie verwalten die Gelder, die sie einnehmen, nur stellvertretend für die Urheber. Das Geld ist also fremdes Eigentum, und einer Umverteilung von Eigentum aus sozialen oder kulturellen Erwägungen heraus sind enge Grenzen gesteckt. Deshalb wird der kulturelle und soziale Auftrag nur sehr zurückhaltend wahrgenommen. So werden, im Einklang mit internationalen Verträgen,

139

140

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

in der Regel 10 Prozent der Einnahmen für besondere Einrichtungen der Altersvorsorge abgezweigt, oder es werden Stipendien und Zuschüsse ausgeschrieben, um die man sich bewerben kann, wenn man als Urheber besonders aufwändige Projekte plant. Der größte Teil des Geldes wird jedoch entsprechend den Marktverhältnissen verteilt. Wagen wir einmal ein Gedankenspiel. Stellen wir uns vor, man würde die Geräteabgabe so reduzieren, dass 25 Prozent weniger bei den Verwertungsgesellschaften ankämen als bisher. Diese 25  Prozent würden zukünftig von den Geräteherstellern gespendet, und zwar an eine gemeinnützige Stiftung, die das Geld für Projekte und Stipendien ausschreibt. Kulturschaffende und Publizisten könnten sich mit eigenen Projekten um Förderung bewerben. Ein Gremium, in dem Wahrnehmungsberechtigte, also Urheber, und Nutzer gleichermaßen vertreten wären, würde nach zuvor festgelegten Kriterien über die Vergabe dieser Gelder entscheiden. Voraussetzung dafür wäre, dass die auf diese Weise finanzierten Werke unter freien Lizenzen zur Verfügung gestellt werden – nicht nur, aber auf jeden Fall auch im Netz. Dies würde unter dem Strich bedeuten, einen Teil des Geldes, das die Gerätehersteller derzeit für Urheberrechtsabgaben ausgeben, in Richtung Kulturförderung umzulenken. Es wäre nicht ganz dasselbe wie ein Haushaltsbeitrag zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher Angebote im Internet, aber immerhin schon etwas anderes als eine bloße Kompensation für die Nutzung von Werken, die es längst schon gibt. Selbst wenn die Geräteindustrie zu so etwas bereit wäre, würde das Konzept vermutlich auf den erbitterten Widerstand der Verwertungsgesellschaften stoßen. Eines ist aber sicher: Wer erreichen will, dass mehr Kreative als derzeit von ihrer Arbeit leben können, wird nicht umhin kommen, einen Mechanismus zu etablieren, der sicherstellt, dass ein Teil des Geldes, das heute für Urheberrechte ausgegeben wird, zukünftig in die Produktion von Werken investiert wird, die sich nicht am Markt rentieren. Erst wenn das Dogma gebrochen ist, dass die Verteilung der Gelder an die Urheber der Nutzung ihrer Werke durch die Rezipienten entsprechen muss, ist der Weg frei für Reformen, die an der prekären Lage der allermeisten Urheber tatsächlich etwas ändern könnten. Die Frage ist nicht, ob wir als Nutzer in Zukunft per Flatrate bezahlen werden oder per Einzelabrechnung. Das ist längst entschieden, und zwar zugunsten der Flatrate, jedenfalls in weit mehr Bereichen, als wir heute meinen. Die Frage ist eher, ob wir Lizenzgebühren zahlen werden, also

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

Nutzungsgebühren, oder ob wir, mit welchen Mechanismen auch immer, die Produktion neuer Werke sicherstellen, die sich marktwirtschaftlich nicht rechnen. Letzteres hat allerdings mit dem Urheberrecht nicht mehr viel zu tun. Denn das Urheberrecht ist und bleibt ein Eigentumsrecht, und somit ist innerhalb seines Systems die Zuordnung zum Rechteinhaber nicht hintergehbar. Eigentumsschutz und Umverteilung laufen einander zuwider. Gleichwohl kann es im gesellschaftlichen Interesse sein, mit Hilfe von regulatorischen Maßnahmen die Bedingungen für das Entstehen von Eigentum zu verändern. Die Ausdehnung eines als öffentlich-rechtlich definierten Bereichs innerhalb einer ansonsten marktwirtschaftlich definierten Öffentlichkeit wäre eine solche Maßnahme.

141

9. Wie weit reicht das Urheberrecht? Abstract Das Urheberrecht hat die Aufgabe, dem Urheber den wirtschaftlichen Gegenwert seiner Leistung zuzuordnen. Wie aber soll das funktionieren, wenn die wirtschaftlich relevante Nutzung dieser Leistung außerhalb des Rahmens abläuft, der vom Urheberrecht reguliert wird? Dieses Kapitel stellt die These auf, dass ein Wandel der Wertschöpfungsprozesse in der digitalen Welt auch zu einem Umdenken im Hinblick auf das Urheberrecht führen muss.

Wovon sollen Kreativschaffende leben, wenn nicht vom Urheberrecht? Das war die Ausgangsfrage. Bis jetzt haben sich noch nicht sonderlich viele brauchbare Lösungsansätze herauskristallisiert. Fassen wir zusammen: Wir haben zunächst gesehen, dass das Urheberrecht, dem konventionell die Funktion zugeschrieben wird, für ein Einkommen der Kreativen zu sorgen, diese Aufgabe nicht (mehr) erfüllt. Als Grund dafür haben wir festgestellt, dass es meist Dritte sind, die von dem Schutz profitieren, der eigentlich den Kreativen zugute kommen soll. Während das Urheberpersönlichkeitsrecht unübertragbar ist, können die ökonomisch bedeutsamen Verwertungsrechte im Rahmen von Verträgen allesamt Dritten eingeräumt werden. Und weil die Vertragsfreiheit eine Variante der Handelsfreiheit ist, landen diese Rechte und damit die ökonomischen Ansprüche stets in den Händen der stärkeren Vertragspartner. Gerade weil Urheberrecht und Markt keine Gegensätze sind, hilft auch der Ansatz, erfolgreiche Geschäftsmodelle jenseits des Urheberrechts finden zu wollen, nicht weiter. Natürlich können Urheber von etwas anderem leben als von der Verwertung ihrer Rechte – wie man eben immer von irgendetwas leben kann. Aber tatsächlich basieren fast alle Geschäftsmodelle, die im Netz erfolgreich sind, auf der Monetarisierung von Nutzungs-

144

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

daten. Weder ist dies das Kerngeschäft von Urhebern, noch hätten sie eine realistische Möglichkeit, daran mitzuverdienen, falls sie es wollten. Debatten über Gemeingüter und Pauschalvergütungsmodelle führen sogar noch einen Schritt weiter von der Frage weg, wovon Kreative leben sollen. Wären kreative Güter Gemeingüter, wären sie der Sphäre der wirtschaftlichen Verwertung und Akkumulation von vornherein entzogen. Und wenn für die Nutzung von geschützten Werken nicht mehr per Einzelabrechnung, sondern per Flatrate gezahlt wird, ändert sich zunächst bloß der Abrechnungsmodus, nicht aber die Bezahlung der Kreativen. Wenn man hingegen, wie Philippe Aigrain es tut, zwar vorsieht, eine marktferne Sphäre der digital cultural commons abzusichern, die wirtschaftliche Absicherung der Subjekte, die diese Sphäre erst schaffen, jedoch außen vor lässt, riskiert man, eine Spielwiese zu schaffen, die nur so lange geduldet wird, wie sie das wirkliche Leben, also den Markt, nicht stört. Als vielversprechend haben wir bislang lediglich die Idee einer öffentlich-rechtlich finanzierten Inhalteproduktion für das Netz identifiziert: weg von der Vergütung der Nutzung, hin zur Vorfinanzierung der Produktion. Und zwar gerade nicht marktkonformer Inhalte, sondern solcher, die der Markt selbst nicht hervorbringt. Also ein Umverteilungsprojekt zugunsten einer nicht-marktfähigen, aber gesellschaftlich für wichtig erachteten Kunst, Kultur und Öffentlichkeit. Allerdings hat gerade dieser Ansatz mit dem Urheberrecht nicht mehr viel zu tun. Denn er zielt darauf ab, dem Markt ein Stück Öffentlichkeit zu entreißen, um in diesem Teilbereich, der durch Beiträge finanziert werden soll, nicht an seine Gesetze gebunden zu sein. Hingegen ist das Urheberrecht ein Instrument, das den Urhebern den Zugang zum Markt allererst eröffnen soll. Nun schließen sich öffentlich-rechtliche Inhalteproduktion und marktwirtschaftliche Verwertung nicht unbedingt aus, sondern sie können auch nebeneinander bestehen. Man wird aber kaum eine öffentlich-rechtliche Finanzierung von Kunst und Kultur als Gesamtalternative zum Urheberrecht ausrufen können. Die Bilanz ist bislang also etwas frustrierend. In der Debatte um das Urheberrecht, die 2012 ihren Höhepunkt erreichte und seitdem sang-, klang- und folgenlos abgeebbt ist, sind zwar jede Menge Vorschläge für Urheberrechtsreformen auf den Tisch gekommen. Die meisten zielen darauf ab, die gesellschaftlichen Konflikte zu befrieden, die in den letzten Jahren rund um das Urheberrecht ausgebrochen sind, gerade im Internet. Sie reichen von der Kulturflatrate über Ideen zu einer Mash-up-Schranke

9. Wie weit reicht das Urheberrecht?

bis hin zu Plädoyers für eine klarere Trennung zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzungen. Es ist aber weit und breit kein einziger Vorschlag in Sicht, der die Frage beantworten würde, wovon Kreative leben sollen, wenn sie von ihrem Urheberrecht nicht leben können.

V ERRECHTLICHUNG Ist die Frage überhaupt berechtigt? Gibt es überhaupt ein Recht darauf, von seiner Arbeit als Künstler leben zu können? Oder muss man sich nicht vielleicht, wenn man frei, selbstbestimmt und unabhängig arbeiten will, damit abfinden, dass man auf soziale Sicherheit verzichten muss? Zumal ja durchaus nicht alle Urheber am Hungertuche nagen. Es gibt eben welche, die am Markt erfolgreicher sind als andere. Auf welcher Grundlage aber sollte man ein Recht auf Markterfolg konstruieren? In der Tat, ein solches Recht zu konstruieren, dürfte schwer fallen. Es darf aber sehr wohl gefragt werden, ob das Urheberrecht dem Anspruch, den es erhebt, noch gerecht wird: dem Urheber den wirtschaftlichen Gegenwert seiner individuellen Leistung zuzuordnen. Oder ob es nicht mittlerweile ein Instrument ist, dass es Dritten ermöglicht, sich zumindest einen großen Teil dieses Werts anzueignen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Ob also auf dem Markt, auf dem Kreative sich bewegen, überhaupt faire Kräfteverhältnisse herrschen. Wenn Urheberinnen und Urheber mit finanzstarken Medienkonzernen über ihre Verträge verhandeln müssen, kann davon keine Rede sein. Was als Vertragsfreiheit gedacht war, wird dann zu einem bloßen Recht des Stärkeren. Die formale Freiheit zieht eine reale Unfreiheit nach sich. Ziel der 2002 in Deutschland beschlossenen stärkeren Regulierung des Urhebervertragsrechts war deshalb, Urheberverträge stärker als bisher zu normieren. Bislang wurde daraus nicht viel, weil die Konzerne sich in nahezu allen Branchen entsprechenden Verhandlungen entzogen haben. Hier nachzubessern, sollte allen, die sich ernsthaft um politische Lösungen in Sachen Urheberrecht bemühen, das wichtigste Anliegen sein. Eingriffe in die Vertragsfreiheit verfolgen stets den Zweck, einen unregulierten Raum stärker zu verrechtlichen. Dies geschieht immer im Interesse der schwächeren Partei, denn wer sich mit Marktmacht durchsetzen kann, benötigt keine verbrieften Rechte, auf die er sich berufen kann. Auch im Urheberrecht sollte über eine stärkere Vertragsregulierung nach-

145

146

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

gedacht werden. Muss die Vertragsfreiheit wirklich so weit reichen, dass Verwertungsrechte in Verträgen uferlos und zeitlich unbegrenzt übertragen werden können? Und wenn Rechte vertraglich abgetreten werden, sollten Urheber dann nicht einen Anspruch auf eine laufende Beteiligung an allen Einnahmen haben? Sollte ein solcher Anspruch nicht vielleicht auch von ihren Interessenverbänden eingeklagt werden können? Heutzutage werden Vertragskonstruktionen systematisch dazu missbraucht, den Urhebern den wirtschaftlichen Wert ihrer Arbeit zum größten Teil vorzuenthalten: Absatzbeteiligungen in Buchverträgen beginnen ab dem 50.000sten verkauften Exemplar, obwohl klar ist, dass von einem bestimmten Werk bestenfalls 3.000 Stück verkauft werden. Rechte für digitale Nutzungen werden als »Nebenrechte« bezeichnet und pauschal mit einem viel zu niedrigen Vorschuss abgegolten. In anderen Branchen sieht es nicht viel besser aus. Eine neue Reform des Urhebervertragsrechts müsste darauf abzielen, Urheberinnen und Urhebern eine größere Verfügungsgewalt über die Rechte an der eigenen Arbeit zu garantieren. Durch eine stärkere Verrechtlichung des bislang weitgehend unregulierten Raums würde also gewährleistet, dass der wirtschaftliche Gegenwert der schöpferischen Arbeit tatsächlich dem Urheber zugeordnet wird – ganz so, wie das Urheberrecht es beansprucht.

