Grund und Grenze: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung und dem allgemeinen Gleichheitssatz. Dargestellt am Beispiel polizei- und bodenschutzrechtlicher Zustandsverantwortlichkeit [1 ed.] 9783428521111, 9783428121113

Grund und Grenze der Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten waren jahrzehntelang umstritten. Das Bundesverfassungsgeri

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Grund und Grenze: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung und dem allgemeinen Gleichheitssatz. Dargestellt am Beispiel polizei- und bodenschutzrechtlicher Zustandsverantwortlichkeit [1 ed.]
 9783428521111, 9783428121113

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1094

Grund und Grenze Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung und dem allgemeinen Gleichheitssatz Dargestellt am Beispiel polizei- und bodenschutzrechtlicher Zustandsverantwortlichkeit

Von Jan D. Bonhage

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JAN D. BONHAGE

Grund und Grenze

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1094

Grund und Grenze Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung und dem allgemeinen Gleichheitssatz Dargestellt am Beispiel polizei- und bodenschutzrechtlicher Zustandsverantwortlichkeit

Von Jan D. Bonhage

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12111-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinem Vater Wolfgang F. Bonhage † 2004

Vorwort Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahr 2005 als Dissertation angenommen. Ich danke meinem Doktorvater Professor Dr. Bernhard Schlink. In Seminaren zum Zusammenspiel von Freiheit und Gleichheit und zur Grundrechtsdogmatik im deutsch-österreichischen Vergleich hat er mein Interesse für die Dogmatik des Gleichheitssatzes geweckt. In Diskussionen während meiner Mitarbeit an seinem Lehrstuhl hat er mein Grundrechtsverständnis geschärft und das Entstehen dieser Arbeit kritisch begleitet und gefördert. Professor Dr. Alexander Blankenagel danke ich für die schnelle Anfertigung des Zweitgutachtens, Dr. Florian R. Simon für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe zum Öffentlichen Recht. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat die Arbeit durch ein Promotionsstipendium unterstützt. Ihr gebührt mein Dank für die ideelle und finanzielle Förderung während Studium, Dissertation und LL.M.-Studium in New York. Besonders danke ich Familie Barner und meinen Eltern, Amoena und Wolfgang Bonhage, ohne die alles Weitere nicht möglich gewesen wäre.

Berlin, im Frühjahr 2008

Jan D. Bonhage

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

Befund

21

A. Zustandsverantwortlichkeit................................................................................. I. Regelungen im Polizei- und Ordnungsrecht..................................................... II. Regelungen im BBodSchG ..............................................................................

21 21 22

B. Stand der Diskussion............................................................................................ I. Überblick über die Entwicklung bis zum Jahr 2000......................................... II. Zäsur durch den Altlastenbeschluss vom 16.2.2000 ........................................

24 24 31

C. Weiterer Klärungsbedarf ....................................................................................

36

D. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung............................................. I. Aufgabe und Grenzen ...................................................................................... II. Vorgehen..........................................................................................................

43 43 45

Erster Teil Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung – Analyse und Einordnung A. Verfassungsrechtlicher Maßstab......................................................................... I. Prüfungsmaßstab des Altlastenbeschlusses ...................................................... II. Würdigung mittels Einordnung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts .......................................................................................... III. Begründung des Altlastenbeschlusses für die Anwendung des Prüfungsmaßstabs........................................................................................................... IV. Würdigung ....................................................................................................... V. Zusammenfassung............................................................................................ B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit .......................... I. Anforderungen nach dem Altlastenbeschluss................................................... 1. Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen ......................... 2. Anforderungen an Auslegung und Anwendung......................................... II. Würdigung mittels Einordnung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ..........................................................................................

47 48 48 49 52 53 60 61 61 61 61 61

10

Inhaltsverzeichnis III. Rechtfertigungserwägungen des Altlastenbeschlusses..................................... 1. Zur gesetzlichen Regelung......................................................................... 2. Zu Auslegung und Anwendung ................................................................. a) Dem Grunde nach ................................................................................ b) Der Höhe nach ..................................................................................... IV. Würdigung unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Zustandsverantwortlichkeit ........................................................................ 1. Gesetzliche Regelung................................................................................. a) Zweck der Regelung ............................................................................ b) Gründe der Regelung........................................................................... 2. Auslegung und Anwendung....................................................................... a) Dem Grunde nach ................................................................................ b) Der Höhe nach ..................................................................................... (1) Zu berücksichtigende Gesichtspunkte ........................................... (a) Von Verfassungs wegen.......................................................... () Allgemeiner Missbrauchsvorbehalt................................... () Schutzwürdigkeitserwägungen ohne Missbrauchsbezug .. () Schutzwürdigkeitserwägungen unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG ......................................................................... () Ergebnis ............................................................................ (b) Aufgrund des einfachen Rechts (Polizei- und Ordnungsgesetze) ................................................................................... () Wortlaut der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit .............................................................................. () Systematik......................................................................... () Zweck ............................................................................... () Historische Auslegung und Genese................................... () Herleitung und Begründung der öffentlichrechtlichen Pflicht des Grundstückseigentümers in der Rechtsprechung zur Zeit des PrOVG ....................... () Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung...... () Grenzen .................................................................... () Ausweitung der Pflicht auf andere Sachherren......... () Ausweitung der Pflicht auf andere Sachen als Grundstücke ............................................................. () Erste Regelung im Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 1. Juni 1931 ...................................................... () Diskussion über Grenzen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg („Trümmergrundstücke“) .......... ( ) „Tankwagenunfall“ .................................................. (

) Zustandsverantwortlichkeit im Musterentwurf von 1976.......................................................................... ( ) Zusammenfassung.................................................... () Ergebnis ............................................................................. (c) Aufgrund des einfachen Rechts (Bundes-Bodenschutzgesetz) (d) Ergebnis ..................................................................................

63 63 63 64 64 66 66 66 73 80 84 85 85 86 86 87 88 89 89 89 90 91 92

93 97 97 101 103 104 105 108 109 109 111 112 115

Inhaltsverzeichnis

11

(2) Anhaltspunkte für Belastungsgrenzen und Abwägung .................. 116 3. Ergebnis ..................................................................................................... 120 C. Angemessenheit und Zumutbarkeit.................................................................... I. Erste Entscheidungen zu Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit.................... II. Unzumutbar, wenn hinreichend gewichtige Gemeinwohlgründe fehlen.......... III. Verselbständigung des Zumutbarkeitsgedankens? ........................................... 1. „Angemessen und zumutbar“..................................................................... 2. „Angemessene und zumutbare Überleitungsregelungen“ .......................... 3. „Verhältnismäßige und zumutbare“ Anforderungen an die Geltendmachung von Einwendungen ..................................................................... 4. „Übermäßig belastend und unzumutbar“ ................................................... IV. Ausgleich der Interessen des Eigentümers und des Nutzers............................. V. Aushöhlung des Kernbereichs und Unzumutbarkeit ........................................ VI. Unzumutbarkeit und andere Prüfungsebenen................................................... 1. Kein legitimer Zweck ................................................................................ 2. Ungeeignetheit ........................................................................................... 3. Gleichheitswidrigkeit................................................................................. VII. Würdigung....................................................................................................... 1. Fallgruppen ................................................................................................ a) Grundrechtsschutz durch Verfahren .................................................... b) Vertrauensschutz ................................................................................. c) Überlassungsverpflichtung .................................................................. d) Sonstige Fälle ...................................................................................... 2. Einordnung der Kriterien des Altlastenbeschlusses ................................... VIII. Zumutbarkeitsmodelle im Schrifttum ............................................................

120 121 123 124 124 125

D. Andere Erklärungsmodelle.................................................................................. I. Mindestpositionen............................................................................................ 1. Wesensgehalt ............................................................................................. 2. Kernbereich der Eigentumsgewährleistung................................................ a) Institutsgarantie ................................................................................... b) Privatnützigkeit.................................................................................... (1) Bestandsgarantie als Ausgangspunkt............................................. (2) Nutzenanalyse und hoheitliche Beeinträchtigung.......................... (3) Absolute Grenze? .......................................................................... 3. Ergebnis persönlicher Arbeit und Leistung als Mindestposition................ II. Korrespondenzmodell ......................................................................................

146 147 147 149 149 150 152 158 160 161 163

126 126 127 130 130 131 131 132 133 134 135 135 136 139 141 141

E. Ergebnis ................................................................................................................ 166

Zweiter Teil Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

169

A. Vorüberlegungen .................................................................................................. 170

12

Inhaltsverzeichnis I. Befund.............................................................................................................. 170 II. Bedeutung der Umstände beim Adressaten...................................................... 174 1. Unterschied-Zweck-Relation (Sachlichkeitsgebot).................................... 175 2. Unterschied-Wirkungs-Relation ................................................................ 180 3. Würdigung ................................................................................................. 188 III. Tauglicher Maßstab.......................................................................................... 190 1. Gleichheitssatz und öffentlich-rechtliche Pflichten?.................................. 190 2. Gleichheitssatz und Jedermannspflichten?................................................. 192 3. Alternative Allgemeinlast? ........................................................................ 195

B. Gleichheitsmodell ................................................................................................. I. Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht....................................................... 1. Handeln eines Hoheitsträgers..................................................................... 2. Ungleichbehandlung von Personen............................................................ 3. Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung ................................................ a) Typen der Ungleichbehandlung........................................................... (1) Begriff der Ungleichbehandlung ................................................... (2) Definition: Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung ................. b) Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlungen ...................... (1) Eingriffsmodelle............................................................................ (2) Vergleichsmodelle: Wesentlich Gleiches ...................................... (3) Klassenbaummodell Podlechs ....................................................... c) Regeln über die Bildung von Vergleichspaaren im Voraussetzungsmodell.................................................................................................. (1) Erste Regel: Regelungsvoraussetzungen als Ausgangspunkt ........ (2) Zweite Regel: Grundsätzlich jeweils nur eine Voraussetzung als Unterscheidungsmerkmal .............................................................. (3) Dritte Regel: Sonderregel für aneinander anknüpfende Voraussetzungen....................................................................................... (4) Vierte Regel: Einbeziehung von Voraussetzungen in der Rechtsfolgenanordnung............................................................................ (5) Fünfte Regel: Nur Voraussetzungen als Unterscheidungsmerkmale....................................................................................... (6) Sechste Regel: Vergleichspaare bei abgestufter Ungleichbehandlung .................................................................................... (7) Siebte Regel: Sonderregel für alternative Voraussetzungen .......... (8) Achte Regel: Geltungsbeschränkter Qualifikations- oder Ausnahmetatbestand ............................................................................ d) Umfassendes Rechtfertigungserfordernis?........................................... e) Würdigung........................................................................................... 4. Ungleichbehandlung bei der Rechtsauslegung........................................... 5. Ungleichbehandlung bei der Rechtsanwendung ........................................ II. Anwendung auf die Zustandsverantwortlichkeit .............................................. 1. Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung ................................................

196 198 198 200 203 203 205 208 208 209 213 217 220 220 221 223 224 225 227 228 230 231 234 235 237 238 238

Inhaltsverzeichnis

13

a) Unterschiedliche Wirkungen durch Handeln eines Hoheitsträgers ...... (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht.................................................. (a) Unterschiedliche Wirkungen bei Verantwortlichen und Nicht-Verantwortlichen........................................................... () Erleichterte Inanspruchnahme und Kostenlast .................. () Materielle Gefahrenabwehrpflicht?................................... (b) Sonstige unterschiedliche Wirkungen? ................................... (2) Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz .......................................... b) Vergleichspaare ................................................................................... (1) Für das Polizei- und Ordnungsrecht .............................................. (2) Für das Bundes-Bodenschutzgesetz............................................... 2. Ungleichbehandlung bei Rechtsauslegung und Rechtsanwendung............ III. Rechtfertigungsprüfung.................................................................................... 1. Gleichheitsrechtliches Verhältnismäßigkeitserfordernis? .......................... a) Befund ................................................................................................. b) Verhältnis der Wirkungen zum Regelungszweck? .............................. c) Differenzierungszweck als Bezugspunkt? ........................................... d) Zusammenfassung ............................................................................... 2. Gründe und Unterschiede .......................................................................... 3. Präzisierung und zusammenfassendes Argumentationsschema ................. a) Maßgebende Unterschiede................................................................... b) Legitimität des Anknüpfens................................................................. c) Voraussetzungen und Wirkungen bestimmen Kontrolldichte.............. d) Typisierung und Grenzen..................................................................... e) Argumentationsschema........................................................................ IV. Anwendung auf die Zustandsverantwortlichkeit .............................................. 1. Kontrolldichte ............................................................................................ 2. Unterschied-Zweck-Relation ..................................................................... a) Sachbereich und Regelungszweck ....................................................... b) Maßgebende Unterschiede der Vergleichspersonen ............................ (1) Maßgebende Unterschiede nach Polizei- und Ordnungsrecht ....... (a) Eigentümer ./. Nicht-Verantwortlicher.................................... () Befund............................................................................... () Unerhebliche Umstände und maßgebende Unterschiede .. (b) Berechtigter und/oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt ./. Nicht-Verantwortlicher ........................................................... (c) Eigentümer, gegen dessen Willen die tatsächliche Gewalt ausgeübt wird ./. anderer Eigentümer ..................................... (d) Derelinquent ./. Nie-Eigentümer ............................................. (2) Maßgebende Unterschiede nach dem BBodSchG ......................... (a) Grundstückseigentümer und/oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt, Derelinquent ./. Nicht-Verantwortlicher ................... (b) Maßgebende Unterschiede nach § 4 Abs. 6 BBodSchG..........

238 238 238 238 239 241 242 243 243 248 253 254 254 254 258 262 267 268 275 276 278 281 282 283 284 284 285 285 286 287 287 287 288 292 292 293 293 293 294

14

Inhaltsverzeichnis () Wissender oder fahrlässig nichtwissender Übertragender ./. unverschuldet nichtwissender Übertragender sowie bei Eigentumsübertragung Wissender oder fahrlässig Nichtwissender ./. nach Eigentumsübertragung Wissender oder fahrlässig Nichtwissender ................................... () Nicht vertrauender oder nicht schutzwürdig vertrauender Erwerber ./. schutzwürdig vertrauender Erwerber............ () Irgendwann vor Erwerb schutzwürdig Vertrauender ./. bei Erwerb schutzwürdig Vertrauender............................. () Spät Übertragender ./. früh Übertragender ........................ () Früherer Grundstückseigentümer ./. Nie-Eigentümer ....... () Früherer Grundstückseigentümer ./. früherer Inhaber der tatsächlichen Gewalt ......................................................... () Beim Erwerb schutzwürdig vertrauender aktueller Grundstückseigentümer oder Derelinquent, bei Begründung tatsächlicher Sachherrschaft schutzwürdig vertrauender Inhaber der tatsächlichen Gewalt ./. beim Erwerb schutzwürdig vertrauender früherer Grundstückseigentümer............................................................... ( ) Derelinquent, der sein Eigentum bis zum 1.3.1999 aufgegeben hat ./. früherer Grundstückseigentümer, der sein Eigentum bis zum 1.3.1999 übertragen hat sowie bei Eigentumsaufgabe unverschuldet nichtwissender Derelinquent ./. bei Eigentumsübertragung unverschuldet nichtwissender früherer Eigentümer ................................. ( ) Würdigung der maßgebenden Unterschiede nach § 4 Abs. 6 BBodSchG............................................................. c) Sachbezug der maßgebenden Unterschiede zum Regelungsziel .......... (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht.................................................. (2) Nach dem BBodSchG.................................................................... 3. Legitimität des Anknüpfens ....................................................................... 4. Unterschied-Wirkungs-Relation ................................................................ a) Einwirkungsmöglichkeit und -befugnis ............................................... (1) Art der ungleichen Wirkungen ...................................................... (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen .............................................. b) Nutzungsmöglichkeit und -befugnis .................................................... (1) Art der ungleichen Wirkungen ...................................................... (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen .............................................. c) Repräsentation ..................................................................................... (1) Art der ungleichen Wirkungen ...................................................... (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen .............................................. d) Möglichkeit des Einkalkulierens.......................................................... (1) Art der ungleichen Wirkungen ...................................................... (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen ..............................................

294 294 295 295 296 296

296

297 298 301 301 301 301 302 303 303 304 304 304 304 305 305 307 311 311 313

Inhaltsverzeichnis

15

e) Erzeugen unterschiedlicher Folgen für die Allgemeinheit................... (1) Art der ungleichen Wirkungen ...................................................... (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen .............................................. f) Handeln unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen ....................... g) Zusammenfassung ............................................................................... (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht.................................................. (2) Nach BBodSchG ........................................................................... 5. Gleichheitsrechtliche Folgen...................................................................... a) Nach Polizei- und Ordnungsrecht ........................................................ b) Nach BBodSchG.................................................................................. c) Ergebnis............................................................................................... V. Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung ................................................ 1. Gleichbehandlungsverbot, nicht Ungleichbehandlungsgebot .................... 2. Entbehrlich, weil vom Ungleichbehandlungsverbot erfasst? ..................... 3. Ausfluss allgemeiner Gerechtigkeitsmaßstäbe? ......................................... 4. Zusammenfassung ..................................................................................... 5. Folgerungen für die Zustandsverantwortlichkeit........................................

313 313 314 314 315 315 316 316 318 319 321 322 323 324 330 332 332

C. Ergebnis ................................................................................................................ 333

Dritter Teil Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

336

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ............................................... I. Gleichheitserwägungen im Rahmen der Eigentumsprüfung ............................ II. Eigentumsgewährleistung im Rahmen der Gleichheitsprüfung ....................... III. Nebeneinander von Eigentums- und Gleichheitsprüfung................................. IV. Einbettung und Nebeneinander ........................................................................ V. Enteignung und Gleichheitssatz ....................................................................... VI. Vergleich mit anderen Freiheitsgewährleistungen ...........................................

336 336 338 340 341 341 342

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen................................... I. Unterschiedliche Zielrichtung .......................................................................... II. Unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen .................................. III. Unterschiedliche Folgen eines Verfassungsverstoßes ...................................... IV. Keine Besonderheit im Verhältnis zur Eigentumsgewährleistung ...................

345 346 346 348 350

C. Zusammenwirken beim Gleichbehandlungsverbot........................................... 352 D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse.............................................................. I. Keine „echte“ Konkurrenz und keine „Präponderanz der Freiheit“ ................. II. Freiheits- vor Gleichheitsprüfung bei Belastungen .......................................... III. Formeln zum Verhältnis von Freiheit und Gleichheit ...................................... IV. Restprobleme für eine Gleichheitsprüfung.......................................................

353 353 355 356 357

E. Ergebnis und Folgerungen für die Zustandsverantwortlichkeit ...................... 360

16

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Ergebnis und abschließende Würdigung

361

A. Erkenntnisse für die Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsdogmatik ........... I. Eigentumsdogmatik und Verhältnismäßigkeit (Erster Teil) ............................. II. Gleichheitsdogmatik (Zweiter Teil) ................................................................. III. Verhältnis von Eigentums- und Gleichheitsgewährleistung (Dritter Teil) .......

361 361 363 364

B. Erkenntnisse über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit .................... I. Eigentumsdogmatisch begründet (Erster Teil) ................................................. II. Gleichheitsdogmatisch begründet (Zweiter Teil) ............................................. III. Verhältnis von I. und II. (Dritter Teil).............................................................. IV. Folgerungen für die Verwaltungspraxis ...........................................................

365 365 367 370 370

C. Folgerungen für künftige Grenzen...................................................................... 371 D. Abschließende Würdigung .................................................................................. 372

Anhänge....................................................................................................................... 375

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 381

Sachwortregister......................................................................................................... 404

Einleitung Dass das, was zu einer Regelung berechtigt, zugleich den zulässigen Regelungsumfang begrenzt, ist keine neue Erkenntnis. In der Dogmatik der Freiheitsrechte ist es der Zweck einer Regelung, der darüber bestimmt, ob und inwieweit die durch sie bewirkten Eingriffe gerechtfertigt sind. Für die Eigentumsgewährleistung formuliert das Bundesverfassungsgericht zuweilen, das Wohl der Allgemeinheit sei „nicht nur Grund, sondern auch Grenze“ für eine dem Eigentümer aufzuerlegende Beschränkung. 1 Soll die Grenze mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 2 ermittelt werden, wird die belastende Maßnahme auf den Zweck bezogen. Untersucht wird, ob sie geeignet und notwendig ist, den Zweck zu erreichen, häufig auch, ob die Schwere und Intensität der Belastungen angesichts des Gewichts der verfolgten öffentlichen Interessen und der Schwere und Intensität möglicherweise betroffener Schutzgüter im engeren Sinne verhältnismäßig (angemessen) sind. In den Blick kommen dabei in erster Linie die (intendierten) Wirkungen einer Regelung. Sie werden zum Zweck der Regelung ins Verhältnis gesetzt. Die Voraussetzungen, unter denen die Wirkungen eintreten sollen, spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Ihre Wahl mag durch den Zweck bedingt sein, weil etwa eine bestimmte Situation oder ein bestimmtes Verhalten geregelt werden soll. Durch sie mag sichergestellt werden, dass die belastende Maßnahme dem erwünschten Erfolg dient und gegenüber der betroffenen Person auf das erforderliche Maß beschränkt ist. Dass der Gesetzgeber die Wirkungen an diese und nicht jene Voraussetzung knüpft, ist, wenn nicht zweckbedingt oder die einzig erfolgstaugliche Möglichkeit, für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ————— 1 BVerfGE 50, 290-381/340; 52, 1-42/29; 72, 66-83/78; 79, 174-202/198; 87, 114-151/138; 100, 226-248/241; 102, 1-25/17. Die erste und die letzten beiden Entscheidungen beziehen das auf „die dem Eigentümer aufzuerlegenden Belastungen“ (BVerfGE 100, 226-248/241) bzw. „die Beschränkung des Eigentums“ (BVerfGE 50, 290-381/340; 102, 1-25/17) (Hervorhebungen durch den Verfasser). Erstmals findet sich ein Denken in „Grund und Grenze“ im Beschluss des Ersten Senats vom 10.7.1958 zur öffentlich-rechtlichen Beschränkung des Anbaus von Weinreben, BVerfGE 8, 71-81/ 80: „Da sie mit dem öffentlichen Interesse motiviert werden, müssen sie auch von daher legitimiert sein“ (Hervorhebungen im Original). 2

In der vorliegenden Arbeit wird durchgehend von Verhältnismäßigkeit gesprochen. Dadurch soll auch das in Bezug genommen werden, was andere als Übermaßverbot bezeichnen. Dazu grundlegend Lerche, Übermaß, S. 21, Stern, Entstehung, S. 166, und Stern, Staatsrecht I, S. 861 f. (§ 20 IV 7 a). Weitere Nachweise bei Krebs, Jura 2001, 228-234/228 m.w.N. in Fn. 2, und Lerche, Grundrechtsschranken, § 122 Rn. 16 in Fn. 47.

Einleitung

18

bedeutungslos. Worauf das Festschreiben dieser oder jener Voraussetzung beruht, d.h. der – mit dem Zweck nicht übereinstimmende – Grund, gibt unter Freiheits- und (freiheitsrechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten3 keine Auskunft über das zulässige Ausmaß der Belastungen, die Angemessenheit.4 Das Zusammenspiel von Belastungsvoraussetzungen und Belastungsgrenzen, von Anknüpfungskriterium und Ausmaß einer Belastung kann aber unter einem anderen Blickwinkel verfassungsrechtlich interessant sein. Durch jede Voraussetzung, an die der Gesetzgeber Wirkungen knüpft, differenziert er zwischen denen, die die Voraussetzung erfüllen, und denen, die sie nicht erfüllen. Er behandelt sie ungleich. Ob und inwieweit er das darf, hängt, sofern es sich um eine gleichheitsrechtlich relevante Ungleichbehandlung handelt,5 davon ab, was er für die Ungleichbehandlung anführen kann. Auch hier geht es um eine Beziehung von Grund und Grenze. Ausgangspunkt, Beispiel und Erprobungsfall dieser Arbeit ist die ordnungsrechtliche Zustandsverantwortlichkeit6 bei der Sanierung von Altlasten. Grund ————— 3

Die hier und im Folgenden gewählte Formulierung der „freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeit“ soll nicht die umstrittene Frage klären, ob die Verhältnismäßigkeitserfordernisse aus den Grundrechten (Krebs, Jura 2001, 228-234/233), dem Rechtsstaatsgebot (BVerfGE 88, 118-128/ 124 f.; wohl auch BVerfGE 105, 17-48/32: „rechtsstaatliche Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes“; Stern, Entstehung, S. 171 ff. m.w.N.; Stern, Grundrechte, S. 31), aus beiden (BVerfGE 90, 145-299/173), aus Art. 19 Abs. 2 GG (Zippelius, DVBl. 1956, 353-355/354) oder aus Art. 3 Abs. 1 GG (Wittig, DÖV 1968, 817-825/822 f.) abzuleiten sind. Siehe dazu die ausführliche Darstellung des Meinungsstands bei Jakobs, Grundsatz, S. 28-39. Sie dient allein der Abgrenzung zu Erfordernissen, die in jüngerer Zeit vermehrt dem allgemeinen Gleichheitssatz entnommen und vom Bundesverfassungsgericht als Verhältnismäßigkeitserfordernisse bezeichnet werden. Dazu ausführlich im Zweiten Teil unter B.III.1.a). 4

Das Bundesverfassungsgericht nennt dieses Erfordernis zuweilen „Übermaßverbot“ oder „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“, BVerfGE 105, 17-48/36. Der Begriff „Übermaßverbot“ ist dann anders als bei den oben in Fn. 2 genannten Autoren ebenfalls in einem engeren Sinne gebraucht. 5 6

Dazu im Zweiten Teil unter B.I.3.b) und d).

Der Begriff „Zustandsstörer“ soll hier nicht verwandt werden. Er ist irreführend, weil er ein Verhalten impliziert, d.h. eine Situation, in der die Störung von einer Person ausgeht. Schon Pleyer, AcP 36 n.F. (1957), 291-310/300, riet, die Bezeichnung „Störer“ zu vermeiden, wenn jemand „lediglich kraft seines Eigentums zur Störungsbeseitigung herangezogen“ wird. Der Begriff des Zustandsverantwortlichen bringt zum Ausdruck, dass entscheidend die Zuordnung eines (gefährlichen oder störenden) Zustands zu einer Person ist, eine Zuordnung nicht aufgrund eines Verhaltens, sondern aufgrund einer besonderen Stellung in einer Situation, einer Rolle. Entsprechend wurde noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Begriff des Störers den Verursachern vorbehalten. Friedrichs, Polizeigesetz, § 1 Anm. 27, 28 (S. 42 f.), etwa differenzierte zwischen dem (dauernd) Polizeipflichtigen, in der Regel dem Eigentümer, aber auch anderen Gewalthabern, und dem Störer, d.h. dem Urheber einer Gefahr oder Störung (beibehalten in Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, zu §§ 18-21 Erl. 1 [S. 129]). Erst Drews, Polizeirecht, S. 42, wandte den Begriff des Störers auch auf den Polizeipflichtigen, den Zustandsverantwortlichen, an: „Die Qualität als ‚Störer‘ wird lediglich dadurch begründet, daß aus dem positiven oder negativen Handeln einer Person oder aus dem Zustande der von ihr zu vertretenden Sachen objektiv eine polizeiliche Gefahr entsteht“. Ihm folgten Schäfer/ Wichards/ Wille, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 67. Der Begriff des Verantwortlichen wird

Einleitung

19

und Grenze der Zustandsverantwortlichkeit für Altlasten waren jahrzehntelang umstritten. Seit gut 125 Jahren wird um die Begründung von Grenzen für die hoheitliche Inpflichtnahme gerungen; die Versuche zur Begründung von Grenzen aus den Freiheitsgewährleistungen waren und sind häufig mit gleichheitsrechtlichen Erwägungen durchwoben. Das Bundesverfassungsgericht benannte in seinem Altlastenbeschluss vom 16.02.2000 Gründe, maß sie an der Eigentumsgewährleistung und zeichnete Zumutbarkeitsgrenzen vor. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie sich diese Erwägungen in die Dogmatik des Art. 14 GG einfügen, was grundrechtsdogmatisch die Unzumutbarkeit einer Belastung bezeichnet und in welchem Verhältnis Unzumutbarkeit und Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz stehen. Die Arbeit analysiert Grund und Grenze der Verantwortlichkeit, stellt die Zumutbarkeitserwägungen des Gerichts in den Kontext anderer Entscheidungen und Erklärungsmodelle und ordnet sie grundrechtsdogmatisch der Eigentumsgewährleistung einerseits, dem Gleichheitssatz andererseits zu. Die Arbeit untersucht die Begründung von Grenzen aus dem Zweck einer Regelung und den Erwägungen für ihr Anknüpfen an bestimmte Voraussetzungen, d.h. ihrem Grund. Sie ermittelt, mit welchen Erwägungen, vornehmlich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Grenzen begründet werden, und analysiert, ob und wie sich diese Erwägungen in das freiheitsrechtlich relevante Zweck-Mittel-Verhältnis7 oder in andere freiheits- oder gleichheitsrechtliche Argumentationsstrukturen fügen. Herzstück der Arbeit ist ein modifiziertes Gleichheitsmodell. Die Arbeit entwickelt ein Modell für eine mögliche Argumentationsstruktur bei Gleichheitsprüfungen und untersucht, wie sich Freiheits- und Gleichheitsprüfungen zueinander verhalten. Die Arbeit unterscheidet drei wesentliche Bezugspunkte gleichheitsrechtlicher Argumentation: die nach dem Gesetz maßgebenden Unterschiede, den Zweck der Regelung(en) und deren Wirkungen. Sie identifiziert Sachlichkeitserwägungen als Gegenstand der Unterschied-Zweck-Relation und Erwägungen zu Art und Ausmaß einer Ungleichbehandlung als Gegenstand der Unterschied-Wirkungs-Relation. Mit der Abgrenzung zur freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeit möchte die Arbeit zugleich zum Diskurs über Grund-

————— dem des Pflichtigen vorgezogen, um daran zu erinnern, dass die Handlungspflicht des Einzelnen im Polizei- und Ordnungsrecht von einer hoheitlichen Inanspruchnahme abhängt. Die erste Regelung im PVG betitelte Abschnitt V (§§ 18-21) mit „Die polizeipflichtigen Personen“, verwandte in den einzelnen Regelungen aber beide Begriffe, verantwortlich in § 18, § 19 Abs. 2 u. 3 und § 20 Abs. 1 u. 2, polizeipflichtig in § 18, § 20 Abs. 2 S. 2 und § 21 S. 1. Die Regelungen werden im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()() auszugsweise zitiert. 7 Ossenbühl, Maßhalten, S. 160, erkennt die „Zweck-Mittel-Relation als strukturelle Grundlage für eine Erforderlichkeits- und Proportionalitätsprüfung“.

20

Einleitung

rechtskonkurrenzen beitragen. Ziel ist dabei auch, einen Beitrag zu einer besser strukturierten verfassungsrechtlichen Argumentation zu leisten.8 Die Arbeit richtet sich gleichermaßen an den grundrechtsdogmatisch, polizeirechtlich und an der Genese der Zustandsverantwortlichkeit interessierten Leser.

————— 8 Die Arbeit reagiert damit auch auf Bedenken gegenüber unterstrukturiertem Argumentieren. Vgl. Ossenbühl, Maßhalten, S. 156: „Die Kritiker, besser die Mahner, die vor einem zu unbefangenen Gebrauch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit warnen, nennen als Gefahren einen Strukturverlust der Rechtsordnung“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

Befund A. Zustandsverantwortlichkeit I.

Regelungen im Polizei- und Ordnungsrecht

Nach dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (ME PolG1) und den nach seinem Vorbild gefassten Landesgesetzen2 kann die Polizei bei einer im einzelnen Fall bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) die notwendigen Maßnahmen treffen, um sie abzuwehren (§ 8 Abs. 1 Hs. 1 ME PolG 3). Geht die Gefahr von einer Sache aus, kann4 die zuständige Behörde die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt richten (§ 5 Abs. 1 ME PolG 5). Sie kann die Maßnahmen auch oder alternativ gegen den Eigentümer6 oder einen anderen Berechtigten 7 richten, es sei denn, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt übte diese ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten aus (§ 5 Abs. 2 ME PolG 8).

————— 1

Abgedruckt in: Heise/ Riegel, Musterentwurf.

2

Aufgeführt am Ende dieser Arbeit in Anhang I.

3

Angaben zu den Generalklauseln in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. § 10 Abs. 1 S. 1 Brem PolG, § 11 Nds SOG, § 8 Abs. 1 NW PolG und § 174 SchlH LVwG nennen nur (noch) die öffentliche Sicherheit als Schutzgut. 4 Trotz des Wortlauts der meisten Normen zur Zustandsverantwortlichkeit, wonach die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten „sind“, ist anerkannt, dass keine gebundene Entscheidung gemeint ist, sondern die Norm zusammen mit der Generalklausel zur Ermessensbetätigung ermächtigt. 5 Regelungen der Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 6

Regelungen der Verantwortlichkeit des Eigentümers in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 7 Hierunter fallen beschränkte dingliche Rechte wie Erbbaurecht, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, beschränkte persönliche Dienstbarkeit, Pfandrechte ebenso wie zivilrechtliche obligatorische Rechte aus Miet- oder Pachtvertrag und alle sonstigen Verfügungsberechtigungen schuld- oder sachenrechtlicher Natur, vgl. Lepsius, Besitz, S. 302. 8 Regelungen der Verantwortlichkeit der sonstigen Berechtigten in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. Im BaWü PolG, HH SOG, MV SOG, Sächs PolG und SchlH LVwG fehlen entsprechende Regelungen. Art. 9 II 2 Alt. 2 Bay LStVG beschränkt sie auf die „sonst dinglich Verfügungsberechtigten“.

Befund

22

Die Polizei- und Ordnungsgesetze erlauben außerdem ganz überwiegend, Maßnahmen gegen denjenigen zu richten, der das Eigentum an einer Sache aufgegeben hat, wenn von der jetzt herrenlosen Sache eine Gefahr ausgeht.9 Das Hamburgische Sicherheits- und Ordnungsgesetz ermächtigt darüber hinaus zur Inanspruchnahme dessen, der sein Eigentum nach den §§ 946 bis 950 BGB verloren hat.10 Die Polizei- und Ordnungsgesetze kennen demnach in bestimmten Fällen eine Verantwortlichkeit ehemaliger Eigentümer. II. Regelungen im BBodSchG Für den besonderen Fall der Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten hat der Bundesgesetzgeber 1998 ein Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)11 erlassen, das am 1. März 1999 vollständig in Kraft getreten ist. 12 Das BBodSchG ermächtigt in § 10 Abs. 1 S. 1 die zuständige Behörde, zur Erfüllung der sich aus § 4 ergebenden Pflichten im Rahmen einer Ermessensentscheidung die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Nach § 10 Abs. 1 S. 4 BBodSchG darf die zuständige Behörde eine Anordnung nicht treffen, wenn sie auch im Hinblick auf die berechtigten Nutzungsinteressen Einzelner unverhältnismäßig wäre. § 4 Abs. 3 und Abs. 6 BBodSchG legen die Pflicht, „den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen“, – neben dem Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast (§ 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BBodSchG), seinem Gesamtrechtsnachfolger (§ 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 BBodSchG) sowie dem Einstandspflichtigen für eine juristische Person (§ 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 1 BBodSchG13) – folgenden Personen auf: ————— 9 Regelungen der Verantwortlichkeit der Derelinquenten in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. Im BaWü PolG, Bay LStVG und Sächs PolG fehlen entsprechende Regelungen. 10

§ 9 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 HH SOG.