D IE G RENZEN DES V ERTR AGSRECHTS Allerdings hat der Ansatz, einem unregulierten Markt durch vertragsrechtliche Regulierung beizukommen, seine Grenzen. Nämlich dort, wo die wesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen außerhalb jener Verträge stattfinden. Und tatsächlich ist diese Tendenz immer deutlicher festzustellen. Mit dem Urhebervertragsrecht kann man die unmittelbaren Beziehungen zwischen den Kreativen und den Verwertern als den primären Nutzern ihrer Werke regulieren. Was aber, wenn die Aneignung des wirtschaftlichen Werts kreativer Arbeit gerade nicht durch die Verwertung des Werks stattfindet, sondern außerhalb davon? Wenn also das wesentliche wirtschaftliche Geschäft jenseits der urheberrechtlichen Nutzung stattfindet? Beispiele dafür haben wir schon angesprochen, etwa den allgegenwärtige Handel mit Nutzerdaten. Wenn sich durch den Verkauf der Privatsphäre von Nutzern an die Werbeindustrie Geld verdienen lässt, kann der Verwerter den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken auch

9. Wie weit reicht das Urheberrecht?

verschenken. Der Vorteil: Die Einnahmen, die er mit der Nutzung des Werks erzielen könnte, beispielsweise mit bezahlten Downloads, müsste er mit dem Urheber teilen. Wenn die Nutzer aber statt mit Geld mit ihren Daten zahlen, wenn es sich also um ein werbefinanziertes Geschäftsmodell handelt, wird es möglich, die Urheber von einer Beteiligung an den Einnahmen auszuschließen. Denn die Geldströme, die zwischen dem Verwerter und seinen Werbekunden fließen, tauchen in den Urheberverträgen nicht einmal auf. Ein noch besseres Beispiel ist der Musikstreamingdienst spotify. Es hat sich herumgesprochen, dass spotify an die Urheberinnen und Urheber Beträge auszahlt, die sich im Bereich von wenigen Cent pro Stream bewegen. Weniger bekannt ist, dass die Major Labels, also die großen Plattenfirmen, die Rechte an ihrer Musik nur im Tausch gegen eine Kapitalbeteiligung an dem schwedischen Unternehmen freigegeben haben. Erst durch die Möglichkeit, das Repertoire der großen Labels zu streamen, konnte spotify zu einem Erfolg werden, und so schoss der Aktienkurs des Unternehmens in die Höhe, kaum dass die Nachricht bekannt wurde. An den Gewinnen, die die Major Labels dabei einstrichen, waren die Urheberinnen und Urheber jedoch nicht beteiligt, da der gestiegene Aktienkurs formell nichts mit dem Lizenzdeal zu tun hatte. Und bis heute haben die Labels wenig Interesse, für die Lizenzen ihrer Musik viel Geld von spotify zu verlangen. Denn als Teilhaber müssten sie dieses Geld aus der eigenen Tasche zahlen, und vor allem müssten sie es mit den Urheberinnen und Urhebern teilen. Viel attraktiver ist es für sie, die Lizenzzahlungen gering zu halten und an den Urhebern vorbei zu verdienen: an den Werbeeinnahmen und Kapitalerträgen. Ein letztes Beispiel: die zahlreichen Dienste von Suchmaschinen über Content-Plattformen wie YouTube bis hin zu sozialen Netzwerken. Sie alle leben davon, dass sie Inhalte aggregieren, auffindbar machen, durchsuchbar machen oder sonstige Dienste entwickeln, die Inhalte in irgendeiner Form verarbeiten. Und sie alle leben im Wesentlichen von user generated content, also davon, dass Nutzerinnen und Nutzer eigene Inhalte ins Netz stellen, um sie mit anderen zu »teilen«. Im Gegenzug ist in der Regel eine kostenlose Nutzung des jeweiligen Angebots möglich. Das ist besser als nichts, aber ist es eine angemessene Gegenleistung für die kostenlosen Inhalte? Und vor allem für die kostenlosen Vernetzungsaktivitäten, durch die die Nutzer die Attraktivität und damit den Marktwert der entsprechenden Plattformen steigern?

147

148

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Damit kein Missverständnis auf kommt: Hier soll nicht eine Zahlungspflicht an die traditionellen Verwerter begründet werden, die freilich nicht müde werden, genau das zu fordern, so als seien sie selbst die Produzenten der Inhalte. Es geht um etwas anderes: Die Wertschöpfung solcher Dienste findet jenseits des Urheberrechts statt – genau deshalb ist ihr mit Mitteln des Urheberrechts auch nicht beizukommen. Gleichwohl findet neben der Eigenleistung, die solche Infrastrukturanbieter zweifellos erbringen, auch eine Aneignung der Leistung von Urheberinnen und Urhebern statt, ohne deren Inhalte die Infrastruktur überflüssig wäre. Das wirft die Frage auf: Ist das Urheberrecht heute noch das richtige Instrument, um dem einzelnen Urheber für seine kreative Leistung eine angemessene Gegenleistung zu sichern? Oder müssen wir nicht konstatieren, dass seine Kernleistung, dem Urheber den Wert seiner Arbeit zuzuordnen, in einer vernetzten und ständig vernetzenden Gesellschaft kaum noch funktionieren kann? Weil Kapital nicht mehr durch die »Nutzung« urheberrechtlich geschützter Inhalte erwirtschaftet wird, sondern durch unablässige Verlinkung, durch Aggregation, durch Herstellung von Kontakten und Verbindungen? Gäbe man dieser Diagnose recht, so müsste man sich eines Systems besinnen, das besser als das Urheberrecht in der Lage wäre, eine Zuordnung der Wertzuwächse zu jenen Subjekten vorzunehmen, auf deren Leistung sie basieren. Deshalb geht es im letzten Kapitel um das bedingungslose Grundeinkommen. Natürlich ist es nicht als Alternative zum Urheberrecht gedacht. Ein Grundeinkommen, das als Gegenleistung für einen Verzicht auf Rechte an den Produkten eigenen kreativen Schaffens gewährt würde, wäre schließlich kein bedingungsloses. Der Tausch von Nutzungsrechten gegen Vergütung soll mit einem Grundeinkommen ebenso wenig ersetzt werden wie der Tausch von Arbeit gegen Lohn – jedenfalls nicht, sofern man nicht die Lohnarbeit insgesamt überwinden will. Es geht vielmehr darum, wie man an jene Wertschöpfungsprozesse herankommt, die jenseits vertraglicher Regulierung stattfinden. Zum anderen ist natürlich nicht an ein Grundeinkommen nur für Künstler gedacht. Eine solche Privilegierung professioneller Kreativschaffender wäre kaum zu rechtfertigen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Kreativität ist heute kein elitäres Privileg mehr, sondern stellt in der vernetzten Gesellschaft den wichtigsten und am weitesten verbreiteten Wertschöpfungsfaktor dar. Deshalb ist das bedingungslose Grundeinkommen das, was herauskommt, wenn man das Urheberrecht zu Ende denkt.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen Abstract Beantwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen die Frage, wovon Kreativschaffende in Zukunft leben sollen? Tatsächlich lässt sich die Diskussion um das Urheberrecht mit der Debatte über ein Grundeinkommen in einen sinnvollen Zusammenhang stellen. Das bedingungslose Grundeinkommen will das Versprechen, welches das Urheberrecht einst für Kreative beinhaltete, für alle Mitglieder der Gesellschaft einlösen: die Möglichkeit, einer freien, selbstbestimmten Tätigkeit nachzugehen. In unseren modernen westlichen Gesellschaften ist längst nicht mehr Arbeit, sondern Kreativität der wesentliche Wertschöpfungsfaktor. Während Arbeit immer knapper wird, machen Unternehmen zunehmend Gewinne, indem sie Geschäftsmodelle auf die Kreativität der Massen aufsetzen. Es ist an der Zeit, die Forderung der Urheber nach einer angemessenen Vergütung für ihre Arbeit zu verallgemeinern und eine angemessene Partizipation aller an dieser Wertschöpfung einzufordern.

»Man kann sagen, daß heute ein großer Teil des industriellen und kommerziellen Rechts mit der Moral in Konflikt steht. Die ökonomischen Vorurteile des Volkes, der Produzenten, entspringen ihrem festen Willen, der Sache zu folgen, die sie produziert haben, und der intensiven Empfindung, daß ihre Arbeit weiterverkauft wird, ohne daß sie am Gewinn teilhaben.« Marcel Mauss, Die Gabe1 »Die Distribution der Zahlungsmittel muß dem Umfang des gesellschaftlich produzierten Reichtums entsprechen und nicht dem Umfang der geleisteten Arbeit.« André Gorz, Arbeit zwischen Misere und Utopie 2

150

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

In ihrem Standardwerk über den »neuen Geist des Kapitalismus« (Boltanski/Chiapello 2006) unterscheiden Luc Boltanski und Ève Chiapello zwei Traditionen der Kapitalismuskritik: die Künstlerkritik und die Sozialkritik. Während die Sozialkritik traditionell die ungerechte Reichtumsverteilung, die Ausbeutung und die mangelnde soziale Absicherung in den Blick nimmt, richtet die Künstlerkritik sich auf den Mangel an Autonomie, Selbstbestimmung und Freiheit in einer als starr und zweckrational empfundenen Arbeitsgesellschaft. Auf beide Spielarten der Kritik hat der Kapitalismus jedoch reagiert, in aufeinander folgenden Entwicklungsphasen. Die 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren Jahre des sozialen Fortschritts. Die 80er und 90er waren Jahrzehnte der Deregulierung. Die Forderungen nach mehr Freiheit, Autonomie und Selbstverwirklichung in der Arbeit, also die Künstlerideale, wurden in diesen beiden Jahrzehnten erfolgreich in die Wertschöpfungsprozesse integriert. Der Abschied vom fordistischen Industriekapitalismus und der Übergang zu einer Gesellschaft, in der Arbeit ein Selbstverwirklichungsprojekt im Dienst der Kapitalakkumulation »innovativer« Unternehmen ist, ging allerdings zu Lasten der sozialen Absicherung. Insofern ist es kein Wunder, dass in letzter Zeit die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder an Aktualität gewonnen hat. Eine Debatte, die lange nur in linken Kreisen geführt wurde, wo Überlegungen zur Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums eine Tradition haben. Gibt es einen Zusammenhang der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen mit der Debatte um das Urheberrecht im Digitalzeitalter? Jenseits der Platitüde, dass Urheber mit ihren Werken kein Geld mehr zu verdienen bräuchten, wenn sie anderweitig sozial abgesichert wären? Zum Abschluss soll diese These verfolgt werden. Auch wenn damit nicht behauptet sein soll, man bräuchte kein Urheberrecht mehr, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe. So einfach soll es dann doch nicht werden. Gemeint ist ein anderer Zusammenhang. Das bedingungslose Grundeinkommen verbindet die Traditionen der Sozialkritik und der Künstlerkritik. Es verspricht, die Freiheit und Autonomie des Einzelnen abzusichern, indem es ihn aus der Abhängigkeit von einer fremdbestimmten Arbeit befreit. Es ist dies genau die emanzipatorische Funktion, die viele dem Urheberrecht zuschreiben, obwohl das Urheberrecht sie ganz offenkundig nicht mehr erfüllt – falls es sie je erfüllt hat.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

Warum nicht einmal den Versuch wagen, über das Urheberrecht hinauszudenken? Wenn es stimmt, dass heute nicht mehr Arbeit, sondern Kreativität der wesentliche Wertschöpfungsfaktor ist, so erscheint es plausibel, daraus einen Anspruch herzuleiten, der dem des Urheberrechts entspricht und zugleich darüber hinausweist. Nämlich dass alle kreativ Tätigen, die mit ihren Ideen und ihrem Wissen zum gesellschaftlichen Reichtum beitragen, an diesem Reichtum angemessen beteiligt werden sollten.

W ER , WIE , WAS , WARUM ? Es ist auffällig, dass zum bedingungslosen Grundeinkommen immer dieselben Fragen gestellt werden wie zur Kulturflatrate: Wie hoch soll der Betrag sein, der monatlich gezahlt werden müsste? Und wo soll das Geld herkommen? Dabei sind diese Fragen in beiden Bereichen gleich unsinnig. Hinten kann nur herauskommen, was man vorne hineinsteckt. Wie viel das sein muss, hängt davon ab, was man erreichen will. Strebt man eine vollumfängliche Absicherung des Lebensunterhalts aller an, so muss der Betrag wesentlich höher sein, als wenn man davon ausgeht, dass es nur eine Art Sozialzuschuss für Geringverdiener sein soll. Wie viel es sein soll, ist eine politische Entscheidung. Auch die Frage, wer zahlen soll, ist eigentlich kinderleicht zu beantworten. Obwohl unser Staat sich zunehmend über Kredite finanziert, bestreitet er einen großen Teil seiner Ausgaben noch immer aus Steuergeldern – Steuern sind seine Haupteinnahmequelle. Folglich müsste natürlich auch ein Grundeinkommen aus Steuergeldern finanziert werden. Dafür müssten vor allem jene Unternehmen herangezogen werden, die sich kreative Leistungen aneignen, aber wenig bis nichts dafür zurückgeben, etwa was Sozialabgaben oder Steuern anbelangt. Und natürlich müssten die Steuereinnahmen, die es heute schon gibt, drastisch umverteilt werden. Das klingt naiv? Aber unser Steuersystem ist in seinem Kern heute schon eine große Umverteilungsmaschine. Alle staatlichen Steuern zielen darauf ab, die Ungleichverteilung des gesellschaftlichen Reichtums bis zu einem gewissen Grad auszugleichen, aus sozialen und Gerechtigkeitserwägungen. Steuern sind tendenziell eigentumsfeindlich, denn sie laufen dem Grundsatz zuwider, dass der Einzelne über das Seine frei ver-

151

152

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

fügen können soll. Steuern vergesellschaften einen Teil des Privateigentums. Eigentum verpflichtet. Insofern ist die Frage, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden kann, eigentlich langweilig. Viel interessanter ist die Frage, wie der moralische Anspruch auf ein solches Einkommen hergeleitet wird. Aber bevor wir dazu kommen, soll nicht verschwiegen werden, dass es durchaus ein paar Zahlenspielereien zum Grundeinkommen gibt. Zum Beispiel von Stefan Wolf, einem Aktivisten der Linkspartei. Wolf hat einmal konkret ausgerechnet,3 wie jene 863 Milliarden Euro netto, die man bräuchte, um ein bedingungsloses Grundeinkommen von ca. 1.000 Euro im Monat an jeden Bürger auszuzahlen, zusammenkommen könnten: 1. Eine BGE-Abgabe von 33,5 Prozent auf alle Einkommen (außer dem Grundeinkommen selbst): ca. 560 Milliarden Euro pro Jahr. 2. Eine Sachkapitalabgabe in Höhe von 1,5 Prozent des Verkehrswertes von Immobilien (mit Freibeträgen von 75.000 Euro pro Kopf) und Sachkapital: ca. 125 Milliarden Euro pro Jahr. 3. Eine Primärenergieabgabe in Höhe von 2,50 Cent/kWh: ca. 95 Milliarden Euro pro Jahr. 4. Eine neue Umsatzabgabe auf Luxusgüter wie teure Autos, Yachten etc. Einnahme: ca. 70 Milliarden Euro pro Jahr. 5. Ein Transfer aus dem Bundeshaushalt: ca. 13 Milliarden Euro pro Jahr. Da eine Abgabe von 33,5 Prozent auf alle Einkommen natürlich eine hohe Belastung darstellt, muss die sonstige Besteuerung der Einkommen so umgestaltet werden, dass diese neue Belastung tragbar wird. Dies möchte Wolf durch eine Änderung bei der Steuerprogression erreichen, also am Verhältnis, in dem die Höhe des Steuersatzes zur Höhe der Einkommen steigt. Derzeit, also 2014, gilt in Deutschland ein Steuerfreibetrag von 8.354 Euro. Jedes darüber hinausgehende Einkommen wird versteuert. Schon bei 8.500 Euro Jahreseinkommen greift ein Steuersatz von 14,28 Prozent. Bei 26.00 Euro Jahreseinkommen sind es 29,7 Prozent. Ab 55.000 Euro gilt ein Steuersatz von 42  Prozent. Danach steigt die Belastung nicht mehr an. Lediglich Jahreseinkommen über 250.000 Euro werden mit dem Spitzensteuersatz von 45 Prozent belastet.4

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

Nach dem Konzept von Stefan Wolf wäre das Grundeinkommen steuerfrei. Schon ein darüber hinausgehendes Jahreseinkommen von 26.000 Euro würde hingegen mit einem Steuersatz von 38,5 Prozent belastet (inklusive Grundeinkommensabgabe). Für Einkommen zwischen 26.000 und 65.000 Euro im Jahr würde sogar ein Steuersatz von 48,5 Prozent gelten. Und darüber würde ein Spitzensteuersatz von 58,5  Prozent angesetzt. Das hört sich erst mal nach viel an. Aber beispielsweise in Schweden lag der Spitzensteuersatz 2013 sogar bei 56,6 Prozent.5 Ohnehin verdienen nur 5 Prozent aller deutschen Steuerzahler mehr als 63.470 Euro im Jahr6 – die Belastung würde also nur eine sehr kleine Schicht besonders Wohlhabender treffen. Und außerdem würden die genannten Sätze nicht nur für Einkommen aus Arbeit gelten, sondern für alle sogenannten Primäreinkommen, also beispielsweise auch für Kapitaleinkünfte, die derzeit steuerlich gegenüber Einkommen aus Arbeit begünstigt werden: Kapitaleinkommen werden pauschal mit nur 25 Prozent besteuert. Auch die Unternehmensbesteuerung ist in Deutschland sensationell niedrig. Sie lag 2012 bei gerade einmal 29,83 Prozent. Zum Vergleich: Frankreich belastete die Gewinne seiner Unternehmen 2012 mit 36,1 Prozent, die USA sogar mit 39,62 Prozent.7 Was den Anteil der Unternehmensbesteuerung am gesamten Steueraufkommen angeht, so ist dieser in Deutschland von 7,8 Prozent im Jahr 1965 auf mittlerweile 4,2 Prozent im Jahr 2010 gesunken und lag damit sogar noch unter der Hälfte des OECD-Durchschnitts von 8,6 Prozent. Zum Vergleich: In Norwegen trugen die Unternehmen 2010 ganze 23,5 Prozent zum Steueraufkommen des Landes bei.8 Diese Zahlen sollen nicht zeigen, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren wäre. Sie sollen nur darauf hinweisen, dass die Frage der Finanzierung eine Frage der Umverteilung ist. Dass es also nur darauf ankommt, wie radikal die Umverteilung sein muss und ob der politische Wille dafür vorhanden ist. Dass es verschiedene Stellschrauben gibt, an denen man drehen kann. Nichts anderes tut der Staat ständig, wenn er auf der einen Seite Steuern einnimmt und auf der anderen Seite einen Haushalt aufstellt, also entscheidet, wofür er das Geld ausgeben will. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte entweder als Sozialdividende oder als negative Einkommenssteuer gezahlt werden. Sozialdividende hieße: Jeder bekommt 1.000 Euro bar auf die Kralle. Negative Einkommenssteuer würde bedeuten: Die Grundeinkommenszahlung

153

154

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

wird mit der zu zahlenden Einkommenssteuer verrechnet – wer keine Steuern zahlt, weil er kein sonstiges Einkommen hat, erhält eine Erstattung. Dieses Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist klar vom Ansatz eines Bürgergelds zu unterscheiden. Dessen Vertreter stellten sich vor, dass allerlei direkte Sozialtransfers verzichtbar würden, wenn man eine Art Hartz IV für alle einführte. Wodurch allerdings kein zusätzliches Geld in die Staatskassen gespült würde, sodass es unter dem Strich bestenfalls ein Nullsummenspiel wäre. Mit dem unerwünschten Nebeneffekt, dass der Staat sich aus seiner sozialen Verantwortung herausstehlen könnte. Wichtiger als alle Zahlen ist beim bedingungslosen Grundeinkommen jedoch die Frage, wie es überhaupt gerechtfertigt, begründet werden soll. Woraus leitet sich dieser Anspruch ab? Die Antwort lautet: Wenn man davon ausgeht, dass ein Einkommen eine notwendige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist, so muss man sicherstellen, dass jeder ein Einkommen hat. Will man gesellschaftliche Teilhabe sogar bedingungslos ermöglichen, also unabhängig davon, ob die Betroffenen arbeiten oder nicht, so hat man gar keine andere Wahl als ein solches Einkommen in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens zu zahlen. Es ist dann mehr als eine soziale Absicherung, nämlich ein Mittel, um den Individuen ein möglichst hohes Maß an Unabhängigkeit und Freiheit zu sichern, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen – etwa die Gegenleistung, dass die Betroffenen arbeiten gehen. Aber genau hier scheiden sich erfahrungsgemäß die Geister. Haben Leute, die nicht arbeiten, es verdient, trotzdem ein Einkommen zu erhalten? Ist es gerechtfertigt, eine Leistung ohne Gegenleistung zu bekommen?

I NCENTIVES Vielfach wird dies schon grundsätzlich abgelehnt. Der Ansatz verstößt gegen eine Theorie, die auch bei jenen sehr beliebt ist, die das Urheberrecht gegen seine Kritiker verteidigen zu müssen meinen. Gemeint ist die incentive theory, also die Anreiztheorie, die das gegenwärtige Urheberrechtsregime begründen und rechtfertigen soll. Sie beruht auf der Annahme, dass ein hohes Schutzniveau nötig sei, damit für Kreative ein Anreiz bestehe, weiter Werke zu schaffen. Dieser Anreiz ist als monetärer

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

gedacht: Nur weil der Urheber die Möglichkeit hat, mit seinen Werken Geld zu verdienen, macht er sich überhaupt die Mühe. Diese Juristenfabel suggeriert, ohne Urheberrecht gäbe es keine Kunst, was freilich ganz nach dem Geschmack der Juristen ist. Eine Leistung ohne Gegenleistung wird sogar als schädlich beurteilt, denn es wird unterstellt, Faulheit und Müßiggängertum müssten um sich greifen, fiele der Anreiz zur Arbeit weg. Dahinter steht die Idee: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Der angebliche »Anreiz« zur Arbeit besteht letztlich in einer Strafandrohung. Bei nüchterner Betrachtung scheint es ziemlich euphemistisch, dies als »Anreiz« zu bezeichnen. In Wirklichkeit ist es eher ein Zwang, denn essen müssen wir schließlich alle. Die Anreiztheorie ist nur plausibel, wenn vorausgesetzt ist, dass wir außerhalb der Arbeit keine Möglichkeit haben, unsere menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Dass uns also das Essen nicht einfach so zur Verfügung steht. Kritiker des geltenden Urheberrechts haben diese Theorie in Zweifel gezogen. Sie haben darauf hingewiesen, dass gerade Kreativschaffende nicht in erster Linie monetär, sondern intrinsisch motiviert sind. Sie arbeiten aus einer wie auch immer gearteten Eigenmotivation heraus. Sie wollen nicht in erster Linie viel Geld verdienen, sondern Kunst schaffen. Manche erkennen hierin sogar den Grund dafür, warum Urheberinnen und Urheber es meist nicht hinbekommen, faire Vertragsbedingungen auszuhandeln: Sie lieben ihre Arbeit so sehr, dass sie einfach nie Nein sagen, so schlecht die Bezahlung auch sein mag. Zwar reduziert eine solche These ein strukturelles Verhandlungsungleichgewicht auf persönliches Verhandlungsungeschick. Auch kann die Tatsache, dass Urheber zumeist nicht oder nicht nur um des Geldes willen arbeiten, kaum eine Rechtfertigung dafür darstellen, sie für ihre Arbeit nicht angemessen zu bezahlen. Trotzdem ist es richtig, dass Kreativschaffende in aller Regel nicht hauptsächlich monetär, sondern intrinsisch motiviert sind. Und darin liegt ein emanzipatorisches Potenzial, das häufig verkannt wird. Denn schließlich ist es kein Wert an sich, für Geld zu arbeiten. Im Gegenteil, es ist großartig, wenn man es sich leisten kann, einer Arbeit nachzugehen, die man für sinnvoll oder erfüllend hält, ohne darauf acht geben zu müssen, ob sie sich ökonomisch rentiert. Nur wenn man die eigene Arbeit nicht fremden Zwecken unterwerfen, sie etwa zur Absicherung des eigenen Lebensunterhalts leisten muss, sondern ihren Zweck selbst bestimmen kann, ist sie keine lästige Pflicht, sondern die Erfüllung

155

156

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

eines eigenen Bedürfnisses. Intrinsische Motivation ist nichts Defizitäres, sondern das Gegenteil von Zwang und damit die Grundlage persönlicher Autonomie. Die wenigsten Menschen in unserer Gesellschaft haben diese Freiheit. Gerade Künstlerinnen und Künstler gelten in dieser Hinsicht als privilegiert: Kreativschaffende, also Schriftsteller, Komponisten oder Filmemacher, suchen sich ihr Tun selbst aus. Kunst ist in aller Regel mehr als nur ein Broterwerb, nämlich ein Vehikel zu so etwas wie Selbstverwirklichung in der eigenen Tätigkeit. Auch wenn alle prototypischen Elemente künstlerischer Arbeit wie Selbstbestimmung, Kreativität und Autonomie zunehmend auch in anderen Arbeitsfeldern gefragt sind, bleibt ein wesentlicher Unterschied: Künstlerisches Schaffen scheint zweckfrei zu sein oder zumindest nicht vorgegebenen Zwecken der Profitmaximierung zu folgen. Das macht Kunst als Arbeit so ungemein attraktiv. In den Worten von Andreas Reckwitz: »Das Publikum bewundert im Künstler nicht nur dessen Produktivismus seiner Kunstwerke, sondern auch, dass er es sich erlauben kann, seiner Imagination zu folgen.« (Reckwitz 2012: 89) Diesen Ansatz zu verallgemeinern, ihn zu demokratisieren und einen radikalen Anspruch auf Autonomie und Selbstbestimmung für alle Mitglieder der Gesellschaft zu erheben, ist die Grundidee hinter dem Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Bedingungslosigkeit des Einkommens soll dabei die Unbedingtheit der eigenen Tätigkeit absichern, oder einfacher: Nur wenn man ein Recht auf ein Einkommen hat, das unabhängig von einer Gegenleistung gewährt wird, kann man über die eigene Tätigkeit wirklich frei verfügen. Denn nur dann ist man nicht gezwungen, sie zu instrumentalisieren, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Die Verwirklichung solcher Ideale von gesellschaftlicher Selbstbestimmung ist ein emanzipatorisches Projekt und eigentlich kein neues. In letzter Zeit hat sich jedoch ein Diskurs, der sich um Begriffe wie Freiheit und Selbstbestimmung dreht, in immer weitere gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt. Die Forderung nach Datensouveränität, die Debatte über das Eigentum an der Netzinfrastruktur, nicht zuletzt auch die Urheberrechtsdebatte, die in weiten Teilen der Gesellschaft als »free culture«Debatte geführt worden ist, also im Sinne der Selbstbestimmung über eine offene kulturelle Sphäre – all dies sind Anzeichen dafür, dass ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Autonomie lange nicht mehr so ausgeprägt war wie heute.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

N ONMARKE T PEER - PRODUCTION Yochai Benkler hat schon 2006 in seinem Klassiker »The Wealth of Networks« beschrieben, dass durchaus nicht nur Künstler intrinsisch motiviert arbeiten, sondern dass vielmehr ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einer freien, nicht auf monetäre Ziele ausgerichteten, selbstbestimmten Tätigkeit besteht. Erst mit dem Entstehen der Netzwerktechnologie, so Benkler, sind den Subjekten jedoch die Mittel zur Verwirklichung dieses Ideals an die Hand gegeben worden. Mit der Verbreitung von universal verwendbaren Computern zu erschwinglichen Preisen und dem offenen, gleichberechtigten Zugang zum Internet ist nach Benkler eine Sphäre der nichtkommerziellen, marktfernen Kollaboration entstanden. Es war vor allem das demokratisierende, emanzipatorische Potenzial der technischen Entwicklung, das Benkler faszinierte. Er beobachtete, dass Menschen plötzlich anfingen, gemeinsam nach unbekannten Himmelskörpern zu suchen, dass sie bei der Entschlüsselung von Erbgut zu helfen bereit waren und sich an netzbasierten politischen und kulturellen Projekten beteiligten. All dies ohne ökonomische Interessen, ohne Bezahlung, ohne Karriereabsichten. Im Zuge des digitalen Wandels ist somit ein neues, nicht marktwirtschaftlich orientiertes Gemeinwesen entstanden. Erkennbar war es zunächst an ebenfalls neuen, nicht-kommerziellen Medienöffentlichkeiten wie Blogs und Foren. Doch schon bald wurde deutlich, dass es sich in diesen nicht erschöpfte, sondern darüber hinaus die gesamte Sphäre der immateriellen Produktion betraf – und somit den Kernbereich der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Dass zahllose Individuen freiwillig und unbezahlt am Entstehen und Erhalt eines solchen Gemeinwesens im digitalen Raum mitzuwirken bereit waren, zeigt, dass das Versprechen, einer selbstbestimmten und autonom ausgestalteten Tätigkeit nachzugehen, ein weit größerer Anreiz sein kann als die Aussicht auf monetäre Belohnungen. Als Paradebeispiel dafür wird stets die Freie-Software-Bewegung genannt. Programmierer arbeiteten in ihrer Freizeit an Programmen, die sie Dritten zur Verfügung stellten und die von diesen Dritten weiterbearbeitet und verbessert werden konnten. Während Firmen wie Microsoft ihre Software für teures Geld verkauften und mit ihrer Marktmacht dafür sorgten, dass sie sich möglichst weit verbreitete, stand für die freien Programmierer die Zusammenarbeit in der Community im Vordergrund.