11

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geänd. durch Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214). 12 13

Art. 4 S. 2 des Gesetzes zum Schutz des Bodens vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502).

„[D]emjenigen, der aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast belastet ist, gehört“. Im Schrifttum wird dafür zuweilen der gesellschaftsrechtliche Begriff „Durchgriffshaftung“ in das Bodenschutzrecht übernommen (etwa von Schoeneck, BBodSchG, § 4 Rn. 39 ff.) und von „bodenschutzrechtliche[r] Durchgriffshaftung“ gesprochen (Kügel, NJW 2004, 1570-1579/1573). Der hier bevorzugte Begriff der Verantwortlichkeit des Einstandspflichtigen betont, dass das BBodSchG an die zu einer gesellschafts- oder handelsrechtlichen Einstandspflicht führenden Tatbestände (unter denen die Durchgriffshaftung im engeren Sinne einen bezeichnet, vgl. Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 28 ff.) eine selbständige Rechtsfolge knüpft, die nicht die Eigenschaften einer Haftung erfüllt. Zum Spannungsverhältnis der gesellschaftsrechtlichen

A. Zustandsverantwortlichkeit

23



dem Grundstückseigentümer (§ 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 3 BBodSchG),



dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück (§ 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 4 BBodSchG),



demjenigen, der das Eigentum an einem Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast belastet ist, aufgibt (Derelinquent, § 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 BBodSchG) und



dem früheren Eigentümer eines Grundstücks, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste, es sei denn, dass er beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, dass schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden sind, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist (§ 4 Abs. 6 BBodSchG).

Das BBodSchG regelt demnach in § 4 Abs. 3 und Abs. 6 bundeseinheitlich die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten. Diese Regelung ist abschließend.14 § 4 Abs. 3 und Abs. 6 BBodSchG benennen im Detail die verschiedenen Anknüpfungspunkte der Verantwortlichkeit. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurden weiter gefasste Regelungen eingebracht, aber nicht angenommen.15 §§ 9, 10, 11, 18 und 21 —————

Haftung und der bodenschutzrechtlichen Einstandspflicht: Wrede, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 123 ff. Ausführlich zum Tatbestand des § 4 Abs. 3 S. Hs. 1 BBodSchG und Problemen bei der Auslegung und Anwendung: Heinemann, Sanierungsverantwortlichkeit. Die Verantwortlichkeit als Einstandspflichtiger hat kein Vorbild im Landesrecht. Nach Polizei- und Ordnungsrecht wurde ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft unter den eine gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung begründenden Gesichtspunkten der Unterfinanzierung und des Formenmissbrauchs ausnahmsweise als zustandsverantwortlich erachtet, Fabry, Unternehmen, S. 157-160.

14 Erstmals angedeutet in BVerwG, NVwZ 1999, 421/421. Vertieft und bestätigt in BVerwG, NuR 2006, 645-647/646, und BVerwG, NVwZ 2000, 1179-1181/1180. Ebenso bereits die Vorinstanz, VGH Kassel, NuR 2000, 285-287/286 f., sowie VG Frankfurt, NVwZ 2000, 107-110/108 f. Übertragen auf das Verhältnis zum Abfallrecht OVG Münster, NVwZ 2001, 1186-1188/1187, und OVG Weimar, NuR 2002, 172-179/173 f. Ebenso im Verhältnis zu § 128 HGB: VGH München, NVwZ-RR 2005, 465-466/465. Zustimmend im Schrifttum: Kahl, Die Verwaltung 2000, 29-78/29 f.; Knopp, DÖV 2001, 441-453/444-446; Riedel, ZIP 1999, 94-100/95; Spieth/ Wolfers, NVwZ 1999, 355-360/360. A.A. Bickel, BBodSchG, Einl. Rn. 8, § 9 Rn. 10; ders., NVwZ 2000, 1133-1135/1134 f.; von Mutius/ Nolte, DÖV 2000, 1-16/6. 15 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, BT-Drs. 13/5203, S. 5, der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 den Kreis der Verhaltensverantwortlichen weiter beschreibt, in Nr. 4 Verantwortlichkeiten nach anderen Rechtsvorschriften inkorporiert, in Nr. 6 die Verantwortlichkeit der ehemaligen Eigentümer (u. a. zeitlich) weiter fasst als das verabschiedete Gesetz und in Abs. 3 eine Verantwortlichkeit des Bundes durch Fiktion begründet:

„(2) Zur Durchführung einer Sanierung sind der Handlungs- oder Zustandsstörer nach folgendem Rangverhältnis verpflichtet:

Befund

24

BBodSchG bestimmen und beschränken die Felder ergänzender landesrechtlicher Regelungen.16 Ein Rückgriff auf die in den späten 80er und frühen 90er Jahren in den meisten Ländern ergangenen Spezialregelungen zur Altlastensanierung17 und zu den zu ihr Verpflichteten und das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder ist daher für Gefahrenabwehrverfügungen jüngeren Datums gesperrt.

B. Stand der Diskussion I.

Überblick über die Entwicklung bis zum Jahr 2000

Die Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit währt beinah so lange, wie die Rechtsprechung die Figur der Zustandsverantwortlichkeit anwendet.18 Kaum hatte das Preußische Oberverwaltungsgericht in Abkehr von einer Entscheidung des Preußischen Ober-Tribunals19 erstmals entschieden, jeder Eigentümer sei verpflichtet, „sein Grundstück in einem solchen Zustande zu erhalten, bezw. dasselbe so umzuge————— 1.

der Betreiber sowie ehemalige Betreiber und deren Rechtsnachfolger von Anlagen auf Altlasten und kontaminierten Standorten, soweit die Verunreinigungen durch diese Anlagen verursacht worden sind,

2.

der Ablagerer, der Abfallerzeuger und deren Rechtsnachfolger bei Altablagerungen,

3.

sonstige Verursacher von Verunreinigungen, die die [!] Sanierungserfordernis begründet haben,

4.

Personen, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften eine Verantwortung für die Verunreinigung oder für hiervon ausgehende Beeinträchtigungen des Wohles der Allgemeinheit trifft,

5.

Eigentümerinnen oder Eigentümer, es sei denn, daß sie eine bestehende Verunreinigung beim Erwerb weder kannten noch kennen mußten oder eine Aufhebung der Feststellung nach § 16 Abs. 2 vorlag,

6.

ehemalige Eigentümerinnen oder Eigentümer, es sei denn, daß ihnen eine während der Zeit des Eigentums entstandene oder bestehende Verunreinigung weder bekannt wurde noch bekannt sein mußte.

(3) Bei Altlasten, die auf Grund ehemaliger militärischer Nutzung entstanden sind, oder die als Folge der beiden Weltkriege entstanden, gilt der Bund als Störer“. 16

Zum Stand der landesrechtlichen Umsetzung verbunden mit der Forderung nach baldiger Verabschiedung eigenständiger Landes-Bodenschutzgesetze in allen Ländern Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 66 ff., und ders., Umweltrecht in Bund und Ländern, § 20 Rn. 25 ff. 17

Aufgeführt am Ende dieser Arbeit in Anhang III.

18

Siehe die Ausführungen zu Herleitung, Entwicklung und Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit seit dem 19. Jahrhundert im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b). 19

Urt. v. 21.6.1860, amtliche Sammlung der Entscheidungen des königlichen Ober-Tribunals (PrObTribE) 43, 15-23. Das königliche Ober-Tribunal war das oberste Gericht in Zivil- und Strafsachen für Preußen. Die zitierte Entscheidung erging in dritter Instanz auf Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers, nachdem dieser in erster Instanz vor dem Stadtgericht Berlin und in zweiter Instanz vor dem Kammergericht als Appellationsgerichts unterlegen war.

B. Stand der Diskussion

25

stalten, daß polizeilich zu schützende öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden“, und die Polizeibehörde sei „nicht minder … berechtigt, den jeweiligen Eigenthümer eines Grundstückes, dessen Beschaffenheit … einen unzulässigen Zustand aufweist, deshalb, weil er Eigenthümer des Grundstückes ist, zur Abstellung der vorhandenen Mängel anzuhalten“,20 hatte es zu klären, ob diese Pflicht mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung des Art. 9 der preußischen Verfassung 21 in Einklang stand.22 In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der Hochzeit der öffentlichen Umweltschutzdebatte,23 gewann die Auseinandersetzung an praktischer Bedeutung:24 Mit der Einsicht, Verunreinigungen des Bodens und der Umwelt nicht auf Dauer belassen zu können, stand das Problem auf der Tagesordnung, wer diese und von ihnen ausgehende Gefahren beseitigen solle. Die zentralen Umweltgesetze der 70er Jahre 25 hatten angesichts der (neu entstandenen oder nun erkannten) Gefährdungen vornehmlich dem Betreiber einer Anlage Vorsorge- und Beseitigungspflichten auferlegt,26 das Problem der Sanierung ————— 20 Urt. v. 10.11.1880, amtliche Sammlung der Entscheidungen des königlichen Oberverwaltungsgerichts (PrOVGE) 7, 348-353/351. 21

Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31.1.1850 (Preußische GesetzSammlung 1850, S. 17 ff.), Titel II. Von den Rechten der Preußen, Art. 9 – abgedruckt bei Huber, Dokumente I Nr. 194, S. 501-514/502: „Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden“. 22

Urt. v. 5.12.1881, PrOVGE 8, 327-331/329 ff.

Leisner, Umweltschutz, S. 11: „Umweltschutz ist das erste juristische und politische Thema der 80er Jahre, vielleicht noch weit über sie hinaus“. Lesenswert zu den „Anfängen von Umweltrecht“, der „Industrialisierung“ und der „Entwicklung nach 1945“, besonders zu dem der Hochzeit vorausgehenden „Wertewandel“ in den 60er und 70er Jahren, Kloepfer, Umweltrecht, § 2, besonders Rn. 80-99. 23

24 Vgl. aus der Diskussion über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit in den achtziger Jahren: Breuer, JuS 1986, 359-364/363; ders., NVwZ 1987, 751-761/756; Gantner, Verursachung, S. 204 ff.; Hohmann, DVBl. 1984, 997-1001; Kloepfer, NuR 1987, 7-21/17; ders., Verantwortlichkeit, S. 44; Knopp, BB 1989, 1425-1430; Koch, Bodensanierung, S. 47 f.; Papier, DVBl. 1985, 873879/878; ders., Jura 1989, 505-513/508 f.; ders., NVwZ 1986, 256-263/261 f.; ders., Verantwortlichkeit, S. 75 f.; Scheier, ZfW 23 (1984), 333-341/339 f.; Schink, DVBl. 1986, 161-170/169 f.; Seibert, DVBl. 1985, 328-329; Spießhofer, Störer, S. 11 ff. u. 187 ff.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 61-69. 25 Das Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 (AbfG 1972; BGBl. I S. 873), das Bundes-Immissionsschutzgesetz von 1974 (BImSchG 1974; BGBl. I S. 721), das Bundesnaturschutzgesetz von 1976 (BNatSchG 1976; BGBl. I S. 3574), – nicht neu, aber grundlegend neugefasst – das Atomgesetz von 1976 (AtG 1976; 4. Änderungsgesetz vom 30.8.1976, BGBl. I S. 2573, und Bekanntmachung der Neufassung des Atomgesetzes vom 31.10.1976, BGBl. I S. 3053) und das Wasserhaushaltsgesetz von 1976 (WHG 1976; Vierte Novelle zum WHG v. 26.4.1976, BGBl. I S. 1109). Weitere, jedoch eher punktuell auf spezielle Gefahrenlagen reagierende Gesetze aus dieser Zeit nennt Kloepfer, Umweltrecht, § 2 Rn. 86. 26 § 8 Abs. 2 u. 3, § 10 Abs. 2 AbfG 1972; § 9a AtG 1976 (dazu Breuer, NJW 1977, 1121-1129/ 1123); § 5 BImSchG 1974 (dazu Schwerdtfeger, NJW 1974, 777-780/778); § 19i WHG 1976 (dazu

Befund

26

von Altlasten, also von in der Vergangenheit begründeten Umweltbelastungen,27 jedoch ausgespart. So kam es zur vielzitierten „Renaissance des Polizeirechts“28 und mit ihr zur Wiedergeburt der Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit.29 Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung begnügte sich in dieser Frage mit bloßen Andeutungen. Anfangs wurden Begrenzungsbegehren ausschließlich mit einfachrechtlichen oder fallbezogenen Erwägungen abgewiesen, indem etwa festgestellt wurde, eine Begrenzung der Zustandshaftung finde „im Gesetz keine Stütze“ und der zu beurteilende Sachverhalt sei „nicht so gelagert, daß er zu einer grob unbilligen Konsequenz der Zustandshaftung führen würde“. 30 Seit 1986 erwogen die Gerichte regelmäßig die Möglichkeit verfassungsrechtlicher Grenzen für bestimmte Situationen31 oder hinsichtlich der Höhe der vom Zustandsverantwortlichen geforderten Aufwendungen. 32 Ohne sich in diesem Punkt festzulegen, wiesen sie aber Begrenzungsbegehren Betroffener unter Verweis auf Umstände des Einzelfalls zurück, sei es wegen „nicht völlig außerhalb der Risikosphäre des Grundstückseigentümers“ liegendem Schadensein—————

Riegel, NJW 1976, 783-787/786). Das BNatSchG 1976 begründete keine unmittelbaren Rechtspflichten für den Bürger (vgl. Müller, NJW 1977, 925-930/925), verbot aber zahlreiche Handlungen, beispielsweise jeweils im zweiten Absatz der §§ 13, 15, 17, 18, 22 BNatSchG 1976. Zu diesem untechnischen Begriff einer Altlast im weiteren Sinne Kloepfer, Verantwortlichkeit, S. 7. Die Altlastendiskussion der 80er Jahre sieht er auf Altlasten in einem engeren Sinne bezogen, nämlich „Wasser- und Bodenschädigungen oder -gefährdungen aufgrund von vergangenen menschlichen Aktivitäten“. Ähnlich die Definition des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Runderlass vom 26.3.1980 (MBl. NW. 1980, S. 769): „Schadstoffanreicherungen in Boden und Grundwasser, die auf umweltgefährdende Nachwirkungen der industriellen Produktion und Nachwirkungen aus den beiden Weltkriegen zurückgehen (sog. Altlasten)“. Noch enger ist der bodenschutzrechtliche Begriff der Altlast in der Definition des § 2 Abs. 5 BBodSchG: „Altlasten im Sinne dieses Gesetzes sind 1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und 2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden“. 27

28 Erstmals findet sich diese Formulierung, soweit ersichtlich, bei Breuer, JuS 1986, 359-364/ 360, und ders., NVwZ 1987, 751-761/753. Papier, Verantwortlichkeit S. 59, sprach zuvor von einer „neu gewonnene[n] Vitalität, Aktualität und Unverzichtbarkeit“. Fehn, VR 1987, 267-271, erhebt die „Renaissance“ zum Aufsatztitel. Gegenläufig sprach sich Diederichsen, BB 1986, 1723-1731/1730 f., dezidiert gegen eine Lösung der Altlastenproblematik über die polizei- und ordnungsrechtliche Zustandsverantwortlichkeit aus. 29 Darstellung vorangegangener Diskussionen über Grenzen im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b) ()() u. ( ). 30

VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325-327/326.

OVG Münster, NVwZ 1989, 987-988/988 („unter besonderen Umständen, insbesondere bei Schadenseinwirkungen durch Krieg, Katastrophen, Großunfälle oder Naturereignisse“). 31

32

VGH München, NVwZ 1986, 942-946/945.

B. Stand der Diskussion

27

tritt,33 sei es wegen deutlicher Unterschreitung der „wie auch immer zu bestimmende[n] Opfergrenze“.34 Seit 1990 formulierten Bundesverwaltungsgericht 35 und Oberverwaltungsgerichte 36 beinahe formelhaft, es könne offenbleiben, inwieweit der Rechtsauffassung zu folgen sei, die unter Berufung auf Art. 14 GG eine Begrenzung der Verantwortlichkeit befürworte, wenn eine Heranziehung zur Gefahrenbeseitigung, insbesondere die Belastung mit ihren Kosten, den privatnützigen Gebrauch der Sache ausschalten würde oder schlechthin unzumutbar wäre. Derartige Überlegungen schieden von vornherein aus, „wenn der Zustandsverantwortliche bei Begründung des Eigentums bzw. der Sachherrschaft vom ordnungswidrigen Zustand der Sache wußte oder doch zumindest Tatsachen kannte, die auf das Vorhandensein eines solchen Zustandes schließen lassen konnten“. Eine jüngere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kampfmittelräumung formuliert zwar weitergehend, es sei in der Rechtsprechung „geklärt, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Eingrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in Betracht kommen kann, wenn der Eigentümer sich in einer Art ‚Opferposition‘ befindet“.37 Sie zieht daraus für den konkreten Fall aber (ebenfalls) keine Konsequenzen.38 In den wenigen Fällen, in denen sich Gerichte die verfassungsrechtlich begründete „Opferlehre“ zu eigen machten, war die Frage nicht entscheidungserheblich, ob allein aus verfassungsrechtlichen Gründen eine nach dem einfachen Recht mögliche Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen zu unterbleiben hatte oder in ihrem Ausmaß zu beschränken war: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erwähnte die Opferposition der Grundstückseigentümer lediglich als einen Gesichtspunkt zur Begründung, warum die Heranziehung einer Verhaltensverantwortlichen im konkreten Fall ermessensfehlerfrei gewesen sei. Da die Grundstückseigentümer selbst „Opfer“ der von der Verhaltensverantwortli————— 33

OVG Münster, NVwZ 1989, 987-988/988.

VGH München, NVwZ 1986, 942-946/945. Der im Zusammenhang von Altlastenfällen oft zitierte Begriff der Opfergrenze oder Opferposition stammt aus der früheren Diskussion über die Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung. Diese erfolgt etwa noch in BGHZ 57, 278-291/285 f., mit Hilfe der „Opfergrenze“. 34

35 BVerwG, B. v. 14.12.1990 – 7 B 133/90 – in JURIS veröffentlicht; BVerwG, NVwZ 1991, 475476/475; BVerwG, Buchholz 402.41 Nr. 59, S. 1-4/3; BVerwG, NVwZ 1997, 577-578/578.

VGH Mannheim, B. v. 22.4.1993 – 8 S 406/93 – in JURIS veröffentlicht; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 13-14/13. Vgl. ferner VGH Mannheim, NVwZ-RR 1999, 167-168/168. 36

37

BVerwG, Buchholz 402.41 Nr. 65, letzter Absatz (S. 14 f.).

Die Zustandsverantwortliche wurde nur mit Kosten für zusätzliche Erdarbeiten belastet, die durch die besondere Beschaffenheit ihres Grundstücks verursacht worden waren, nicht hingegen mit den „eigentlichen Kosten der Kampfmittelräumung“, bei den allein von einer „Opferposition“ gesprochen werden konnte. Ebenfalls ohne Konsequenzen für den Besitzer von „angeschwemmten“ oder „aufgedrängten Abfällen“ BVerwG, NJW 1998, 1004-1006/1006: „Daß der Kläger bislang schon einmal durch ein bestimmtes Hochwasserereignis in eine solche ‚Opferposition‘ geraten wäre, hat er selbst nicht geltend gemacht“. 38

Befund

28

chen verursachten Gefährdung gewesen seien, „wäre es unbillig, sie darüber hinaus als Zustandsstörer mit den Kosten der Gefahrenabwehr zu belasten“.39 Das Verwaltungsgericht Gera erachtete „eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit“ in einem Fall, in dem ein enteignetes Grundstück ohne Wissen und Wollen des vorherigen und im Falle der Rückübertragung künftigen Eigentümers verunreinigt worden war, zwar wegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG für geboten.40 Diese verfassungsrechtlichen Erwägungen bekräftigten aber lediglich die Auslegung einer von der Verantwortlichkeit ohnehin befreienden Bestimmung des Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes,41 auf die das Gericht seine Entscheidung stützte. Im Schrifttum hingegen nahmen die Stimmen beständig zu, die aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG 42 oder der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG 43 Grenzen der ordnungsrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit herzuleiten suchten. Im Vordergrund stand nicht selten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke für Eigentumsbeschränkungen.44 Eine der Höhe nach unbegrenzte Belastung des Eigentümers mit den Kosten von Gefahrenabwehrmaßnahmen, wie sie nach dem Wortlaut der Polizei- und Ordnungsgesetze möglich ist, wurde als unzumutbar45 oder unverhältnismäßig46 empfunden. Für Auslegung und Anwendung der ordnungsrechtlichen Adressatennormen wurden daraus unterschiedliche Konsequenzen gezogen: Sie reichten von bloßen Kriterien für die Ermessensausübung,47 einer Restriktion der Kostenlast ————— 39

VGH Mannheim, NVwZ 1990, 781-784/784.

40

VG Gera, NuR 1998, 501-502/502.

41

§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Halbs. 2 ThAbfAG: „(1) 1Zur Durchführung der Sanierung sind verpflichtet: … 5. der Grundeigentümer sowie der ehemalige Grundeigentümer, es sei denn, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt hat während der Zeit der Verursachung der Altlasten diese gegen den Willen des Grundeigentümers ausgeübt“. Bielfeldt, DÖV 1989, 441-448/446 f.; Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 80-82; Friauf, Zustandshaftung, S. 303; Herrmann, DÖV 1987, 666-675/674; Schink, GewArch 1996, 50-62/57; ders., VerwArch 82 (1991), 357-387/380; Schwemer, VR 1996, 147-154/153. 42

43 Fehn, VR 1987, 267-271/268; Friauf, Zustandshaftung, S. 301 f.; Hohmann, DVBl. 1984, 9971001/1000 f.; Kirchhof, DÖV 1976, 449-457/457; Kniesel, BB 1997, 2009-2014/2013; Knopp, BB 1989, 1425-1430/1427; Papier, Altlasten, S. 50 ff.; ders., DVBl. 1985, 873-879/878 (Art. 14 Abs. 2 GG als „Rechtfertigungsgrund“ und „Grenze“); ders., Jura 1989, 505-513/509; ders., JZ 1994, 810-822/816; ders., NVwZ 1986, 256-263/261; ders., Verantwortlichkeit S. 75 (Art. 14 Abs. 2 GG als „Eingriffslegitimation“ und „Eingriffsbegrenzung“); Selmer, Gedanken, S. 501; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 66. 44 Etwa bei Bielfeldt, DÖV 1989, 441-448/447; Brandt, Altlastenrecht, Kap. IV Rn. 71; Fouquet, Grenzen, S. 211 ff.; ders., Sanierungsverantwortlichkeit, S. 80 f.; Friauf, Zustandshaftung, S. 302 f.; Herrmann, DÖV 1987, 666-675/674; Oerder, NVwZ 1992, 1031-1039/1036 f. 45

Oerder, NVwZ 1992, 1031-1039/1037.

46

Schwemer, VR 1996, 147-154/153.

47

Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 173 ff.

B. Stand der Diskussion

29

im Rahmen der behördlichen Verhältnismäßigkeitserwägungen48 oder einer generellen Entlastung auf Kostenebene49 über eine Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit auf bloße Duldung (unter Versagung der Befugnis zur Anordnung der Gefahrenbeseitigung oder Kostentragung) 50 bis zu einer Behandlung des Eigentümers als Nichtstörer in bestimmten Fallkonstellationen51 oder ab einer bestimmten Belastungsgrenze.52 Für die Beitrittsländer entschärfte das Umweltrahmengesetz durch eine Freistellungsklausel die Diskussion.53 Danach trug die öffentliche Hand den überwiegenden Teil der Sanierungskosten.54 Die Landesgesetzgeber schufen in den ————— 48 Brandt, Altlastenrecht, Kap. IV Rn. 71; Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 321; Fouquet, Grenzen, S. 212 ff. u. 215; ders., Sanierungsverantwortlichkeit, S. 86; Götz, POR 1995, Rn. 223, und ders., POR 2001, Rn. 221 (nunmehr angelehnt an den Altlastenbeschluss); Kniesel, BB 1997, 2009-2014/2013; Oerder, DVBl. 1992, 691-697/695; ders., NVwZ 1992, 10311039/1037; Scherer-Leydecker, altlasten spektrum 2000, 149-156/155; Schwemer, VR 1996, 147154/153.

Giesberts, Lastenverteilung, S. 196 f.; Griesbeck, Polizeipflicht, S. 140; Hohmann, DVBl. 1984, 997-1001/998 ff.; Knopp, BB 1989, 1425-1430/1428 ff.; Schink, DÖV 1995, 213-225/223. 49

50 Baur, JZ 1964, 354-358/356; Dombert, Altlastensanierung, S. 57 f.; Gantner, Verursachung, S. 215; Herrmann, Flächensanierung, S. 93; Kimmel, Eigentum, S. 173; Kirchhof, DÖV 1976, 449457/457; Kloepfer, NuR 1987, 7-21/17; Oerder, DVBl. 1992, 691-697/695; Papier, Altlasten, S. 51; ders., DVBl. 1985, 873-879/878; ders., Jura 1989, 505-513/509; ders., NVwZ 1986, 256-263/262; ders., Verantwortlichkeit, S. 76; Schink, DVBl. 1985, 1149-1158/1158; ders., DVBl. 1986, 161170/170; ders., GewArch 1996, 50-62/57; ders., VerwArch 82 (1991), 357-387/380; Schwachheim, Unternehmenshaftung, S. 99 f.; Seibert, DVBl. 1985, 328-329/329. 51 Binder, Zustandshaftung, S. 87 ff.; Friauf, POR, S. 239; ders., Zustandshaftung, S. 303; Ossenbühl, DÖV 1976, 463-471/470; Spießhofer, Störer, S. 190 f.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 68 f. 52 Schenke, PolOR 1999, Rn. 175. Nach Ergehen des Altlastenbeschlusses aufgegeben, Schenke, PolOR 2003, Rn. 173. 53 Art. 1 § 4 Abs. 3 Umweltrahmengesetz (URG) vom 29.6.1990 (GBl. DDR I S. 649), durch Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anl. II, Kap. XII, Abschn. III Nr. 1 b des Einigungsvertrags übergeleitet und durch Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22.3.1991 (Hemmnisbeseitigungsgesetz; BGBl. I S. 766/788) modifiziert. Art. 1 § 4 Abs. 3 URG bestimmt: „1Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen und Grundstücken, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, sind für die durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortlichkeit freistellt. 2Eine Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besitzers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks möglicherweise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist. 3-7 …“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Monographisch aufgearbeitet von Conrad/ Wolf, Freistellung; Gebsattel, Regelungsgehalt; Lovens, Altlastenfreistellung, S. 46 ff. Einen Überblick über die jüngst dazu ergangenen verwaltungs- und zivilgerichtlichen Entscheidungen gibt Vierhaus, NVwZ 2004, 418-425. Hinweise auf weitere Veröffentlichungen aus jüngster Zeit finden sich bei Kügel, NJW 2004, 1570-1579/1576.

Befund

30

späten 80er und frühen 90er Jahren Spezialgesetze oder zumindest spezielle Bestimmungen zur Sanierung von Altlasten.55 Einige von ihnen enthielten ausdrückliche Bestimmungen über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit, teils aufgrund eingeschränkter Herrschaft zur Zeit der Verunreinigung56, teils aufgrund unverschuldeter Unkenntnis57 oder schutzwürdigen Vertrauens58, teils aufgrund allgemeiner Billigkeitserwägungen59. Diese Gesetze sind durch das Bundes-Bodenschutzgesetz abgelöst worden. Es übernimmt aus dem Polizei- und Ordnungsrecht die Figur der Zustandsverantwortlichkeit und erweitert sie um Regelungen der Verantwortlichkeit des früheren Grundstückseigentümers sowie des Einstandspflichtigen für eine juristische ————— 54 Vgl. Lovens, Altlastenfreistellung, S. 79: „In der Freistellungspraxis hat sich eine übliche Eigenbeteiligung des Antragstellers in Höhe von 10% der Sanierungskosten herausgebildet“. Nach dem „Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten vom 1. Dezember 1992“ (VA-Altlastenfinanzierung, BAnz 1993, 2842, und BAnz 1995, 7905) sollte bei Unternehmen aus dem Treuhandbereich, die nach dem 1. Januar 1992 privatisiert wurden oder sich noch im Besitz der Treuhand befanden, der Bund 60% und die Länder 40% der die Eigenbeteiligung im Falle der Freistellung übersteigenden Sanierungskosten übernehmen, bei sog. Großprojekten, auf welche sich Bund und Land einvernehmlich verständigen konnten, der Bund 75% und das Land 25%, Gebsattel, Regelungsgehalt, S. 113, und Kobes/ Freiherr Spies von Bullesheim, VIZ 1999, 249-252/251 f. 55 Aufgeführt am Ende dieser Arbeit in Anhang III. Die Gesetze sind zum Teil – zumindest auszugsweise – abgedruckt bei Brandt, Bodenschutzrecht. Einen Überblick über die Inhalte einiger der dort aufgeführten landesrechtlichen Regelungen geben Erbguth/ Stollmann, UPR 1996, 281-294, und Pohl, NJW 1995, 1645-1650. 56 § 10 Abs. 6 S. 1 Sächs EGAB: „Sind Bodenbelastungen vor dem 1. Juli 1990 zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem der Grundstückseigentümer keine tatsächliche Gewalt über sein Grundstück innehatte, so kann dem Eigentümer bei einer Inanspruchnahme nach Absatz 1 insoweit Freistellung von dieser Verpflichtung gewährt werden, als eine Durchführung der Maßnahmen für ihn nicht zumutbar ist“. 57 § 13 Abs. 4 BlnBodSchG: „Verantwortlich ist auch, wer Eigentümer des Grundstücks oder Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft an dem Grundstück in dem Zeitraum gewesen ist, in dem die Bodenverunreinigung entstanden ist, es sei denn, daß ihm die entstandene Bodenverunreinigung während der Zeit des Eigentums oder des Besitzes weder bekannt wurde noch bekannt sein mußte“.

§ 14 Abs. 2 S. 2 BlnBodSchG: „Bei einem nach § 13 Abs. 5 [als jetziger Eigentümer des Grundstücks oder Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft] Verantwortlichen ist darüber hinaus zu berücksichtigen, ob er bei Erwerb des Grundstücks oder der tatsächlichen Sachherrschaft wußte oder bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte wissen müssen, daß eine Bodenverunreinigung vorlag“. 58

§ 12 Abs. 3 HAltlastG: „Die Sanierungsverantwortlichkeit nach Abs. 1 entfällt, wenn die sanierungsverantwortliche Person im Zeitpunkt des Entstehens der Verunreinigung darauf vertrauen durfte, daß eine Beeinträchtigung der Umwelt nicht entstehen könne, und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist“. § 20 Abs. 2 ThAbfAG: „Die Sanierungsverantwortlichkeit nach Absatz 1 entfällt, wenn der Verantwortliche im Zeitpunkt des Entstehens der Verunreinigung oder des Umgangs mit Abfällen oder Stoffen daraufhin [!] vertraut hat, daß eine Beeinträchtigung der Umwelt nicht entstehen könne, und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist“. 59 § 10 Abs. 1 S. 3 BaWü BodSchG: „Bei der Heranziehung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, insbesondere sind unbillige Härten zu vermeiden“.

B. Stand der Diskussion

31

Person.60 Eine vom Bundestag bereits beschlossene Bestimmung, den Grundstückseigentümer und den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück unter bestimmten Voraussetzungen von der Kostenpflicht zu befreien, soweit „die Kosten der angeordneten Maßnahmen die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen“,61 wollte der Bundesrat geändert wissen.62 Sie wurde auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses gestrichen.63 II. Zäsur durch den Altlastenbeschluss vom 16.2.2000 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss des Ersten Senats64 vom 16.2.2000 (Altlastenbeschluss65) die in jedem Fall unbeschränkte Belastung des zustandspflichtigen Grundstückeigentümers mit Kosten von Gefahrenabwehrmaßnahmen in Anwendung polizei- und ordnungsrechtlicher Gesetze66 für mit der Eigentumsgewährleistung unvereinbar erklärt und die angegriffenen, der gefestigten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung67 folgenden Entscheidungen68 in zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG aufgehoben. In beiden Fällen ging es um die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Umwelt, die von verunreinigten Grundstücken ausgingen, scheiterte die Inanspruchnahme der Verursacher, juristischer Personen des Privatrechts, daran, dass sie nach der Verunreinigung Konkurs anmelden ————— 60

Dazu oben unter A.II.

61

BR-Drs. 422/97, S. 8 f. (§ 25 Abs. 2 S. 1). Seinerzeit begrüßt und dennoch für zu eng befunden von Papier, JZ 1994, 810-822/817: „Diese verfassungsrechtlichen Erwägungen sind im Entwurf eines Bundes-Bodenschutzgesetzes begrüßenswerterweise aufgegriffen worden. … Insoweit ist allerdings zu fragen, ob jener Regelungsvorschlag nicht zu eng geraten ist, weil er allein auf den Ausschluß des privatnützigen Gebrauchs des Grundstücks wegen der auf den Eigentümer zukommenden Kosten nach der Sanierung abstellt und nicht auch die – meines Erachtens in gleicher Weise auf eine Opferposition des Eigentümers hinweisende – Situation miterfaßt, in der schon wegen der Altlast selbst jede substantielle privatnützige Nutzung und Verwendung des konkreten Eigentums ausgeschlossen ist“. 62

BT-Drs. 13/6701, S. 58 (Nr. 57); BT-Drs. 13/8182, S. 8 (Nr. 26).

63

BT-Drs. 13/9637, S. 5 (Nr. 20 Buchst. a).

64

In der Besetzung: Vizepräsident und Berichterstatter Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Dr. Jürgen Kühling, Renate Jaeger, Dr. Evelyn Haas, Dr. Dieter Hömig, Prof. Dr. Udo Steiner, Dr. Christine Hohmann-Dennhardt und Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem. 65

BVerfGE 102, 1-25.

66

§ 7 BaWü PolG; Art. 9 Abs. 2 Bay LStVG. Zwar stützten sich die angegriffenen Sanierungsanordnungen primär auf Befugnisse im Landeswasserrecht. Die polizei- und ordnungsrechtlichen Regelungen über die Verantwortlichen waren aber ergänzend anzuwenden. 67

Dazu oben Fn. 35 u. 36.

BVerwG, B. v. 14.12.1990 – 7 B 133/90 – in JURIS veröffentlicht; VGH Mannheim, Urt. v. 19.7.1990 – 5 S 2021/89 – Schrifttum und Rechtsprechung 1990, 33; VGH München, B. v. 14.1.1999 – 22 ZB 98.1067 – nicht veröffentlicht; VG Ansbach, Urt. v. 1.9.1997 – AN 13 K 92.00120 – nicht veröffentlicht. 68

Befund

32

mussten, und waren für die von allen Beteiligten für notwendig erachtete und von den Grundstückseigentümern in Befolgung der gleichwohl angegriffenen Bescheide vorgenommene Sanierung hohe Aufwendungen zu tätigen, die ihre wirtschaftliche Existenz allerdings nicht bedrohten. Im ersten Fall (Ersteigerungsfall69) hatte ein Unternehmen bis 1981 bei der Herstellung von Hutstoffen aus Kaninchenfellen chlorierte Kohlenwasserstoffe (Perchlor- und Trichlorethylen) verwendet, die zu schweren Verunreinigungen von Boden und Grundwasser auf und unter dem Unternehmensgrundstück führten. Eine Nachbarin ersteigerte 1982 das bereits verunreinigte Grundstück und wurde 1985/86 als neue Eigentümerin zur Sanierung verpflichtet. Die Sanierung kostete – nach damaligen Erkenntnissen70 – EUR 560.000 71, etwas mehr als das Dreifache des Grundstückswerts (EUR 180.000 72). Im zweiten Fall (Verpachtungsfall73) wurde eine Eigentümergemeinschaft in Anspruch genommen, der das Grundstück bereits im Zeitraum der Verunreinigung gehörte und die es an den Verursacher, einen Verein, zur Errichtung und Unterhaltung einer Tontauben-Schießanlage verpachtet hatte. Das Pachtgrundstück von 16 ha war Teil der umfänglichen forstwirtschaftlichen Flächen der Eigentümergemeinschaft. Während der Pachtzeit von 1970 bis 1986 wurde darauf eine Bleimenge von insgesamt 200 bis 300 Tonnen verschossen. Die ————— 1 BvR 242/91; vorab: BVerwG, B. v. 14.12.1990 – 7 B 133/90 – in JURIS veröffentlicht; VGH Mannheim, Urt. v. 19.7.1990 – 5 S 2021/89 – Schrifttum und Rechtsprechung 1990, 33. Nach Zurückverweisung an den VGH Mannheim haben sich die Parteien auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verglichen und eine Obergrenze der von der Ersteigernden zu tragenden Sanierungskosten von rund EUR 1,329 Millionen (DM 2,6 Millionen) vereinbart, vgl. Mohr, BWNotZ 2003, 111-114/113, und ders., NVwZ 2003, 686-688, besonders S. 687. Da nicht ausgeschlossen werden könne, „dass die gesamten Sanierungskosten über den genannten Betrag von [EUR 1,329 Millionen] hinausgehen“, und damit die Möglichkeit in Betracht zu ziehen sei, „dass die Sanierungskosten die Grenzen des der [Ersteigernden] Zumutbaren überschreiten“, erachtete der VGH Mannheim, VBlBW 2002, 491-492/492, eine „Beteiligung des beklagten Landes an den Kosten des Verfahrens in Höhe von einem Viertel als sachgerecht“. 69

70

Vgl. die vorstehende Fußnote zu späteren Rahmenbeträgen.

71

Sämtliche Beträge wurden nach dem amtlichen Umrechnungskurs in Euro umgerechnet und gerundet. 72 Verkehrswert zum Zeitpunkt des Schadensfalles; 1998, also nach (teilweise) erfolgter Sanierung, lag der Verkehrswert des Grundstücks bei EUR 820.000, VGH Mannheim, VBlBW 2002, 491-492/491, und Mohr, BWNotZ 2003, 111-114/113.

1 BvR 315/99; vorab: VGH München, B. v. 14.1.1999 – 22 ZB 98.1067 – nicht veröffentlicht; VG Ansbach, Urt. v. 1.9.1997 – AN 13 K 92.00120 – nicht veröffentlicht. Zum Verlauf dieses Hauptsacheverfahrens und des vorangegangenen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem der VGH München (NVwZ 1992, 905-907/905) noch eine Verhaltensverantwortlichkeit des verpachtenden Eigentümers angenommen hatte: Numberger, NVwZ 2005, 529-531/530. Nach Zurückverweisung an das VG Ansbach haben sich die Parteien verglichen und eine anteilige Rückerstattung an die Eigentümergemeinschaft in Höhe von EUR 2,3 Millionen vereinbart, vgl. Numberger, NVwZ 2005, 529-531/531. 73

B. Stand der Diskussion

33

Inanspruchnahme erfolgte angesichts der vom Bleischrot und gelöstem Blei im Boden ausgehenden Gefahren für das Grundwasser als wasserrechtliche Sanierungsanordnung. Die Sanierungskosten (EUR 3.017 Millionen) beliefen sich auf das Zwangzigfache des Grundstückswerts (nach Angaben der Eigentümer maximal EUR 150.000), das Vierzigfache der gesamten Pachteinnahmen (EUR 82.000). Die Fachgerichte hatten die Sanierungsanordnungen bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht prüfte sowohl die gesetzlichen Vorschriften über die Verantwortlichkeit, aus denen sich in Verbindung mit den Eingriffsermächtigungen im Falle der Inanspruchnahme die Verpflichtung zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung ergibt, als auch ihre Auslegung und Anwendung am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 S. 1, S. 2 und Abs. 2 GG. Die gesetzlichen Vorschriften seien Regelungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und genügten den Anforderungen der grundrechtlichen Eigentumsgarantie.74 Die Auslegung (und die darauf gestützte Anwendung) der Vorschriften durch Verwaltung und Gerichte verstoße hingegen gegen Art. 14 GG. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist die Feststellung, die Zustandsverantwortlichkeit könne von Verfassungs wegen „im Ausmaß“ dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden dürfe, „begrenzt sein“. Eine Belastung des Eigentümers mit den Kosten einer Sanierungsmaßnahme sei nicht gerechtfertigt, soweit sie ihm „nicht zumutbar“ sei. Einige nachfolgende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nehmen den Altlastenbeschluss in Bezug und bestätigen einige seiner Ausführungen, ohne jedoch (weitergehende) Konsequenzen für andere Fallgruppen zu ziehen.75 ————— 74 Hier stellte der Erste Senat des BVerfG die Weichen anders als in seinem knapp ein Jahr zuvor ergangenen Beschluss zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und -pflegegesetz (BVerfGE 100, 226-248/239 ff., 243), namentlich zum darin geregelten Erfordernis einer Genehmigung zur Veränderung geschützter Kulturdenkmäler, die nur bei Vorliegen ausgesprochen strenger Voraussetzungen erteilt werden durfte. Dort hatte das BVerfG die Norm selbst für verfassungswidrig gehalten, weil sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließe und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthalte. Anders als im Altlastenbeschluss suchte es eine Lösung also nicht erst auf der Ebene der Auslegung und Anwendung der Norm. Papier deutet in einem Festschriftenbeitrag zum Thema des Altlastenbeschlusses allerdings an, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Sanierungsanordnung auf der Grundlage des neuen BBodSchG (und nicht des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts) möglicherweise anders entscheiden würde, Papier, Zustandshaftung, S. 267: „Es stellt sich daher schon die Frage, ob der Bundesgesetzgeber mit seinen seit dem 1. März 1999 geltenden Regelungen zur Zustandsverantwortlichkeit bei Altlastensanierungen seinem Regelungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend Rechnung getragen hat und die verfassungsrechtlich gebotene Reduktion der Zustandshaftung den rechtsanwendenden Organen der zweiten und dritten Gewalt überlassen durfte“. 75 Im Beschluss vom 17.7.2000 (www.xfaweb.baden-wuerttemberg.de/bofaweb/berichte/urteilsdatenbank/1BvR24891.html) fasste das BVerfG „die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung von Altlasten“ zusammen, nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an, weil die verfassungsrechtlichen Gren-

34

Befund

Als erstes Gericht76 hat das Landgericht Essen diese verfassungsrechtlichen Grenzen auf anderes Eigentum als Grundstückseigentum übertragen.77 Der Verwaltungsgerichtshof München folgte, indem er die Grenzen auf den Besitzer von Abfällen im Sinne des § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG78 übertrug79 und eine modifi————— zen jedenfalls nicht überschritten seien. Die zu erwartenden Kosten für Untersuchungsmaßnahmen von etwa EUR 20.500 (DM 40.000) stünden weder außer Verhältnis zu dem Verkehrswert des Grundstücks von etwa EUR 143.000 (DM 280.000) noch brächten sie die wirtschaftliche Existenz der Eigentümerin in Gefahr. Im Beschluss vom 24.8.2000 (NVwZ 2001, 65-66/66) griff das BVerfG die geforderten unterschiedlichen Grenzen für den Erwerb in fahrlässiger Unkenntnis und Kenntnis des von Altlasten ausgehenden Risikos auf, nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an, weil der Beschwerdeführer „[n]ach den Feststellungen des OVG … deshalb unbeschränkt als Zustandsstörer [haftet], weil er beim Erwerb des Grundstücks die vorangegangene Nutzung und die damit einhergehenden Gefahren gekannt habe“. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (B. v. 22.5.2001 – BVerfGE 104, 1-13/8 f.; B. v. 26.8.2002 – NJW 2003, 196-198/197; B. v. 11.11.2002 – NVwZ 2003, 197-199/198; B. v. 19.12.2002 – NVwZ 2003, 727-728/727 f.) zitieren lediglich die allgemeinen Ausführungen des Altlastenbeschlusses zu Bedeutung und Inhalt der Eigentumsgewährleistung. 76 Das zuvor ergangene Urteil des OVG Hamburg vom 17.5.2000, NVwZ 2001, 215-221/220, zu der Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers bei Grundwasserverunreinigung berücksichtigt den Altlastenbeschluss noch nicht, obgleich die mündliche Verhandlung drei Monate nach Urteilsverkündung durch das Bundesverfassungsgericht stattfand. 77 LG Essen, Urt. v. 16.11.2000, ZfB 2001, 230-239/237 ff. Zu entscheiden war über eine etwaige Zustandspflichtigkeit einer Bergwerkseigentümerin nach Einstellung des Bergbaubetriebs. Die Bergwerkseigentümerin war im konkreten Fall nicht zugleich Eigentümerin des Schachtgrundstücks. Nach § 9 Abs. 1 Halbs. 2 BBergG sind auf das Bergwerkseigentum „die für Grundstücke geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden“. Das LG Essen meinte zwar, die Inanspruchnahme eines Bergwerkseigentümers für die Sanierung eines stillgelegten Schachts könne im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unverhältnismäßig sein, wenn „die Sanierungskosten die aus der Abbauberechtigung in der Vergangenheit gezogenen Vorteile“ überstiegen. Eine den Verkehrswert des sanierten Schachts übersteigende Kostenbelastung (in Rede standen Sanierungskosten von rund EUR 107.000) sei aber dann verhältnismäßig und zumutbar, wenn der Bergwerkseigentümer „das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat“, d.h. wenn er „im Zeitpunkt ihrer Gründung und der Übernahme der eingebrachten Bergwerke [wusste], dass in dem fraglichen Bereich Bergbau betrieben worden war“ und damit rechnen musste, „dass in dem Bereich [des von ihm übernommenen Bergwerks] auch ungesicherte Schächte vorhanden waren“. Das war bei der Bergwerkseigentümerin der Fall. 78 § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG: „Besitzer von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat“. 79 VGH München, NVwZ 2003, 363-365/364. Der Gerichtshof monierte, dass sich die behördlichen Bescheide mit den „maßgeblichen Gesichtspunkten … in der Grundsatzentscheidung des BVerfG vom 16.2.2000 … offenkundig nicht auseinander gesetzt haben“: „Die … Kostenforderung bedarf demnach im weiteren Verwaltungs- und gegebenenfalls Gerichtsverfahren noch einer Überprüfung dahin gehend, bis zu welcher Grenze die finanzielle Belastung den Ast. zumutbar ist … Hierbei wird der Wert des Hofgrundstücks und der sonstigen Vermögensteile sowie deren wirtschaftlicher Zusammenhang ebenso zu ermitteln sein wie der finanzielle Spielraum, den die derzeitige wirtschaftliche Situation des Betriebs für eine Kostenbelastung eröffnet“. Wenige Wochen vorher hatte der VGH München, NZM 2003, 651-652/652 unter Bezugnahme auf die im Altlastenbeschluss hervorgehobenen „legitimierenden Gr[ü]nd[e]“ der Zustandsverantwortlichkeit und das Korrespondenzverhältnis von Nutzen und Lasten bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Belastung von Eigentümern mit Kosten bestätigt, eine übermäßige finanzielle Beeinträchtigung im kon-

B. Stand der Diskussion

35

zierte Übertragung auf den Inhaber der tatsächlichen Gewalt nach § 4 Abs. 3 S. 1 Alt. 4 BBodSchG grundsätzlich befürwortete. 80 In einer weiteren Entscheidung hielt der Verwaltungsgerichtshof München den Verzicht auf eine Heranziehung des Grundstückseigentümers im Rahmen der Störerauswahl für ermessensfehlerfrei, weil der Umfang seiner Verantwortlichkeit – wie im Altlastenbeschluss „bestätigt“ – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit begrenzt sein könne.81 Das VG Koblenz wandte die „Abwägungsgesichtspunkte“ des Altlastenbeschlusses auf die Inanspruchnahme der Eigentümer eines Grundstücks am Fuße eines Felsens zu Felssicherungsmaßnahmen an und hielt die mit ihr verbundene Kostenlast für unzumutbar.82 Es hob hervor, dass die Eigentümer aus dem Flurstück, auf dem ein Fangzaun oder Drahtschutznetz errichtet werden sollte, „keinerlei wirtschaftlichen Nutzen ziehen können“, dieses Flurstück in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit im selben Termin ersteigerten Nachbargrundstücken stehe, die Gefahr auf einem Naturereignis, also einem nicht in die Sphäre der Eigentümer fallenden Umstand beruhe und den Eigentümern trotz Inkaufnahme der Gefahrensituation in gewissem Umfang „jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen“ sei. Das Bundesverwaltungsgericht übertrug die Grundsätze – ohne begrenzende Folgen im zu entscheidenden Fall – auf die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers einer Eisenbahnbrücke.83 Das Oberverwaltungsgericht Berlin sah in einer Anordnung gegenüber einer Grundstückseigentümerin, Abfälle zu beseitigen, die zu einer Zeit abgelagert wurden, in der das Grundstück von der DDR unter staatliche Verwaltung gestellt war, keine unzumutbare Belastung im Sinne der Grundsätze des Altlastenbeschlusses.84 Eine juristische Person des Privatrechts, deren Anteile mehrheitlich oder ausschließlich ein Träger der öffentlichen Gewalt hält, erachtete das Verwaltungsgericht Cottbus nicht in gleichem Maße für schutzbe————— kreten Fall einer Inanspruchnahme zu Detailuntersuchungen auf PAK-Belastungen mit geschätzten Kosten von weniger als EUR 1.000 je Wohnungseigentümer jedoch ausgeschlossen. In einer früheren Entscheidung musste sich das Gericht mit den verfassungsrechtlichen Grenzen nicht auseinandersetzen, weil schon nicht geltend gemacht wurde, „dass die Maßnahmen … ein finanziell unzumutbares Maß erreichen würden“, VGH München, NVwZ 2001, 821-822/822. 80

VGH München, NVwZ 2003, 363-365/365.

81

VGH München, NJW 2004, 2768-2770/2770.

82

VG Koblenz, Urt. v. 5.12.2002 – 2 K 2328/01.KO – in JURIS veröffentlicht.

BVerwG, B. v. 16.06.2005 – 3 B 129/04 – in JURIS veröffentlicht. Entscheidend war in diesem Fall die Frage, ob für die Zustandsverantwortlichkeit ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen der Gefahr und dem Zustand der Sache zu fordern und wie dieser auszulegen ist. Das BVerwG erachtete die Annahme eines solchen Erfordernisses als rechtsfehlerfrei. Das OVG Münster hatte vorinstanzlich entschieden, dass die von den unter der Brücke nistenden Tauben ausgehenden Gefahren mit dem Zustand der Sache nicht unmittelbar ursächlich in Verbindung stünden und deshalb eine Zustandsverantwortlichkeit einer Gesellschaft der Deutschen Bahn als Brückeneigentümerin abgelehnt, vgl. OVG Münster, NWVBl. 2005, 177-179/178. 83

84

OVG Berlin, ZUR 2005, 203-206/205.

Befund

36

dürftig wie einen „privaten Eigentümer“. Darüber hinaus sah das Gericht in der Verknüpfung einer unentgeltlichen Übernahme der Grundstücke verbunden mit einer Haftungsfreistellung des Voreigentümers trotz Kenntnis eines erheblichen Altlastenrisikos einen Anwendungsfall eines „besonders geringe[n] Schutzbedürfnis[ses]“ des Eigentümers, in dem ihm in Anwendung der Grundsätze des Altlastenbeschlusses versagt sei, sich auf eine Begrenzung der Beseitigungsund Kostenlast zu berufen.85 Das Oberlandesgericht Lüneburg gab einem Eilantrag gegen eine Beseitigungsverfügung im Hinblick auf die den Verkehrswert voraussichtlich um ein Vielfaches überschreitenden Räumungskosten in Anwendung der Zumutbarkeitsgrenzen des Altlastenbeschlusses statt.86

C. Weiterer Klärungsbedarf Die Jahrzehnte währende Diskussion lässt zweifeln, welcher rechtswissenschaftliche Bedarf an einer weiteren, noch dazu verfassungsdogmatisch argumentierenden Untersuchung besteht. Eine Habilitation87, mehrere Dissertationen88 und sonstige Monographien89, Festschrift-90 und Tagungsbeiträge91 und unzählige Aufsätze92 haben vor dieser Arbeit die Zustandsverantwortlichkeit und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen untersucht. ————— 85

VG Cottbus, NuR 2005, 199-205/204.

86

OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2006, 397-398/397 f. – Räumung von Kampfmitteln.

Lepsius, Besitz. Die Habilitationsschrift ist freilich breiter angelegt. Sie nutzt jedoch das Polizei- und Ordnungsrecht als Referenzgebiet und in diesem besonders die Fragestellungen zur Zustandsverantwortlichkeit, um das entwickelte Sachherrschaftsmodell auf seine Tauglichkeit zu überprüfen, vgl. Lepsius, Besitz, S. 9 f. und S. 219-335. Eine weitere Habilitation untersucht das altlastenrechtliche Haftungssystem nach allgemeinem Zivil-, Umwelthaftungs- und öffentlichem Recht und sucht nach Auflösung der Divergenzen: Knoche, Altlasten. 87

88 Binder, Zustandshaftung; Duesmann, Verantwortlichkeit; Erler, Maßnahmen; Gantner, Verursachung; Griesbeck, Polizeipflicht; Kimmel, Eigentum; Kohls, Zustandsverantwortlichkeit; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit; Lindner, Dimension; Müllensiefen, Gefahrenabwehr; Schwachheim, Unternehmenshaftung; Spießhofer, Störer; Ziehm, Störerverantwortlichkeit. 89 Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 69 ff.; Frenz, Verantwortlichkeit, S. 87 ff.; Leisner, Umweltschutz; Papier, Altlasten. 90 Fouquet, Grenzen; Friauf, Zustandshaftung; Kirchhof, Opferlage; Papier, Zustandshaftung. Der Beitrag von Fouquet ist nicht in einer als solche ausgewiesenen Festschrift erschienen. Die Tatsache, dass der Band aus Anlass des 50. Geburtstages von Edmund Brandt entstanden ist (vgl. Kotulla/ Ristau/ Smeddinck, Umweltrecht, Vorwort) rechtfertigt es aber, Fouquets Abhandlung an dieser Stelle zu nennen. 91

Kloepfer, Verantwortlichkeit; Papier, Verantwortlichkeit.

Allein aus den Jahren 2000-2005: Bickel, NJW 2000, 2562-2563; Grzeszick, NVwZ 2001, 721730; Hösch, VBlBW 2004, 7-14; Huber/ Unger, VerwArch 2005, 139-173; Kahl, Die Verwaltung 2000, 29-78; Klüppel, Jura 2001, 26-29; Knoche, GewArch 2000, 448-457; Knopp, BB 2000, 13731375; Lepsius, JZ 2001, 22-27; Mohr, altlasten spektrum 2001, 36-37; ders., NVwZ 2001, 540; ders., NVwZ 2003, 686-688; Müggenborg, NVwZ 2001, 39-41; Schäling, NVwZ 2004, 543-547; 92

C. Weiterer Klärungsbedarf

37

Der Umstand, dass nunmehr die lang ersehnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, spricht auf den ersten Blick gegen einen weiteren Bedarf an grundlegender Klärung. Damit soll nicht dem von Schlink wiederholt kritisierten Bundesverfassungsgerichtspositivismus 93, der der Generation des Verfassers eigne, das Wort geredet werden. Doch scheint es, als seien die verfassungsrechtlichen Argumente hinlänglich ausgetauscht, als habe das Bundesverfassungsgericht einen bereits gebahnten Weg verfassungsrechtlicher Argumentation beschritten,94 auf dem ihm gefolgt oder die Gefolgschaft versagt werden kann, als sei dann aber kein Voran mehr zu erwarten, weil das Gebiet durch andere erkundet ist,95 auf anderen Wegen durchlaufen96 oder für unfruchtbar befunden97 wurde. Dass gleichwohl Bedarf an weiterer verfassungsdogmatischer Klärung besteht, zeigen die nach dem Altlastenbeschluss veröffentlichten Arbeiten und die Stoßrichtung der Reaktionen auf den Beschluss. Im Ergebnis hat der Altlastenbeschluss beinah durchweg Zustimmung erfahren, wurde doch die unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers bislang schon vielfach als „ungerecht“98, „unbillig“99 oder dem „Gerechtigkeitsgefühl“ zuwiderlaufend 100 ————— Spieth/ von Oppen, PHi 2002, 10-18; dies., ZUR 2002, 257-265; Trurnit, altlasten spektrum 2001, 143-144. 93 Vgl. Schlink, DER SPIEGEL 1/2003, 134-135/134: „[D]ie Juristen, die die Professoren meiner Generation und ich selbst ausgebildet haben und zu kritischen Juristen ausbilden wollten, sind so positivistisch geraten, wie es je positivistische Juristen gab, nur nicht mehr auf das Gesetz eingeschworen, sondern auf das Bundesverfassungsgericht“. Den Begriff „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ prägte Schlink bereits in Der Staat 28 (1989), 161-172/163 ff., und in Unfähigkeit, S. 142. Stern, Grundrechte, S. 15, macht ihn sich zueigen. 94 Besonders in mehreren Beiträgen von Papier in: Altlasten, S. 50 ff.; DVBl. 1985, 873-879/878; Jura 1989, 505-513/508 f.; NVwZ 1986, 256-263/261 f.; Verantwortlichkeit, S. 75 f. 95

Nachweise vorstehend in Fn. 24, 42-52, 87-92 und 94.

Diederichsen, BB 1986, 1723-1731/1730 f., hält die Lösung der Altlastenproblematik über die polizei- und ordnungsrechtliche Zustandsverantwortlichkeit bereits im Ansatz für verfehlt. Griesbeck, Polizeipflicht, S. 55-57, lehnt eine auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung gestützte Begründung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit ab und sucht sie statt dessen in einer materiellen Polizeipflicht. Pietzcker, DVBl. 1984, 457-464/459 ff. u. 462 ff., versucht Grenzen mit Hilfe der Kriterien der Pflichtwidrigkeit und Risikozurechnung zu begründen. Sparwasser/ Geißler, DVBl. 1995, 1317-1327/1319 f. u. 1327, meinen, dass sich eine weitergehende Beschränkung der „Haftung“ auf den Grundstücks- und Gebäudewert bereits im Wege der Auslegung des einfachen Rechts ergebe. 96

97 Verfassungsrechtliche Grenzen lehnen ab: Leisner, Altlastensanierung, S. 404-409; Schoch, JuS 1994, 1026-1031/1026; Wolf, VBlBW 1988, 208-210/210. Kränz, Zustandsverantwortlichkeit, S. 226 f. u. 239, zieht eine „gesetzliche Problemlösung[]“ der „vielfach praktizierte[n] Derogation eindeutiger Rechtsnormen“ vor (Hervorhebung im Original). 98

Griesbeck, Polizeipflicht, S. 41; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 74.

Griesbeck, Polizeipflicht, S. 47; Kniesel, BB 1997, 2009-2014/2012 f.; Kränz, Zustandsverantwortlichkeit, S. 225; Schwemer, VR 1996, 147-154/153; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 62 f. 99

100 Fouquet, Grenzen, S. 204. Aufgegriffen in Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 76. Ähnlich Schieferdecker, Entfernung, S. 240 f. („Dem Gerechtigkeitsempfinden widerstreitet …“).

Befund

38

empfunden. Der Umstand jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung der Zustandsverantwortlichkeit wie deren Auslegung und Anwendung allein am Maßstab des Art. 14 GG geprüft und die Grenzen der Verantwortlichkeit aus den dabei anzustellenden Verhältnismäßigkeitserwägungen entwickelt hat, lässt ungeklärt, welche Bedeutung die Entscheidung für andere potentielle Verantwortliche hat, 101 etwa für den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Sache, von der eine Gefahr ausgeht,102 für den Derelinquenten103 oder einen sonstigen früheren Eigentümer104 als neuem Verantwortlichen nach § 4 Abs. 6 BBodSchG 105, für Abfallbesitzer106, für Bergwerkseigentümer 107 —————

Versteyl, BBodSchG, § 4 Rn. 138, hebt denn auch als Hauptverdienst des Altlastenbeschlusses hervor, dass durch die „notwendige Differenziertheit der Betrachtungsweise … dem Gerechtigkeitsempfinden … eher entsprochen“ werde (Hervorhebung im Original). 101

Kirchhof, Opferlage, S. 643 u. 647 f.

Dazu Lepsius, JZ 2001, 22-27/23. Scherer-Leydecker, EWiR 2000, 655-656/656, spricht sich für eine analoge Anwendung aus. Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/174, ist für eine Heranziehung der Grundsätze unter Austausch des Maßstabs des Verkehrswerts durch den „konkreten Nutzwert des Grundstücks nach Sanierung“. Ähnlich Schäling, NVwZ 2004, 543-547/545 ff., der statt des Verkehrswerts andere „Kriterien zur Haftungsbegrenzung“, etwa die „Höhe des geleisteten Nutzungsentgelts“, anwenden will. Der VGH München, NVwZ 2003, 363-365/365, geht grundsätzlich von der Übertragbarkeit der Grundsätze aus, lässt aber die daraus folgenden Zumutbarkeitsgrenzen offen: „Im Unterschied zu dem als Zustandsstörer herangezogenen Eigentümer besteht bei einem bloßen Pächter keine Befugnis zur Verwertung des Haftungsobjekts, die den legitimierenden Grund für die umfassende Heranziehung des Inhabers der Sachherrschaft darstellt … Dementsprechend kann der Verkehrswert der bloß gepachteten Sache keinen Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit der auferlegten Kostenlast liefern; ob stattdessen auf den Ertragswert abzustellen ist, muss im vorliegenden Verfahren offen bleiben“. 102

103 Ablehnend VGH Mannheim, 30.7.2002, 10 S 2153/01 – in JURIS veröffentlicht: „Der badenwürttembergische Gesetzgeber hat die Regelung des § 5 Abs. 3 MEPolG über die Haftung desjenigen, der sein Eigentum aufgegeben hat, nicht in das baden-württembergische Landesrecht übernommen. Die Regelung des § 7 [BaWü] PolG trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Zustandsverantwortlichkeit ihren legitimierenden Grund in der durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahren- oder störungsverursachende Sache findet. Der Eigentümer kann überdies aus der Sache Nutzen ziehen. … (vgl. [Altlastenbeschluss u. a.]). Diesem Ansatz widerspräche es aber, einer Person, die ihr zivilrechtliches Eigentum aufgegeben oder an einen Dritten übertragen hat und die auch keine tatsächliche Sachherrschaft mehr ausübt, als Zustandsstörer heranzuziehen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 104 Das Bundesverfassungsgericht unterstellt in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Frage nach Wiedergutmachungsansprüchen von Alteigentümern, den früheren Eigentümer nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 101, 239-274/272 f.

Dazu Knopp, DÖV 2001, 441-453/452; Müggenborg, NVwZ 2001, 39-41/41; SchererLeydecker, EWiR 2000, 655-656/656; Spieth/ von Oppen, PHi 2002, 10-18/14 f.; dies., ZUR 2002, 257-265/262. Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/174, hält die Grundsätze des Altlastenbeschlusses für übertragbar „mit der Besonderheit, daß es hinsichtlich der Kenntnis, der fahrlässigen Unkenntnis und des funktionalen Zusammenhangs auf den Zeitpunkt bis zur Eigentumsaufgabe ankommt“. Er lässt dabei allerdings im Unklaren, ob das Abstellen auf den „Zustand bis zu dem Verkauf des Grundstücks“ lediglich als zeitliche Grenze für subjektive Haltung und Vermögensverhältnisse oder auch für die Bestimmung des Verkehrswerts gelten soll. Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 254 ff., hält eine Beschränkung auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks für den früheren 105

C. Weiterer Klärungsbedarf

39

oder für Verhaltensverantwortliche 108, deren Rechtsnachfolger109 und Zusatzverantwortliche110. Bisweilen wird eine Neudefinition des Schutzguts der Eigentumsgewährleistung als Sachherrschaft für notwendig erachtet, um eine verfassungsrechtliche Abwehrpositionen der Pflichtigen, die nicht zugleich Eigentümer sind und zu deren Rechten der Altlastenbeschluss schweigt und schweigen durfte, gegen ————— Eigentümer ebensowenig für sinnvoll wie eine Beschränkung auf den „vom früheren Eigentümer erzielten Verkaufserlös aus dem Grundstück“. Er bietet aber keine alternative Bemessungsgröße an. 106

Grundsätze übertragen in VGH München, NVwZ 2003, 363-365/364.

107

Gegen eine Übertragbarkeit der Grundsätze auf die bergrechtliche Unternehmerverantwortung: Beckmann, ZUR 2006, 295-300/299 f. LG Essen, ZfB 2001, 230-239/237 f., hält allenfalls eine modifizierte Übertragung für angemessen: „Es ist aber bereits fraglich, ob die Entscheidung, die die Haftung des Eigentümers für Altlasten auf seinem Grundstück betrifft, ohne weiteres auf die Zustandshaftung des Bergwerkeigentümers für Gefahren, die von stillgelegten Schächten ausgehen, übertragbar ist. Es erscheint zweifelhaft, ob insoweit auch auf das Verhältnis zwischen den Sanierungskosten und dem Wert des Bergwerkeigentums gerade im Hinblick auf den einzelnen Schacht nach Sanierung abzustellen ist. Dies bedeutete, dass ein Bergwerkseigentümer niemals für Gefahren in Anspruch genommen werden könnte, die von einem bereits stillgelegten Schacht ausgehen. Nach Stilllegung eines Schachtes und seiner Verfüllung überstiegen noch so geringe Sanierungskosten den Wert für den einzelnen Schacht, in dem kein Abbau mehr betrieben wird. Es erscheint hier angemessener, auf das gesamte Bergwerksfeld abzustellen, in dem sich der zu sanierende Schacht befindet. Ein Bergwerksfeld bildet insoweit eine so enge Einheit, dass eine Aufspaltung in einzelne Schächte willkürlich erscheint. Zum anderen kann nicht der Wert des sanierten Schachtes mit den Sanierungskosten verglichen werden. Im Gegensatz zu Grundstücken, die mit Altlasten belastet sind, so dass eine Nutzung des Grundstücks vor der Sanierung nicht möglich ist und eine Sanierung gerade zur Nutzbarmachung erforderlich ist, war eine Nutzung des Bergwerksfeldes ‚Katharina‘ und der Steinkohleabbau in der Vergangenheit möglich. Im Falle eines altlastenverseuchten Grundstücks ist es angemessen, die Sanierungskosten mit den zukünftigen Vorteilen zu vergleichen, weil der Eigentümer aufgrund der Altlasten das Grundstück vor der Sanierung nicht nutzen konnte. Im Gegensatz dazu kann ein Abbauberechtigter zunächst sein Bergwerkseigentum nutzen, erst später kommt es zu einer Gefahrensituation. Es erscheint daher angemessener die aus dem Bergwerksfeld in der Vergangenheit gezogenen Nutzungen mit den Sanierungskosten zu vergleichen, so dass eine Unverhältnismäßigkeit überhaupt erst dann angenommen werden könnte, wenn die Sanierungskosten die aus der Abbauberechtigung in der Vergangenheit gezogenen Vorteile überwiegen würden“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/174 f., hält eine Übertragung der „absoluten Obergrenzen“ (Entziehung der Grundlage zur weiteren Lebensführung oder der Möglichkeit zur Fortführung wirtschaftlichen Engagements eines Unternehmens) für übertragbar. Knoche, GewArch 2000, 448457/456, fragt, „ob es wirklich gerecht ist, die Altlastenverursacher in aller Schärfe haften zu lassen“. Müggenborg, NVwZ 2001, 39-41/40, meint, der Beschluss sei für die verhaltensverantwortlichen Personen „[v]on vornherein ohne Bedeutung“ – im Ergebnis ebenso Schmidt, ZIP 2000, 19131921/1920. 108

Scherer-Leydecker, EWiR 2000, 655-656/656, fordert, beim Rechtsnachfolger des Verursachers die „Haftung … auf den Wert des übergegangenen Vermögens zu beschränken“. Spieth/ von Oppen, PHi 2002, 10-18/14, und dies., ZUR 2002, 257-265/261, wollen hingegen die Verkehrswertgrenze anwenden. Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 19, lehnt derartige Begrenzungsansätze ab. 109

110 Zu den Ausprägungen der sog. Zusatzverantwortlichkeit, Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 9 Rn. 5.

Befund

40

sachherrschaftsgebundene Pflichtenstellungen angemessen und in ausreichendem Umfang begründen zu können.111 Wegen der Herleitung aus Art. 14 GG ist ebenfalls unklar, ob die Grenzen auf alle Pflichten übertragen werden können, deren Gesetzestatbestand allein das gegenwärtige Eigentum an einer Sache voraussetzt, von der eine Gefahr ausgeht, etwa auf die Zustandsverantwortlichkeit für bewegliche Sachen112 oder die privatrechtliche Gefährdungshaftung.113 Gezweifelt wird schließlich am Zusammenstimmen mit der Verteilung des Schadensrisikos im Privatrecht, das vom Grundsatz „casum sentit dominus“114 geprägt ist. Die Stoßrichtung der Reaktionen zeigt: der Überprüfung bedarf, ob sich die verfassungsrechtlichen Aussagen des Altlastenbeschlusses in die Dogmatik der Eigentumsgewährleistung und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fügen; nur wenn sie das tun, lassen sich Folgerungen für andere Fälle ziehen, nur dann sind sie verallgemeinerungsfähig115 und taugen als systematische Erklärung116 verfassungsrechtlicher Grenzen der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit. An Verallgemeinerung und systematischer Erklärung besteht ein enormes praktisches Interesse. Die Zahl der Altlastverdachtsflächen ist seit den 80er Jahren erst allmählich bekannt geworden.117 Die Deutsche Einheit hat das Aus————— 111

Lepsius, Besitz, S. 14, 28 f., 102, 117 und 256.

Bickel, NJW 2000, 2562-2563/2562, geht davon aus, der Altlastenbeschluss bewirke eine unterschiedliche Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen; ebenso Lepsius, Besitz, S. 121, und ders., JZ 2001, 22-27/25, der von einer „Privilegierung des Grundeigentums gegenüber dem Fahrniseigentum“ spricht. 112

113 So thematisiert in der Aussprache nach einem Vortrag von Hans-Jürgen Papier zum Thema „Altlasten, Umweltschutz und Verfassung“ am 7.2.2002 in der Humboldt-Universität zu Berlin. 114

Lepsius, Besitz, S. 253 u. 280; ders., JZ 2001, 22-27/27.