157

158

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Beachtenswert ist dabei, dass diese Leute in aller Regel Jobs hatten, und zwar gut bezahlte Jobs, mit denen sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie hatten ein Einkommen, das ihnen den Rücken freihielt. Ihre Arbeit an freier Software begriffen sie als einen Beitrag zum Gemeinwesen: Gute Software zu programmieren, die für selbstgewählte Zwecke eingesetzt werden konnte, empfanden viele von ihnen als so befriedigend und sinnvoll, dass sie dafür einen großen Teil ihrer Freizeit zu opfern bereit waren. Ein ähnlich bekanntes Beispiel ist die Wikipedia. Menschen aus aller Herren Länder begannen, gemeinsam an der großen Online-Enzyklopädie zu arbeiten, ohne Geld dafür zu bekommen und auch ohne den Ruhm und die Ehre einer Autorschaft im klassischen Sinne ernten zu können. Denn Wikipedia-Artikel können bekanntlich von jedermann editiert, also bearbeitet werden. So können Fehler rasch korrigiert werden, und die Qualität des Endprodukts wird ständig verbessert. All dies funktioniert bis heute blendend, obwohl keinerlei finanzieller Anreiz für eine Mitarbeit an dem Online-Lexikon besteht. Die Beiträgerinnen und Beiträger eint ein gemeinsames Interesse an »freiem Wissen«, und offenbar besteht eine starke Motivation, zur Verwirklichung dieses gemeinsamen Ideals freiwillige Beiträge zu leisten. Freilich spielt bei solchen Beiträgen zu einem digitalen Gemeinwesen im Rahmen einer non-commercial peer production auch die soziale Komponente eine Rolle. Im Prozess der Kollaboration wird man Teil einer Gemeinschaft, mit der man sich austauscht und mit deren Mitgliedern man gemeinsame Interessen teilt. Mit der Netzwerktechnologie ist nicht zuletzt die Möglichkeit zu einer Fülle von sozialen Aktivitäten entstanden, die früher so nicht möglich waren, jedenfalls nicht so direkt und zugleich ortsungebunden wie im Netz. Der technische Fortschritt hat die soziale Interaktion mobilisiert und verflüssigt, und er hat zu einer bis dato unbekannten Explosion von nichtkommerzieller Kreativität geführt. Kaum jemand wird bestreiten wollen, dass eine solche kreative und kommunikative Aktivität der Massen einen gesellschaftlichen Wert hat, der weit über ihre Verwertbarkeit hinausreicht. Ebenso unbestreitbar ist jedoch, dass die Wirtschaft rasch erkannt hat, wie sie diese Sphäre einer ursprünglich marktfernen Kollaboration für sich fruchtbar machen kann. Freie, ungebundene Kreativität ist mittlerweile längst zum Rohstoff für eine ökonomische Verwertung im Rahmen von kommerziellen Geschäftsmodellen geworden.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

W IKINOMICS Don Tapscott und Anthony D. Williams haben dies schon 2006 in ihrem Bestseller »Wikinomics« beschrieben (Tapscott/Williams 2007). Firmen, die in der Netzwerkökonomie erfolgreich sein wollen, so argumentiert der Ratgeber für Führungskräfte, müssen sich deren Bedingungen anpassen. Sie müssen nach Möglichkeit ihre Strukturen für offene Kooperationsprozesse öffnen. Eine vernetzte, nicht an bestimmte Orte oder feste Zeiten gebundene Zusammenarbeit mit einer großen Schaar von Freiwilligen oder im Rahmen von befristeten Projekten honorierten Mitarbeitern kann einem Unternehmen handfeste wirtschaftliche Vorteile bringen. Es geht darum, das kreative Potenzial verstreuter Freiwilliger zu nutzen, deren Fähigkeit und Bereitschaft, mit anderen in soziale Interaktion zu treten und in einem kooperativen Prozess Ideen und Lösungsansätze für vielfältigste Probleme zu entwickeln. Kollaboration ist schon immer der Schlüssel zu profitabler Arbeit gewesen. Fabrikarbeit ist die industrielle Variante solcher Kollaboration, das Großraumbüro ist deren Pendant in der Dienstleistungsgesellschaft. Die »Wissensgesellschaft« hat die kollaborative Selbstorganisation für sich entdeckt. Und wenn hier »Wissensgesellschaft« in Anführungsstrichen steht, so deshalb, weil das Wissen, das im Rahmen solcher Kooperation generiert und genutzt wird, gerade kein gesellschaftliches Wissen bleibt, sondern im Gegenteil eine private Aneignung durch jene erfährt, die diese Arbeit instrumentalisieren, indem sie sie auf die eigenen Zwecke ausrichten. Als frühes Paradebeispiel wird schon von Tapscott und Williams die Kooperation von IBM mit der Linux-Community genannt. Weil das Unternehmen sich auf eine ergebnisoffene Zusammenarbeit mit dieser freien und teils chaotisch organisierten Entwicklergemeinschaft einließ, konnte es eine Menge Ausgaben sparen, die für Forschung und Entwicklung draufgegangen wären, hätte IBM die Neuerungen, die seine Mitarbeiter in Kooperation mit der Community entwickelten, im eigenen Haus produzieren wollen. Unternehmen fahren immer dann am besten, so die Autoren, wenn sie nicht versuchen, fertige Produkte als abgeschlossene Einheiten anzubieten, sondern eher eine Plattform zur Verfügung stellen, die die eigenen Kunden für Weiterentwicklungen der Produkte nutzen können. Die Games-Branche, wo Nutzerinnen und Nutzer Spielfiguren

159

160

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

und virtuelle Güter selbst entwickeln und oft sogar gewinnbringend verkaufen können, ist ein weiteres Beispiel. Dass auch Plattformen, die auf user generated content basieren, kommerziell ausgewertet werden, ist bekannt. Wenn Freiwillige selbstgemachte Fotos bei flickr posten oder Videos bei YouTube hochladen, tragen sie mit dieser unbezahlten Arbeit nicht nur zur Steigerung der Attraktivität dieser Plattformen bei, die schließlich von der Vielfalt ihrer Inhalte leben. Sie hinterlassen auch Datenspuren, die in aggregierter Form ausgewertet und in automatisierten Versteigerungen sekundenschnell an die meistbietenden Werbetreibenden verscherbelt werden können. Bei sozialen Netzwerken wie Facebook kommt noch der Netzwerkeffekt hinzu: Je mehr Nutzer sich beteiligen, desto attraktiver wird das Netzwerk wiederum für neue Nutzer, und die Gewinne des Unternehmens steigen. Die Gemeinsamkeit dieser Plattformen besteht darin, dass sie gerade keine eigenen Inhalte anbieten, sondern Infrastruktur zur Verfügung stellen, deren reibungsloses Funktionieren garantieren und sich ansonsten darauf konzentrieren, den kreativen und kommunikativen Input ihrer Nutzer zu kanalisieren. Doch die Umbrüche der Netzwerktechnologien gehen weit über den Kernbereich der digitalen Wirtschaft hinaus. Amazons Mechanical-TurkService zeigt, dass der technische Wandel auch die sonstige Arbeitswelt revolutioniert hat. Mechanical Turk ist eine Art digitaler Sweatshop: Unternehmen können hier einfache Aufgaben, die gleichwohl nicht ohne Weiteres mechanisch zu erledigen sind, als Mikro-Jobs ausschreiben, auf die Freiwillige sich bewerben können. Diese Aufgaben, etwa Webrecherche, die Korrektur automatischer Übersetzungen oder die Markierung von Fotos, sind meist innerhalb weniger Minuten zu erledigen und werden mit Beträgen im Centbereich vergütet. Wenn überhaupt. Der Auftraggeber kann nämlich auch eine Aufgabe, etwa den Entwurf eines Produktlogos, mehrmals vergeben und am Ende nur das eine Design bezahlen, das ihm am besten gefällt. »Sie zahlen nur für das, was Sie auch tatsächlich nutzen«, wirbt Amazon auf seiner Webseite. Das Unternehmen verdient an jeder Transaktion eine Kommission von 10 Prozent.9 Amazon ist kein Einzelfall. Bei Anbietern wie Odesk, Elance oder Twago läuft es ähnlich. Sie alle machen sich die globale Konkurrenz zunutze, die innerhalb des Kreativprekariats herrscht. Cloudworking, wird diese Form der Jobvermittlung über Onlineportale genannt. Letztlich handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung des Outsourcing, sozu-

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

sagen eine verschärfte Form von Zeitarbeit. Längst träumen auch große Unternehmen davon, zukünftig immer mehr Aufgaben auf diese Weise erledigen zu lassen. So hat IBM 2012 ein Konzept unter dem Namen »IBM Liquid« angekündigt: Neue Entwicklungsprojekte sollen zukünftig verstärkt auf kollaborativen Plattformen ausgeschrieben werden. Die eigene Belegschaft wird entsprechend abgebaut. Allein in Deutschland sollen dabei bis zu 20.000 Stellen verloren gehen.10 Großer Beliebtheit erfreuen sich mittlerweile auch »Ideenwettbewerbe«, die auf Prinzipien des Crowdsourcing basieren. Die Nutzer entsprechender Portale werden aufgefordert, für bestimmte Probleme, etwa Prozessabläufe in einer Produktionseinheit, kreative Lösungsansätze zu entwickeln. Das Erfolgsgeheimnis solcher Portale liegt in der scheibchenweisen Aufteilung der zu lösenden Frage und der Verteilung der Denkarbeit auf möglichst viele Köpfe. Häufig beteiligen sich hochkompetente Experten an solchen Portalen, und idealerweise sind es so viele, dass kein einzelner Kopf die Kreativität, die er da investiert, als Arbeit empfindet. Nicht nur technische Lösungen, sondern etwa auch die Entwicklung eines Designs für eine neue Marke kann auf diese Weise einer amorphen Masse von Freiwilligen überlassen werden. Dass diejenigen, die an solchen Projekten mitarbeiten, untereinander kommunizieren und die Vorschläge gegenseitig verbessern können, macht das Ganze noch profitabler. Denn durch die Verbesserungsvorschläge Dritter kommt in aller Regel ein besseres Ergebnis zustande. Bezahlt wird aber am Ende meist nur der Gewinner. Und nicht zuletzt ist die App-Economy zu nennen, die sich um Produkte von Apple und Google herum entwickelt hat. Zahlreiche freie Programmierer arbeiten ohne Bezahlung an kleinen Programmen für Smartphones, die in den proprietären Shops der großen Unternehmen oft völlig umsonst zum Download angeboten werden. Und wenn sie doch etwas kosten, verdient der Portalanbieter bei jedem Download mit. Mit ihrer Arbeit werten die freien Programmierer die Plattformen, auf denen diese kleinen Anwendungen laufen, ständig auf, und damit wiederum tragen sie zum besseren Verkauf der Endgeräte bei. Was bedeutet diese Entwicklung? Die Unternehmen wissen, dass heutzutage nicht mehr Arbeit, sondern Kreativität die wesentliche Produktivkraft ist. Um sich diese anzueignen, brauchen sie keine Arbeitsverträge mehr anzubieten. Mussten sie früher Mitarbeiter bezahlen, die Marktstudien betrieben und sich Ideen für neue Produkte einfallen lie-

161

162

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

ßen, schaffen sie heute zunehmend Strukturen, in deren Rahmen sie solche Aufgaben auf viele Schultern verteilen können. Mitunter schließen sie noch projektbezogene Verträge mit freiberuflichen Mitarbeitern, doch oft nehmen diese nur noch Koordinationsaufgaben wahr. Es ist ein Kennzeichen der Netzwerkökonomie, dass die Grenzen zwischen individueller Freizeit, freiwillig geleisteten Beiträge im Rahmen unterschiedlicher Communities und freiberuflicher Erwerbsarbeit verfließen, bis zur Unkenntlichkeit. Die in den achtziger Jahren modische Teamarbeit ist durch den Imperativ der jederzeitigen und möglichst umfassenden Vernetzung ersetzt worden. Nicht die Erledigung der Arbeit ist im Zeitalter der Vernetzung die wesentliche Herausforderung, sondern die möglichst effiziente Einbindung einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Einzelbeiträge und die möglichst intensive Nutzung ihres jeweiligen Wertschöpfungspotenzials. Freiwillige, nicht unmittelbar zweckorientierte Kreativität der Massen ist der Humus, in dem moderne Unternehmen Wurzeln schlagen. Sie ist der Nährboden für ihre »Geschäftsmodelle« und »Innovationen«. Sie ist mehr als nur ein »kreatives Umfeld«, nämlich die eigentliche Bedingung dafür, dass überhaupt immaterielle Wertschöpfung stattfinden kann – und diese ist heute weit profitabler als die traditionelle Güterproduktion. Diese neue Form des Wirtschaftens ist zu Beginn der Jahrtausendwende nicht zuletzt von den Betroffenen selbst gefeiert worden, als Befreiung der Arbeit von den Zwängen der fordistischen Industriegesellschaft. »Wir nennen es Arbeit«, lautete der emphatische Slogan der sogenannten digitalen Bohème, die die Ununterscheidbarkeit von freiwilliger Teilhabe an allerlei digitalen Vernetzungsaktivitäten einerseits und professioneller Erwerbsarbeit andererseits auf die Spitze trieb. Für die Befreiungsthese sprach dabei vor allem die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wer nur projektbezogen oder im Rahmen loser Kooperation mit Unternehmen zusammenarbeitete, statt einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, konnte offenbar über die eigene Zeit viel freier verfügen als ein Angestellter. Das schien auf den ersten Blick plausibel. Nicht zufällig hatten sich die Kämpfe von Gewerkschaften und Arbeitgebern seit jeher um die Länge des Arbeitstags gedreht. Jede Stunde, die der Arbeitnehmer bei solchen Verhandlungen gewonnen hatte, war eine Stunde gewesen, über die er selbst verfügen, die er zu eigenen Zwecken verwenden konnte. Selbstständige, kollaborative Arbeit ist jedoch nicht automatisch auch freie Arbeit. Und Firmen, die ohnehin hauptsächlich mit Freiberuf-

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

lern zusammenarbeiten, haben gar kein Interesse, deren Produktivität zu hemmen, indem sie sie etwa auf feste Arbeitszeiten festnageln. Im Gegenteil, weil es nicht mehr auf die Arbeitszeit, sondern auf das Wissen und die Kreativität der Einzelnen ankommt, sind der Nutzung dieser Ressourcen durch das Unternehmen keine Grenzen mehr gesetzt. Die Wikinomics sind sozusagen die Antwort des Kapitalismus auf Benkler gewesen. Die durch die Netzwerktechnologien eröffnete Möglichkeit, die eigene Arbeitsweise, vor allem aber auch den Zweck der eigenen Arbeit selbst zu bestimmen, barg in sich das Potenzial zu einer Selbstbefreiung von entfremdeter Arbeit. Es eröffnete die Möglichkeit, die eigene Arbeit der Fremdbestimmung durch vorgegebene Zwecke zu entziehen. Aber Technik wirkt nie von selbst schon emanzipatorisch. Die mittlerweile weitgehend vollzogene Umstellung der Ökonomie auf die Bedingungen der Netzwerkgesellschaft, also weg vom Fordismus, hin zu Wikinomics, hat dieses Potenzial längst wieder eingefangen. Die Unternehmen haben einen Weg gefunden, die Produktivkraft der Massen für sich zu nutzen, ohne sie in das alte Korsett zurückzuzwängen.