Zum Erfordernis einer „gewissen Allgemeinheit“ einer Theorie, Kant, Akademieausgabe VIII, S. 275: „Man nennt einen Inbegriff selbst von praktischen Regeln alsdann Theorie, wenn diese Regeln als Principien in einer gewissen Allgemeinheit gedacht werden …“. Zustimmend Canaris, JZ 1993, 377-391/377. Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss nur einzelne Fälle entschieden hat und entscheiden durfte. Der verfassungskonkretisierende Teil der Entscheidung muss vielmehr im Sinne des Böckenförd’schen Verständnisses von case law als „fallbezogene[s] Gesetz“ (Böckenförde, Lage, S. 57) verallgemeinerungsfähig sein. 115

116 Zu diesem weiteren Erfordernis einer wissenschaftlichen Theorie, Canaris, JZ 1993, 377-391/ 377 f.: „Ziel einer wissenschaftlichen Theorie ist also eine systematische Erklärung im Wege der Einordnung in einen umfassenderen Zusammenhang“, sowie auf S. 379 zu den Funktionen einer juristischen Theorie: „Diese ermöglicht die begriffliche und/oder dogmatische Einordnung der einschlägigen Problemlösung(en), gewährleistet deren Verträglichkeit mit dem System des geltenden Rechts, verdeutlicht ihren materiellen Gerechtigkeitsgehalt und stellt einen Rahmen für die Lösung von (weiteren) Problemen zur Verfügung“. 117 Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen ging in seinem Sondergutachten „Altlasten“ aus dem Jahr 1989 von bundesweit 48.400 Verdachtsflächen aus, BT-Drs. 11/6191, Tz. 694 (S. 184). 1993 waren in den alten Bundesländern 69.029 der 161.678 geschätzten Altlastverdachts-

C. Weiterer Klärungsbedarf

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maß der Aufgabe weiter vergrößert.118 Ihre Bewältigung steht noch lange aus.119 Die geschätzten Kosten sind immens hoch120 und häufig von den Zustandsverantwortlichen zu tragen, weil die Verursacher oder ihre Rechtsnachfolger nicht zu ermitteln oder nach Insolvenz nicht mehr leistungsfähig sind.121 Die in den Umweltgesetzen zu beobachtende Tendenz, Nachsorgepflichten und nachwirkende Pflichten mehr an gegenwärtige oder ehemalige Rechtspositionen als an unmittelbare Verursachungsbeiträge zu knüpfen122 und damit am Grund————— flächen erfasst, in den neuen Bundesländern 69.693 der geschätzten 83.248. Die Schätzung erreichte damit für das gesamte Bundesgebiet fast die Marke einer Viertelmillion Altlastverdachtsflächen, Ruchay, Altlastensanierung, S. 16 (Quelle: Umweltbundesamt, Stand: 31.12.2003). Schink, GewArch 1995, 441-457/441, führt zusätzlich zu den Altablagerungen und Altstandorten die Militär- und Rüstungsaltlastverdachtsflächen auf und gelangt daher zu noch höheren Zahlen. Von diesen waren bis Dezember 1995 nach den Angaben der Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Bodens vom 14.1.1997 bundesweit ca. 170.000 Altlastenverdachtsflächen erfasst, BT-Drs. 13/6701, S. 19. Der Bodenschutzbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 14/9566, S. 20, und Franzius, Altlasten, S. 31 ff., schlüsseln die schrittweise Erfassung der Altlastenverdachtsflächen weiter auf. Jahr Erfasste altlastverdächtige Flächen bundesweit 1985 35.000 1987 42.000 1989 48.000 1995 170.000 1997 190.000 1999 305.000 2000 360.000 118 1990 waren in den neuen Bundesländern rund 29.000 Altlastenverdachtsflächen erfasst (Bodenschutzbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 14/9566, S. 20) bis Mitte 1997 bereits rund 97.700 Altlastenverdachtsflächen (Terfehr/ Willisch, altlasten spektrum 1997, 271-279/271), die somit bereits die 1993 geschätzte Zahl der Altlastenverdachtsflächen überstiegen, s. vorstehend in Fn. 117. 119 Bis Anfang 1999 waren nach einer Zusammenstellung des Umweltbundesamts bundesweit bereits 304.541 Altlastverdachtsflächen erfasst, Duesmann, Verantwortlichkeit, S. 251, bis Dezember 2000 waren es 362.689 (Quelle: www.umweltbundesamt/altlast/web1/deutsch/1_6.htm). Davon waren bis Dezember 2000 lediglich 55.175 Verfahren zur Gefährdungsabschätzung eingeleitet und/oder abgeschlossen (Quelle: www.umweltbundesamt/altlast/web1/deutsch/1_7.htm) und lediglich 10.295 Sanierungen abgeschlossen (Quelle: www.umweltbundesamt/altlast/web1/deutsch/ 1_8 htm – Summe der Einzelangaben zu abgeschlossenen Sanierungen). 120 Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen schätzte die Sanierungskosten für den Zeitraum 1986-1995 in seinem Sondergutachten „Altlasten“ aus dem Jahr 1989 auf rund EUR 8,7 Milliarden (DM 17 Milliarden), BT-Drs. 11/6191, Tz. 686 ff. (S. 181 ff.), Tz. 693 (S. 183). In seinem Sondergutachten Altlasten II aus dem Jahr 1995 schätzte er die Sanierungskosten bereits auf EUR 94 bis 473 Milliarden (DM 184 bis 925 Milliarden) für die alten Bundesländer, BT-Drs. 13/380, Tz. 167 Tabelle 1.18 (S. 85), und weitere EUR 25,6 Milliarden (DM 50 Milliarden) für die neuen Bundesländer, BT-Drs. 13/380, Tz. 330 Tabelle 2.10 (S. 158), wobei die von Dritten gemachten Schätzungen von EUR 5,4 bis 138 Milliarden (DM 10,6 bis 270 Milliarden) reichten, BTDrs. 13/380, Tz. 330 Tabelle 2.9 (S. 158). 121 122

So auch in den Fällen, die dem Altlastenbeschluss zugrunde lagen, BVerfGE 102, 1-25/4 u. 9.

Etwa die Nachsorgepflicht des Anlagenbetreibers gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG und der bergrechtlichen Verantwortlichen aus § 53 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 2 S. 1 BBergG, besonders des Unter-

Befund

42

muster der Zustandsverantwortlichkeit zu orientieren,123 macht den wissenschaftlich motivierten Wunsch nach verallgemeinerungsfähiger Erklärung zur praktischen Herausforderung. Beim „Ob und Wie“ einer Sanierung wird vorwiegend um die Auslegung des einfachen Rechts gestritten. Die Fragen der Verpflichteten, „warum gerade ich?“124 und „geht das unbeschränkt?“125, fordern hingegen, das zeigt die lange Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verantwortlichkeit, nach verfassungsrechtlich fundierten Antworten, die bislang, das zeigen die Reaktionen auf den Altlastenbeschluss, nicht zufriedenstellend gegeben wurden. Eine verfassungsdogmatische Untersuchung kann der Bewältigung dieser fortbestehenden praktischen Aufgabe dienen.

————— nehmers (§ 54 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 1 BBergG) und des Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung (§ 58 Abs. 2 BBergG). Auch die „Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden“, ABl. L 143/56 vom 30.04.2004, ermöglicht in Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und c, den „Betreiber“ im Sinne des Art. 2 Nr. 6 zur Sanierung zu verpflichten, nähert die Kostenlast durch zahlreiche Ausschlussgründe in Art. 8 allerdings einer Verschuldenshaftung stark an; dazu anhand des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission: Wagner, ZfIR 2003, 841-852/851 f. 123 Die Qualifikation der immissionsschutz- und bergrechtlichen Stilllegungspflichten steht im Streit. Für das Immissionsschutzrecht erfindet Dierkes, Grundpflichten, S. 116 f., die gemischte Verantwortungskategorie einer „erweiterten Verhaltensverantwortlichkeit“ als „Gefährdungsverantwortlichkeit“, die Elemente beider Verantwortlichkeitstypen enthalte. Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 37 f., stimmt dieser Einordnung zu. Die gängigen Verantwortlichkeitskategorien beibehaltend betont auch Hansmann, NVwZ 1993, 921-928/923, den Doppelcharakter der Nachsorgepflichtigkeit des letzten Betreibers als „eine Art Handlungs- und Zustandsstörerhaftung“. Die Rechtsprechung betont hingegen, dass die Nachsorgepflichten des § 5 Abs. 3 BImSchG „nicht an Reststoffe oder Bestandteile an[knüpfen], von denen die Umweltgefahr ausgeht, sondern … gegenständlich an die stillgelegte Anlage als solche gebunden [sind]“, OVG Lüneburg, WM 1998, 15531554/1554. Für das Bergrecht betonte das grundlegende Rammelsberg-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwGE 100, 31-42/39, dass „§ 55 Abs. 2 BBergG … nicht darauf ab[stellt], ob die nach dieser Bestimmung gebotenen Vorsorgemaßnahmen der Verursachungssphäre des letzten Unternehmers zuzurechnen sind“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Daher liegt eine Einordnung als Zustandsverantwortlichkeit näher. Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 47, sieht hingegen auch sie als erweiterte Verhaltensverantwortlichkeit. Zum Verhältnis der bergrechtlichen Regelungen zum BBodSchG auch BVerwG, NVwZ 2005, 954-957/956.

Versteyl, Sanierung, S. 148, hat das Problem mit dieser Frage beim 15. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht 1999 auf den Punkt gebracht. Bereits 1974 bezeichnete Friauf, Sonderlasten, S. 64, das „Warum gerade ihm?“ als die entscheidende Frage bei der Auferlegung zusätzlicher Lasten in Form der entschädigungslosen Inanspruchnahme von Eigentum oder Diensten. 124

125 Vgl. dazu den zynischen Kommentar von Mohr, BWNotZ 2003, 111-114/111: „Ist es sinnvoller, Roulette zu spielen oder ein Altlastengrundstück zu erwerben? Die Antwort: Weniger Risiko verlangt das Roulettespiel, denn dabei kann man nur den Einsatz verlieren, nicht aber sein übriges Vermögen gefährden“.

D. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung

43

D. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung I.

Aufgabe und Grenzen

Die Anforderungen an eine verfassungsdogmatische Untersuchung hat Ossenbühl einmal wie folgt beschrieben: „In einer Verfassungsrechtsordnung, die durch eine umfassende und prinzipiell grenzenlose Verfassungsgerichtsbarkeit sanktioniert wird, besteht die Aufgabe der Verfassungsrechtswissenschaft darin, die Kontrollnormen und Kontrollmaßstäbe der Verfassung in ständiger Prüfung zu konkretisieren und damit anwendungsreif zu machen, um einen möglichst rationalen, d.h. begründbaren und intersubjektiv verifizierbaren Vorgang der Rechtsanwendung zu gewährleisten“. 126

In Ossenbühls Sinn bemüht sich die vorliegende Untersuchung darum, „verfassungsrechtliche Großformeln in ihre Elemente zu zerlegen, gleichsam zu ‚zerkleinern‘, zu strukturieren und zu substantiieren“.127 Schnell trifft dieses Bemühen jedoch auf seine Grenzen. Nicht nur, weil „jede Produktion auf wissenschaftlichem Gebiete einen gewissen Gewaltakt darstellt, oder zum mindesten einen Kompromiss zwischen der Unendlichkeit der wissenschaftlichen Probleme und der Kürze des Lebens“, 128 sondern auch und vor allem wegen des besonderen Problemgehalts der zu untersuchenden Verfassungsmaßstäbe. So verweist Schwabe auf die „Komplexität des Art. 14 [GG], des neben Art. 3 [GG] wohl problemhaltigsten Grundrechts“129 und hebt damit den besonderen Problemgehalt der beiden hier einschlägigen Grundrechte hervor. Eine Möglichkeit, die anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen, sieht der Verfasser darin, die Untersuchung am Maßstab der Eigentumsgewährleistung strikt am Altlastenbeschluss zu orientieren, ihn zu analysieren und zu untersuchen, ob sich seine Aussagen in die sonstige Verfassungsrechtssprechung und einige abweichende Erklärungsmodelle im Schrifttum einordnen lassen. Das mag den Erkenntniswert der Arbeit für die Eigentumsdogmatik gegenüber einem Vorgehen schmälern, das zunächst allgemein ein Eigentumsmodell entwickelt und

————— 126

Ossenbühl, Maßhalten, S. 151.

127

Ossenbühl, Maßhalten, S. 151.

So bereits Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), 2-24/2, zur Einleitung seines Vortrags über „Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung“ anlässlich der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer im Jahr 1926. 128

129 Schwabe, Probleme, S. 82. Ähnlich jüngst Gröpl, Der Staat 43 (2004), 343-345/343: „Neben Art. 14 ist Art. 3 Abs. 1 zweifelsohne die wissenschaftlich anspruchsvollste wie auch umstrittenste Norm im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes“.

Befund

44

dessen Tauglichkeit sodann am Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit überprüft.130 Es hat aber den Vorzug, Schwächen oder Unstimmigkeiten bei der Anwendung des verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstabs am konkreten Problem zu benennen und angesichts dieser wunden Punkte noch vor der Entwicklung neuer Großformeln fragen zu können, ob überhaupt von der Anwendung dieses Verfassungsmaßstabs Heilung zu erwarten ist. Die Orientierung am Altlastenbeschluss bringt es mit sich, dass die Überlegungen zur Eigentumsgewährleistung vorrangig am Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit nach Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen. Dagegen ließe sich einwenden, diese Bestimmungen hätten für die Sanierung von Altlasten durch die Verabschiedung des Bundes-Bodenschutzgesetzes (und zuvor bereits durch landesrechtliche Bodenschutzgesetze) ihre Bedeutung eingebüßt. Das trifft im Wesentlichen zu, wenngleich für einige Alt-Altlastenfälle, also Fälle, in denen die Inanspruchnahme durch die Behörden vor Inkrafttreten des BBodSchG erfolgte,131 sowie Fälle der Kampfmittelräumung 132 die polizei- und ordnungsrechtlichen Bestimmungen weiterhin entscheidend sein können.133 Wenn die Arbeit gleichwohl mit den polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften beginnt, so deshalb, weil sich der Verfasser davon einen Erkenntnismehrwert verspricht. Erst wenn die Möglichkeiten, aber auch Schwächen und Probleme einer eigentumsrechtlichen Begründung von Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit, wie sie das Bundesverfassungsgericht in zwei nach polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften entschiedenen Fällen vornahm, offen liegen, lässt sich ihre Übertragbarkeit auf das BBodSchG sinnvoll beurteilen. Zudem sind die Verantwortlichkeitsbestimmungen des Polizei- und Ordnungsrechts der Grundtypus, an dem sich die spezialgesetzlichen Bestimmungen orientieren. Soweit sich aus den Besonderheiten des BBodSchG Abweichendes ergeben sollte, wird darauf gesondert hingewiesen.134 ————— 130

So das Vorgehen von Lepsius, Besitz, beschrieben ebenda auf S. 13.

131

Und nicht – beispielsweise im Widerspruchsverfahren – die Ermächtigungsgrundlage ausgetauscht wurde (zu einem derartigen Fall VGH Mannheim, NVwZ 2002, 1260-1264/1261) oder während des Widerspruchsverfahrens die ursprüngliche Ermächtigungsgrundlage bereits außer Kraft getreten war (VGH Mannheim, NuR 2001, 460-461/460, und OVG Lüneburg, NVwZ 2000, 11941196/1194). 132

OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2006, 397-398/397.

133

Beispiele dafür sind die dem Altlastenbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden Fälle, BVerfGE 102, 1-25/3 ff. Weitere Beispiele geben VG Berlin, LKV 2000, 315-317/315, VG Meiningen, NVwZ 2001, 592-594/593, und VGH Mannheim, NVwZ 2001, 1297-1299/1297, u. VGH Mannheim, ZUR 2002, 227-230/227. Abweichend VG Frankfurt, NuR 1999, 711-714/712 (die entscheidende Passage gleich zu Beginn der Urteilsgründe ist im Urteilsabdruck in der NVwZ 2000, 107-110/107, aus dem an anderer Stelle zitiert wird, gekürzt), mit insofern zustimmender Anmerkung von Nolte, NuR 2000, 258-260/259. 134

Besonders im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(c).

D. Erkenntnisinteresse und Gang der Untersuchung

45

Bei dem anderen einschlägigen Kontrollmaßstab, dem allgemeinen Gleichheitssatz, kann nicht in gleicher Weise vorgegangen werden: Zum einen, weil es keine verfassungsgerichtliche Entscheidung gibt, die ihn für die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit konkretisiert hätte und an der sich die Untersuchung wie bei der Eigentumsgewährleistung orientieren könnte. Zum anderen, weil zur Gleichheitsdogmatik derzeit viele Vorschläge existieren. Es ist daher erforderlich, das eigene Gleichheitsmodell zumindest in seinen Grundzügen vorzustellen, um den Kontrollmaßstab anwendungsreif zu machen. Beibehalten wird aber die Verknüpfung der dogmatischen Erwägungen mit ihrer Anwendung auf das Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit. Eine Arbeit, die zuallererst Stimmigkeit und Struktur der verfassungsrechtlichen Argumentation untersucht, kann und will die aus ihr folgenden Grenzen nicht bis ins rechnerische Detail bestimmen, wie es die einfordern, die die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen als geklärt ansehen und beispielsweise den Inhalten und Anwendungsschwierigkeiten der Verkehrswertgrenze135 oder der Grenze des mit der Sache im Zusammenhang stehenden Vermögens136 nachspüren. Gleichwohl sieht der Verfasser in der Verknüpfung einer verfassungsdogmatischen Untersuchung mit einem konkreten Anwendungsproblem eine Chance: Sie befreit die verfassungsdogmatische Arbeit vom Vorwurf fehlender Anwendungs- und Praxistauglichkeit, und sie ermöglicht, in Ossenbühls Sinn „einen möglichst rationalen, d.h. begründbaren und intersubjektiv verifizierbaren Vorgang der Rechtsanwendung zu gewährleisten“. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verantwortlichkeit des Verursachers, seines Gesamtrechtsnachfolgers137 und der Zusatzverantwortlichen werden in dieser Arbeit ebensowenig untersucht wie die der neuen handels- und gesellschaftsrechtlichen Einstandspflichtigkeit für eine juristische Person. Sie hätten erfordert, Erwägungen anzustellen, die sehr verschieden von denen zur Zustandsverantwortlichkeit sind, und daher den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. II. Vorgehen Im ersten Teil der Arbeit werden die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit aus der Eigentumsgewährleistung untersucht. Wie dargelegt, geschieht das durch Analyse des Altlastenbeschlusses und durch den Versuch, seine Aussagen in die sonstige Verfassungsrechtsprechung und einige abweichende Erklärungsmodelle im Schrifttum einzuordnen. Im Schwerpunkt geht es um Verhältnismäßigkeitserwägungen. Um zu ermitteln, welche Gesichtspunkte aufgrund ————— 135

Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/172.

136

Mohr, altlasten spektrum 2001, 36-37/37, und Vöneky, DÖV 2003, 400-407/402 ff.

137

Dazu insbesondere BVerwG, NVwZ 2006, 928-932.

46

Befund

des einfachen Rechts dabei zu berücksichtigen sind, gilt ein besonderes Augenmerk der Herleitung und Entwicklung der Zustandsverantwortlichkeit. Der zweite Teil ist den Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit aus dem allgemeinen Gleichheitssatz gewidmet. Gleich zu Beginn sollen Zweifel an der Tauglichkeit dieses Maßstabes ausgeräumt werden. Die, wie dargelegt, notwendige Entwicklung eines eigenen Gleichheitsmodells erfolgt stets in Vergewisserung seiner Tauglichkeit am Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit. Im dritten Teil werden das Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und allgemeinem Gleichheitssatz und damit zugleich das der aus beiden folgenden Grenzen für die Zustandsverantwortlichkeit untersucht. Zu diesem Zweck werden eine große Zahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG ausgewertet. Der abschließende vierte Teil soll rückblickend den Ertrag der verfassungsdogmatischen Untersuchung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit würdigen, sowohl hinsichtlich der Bestimmung als auch der verfassungsrechtlichen Begründung der Grenzen. Diese Würdigung fasst die zentralen Erkenntnisse für die Freiheits-, Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsdogmatik wie für die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit zusammen. Ein letzter Abschnitt ist der Frage gewidmet, was aus diesen Erkenntnissen für eine mögliche und vom Bundesverfassungsgericht wenngleich nicht geforderte, so doch nahegelegte gesetzliche Regelung der Grenzen138 folgt.

————— 138 BVerfGE 102, 1-25/23: „Solange der Gesetzgeber, dem es nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht ausdrücklich regelt …“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

Erster Teil

Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung – Analyse und Einordnung Kern des Altlastenbeschlusses ist die Erkenntnis, die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers könne von Verfassungs wegen „im Ausmaß dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, begrenzt sein“.1 Um systematisch zu erfassen, wie das Bundesverfassungsgericht zu dieser Erkenntnis gelangt, werden vier Fragenkreise unterschieden: –

welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe mit welchem Verständnis legt das Bundesverfassungsgericht an (Abschnitt A.I.),



warum hält es diese Maßstäbe für einschlägig (Abschnitt A.III.),



welche verfassungsrechtlichen Anforderungen ergeben sich daraus (Abschnitt B.I.) und



was führt es an, um zu begründen, ob und inwieweit die Anforderungen erfüllt oder nicht erfüllt sind (Abschnitt B.III.)?

Die ersten beiden Fragen dienen dazu, zu klären, ob ein Eingriff in den Schutzbereich der Grundrechte vorliegt, die letzten beiden helfen, die Anforderungen an die Rechtfertigung eines solchen zu ermitteln und darunter zu subsumieren. Die hier vorgeschlagene Gliederung orientiert sich folglich am weit verbreiteten „Eingriffsmodell“ und damit zugleich am geläufigen Aufbau bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsprüfungen, die ungeachtet der in methodenkritischen Schriften geäußerten Zweifel an der Eignung eines solchen Subsumtionsmodells zur Entscheidungsfindung 2 weitgehend dem Eingriffsmodell folgen. Die in den jeweiligen Unterabschnitten I. und III. identifizierten Maßstäbe und Anforderungen werden jeweils anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den nämlichen verfassungsrechtlichen Maßstäben und Anforderungen gegenübergestellt (Unterabschnitte II. und IV. sowie Abschnitt C.). Soweit sich die Argumente des Altlastenbeschlusses nicht in einen umfassende————— 1

BVerfGE 102, 1-25/19.

2

Überblick bei Larenz, Methodenlehre, S. 125-155.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

48

ren Rechtsprechungszusammenhang einordnen lassen, wird untersucht, ob sie sich in abweichende, im Schrifttum entwickelte Modelle zur Zumutbarkeit (Abschnitt C.VIII.) oder in andere verfassungsrechtliche Institute aus Rechtsprechung und Schrifttum fügen (Abschnitt D.). Das ermöglicht eine Aussage darüber, ob sich die im Altlastenbeschluss ermittelten verfassungsrechtlichen Grenzen mit dem Kontrollmaßstab der Eigentumsgewährleistung systematisch erklären lassen (Abschnitt E.).

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab I.

Prüfungsmaßstab des Altlastenbeschlusses

Das Bundesverfassungsgericht prüft im Altlastenbeschluss ausschließlich, ob die gerichtlichen Entscheidungen und die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften mit Art. 14 GG vereinbar sind. 3 Als Kennzeichen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums nennt es die Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand und erklärt dazu, das Eigentum solle dem Eigentümer „als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein“ und genieße einen „besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen“ gehe.4 Das Gericht unterscheidet Enteignungen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG und Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die anhand von Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG zu beurteilen seien und selbst im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit und selbst dann, „wenn die Anwendung einer inhaltsbestimmenden Norm das Eigentum völlig entwertet“, nicht in einen „enteignenden Eingriff“ umgedeutet werden könnten. Eine Enteignung sei darauf gerichtet, „konkrete Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind, zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise zu entziehen“.5 In Art. 14 Abs. 2 GG sieht es einen „Auftrag“, der – wie sich aus der gemeinsamen Nennung mit dem „Auftrag aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2“ und dem Sinnzusammenhang schließen lässt – an den Gesetzgeber gerichtet ist.6 ————— 3 Die Prüfung am Maßstab des ebenfalls als verletzt gerügten Art. 103 Abs. 1 GG hielt das Bundesverfassungsgericht nach Feststellung des Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG für entbehrlich, BVerfGE 102, 1-25/25. 4

BVerfGE 102, 1-25/15. Aufgegriffen in BVerfGE 104, 1-13/8 f.

BVerfGE 102, 1-25/15 f. Aufgegriffen in BVerfGE 104, 1-13/9, und BVerfG, NJW 2003, 196198/197. 5

6 BVerfGE 102, 1-25/18; anders liest das Hösch, VBlBW 2004, 7-14/8, der meint, das Bundesverfassungsgericht habe die „Verpflichtung des Eigentümers … Art. 14 Abs. 2 GG entnommen und

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

49

II. Würdigung mittels Einordnung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Ausführungen zu den beiden Kennzeichen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums7, zum besonders ausgeprägten Schutz zur Freiheitssicherung8 und zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen von Enteignungen9 übernehmen unverändert das Eigentumsmodell früherer Entscheidungen. Das Festhalten an der strikten Trennung der Eingriffsarten beinhaltet eine Absage an die in jüngerer Zeit wiederbelebten Modelle, wonach besonders belastungsintensive Nutzungsbeschränkungen als Enteignungen einzustufen seien.10 Ob die beabsichtigte Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe notwendiges Kennzeichen der Enteignung11 oder (erst) verfassungsrechtliche ————— verfassungsrechtlich durch die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG ‚aufgeladen‘“. Im selben Aufsatz (S. 9) geht er aber davon aus, dass aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG allenfalls „hergeleitet [wird], dass der Gesetzgeber Eigentümerpflichten verteilen darf“. BVerfG, NJW 2003, 196-198/196, spricht unter Bezugnahme auf den Altlastenbeschluss von einer „zuvörderst“ dem Gesetzgeber obliegenden „Aufgabe“, bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums „auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) Rechnung zu tragen“. 7 Ebenso etwa BVerfGE 31, 229-248/240; 37, 132-149/140; 50, 290-381/339; 52, 1-42/30; 82, 618/16; 88, 366-381/377; 98, 17-49/35; 100, 1-59/37; 100, 226-248/241; 100, 289-313/301; 101, 54105/74 f.; 104, 1-13/8 f. In jüngeren Entscheidungen gliedert das Bundesverfassungsgericht die Bestandteile zuweilen weiter auf und sieht durch Art. 14 GG das Recht gewährleistet, „Sach- und Geldeigentum zu besitzen, zu nutzen, es zu verwalten und darüber zu verfügen“ (BVerfGE 97, 350-377/370; 105, 17-48/30), oder „das Recht, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen, ebenso wie die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus der vertraglichen Überlassung zur Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt“ (BVerfGE 101, 54-105/75). Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis relativierend BVerfGE 83, 201-216/209; 89, 1-14/7; 91, 294319/307: „Unter ihren Schutz [den Schutz der Eigentumsgarantie] fallen … grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf, ohne daß es dabei auf den Grad der Verfügungsbefugnis ankäme“. 8

Ebenso BVerfGE 95, 64-96/84; 100, 226-248/241; 101, 54-105/75; 104, 1-13/8 f.

9

Ebenso BVerfGE 100, 226-248/240.

Ossenbühl, AöR 124 (1999), 1-54/19 f. u. 29, bezeichnet sie als „Totalentleerung des Rechts“ und sieht darin eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. 10

11 BVerfGE 100, 226-248/239 f.; 101, 239-274/259; 104, 1-13/9. Nur solche Maßnahmen als Enteignung zu verstehen, bei denen „die öffentliche Gewalt aus eigenem Interesse aktiv, offensiv gegen den Privateigentümer vorgeht, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen Zweck ‚braucht‘“ (BVerfGE 20, 351-363/359; Eschenbach, Jura 1997, 519-522/521; Jarass, NJW 2000, 28412845/2845), entspricht durchaus dem Sinn und den ursprünglichen Anwendungsfällen der Enteignung, den hoheitlich veranlassten Güterbeschaffungsvorgängen (für eine Konzentration auf diese Fälle Hendler, Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 131 u. 135). Keine Enteignung liegt bei diesem Verständnis etwa vor, wenn eine konkrete Rechtsposition entzogen wird, „um Rechtsgüter der Gemeinschaft vor Gefahren zu schützen“, ohne sie für andere Zwecke zu benötigen (Beispiele: Zerstörung gefährlicher Objekte, Tötung eines seuchenkranken Tieres, Einziehung von Gegenständen; vgl. Haas, NVwZ 2002, 272-277/274 f. mit zahlreichen weiteren Grenzfällen). Nach BVerfG, NJW 2006, 1191-1195/1193, ist der Enteignungsbegriff jedenfalls „weitgehend zurückgeführt …

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

50

Anforderung an deren Rechtmäßigkeit12 ist, und ob der erst in jüngerer Zeit entfaltete paternalistische Gedanke, Maßnahmen, die auch zum eigenen Nutzen geschehen, etwa zum Ausgleich privater Interessen, seien keine Enteignung13, für die Eigentumsdogmatik ausbaufähig ist, kann dahinstehen, weil beides für die Altlastenfälle ohne Konsequenzen bleibt.14 Nicht in gleicher Weise gefestigt ist die Gleichsetzung der Privatnützigkeit mit einem „Von-Nutzen-Sein“.15 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher entschieden, dass ein Recht „schon dann privatnützig“ sei, wenn es zum eigenen Vorteil ausgeübt werden könne und damit dem Berechtigten „von Nutzen“ sei.16 Diese Entscheidung besagte jedoch nicht, dass Privatnützigkeit notwendig ein „Von-Nutzen-Sein“, also einen tatsächlichen Nutzen voraussetzt.17 Vielmehr verwandte das Gericht den Begriff der Privatnützigkeit in der bisherigen Rechtsprechung überwiegend im Sinne von Zuordnung zu potentiellem privaten Nutzen, rechtlich eingeräumter Nutzungsmöglichkeit.18 Darin liegt keine bloß sprachliche Verschiebung. Es geht vielmehr darum, ob der wirtschaftliche Nutzen im Sinne eines wirtschaftlichen Ertrags verfassungsrechtlich geschützt ist. Das hat Konsequenzen für die Grenzen einer zulässigen Belas————— auf Vorgänge der Güterbeschaffung“. Auf Unsicherheiten des Bundesverfassungsgerichts in der Einordnung des Enteignungszwecks wies bereits Maurer, Enteignungsbegriff, S. 304 f. m.w.N., hin, folgt selbst aber der Aufnahme des Zwecks in die Begriffsbestimmung. 12 Das legt der Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nahe („Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“). Einordnung auf der Ebene des Zwecks in BVerfGE 95, 1-28/21; 97, 89-101/97. 13

Vgl. BVerfGE 104, 1-13/10.

14

Dazu unten unter B.IV. (erster Absatz).

Aufgegriffen in BVerfGE 104, 1-13/8 f.: „Es soll dem Eigentümer als Grundlage privater Initiative in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein“. In BVerfGE 52, 1-42/30, steht dieser Satz noch erläuternd zur Privatnützigkeit, die das Eigentum „in seinem rechtlichen Gehalt“ kennzeichne (Hervorhebung durch den Verfasser), und betont daher wie die nachstehend in Fn. 18 angeführten Entscheidungen die rechtliche Zuordnung, nicht den tatsächlichen Vorteil. 15

16

BVerfGE 83, 201-216/210; 89, 1-14/7.

So aber jetzt offenbar Hösch, VBlBW 2004, 7-14/11: „Wenn Eigentum durch Privatnützigkeit gekennzeichnet ist, dürfen die mit dem Eigentumsobjekt verbundenen Lasten den Nutzen dieses Objekts nicht überwiegen“. 17

18 Vgl. BVerfGE 37, 132-149/140 („zeichnet sich in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit … aus“); 101, 54-105/75 („das Recht, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen …“). BVerfGE 50, 290-381/339; 53, 257-313/290; 91, 294319/308; 100, 226-248/241: „Zuordnung … zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative … von Nutzen sein soll“. BVerfGE 95, 267-322/300; 101, 239-274/258; 112, 93-117/107: Unter den Schutz des Eigentumsgrundrechts fallen im Bereich des Privatrechts „grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“. BVerfGE 100, 1-59/32 f.: „zu seinem persönlichen Nutzen bestimmt“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Vgl. Leisner, Altlastensanierung, S. 408: „Das Eigentum besteht nicht in der tatsächlichen, sondern in der rechtlichen Privatnützigkeit“.

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

51

tung, die erst bei der Rechtfertigung von Regelungen am Maßstab der Eigentumsgewährleistung deutlich werden und deshalb auch erst an einer späteren Stelle gewürdigt werden können. Der Frage, ob sich mit diesem Verständnis des Kernbereichs der Eigentumsgewährleistung Grenzen systematisch erklären lassen, ist ein eigener Abschnitt gewidmet.19 Angesichts einer früheren Entscheidung zur Tötung eines tollwutverdächtigen Hundes nicht selbstverständlich ist das Verständnis von Art. 14 Abs. 2 GG als Auftrag an den Gesetzgeber. Seinerzeit ging das Bundesverfassungsgericht von einer „dem Sacheigentum immanente[n] Sozialbindung“ aus, „die sich auch ohne spezial-gesetzliche Regelung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG ergeben würde“. 20 Zuweilen wird bis heute angenommen, aus Art. 14 Abs. 2 GG ergäben sich unmittelbar Pflichten für den Eigentümer.21 Es entspricht aber dem Eigentumsmodell in anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in Art. 14 Abs. 2 GG lediglich eine „Richtschnur“ für den Gesetzgeber zur Ausgestaltungsbefugnis in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu sehen. 22 Der Altlastenbeschluss lehnt damit in Übereinstimmung mit anderen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen die (ältere) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts23 und die Lehre24 von der Zustandsverantwortlichkeit als schutzbereichs————— 19

Unten unter D.I.2.b)(1).

BVerfGE 20, 351-363/361: „Der Grundsatz: Sachen, von denen erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit ausgehen, können dem Eigentümer ohne Entschädigung entzogen (und vernichtet) werden, stellt eine dem Sacheigentum immanente Sozialbindung dar, die sich auch ohne spezial-gesetzliche Regelung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG ergeben würde, der im grundgesetzlichen System – vor allem im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip – dem Eigentümer größere Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber und damit stärkere Beschränkung seiner freien Verfügungsmacht auferlegt als früher“. 20

21 Zum Streitstand: Hofmann, Grundpflichten, § 114 Rn. 18 m.w.N. in Fn. 44 u. 47 sowie Rn. 42-44. Hofmann selbst fordert, die Fragen der verfassungsunmittelbaren Grundpflicht des Art. 14 Abs. 2 GG für den Eigentümer von der Frage zu trennen, ob wegen des Vorbehalts des Gesetzes eine einfachrechtliche Konkretisierung dieser Pflicht notwendig ist, um in die Eigentumsbefugnisse einzugreifen, vgl. Hofmann, Grundpflichten, § 114 Rn. 42-44. 22 Ausdrücklich in BVerfGE 89, 1-14/5. Den Begriff „Richtschnur“ verwenden auch BVerfGE 25, 112-124/117; 34, 139-154/147; 80, 137-164/150 f. BVerfGE 21, 73-87/83, geht noch von einem Sowohl-als-auch aus: „Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist aber nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Missverständlich zuletzt BVerfGE 101, 54-105/75: „Denn die Bindung des Eigentumsgebrauchs an das Wohl der Allgemeinheit gemäß Art. 14 Abs. 2 GG schließt die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange desjenigen ein, der konkret auf die Nutzung des Eigentumsobjekts angewiesen ist“. Missverständlich ist das deshalb, weil es klingt, als sei der Eigentümer verfassungsunmittelbar zur Rücksichtnahme verpflichtet, obgleich das Bundesverfassungsgericht im gleichen Absatz aus Art. 14 Abs. 2 GG das Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung folgerte, der der Gesetzgeber bei Erfüllung seines Auftrags zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Rechnung tragen solle. 23

BVerwG, DVBl. 1965, 766-768/767, und BVerwGE 38, 209-220/218.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

52

immanente Schranke des Eigentums ab, wonach der Eigentümer mittels Inanspruchnahme zur Abwehr der von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren in seine Schranken zurückgewiesen werde. Gemeinwohlbindung und Eigentümerpflichten bestehen danach nur nach Maßgabe des einfachen Rechts.25 III. Begründung des Altlastenbeschlusses für die Anwendung des Prüfungsmaßstabs Zur Feststellung, dass die Zustandsverantwortlichkeit durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtspositionen in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung „berührt“26, gelangt das Bundesverfassungsgericht, indem es Voraussetzung, Inhalt und belastende Wirkung der Pflicht betrachtet. Voraussetzung auf Seiten des Zustandsverantwortlichen sei nach dem Gesetzestatbestand „nur das gegenwärtige Eigentum an dem Grundstück, von dem die Gefahr ausgeht“. Originärer Inhalt sei im Falle einer Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher eine „auf eine Gefahren- oder Störungsbeseitigung gerichtete öffentlich-rechtliche Handlungspflicht“. Diese sei auch dann „für die rechtliche Qualifikation der Zustandsverantwortlichkeit und darauf gründender Sanierungspflichten“ entscheidend, wenn sie mit Zwangsmitteln durchgesetzt werde. Die Zustandsverantwortlichkeit und darauf gestützte Anordnungen der Behörden dürften nicht auf eine Geldleistungspflicht reduziert werden, „[a]uch wenn häufig die finanzielle Belastung die wichtigste Konsequenz der Pflicht zur Altlastensanierung sein mag“. Die Belastung des Eigentümers ergebe sich, wenn er der Pflicht nachkomme, „aus der notwendigen, kostenverursachenden Sanierung seines Eigentumsgegenstandes sowie letztlich aus dem Fehlen von Ent-

————— 24 Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 293; Dürig, AöR 79 (1953/54), 57-86/61; ders., AöR 81 (1956), 117-157/149; Quaritsch, DVBl. 1959, 455-459/457 f. Im Ergebnis ebenso Murswiek, VVDStRL 51 (1992), 326-327/326, wenn er den Eigentumsgebrauch nur insoweit dem Schutz des Art. 14 GG unterstellen will, als er nicht in Rechte Dritter eingreift. Gegen diese Auffassung bereits Lerche, Übermaß, S. 117 ff. u. 136, besonders S. 119: „Auch das störende Eigentum bleibt Eigentum“. 25

Bumke, Eigentum, S. 219.

Das Bundesverfassungsgericht vermeidet im Altlastenbeschluss den Begriff des Eingriffs, BVerfGE 102, 1-25/14-16. Ähnlich zurückhaltend BVerfGE 58, 300-353/330, in der die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums als „rechtliche[] Ausformung“ beschrieben wird. In anderen Entscheidungen zu Art. 14 GG spricht das Bundesverfassungsgericht von Eingriff, wenn es Inhalts- und Schrankenbestimmungen überprüft, etwa BVerfGE 100, 226-248/240; 105, 17-48/30 f. Dezidiert dagegen Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7-56/30. In BVerfGE 31, 275-295/289 f., versucht das Gericht, zwischen der „Umformung“ des in Zukunft anzuwendenden Rechts und einem „Eingriff in die bisherigen Rechte“ zu differenzieren. Auch in BVerfGE 42, 263-312/294, und 83, 201216/211 f., bezieht es den Begriff des Eingriffs ausschließlich auf die Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen. 26

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

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schädigungs- oder Erstattungsansprüchen gegen den Träger öffentlicher Gewalt“.27 Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert die gesetzlichen Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers als Bestimmungen des Eigentumsinhalts, weil sie eine Pflicht des Eigentümers in genereller und abstrakter Weise begründeten. Von den drei für eine Enteignung notwendigen Kriterien lägen zwei – der Zugriff auf ein bestimmtes Vermögensobjekt und die intendierte Verwendung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben – stets und das dritte – die (ausschließliche) Fremdnützigkeit – vielfach nicht vor. IV. Würdigung Die Ablehnung einer Enteignung fügt sich, abgesehen von den paternalistischen Erwägungen zur (Auch-) Eigennützigkeit der angeordneten Sanierung,28 in die Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Zumindest lässt sie sich, angesichts dessen, dass es am Entzug einer konkreten Rechtsposition29 fehlt, also dem Merkmal, auf das das Bundesverfassungsgericht spätestens seit dem Nassauskiesungsbeschluss30 zur Abgrenzung von Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung abstellt, mit dem Eigentumsmodell der Rechtsprechung systematisch erklären. Für die Annahme, der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sei dennoch, in Gestalt einer Eigentumsinhaltsbestimmung, „berührt“, fällt das nicht so leicht. Soll die Frage der Eröffnung des Schutzbereichs unabhängig vom Eingriff geklärt werden,31 genügt es, festzustellen, dass die Regelungen mit der Voraussetzung Eigentum den „Ausschnitt der – oft rechtlich bereits geformten – ‚Wirklichkeit‘, der Gegenstand der Gewährleistung ist,“ betreffen. 32 Der Rechtfertigung am Maßstab der Eigentumsgewährleistung bedürfen die Regelungen, ihre Auslegung und Anwendung aber nur dann, wenn sie „die Eigentümerbefugnisse … einschränken“.33 Im typischen Fall eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts, dessen Abwehr begehrt wird, wird die Betätigung der Freiheit beeinträchtigt ————— 27

BVerfGE 102, 1-25/14.

28

Kritisch dazu Bickel, NJW 2000, 2562-2563/2562.

29

Dazu besonders BVerfGE 83, 201-216/211 f.

30

BVerfGE 58, 300-353/330 ff.

31

Dafür mit der herrschenden Lehre Klein, Grundrechte, § 6 Rn. 56.

32 So die Definition des „Normbereichs“ bei Hesse, Grundzüge, Rn. 310 (erläutert in Rn. 46 u. 69). 33 BVerfGE 102, 1-25/16. Vgl. BVerfGE 105, 17-48/30: Schutzbereich eröffnet, aber Eingriff kann nicht festgestellt werden.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

54

oder steht eine solche Beeinträchtigung zumindest bevor. Typisches, wenn nicht sogar notwendiges Merkmal eines Eingriffs ist die (zu erwartende) belastende Wirkung in dem grundrechtsgeschützten Wirklichkeitsausschnitt. Ihr Vorliegen mag zwar nicht hinreichen, um einen Eingriff anzunehmen: es mag gefordert werden, dass die Beeinträchtigung beabsichtigt und mit der Regelung intendiert ist, unmittelbar und gegen den Willen des Grundrechtsträgers erfolgt, an ihn adressiert ist und ihn rechtlich betrifft;34 es mag auf einzelne oder alle diese Kriterien verzichtet werden; der Verzicht mag ersatzlos erfolgen oder durch andere Kriterien kompensiert werden; diese mögen auf die Vorhersehbarkeit, die soziale Adäquanz, die Intensität oder die Zurechenbarkeit der Beeinträchtigung abstellen oder sonst Ergänzendes fordern. 35 Das Merkmal der Beeinträchtigung gerade in dem geschützten Wirklichkeitsausschnitt ersetzen diese zusätzlichen Kriterien aber nicht.36 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden denn auch typischerweise Minderungen oder Einschränkungen der Befugnisse des Eigentümers37 oder der teilweise oder vollständige Entzug seiner Eigentumsposition bzw. dessen Vorbereitung38 am Maßstab des Art. 14 GG überprüft. Die Wahl des Prüfungsmaßstabs richtet sich in diesen Fällen nach den (zu erwartenden) belastenden Wirkungen der angegriffenen Maßnahme. Die hoheitliche Anordnung einer Maßnahme zur Abwehr einer von einem Grundstück ausgehenden Gefahr oder die Selbstvornahme dieser Maßnahme durch den Hoheitsträger, wirkt für den Grundstückseigentümer in verschiedener Hinsicht belastend: Er soll erstens die Einwirkung auf die Substanz seines Grundstücks, etwa durch Aufgraben, Auskoffern und Bodenaustausch, ertragen. Er soll zweitens die damit verbundenen vorübergehenden Nutzungseinschränkungen während der Dauer der Sanierungsarbeiten hinnehmen. Wenn ihm selbst die Sanierung aufgegeben wird, soll er darüber hinaus drittens die auferlegten ————— 34

Diese Merkmale (Finalität und Rechtsförmigkeit, Unmittelbarkeit und Imperativität) kennzeichnen den sog. klassischen Grundrechtseingriff. Zu ihm Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7-56/38 ff. 35 Alle genannten Kriterien benennt und würdigt Eckhoff, Grundrechtseingriff, S. 175-303, mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum. Siehe auch Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57-99/85 ff.

Vgl. jüngst BVerfGE 105, 279-312/300 f., zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung durch mittelbar faktische Wirkungen hoheitlichen Handelns. 36

37 BVerfGE 87, 114-151/138 (Fortbestand der Alt-Pachtverhältnisse als Beschränkung der Verfügungsbefugnis und der Nutzungsmöglichkeiten); 98, 17-49/36 f. (Besitzrecht eines Dritten als Einschränkung der Nutzungs- und Verwertungsbefugnis); 104, 1-13/9 (Baulandumlegung als Einschränkung der Verfügungsfreiheit). 38 BVerfGE 45, 297-346/319 f. (Planfeststellung mit „enteignungsrechtlichen Vorwirkungen“); 66, 248-259/257 (Zulassung der Enteignung zum Zwecke der öffentlichen Energieversorgung); 74, 264-297/282 (Anordnung städtebaulicher Unternehmensflurbereinigung mit „enteignungsrechtliche[r] Vorwirkung“).

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

55

Maßnahmen durchführen oder in Auftrag geben, wozu er notfalls durch Anwendung von Verwaltungszwang angehalten werden kann. Und viertens ist er mit den Kosten der Maßnahmen belastet, sei es mangels Existenz eines Erstattungsanspruchs bei eigener Durchführung, sei es aufgrund gesonderter Kostenanordnung, sei es aufgrund eines Kostenerstattungsbegehrens der öffentlichen Hand nach Anwendung von Verwaltungszwang. Die ersten beiden Beeinträchtigungen, Verpflichtung zur Duldung der Einwirkung auf die Grundstückssubstanz und zur Hinnahme der vorübergehenden Nutzungsbeschränkung, fügen sich ohne weiteres in die in anderen Entscheidungen an Art. 14 GG gemessenen Akte. Um sie geht es aber weder im Altlastenbeschluss noch sonst in der Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit. Sie werden vielmehr selbst von denen als unproblematisch angesehen, die die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers weitestgehend begrenzen und ihn als Nichtverantwortlichen behandeln wollen.39 Wird nach den verfassungsrechtlichen Grenzen gefragt, geht es um die anderen beiden Beeinträchtigungen – die Handlungspflicht und die sie ergänzende oder ersetzende Kostenlast. Wird die Kostenlast als eigenständige Beeinträchtigung qualifiziert,40 kann sie nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht an Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gemessen werden, weil Art. 14 GG grundsätzlich nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt,41 sofern sie den Pflichtigen nicht „übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen“,42 also konfiskatori————— 39 Binder, Zustandshaftung, S. 87 ff.; Friauf, POR, S. 239; ders., Zustandshaftung, S. 303; Ossenbühl, DÖV 1976, 463-471/470; Schenke, PolOR 1999, Rn. 175 (aufgegeben in ders., PolOR 2003, Rn. 173); Spießhofer, Störer, S. 190 f.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 68 f. Zu weniger weitreichenden Restriktionsvorschlägen oben Fn. 47-50 (Seite 28).

Etwa von Griesbeck, Polizeipflicht, S. 121 f.; Knopp, BB 1989, 1425-1430/1428 f.; Leisner, Altlastensanierung, S. 402 ff. 40

41 BVerfGE 4, 7-27/17; 10, 89-118/116; 11, 105-126/126; 14, 221-244/241; 19, 119-129/128 f.; 19, 253-268/267 f.; 23, 288-321/314 f.; 26, 327-338/338; 29, 402-413/413; 30, 250-272/271 f.; 70, 219-230/230; 78, 214-232/230; 78, 232-249/243; 91, 207-226/220; 95, 267-322/300; 96, 375407/397; 97, 332-349/349. Siehe aber auch Herdegen, Garantie, S. 273-275, und Vogel, Steuergewalt, S. 528 u. 534-540, zu Ansätzen für einen Wandel dieser Rechtsprechung in drei Entscheidungen des Zweiten Senats, BVerfGE 87, 153-181/169 („in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich eingreifen [Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG]“); 93, 121-149/137 („die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit [Art. 2 Abs. 1 GG] gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich … [Art. 14 GG]“); 97, 350-377/371 („Gleichwertigkeit von Sach- und Geldeigentum“). BVerfGE 110, 370-402/394, greift diese Formulierung auf („allgemeine Handlungsfreiheit [Art. 2 Abs. 1 GG] gerade in ihrer Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich [Art. 14 GG]“).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

56

sche43 oder „erdrosselnde Wirkung“ 44 hätten, was bislang in keiner Entscheidung angenommen wurde. Etwaige freiheitsrechtlich begründete Belastungsgrenzen müssten aus Art. 2 Abs. 1 GG entwickelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Kostenlast aber nicht eigenständig, sondern als Folge der Handlungspflicht beurteilt und kann sich dazu auf einige vorangegangene Entscheidungen stützen, in die sich der Altlastenbeschluss einordnen lässt. Genannt werden kann die Entscheidung zur Pflicht des Eigentümers, ein Belegstück von Druckerzeugnissen abzuliefern, in der das Bundesverfassungsgericht die Ablieferungspflicht als Handlungspflicht an Art. 14 GG maß und die Kostenlast, die aus dem Fehlen von Erstattungsansprüchen resultierte, zwar bei den Grenzen der zulässigen Belastung berücksichtigte, nicht jedoch als eigenständige Beeinträchtigung qualifizierte.45 Art. 14 GG war Prüfungsmaßstab auch in einem Fall zum Erschließungsbeitragsrecht,46 in dem die Handlung am Eigentumsgegenstand, die Erschließungsmaßnahme, vom Hoheitsträger vorgenommen wurde und der Eigentümer ausschließlich für die Kosten aufzukommen hatte. Prüfungsmaßstab war Art. 14 GG ferner in einem Fall, in dem das Gesetz mögliche Einnahmen aus der Nutzungsüberlassung beschränkte.47 Tritt, wie im Fall der Befreiung gegen Bezahlung, die Kostenlast an die Stelle der primären Pflicht, lässt es die eigentliche Beeinträchtigung, die ————— BVerfGE 14, 221-244/241; 19, 119-129/129; 19, 253-268/268; 23, 288-321/315; 29, 402-413/ 413; 30, 250-272/272; 38, 61-102/102; 63, 312-332/327; 63, 343-380/368; 68, 287-311/310 f.; 76, 130-143/141; 78, 214-232/230; 78, 232-249/243; 82, 159-198/190; 95, 267-322/300; 105, 17-48/32; 108, 186-238/233. In einer jüngeren Entscheidung scheint das Bundesverfassungsgericht diese Grenze lockern zu wollen. Es will einen Eingriff anerkennen, wenn der Eigentümer „zur Aufopferung, d.h. zur Aufgabe“ seines Eigentums „gezwungen“ würde, „weil dann die individuelle Zuordnung des …[E]igentums zum privatnützig handelnden Eigentümer aufgehoben wäre“, BVerfGE 105, 17-48/31. Hingegen hatte es in einer früheren Entscheidung noch betont, eine erdrosselnde Wirkung liege „nicht schon vor, wenn die Geldleistungspflicht die Fortführung einzelner Unternehmen aufgrund ihrer besonderen Lage unmöglich macht“; sie müsse „diese Wirkung als Regel haben, den Effekt also bei ihrer Anwendung regelmäßig hervorrufen“, BVerfGE 95, 267-322/301. Zu neueren Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unten Fn. 56 (Seite 59). In dem dort zitierten Beschluss vom 18.01.2006 (NJW 2006, 1191-1195/1193) lässt der Zweite Senat des Gericht ungeklärt, ob es „hiermit von der Rechtsprechung des Ersten Senats abweicht, nach der Steuerlasten grundsätzlich den Schutzbereich des Art. 14 GG unberührt lassen, das Eigentumsgrundrecht jedoch dann verletzen, wenn die Geldleistungspflicht den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben“, weil die grundrechtliche Zuordnung für die Verfassungsbeschwerde nicht entscheidungserheblich war. 42

43

BVerfGE 23, 288-321/315; 63, 343-380/368.

BVerfGE 30, 250-272/272, spricht erstmals von einer „erdrosselnden Wirkung“. Aufgegriffen in BVerfGE 38, 61-102/102; 63, 312-332/327; 63, 343-380/368; 67, 70-90/88; 70, 219-230/230; 72, 200-278/248; 78, 232-249/243; 82, 159-198/190; 108, 186-238/233. 44

45

BVerfGE 58, 137-152/144 u. 150.

46

BVerfGE 34, 139-154/145 f.

47

BVerfGE 87, 114-151/138 ff. u.146 ff. – Pachtzinsbegrenzung im Kleingartenrecht.

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

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„ihrem Inhalt nach abgewandelt“ wurde,48 über den Prüfungsmaßstab entscheiden. Der Prüfungsmaßstab für die Wirkungen, die Eigentumsbestimmungen für das Vermögen des Eigentümers haben, sei es, weil die Kosten für angeordnete Maßnahmen nicht erstattet werden (wie bei der Pflicht zur Ablieferung eines Belegexemplars) oder Kosten für vom Hoheitsträger übernommene Maßnahmen dem Eigentümer auferlegt werden (wie beim Erschließungsbeitrag), sei es, weil die Beschränkung oder Untersagung möglicher Nutzungen anderenfalls bestehende Einnahmequellen reduziert oder versiegen lässt (wie im Fall der Pachtzinsbegrenzung), oder sei es, weil die Befreiung von einer Beschränkung finanziellen Aufwand erfordert (wie bei der Zweckentfremdungsabgabe), folgt danach dem der primären Beeinträchtigung. Damit stimmt zusammen, ebenso bei den Kosten zu verfahren, die bei Erfüllung der Pflicht zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung entstehen oder an ihre Stelle treten. All dies besagt für die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers freilich nur, dass die Handlungspflicht über den Prüfungsmaßstab entscheidet, erklärt aber noch nicht, warum die Handlungspflicht an der Eigentumsgewährleistung gemessen werden können soll. Die Verpflichtung, in bestimmter Weise zu handeln, wirkt vordergründig allein auf die Entschließungsfreiheit des Eigentümers und dessen Freiheit ein, über sein Handeln selbst zu bestimmen. Im Regelfall verändert sie weder die Substanz des Grundstücks noch die Zuordnung oder den Inhalt der das Grundstück betreffenden Befugnisse und Nutzungsmöglichkeiten. Die Zuordnung der Sache ändert sie nur in den Fällen, in denen die angeordnete Handlung zur Aufgabe des Eigentums führen soll49 oder tatsächlich führt.50 Die Nutzbarkeit des Grundstücks war durch die zu beseitigende Altlast ohnehin gestört51 und wird bei Durchführung der Handlung durch den Eigentümer oder in seinem Auftrag nicht weiter als bei bloßer Duldung der Fremddurchführung seitens oder im Auftrag der Behörde beeinträchtigt. Und dennoch: Die Inanspruchnahme als zustandsverantwortlicher Eigen————— 48 BVerfGE 55, 249-261/257 f. – Zweckentfremdungsabgabe: „Die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist … auch dann berührt und als Prüfungsmaßstab einschlägig, wenn die Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum zwar erteilt, zugleich aber mit einer Abgabepflicht des Eigentümers verknüpft wird. In Fällen dieser Art ist die aus der Zweckentfremdungsregelung resultierende Eigentumsbeschränkung nicht aufgehoben, sondern ihrem Inhalt nach abgewandelt“. 49 So bei der Pflicht zur Ablieferung eines Belegexemplars, BVerfGE 58, 137-152/144 – Pflichtexemplar. Zwecks Abgrenzung zur Enteignung konstruiert das Bundesverfassungsgericht diese Pflicht als „auf der Gesamtheit der zu einer Auflage gehörenden … Druckstücke“ ruhend. In diesem Sinne wird die Nutzung der Gesamtauflage dauerhaft beschränkt, hinsichtlich des abgelieferten Exemplars freilich gänzlich unmöglich gemacht. 50 Dann liegt ein faktischer Eingriff vor. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit ihm fordert Lepsius, JZ 2001, 22-27/23, in einer Anmerkung zum Altlastenbeschluss. 51

hin.

Lepsius, JZ 2001, 22-27/23. Darauf wies vor ihm bereits Wolf, VBlBW 1988, 208-210/210,

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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tümer verlangt einen bestimmten Umgang mit der Sache, an der das Eigentum besteht, indem das aufgegebene Handeln inhaltlich auf den Eigentumsgegenstand bezogen ist. Einen solchen Bezug hat das Bundesverfassungsgericht auch in anderen Entscheidungen zur Eigentumsgewährleistung ebenso wie zur Berufsfreiheit des Art. 12 GG, bei der dem Gesetzgeber wie beim Eigentum die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzguts aufgegeben ist, ausreichen lassen. Das Gericht spricht in diesen Entscheidungen von einem „unlösbaren“ oder „inneren Zusammenhang“. Mit ihm begründete es beispielsweise die Prüfung der bereits erwähnten Erschließungsbeitragspflicht am Maßstab des Art. 14 GG: Sie stehe in einem „unlösbaren Zusammenhang mit der tatsächlichen Erschließung der betroffenen Grundstücke“ als einer „Maßnahme, die eine funktionsgerechte Verwendung von Grund und Boden für bauliche Maßnahmen sicherstellen“ solle.52 Zur Abgrenzung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit von einem bloßen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit formulierte es, es könne „nicht ausnahmslos gefordert werden, dass die berufliche Betätigung unmittelbar Regelungsobjekt einer Norm sein müsse, um sie an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen“. Der besondere Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern wolle, könne „auch durch solche Vorschriften berührt werden, die mit der Ausübung eines Berufs eine zusätzliche, außerhalb der eigentlichen Berufsausübung liegende Tätigkeit verknüpfen, wenn diese Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit dem Beruf steht und Rückwirkungen auf die Berufsausübung hat“.53 Der Zusammenhang des Inhalts einer Handlungspflicht mit der geschützten Position, Befugnis oder Tätigkeit ermöglicht, innerhalb der an das Schutzgut anknüpfenden Pflichten zu unterscheiden. Pflichten, denen ein – über die tatbestandliche Anknüpfung hinausgehender – inhaltlicher Zusammenhang mit dem Eigentumsgegenstand fehlt, sind danach nicht am Maßstab der Eigentumsgewährleistung zu rechtfertigen. Beispiele dafür sind an das Eigentum anknüpfende Geldleistungspflichten. Für die an das Schiffseigentum anknüpfende Auferlegung von Hafengebühren hat das Bundesverfassungsgericht eine Beeinträchtigung der Eigentumsgewährleistung ausdrücklich abgelehnt.54 Ebenso wäre – ————— 52

BVerfGE 39, 134-154/145 – Erschließungsbeitrag (Hervorhebung durch den Verfasser).

BVerfGE 22, 380-387/384 – Verpflichtung der Banken zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer. Aufgegriffen in BVerfGE 57, 139-170/158 – (Quotierte) Pflicht der Arbeitgeber zur Einstellung von Schwerbehinderten (Hervorhebung durch den Verfasser). Ähnlich formulieren BVerfGE 98, 83-105/97, und BVerfGE 98, 106-134/117: „Die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs steht und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen läßt“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 53

54 BVerfGE 91, 207-226/220, weil eine bloße Belastung des Vermögens durch Auferlegung einer Geldleistungspflicht vorlag (siehe Nachweise vorstehend in Fn. 41).

A. Verfassungsrechtlicher Maßstab

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jedenfalls auf Grundlage der Rechtsprechung bis Ende 2005 – für die an das Grundstückseigentum anknüpfende Pflicht, Grundsteuer zu zahlen,55 zu entscheiden.56 Eine Pflicht ist dagegen am Maßstab des Art. 14 GG zu rechtfertigen, wenn sie den geforderten inhaltlichen Zusammenhang mit dem Eigentumsgegenstand aufweist. Dem entspricht es, dass beispielsweise die denkmalschutzrechtlichen Erhaltungs- und Instandsetzungspflichten, die einen bestimmten

————— 55 Nach den in Ausübung des Heberechts gemäß § 1 Grundsteuergesetz (GrStG) ergangenen kommunalen oder sonstigen landesrechtlichen Bestimmungen. § 10 GrStG bestimmt als Schuldner der Grundsteuer denjenigen, „dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist“. Steuergegenstand ist nach § 2 GrStG „der Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes“. 56 Das Bundesverfassungsgericht hatte bislang keine Gelegenheit, sich mit der Erhebung einer Grundsteuer zu befassen. Zwei mittelbar gegen das GrStG gerichtete Verfassungsbeschwerden nahm die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG nicht zur Entscheidung an (BVerfG, B. v. 03.03.2006 – 1 BvR 311/06; BVerfG, B. v. 21.06.2006 – 1 BvR 1644/05 – ZKF 2006, 213; darauf verweist OVG Münster, NVwZ-RR 2007, 506). In seinem Urteil vom 14. Dezember 1965 (BVerfGE 19, 242-247/244 u. 247) hatte der Erste Senat immerhin über eine Heranziehung einer Person als Steuerschuldner sowie im Wege der Haftung zur Erfüllung der Steuerpflicht ihres Ehegatten aufgrund ihres Grundbesitzes zu entscheiden. Durch die entsprechende Regelung des badischen Ortskirchensteuergesetzes sah es das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, ohne Art. 14 Abs. 1 GG auch nur zu erwähnen. Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle war (unter anderem) die steuerliche Belastung von Grundbesitz freilich in dem vielzitierten (und sehr umstrittenen) Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Juni 1995 zur Vermögenssteuer (BVerfGE 93, 121-149), bei der die Bewertung der in dem Vermögen des Steuerpflichtigen befindlichen Grundstücke einen Teil der Bemessungsgrundlage bildet. Sibyllinisch formulierte das Bundesverfassungsgericht, die Vermögenssteuer greife „in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (Art. 14 GG) ein“. In späteren Entscheidungen wurde diese – durch die Vorlagefrage nicht veranlasste (vgl. abw. M. Böckenförde, BVerfGE 93, 149-165/150) und darüber hinaus nicht eindeutige – grundrechtliche Zuordnung, die derselbe Senat einmal zuvor in seinem Beschluss zum Grundfreibetrag im Einkommenssteuerrecht (BVerfGE 87, 153-181/169) vorgenommen hatte, nicht wieder aufgegriffen.

Bis Anfang 2006 entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht auf solche allgemeinen Geldleistungspflichten zu beziehen, die den Steuerschuldner nur in seinem Vermögen als Ganzem betreffen, ihm also nicht bestimmte Eigentumspositionen entziehen, sondern unspezifisch zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichten, der aus beliebigen Einnahmequellen, etwa auch aus Arbeitseinkommen oder Verkaufserlösen, erbracht werden kann (so auch die Darstellung der st. Rspr. in der abw. M. Böckenförde, BVerfGE 93, 149-165/153). Weitergehend nunmehr allerdings BVerfG, NJW 2006, 1191-1195/ 1192: „Diese Gewährleistung ist nicht nur dann betroffen, wenn etwa – wie im Gefahrenabwehrrecht – dem Bürger auf Grund seiner Eigentümerstellung die Kosten einer Sanierungsmaßnahme auferlegt werden, sondern jedenfalls auch dann, wenn Steuerpflichten – wie im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht – an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen. … Ist es der Sinn der Eigentumsgarantie, das private Innehaben und Nutzen vermögenswerter Rechtspositionen zu schützen, greift auch ein Steuergesetz als rechtfertigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ein, wenn der Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen anknüpft und so den privaten Nutzen der erworbenen Rechtspositionen zu Gunsten der Allgemeinheit einschränkt“.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

60

Umgang mit dem Eigentumsgegenstand fordern, als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG aufgefasst werden. 57 In Zusammenschau mit den vorgenannten Entscheidungen lässt sich die Prüfung der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers am Maßstab des Art. 14 GG systematisch erklären. An Art. 14 GG sind danach Pflichten, die unmittelbar weder den Eigentumsgegenstand selbst noch die Zuordnung zum Eigentümer ändern oder seine Befugnisse mindern, dann zu messen, wenn sie tatbestandlich an das Eigentum anknüpfen und inhaltlich im Zusammenhang mit dem Eigentum stehen, etwa weil sie einen bestimmten Umgang mit dem Eigentumsgegenstand fordern. Das ist bei der Inanspruchnahme als zustandsverantwortlicher Eigentümer der Fall. V. Zusammenfassung Die Aussagen des Altlastenbeschlusses zum Gehalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung fügen sich überwiegend in die frühere Rechtsprechung. Ob die Verschiebung im Verständnis der Privatnützigkeit als Kennzeichen des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums Konsequenzen für die verfassungsrechtlichen Grenzen inhaltsbestimmender Eigentumsregelungen hat und, wenn ja, welche das sind, ist sinnvoll erst zu untersuchen, wenn die verfassungsrechtlichen Anforderungen und die diesen zugeordneten Rechtfertigungserwägungen des Beschlusses dargestellt und gewürdigt sind. Die Anwendung des gewählten Prüfungsmaßstabs ließ sich im Wege der Einordnung in den umfassenderen Zusammenhang der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts systematisch erklären. Zwar ergaben sich gewisse Schwierigkeiten, weil die aus einer Inanspruchnahme als zustandsverantwortlicher Eigentümer folgende Handlungspflicht unmittelbar weder den Eigentumsgegenstand selbst noch die Zuordnung zum Eigentümer ändert oder seine Befugnisse mindert. Die Prüfung am Maßstab des Art. 14 GG ließ sich aber damit erklären, dass die auferlegte Pflicht sowohl tatbestandlich an die geschützte Position anknüpfte als auch einen inhaltlichen Zusammenhang mit ihr aufwies, konkret den geforderten Umgang mit dem Eigentumsgegenstand, also mit Kriterien, die in früheren Entscheidungen zur Eigentumsgewährleistung wie zur Berufsfreiheit entwickelt und angewandt wurden.

————— 57

Dazu ausführlich Wurster, Denkmalschutz, Kap. D Rn. 231 ff. u. 248 ff.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

61

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit I.

Anforderungen nach dem Altlastenbeschluss

1. Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen Nach dem Altlastenbeschluss hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken der als Eigentum grundrechtlich geschützten Rechtspositionen sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) Rechnung zu tragen.58 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von Grund und Grenze der gesetzlichen Regelung: Das Wohl der Allgemeinheit, an dem sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu orientieren habe, sei „nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentümers“. Der Gesetzgeber habe „die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen“ und sich dabei „im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten“. Insbesondere sei er „an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden“. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sei je nach Sachbereich, Bezug zur Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers und sozialem Bezug des Eigentumsobjekts unterschiedlich weit. 2. Anforderungen an Auslegung und Anwendung Von den Verwaltungsbehörden und den Gerichten verlangt das Bundesverfassungsgericht, bei ihren Entscheidungen der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums und seiner Sozialpflichtigkeit gleichermaßen Rechnung zu tragen und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nennt das Bundesverfassungsgericht hier nicht. Freilich lässt die exemplarische Nennung der Anforderungen Raum für weitergehende Bindungen. II. Würdigung mittels Einordnung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Wenn das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eigentumsbestimmungen vom „Grund … für die Beschränkung des Eigentümers“ spricht,59 umschreibt es den „Zweck“ der Re-

————— 58

BVerfGE 102, 1-25/16 f. Aufgegriffen in BVerfG, NJW 2003, 196-198/197.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

62

gelung. Dass eine Regelung, die einem bestimmten Zweck dienen soll, nur so weit gerechtfertigt ist, wie sie diesem Zweck voraussichtlich dienen kann, wie sie notwendig ist, um den Zweck zu erreichen, und wie die durch sie bewirkten Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu den mit dem Zweck verfolgten Interessen stehen, ist ständige Rechtsprechung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.60 Insofern lässt sich sagen, der Zweck bestimme die Grenzen der zulässigen Belastung. Dass die Formel von Grund und Grenze nichts anderes bezeichnen will, als die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wird in einer früheren Formulierung des Bundesverfassungsgerichts deutlich: „Auch der Gesetzgeber, der öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen statuiert, ist in seinem Handeln nicht völlig frei: Da sie mit dem öffentlichen Interesse motiviert werden, müssen sie auch von daher legitimiert sein. Beschränkungen … sind also nur zulässig, wenn und soweit das öffentliche Interesse sie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigt“.61

Das Bundesverfassungsgericht will die Grenzen demnach für die gesetzliche Regelung wie auch für ihre Auslegung und Anwendung aus einer gewöhnlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung gewinnen. Die weitere Anforderung, der Gesetzgeber habe sich bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums „im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten“, 62 ist insofern selbstverständlich, als der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums wie auch sonst an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG), insbesondere an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 Fall 1 GG) gebunden ist. Indem das Bundesverfassungsgericht die anderen Verfassungsnormen und Art. 3 Abs. 1 GG 63 als Gren————— 59 Die gleiche Formulierung verwendet BVerfGE 50, 290-381/340. Vom „Grund … für die dem Eigentümer aufzuerlegende Beschränkung“ sprachen BVerfGE 52, 1-42/29; 72, 66-83/78; 79, 174202/198; 87, 114-151/138. BVerfGE 100, 226-248/241 vom „Grund … für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Die früheste dazu im Altlastenbeschluss zitierte Entscheidung, BVerfGE 25, 112-124/118, verwandte anstelle des Grundes den Begriff „Orientierungspunkt“. 60 Detailliert in BVerfGE 70, 278-288/286, und 92, 262-277/273: „Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Gesetzgeber auch bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu beachten hat, ist nicht verletzt. Er besagt, daß eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein muß; sie ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und erforderlich, wenn der Gesetzgeber kein gleich wirksames, aber das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ferner darf der mit der Maßnahme verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen“. Im Kontext der Eigentumsgarantie hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz demnach „keine besondere Struktur und keinen spezifisch eigentumsrechtlichen Gehalt“, vgl. Depenheuer, MKS, Art. 14 Rn. 226 mit Nachweisen zur gegenteiligen Auffassung in Fn. 23. 61

BVerfGE 8, 71-81/80 (Hervorhebungen im Original).

62

Ebenso BVerfGE 100, 226-248/240 f.; 101, 239-274/259; 104, 1-13/11.