M EHR R EICHTUM , WENIGER A RBEIT Nicht zufällig ist heute »Innovation« ein so beliebtes Schlagwort. Damit ist der Übergang von der klassischen Arbeitsgesellschaft zu einer Immaterialgüterökonomie markiert. Marx ging noch davon aus, dass der Wert einer Ware durch die Menge an Arbeit bestimmt werden kann, die in ihre Produktion investiert werden muss. Heute hängt der Wert neuer Produkte davon ab, wie »innovativ« sie sind, wie viel Kreativität in sie eingeflossen ist. Innovation bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass alle sechs Monate ein neuer Stecker auf den Markt kommen muss, der mit den alten Modellen nicht kompatibel ist, aber dafür neu und schick aussieht. Innovation ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts zum unternehmerischen Prinzip par excellence geworden. Was zuerst und allein Werbeagenturen machten, nämlich in möglichst rascher Abfolge immer wieder neue und überraschende Ideen entwerfen, machen heute alle modernen Unternehmen. Damit reagieren sie nicht zuletzt auf die Sättigung der Gütermärkte. Wo es alles schon gibt, kann der Konsum nur in Gang gehalten werden, wenn er auf Immaterielles umgelenkt wird. In einer umfassenden Aufmerksamkeitsökonomie, in der die ständige Produktion von Neu-

163

164

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

igkeiten, von Originalität, Authentizität und Individualität zum wesentlichen ökonomischen Faktor geworden ist, ist der Markt materieller Güter nur noch ein Sonderfall, stellt Andreas Reckwitz fest (Reckwitz 2012). Verdient wird nicht mehr in erster Linie mit der materiellen Produktion, sondern mit Produktideen, mit Phantasmagorien. Auch wenn am Ende immer noch irgendein Produkt verkauft werden muss, so hängt dessen Marktwert kaum von der Arbeit und den sonstigen Produktionskosten, ja nicht einmal mehr vom konkreten Gebrauchswert der Ware ab, sondern im Wesentlichen von der ideellen Aufladung des Produkts. Wer heute ein Smartphone kauft, tut dies nicht wegen der technischen Funktionalität des Geräts und wohl nur begrenzt wegen der Marke, sondern wegen des Zugangs zu potenziell unerschöpflichen Sphären der Kommunikation und Vernetzung, die der Besitz des Geräts ihm zu eröffnen verspricht. »Innovationen« und »Geschäftsmodelle« müssen am laufenden Band entwickelt werden, weil das Produkt, das die Firmen in Wirklichkeit verkaufen, wesentlich immateriell ist. Das setzt voraus, dass auch die Arbeit, in welcher Weise auch immer die Unternehmen sie sich aneignen, mehr ist als Dienst nach Vorschrift. Um produktiv zu sein, darf sie sich nicht mehr in der Erfüllung vordefinierter Aufgaben erschöpfen, sondern muss kreative Arbeit werden. Kreative Selbstverwirklichung, die Verfolgung eigener Ziele in der beruflichen Tätigkeit und der Wille, sich mit eigenen Ideen in die Arbeit einzubringen, sind heute keine Anliegen mehr, die auf den Widerstand halsstarriger und autoritärer Vorgesetzter stoßen würden. Im Gegenteil: Sie gehören zum Standard-Anforderungsprofil für jede neu zu besetzende Position. »Wenn es einen Wunsch gibt, der innerhalb der Gegenwartskultur die Grenzen des Verstehbaren sprengt«, schreibt Andreas Reckwitz, »dann wäre es der, nicht kreativ sein zu wollen«. Kreativität ist kein Privileg von Künstlern mehr. Im Gegenteil: Die Art und Weise, wie Künstler arbeiten, ist zur Blaupause für die Arbeit im postindustriellen Zeitalter geworden. Diese Entwicklung lässt sich in Reckwitz’ Buch über die »Erfindung der Kreativität« gut nachverfolgen.Der Autor legt dar, wie die Gesetzmäßigkeiten künstlerischen Schaffens seit dem 19. Jahrhundert auf immer weitere gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt wurden, bis Kreativität zum Strukturmodell für nahezu jede Art von gesellschaftlicher Arbeit geworden ist. Der Künstler im engen Sinne ist heute nur noch ein Kreativschaffender unter vielen. Die Anforderungsprofile zahlreicher Berufe

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

entsprechen zunehmend dem des Künstlers. Sie verlangen dem Einzelnen weniger eine messbare Leistung als vielmehr eine semiotische, intellektuelle Arbeit ab. Umgekehrt ist der Kreative, anders als noch im 19. Jahrhundert, keine gesellschaftliche Außenseiterfigur mehr, sondern Teil der creative class, die ihrerseits immer größer wird. Wenn aber nicht mehr die Arbeit von Beschäftigten, sondern die soziale Kreativität freier, ungebundener Massen von Kreativen die Quelle des geschaffenen Reichtums darstellt, während zugleich die Konsumenten mit ihren eigenen Ideen und Vorstellungen zunehmend in die Produktentwicklung einbezogen werden – kann dann noch begründet werden, dass Arbeit die Voraussetzung dafür bleiben soll, an diesem Reichtum teilzuhaben? Als noch menschliche Arbeit der wesentliche Wertschöpfungsfaktor war, kamen in den westlichen Gesellschaften die klassischen Modelle der Sozialpartnerschaft zum Tragen. In Zeiten der immateriellen Wertschöpfung versagen diese. Wenn aber weltweit die Gewinne der Unternehmen steigen, während die Arbeit immer knapper wird und immer ungleicher verteilt ist – muss man dann nicht einen Anspruch aller Mitglieder der Gesellschaft erheben, an dem so erzeugten Reichtum zu partizipieren? Dass der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts keine Gewinne mehr macht, indem er seine Produktivität steigert, sondern indem er Raubbau am Gemeinwesen betreibt, ist allenthalben zu beobachten. Am Augenfälligsten ist es auf den Finanzmärkten, wo im Namen der Krisenbekämpfung die fiktiven Verluste der Banken mit realwirtschaftlichen Werten substituiert werden. Im Bereich der kulturellen und öffentlichen Gemeinsphäre findet man die Parallele, dass die soziale Kreativität der Massen zum Rohstoff für die viel zitierten »neuen Geschäftsmodelle« der »innovativen« Unternehmen wird. Innovation entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern sie gedeiht stets im Kontext eines kulturell reichen und vielfältigen Gemeinwesens. Mit den Worten eines des Marxismus Unverdächtigen: »Die Öffnung der Produktionsverhältnisse für die Konsumenten, die eine beiderseitige Transparenz suggeriert, erweist sich letzten Endes als Ausbeutung des Sozialen.« (Han 2012: 81) Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen zieht die Konsequenz aus dieser zunehmenden Ökonomisierung der peer production. Es geht dabei um eine Umverteilung der Gewinne jener Unternehmen, die auf der Nutzbarmachung freier, kreativer Kollaboration der Massen basieren, an die eigentlichen Produzenten.

165

166

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Dass infolge des digitalen Wandels die klassische Erwerbsarbeit ihre Funktion, Quelle gesellschaftlichen Reichtums zu sein, verloren hat, hat als einer der ersten Andre Gorz erkannt. Er hat in seinem Buch »Arbeit zwischen Misere und Utopie« (Gorz 2000) beschrieben, wie der technische Fortschritt seit den 60er Jahren zu einem Produktivitätszuwachs geführt hat, der mit einer Vernichtung von Arbeitsplätzen einherging. Während in den siebziger Jahren der Staat durch öffentliche Ausgaben neue Arbeitsplätze schuf, wo alte wegfielen, reduzierte er seine Rolle seit den 80ern darauf, die Grundlagen des wirtschaftlichen Wettbewerbs abzusichern. Parallel konnten die Unternehmen ihre Produktivität durch die Digitalisierung ein weiteres Mal erheblich steigern. Um jedoch auch ihren Umsatz zu steigern, mussten sie mehr exportieren, also ihren Anteil am Weltmarkt ausdehnen. Dies setzte eine Globalisierung bei gleichzeitiger Liberalisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt voraus. Mit dem Ende des ökonomischen Nationalismus fingen Staaten an, um Standortvorteile für die Niederlassungen großer Firmen zu konkurrieren. Die Nationalstaaten verloren in Bezug auf die Arbeitswelt an Gestaltungsmacht, die World Trade Organization gewann an Bedeutung. Zwischen 1980 und 2010 ist das Welthandelsvolumen von 2.375.411 Millionen US-Dollar auf 22.633.214 Millionen US-Dollar angewachsen, hat sich also fast verzehnfacht.11 Mit der bloßen Produktion von Konsumgütern ist kaum noch Geld zu verdienen. Sie wird in andere Länder outgesourced, wo Arbeit billiger denn je zu haben ist. Das nationale Statistikbüro Chinas schätzte die Zahl der Wanderarbeiter, die überwiegend für Weltmarktfabriken arbeiten, für 2012 auf 262,61 Millionen.12 Es ist längst nicht mehr die Textilindustrie allein, die vom globalen Outsourcing profitiert, sondern es sind gerade auch die Wachstumsbranchen der Immaterialgüterwirtschaft. Im Bereich der IT-Dienstleistungen liegt der Anteil der Arbeit, für die weniger Lohn gezahlt wird als auf dem Heimatmarkt, einer Meldung des Handelsblatts von 2012 zufolge für IBM bei 51 Prozent, für Accenture bei 44 Prozent, für Cap Gemini bei 36 Prozent und für T-Systems bei 21 Prozent. 13 Unternehmen verhandeln mittlerweile auf Augenhöhe mit Staaten über die Bedingungen für eine Niederlassung. Den Zuschlag erhalten jene Regionen, wo die geringsten Löhne und die niedrigsten Steuern gezahlt werden müssen. So entstehen die sogenannten »gains from trade«, also die Gewinne, die im Wesentlichen auf Unterschieden in den Lohn-

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

und Lohnnebenkosten sowie bei den Sozial- und Umweltstandards basieren.14 Mit abenteuerlichen juristischen Konstruktionen gelingt es den Unternehmen zudem, sich in ihren Heimatländern dem Fiskus zu entziehen. Immer wieder ziehen gerade die großen Internetunternehmen wegen ihrer Steuervermeidungskonstrukte erhebliche Kritik auf sich.15 Liegen die Lohnquoten (Anteil der Löhne am Volkseinkommen) in den 70er Jahren in vielen EU-Ländern noch bei um die 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, fallen sie bis 2012 auf Werte zwischen unter 50  Prozent (Griechenland) bis 64  Prozent (Großbritannien). Die Profitquoten, also der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen, steigen spiegelbildlich an.16 Zwischen 1991 und 2010 verdoppeln sich in Deutschland die Kapitaleinkommen. Hingegen erleiden die Arbeitnehmer einen realen Verlust von 0,7  Prozent.17 Die Arbeitslosenquote steigt zwischen 1960 und 2012 von unter 1 Prozent auf über 6,8 Prozent an, während zugleich die private Nettoinvestitionsquote von über 9 Prozent auf unter 2 Prozent fällt.18 Es werden also immer geringere Anteile der Gewinne in Form von Löhnen ausgezahlt oder in die Produktion investiert. Das bedeutet: Für die Erschaffung von immer mehr Reichtum und Wohlstand ist immer weniger Arbeit nötig. Die Digitalisierung hat zu dieser Produktivitätssteigerung maßgeblich beigetragen und wird es weiter tun, wie die Bundestags-Enquete-Kommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität« feststellt, »wobei allerdings die Reduktion menschlicher Arbeit vorrangiges Ergebnis sein dürfte«.19 Hat die Arbeitsplatzvernichtung zunächst vor allem die einfachen Tätigkeiten betroffen, für die keine besonderen Qualifikationen nötig sind, so wird diese Schwelle durch den technischen Fortschritt immer weiter erhöht. Mittlerweile hat der digitalisierungsbedingte Arbeitsplatzabbau die Mittelstandsberufe erreicht. Schon heute werden viele Aufgaben, die klassischerweise Sekretärinnen übernommen haben, von Computerprogrammen erledigt. Automatische Übersetzungen sind handhabbar geworden, und Computer sind in der Lage, kurze Berichte über Fußballspiele zu schreiben. Übrig bleiben schlecht bezahlte Dienstleistungen, von der Pizzabäckerei über die Kinderbetreuung bis hin zur Fahrerei. Das Geld, das nicht in Produktion und Löhne investiert wird, fließt in die Finanzwirtschaft, die sich seit den achtziger Jahren als eigene Wirtschaftsform etabliert hat. Auch hier hat die Digitalisierung die Produktivität gesteigert und zu einer extremen Verkürzung der Kapitalum-

167

168

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

schlagszeit geführt. Im Bereich des High Frequency Trading, also des algorithmenbasierten Börsenhandels, ist sie in den Bereich von Millisekunden gesunken. Unternehmen können auf den Finanzmärkten weit höhere Gewinne erzielen als im Bereich der materiellen Produktion. Entsprechend folgen Investitionen in der realen Wirtschaft heute jenen in der Finanzwirtschaft: Ob, was und wo produziert wird, hängt nicht von den mit der Produktion zu erzielenden Gewinnen ab, sondern von den Renten, die durch Spekulation auf diese Gewinne auf den Weltfinanzmärkten erzielt werden können. Die Finanzwirtschaft ist die Leitwirtschaft, deren Entwicklungen die sonstigen Märkte folgen. Zuletzt, am Ende der Wertschöpfungskette, gilt dies auch für die Arbeitsmärkte, welche seit den achtziger Jahren so weitgehend dereguliert worden sind, dass Arbeit überall frei und ungebunden verfügbar ist, also je nach Bedarf eingekauft werden kann. Das Problem ist in diesem Zusammenhang nicht, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet hat, sondern dass der gesellschaftliche Stellenwert der Arbeit derselbe geblieben ist, der er schon in den 50er Jahren war. Arbeit ist die wesentliche Zugangsvoraussetzung zu gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe geblieben. Systematisch werden jedoch immer größere Teile der Bevölkerung von einer solchen Teilhabe ausgeschlossen. Sofern man gesellschaftliche Teilhabe als Grundrecht versteht, ist das nicht hinnehmbar. Wenn Arbeit systembedingt knapp ist, darf sie nicht die Bedingung dafür sein, dass man dazugehört. In früheren Zeiten mag die Behauptung, wer nicht arbeite, lebe auf Kosten der anderen, die dies sehr wohl täten, richtig gewesen sein. In den letzten dreißig Jahren ist aber weltweit der Reichtum immer größer geworden, während die Median-Einkommen stagnierten oder sogar gefallen sind.20 Längst ist nicht mehr Arbeit der wesentliche Wertschöpfungsfaktor, sondern Kreativität, und zwar nicht die Kreativität Einzelner, sondern die Kreativität aller, die an der vernetzten Gemeinsphäre teilhaben. Die materielle Produktion wird von Maschinen erledigt oder in Billiglohnländer outgesourced, und Tätigkeiten wie etwa die von Krankenpflegern, bei denen das nicht ohne Weiteres möglich ist, sind wenig rentabel und werden entsprechend schlecht bezahlt. Die größten Profite werden mit immaterieller Wertschöpfung erzielt, wobei eines der wesentlichen Ziele darin besteht, durch weitere Produktivitätssteigerung noch mehr Arbeit überflüssig zu machen.