63 Ebenfalls ausdrücklich genannt in BVerfGE 87, 114-148/139. Weitere Nachweise im Dritten Teil unter A.I.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

63

zen der Eigentumsinhaltsbestimmung nennt, legt es allerdings nahe, ein Verstoß gegen andere Verfassungsnormen und den allgemeinen Gleichheitssatz sei zugleich ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Ob das gemeint ist, sich in die weitere Rechtsprechung einfügt und systematisch erklären lässt, soll an dieser Stelle noch dahinstehen,64 zum einen, weil diese Frage erst nach einer Untersuchung des Verhältnisses von Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG zu beantworten ist, und zum anderen, weil diese Verknüpfung von Verfassungsnormen in den weiteren Erwägungen des Altlastenbeschlusses nicht wieder aufgegriffen wird. III. Rechtfertigungserwägungen des Altlastenbeschlusses 1. Zur gesetzlichen Regelung Auf der Ebene des Gesetzes ergibt die verfassungsrechtliche Prüfung des Bundesverfassungsgerichts keine Grenzen. Das Bundesverfassungsgericht begründet das mit dem Ziel und mit legitimierenden Gründen der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit. Ziel der Vorschriften sei es, „unbeschadet der Haftung des Verursachers eine effektive Gefahrenabwehr auch durch den Eigentümer als Herrn der Sache sicherzustellen“. Legitimierender Grund der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers sei zum einen die „durch die Sachherrschaft vermittelte Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrenverursachende Sache“. Zum anderen könne der Eigentümer „aus der Sache Nutzen ziehen“. Die angeführten Gründe der Regelung sind, anders als noch bei den Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nicht identisch mit dem Ziel der Regelung. Den zweiten legitimierenden Grund – und ausschließlich diesen – setzt das Bundesverfassungsgericht ins Verhältnis zu der Zustandsverantwortlichkeit, indem es feststellt: „Die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Sacheigentums korrespondiert mit der öffentlichrechtlichen Pflicht, die sich aus der Sache ergebenden Lasten und die mit der Nutzungsmöglichkeit verbundenen Risiken zu tragen“.65 Das genügt dem Bundesverfassungsgericht, um in den Vorschriften eine zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu erkennen. 2. Zu Auslegung und Anwendung Auf der Ebene der Auslegung und Anwendung der Vorschriften geht das Bundesverfassungsgericht in drei Schritten vor. In den ersten beiden Schritten prüft es eine auf die Vorschriften gestützte Belastung des Eigentümers dem ————— 64

Ausführlich dazu im Dritten Teil.

65

BVerfGE 102, 1-25/17 f. Aufgegriffen vom VGH München, NZM 2003, 651-652/652.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

64

Grunde und der Höhe nach. Im dritten Schritt zieht es Folgerungen für die künftige Auslegung und Anwendung der Vorschriften. Diese sollen, weil sie nicht zur Begründung der Grenzen beitragen, erst am Ende der Arbeit dargelegt und gewürdigt werden.66 a) Dem Grunde nach Im ersten Schritt stellt das Bundesverfassungsgericht fest, es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Vorschriften dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden könne, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, „auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat“. Es begründet das mit einer Art Interessenabwägung: Die mit der Gefahrenabwehr verfolgten Gemeinwohlinteressen stünden, soweit von einem Grundstück Gefahren für Leben und Gesundheit oder das Grundwasser ausgingen, im Verfassungsrang (Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 20 a GG 67) und überwögen „das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Verwendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden“. Die Beschränkung wöge zudem weniger schwer, wenn und weil „in einer Reihe von Fällen“ die Sanierung von Altlasten zugleich im Interesse der Eigentümer liege, indem durch die Sanierung die Nutzbarkeit des Grundstücks wiederhergestellt sowie der Verkehrswert des Grundstücks und sein individueller Nutzungswert erheblich gesteigert würden. Wie schon bei der Rechtfertigung der gesetzlichen Regelung äußert sich das Bundesverfassungsgericht daneben zu den beiden (legitimierenden) Gründen der Zustandsverantwortlichkeit, also zu der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie zu der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Diese Gründe bezieht es nicht in die Interessenabwägung ein. Vielmehr setzt es den zweiten legitimierenden Grund, die Vorteile der privaten Nutzung, erneut ins Verhältnis zu den Belastungen. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zuflössen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, müsse er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist.68 b) Der Höhe nach In einem zweiten Schritt relativiert das Gericht das Ergebnis dieser Auslegung durch die im Einzelfall verfassungsgebotene Begrenzung des Ausmaßes ————— 66

Im Vierten Teil unter B.IV.

Czybulka, Ökologiepflichtigkeit, S. 101, pflichtet der „Verankerung der Gemeinwohlziele … in der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20 a GG“ bei (Hervorhebung im Original). 67

68

BVerfGE 102, 1-25/18 f.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

65

der Belastung und nennt zur Ermittlung der Grenze „maßgebliche“ Gesichtspunkte.69 Zur Illustration seien die sich daraus ergebenden Schwellen für gerade noch zumutbare Belastungen von Grundstückseigentümern fallgruppenbezogen abgebildet, wohl wissend, dass sie lediglich als Anhaltspunkte dienen können und sollen:

Fallgruppe

Belastungsgrenze Vorteile aus der weiteren Nutzung

1.

Grundsätzlich

2.

Grundstück als wesentlicher Vermögensteil und Grundlage privater (einschl. familiärer) Lebensführung

3.

Verkehrs- dazwiwert nach schen Sanierung

Vermögen in funktionaler Einheit mit Grundstück

x

Gefahr rührt aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nichtnutzungsberechtigten Dritten her

4.

erkennbare oder fahrlässig nicht erkannte Risikoumstände

5.

bewusste Inkaufnahme des Risikos einer künftigen oder bestehenden Verunreinigung

x

x

x

x

Zumutbarkeitsschwellen nach dem Altlastenbeschluss

Die genannten Gesichtspunkte beziehen sich einerseits auf die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer (2.), 70 andererseits auf die Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne (3.-5.), nämlich die Umstände der Gefahrentstehung (3.)71 und ————— 69

BVerfGE 102, 1-25/19 ff.

70

Etwa wenn ein Eigentümer sein Grundstück mit Eigenheim, das den wesentlichen Teil seines Vermögens und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie bildet, aufgrund der Belastung mit Kosten, die die Vorteile aus der weiteren Nutzung eines Grundstücks nach Sanierung übersteigen, nicht mehr halten kann, Abschnitt B.II.2.c.dd des Beschlusses. 71 Umstände, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits der Verantwortungssphäre des Eigentümers liegen, etwa aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrühren, Abschnitt B.II.2.c.cc des Beschlusses. Spieth/ von Oppen, ZUR 2002, 257-265/260, sehen in Fällen der Gefahrverursachung durch Dritte, Naturereignisse oder der Allgemeinheit zuzurechnende Ursachen, die Grenze der Zumutbarkeit noch weiter als bis zur Höhe des Verkehrswerts abgesenkt. Hösch, VBlBW 2004,

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

66

die subjektive Haltung des Eigentümers zum Risiko einer künftigen oder bestehenden Verunreinigung (4. u. 5.).72 Die Grenzen sind durch wirtschaftliche Eckdaten bestimmt.73 IV. Würdigung unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Zustandsverantwortlichkeit 1. Gesetzliche Regelung An dem kurzen Abschnitt zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung fällt auf, dass das Bundesverfassungsgericht das Mittel (zu Teilen) in die Umschreibung des Ziels der Regelung aufnimmt, ferner, dass es nach der Bestimmung des Ziels keine weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführt, sondern losgelöst von der Zweck-Mittel-Relation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen legitimierenden Grund der Regelung benennt und diesen in ein (Korrespondenz-) Verhältnis zu der Belastung des Eigentümers setzt. a) Zweck der Regelung Das Problem, wie das Ziel, der Zweck 74 einer Regelung zu formulieren ist, um eine sinnvolle Verhältnismäßigkeitsprüfung zu eröffnen, findet im Schrifttum wenig Aufmerksamkeit. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht hier nicht um Vorgaben für den Gesetzgeber.75 Er ist in der Wahl seiner Ziele grundsätzlich frei. Er kann mit einem bestimmten Ziel zugleich den Schutz von Verfassungsgütern bezwecken,76 seine Eingriffstätigkeit ist grundsätzlich aber nicht darauf beschränkt.77 Nur insoweit, wie ihm das Grundgesetz aufgibt, ein be————— 7-14/12, bezeichnet die Frage als „offen“. Das Bundesverfassungsgericht spricht aber ausdrücklich von einer „diese Grenzen überschreitenden Belastung“, BVerfGE 102, 1-25/21, und nimmt damit die unmittelbar vorangehenden Grenzen des Verkehrswerts und des durch ein individuelles Interesse des Eigentümers am Grundstück erhöhten Werts in Bezug. 72 Handeln in „vorwerfbarer“ Unkenntnis und Handeln in positiver Kenntnis des Risikos, Abschnitt B.II.2.c.ee des Beschlusses. 73

Verkehrswertüberschreitende Kosten, Abschnitt B.II.2.c.bb des Beschlusses; Kosten, die die Vorteile aus der weiteren Nutzung eines Grundstücks nach Sanierung übersteigen, Abschnitt B.II.2.c.dd des Beschlusses; Vermögen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine funktionale Einheit bildet, nicht hingegen die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers, Abschnitt B.II.2.c.ff des Beschlusses. 74 „Ziel“ und „Zweck“ sind im verfassungsrechtlichen Schrifttum zumeist austauschbar. Die Begriffe werden in der deutschen Rechtslehre nicht in dem Sinne differenziert verwendet, dass beispielsweise der eine stärker das im Text niedergelegte, der andere stärker subjektive Elemente betonen soll. Wenn im Folgenden mal der eine, mal der andere Begriff verwandt wird, ist denn auch keine derartige Differenzierung beabsichtigt. 75

Solche behauptet und sucht zu ergründen Engel, Ziel, besonders S. 30 ff.

Vgl. den Hinweis auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 20 a GG im Altlastenbeschluss, BVerfGE 102, 1-25/18. 76

77 Das Bundesverfassungsgericht anerkannte beispielsweise den „ethisch begründeten Tierschutz[]“ bereits vor Einfügung des Staatsziels Tierschutz in Art. 20a GG durch G. v. 26.7.2002

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

67

stimmtes Ziel zu verfolgen,78 ist er in der Wahl seiner Ziele eingeschränkt. Mehr wird von ihm unter dem Stichwort des legitimen Ziels – sei es als Bestandteil der Verhältnismäßigkeitsprüfung, sei es als davon losgelöstes eigenständiges Erfordernis79 – nicht verlangt. Im Falle der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums wird Art. 14 Abs. 2 GG bisweilen dahingehend verstanden, dem Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen aufgegeben, zum Wohl der Allgemeinheit tätig zu werden;80 ihm sei – so ließe sich hinzufügen – die Verfolgung anderer Ziele verschlossen. Wegen der Weite des Begriffs des Wohls der Allgemeinheit sowie der generellen Verpflichtung staatlichen Handelns auf das Verfolgen öffentlicher Interessen, d.h. auf „Belange des Gemeinwohls (im engeren Sinne)“,81 ergeben sich daraus jedoch keine besonderen Hürden für die gesetzgeberische Tätigkeit. 82 Wenn hier nach Vorgaben für die Formulierung des Ziels einer Regelung gesucht wird, meint das Vorgaben für den, der eine gesetzliche Regelung oder einen sonstigen Akt hoheitlicher Gewalt am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft. Es geht um die Frage, welche Elemente in die Beschreibung des Ziels aufzunehmen sind, soll die Verhältnismäßigkeit sinnvoll geprüft werden können. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit kein einheitliches Vorgehen zu entnehmen. Ein Mal zitiert es das in der Gesetzesbegründung angegebene Ziel.83 Ein anderes Mal beschränkt es sich darauf, herauszustellen, welche Aufgabe der Gesetzgeber mit seiner Regelung, der Hoheitsträger mit seinem Vorgehen bewältigen will.84 In wieder anderen Entscheidungen ergänzt es das durch das dahinterstehende öffentliche Interesse, zu dessen Schutz oder Verwirklichung eingegriffen wird.85 Zuweilen bezieht es das Mit————— (BGBl. I S. 2862) als „legitimes Regelungsziel“ (BVerfGE 104, 337-356/347). Zu restriktiv deshalb BVerfGE 22, 387-426/422: „[D]er Gesetzgeber … kann solche Einschränkungen [d.h. Konkretisierungen der Schranken des Eigentums; der Verfasser] nicht beliebig erfinden und damit den verfassungskräftigen Eigentumsschutz des Art. 14 GG schwächen; sie bedürfen vielmehr einer Rechtfertigung in der Verfassung“. 78

Z. B. in Art. 5 Abs. 2, Art. 11 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 7 GG.

79

Für eine Loslösung der Frage nach dem legitimen Ziel vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Huster, Rechte, S. 96, „weil es ein generelles Gebot ist, daß der Staat keine illegitimen Ziele verfolgen darf“. 80 Vgl. Papier, JZ 1994, 810-822/816; ders., NVwZ 1986, 256-263/261; ders., Verantwortlichkeit, S. 75: Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG als „Eingriffslegitimation“. 81

Isensee, Gemeinwohl, § 57 Rn. 135.

82

Den Versuchen, nur einen Eingriff zuzulassen, der „einen unzweifelhaft erheblichen Nutzen für das gesamte Volk bringt“, widerspricht auch Martens, Rechtsbegriff, S. 187 f. 83

BVerfGE 101, 54-105/76 u. 96; 102, 254-346/302 f.

84

BVerfGE 101, 239-274/259 f.

68

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

tel86 oder den Adressaten 87 in die Beschreibung des Ziels ein. Das wirkt sich auf die Kontrollstärke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Erstreckt sich das Ziel darauf, wodurch oder durch wen eine Aufgabe bewältigt werden soll, verlieren die Stufen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit an Bedeutung. 88 Die Frage, ob ein bestimmtes Mittel ein Ziel mit möglichst geringen Belastungen fördert, muss stets bejaht werden, wenn der Einsatz des besagten Mittels selbst zum Ziel erklärt wird. Wird beispielsweise als Ziel formuliert, eine plangerechte bauliche Nutzung durch Neuordnung zu ermöglichen, hat die Feststellung, die Umlegung von Grundstücken (als Fall der Neuordnung) fördere dieses Ziel unter Vermeidung unnötiger Belastungen, nur geringen Erkenntniswert,89 weil ————— 85 BVerfGE 97, 271-297/286; 100, 1-59/51. Richterin Graßhof spricht in ihrem abw. Votum zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in BVerfGE 91, 38-70/47, von einem unmittelbaren Zweck (Resozialisierung gefährlicher Suchttäter), um so den generellen Zweck (Schutz der Allgemeinheit) zu verfolgen. Grundlegend zum öffentlichen Interesse: Häberle, Interesse; Martens, Rechtsbegriff, S. 185 ff. 86 BVerfGE 104, 1-13/11: „Sie dienen dem legitimen Regelungsziel, die Neuordnung der Grundstücke zum Zweck ihrer plangerechten Nutzung zu ermöglichen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). BVerfGE 91, 1-37/34: „Liegt der Zweck der Unterbringung nach den maßstäblichen Darlegungen in der Behandlung unter der Voraussetzung einer hinreichend konkreten Aussicht auf Heilung oder doch auf Bewahrung vor einem Rückfall in die akute Sucht für eine gewisse Zeitspanne“. 87 Etwa im Altlastenbeschluss, BVerfGE 102, 1-25/17. Dagegen ist beides sorgfältig getrennt beispielsweise in BVerfGE 91, 207-226/221 f.: „Die Regelung … ist geeignet, den mit ihr angestrebten Zweck [die Zahlung der Gebühren … möglichst umfassend zu sichern] zu erreichen. Sie ermöglicht es, neben dem Kostenschuldner aus § 13 Abs. 2 BremGebBeitrG einen weiteren in Anspruch zu nehmen“. Auch BVerfGE 85, 226-238/234 f., trennt Zweck und Adressat: „Zweck ist die Förderung der Jugendarbeit … Es ist … nicht zu beanstanden, daß den Arbeitgebern gewisse finanzielle Belastungen und die formelle Entgeltzahlungspflicht auferlegt werden. Die Grenzen des Zumutbaren werden aber insoweit überschritten, als den Arbeitgebern die volle Kostenlast aufgebürdet wird, ohne daß Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden“. 88 Dagegen, dass Zweck („den Süchtigen zu resozialisieren“), Mittel („Behandlung“) und Eignungsvoraussetzung (Bestehen der „hinreichend konkrete[n] Aussicht …, beim Betroffenen werde ein … Behandlungserfolg erreicht“, der darin liegt, „daß der Betroffene jedenfalls über eine gewisse Zeitspanne vor einem Rückfall bewahrt wird“) „vermengt“ werden, wandte sich bereits Richterin Graßhof in ihrer abw. M. zum Unterbringungsbeschluss, BVerfGE 91, 38-70/51: „Der Senat definiert mit seiner Auslegung … den Zweck … mit dem Mittel und außerdem noch mit den Eignungsvoraussetzungen. Mit dieser ungewöhnlichen, die drei Stufen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in dem Merkmal des ‚Zwecks‘ vereinigenden Begriffsbestimmung verschleiert der Senat, daß er unter Anwendung desselben Maßstabs gesetzliche Regelungen, die vom Gesetzgeber spiegelbildlich gleich ausgestaltet sind und nach Auffassung des Senats von Verfassungs wegen auch entsprechend gleich sein müssen, mit unterschiedlichem Ergebnis verfassungsrechtlich überprüft“. 89 Das Bundesverfassungsgericht verzichtet in seinem Beschluss vom 22.5.2001 zur Baulandumlegung, BVerfGE 104, 1-13/12, folgerichtig auf die Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit und prüft sogleich, ob die Regelung „einen angemessenen, die Belange der betroffenen Grundstückseigentümer hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich“ schaffen. Ebenso im Beschluss vom 14.7.1999, BVerfGE 101, 54-105/76: Nach Gleichsetzung des Regelungsziels mit dem Regelungskonzept, durch das „die Überleitung von Nutzungsverträgen, die in der Deutschen Demokratischen Republik begründet worden sind, in das Miet- und Pachtrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Interesse der Nutzer sozial abgefedert und zeitlich gestreckt werden soll“ und den Nutzern „gegenüber Kündigungen der Grundstückseigentümer ein abgestufter Bestandsschutz gewährt

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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mit dem Zweck vorgegeben wird, wie er erreicht werden soll. Gleiches gilt, wenn der Adressat in die Zielbeschreibung aufgenommen wird. Wird im Altlastenbeschluss als Ziel beschrieben, „unbeschadet der Haftung des Verursachers eine effektive Gefahrenabwehr auch durch den Eigentümer als Herrn der Sache sicherzustellen“, lässt es für die Prüfung, ob ein Vorgehen gegen den Eigentümer geeignet und erforderlich ist, keinen Raum, weil das Vorgehen gegen ihn zum Bestandteil des Zwecks gemacht wird. Die Einbindung des Mittels oder des Adressaten in die Formulierung des Ziels der Vorschriften verschließt sich demnach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dieser erste Befund spricht für eine strikte Trennung des Ziels auf der einen Seite von Mittel und Adressaten auf der anderen Seite. Was kann dafür angeführt werden, sie dennoch zu verbinden? Ist der Gesetzgeber in der Wahl seiner Ziele grundsätzlich frei, kann das zu der Überlegung verleiten, der Gesetzgeber sei auch frei, den Einsatz eines bestimmten Mittels oder ein Vorgehen gegen einen durch bestimmte Merkmale beschriebenen Personenkreis zum Ziel zu erklären. Der Zweck der Regelung erschöpfte sich in diesen Fällen darin, das besagte Mittel einzusetzen oder gegen den besagten Personenkreis vorzugehen; ein darüber hinausweisendes Ziel ließe sich dann nicht benennen. Ein solches Verständnis aber stimmt nicht mit dem zusammen, was die Grundrechte des Grundgesetzes vom Gesetzgeber verlangen. Soweit die Grundrechtsnormen qualifizierte Gesetzesvorbehalte enthalten, sind darin Zwecke, die verfolgt oder nicht verfolgt werden dürfen, oder Mittel, deren Einsatz ge- oder verboten ist, genannt.90 Zwecke und Mittel werden also unterschieden. Vom Gesetzgeber wird verlangt, Zwecke zu verfolgen. Art. 2 Abs. 1 GG erlaubt dem Gesetzgeber, die allgemeine Handlungsfreiheit zur Wahrung der Rechte anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes einzuschränken. Art. 5 Abs. 1 GG lässt Einschränkungen der Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit durch allgemeine Gesetze zu und untersagt damit, gegen bestimmte Meinungen, Quellen oder Medien gerichtete Zwecke zu verfolgen. Er erlaubt jedoch, zum Schutz der Jugend und zur Wahrung der persönlichen Ehre einzugreifen. Noch deutlicher ist die Zweckorientierung bei den Schranken der Art. 10 Abs. 2 S. 2 und Art. 11 Abs. 2 GG. Sie bestimmen ausdrücklich, welchem Zweck Beschränkungen dienen dürfen. Bei den Grundrechten, bei denen die Wahl von Zwecken durch einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt beschränkt ist, kann sich die Gefahr, dass Mittel selbst als Zweck gesetzt ————— werden [soll], der gleichzeitig sicherstellt, daß die Grundstückseigentümer schrittweise die Möglichkeit der Eigennutzung ihrer Grundstücke wiedererhalten“, lässt sich nichts Weiterführendes zur Geeignetheit und Erforderlichkeit sagen. 90

Dazu Schlink, EuGRZ 1984, 457-468/459.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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werden, deshalb nicht verwirklichen.91 Aber auch bei den Grundrechten, die dem Gesetzgeber auf den ersten Blick die größte Freiheit belassen, weil sie nur einem einfachem Gesetzesvorbehalt unterstehen, ist er nicht frei, den Einsatz des Mittels zum Zweck zu erklären.92 Das wäre er nur bei einem positivistischen Grundrechtsverständnis: Danach wäre es zur Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs ausreichend, dass der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat. Das ganz herrschende materielle Grundrechtsverständnis verlangt vom Gesetzgeber jedoch mehr. Es verlangt, dass Grundrechtsbeschränkungen in einem stimmigen Zweck-Mittel-Verhältnis stehen,93 und setzt damit zuallererst voraus, dass überhaupt ein Zweck verfolgt wird, zu dem der Eingriff, das Mittel, ins Verhältnis gesetzt werden kann. Mittel und Zweck müssen deshalb notwendig unterschieden werden. Nur so kann das Bundesverfassungsgericht die Bindung der Gesetzgebung an die Grundrechte und mit ihnen an das Erfordernis eines stimmigen Zweck-Mittel-Verhältnisses in der Kontrolle der Gesetze auf ihre Verhältnismäßigkeit aktualisieren. Man könnte versucht sein, gegen die vorstehende Argumentation einzuwenden, sie vermische das, was der Gesetzgeber dürfe, mit dem, was er tatsächlich mache. Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei die gesetzliche Regelung, wie sie ist, nicht, wie sie sein müsste. Das Gericht müsse deshalb den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zum Ausgangspunkt nehmen und dürfe ihn nicht durch einen eigenen (zulässigen) Zweck ersetzen. Beziehe der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck den Einsatz des Mittels oder das Vorgehen gegen einen bestimmten Personenkreis ein, müsse das Gericht von diesem Zweck ausgehen. Das ist im Ansatz richtig, kommt aber zu falschen Schlussfolgerungen. Richtig ist, dass der Gesetzgeber bestimmt, welchen Zweck er verfolgen will, und dass das Gericht diesen Zweck als legitim hinnehmen oder als illegitim verwerfen, nicht aber durch einen eigenen ersetzen kann. Das bedeutet aber nicht, dass es das, was das Gesetz, der Gesetzgeber oder derjenige, der dem Gesetzgeber Vorschläge unterbreitet,94 als Zweck bezeichnet, eins zu eins bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung als Zweck zugrunde zu legen hat.95 Vielmehr hat es den Zweck ————— 91

Schlink, Abwägung, S. 205.

Als selbstverständlich setzend nunmehr Schlink, Grundsatz, S. 450: „Demgegenüber gilt zunächst, daß der Gesetzgeber den Eingriff selbst nicht zum Zweck machen kann; der Eingriff in das Grundrecht ist gerade, was der Rechtfertigung bedarf und ohne Rechtfertigung scheitert, und daran ändert die Etikettierung von einem Mittel in einen Zweck nichts“. Engel, Ziel, S. 8, sieht es als Gebot der „intellektuelle[n] Redlichkeit“, dass „der Eingriff selbst … nicht zum Zweck gemacht werden [darf]“. 92

93

Schlink, EuGRZ 1984, 457-468/459.

94

Regelmäßig gleich zu Beginn der Gesetzesbegründung (A. Zielsetzung).

95 Darin liegt das Missverständnis derer, die ihre Verhältnismäßigkeitsprüfung auf den in der Gesetzesbegründung ausgewiesenen Zweck beschränken, beispielsweise wenn die durch § 4 Abs. 6 BBodSchG eröffnete Möglichkeit, den früheren Eigentümers eines verunreinigten Grundstücks zur

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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einer gesetzlichen Regelung durch Auslegung zu ermitteln96 (und macht das in sorgfältig formulierten Entscheidungen auch97). Die Durchführbarkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hängt nicht vom Formulierungsgeschick des Gesetzgebers ab. Als Zwischenbefund lässt sich festhalten: Die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit sprechen für eine strikte Unterscheidung des Zwecks von den zu seinem Erreichen eingesetzten Mitteln und den in die Pflicht genommenen Personen.98 Für eine (zumindest gelegentliche) Einbeziehung der Mittel oder Adressaten in die Beschreibung des Zwecks könnten zuletzt aber praktische Bedürfnisse sprechen. Denn bestimmte Probleme kommen bei einer Prüfung, die das eingesetzte Mittel zu dem verfolgten Zweck ins Verhältnis setzt, nicht in den Blick.99 So kann die Prüfung des herkömmlichen Zweck-Mittel-Verhältnisses nicht beantworten, welches von unterschiedliche Grundrechtsträger belastenden Mitteln einzusetzen ist.100 Existiert neben der Möglichkeit zur Inanspruchnahme ————— Sanierung zu verpflichten, deshalb für nicht erforderlich gehalten wird, weil der Gesetzgeber über sein „Ziel“, Spekulations- und Umgehungsgeschäfte zu verhindern, also über den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Zweck, hinausgeschossen sei, Dombert, NJW 2001, 927-932/929 f.; Spieth/ Wolfers, NVwZ 1999, 355-360/356. Der in der Gesetzesbegründung angeführte Zweck mag als Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zwecks der Gesetz gewordenen Regelung dienen, muss aber nicht notwendig mit diesem deckungsgleich sein (vgl. BVerfGE 81, 156-207/190 f., wo vom Bundesverfassungsgericht eine auf den – auch – in der Gesetzbegründung genannten Schutz vor Missbrauch einengende Zweckbestimmung unter Hinweis auf das Gesamtkonzept des Gesetzes zurückgewiesen wird). Ziel der Regelung bleibt die Wiederherstellung der Bodenfunktionen. Die Verhinderung von Spekulations- und Umgehungsgeschäften ist ein davon zu unterscheidender Grund, der es legitimiert oder nicht legitimiert, gerade die früheren Eigentümer in die Pflicht zu nehmen – ausführlich dazu im Zweiten Teil unter B.IV.2.b)(2)(b)( ). 96 Schlink, Abwägung, S. 205 f., nennt als Beispiel für eine „eigene Zwecksuche des BVerfG“ die Entscheidung zur Pneumoenzephalographie bei Bagatellsachen, BVerfGE 17, 108-120. Freilich muss der Zweck im Gesetz zum Ausdruck kommen. Sonst liegt keine Auslegung des Gesetzes vor, sondern – mit Mahrenholz’ Worten in seiner abw. M. in BVerfGE 86, 340-354/349 – eine „‚verfassungskonforme Auslegung‘ eines vom Senat festgestellten Willens des Gesetzgebers, der im Gesetz keinen Ausdruck gefunden hat“. 97 BVerfGE 87, 287-331/287 ff. (als Frage der ausreichenden Bestimmtheit behandelt); 91, 207-226/221: „[Der Zweck] läßt sich … aus dem Gesetzestext ableiten“. Besonders deutlich in BVerfGE 62, 169-189/183 f.: „Der Zweck … ist nicht ausdrücklich im Gesetz genannt. Er ergibt sich aber aus dem Gesetz und aus dem Zusammenhang, in dem es mit dem zu regelnden Lebensgebiet steht. Es ist nicht erforderlich, daß dieser Zweck mit dem ursprünglichen subjektiven Zweck des historischen Gesetzgebers übereinstimmt; es kommt vielmehr auf den objektiven Zweck des Gesetzes an“. 98 Damit wird nicht verkannt, dass Mittel und Zweck erkenntnistheoretisch miteinander vertauschbar sind, weil „mit Ausnahme der letzten menschlichen Lebenszwecke jeder Zweck zugleich auch ein Mittel zur Erreichung weiterer Zwecke ist“, Jakobs, Grundsatz, S. 17 ff. Das Mittel soll aber nicht in die Beschreibung des „nächsthöherliegenden“ Zwecks einbezogen werden, wenn das eine zum anderen in Relation gesetzt werden soll. 99

Vgl. Schlink, Grundsatz, S. 459.

BVerfGE 103, 172-195/183 f.: „Verfolgt der Gesetzgeber ein komplexes Ziel … mit vielfältigen Mitteln, ist eine Maßnahme nicht ungeeignet, weil die Betroffenen anderenorts größere Einspar100

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

72

eines Grundrechtsträgers die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines anderen, wodurch der erste zwar ent-, der zweite jedoch belastet wird, liegt darin kein milderes, sondern ein anderes Mittel.101 Gleiches gilt im Verhältnis zur Allgemeinheit.102 Wenn ein Grundrechtsträger nur um den Preis entlastet oder ganz verschont werden kann, dass der Staat zusätzliche Ressourcen aufwendet, fordert das Erforderlichkeitsgebot von den Hoheitsträgern nicht, auf die Inanspruchnahme des Grundrechtsträgers zu verzichten oder sie zu kompensieren. 103 Die vorstehend skizzierten Restprobleme beziehen sich auf die Auswahlentscheidungen des Gesetzgebers: die Wahl eines unter mehreren möglichen, gegen verschiedene Adressaten gerichteten Mittels, und die Wahl eines bestimmte Voraussetzungen erfüllenden Adressaten. Dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung derartige Restprobleme verbleiben, rechtfertigt aber erstens nicht, die Struktur der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ändern. Und zweitens ist nicht zu erkennen, wie durch Einbeziehung des Mittels oder Adressaten in die Zweckbeschreibung die Restprobleme gelöst werden könnten. Die Freiheitsrechte mögen der Inpflichtnahme überhaupt oder den gewählten Mitteln entgegenstehen, weil sie dem verfolgten Zweck nicht dienen, den Grundrechtsträger mehr als nötig belasten oder im Verhältnis zum Zweck unangemessen sind. Darüber hinausreichende Maßstäbe für die Auswahlentscheidungen halten sie nicht bereit. Der ————— potentiale sehen. Auch ist eine bestimmte Maßnahme nicht deshalb als nicht erforderlich anzusehen, weil es andere Mittel innerhalb des Systems gibt, die andere Personen weniger belasten würden. Eine einzelne Maßnahme ist zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil nicht alle Betroffenen durch die gesetzlichen Vorkehrungen gleichmäßig belastet werden“. Ähnlich Hirschberg, Grundsatz, S. 69 ff. 101 Ausdrücklich gefordert in BVerfGE 88, 145-168/164: „Ein … milderes Mittel, das ebenso wirksam wäre und auch Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastete“. Vgl. auch Richter Kühling in seiner abw. M. BVerfGE 93, 117-120/117: „ohne daß dadurch andere öffentliche oder private Interessen geschmälert werden“. Ungenau insofern BVerfGE 81, 156-207/194, wo die Möglichkeit finanzieller Leistungen anderer nicht prinzipiell aus der Erforderlichkeitsbetrachtung ausgeschlossenen wird, sondern nur angesichts des Gestaltungsraums des Gesetzgebers bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des gewählten Mittels. 102 Anders allerdings das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Pflicht des Arbeitgebers zur Erstattung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe in bestimmten Fällen, in dem es bei der Erforderlichkeit geringere Zahlungen des Arbeitgebers als milderes Mittel erwägt und allein wegen der geringeren Eignung zur Erreichung des Ziels ablehnt, BVerfGE 81, 156-207/193. Jakobs, Grundsatz, S. 68 f., will primär auf die Beeinträchtigung des Einzelnen abstellen und die nachteiligen Folgen des gewählten oder alternativen Mittels für die Allgemeinheit nur bei gleich starker Belastung des Einzelnen berücksichtigen; das Problem der gegenseitigen Verweisung auf die Möglichkeit der Belastung anderer (besonders deutlich dargestellt bei Hirschberg, Grundsatz, S. 69 ff.) erkennt bzw. diskutiert er jedoch nicht.

Schlink, Grundsatz, S. 457. Ebenso Engel, Ziel, S. 19 f., der zugleich auf das mit der „unvermeidlichen Auswahlentscheidung“ verbundene „gewichtige Gleichheitsproblem“ hinweist. Anders verhält es sich, wenn in dem Ausschluss (oder der Beschneidung) einer an sich geschuldeten Vergütung ein eigenständiger Eingriff liegt. Dann kann sich die Aufwendung zusätzlicher staatlicher oder privater Mittel durchaus als Erforderlichkeitsproblem darstellen – dazu unten unter C.VII.1.c). 103

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt in seiner freiheitsrechtlichen Ausprägung Art und Ausmaß von Beschränkungen der Freiheitssphäre eines Grundrechtsträgers, nicht die Wahl zwischen Belastungen verschiedener Grundrechtsträger. Dafür sind andere Verfassungsmaßstäbe, etwa der Gleichheitssatz 104, heranzuziehen. Eine Einbeziehung von Mittel oder Adressat in die Beschreibung des Zwecks nähme der Verhältnismäßigkeitsprüfung dagegen ihre Leistungsfähigkeit, ohne für die Restprobleme einen Erkenntnisgewinn zu bringen. Auch praktische Bedürfnisse können deshalb nicht dafür angeführt werden, Zweck und Mittel zu vermengen. Festzuhalten bleibt: Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung ist ihr Zweck durch Auslegung zu ermitteln. Das zur Verfolgung des Zwecks eingesetzte Mittel und der in die Pflicht Genommene dürfen in die Beschreibung des Zwecks nicht aufgenommen werden, soll die Leistungsfähigkeit der Verhältnismäßigkeitskontrolle erhalten bleiben. Für die Zustandsverantwortlichkeit folgt daraus: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte beim Zweck, Gefahren abzuwehren, ansetzen. Wie und durch wen dieser Zweck erreicht werden soll, ist nicht Bestandteil des der Prüfung zugrunde zu legenden Zwecks. Dann, und nur dann, können die weiteren Schritte der Verhältnismäßigkeitsprüfung – Geeignetheit, Erforderlichkeit und ggf. Angemessenheit – Auskunft darüber geben, ob die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Eigentümers und sonstiger Sachherren den Zweck der Gefahrenabwehr so schonend wie möglich fördert und angesichts dieses Zwecks angemessen ist. Für die dabei verbleibenden Restprobleme bietet die freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Lösung, auch dann nicht, wenn Zweck, Mittel und Adressat vermengt werden. b) Gründe der Regelung In Schriften zu (verfassungsrechtlichen) Grenzen der ordnungsrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit wird schon vor, spätestens jedoch seit Friauf 105 nach dem Grund der Verantwortlichkeit gesucht, um ihre Grenzen zu bestimmen.106 ————— 104 Erwogen, aber nicht näher ausgeführt bei Hirschberg, Grundsatz, S. 71 f. Ausführlich dazu unten im Zweiten Teil. 105 Friauf, Zustandshaftung, S. 297 ff. Die meisten Erwägungen zu Grund und Grenze der Verantwortlichkeit für den Zustand einer Sache finden sich bereits vor Friauf bei Pleyer, AcP 36 n.F. (1957), 291-310. Pleyer, AcP 36 n.F. (1957), 291-310/300, bezog sie allerdings auf die Verpflichtung zur Beseitigung von Störungen nach §§ 1004 und 862 BGB und zog lediglich eine Parallele zur Polizeipflichtigkeit des Eigentümers nach § 20 PVG.

Vgl. aus den zahlreichen Monographien zum Thema: Binder, Zustandshaftung, S. 21 ff.; Gantner, Verursachung, S. 207 ff.; Griesbeck, Polizeipflicht, S. 58 ff.; Lepsius, Besitz, S. 219 ff. u. 249 ff.; Lindner, Dimension, S. 17 ff.; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 65. Binder, Zustandshaftung, S. 22, meint, es fehlten „eingehende Erörterungen“. Lindner, Dimension, S. 17, kritisiert, „[d]ie Frage nach dem Rechtsgrund der Polizeipflichten“ werde oftmals gar nicht gestellt, wenn 106

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

74

Das Studium der Schriften offenbart jedoch schnell, dass nicht nur Art und Bezeichnung der Gründe (bisweilen innerhalb ein und derselben Schrift) variieren107, etwa als legitimierender Eingriffsgrund 108, tragender Grund109, innerer Grund110, innere Berechtigung 111 oder innere Rechtfertigung112, Rechtfertigungsgrund113, Rechtsgrund114, eigentlicher materieller Rechtsgrund115, (innerer) Zurechnungsgrund 116, Haftungsgrund117 oder haftungsauslösender Grund118, sondern vor allem die Antworten auf die Frage, woher die genannten Gründe rühren. Angeführt werden eine bestimmte Verfassungsnorm, etwa Art. 14 Abs. 2 GG119, oder das subjektive Recht des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG angesichts einer (vermeintlich) verfassungsrechtlich gebotenen Korrelation von Rechten und Pflichten120, verschiedene Verfassungsprinzipien 121, allgemeingültige Haftungsprinzipien122 oder eine (ungeschriebene) materielle Polizeipflicht123. Soweit unter Verweis auf die Gründe verfassungsrechtliche Grenzen der nach dem einfachrechtlichen Wortlaut unbeschränkten Verantwortlichkeit hergeleitet werden, bleibt zumeist offen, inwiefern die Verfassung das behauptete Verhältnis von Grund und Grenze gebietet. Eine Ausnahme bildet insofern die Habilitation von Lepsius, die sich auf einen Korrelationsgrundsatz als allgemein aner-

————— Anwendungsprobleme und Lösungen präsentiert würden. Die nachstehenden Fußnoten stützen diesen Befund nicht. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Beobachtung von Lepsius, Besitz, S. 219 m.w.N. in Fn. 1, aus dem Jahr 2002, bis dato habe „keine allgemeine Gewißheit über den Grund der Zustandsverantwortlichkeit“ geherrscht. 107 Das veranlasst Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 154, zu der Feststellung: „Die Terminologie ist damit ebenso uneinheitlich wie die Versuche zur Herleitung der ratio selbst“. 108

Papier, Altlasten, S. 50.

109

Pietzcker, DVBl. 1984, 457-464/462.

110

Gantner, Verursachung, S. 208 ff.

111

Binder, Zustandshaftung, S. 33.

Binder, Zustandshaftung, S. 21 („Frage nach der inneren Rechtfertigung, warum jemand für etwas einstehen soll“). 112

113

Papier, DVBl. 1985, 873-879/878.

114

Binder, Zustandshaftung, S. 21; Lepsius, Besitz, S. 506.

115

Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 53.

Binder, Zustandshaftung, S. 21; Fouquet, Grenzen, S. 212; ders., Sanierungsverantwortlichkeit, S. 82; Lepsius, Besitz, S. 226 f., 287, 292, 344 und 359. 116

117

Hösch, VBlBW 2004, 7-14/8; Lepsius, Besitz, S. 514 f.

118

Lepsius, Besitz, S. 228.

119

Hösch, VBlBW 2004, 7-14/9 ff. u. 13.

120

Lepsius, Besitz, S. 250 ff. Dazu ausführlich unter D.II.

121

Lindner, Dimension, S. 35 ff.

122

Binder, Zustandshaftung, S. 78 ff.

123

Griesbeck, Polizeipflicht, S. 75 ff.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

75

kannten Grundsatz stützt.124 Mitunter wird Art. 14 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Regelung von Grund und Grenze verstanden.125 Der bloße Hinweis auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt jedenfalls nicht. Das fordert dazu heraus, den Standort der „Gründe“ einer Regelung in der Grundrechtsdogmatik zu klären. Vereinzelt wird als „Grund im Rechtssinne“ ein Zweck bezeichnet, der der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält und also zur Legitimation des Eingriffs taugt. Erweise sich der Eingriff zur Verfolgung des ihn legitimierenden Ziels als „gar nicht geeignet“, stelle „der Hinweis auf dieses Ziel gar keinen Grund im Rechtssinne dar“. Stehe ein das Grundrecht weniger beeinträchtigendes Mittel zur Verfügung, geschehe „der ‚überschießende‘ Teil der Freiheitseinschränkung grundlos“. 126 Das zeugt von sprachlicher Variationslust. Die grundrechtsdogmatische Frage, welche Rolle die Gründe einer Regelung neben ihrem Zweck in der Verhältnismäßigkeitsprüfung einnehmen, vermag dieser Ansatz aber nicht zu beantworten. Steht die Rechtfertigung einer Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums in Frage, spricht das Bundesverfassungsgericht häufig von legitimierenden Gründen127, zur Rechtfertigung anzuführenden Gründen128, Gründen im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG 129, Gründen des Gemeinwohls 130, Gründen des gemeinen Wohls131, Gründen des allgemeinen Wohls132 oder Gründen des öffentlichen Interesses133. Zumeist variiert das Gericht nur sprachlich, ohne eigenständige Kategorien einführen zu wollen. In einigen Entscheidungen ist der Grund gleichbedeutend mit dem Zweck der Regelung.134 In anderen steht er auf

————— 124

Lepsius, Besitz, S. 112 ff. Dazu ausführlich unter D.II.

125

Papier, Altlasten, S. 50.

126

Huster, Rechte, S. 110 f.

127

BVerfGE 31, 275-295/290, 292 u. 293; 58, 81-136/132; 72, 9-25/23.

128

BVerfGE 58, 137-152/150.

129

BVerfGE 52, 1-42/32.

130

BVerfGE 31, 229-248/243; 49, 282-405/400; 58, 300-358/351; 72, 9-25/24.

131

BVerfGE 31, 229-248/243.

132

BVerfGE 26, 215-228/222; 31, 275-295/293.

BVerfGE 18, 121-133/132; 31, 275-295/290 u. 294; 36, 281-298/293; 58, 81-136/121; 70, 191-214/202; 72, 9-25/23; 95, 143-162/161; 97, 378-390/385. 133

134 BVerfGE 31, 275-295/290 ff.; 36, 281-298/293 ff.; 58, 81-136/121 ff.; 70, 191-214/202 ff.; 72, 9-25/23. Ebenso zu anderen Grundrechten: BVerfGE 105, 17-48/34 (zu Art. 2 Abs. 1 GG; Gleichsetzung von einem „hinreichenden Legitimationsgrund“ und der bezweckten „folgerichtigen Ausgestaltung der steuergesetzlichen Belastungsgründe“).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

76

einer Stufe mit dem öffentlichen Interesse135, dem die Regelung Geltung verschaffen will, das bildlich gesprochen „hinter dem Zweck steht“. Derartige Erwägungen zu den Gründen einer Regelung fügen sich unproblematisch in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit als Zweck-Mittel-Relation, weil sie den Zweck beschreiben oder ausfüllen. 136 Die Formel von Grund und Grenze meint in diesem Verständnis nichts anderes, als dass die Einschränkungen „nicht weiter gehen [dürfen], als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient“.137 Der Altlastenbeschluss steht insofern in Kontinuität mit diesen Entscheidungen, als er bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen das Wohl der Allgemeinheit als Grund und Grenze für die Beschränkung des Eigentümers bezeichnet. 138 Die weiteren, in den Rechtfertigungserwägungen des Altlastenbeschlusses genannten Gründe folgen dagegen einem anderen Modell. Die „durch die Sachherrschaft vermittelte Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrenverursachende Sache“ und die Möglichkeit, „aus der Sache Nutzen [zu] ziehen“, beschreiben weder den Zweck, Gefahren abzuwehren, noch die dahinterstehenden Interessen des Gesundheits- und Umweltschutzes. Im Hinblick auf sie könnte nach dem Vorbild eines Zweck-Mittel-Verhältnisses allenfalls untersucht werden, ob die tatbestandliche Beschreibung des Adressaten, hier des Eigentümers, geeignet, erforderlich und angemessen ist, um den Grund seiner Bestimmung zum Adressaten – die durch die Sachherrschaft vermittelte Einwirkungsmöglichkeit und die Möglichkeit, Nutzen zu ziehen – abzubilden. Da sich diese Untersuchung von der Belastung und den mit ihr verfolgten Zwecken löst, wird mit ihr aber nicht die Verhältnismäßigkeit der Eigentumsbeschränkung hinterfragt. Die „Gründe“ in den Rechtfertigungserwägungen benennen vielmehr Umstände, die den Gesetzgeber zur Entscheidung bewogen haben könnten, gerade den Eigentümer verantwortlich zu machen. Sie begründen, weshalb der Gesetzgeber an das Eigentum angeknüpft hat und möglicherweise anknüpfen durfte. Sie orientieren sich damit an einer zweiten Präzisierung der Formel von Grund und Grenze, wonach die Beschränkungen des Eigentümers „vom geregelten ————— 135 BVerfGE 31, 229-248/243; 52, 1-42/32 u. 35; 58, 81-136/132. In der Einordnung unklar die Entscheidung in BVerfGE 26, 215-228, in der zunächst öffentliches Interesse und Gründe des allgemeinen Wohles auf einer Stufe stehen (S. 222), sodann aber „ein … durch Gründe des allgemeinen Wohls gerechtfertigtes Interesse“ (S. 226) angenommen wird. 136 Bei der Berufsfreiheit spricht das Bundesverfassungsgericht zuweilen von einer Rechtfertigung von Berufsausübungsregelungen durch „hinreichende Gründe des Gemeinwohls“ (siehe jüngst BVerfGE 99, 202-216/211; 103, 1-20/10; 104, 357-370/364) und von einer Rechtfertigung von Berufswahlregelungen durch „legitime Gemeinwohlgründe von überragender Bedeutung“ (BVerfGE 103, 172-195/184) oder durch „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ (BVerfGE 96, 171-189/181; 96, 189-217/197; 96, 205-217/211). In BVerfGE 101, 331-360/348, füllt es die Formel „legitime Gemeinwohlzwecke“ mit einem „vernünftigen Grund des Allgemeinwohls“ aus. 137

BVerfGE 25, 112-124/118; 50, 290-381/341; 52, 1-42/30; 100, 226-248/241.

138

BVerfGE 102, 1-25/17. Siehe Nachweise oben in Fn. 1 (Seite 17) und Fn. 61 (Seite 62).

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

77

Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht“ sein müssen,139 negativ formuliert nicht in einer Weise bestimmt werden dürfen, die „grob sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift“.140 Zur Beurteilung, ob Eigentumsinhalt und -schranken sachgerecht oder grob sachwidrig bestimmt wurden, hebt das Bundesverfassungsgericht auf besondere Umstände bei den Betroffenen ab. Erwägungen zu dieser Art von Gründen haben in den Entscheidungen zu Art. 14 GG einige wenige Vorbilder. In seinem Beschluss von 1987 zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei pflichtwidrigem Meldeversäumnis stellt das Bundesverfassungsgericht fest, es fehlten „hinreichende Gründe, die Rechte aus dem durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutz so weitgehend und undifferenziert wie in der beanstandeten Vorschrift einzuschränken“. Die Unzumutbarkeit der ausnahmslos pauschalen Kürzung des Arbeitslosengeldes und die darin liegende Unvereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG begründet das Gericht in dieser Entscheidung nicht mit dem Verhältnis des Sanktionsmittels zum Zweck, „die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung zu verbessern und sie den veränderten Verhältnissen am Arbeitsmarkt anzupassen“,141 sondern mit den Umständen bei einigen der Säumigen, etwa Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge oder Unachtsamkeit.142 In seinen Beschlüssen aus den siebziger Jahren zur vergütungsfreien Aufnahme urheberrechtlich geschützter Werke in Sammlungen für Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch143 und zur vergütungsfreien Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke bei kirchlichen Veranstaltungen144 bezieht es in die Prüfung, ob die im Ausschluss des Vergütungsanspruchs lie————— BVerfGE 52, 1-42/29 f.; 110, 1-33/28. Ohne das Erfordernis sachgerechter Ausgestaltung BVerfGE 50, 290-381/341. Frühere Entscheidungen präzisieren mit dieser Formulierung nicht die Formel von Grund und Grenze, sondern das Erfordernis, der Gesetzgeber müsse sich „auch mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang halten“, etwa BVerfGE 25, 112-124/117 f. 139

BVerfGE 18, 121-133/132. Dass dabei die Grenzen aus Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz verknüpft werden und werden sollen, zeigt der Verweis auf BVerfGE 14, 263-288/277 f. – dort wird der Gleichheitssatz ausdrücklich genannt. Ausführlich zum Maßstab der Sachgerechtigkeit mit Beispielen aus der Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG: Wendt, AöR 104 (1979), 414-474/468 ff. Eine Einbeziehung der Frage nach der Sachwidrigkeit/ Sachgerechtigkeit in die „strikte Zweck-Mittel-Kontrolle“ zu recht ablehnend Jakobs, Grundsatz, S. 60 f. 140

141 Allerdings schwankt das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung in der Bestimmung des Zwecks der Regelung. An einigen Stellen fasst es den Zweck enger und beschränkt ihn auf die „Abwehr von mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes“. In Bezug auf diesen Zweck hätte es eine Regelung, die bei Versäumung der Meldefrist regelmäßig (außer bei Vorliegen eines wichtigen Grundes) von einem Missbrauch ausgeht, auch als unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich werten können. 142

BVerfGE 74, 203-218/216 f.

143

BVerfGE 31, 229-248.

144

BVerfGE 49, 382-405.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

78

gende Eigentumsbeschränkung gerechtfertigt ist, Erwägungen ein, die Umstände bei den Belasteten betreffen, etwa die als nicht tragfähig zurückgewiesene Erwägung einer besonderen „Dankesschuld“ gegenüber der Allgemeinheit 145 oder ideelle und wirtschaftliche Vorteile des Belasteten 146. In seinem Beschluss zum sog. Fiskusprivileg beim Mieterschutz, das bestimmte öffentliche oder öffentlichen Zwecken dienende Gebäude von Kündigungsschutzbestimmungen befreite, übertrug es die Erwägungen zum allgemeinen Gleichheitssatz auf die Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und sah die (unterstellte) Eigentumsbeschränkung durch „berechtigte Gründe des öffentlichen Interesses“ gerechtfertigt. Ausdrücklich bezieht es sich dabei auf die vorstehend zitierte zweite Präzisierung der Formel von Grund und Grenze.147 Auch in Entscheidungen zu anderen Freiheitsrechten ergänzt das Bundesverfassungsgericht zuweilen die herkömmlichen Verhältnismäßigkeitserwägungen durch Erwägungen dazu, ob der Anknüpfungspunkt sachgerecht ist, 148 ob eine Verantwortungsbeziehung zwischen dem (finanziell) Belasteten zum Zweck der Regelung besteht149 oder ob ein Zurechnungsgrund für eine Belastung besteht. 150 Als Zwischenbefund lässt sich festhalten: Die Einordnung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass mit dem Grund einer Regelung Unterschiedliches bezeichnet sein kann: zum einen ihr Zweck bzw. die dahinterstehenden Interessen, zum anderen besondere Umstände bei den Belasteten. Die Funktion der Gründe der ersten Art in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in der juristischen Dogmatik geklärt: auf sie ist die Zweck-Mittel-Relation ausgerichtet. Wie verhält es sich damit bei den Gründen der zweiten Art? Weil das Erfordernis einer Verhältnismäßigkeit eine Rechtfertigung durch den Zweck der Regelung verlangt und die Gründe der zweiten Art vom Zweck der Regelung verschieden sind, scheiden sie als „Rechtfertigungsgrund“ aus. ————— 145

BVerfGE 31, 229-248/246; 49, 382-405/402.

146

BVerfGE 31, 229-248/247.

147

BVerfGE 18, 121-133/132.

148

Bejaht im Beschluss vom 18.02.1998 zur Hinterbliebenenrente für den Anknüpfungspunkt „eigenes Einkommen“, wobei die Sachgerechtigkeit zwischen Geeignetheit und Erforderlichkeit des Eingriffs in die allgemeine Handlungsfreiheit geprüft wird, BVerfGE 97, 271-297/287. 149

Der Beschluss vom 11.02.1992 zur Entgeltfortzahlung während eines Sonderurlaubs für Zwecke der Jugendpflege prüft eine solche Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers zum Zweck der Entgeltfortzahlungsregelung im Rahmen der Zumutbarkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und sieht daneben eine Prüfung am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG als erübrigt an, „weil sie zu keinem anderen Ergebnis führen könnte“, BVerfGE 85, 226-238/236 u. 237. 150 Der Beschluss vom 12.10.1994 zur Hafengebühr für Schiffseigner fordert dafür im Rahmen der Angemessenheitsprüfung einer an Art. 2 Abs. 1 GG zu messenden finanziellen Belastung ein Anknüpfen „an eine besondere Verantwortlichkeit der in Anspruch genommenen Personen“, die „aus der Sache selbst ableitbar sein [muss]“, BVerfGE 91, 207-226/223.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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Auf sie ist die Prüfung der Zweck-Mittel-Relation nicht ausgerichtet. Sie sind weder mit dem Zweck identisch noch dessen Bestandteil. Allenfalls können sie auf den einzelnen Ebenen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Erklärung der Zweck-Mittel-Relation herangezogen werden. Auf der Ebene der Geeignetheit können sie zu begründen helfen, warum die Belastung des Adressaten der Verwirklichung des Zwecks dient. Führt beispielsweise die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken zu einer für die Allgemeinheit nachteiligen Wohnungsknappheit und setzt sich der Gesetzgeber zum Ziel, die zweckfremde Nutzung zu unterbinden oder sonstwie zu kompensieren,151 kann der Umstand, dass eine Person die Wohnung anders als zu Wohnzwecken nutzt, begründen, warum seine Inanspruchnahme dem Zweck dient. Das ist banal und besagt nicht mehr, als dass der Gesetzgeber einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Verwirklichung seines Ziels gewählt hat und den Anknüpfungspunkt beim Adressaten vorfindet. Entsprechend lässt sich bei den Verantwortlichen im Polizei- und Ordnungsrecht auf ihre „Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrenverursachende Sache“ verweisen, die ihnen die Vornahme von Gefahrenabwehrmaßnahmen ermöglicht.152 Auf der Ebene der Erforderlichkeit können tatsächliche Gegebenheiten bei den Adressaten dafür angeführt werden, warum mildere Mittel nicht gleich geeignet sind. Vermögen sich beispielsweise Eigentümer nicht auf eine Nutzung ihrer Grundstücke zu verständigen, die im Einklang mit bauplanungsrechtlichen Vorgaben steht, lässt sich unter Hinweis auf diesen Umstand die gleiche Eignung freiwilliger Einigungsversuche gegenüber hoheitlichem Eingreifen verneinen.153 Auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit)154 schließlich können tatsächliche Gegebenheiten bei den Regelungsadressaten Einfluss auf die Belastungsintensität einerseits oder den Grad der Bedrohung öffentlicher Interessen andererseits haben und dadurch das Ergebnis der Abwägung bestimmen. Ist ein abzulieferndes Buchexemplar in kleiner Auflage verlegt, belastet eine vergütungslose Pflichtablieferung den Verleger stark, ————— 151

Vgl. BVerfGE 55, 249-261/258 f.

152

Dass sich daraus keine weitergehenden Grenzen ergeben, zeigt sich schon daran, dass die Rechtmäßigkeit von Gefahrenabwehrverfügungen nach heute herrschender Meinung nicht von einer bereits bestehenden Einwirkungsbefugnis abhängt, sondern ausreicht, dass sie beispielsweise durch eine Duldungsverfügung erst später, bei Beginn eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens hergestellt wird, vgl. Schenke, POR, Rn. 281 m.w.N. in Fn. 169. 153

Vgl. BGH, NJW 1987, 3260/3261 zur Baulandumlegung.

BVerfGE 105, 17-48/36, fordert für die Prüfung der Angemessenheit eine „Gesamtabwägung der öffentlichen, im Gemeinwohl stehenden Belange mit den privaten Interessen“ der Grundrechtsberechtigten. 154

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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bei großer Auflage ist die Belastung nicht sonderlich intensiv.155 Errichtet ein Eigentümer anstelle alter Wohnungen neue, ist der Grad der Bedrohung des öffentlichen Interesses an ausreichendem Wohnraum gering, beseitigt er alten Wohnraum ohne Kompensation ist die Bedrohung groß. 156 Die Gründe der zweiten Art, die tatsächlichen Gegebenheiten beim Adressaten, haben nach dem Vorstehenden eine dienende Funktion zur Begründung der Geeignetheit, Erforderlichkeit oder Angemessenheit einer Belastung. Für die Altlastenkonstellationen bedeutet das: Die durch die Sachherrschaft vermittelte Einwirkungsmöglichkeit des Eigentümers auf die gefahrverursachende Sache kann zur Begründung der Geeignetheit angeführt werden. Der Nutzen, den der Eigentümer mit und ohne den Eingriff aus der Sache ziehen kann, kann als Indikator für die Intensität der Belastung angeführt werden und damit die Abwägung mit den öffentlichen Interessen im Rahmen der Angemessenheitsprüfung beeinflussen. Keiner der Umstände kann aber an die Stelle des Zwecks gesetzt werden, der – allein! – den Eingriff rechtfertigen können muss. Wenn das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss Gründe der zweiten Art zur Legitimation oder Rechtfertigung eines Eingriffs anführt und auf die Korrespondenz zwischen der Pflicht und den Gründen hinweist, fügt sich das nicht in die herkömmliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit als Zweck-Mittel-Relation.157 Ob sich die im Altlastenbeschluss angeführten Gründe unter einem anderen Gesichtspunkt als dem der Verhältnismäßigkeit in die Prüfung am Maßstab der Eigentumsgewährleistung fügen und unter diesem Gesichtspunkt Grenzen von Eigentumsbeschränkungen begründen können, soll erst untersucht werden, wenn die weiteren Rechtfertigungserwägungen zur Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen gewürdigt wurden, die das Bundesverfassungsgericht in die Prüfung einbezieht.158 2. Auslegung und Anwendung Soll die Auslegung und Anwendung einer gesetzlichen Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüft werden, kann grob danach unter————— 155

BVerfGE 58, 137-152/149.

156

BVerfGE 55, 249-261/258 ff.

157

Die Feststellung, die Möglichkeit, Nutzen zu ziehen, korrespondiere mit der auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflicht, würde sich in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nur dann fügen, wenn die wirtschaftlichen Möglichkeiten Teil der Zielbeschreibung wären. So lässt sich etwa bei abgabenrechtlichen Vorschriften fragen, ob die bezweckte Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils durch eine bestimmte Geldleistungspflicht in geeigneter und angemessener Weise erreicht wird. Ist hingegen nicht die Vorteilsabschöpfung (dazu BVerfGE 95, 319-352/344 u. 346 [Wasserentnahmeentgelte]; Vogel, Vorteil, S. 530 f.), sondern der Schutz von Rechtsgütern das Ziel der Vorschrift, so ist die Belastung des Adressaten an diesem zu messen. 158

Ausführlich unten unter IV.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

81

schieden werden, ob der Einzelakt die einfachgesetzlichen Vorgaben beachtet oder nicht. Verstößt er gegen einfaches Recht, kommt es für die Feststellung eines Grundrechtsverstoßes darauf an, ob der Fehler gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegt (sog. Hecksche Formel).159 Entspricht ein Einzelakt den einfachgesetzlichen Vorgaben, könnte man versucht sein anzunehmen, ein Grundrechtsverstoß komme nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben selbst grundrechtswidrig sind. Vom grundrechtsgebundenen Gesetzesanwender wird aber mehr verlangt. Er muss die Gesetze so auslegen und anwenden, dass er den Grundrechten bestmöglich Geltung verschafft. Er muss die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte auf der Rechtsanwendungsebene wahren.160 Er muss derjenigen Auslegung den Vorzug geben, die die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet.161 Dieses Erfordernis bewirkt, dass selbst bei Normen, die dem Anwender keinen eigenen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum einräumen (gebundene Normen), der Anwendungsakt auf seine (konkrete) Verhältnismäßigkeit untersucht werden kann,162 jedenfalls wenn es sich um sog. „offene Normen“ handelt.163 Bei Eingriffsnormen kann die Berücksichtigung der Grundrechte dazu führen, dass ein nach dem Gesetzeswortlaut zugelassenes Mittel im Einzelfall nicht eingesetzt werden darf. Die Grundrechtsprüfung der Auslegung und Anwendung einer Ermessensnorm verbindet beide Fallgruppen. Liegt die Entscheidung über ein Tätigwerden oder auch nur über das einzusetzende Mittel im Ermessen des Anwenders, gehört das Verhältnismäßigkeitserfordernis zu den einfachrechtlichen Vorgaben für die Ermessensbetätigung164 und ist zugleich unmittelbar durch die Verfassung gebo————— St. Rspr. seit BVerfGE 18, 85-97/92 f. Vgl. aus jüngster Zeit BVerfGE 103, 172-194/194: „Das Bundesverfassungsgericht überprüft [die Auslegung und Anwendung der mittelbar angegriffenen Rechtsnormen] … nur darauf, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen“. Die Formel ist benannt nach Richter Dr. Karl Heck, der von 1954 bis 1965 dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts angehörte, von dem der zitierte Beschluss vom 10.6.1964 (BVerfGE 18, 85-97) stammt. 159

160

BVerfGE 100, 289-313/304.

BVerfGE 6, 55-84/72; 51, 97-115/110; 103, 142-164/153. Die Formulierung stammt von Richard Thoma. 161

162 Beispiel für Verfassungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit einer gebundenen Entscheidung auf verfassungsmäßiger Gesetzesgrundlage: BVerfGE 87, 287-331/323 ff. Beispiel für Verfassungswidrigkeit einer gebundenen Entscheidung auf verfassungsmäßiger Gesetzesgrundlage wegen Unverhältnismäßigkeit: BVerfGE 85, 248-264/257 ff. 163 164

Hirschberg, Grundsatz, S. 219 f.; Jakobs, Grundsatz, S. 149.

Das gilt unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitserfordernis als Bestandteil der drei anerkannten Ermessensfehler (etwa bei Wolff/ Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 50, als Unterfall des Ermessensmissbrauchs) oder als äußere, objektive Grenze des Ermessensgebrauchs (etwa bei Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 23; Peine, Verwaltungsrecht, § 4

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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ten. Die Unverhältnismäßigkeit der Anwendung einer Ermessensnorm kann deshalb zugleich als Verstoß gegen die einfachrechtlichen Vorgaben und als Verstoß gegen das Verfassungsgebot der Berücksichtigung der Grundrechte bezeichnet werden.165 Soll der Anwendungsakt auf seine Verhältnismäßigkeit überprüft werden, kann das sinnvollerweise nicht bedeuten, dass jede Stufe der Verhältnismäßigkeit noch einmal überprüft wird.166 Die Verwaltungsbehörden schränkt das Erfordernis eines legitimen Ziels mehr ein als den Gesetzgeber. Sie dürfen nur die Zwecke verfolgen, die vom Gesetzgeber vorgesehen sind. Die Legitimität des Zwecks war bereits Gegenstand der Prüfung des Gesetzes. Die Anwendung hält sich entweder an den vorgegebenen Zweck, dann ergibt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht kein neues Problem. Oder sie bezweckt anderes, dann ist sie, sofern das Tätigwerden selbst oder ihre Art im Ermessen des Anwenders stehen,167 gesetzeswidrig und gehört zur anfangs beschriebenen ersten Gruppe von Rechtsverstößen. Zusätzliche Probleme gegenüber den bei der Kontrolle des Gesetzes in den Blick genommenen können sich auf den Ebenen der konkreten Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ergeben.168 Der Anwendungsakt kann möglicherweise den im Einzelfall verfolgten Zweck nicht fördern (Ungeeignetheit),169 im Einzelfall stärker als ein anderes vorgesehenes oder gar ————— Rn. 70) und damit als eigenständige Kategorie fehlerhafter Rechtsanwendung angesehen wird. Jedenfalls setzt das Verhältnismäßigkeitsgebot der Ermessensausübung eine Schranke, Jakobs, Grundsatz, S. 114. 165 Vgl. zur Verknüpfung beider BVerfGE 90, 145-199/187 ff. Anders früher Papier, Verfassungsrecht, S. 454, der seinerzeit eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Einzelfallabwägungen gänzlich ablehnte: „Für die Verwaltung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dagegen nur eine geschriebene oder ungeschriebene gesetzliche Ermessensgrenze. Die ungeeignete, unnötige, in ihrem konkreten Ausmaß nicht erforderliche oder im engeren Sinne unverhältnismäßige Polizeiverfügung beispielsweise ist wegen dieser Ermessensrechtswidrigkeit gesetzeswidrig, nicht direkt verfassungswidrig“ (Hervorhebungen im Original). 166

Vgl. Jakobs, Grundsatz, S. 164.

167

Bei Einzelakten, die in der Frage des „Ob“ und „Wie“ gebundenen sind, kommt es auf dieser Stufe der Prüfung auf den verfolgten Zweck nicht an. Entscheidend ist allein, ob die Voraussetzungen des gebundenen Tätigwerdens vorliegen oder nicht. 168 Jakobs, Grundsatz, S. 135 u. 147, spricht von „unterschiedlichen Abstraktionsebenen“, auf denen Verhältnismäßigkeitsanforderungen auf der legislativen und der exekutiven Ebene gemessen werden (S. 135), und betont die „Berücksichtigung der Merkmale des konkret in Frage stehenden Falles“ bei der Überprüfung von Einzelfallentscheidungen gegenüber der Betrachtung des „typischen Falles“ bei der Kontrolle einer gesetzlichen Regelung (S. 147). 169 Derartige Fälle sind in der Rechtsprechung nicht sehr häufig. Nach ausführliche Untersuchung des Grundsatzes der Geeignetheit verbleibt bei Hirschberg, Grundsatz, S. 55 mit Fn. 57, nur eine Entscheidung zu ungeeigneter Gesetzesanwendung, die auch hier als Beispiel dienen soll: das Urteil des OVG Münster, DVBl. 1972, 508-509/509, das die Anordnung, auf einem Wegeabschnitt entlang einer Böschung ein Schutzgeländer anzubringen, für ungeeignet hielt, Kraftfahrzeuge vor dem Abstürzen zu bewahren.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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nicht vorgesehenes Mittel belasten (fehlende Erforderlichkeit)170 oder im Hinblick auf den verfolgten Zweck unangemessen sein (Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne171). Ist zu überprüfen, ob eine Verwaltungsentscheidung unangemessen beeinträchtigt, sind folgende Kontrollmaßstäbe zu unterscheiden: Zum einen kann der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmen, wann die Interessen des Grundrechtsträgers die Gemeinwohlbelange überwiegen sollen. Zum Beispiel kann er bestimmen, bis zu welcher Grenze eine Belastung erlaubt sein soll. In diesem Fall wird von den Verwaltungsbehörden keine eigene Abwägung verlangt und beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung ihrer Entscheidung auf die der richtigen Anwendung der gesetzlichen Bestimmung. Zum anderen kann der Gesetzgeber die Verwaltung ermächtigen, eine eigene Abwägung zu treffen.172 Dann ist von den Gerichten im Streitfall zu überprüfen, ob sich die Verwaltungsbehörden ihres Spielraums bewusst waren und alle nach dem Gesetz erheblichen Belange eingestellt, nachvollziehbar gewichtet und nachvollziehbar abgewogen haben. Aufgabe der Gerichte ist in diesen Fällen, die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck gekommene Interessenabwägung zu beachten und nachzuvollziehen.173 Unabhängig davon ist die Verwaltung an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, der – auch ohne Ermächtigung durch den Gesetzgeber – verlangt, nur geeignete und erforderliche sowie nach der Rechtsprechung auch angemessene Grundrechtsbeeinträchtigungen vorzunehmen. Auf diese Bindung hat der einfache Gesetzgeber keinen Einfluss. Die Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeitsprüfung können ausschließlich aus der Verfassung gewonnen werden. Es bestehen deshalb keine anderen Maßstäbe als bei der Überprüfung einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung. 174

————— 170

Beispiel für milderes Mittel im konkreten Fall: BVerfGE 19, 342-353/351 ff.

Beispiele für unangemessene Einschränkung im konkreten Fall: BVerfGE 16, 194-203/201 ff.; 17, 108-120/117 ff.; 85, 248-264/261 f.; 89, 69-91/85 ff.; 91, 125-139/136 ff. u. 138 f. 171

172

Vgl. § 14 Abs. 2 Bln ASOG: „Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht“. Diese Fälle hat Schlink im Blick, wenn er feststellt, die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne als rechtlicher Maßstab für das Verhalten und die Kontrolle von Verwaltung und Rechtsprechung sei kein Problem, Schlink, Grundsatz, S. 460 f., und ders., EuGRZ 1984, 457-468/462 Fn. 29. 173

BVerfGE 68, 361-375/372 f.