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

K RE ATIVE A RBEIT UND G RUNDEINKOMMEN Deshalb greift auch der Ansatz eines Mindestlohns zu kurz. Ein Mindestlohn schränkt die Vertragsfreiheit zum Schutz der Arbeitnehmer ein und garantiert, dass für Arbeit mindestens ein festgelegter Gegenwert gezahlt wird. Für den klassischen Arbeitsmarkt ist das ein sinnvolles Regulierungsinstrument. Es versagt aber dort, wo nicht mehr Arbeit die Grundlage der Wertschöpfung darstellt, sondern, wie hier argumentiert wird, general intellect, soziale und kreative Tätigkeiten. Wie soll die Höhe eines Mindestlohns bestimmt werden, wenn die Arbeitszeit als Bemessungsgrundlage wegfällt? Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde hingegen dafür sorgen, dass alle, die in einer modernen Netzwerkökonomie einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, auch tatsächlich an den entsprechenden Gewinnen beteiligt werden. Nämlich nach dem Grundprinzip, dass über eine steuerliche Umverteilung der gesamtwirtschaftlich erarbeitete Reichtum so verteilt würde, dass alle angemessen an ihm partizipieren. Auch jene, die unbezahlte Leistungen erbringen, weil die Wirtschaft und übrigens auch die Gesellschaft sich ihr kreatives Potenzial zunutze machen, ohne ihnen dafür ein Einkommen zu zahlen. Der Anspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen ist also die Verallgemeinerung der Urheber-Forderung nach einer angemessenen Beteiligung an den Erträgen aus der Nutzung ihrer Werke. Es geht nicht darum, ein bedingungsloses Grundeinkommen als sozialen Ausgleich einzuführen, aus dem Gedanken einer Sozialpflichtigkeit von Eigentum heraus, oder, was ungefähr dasselbe ist, als Almosen, das die Leistungsträger den Minderleistern zahlen sollten. Es geht nicht um einen Ausgleich der Ergebnisse von Marktgerechtigkeit durch soziale Gerechtigkeit, um die Begriffe von Wolfgang Streeck zu benutzen (Streeck 2013: 91). Sondern es geht darum, von jenen, die mit der kollektiven Kreativität und Intelligenz ihre Gewinne einfahren, den eigenen Anteil einzufordern. Für ein bedingungsloses Grundeinkommen spricht darüber hinaus auch ein moralischer Gedanke. Unabhängig davon, dass einzelne Unternehmen oder die Gemeinschaft von der Existenz einer nichtkommerziellen, gemeinfreien Sphäre der non-market peer production profitieren, besteht für eine hochkomplexe Gesellschaft eine moralische Verpflichtung, die persönliche Autonomie und Freiheit des Einzelnen weitestmöglich

169

170

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

abzusichern. Die Absicherung der wirtschaftlichen Existenz und darüber hinaus der Möglichkeit solcher Teilhabe ist dafür die erste Voraussetzung. Nur wenn sie erfüllt ist, kann der Einzelne tatsächlich frei über seine kreativen Potenziale verfügen. Mit einem Zwang zur Erwerbsarbeit ist diese Freiheit nicht zu vereinbaren. Sie muss die Möglichkeit zur Untätigkeit ebenso enthalten wie die Chance, den Zweck des eigenen Tuns selbst zu bestimmen. Die Grundannahme ist natürlich eine Setzung, nämlich dass die Maximierung der persönlichen Freiheit des Einzelnen in seiner Lebensgestaltung ein gesamtgesellschaftlich erstrebenswertes Ziel ist. Akzeptiert man diese Setzung nicht, braucht man auch kein Grundeinkommen. Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht jedoch die Verwirklichung jener Freiheit, indem es den Einzelnen vom Zwang befreit, ein Einkommen dadurch zu erzielen, dass er die eigene Arbeit, die eigene Kreativität, das eigene Engagement und das eigene Wissen zu nicht selbstbestimmten Zwecken einsetzt. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die beliebte Frage beantworten, wie hoch ein Grundeinkommen sein muss: hoch genug um sicherzustellen, dass der »Anreiz« zur Arbeit, der in Wirklichkeit ein Zwang ist, wegfällt. Ein Einkommen, das nur als Gegenleistung für den Verkauf der eigenen Arbeit, der eigenen Kreativität und des eigenen Engagements für eine Sache gewährt wird, wäre mit diesem Anspruch unvereinbar. Aus demselben Grund ist auch ein Grundeinkommen, das unterhalb des Existenzminimums läge, abzulehnen. Denn ein solches würde den Zwang zum fremdbestimmten Arbeiten aufrechterhalten und lediglich die Arbeit für jene, die sich ihren Wert aneignen, verbilligen. Es wäre also eine Lohnsubvention, ähnlich einem Kombilohn. Die Frage nach der Höhe des Grundeinkommens ist also keine relative, sondern eine absolute. Freiheit ist stets die Freiheit, Nein sagen zu können, nicht zuletzt zu einer schlechten und nicht selbstbestimmten Arbeit. Jede Zahlung, die nicht ausreicht, um diese Freiheit zu garantieren, erhält die Unfreiheit, statt sie zu überwinden. Die Folge eines echten bedingungslosen Grundeinkommens wäre hingegen, dass man Beschäftigungen, die nicht gut genug bezahlt sind und kaum die Möglichkeit bieten, eigene Interessen und Ziele zu verfolgen, nur noch anzunehmen bräuchte, wenn sie sich finanziell wirklich lohnen. So würden alle unattraktiven und derzeit schlecht bezahlten Arbeiten im Wert steigen. Friseure oder Krankenpfleger bräuchten ihre

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

Arbeit nur auszuüben, wenn sie einen angemessenen Gegenwert dafür erhielten – anders als heute, wo diese Tätigkeiten chronisch unterbezahlt sind. Es sind nämlich Tätigkeiten, deren Produktivitätsrate nicht oder nur wenig steigerbar ist, was zu ihrer kontinuierlichen Entwertung beiträgt, die sich in immer niedrigeren Löhnen ausdrückt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte diese Abwärtsspirale umkehren. Last, not least wäre ein solches Grundeinkommen geeignet, die vielleicht krasseste Spaltung zu überwinden, die unsere Gesellschaft jenseits aller sozialen Barrieren kennt, nämlich die zwischen Erwerbstätigen und unfreiwillig Untätigen. Bedingte in früheren Zeiten die Notwendigkeit zur Arbeit die Knappheit der freien Zeit, so bedingt heute die Knappheit der Arbeit die unfreiwillige Beschäftigungslosigkeit immer größerer Bevölkerungsteile. Die Stigmatisierung der unfreiwillig Beschäftigungslosen und die ständige Angst der Beschäftigten vor dem sozialen Abstieg führen zu einer Lähmung der schöpferischen Kräfte, an denen diese Gesellschaft reich ist.

A USBLICK Dass hier nicht erwogen wird, ein Grundeinkommen nur für Künstler einzuführen, dürfte deutlich geworden sein. Wenn von Kreativität als wesentlicher Produktivkraft die Rede ist, ist schließlich nicht nur künstlerische Kreativität im engeren Sinne gemeint. Zugleich ist offensichtlich, dass etwa die in letzter Zeit viel diskutierten Managergehälter, die mit der Kompetenz und dem Wissen dieser Leute begründet werden, in keinerlei Verhältnis zu deren tatsächlichem Anteil an der Produktivität ihrer Unternehmen stehen, mag diese auch wesentlich immateriell sein. Wohingegen der Anteil, den viele schlecht bezahlte Dienstleister, von der Kinderfrau bis zum Pizzabäcker, an der wissensbasierten Wertschöpfung haben, meist übersehen wird, wie Rainer Fischbach zutreffend festgestellt hat (Fischbach 2005: 237). Die Betonung der Bedeutung immaterieller Wertschöpfung dient oft eher der Rechtfertigung einer Umverteilung von unten nach oben, als dass sie auf die angemessene Beteiligung aller abzielen würde, die an dieser Wertschöpfung beteiligt sind. Umso dringlicher ist es geboten, diesen Anspruch zu erheben. Man mag einwenden, dass eine Auffassung von Kreativität als gesellschaftliche Produktivkraft wenig Anhaltspunkte dafür liefern kann,

171

172

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

wie die konkreten Probleme professioneller Kreativschaffender zu lösen sind, die in Zeiten des digitalen Wandels nicht mehr wissen, wovon sie ihre Miete zahlen sollen. Die Frage, wovon Kreativschaffende leben sollen, wenn nicht vom Urheberrecht, mit einem allgemeinen Verweis auf Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen zu beantworten, erscheint unbefriedigend. Schließlich ist das bedingungslose Grundeinkommen derzeit realpolitisch völlig utopisch. Utopien haben jedoch eine konkrete Funktion: Sie schärfen den Blick für politische Zielsetzungen und schaffen die Möglichkeit, Konzepte und Ansätze nicht allein an ihrer praktischen Umsetzbarkeit zu messen, sondern auch daran, ob sie Schritte sind, die sich solchen Zielen annähern oder welche, die sich davon entfernen. Schritte, die sich von dieser Utopie entfernen, sind alle Maßnahmen, die die Abhängigkeit des Einzelnen von fremdbestimmter Arbeit verstärken, oder, was meist auf dasselbe hinausläuft, dazu führen, dass nicht die kreativ Tätigen selbst, sondern Dritte von ihnen profitieren. Zum Beispiel das liberale Bürgergeld: Ein Grundeinkommen, das nicht zum Leben reicht, sondern bloß Arbeit billiger macht und zugleich den Zwang zur Arbeit aufrecht erhält, gewinnt für die Autonomie der Subjekte nichts. Ähnliches gilt für die Copyright Wars: Den Schutz des Urheberrechts immer mehr zu verstärken und auszuweiten, etwa durch die Verlängerung von Schutzfristen oder die Einführung neuer Schutzrechte, bringt den Kreativen ebenfalls nichts, so lange nicht sie davon profitieren, sondern die Medienindustrie. Annäherungen an die beschriebene Utopie sind hingegen alle Formen von Unterstützung einer größeren Selbstbestimmung der Subjekte über ihre kreativen Tätigkeiten, deren Zwecke und Produkte. Solche Unterstützung kann struktureller Art sein. Der Staat kann Infrastruktur zur Verfügung stellen, die selbstbestimmtes kreatives Arbeiten unterstützt. Bibliotheken sind dafür ein gutes Beispiel, da sie Wissensressourcen zugänglich machen, die für die Produktion neuer kreativer Werke benötigt werden. Je konsequenter sie dies tun können, auch durch Nutzung der digitalen Möglichkeiten, desto besser. Die Unterstützung kann aber auch finanzieller Natur sein. Ein Beispiel dafür sind Stipendien, die den Betreffenden unmittelbar zugutekommen. Im Bereich der Kulturförderung sind diese derzeit häufig an die traditionellen Vertriebswege angedockt. Es könnte mit solchen Zuschüssen aber auch eine marktferne Produktion stimuliert werden, statt einer kommerziellen. Auch im Urheberrecht ist

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

einiges denkbar: Dass dringend die vertragsrechtliche Position der Urheberinnen und Urheber gestärkt werden muss, ist in diesem Text schon öfter erwähnt worden. Die konsequente Förderung öffentlich-rechtlicher, also beitragsfinanzierter Strukturen der Inhalteproduktion, wie sie im letzten Kapitel beschrieben wurden, gehört auch zu den Annäherungen an eine solche Utopie. Denkt man diese und ähnliche Maßnahmen weiter, erscheint der Ansatz des bedingungslosen Grundeinkommens schon bald viel weniger außergewöhnlich, als wenn man ihn bloß vor dem Hintergrund der heutigen Arbeitsgesellschaft betrachtet. Heute mag das Grundeinkommen noch eine Utopie sein, doch seine Begründung, die individuelle Freiheit von Subjekten abzusichern, deren Kreativität eine wesentliche Quelle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstands ist, scheint nicht weniger konkret als die gängige Begründung des Urheberrechts. Der Anspruch, dass Urheber selbst über ihre Arbeit bestimmen sollen, gilt gerade unter Urhebern als emanzipatorisch, weil mit ihm der Ausgang der Kunst aus ihrer feudalistisch bedingten Unmündigkeit markiert ist. Wenn dieser Anspruch auf Selbstbestimmung über die eigene Kreativität, ihre Produkte und deren Verwendung mehr sein soll als ein elitäres Privileg, muss er sich über den engen Bereich professionellen kreativen Schaffens hinaus auf jede schöpferische Tätigkeit erstrecken. Das Ansinnen einer umstandslosen Sozialisierung und Vergemeinschaftung jeglichen kreativen Schaffens zurückzuweisen, ist legitim. Unberechtigt wäre es jedoch, diese Freiheit nur für sich selbst in Anspruch nehmen zu wollen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde für alle Mitglieder der Gesellschaft leisten, was das Urheberrecht einst für eine kleine Schicht von Privilegierten zu leisten versprach, ohne dieses Versprechen je zu erfüllen: Es würde die Freiheit der Individuen absichern, schöpferisch produktiv zu sein, ohne deshalb um das tägliche Brot bangen zu müssen. Es stellt sich modernen, postindustriellen Gesellschaften kaum eine vornehmere Aufgabe.

173

Literatur (Auswahl)

Quellen, die hier nicht aufgeführt sind, stehen im Anmerkungsteil. Aigrain, Philippe: Sharing. Culture and the Economy in the Internet Age. Amsterdam: Amsterdam University Press 2012. Benkler, Yochai: The Wealth of Networks. How Social Production Transforms Markets and Freedom. New Haven & London: Yale University Press 2006. Boltanski, Luc & Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus. Aus dem Französischen von Michael Tillmann. Mit einem Vorwort von Franz Schultheis. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2006. Bourdieu, Pierre: Kunst und Kultur. Zur Ökonomie symbolischer Güter. Schriften zur Kultursoziologie 4. Hg. von Franz Schultheis und Stephan Egger. Aus dem Französischen von Hella Beister. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2011. Fischbach, Rainer: Mythos Netz. Kommunikation jenseits von Raum und Zeit? Zürich: Rotpunkt 2005. Gorz, Andre: Arbeit zwischen Misere und Utopie. Aus dem Französischen von Jadja Wolf. Vom Autor für die deutsche Ausgabe erweiterte und autorisierte Übersetzung. Ffm: Suhrkamp 2000. Gorz, Andre: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Aus dem Französischen von Jadja Wolf. Zürich: Rotpunkt 2004. Graw, Isabelle: Der große Preis. Kunst zwischen Markt und Celebrity Culture. Köln: DuMont 2008. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied & Berlin: Luchterhand 5. Aufl. 1971. Han, Byung-Chul: Transparenzgesellschaft. Berlin: Matthes & Seitz 2012.

176

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Hansen, Gerd: Warum Urheberrecht? Die Rechtfertigung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung des Nutzerschutzes. Baden-Baden: Nomos 2009. Hardt, Michael & Antoni Negri: Common Wealth. Cambridge, MA & London: Harvard University Press 2009. Helfrich, Silke & Rainer Kuhlen, Wolfgang Sachs, Christian Siefkes: Gemeingüter – Wohlstand durch Teilen. Hg. von der Heinrich-Böll-Stiftung. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung 2010. Helfrich, Silke & Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter. München: oekom 2009. Hofmann, Jeanette (Hg.): Wissen und Eigentum. Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2006. Knüsel, Piet & Dieter Haselbach, Armin Klein, Stephan Opitz: Der Kulturinfarkt. Von allem zu viel und überall das Gleiche. München: Knaus 2012. Kreutzer, Till: Das Modell des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen. Konzeptionelle Überlegungen zu Werkbegriff, Zuordnung, Umfang und Dauer des Urheberrechts als Reaktion auf den urheberrechtlichen Funktionswandel. Baden-Baden: Nomos 2008. Kurz, Constanze & Frank Rieger: Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen. Ffm: Fischer 2011. Lessig, Lawrence: Free Culture. How Big Media uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. New York: Penguin Press 2005. Lessig, Lawrence: Remix. Making Art and Commerce Thrive in the Hybrid Economy. New York: Penguin Press, London: Bloomsbury Academic 2008. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Berlin: Dietz 1984. (MEW 23-25) Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. In: Soziologie und Anthropologie Band II: Gabentausch, Todesvorstellung, Körpertechniken. Hg. von Wolf Lepenies und Henning Ritter. FfM, Berlin, Wien: Ullstein 1978, S. 9-144.

Literatur

Nuss, Sabine: Copyright & Copyriot. Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Münster: Westfälisches Dampfboot 2006. Ostrom, Elinor: Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt. Aus dem Englischen von Ekkehard Schöller. Tübingen: Mohr Siebeck 1999. Piallat, Chris, Philipp Otto, Uta Rüenauver (Redaktion): Copy. Right. Now! Plädoyers für ein zukunftstaugliches Urheberrecht. Hg. von der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit iRights.info. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung 2010. Reckwitz, Andreas: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung. Berlin: Suhrkamp 2012. Rifkin, Jeremy: Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Aus dem Englischen von Klaus Binder und Tatjana Eggelin. Ffm: Campus 2. Aufl. 2000. Schmidt, Jochen: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750-1945. 2 Bde. Darmstadt: WBG 1985. Smiers, Joost: No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. Aus dem Niederländischen von Ilja Braun. Mit einem Nachwort von Jürgen Marten. Berlin: Alexander Verlag 2012. Streeck, Wolfgang: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp 2013. Tapscott, Don & Anthony D. Williams: Wikinomics. Die Revolution im Netz. Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm & Ursel Schäfer. München: Hanser 2007. Vanderborght, Yannick & Philippe Van Parijs: Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags. Aus dem Französischen von Michael Tillmann. Mit einem Nachwort von Claus Offe. Ffm: Campus 2005. Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Erftstadt: area 2005.

177

Anmerkungen

Einleitung 1 | Ernst Bloch: Spuren. FfM.: Suhrkamp 1985, S. 29. 2 | www.zeit.de/2012/20/Aufruf-Urheberrecht

1. Cardillacs Erben 1 | www.kuro5hin.org/story/2002/4/25/1345/03329 oder http://tinyurl.com/ macauly 2 | So die Theorie. Dass GEMA-Vorstand Harald Heker im Jahr 2012 ein Gehalt von mehr als einer halben Million Euro bezogen hat, steht auf einem anderen Blatt. GEMA Jahrbuch 2013/2014, S. 70. https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Presse/ Publikationen/Jahrbuch/gema_jahrbuch_2013-14.pdf 3 | www.musikindustrie.de/internetpiraterie.htm/ 4 | Luis Aguiar & Bertin Martens: Digital Music Consumption on the Internet: Evidence from Clickstream Data. Sevilla: European Commission Joint Research Centre, Institute for Prospective Technological Studies 2013, S. 2. http://ftp.jrc.es/ EURdoc/JRC79605.pdf oder http://tinyurl.com/aguiarmartens

2. Der Wert der Kreativität 1 | Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band (MEW 23). Berlin: Dietz 1984, S. 741-742. 2 | Adam Smith: An Inquiry into the nature and causes of the wealth of nations. London: Methuen & Co. Ltd. 5th edition 1904, Book I, Chapter 10: Of Wages and profit in the different employments of labour and stock, Abschnitt 93. www.econ lib.org/library/Smith/smWN.html

180

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

3 | Adam Smith: An Inquiry into the nature and causes of the wealth of nations. London: Methuen & Co. Ltd. 5th edition 1904, Book I, Chapter 10: Of Wages and profit in the different employments of labour and stock, Abschnitt 27. www.econ lib.org/library/Smith/smWN.html 4 | Eilis Lawlor & Helen Kersley, Susan Steed: A Bit Rich. Calculating the real value to society of different professions. London: new economics foundation (nef) 2009. www.neweconomics.org/publications/bit-rich 5 | Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Kennzeichen der Kultur- und Kreativwirtschaft 2011. www.bmwi.de/DE/Service/suche,did=329926. html5.pdf oder http://tinyurl.com/kulturkreativ – Bis zum Redaktionsschluss dieses Textes im Dezember 2013 hatte die Bundesregierung keine neueren Zahlen vorgelegt. 6 | Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung: Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2010. Bearbeiter: Michael Söndermann. http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/ Navi gation/Mediathek/publikationen,did=498888.html oder http://tinyurl.com/ soendermann 7 | Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Juli 2013. http://blog.die-linke.de/digitalelinke/wp-content/uploads/KSK-Luk-Juli2013.pdf oder tinyurl.com/linkeksk 8 | Künstlersozialkasse: Entwicklung der Versichertenzahlen – unterteilt nach den Kunstbereichen – ab dem Jahr 1991. www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ ksk_in_zahlen/statistik/versichertenbestandsentwicklung.php oder http://tiny url.com/kskversichertenbestand – Diese Angaben decken sich übrigens ungefähr mit den Schätzungen von Michael Söndermann, der für das Jahr 2009 von 180.750 Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgeht, vergl. Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung: Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2010. Bearbeiter: Michael Söndermann, S. 7. http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/ KuK/Navigation/Mediathek/publikationen,did=498888.html oder tinyurl.com/ soendermann 9 | Künstlersozialkasse: Durchschnittseinkommen der aktiv Versicherten auf Bundesebene nach Berufsgruppe, Geschlecht und Alter zum 1.1.2012. http://web. archive.org/web/20121119103606/www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ ksk_in_zahlen/statistik/durchschnittseinkommenversicherte.php oder http:// tinyurl.com/kskeinkommen2012 10 | Künstlersozialkasse: Durchschnittseinkommen der aktiv Versicherten auf Bundesebene nach Berufsgruppe, Geschlecht und Alter zum 1.1.2011. http://web.

Anmerkungen

archive.org/web/20110723044056/www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ ksk_in_zahlen/statistik/durchschnittseinkommenversicherte.php oder http:// tinyurl.com/kskeinkommen2011

3. Neue Geschäftsmodelle statt veralteten Urheberrechts? 1 | In: Roger Priouret, La France et le Management. Paris: Denoël 1968, S. 268292. Zitiert nach Bourdieu 2011: 97. 2 | Martin Kretschmer & Philip Hardwick: Author’s earnings from copyright and non-copyright sources. A survey of 25.000 British and German writers. Bournemouth: Bournemouth University 2007. http://www.cippm.org.uk/downloads/ ACLS%20Full%20report.pdf oder tinyurl.com/kretschmerhardwick 3 | »Alles, nur kein Unternehmer? Tipps für Gründerinnen, Gründer und Selbständige in der Kultur- und Kreativwirtschaft«. Broschüre der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung, März 2012. www.kultur-kreativ-wirtschaft. de/KuK/Navigation/Mediathek/publikationen,did=381834.html oder http:// tinyurl.com/bmwiunternehmer 4 | www.bdv-online.com/gfk2011 – In letzter Zeit sind die Zahlen allerdings wieder rückläufig. 5 | www.berliner-zeitung.de/kultur/konzerttickets-40-euro-fuers-ticket-vier-fuerdie-kuenstler,10809150,21027816.html oder http://tinyurl.com/ticketpreise

4. Von Qualitätsklassen, Mehrwertdiensten und Premium-Content 1 | www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/frankreich-google-zahlt-fuer-durchlei tung-von-youtube-videos-a-878998.html oder http://tinyurl.com/googlezahlt 2 | www.spiegel.de/wir tschaft/unternehmen/telekom-und-cogent-kaempfenum-kosten-fuer-internetkabel-a-910660.html oder http://tinyurl.com/internet kabel 3 | www.spiegel.de/net z welt/net zpolitik/drosselkom-folgen-des-flatrate-ur teils-fuer-telekom-kunden-a-930862.html oder http://tinyurl.com/spiegeldrossel kom 4 | www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/V/verordnungsentwurf-netzneutralita et,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf oder http://tiny url.com/verordnung 5 | http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2013/EN/1-2013-627EN-F1-1.Pdf oder http://tinyurl.com/eunetzneutralitaet

181

182

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

5. Urheberrecht und Datenschutz 1 | Richard Stallman: Control your computing before it controls you. Spiegel Online International 19.07.2011. www.spiegel.de/international/world/internet-pri vacy-control-your-computing-before-it-controls-you-a-775218.html oder http:// tinyurl.com/estallman. Auf Deutsch: »Facebook-Nutzer bezahlen nichts, daher sind sie keine Kunden. Sie sind die Ware, die an andere Unternehmen verkauft wird.« – Richard Stallman: Kämpft gegen die Netz-Moloche! Spiegel Online, 19.07.2011: www.spiegel.de/netzwelt/web/freies-web-kaempft-gegen-die-netzmoloche-a-774766.html oder http://tinyurl.com/dstallman 2 | www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/autoren-gegen-ueberwa chung/demokratie-im-digitalen-zeitalter-der-aufruf-der-schriftsteller-12702040. html 3 | www.zeit.de/2012/20/Aufruf-Urheberrecht 4 | http://blogs.wsj.com/wtk/ 5 | www.sueddeutsche.de/digital/do-not-track-funktion-mozilla-will-gegentracking-vorgehen-1.1701246 oder http://tinyurl.com/nfukv9k 6 | http://search.slashdot.org/story/12/09/06/1738235/oder http://tinyurl.com/ preispatent 7 | h t t p s://ne t z p oli t ik .or g /2013/du - bis t- das - pr o duk t- und - handshake ermoeglicht-dir-geld-fuer-deine-daten-zu-verlangen/ 8 | www.economie.gouv.fr/files/rapport-fiscalite-du-numerique_2013.pdf oder http://tinyurl.com/oame7v8 9 | www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/frankreich-will-google-besteuernkundendatenstrom-12033578.html oder http://tinyurl.com/googlefaz 10 | www.spiegel.de/net z welt/net zpolitik/google-stellt-franzoesischen-ver lagen-60-millionen-euro-bereit-a-881074.html oder http://tinyurl.com/60mille 11 | www.spiegel.de/net zwelt/net zpolitik/frankreich-googles-geheim-abkom men-wird-noch-geschrieben-a-881775.html oder http://tinyurl.com/geheimab kommen 12 | w w w.sueddeut sche.de/wir t schaf t/buchfuehrungstricks-von-internetkonzernen-italien-will-google-steuer-einfuehren-1.1810627 oder http://tinyurl. com/googleitalien 13 | www.heise.de/newsticker/meldung/US-Diplomat-warnt-vor-Handelskriegwegen-EU-Datenschutzreform-1792765.html oder http://tinyurl.com/usdiplomat 14 | http://governancexborders.com/2013/01/14/algorithm-regulation-4-algo rithm-as-a-practice/oder http://tinyurl.com/exborders

Anmerkungen

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum 1 | Garrett Hardin: The tragedy of the commons. In: Science, New Series, Vol. 162, No. 3859 vom 13. Dezember 1968, S. 1243-1248. www.sciencemag.org/site/ feature/misc/webfeat/sotp/pdfs/162-3859-1243.pdf oder http://tinyurl.com/ hardintragedy 2 | Richard Price: Observations on reversionary payments; on schemes for providing annuities for widows, and for persons in old age; on the method of calculating the values of assurances on lives; and on the national debt. 6th ed. by William Morgan. Vol. 2 London 1803, S. 155-156. Zitiert nach Marx, MEW 23: 754.

7. Kulturflatrate: Bezahlsystem, Vergütungsmodell oder Gesellschaftsvertrag? 1 | eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.: Pressemitteilung 31.05.2011, www.eco.de/2011/pressemeldungen/300-000-adressen-pro-mo nat- erfolgreicher-kampf-gegen-illegale-downloads.html oder http://tinyurl.com/ ecopresse 2 | Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverband vom 01. März 2013 zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 19.02.2013, S. 17. http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Gesetz_gegen_unse rioese_Geschaeftspraktiken-Stellungnahme_vzbv-20130301.pdf oder tinyurl. com/q75x8jj 3 | Gerald Spindler: Rechtliche und ökonomische Machbarkeit einer Kulturflatrate. Gutachten erstellt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, März 2013, www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebun destag _de/themen_az/medien/Gutachten-Flatrate-GrueneBundestagsfrak tion__CC_BY-NC-ND_.pdf oder http://tinyurl.com/spindlerga 4 | www.gruene-bundestag.de/themen/medien/gutachten-zu-pauschalvergue tungsmodellen_ID_4387684.html oder http://tinyurl.com/gruenebundestag 5 | Felix Oberholzer-Gee & Koeman Strumpf: File Sharing and Copyright. In Josh Lerner & Scott Stern (Hg.): Innovation Policy and the Economy, Volume 10. Chicago: University of Chicago Press 2010, S. 19-55. Kapitel online unter www.nber. org/chapters/c11764.pdf 6 | Bundesverband Musikindustrie: Digitaler Musikmarkt wächst in Deutschland um fast 20 Prozent. Pressemitteilung vom 26.03.2013, www.musikindustrie. de/presse_aktuell_einzel/back/82/news/digitaler-musikmarkt-waechst-indeutschland-um-fast-20-prozent/oder http://tinyurl.com/20prozentmusik

183

184

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

7 | http://taz.de/Deutscher-Musikmarkt-waechst-/!122100/ 8 | Term Statement des Centre for Intellectual Property Policy & Management (CIPPM, Universität Bournemouth), des Centre for Intellectual Property & Information Law (CIPIL, Universität Cambridge), des Instituts für Informationsrecht (IViR, Universität Amsterdam) und des Max Planck Instituts für Immaterialgüterrecht (München). www.cippm.org.uk/downloads/Term%20Statement%2027_10_08. pdf oder http://tinyurl.com/termstatement 9 | ht tp://musically.com/2009/05/14/no-long-t ail-in-p2p-say-will-pageand-eric-garland/ 10 | Robert Layton & Paul Watters: Investigation into the extent of infringing content on BitTorrent networks. Ballarat: University of Ballarat, Internet Commerce Security Laboratory April 2010. www.afact.org.au/assets/research/bt_report_ final.pdf 11 | www.ccc.de/de/updates/2011/kulturwertmark 12 | https://netzpolitik.org/2011/vorschlag-zum-besseren-%E2%80%93-dietauschlizenz/oder http://tinyurl.com/grassmuck 13 | www.gnu.org/philosophy/freedom-or-copyright.html

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet 1 | w w w.r und f unk bei t r ag .de/haeu f ige _ f r agen/einnahmen _ oe f fen t lich _ rechtlicher_rundfunk/ 2 | www.kef-online.de/inhalte/entwicklung.html 3 | www.zeit.de/2012/28/Interview-ZDF-Intendant-Bellut/seite-4 4 | www.finanznachrichten.de/nachrichten-2013-08/27586633-das-zdf-bleibtmarktfuehrer-und-punktet-auch-im-juli-zdfneo-und-zdfinfo-legen-weiter-zu-007. htm oder http://tinyurl.com/spartenprogramme 5 | www.studio-hamburg-produktion.de/de/die-gruppe/ 6 | Hanno Beck & Andrea Beyer: Zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: ein Vorschlag. In: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 89. Jg. Heft 12, Dezember 2009, S. 827-834. 7 | www.perlentaucher.de/blog/279_sendeschluss 8 | Der weltweite Umsatz des Unternehmens im Jahr 2012 betrug 50,175 Milliarden US-Dollar, vergl. investor.google.com/pdf/2012_google_annual_report.pdf, S. 27. Der Umsatz für Deutschland müsste bei den »Revenues by geography« (S. 29) nur ausgewiesen werden, wenn er über 10 Prozent läge. Er liegt folglich darunter, also bei höchstens 5 Milliarden. Berechnungsmethode abgeguckt bei Christoph Keese: www.presse schauder.de/konnte-google-sich-wirklich-nicht-leisten-fur-leistungen-zu-bezahlen/

Anmerkungen

9 | www.kirchensteuern.de/KirchenfinanzierungGesamt2.htm 10 | www.perlentaucher.de/blog/279_sendeschluss 11 | AG Dokumentarfilm: Von der Rundfunkgebühr zur Haushaltsabgabe: Die historische Chance für Demokratie, Pluralismus und kulturelle Vielfalt. www.agdok.de/ de_DE/news/153738/hpg_detail oder http://tinyurl.com/agdokpapierneu 12 | http://irights.info/ffentlich-rechtliches-internetmedium-es-muss-eine-al ternative-geben 13 | www.kef-online.de/inhalte/presse/kef_pressemitteilung_18122013.doc 14 | Paul Kirchhof: Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gutachten, erstattet im Auftrag der ARD, des ZDF und D Radio. Heidelberg April 2010. www.ard.de/intern/standpunkte/-/id=1453944/property=download/nid= 8236/g73vou/Gutachten+zur+Rundfunkfinanzierung.pdf oder http://tinyurl.com/ kirchhofga 15 | http://carta.info/41756/es-ist-zeit-fur-ein-netzmedien-fordergesetz/ 16 | http://digitale-grundversorgung.de/thesen/ 17 | Reinhard Wolff: Zehn Euro für die Vielfalt. Dänemark: Subventionen zukünftig auch für Internetmedien. In: M – Menschen machen Medien 02/2013, S. 26. 18 | www.telemedicus.info/uploads/Dokumente/RStV_13-RAeStV_Lesefas sung.pdf oder http://tinyurl.com/lesefassung 19 | http://blog.die-linke.de/digitalelinke/wp-content/uploads/Papier-Gutach ten_presse%C3%A4hnlich.pdf oder http://tinyurl.com/papierga 20 | Pressemitteilung des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), 22.11.2013, www.presseportal.de/meldung/2604590 21 | Ansgar Baums & Ben Scott: Kompendium Digitale Standortpolitik. Berlin: Hewlett-Packard & Stiftung Neue Verantwortung 2013. www.stiftung-nv. de/151594,1031,111427,-1.aspx oder http://tinyurl.com/baumsscott 22 | António Vitorino: Recommendations resulting from the mediation on private copying and reprography levies. Brüssel: EU-Kommission 2013. http://ec.euro pa.eu/internal_market/copyright/docs/levy_reform/130131_levies-vitorino-re commendations_en.pdf oder http://tinyurl.com/vitorinoreport

10. Bedingungsloses Grundeinkommen 1 | Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. In: Soziologie und Anthropologie Band II, hrsg. von Wolf Lepenies und Henning Ritter, FfM., Berlin, Wien: Ullstein 1978, S. 9-144, hier S. 124.

185

186

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

2 | André Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie. Aus dem Französischen von Jadja Wolf. FfM.: Suhrkamp 2000, S. 130. Gorz paraphrasiert hier die Marx’schen »Grundrisse« von 1857. 3 | w w w. d i e - l i n k e - g r u n d e i n k o m m e n . d e / W o r d P r e s s / w p - c o n t e n t /u p loads/2013/09/BGE2013.pdf oder http://tinyurl.com/LinkeBGE 4 | http://de.wikipedia.org/wiki/Einkommensteuertarif 5 | www.faz.net/aktuell/wir tschaft/eu-kommission-befuerchtet-steuer fluchtdeutscher-spitzensteuersatz-weit-ueber-eu-durchschnitt-12167337.html oder http://tinyurl.com/spitzensteuer 6 | Interaktive Grafik der FAZ mit Zahlen von 2004, veröffentlicht 2011: www. faz.net/aktuell/wir tschaf t/wir tschaf tswissen/arme-oberschicht-so-lebt-dasreichste-prozent-der-deutschen-1637673.html oder http://tinyurl.com/fazprozent. Siehe auch die Grafiken der Bundeszentrale für Politische Bildung, veröffentlicht 2008: www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-si tuation-in-deutschland/61749/einkommen-und-vermoegen oder http://tinyurl. com/bpbgrafik sowie den 4. Armutsbericht der Bundesregierung vom September 2012: www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/ Einkommen-Armut/Dokumente/Entwur f%204.%20Armutsbericht%20der%20 Bundesregierung%2017.9.2012.pdf oder http://tinyurl.com/cwcbvnc 7 | BMF: Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2012, Ausgabe 2013, S. 18-19, www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/ Broschueren_Bestellser vice/2013-04-15-wichtigste-steuern-vergleich-2012. pdf?__blob=publicationFile&v=7 oder http://tinyurl.com/steuervergleich 8 | OECD Revenue Statistics 2012: Taxes on corporate income (1200) as percentage of total taxation, S. 111, www.oecd.org/tax/revenuestatistics2012edi tion. htm 9 | http://aws.amazon.com/de/mturk/ 10 | www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/schrumpfkurs-mit-demprogramm-liquid-will-ibm-geld-sparen/6135510-2.html oder http://tinyurl.com/ ibmliquid 11 | United Nations Conference on Trade and Development, Unctad Stat Statistical Database, Tabelle »Exports and imports of goods and services, annual, 1980-2012, http://unctadstat.unctad.org/TableViewer/tableView.aspx?Repor tId=25116 oder http://tinyurl.com/unctaddata. Auswahl: Economy: World, Flow: Exports, Series: Total trade in goods and services. Stand: 19.08.2013. 12 | National Bureau of Statistics of China (2013). Statistical Communiqué of the People’s Republic of China on the 2012 Economic and Social Development. www.

Anmerkungen

stats.gov.cn/english/newsandcomingevents/t20130222_402874607.htm oder http://tinyurl.com/reportchina 13 | Handelsblatt vom 12. Januar 2012. 14 | Schlussbericht der Enquete-Kommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft«. Bundestags-Drucksache 17/13300, Mai 2013, S. 452. www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/Schlussbe richt/17-13300.pdf oder http://tinyurl.com/wachstumsenquete 15 | www.faz.net/aktuell/wir tschaf t/net zwir tschaf t/apple-steve-jobs/anhoe rung-vor-senatsausschuss-apple-chef-ver teidigt-steuerpraktiken-12190741. html 16 | WSI Verteilungsbericht 2013, S. 5. www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_ 10_2013 17 | DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik: DGB Profil Aufschwung für alle sichern! Verteilungsbericht 2011, November 2011, S. 31. www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/ Einkommen-Armut/Dokumente/DGB-Verteilungsbericht-2011.pdf oder http:// tinyurl.com/verteilungsbericht 18 | w w w.w i r t s c h a f t s d i e n s t . e u /a r c h i v/ j a h r/2 01 2 /1/270 4/?P H P S E S SID=0761497e92f6e2aaaf852e2f5a812e82#abb3 oder http://tinyurl.com/wirt schaftsdienst Vergl. auch http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1224/ umfrage/arbeitslosenquote-in-deutschland-seit-1995/oder http://tinyurl.com/ arbeitslosenquote 19 | Schlussbericht der Enquete-Kommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft«. Bundestags-Drucksache 17/13300, Mai 2013, S. 462. www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/Schlussbe richt/17-13300.pdf oder http://tinyurl.com/wachstumsenquete 20 | Robert Skidelsky: Die Kreditfalle. Financial Times Deutschland, 28.11.2012, S. 22

187

X-Texte zu Kultur und Gesellschaft Stefanie Graefe Burnout Unglückliche Arbeitskämpfe im flexiblen Kapitalismus Juni 2014, ca. 200 Seiten, kart., ca. 19,99 €, ISBN 978-3-8376-2614-8

Karin Harrasser Körper 2.0 Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen 2013, 144 Seiten, kart., 17,99 €, ISBN 978-3-8376-2351-2

Felix Hasler Neuromythologie Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung (4., unveränderte Auflage 2014) 2012, 264 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN 978-3-8376-1580-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

X-Texte zu Kultur und Gesellschaft Matthias Kamann Todeskämpfe Die Politik des Jenseits und der Streit um Sterbehilfe 2009, 158 Seiten, kart., 17,80 €, ISBN 978-3-8376-1265-3

Peter Mörtenböck, Helge Mooshammer Occupy Räume des Protests 2012, 200 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-8376-2163-1

Franz Walter Gelb oder Grün? Kleine Parteiengeschichte der besserverdienenden Mitte in Deutschland 2010, 148 Seiten, kart., 14,80 €, ISBN 978-3-8376-1505-0

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Inga Freke, taz-Leserin, Berlin, Buchhändlerin

Ich teile mir die taz mit 13.000 anderen.

Mehr als 13.000 Genossin nen und Genossen sichern die pu blizistische und ökonomische Unabhäng igkeit ihrer Zeitung. Wer einen Antei l von 500 €* zeichnet, kann GenossIn werden. taz.de/genossenschaft [email protected] | T (030) 25 90 22 13 *auch in 20 Raten zahlba r

Blätter für deutsche und internationale Politik

Große Köpfe für große Fragen Jürgen Habermas . Saskia Sassen Peter Bofinger . Seyla Benhabib Jens Reich . Katajun Amirpur Norman Birnbaum . Micha Brumlik Rudolf Hickel . Claus Leggewie Friedrich Schorlemmer Dies sind nur 11 von 22 HerausgeberInnen der »Blätter«. Lernen Sie auch die anderen kennen – und viele weitere kluge Köpfe. Die »Blätter« – Monat für Monat 128 Seiten mit Biss.

Jetzt ein kostenloses Probeheft bestellen: www.blaetter.de

Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt

www.irights.info Informationsportal und Nachrichtenmagazin ruhig, sachlich und unabhängig