Vgl. BVerfGE 55, 249-261/258: „[Die] Auslegung und Anwendung [einer Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG] durch die Gerichte hat sich innerhalb der Grenzen zu vollziehen, die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Eigentümerbefugnis gezogen sind“. 174

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1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

Zusammengenommen bestimmen die gesetzlichen Vorgaben und die verfassungsrechtlichen Bindungen, welche Belange die Verwaltung in die Abwägungsentscheidung einstellen darf und einzustellen hat. Andere Belange einzustellen, ist sie nicht ermächtigt. Sie hat keine umfassende Prinzipienabwägung vorzunehmen.175 Wollen die Verwaltungsbehörden bestimmte Umstände berücksichtigen, dürfen sie das nur, wenn das Gesetz sie dazu ermächtigt oder sich aus der Verfassung ein entsprechendes Gebot ergibt. Ob die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit damit zusammenstimmen, wird der Untergliederung des Altlastenbeschlusses folgend in zwei Schritten untersucht, gegliedert in Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit der Belastung dem Grunde und der Höhe nach. a) Dem Grunde nach Die Feststellungen, dass „die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers als solche mit der Verfassung in Einklang steht“, besonders „dass es für die Erfüllung der Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit unerheblich ist, auf welche Umstände der Gefahrenzustand zurückzuführen ist und ob der Eigentümer der Sache die Gefahr verursacht oder gar verschuldet hat“, folgen für das Bundesverfassungsgericht zum einen aus einer Interessenabwägung, zum anderen aus Erwägungen zu den Gründen der Verantwortlichkeit. Indem das Bundesverfassungsgericht die in den Altlastenfällen bedrohten öffentlichen Interessen benennt, verfassungsrechtlich fundiert, gewichtet und den Interessen des Eigentümers gegenüberstellt, konkretisiert es die geschützten und betroffenen Interessen für die Auslegung und Anwendung der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit bei Vorliegen solcher Sachverhalte. Das entspricht im Ansatz der Überlegung, die Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf der Ebene der Auslegung und Anwendung auf die erst dort entstehenden oder möglicherweise anders als bei der Prüfung der gesetzlichen Regelung zu beurteilenden Probleme zu konzentrieren. Aus grundrechtsdogmatischer Sicht ist aber nicht nachzuvollziehen, wie das Gericht ein Überwiegen der Gemeinwohlinteressen gegenüber dem „grundrechtlich geschützte[n] Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Verwendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden“, unabhängig vom Ausmaß der Belastung feststellen können will. Das Ausmaß der Belastung ist zusammen mit ihrer Art ausschlaggebend für die Intensität der Belastung. Die Belastungsintensität wiederum bestimmt darüber, welches Gewicht dem Interesse des Eingriffs————— 175 Eine solche liegt aber Lindners Vorschlägen zur Begrenzung zugrunde, vgl. Lindner, Dimension, S. 102 ff.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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adressaten bei der Interessenabwägung zukommt. Die Feststellung, das Gemeinwohlinteresse überwiege das Interesse des Eingriffsadressaten, setzt deshalb voraus, Art und Ausmaß der belastenden Wirkungen zu bestimmen. Unabhängig vom Ausmaß der belastenden Wirkungen lässt sich keine Interessenabwägung vornehmen, um die Verfassungsmäßigkeit der Zustandsverantwortlichkeit als solcher und deren von den gefahrbegründenden Umständen und der subjektiven Haltung des Eigentümers unabhängige Auslegung zu begründen. Die ergänzenden Ausführungen des Gerichts zu den Gründen der Zustandsverantwortlichkeit und ihrem Korrespondenzverhältnis zur Lastentragung fügen sich aus den gleichen Erwägungen wie auf der Ebene der gesetzlichen Regelung nicht in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit als Zweck-Mittel-Relation. 176 b) Der Höhe nach Das Bundesverfassungsgericht enthält sich einer Beurteilung der Angemessenheit oder Unangemessenheit der aus der Normanwendung folgenden Belastung. Es beschränkt sich darauf, Gesichtspunkte zu benennen, die für die Abwägung der Belastung des zustandsverantwortlichen Eigentümers mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen maßgeblich sein sollen, und Anhaltspunkte für daraus folgende Belastungsgrenzen zu geben. Ob sich an ihnen ausgerichtete Abwägungsentscheidungen dogmatisch befriedigend erklären lassen, hängt nach den einleitenden Bemerkungen zu diesem Abschnitt177 davon ab, ob sich die genannten Gesichts- und Anhaltspunkte verfassungsrechtlich begründen oder einfachrechtlich herleiten lassen. (1) Zu berücksichtigende Gesichtspunkte Die im Altlastenbeschluss (beispielhaft) aufgezählten Gesichtspunkte beziehen sich, wie aus der Tabelle178 oben zu ersehen ist, einerseits auf die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer, andererseits auf die Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne, nämlich die Umstände der Gefahrentstehung und die subjektive Haltung zum Risiko einer künftigen oder bestehenden Verunreinigung. Die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer zu berücksichtigen ist ein unmittelbar verfassungsrechtliches Gebot. Es trägt dem bei der abstrakten Formulierung des Prüfungsmaßstabs179 hervorgehobenen besonderen Schutz des Eigentums zur Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen Rechnung. Der besondere Schutz gibt den Eigentümerinteressen im Vergleich zum gewöhnlichen Schutz größeres Gewicht. Dieses ist bei der Bewertung der Intensi————— 176

Dazu oben unter B.IV.1.b).

177

B.IV.2. vor a).

178

Oben unter B.III.2.b).

179

Oben A.I.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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tät der Belastung im Rahmen der Abwägung von Verfassungs wegen zu berücksichtigen. Erwägungen zur Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne werden bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eigentumsbeschränkungen regelmäßig nicht angestellt. Entscheidend ist grundsätzlich, wie schwer und intensiv das eingesetzte Mittel den Eigentümer belastet, nicht, wie der Eigentümer mit seiner Sache umgegangen ist oder hätte umgehen können. Sollen derartige Umstände bei der Abwägung berücksichtigt werden, muss das mit verfassungsrechtlichen Gewährleistungen oder einfachgesetzlichen Vorgaben begründet werden können. Bei letzteren wird zwischen den Vorgaben des Polizei- und Ordnungsrechts und den bodenschutzrechtlichen Vorgaben unterschieden. (a) Von Verfassungs wegen Verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt einer solchen Begründung könnten Schutzwürdigkeitserwägungen sein. () Allgemeiner Missbrauchsvorbehalt Schutzwürdigkeitserwägungen anzustellen fordert eine in der Literatur vertretene Ansicht, die den Grundrechtsschutz einem allgemeinen Missbrauchsvorbehalt unterstellen will.180 Wer seine Freiheit in einem weiten, nicht schuldgebundenen Sinn181 missbraucht, kann sich nach dieser Lehre nicht oder jedenfalls nicht in vollem Maße auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Freiheit berufen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, besonders zur Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG, finden sich mitunter Anleihen an diese Lehre.182 Der Altlastenbeschluss enthält Anklänge an den Missbrauchsgedanken, wenn demjenigen, der das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst eingegangen ist, versagt wird, seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher „entgegen[zu]halten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein“, und das damit begründet wird, „das freiwillig übernommene Risiko“ mindere „die Schutzwürdigkeit des Eigentümers“. Ferner, wenn betont wird, „die Schutzwürdigkeit der vom Eigentümer erworbenen oder überlassenen Position“ könne beim Handeln „in ‚vorwerfbarer‘ Unkenntnis des Risikos“ und beim „Handeln in positiver Kenntnis“ „in unterschiedlichem Ausmaß gemindert sein“.183 ————— 180

Gallwas, Mißbrauch, besonders S. 17-30.

181

Vgl. Lerche, Übermaß, S. 117 Fn. 73 m.w.N.

182 Vgl. BVerfGE 84, 203-212/209 zu Art. 8 GG: „Wer … eine Versammlung in der Absicht aufsucht, sie durch seine Einwirkung zu verhindern, kann sich nicht auf das Grundrecht des Art. 8 GG berufen“. 183

BVerfGE 102, 1-25/21 f.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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Zwar kennt das Grundgesetz in Art. 18 S. 1 einen Missbrauchsvorbehalt. In diesem ist der Missbrauch und die Grundrechtsverwirkung als Folge des Missbrauchs aber auf den Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt.184 Anhaltspunkte für andere Konsequenzen eines Grundrechtsmissbrauchs enthält die Verfassung nicht. Das einfache Gesetz kann sie vorsehen, muss das von Verfassungs wegen aber nicht. () Schutzwürdigkeitserwägungen ohne Missbrauchsbezug Erwägungen, die den verfassungsrechtlichen Schutz nach Umständen abstufen wollen, die vor der eigentlichen Belastung liegen, sind allerdings nicht notwendig Missbrauchsargumente. Schutzwürdigkeitserwägungen ohne Missbrauchsbezug sind in der Rechtsprechung zur Eigentumsgewährleistung bei öffentlich-rechtlichen Positionen geläufig. Ein (auch) durch Leistung erlangter öffentlich-rechtlicher Anspruch unterfällt dem Eigentumsschutz, ein ohne Leistung des Begünstigten erlangter nicht. 185 Bei öffentlich-rechtlichen Positionen mag der Gedanke überzeugen, wonach der Staat das, was er aus freien Stücken gibt, unter weniger anspruchsvollen Voraussetzungen wieder nehmen kann. Auf andere Sachverhalte überträgt das Bundesverfassungsgericht diese Erwägungen aber zu recht nicht.186 Der Verfassung lassen sich keine Anhaltspunkte dafür ————— 184 Gegen eine Ausschluss- und Sperrwirkung des Art. 18 GG: Gallwas, Mißbrauch, S. 28. Sein Argument, es ließen sich „Mißbrauchsfälle denken, denen jeder politische Bezug fehlt und die daher gar nicht in die dem Art. 18 GG zugrunde liegende Interessenlage passen“, steht eine Sperrwirkung aber nicht entgegen. Der Verfassungsgeber hat nunmal allein in den von Art. 18 GG geregelten Fällen die Notwendigkeit gesehen, an den Missbrauch bereits in der Verfassung Folgen für den Grundrechtsschutz zu knüpfen. Sein weiteres Argument, die Annahme einer Ausschlusswirkung des Art. 18 GG habe zur Folge, dass „die Abwehr entsprechender Kampfhandlungen in anderen Grundrechtsbereichen schlechterdings unzulässig“ wäre (Gallwas, Mißbrauch, S. 146 f.), vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil die Ausschlusswirkung lediglich einem verfassungsrechtlichen Missbrauchsvorbehalt entgegensteht, einfachgesetzliche Missbrauchsbekämpfungstatbestände aber nicht ausschließt.

BVerfGE 88, 384-408/401; 97, 271-297/284 f.; 100, 1-59/33: „Die Berechtigung steht also im Zusammenhang mit einer eigenen Leistung, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentumsposition anerkannt ist“. 185

186 Ausdrücklich in BVerfGE 95, 64-96/82: „Auf die Frage, ob und inwieweit ein vermögenswertes Recht sich als Äquivalent eigener Leistungen darstellt, kommt es bei privatrechtlichen Eigentumspositionen nicht an. Sie hat nur für den Eigentumsschutz subjektiver öffentlicher Rechte Bedeutung“. Anders Schlink, Abwägung, S. 93, in seiner Analyse von BVerfGE 31, 229-248/243 (Schulbuch-Beschluss): „Indem [das Bundesverfassungsgericht] das Ergebnis persönlicher Arbeit und Leistung vom unverdienten Vermögenszuwachs unterscheidet, grenzt es die Mindestposition des Art. 14 von den Vermögenspositionen ab, in die unter Wahrung des Geeignetheits- und Erforderlichkeitsgebots auch ohne Entschädigung eingegriffen werden darf. Was durch persönliche Arbeit und Leistung erworben worden ist, das macht die Mindestposition aus, die durch Gewährung von Entschädigung zu erhalten ist“. Bumke, Eigentum, S. 214, meint zwar, das Bundesverfassungsgericht greife „meist auf den Gesichtspunkt zurück, ob das Recht aufgrund eigener Leistung geschaffen wurde, wenn es frage, ob ein bestimmtes Vermögensrecht durch die Eigentumsgarantie geschützt werde“, führt dafür aber keine Belege an.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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entnehmen, dass der, der sein Privateigentum durch ein Spekulationsgeschäft erworben hat, von Verfassungs wegen weniger geschützt sein soll als der, der es mit „Lohn für Arbeit“ bezahlt hat, oder dass der, dem das Eigentum durch Erbschaft zugefallen ist, minder geschützt sein soll als der, der dafür gearbeitet hat.187 Die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung stellt darauf ab, dass Eigentum vorhanden ist, nicht darauf, wie es zum Eigentum kam und wie bislang mit dem Eigentum umgegangen wurde. Es misst die Schutzwürdigkeit an der Bedeutung für den Eigentümer, variiert nach „personale[n] und soziale[n] Komponenten des Eigentumsobjekts“, 188 also der Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers oder dem sozialen Bezug des Eigentumsobjekts, 189 nicht nach der Begründung des Eigentums und dem Umgang mit ihm. Die Schutzwürdigkeitserwägungen in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren sich am Eigentumsgegenstand und seiner Situationsgebundenheit, nicht am Umgang mit der Sache. Aus denselben Erwägungen ist die Berücksichtigung subjektiver Elemente systemwidrig. 190 () Schutzwürdigkeitserwägungen unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG In älteren Schriften wurde versucht, Schutzwürdigkeitserwägungen unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG herzuleiten. 191 Auch das Bundesverfassungsgericht verweist in einigen Entscheidungen auf Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, wenn es die Schutzwürdigkeit von Eigentumsgegenständen, die in engem Bezug zum Gemeinwohl stehen, geringer veranschlagt als die von Gegenständen, denen dieser Bezug fehlt.192 Über diesen „gesteigerte[n] Sozialbezug“ 193 hinaus versteht es Art. 14 Abs. 2 GG aber nicht als Hinweis darauf, von Verfassungs wegen sei danach zu unterscheiden, ob der Gebrauch des Eigentums tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit dient oder nicht. Von Verfassungs wegen ist die Schutzwürdigkeit nicht nach dem Grad der Gemeinwohlverträglichkeit des Eigentumsgebrauchs abgestuft. ————— 187 Vgl. abw. M. des Richters Böckenförde zum Vermögenssteuerbeschluss in BVerfGE 93, 149-165/155: „[Art. 14 GG] kennt kein von Verfassungs wegen privilegiertes gegenüber weniger privilegiertem Eigentum je nachdem, ob es der Gegenwert für Erwerbstätigkeit ist, als ruhendes Vermögen innegehabt oder bei Vorgängen am Markt eingesetzt wird. Soweit er ‚Substanz‘ von Eigentumspositionen schützt, wird die Substanz des konsolidierten Vermögens nicht mehr geschützt als die Substanz etwa von Lohn- oder Gehaltsforderungen“. 188

BVerfGE 100, 1-59/37.

189

BVerfGE 95, 64-96/84; 100, 226-248/241.

190

Kirchhof, Opferlage, S. 647.

Dürig, AöR 79 (1953/54), 57-86/61; ders., AöR 81 (1956), 117-157/149; Quaritsch, DVBl. 1959, 455-459/457 f. – dazu bereits oben unter A.II. zu Fn. 21. 191

192 BVerfGE 21, 73-87/82 f.; 52, 1-42/32 f.; 104, 1-13/12. Kritisch zur „Bodenromantik“ der ersten Entscheidung Leisner, Umweltschutz, S. 64-66. 193

BVerfGE 104, 1-13/12.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

89

() Ergebnis Mit Vorgaben der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung lässt sich die im Altlastenbeschluss verlangte unterschiedliche Gewichtung der Eigentümerinteressen je nach gefahrbegründenden Umständen und subjektiver Haltung des Eigentümers nicht begründen. (b) Aufgrund des einfachen Rechts (Polizei- und Ordnungsgesetze) Gehört die Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne nicht zu den Umständen, die von Verfassungs wegen zu berücksichtigen sind, hindert das den Gesetzgeber nicht, die Orientierung an solchen Umständen für die Abwägungsentscheidung nach einfachem Recht vorzugeben. Das kann er durch ein entsprechendes Regelungsziel oder entsprechende Eingriffsvoraussetzungen. Werden diese Umstände bei der Normanwendung nicht berücksichtigt, führt das zunächst nur zu einem Verstoß gegen einfachrechtliche Vorgaben für die Verhältnismäßigkeit der Belastung. Ein Verfassungsverstoß kann nach der Heckschen Formel 194 nur dann festgestellt werden, wenn in der Nichtbefolgung einfachrechtlicher Vorgaben eine grundlegende Verkennung der Grundrechte zum Ausdruck kommt. Das setzt nicht voraus, dass die Vorgaben von Verfassungs wegen zu berücksichtigen sind. Die Grundrechte können vielmehr auch dann grundlegend verkannt sein, wenn das nicht beachtet wird, was der Gesetzgeber in Erfüllung seines Auftrags aus Art. 14 Abs. 2 GG vorgibt. 195 Ob die Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit im Polizei- und Ordnungsrecht vorgeben, Umstände der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne in die Abwägung einzubeziehen, soll mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungskriterien ermittelt werden. () Wortlaut der Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit Der Wortlaut der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit knüpft allein an das Vorliegen einer von einer Sache ausgehenden Gefahr und das Innehaben einer bestimmten rechtlichen oder tatsächlichen Stellung in Bezug auf diese Sache, die sog. Sachherrschaft, an, ohne eine Verbindung zwischen Sachherrschaft und Gefahrentstehung herzustellen. Die Regelungen setzen voraus, dass eine Gefahr von der Sache ausgeht, an der das Eigentum, eine andere Berechtigung oder die tatsächliche Sachherrschaft besteht, ohne darauf einzugehen, wie es zu der Gefahr gekommen ist. Dass die Sache gefährlich ist, ist entscheidend, nicht, wie sie gefährlich geworden ist.196 Den Begriffen des Eigen-

————— 194

Dazu oben unter B.IV.2. vor a).

Vgl. BVerfGE 37, 132-149/140 f. u. 145 ff.; 53, 352-362/359 ff. Geprüft, im konkreten Fall aber verneint in BVerfGE 68, 361-375/372 f. 195

196

Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 40.

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1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

tums, der Berechtigung oder der sonstigen Sachherrschaft ist auch keine bestimmte subjektive Beziehung zur Gefahrentstehung immanent. () Systematik Neben den sogenannten Zustandsverantwortlichen, kommen als Adressaten einer Maßnahme der Verursacher einer Gefahr als sogenannter Verhaltensverantwortlicher (§ 4 Abs. 1 ME PolG197) und die sogenannten Zusatzverantwortlichen (Einstandspflichtigen), also der zur Aufsicht über einen minderjährigen, entmündigten oder einen unter vorläufige Vormundschaft gestellten Verursacher Verpflichtete (§ 4 Abs. 2 ME PolG 198) sowie bei Verursachung einer Gefahr in Ausführung einer Verrichtung derjenige, der den Verursacher zu der Verrichtung bestellt hat (§ 4 Abs. 3 ME PolG 199), in Betracht. Andere Personen können nach § 6 Abs. 1 ME PolG 200 unter engen Voraussetzungen als NichtVerantwortliche in Anspruch genommen werden. Nach der Systematik der Vorschriften über die Verantwortlichkeit wird der Einfluss auf die Gefahrentstehung und die Sachherrschaft durch je eigene Normen geregelt. Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme wegen eines eigenen Verursachungsbeitrags oder einer Einstandspflicht für fremde Verursachungsbeiträge regeln die Normen über die Verhaltens- und Zusatzverantwortlichkeit. Die diesen in den Gesetzen nachfolgenden Normen über die Zustandsverantwortlichkeit sind eigenständig und anders formuliert. Die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der Verantwortlichkeit, hie Herrschaft über den Gefahrenherd im Zeitpunkt der Inanspruchnahme oder – im Fall des ehemaligen Eigentümers – Eigentum zu einem früheren Zeitpunkt, dort Beitrag zur Gefahrentstehung, sprechen gegen eine Vermengung beider Gesichtspunkte beim Zustandsverantwortlichen.201 Auf subjektive Elemente kommt es auch nach den Normen über die Verhaltensverantwortlichen und die Nichtverantwortlichen nicht an. Keine dieser Regelungen wählt subjektive Kriterien als Anknüpfungspunkt oder be-

————— 197 Regelungen der Verantwortlichkeit des Verursachers in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 198 Regelungen der Verantwortlichkeit von Aufsichtspflichtigen in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 199 Regelungen der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn einer Verrichtung in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 200 Regelungen der Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 201 Die tendenzielle Rückkehr im Altlastenbeschluss zur Kategorie der Verursachung, nachdem zuvor die Auslegung als ursachenunabhängige Verantwortlichkeit als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet worden war, kritisiert auch Lepsius, JZ 2001, 22-27/26.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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stimmt, nach ihnen zu differenzieren.202 Das spricht gegen ihre Berücksichtigung beim Zustandsverantwortlichen. () Zweck Der Zweck der Regelung ist, Gefahren für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, zumeist auch der öffentlichen Ordnung,203 abzuwehren. Dem entspricht es, die Vorschriften über die Verantwortlichen so zu verstehen, dass ein möglichst effektiver Schutz erreicht wird. Eine Auslegung der Zustandsverantwortlichkeit, die auf einfach festzustellende äußere Kriterien im Zeitpunkt der Inanspruchnahme abstellt, wird dem gerecht und spricht gegen eine Berücksichtigung der Umstände der Gefahrentstehung oder der subjektiven Haltung des Adressaten zum Risiko. Durch den Zweck der Regelung geben die Gesetzgeber im Fall der Zustandsverantwortlichkeit nicht vor, Umstände der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne in die Abwägung einzubeziehen. Anders wäre es, wenn die Zustandsverantwortlichkeit als Sanktion für eine vorangegangene Pflichtverletzung oder vorheriges Verhalten ausgestaltet wäre, bei der der Eigentümer deshalb in die Pflicht genommen würde, weil er die Gefahrentstehung nicht verhindert hat.204 Eine solche Ausgestaltung würde sich auf der Seite der Gemeinwohlinteressen auswirken, weil mit zunehmender Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne der Grad der Bedrohung öffentlicher Interessen steigen würde. So verhält es sich im Straf- und allgemein im Sanktionsrecht, in dem der Schuldgrundsatz als Gemeinwohlgesichtspunkt auf die Ebene des Zwecks gestellt und die Sanktion ins Verhältnis zu diesem Zweck – mithin zur Schuld des Täters – gesetzt wird.205 ————— 202

Lepsius, JZ 2001, 22-27/26, bezeichnet sie als „systemwidriges Element“.

203

Nicht (mehr) in § 10 Abs. 1 S. 1 Brem PolG, § 11 Nds SOG, § 8 Abs. 1 NW PolG und § 174 SchlH LVwG. 204 Was allerdings auch zur Folge hätte, dass er nicht in die Pflicht genommen werden dürfte, wenn er sie nicht verhindern konnte (Stichwort Opferposition). 205 Vgl. die Prüfung einer Strafnorm am Übermaßverbot in der abw. M. der Richterin Graßhof zum Cannabis-Beschluss in BVerfGE 90, 199-212/202 f.: „Die dritte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheidet darüber, ob Art und Höhe der Strafandrohung verhältnismäßig sind oder die Bestrafung den Betroffenen im Einzelfall übermäßig belastet; ihr kommt insbesondere Bedeutung in Fällen zu, in denen es eine geeignete Schutzmaßnahme ist, Handlungsverbote weit typisiert zu umschreiben. Dieses Übermaßverbot deckt sich in seinen Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Schuldprinzip, indem es verlangt, daß die einen Täter treffenden Folgen einer strafbaren Handlung zur Schwere seines individuellen Verschuldens und den Umständen der konkreten Tat in einem gerechten Verhältnis stehen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Und weiter auf S. 206 f.: „Soweit die Elemente der Eignung und Erforderlichkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes es nach diesen Maßstäben zulassen, daß das materielle Strafrecht ein abstrakt gefährliches Verhalten typisiert und undifferenziert als strafwürdig und strafbedürftig behandelt, gewinnt allerdings die dritte Stufe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an Bedeutung. Je weiter ein Straftatbestand die dem Rechtsgut abstrakt gefährlichen Handlungen typisiert, je eher kommt es in Betracht, daß der Tatbestand eine konkrete Verhaltensweise erfaßt, die das geschützte Rechtsgut nur unbedeutend gefährdet. Für solche Situationen eines geringen Unrechtsgehalts muß das Gesetz Reaktionsmöglichkeiten

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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Die Zustandsverantwortlichkeit bezweckt aber keine Sanktion für vorangegangenes Verhalten. Vielmehr betont das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss im Ergebnis zutreffend, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, die Vorschriften dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden kann, „auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet“ hat.206 Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt diese Auslegung, weil die Verfassung die Berücksichtigung der Verursachung und des Verschuldens nicht vorgibt.207 Als Auslegung trifft sie – vorbehaltlich der folgenden Untersuchung der Entstehungsgeschichte – zu, weil die herkömmlichen Auslegungskriterien Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne aufgrund des einfachen Rechts zu berücksichtigen wäre.208 () Historische Auslegung und Genese209 Bleibt allein die Entstehungsgeschichte der Vorschriften, um eine restriktive Auslegung nach Vorwerfbarkeitsgesichtspunkten zu begründen. Ihr soll hier der größte Raum gewidmet werden. Das liegt weniger an ihrer Bedeutung für die Auslegung. Sie wird verglichen mit der der anderen Auslegungskriterien als gering eingeschätzt. Das Bundesverfassungsgericht geht in einigen Entscheidungen so weit, ihr nur insoweit Bedeutung zuzumessen, „als sie die Richtigkeit einer nach den [anderen] Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt“.210 Vielmehr ist diese Vorgehensweise dem Umstand geschuldet, dass die Entwicklung der Zustandsverantwortlichkeit in den bislang vorliegenden Untersuchungen zumeist nur bruchstückhaft aufgearbeitet worden ist. Die einfachrechtliche Ausgestaltung der Verantwortlichkeitsnormen lässt sich

————— vorsehen, die eine übermäßige Belastung des Betroffenen durch seine Verfolgung oder Bestrafung wegen des als solchen nicht zu beanstandenden strafbewehrten Verbots verhindern können“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Nicht zugestimmt werden kann deshalb Hirschberg, Grundsatz, S. 45-50, 75, 180 u. 245, der beim Sanktions-Schuld-Verhältnis von einer zweckunabhängigen Prüfung ausgeht. Das Bundesverfassungsgericht betonte vielmehr in BVerfGE 50, 205-217/215; 73, 206-261/253 und 86, 288-339/ 313, dass sich „der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot“ insoweit deckt, als die Strafe „im gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen [muss]“. 206

BVerfGE 102, 1-25/18.

207

Dazu oben unter B.IV.2.b)(1)(a).

208

Ebenso Sparwasser/ Geißler, DVBl. 1995, 1317-1327/1324.

209

Die historische Auslegung „ermittelt den Rechtssatz in seiner Geschichtlichkeit, seiner historischen Verwurzelung“, Stern, Staatsrecht I, S. 126. Genetische Auslegung bezeichnet die Arbeit mit Gesetzesmaterialien, Müller/ Christensen, Methodik, Rn. 360. 210 BVerfGE 1, 299-322/312; 11, 126-136/131. Zur lediglich unterstützenden Heranziehung von Gesetzesmaterialien: BVerfGE 62, 1-116/45 m.w.N.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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aber besser verstehen (und verteidigen), wenn ihr Hintergrund und ihre Entwicklung bekannt sind. Da die Figur der Zustandsverantwortlichkeit in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts entwickelt und von den Landesgesetzgebern, später auch dem Bundesgesetzgeber weitgehend unverändert übernommen worden ist, sollen hier vor allem die Anfänge der Zustandsverantwortlichkeit sowie zentrale Themen in der Rechtsprechung zu den Grenzen der Verantwortlichkeit dargestellt werden. () Herleitung und Begründung der öffentlichrechtlichen Pflicht des Grundstückseigentümers in der Rechtsprechung zur Zeit des PrOVG Die frühesten Entscheidungen zu einer allgemeinen Gefahrenabwehrpflicht und damit verbundener Kostenlast des Eigentümers eines Grundstücks entstammen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das königliche Ober-Tribunal hatte darüber zu entscheiden, ob ein Eigentümer verpflichtet war, den auf seinem Grundstück befindlichen Teich zuzuschütten und den ebendort belegenen Uferabschnitt der Panke zu erhöhen, um eine „Verschlämmung der Panke“ und die damit verbundene „Verpestung der Atmosphäre“ durch gesundheitsgefährliche Ausdünstungen zu verhindern, sowie die Kosten dieser Maßnahmen zu tragen. Der Eigentümer stellte in Abrede, „daß irgend eine gesetzliche Pflicht zur Tragung der streitigen Kosten … aus dem Umstande, daß der Teich sein Eigenthum sei[, entspringe,] indem von einem Mißbrauche seines Eigenthums nicht die Rede, die Gemeinschädlichkeit des Teiches nur Zufall, nicht aber die Folge einer vertretbaren Handlung oder Unterlassung“ sei. Das Ober-Tribunal entschied mit Urteil vom 21. Juni 1860211 – wie vor ihm das Kammergericht – dass der Grundstückseigentümer „bloß aus dem Grunde, weil er Eigenthümer des Grundstücks ist“, nicht die Kosten der Zufüllung des gesundheitsgefährlichen Teichs zu tragen habe.212 Ein Rechtssatz mit dem Inhalt „Jeder Einwohner des Staats hat sein Eigenthum auf seine Kosten so zu erhalten, daß es Anderen nicht schädlich wird. Insbesondere ist der Eigenthümer eines Grundstücks verpflichtet, auf seine Kosten diejenige Einrichtung auf seinem Grundstücke zu treffen, welche die Polizeibehörde im Interesse der Gesundheit des Publicums für nothwendig erachtet“

————— 211 Amtliche Sammlung der Entscheidungen des königlichen Ober-Tribunals (PrObTribE) 43, 15-23/19 ff. 212 In einer späteren Entscheidung vom 13. Juni 1876 (PrObTribE 73, 8-16/10 ff.) geht das königliche Ober-Tribunal zwar von einer Kostentragungspflicht des Eigentümers aus, begründet diese aber mit der künstlichen Anlegung des Teiches und der Verletzung einer Handlungspflicht durch Unterlassen. Eine Abkehr von seiner früheren Entscheidung und eine Anerkennung einer allgemeinen – verhaltensunabhängigen – Gefahrenabwehrpflicht des Eigentümers kann darin nicht gesehen werden.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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gehe weder aus den Bestimmungen des A. L. R.213 hervor noch sei er an sich überall richtig. Vielmehr sichere § 75 der Einleitung zum A. L. R. 214 „dem Eigenthümer, welcher seine besonderen Rechte und Vortheile zum Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird“, eine Entschädigung zu, verpflichte ihn also gerade nicht zur Kostentragung. Das Preußische Oberverwaltungsgericht (PrOVG) hingegen entwickelte – noch in den ersten fünf Jahren seines Bestehens215 – in einem ähnlich gelagerten Fall in ausdrücklicher Abkehr von der Rechtsprechung des königlichen OberTribunals216 Grundsätze über die Pflichten des Grundstückseigentümers als solchem.217 Der sog. schwarze Graben hatte „neben dem Grabenbette teichartige, stagnirende Wasserflächen gebildet …, deren Zuschüttung im sanitätspolizeilichen Interesse für erforderlich erachtet“ wurde. Das PrOVG entschied, der Grundstückseigentümer könne „zur Ausführung des Erforderlichen auf seine Kosten angehalten werden“. Für jeden Eigentümer bestehe „die Pflicht, sein Grundstück in einem solchen Zustande zu erhalten, bezw. dasselbe so umzugestalten, daß polizeilich zu schützende öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden[,] und nicht minder erscheint die Polizeibehörde be-

————— 213

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Einleitung.

§ 73. „Ein jedes Mitglied des Staats ist, das Wohl und die Sicherheit des gemeinen Wesens, nach dem Verhältniß seines Standes und Vermögens, zu unterstützen verpflichtet“. § 74. „Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beyden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehn“. § 75. „Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten“. 214

Vorstehend Fn. 213 (S. 94).

Das Preußische Oberverwaltungsgericht wurde am 20. November 1875 gegründet. In seinem ersten Urteil vom 15. November 1878 zu polizeilichen Pflichten eines Grundstückseigentümers, PrOVGE 5, 404-407, erkannte der erste Senat keine Ermächtigungsgrundlage der Polizeibehörde dafür, von privaten Eigentümern eines als Straße dienenden Terrains die Beleuchtung der Straße zu verlangen, ohne allerdings eine allgemeine Gefahrenabwehrpflicht zu erwägen. 215

216 PrOVGE 7, 348-352/352: „Wollte man in diesem Urtheile [des vormaligen königlichen OberTribunals vom 21. Juni 1860, PrObTribE 43, 15-23,] den Ausspruch finden, es könne die Polizeibehörde den Eigenthümer eines zufolge seiner Beschaffenheit das öffentliche, polizeilich zu schützende Wohl benachtheiligenden Grundstückes zur Abstellung des Mangels nicht anhalten, wenn ihm nicht irgend eine Verschuldung nachzuweisen wäre, so würde dem nicht beizutreten sein“. 217 Urteil des zweiten Senats des PrOVG vom 10. November 1880, PrOVGE 7, 348-352. Grundsätze über die sog. Verhaltensverantwortlichkeit entwickelte es erst einige Jahre darauf, im Urteil des zweiten Senats des PrOVG vom 15. April 1884, PrOVGE 11, 233-244/242 f.: „Jeder, der – sei es auch unter Benutzung fremden Eigenthumes – eine an sich erlaubte Verrichtung vornimmt, muß sich dabei, sobald sie eine Wirkung nach außen zur Folge hat, berechtigten polizeilichen Anforderungen bezüglich der Art der Ausübung unterwerfen und kann eine Befolgung polizeilicher Gebote, welche der Gefährdung der Gesundheit vorbeugen sollen, nicht mit dem Einwande ablehnen, die durch ihn in einen polizeiwidrigen Zustand versetzte Sache gehöre einem Dritten“. Diese bestätigte das PrOVG im Urteil des dritten Senats vom 1. Oktober 1898, PrOVGE 34, 432-436/434 f.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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rechtigt, den jeweiligen Eigenthümer eines Grundstückes, dessen Beschaffenheit das Publikum oder den Einzelnen mit Gefahr bedroht, oder sonst einen polizeilich unzulässigen Zustand aufweist, deshalb, weil er Eigenthümer des Grundstückes ist, zur Abstellung der vorhandenen Mängel anzuhalten“.218

„Das Recht und die Pflicht der Polizeibehörde, dem unveränderten Fortbestande eines Grundstücks, welches etwa durch seine Feuergefährlichkeit oder durch die Baufälligkeit eines darauf befindlichen Hauses oder durch seine sonstige Beschaffenheit das Publikum mit Gefahr bedroht, in dieser das Gemeinwohl schädigenden Verfassung mit zweckdienlichen Maßregeln entgegen zu treten“, folge aus den Bestimmungen des § 10 Tit. 17 Th. II A.L.R. 219 „Diese Maßregeln können sich nur gegen den Eigenthümer – den Inhaber der thatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über das Grundstück – richten, der auch nach Außen hin überall als dessen Vertreter erscheint und sich überdies schon durch den Besitz eines das Publikum schädigenden Objektes innerhalb des Gemeinwesens mit dem Gemeinwohl in Kollision setzt und diesem zu weichen gezwungen werden kann (§§ 73, 74 der Einleitung zum A.L.R.)“.220

In dem darauffolgenden Urteil vom 5. Dezember 1881 221 bestätigte das PrOVG das Bestehen der Pflicht, erneut unter Hinweis auf die Befugnisnorm des § 10 Tit. 17 Th. II A.L.R. 222 Es räumte darin das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Verantwortlichkeit des Eigentümers ein, hielt eine solche aber mit leicht variierender Begründung gegenüber der ersten Entscheidung für selbstverständlich: „Für jeden Eigenthümer besteht aber, wie keinem Zweifel unterliegt, die Pflicht, sein Grundstück in einem derartigen Zustande zu erhalten bezw. dasselbe so umzugestalten, daß die polizeilich zu schützenden Interessen des Gemeinwohls, insbesondere also – worauf es hier ankommt – Leben und Gesundheit der Menschen nicht gefährdet werden. Wenngleich der Satz in dieser allgemeinen Fassung eine ausdrückliche Bestätigung durch die Gesetzgebung nicht gefunden hat, so ergiebt er

————— 218

PrOVGE 7, 348-352/351.

219

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Zweiter Teil, Siebzehnter Titel. Von den Rechten und Pflichten des Staates zum besonderen Schutze seiner Untertanen. Erster Abschnitt. Von der Gerichtsbarkeit. § 10. „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei“. Siehe zum Verständnis dieser Vorschrift als Ermächtigungsnorm auch das Urteil des ersten Senats vom 9. Januar 1884, PrOVGE 11, 365-373, zu einer polizeilichen Verfügung, in der dem Eigentümer eines Speichers im feuer- und sicherheitspolizeilichen Interesse die Lagerung von Spiritus teilweise untersagt und sie teilweise von baulichen Vorkehrungen abhängig gemacht worden war. 220

PrOVGE 7, 348-352/351 (Hervorhebung durch den Verfasser).

221

PrOVGE 8, 327-331.

222

Da sich die konkrete Maßnahme auf eine Verordnung stützte, nannte es § 10 Tit. 17 Th. II A.L.R. neben § 66 Tit. 8 Th. I A.L.R. und § 6 f. und g. des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 als Grundlagen der Verordnung, PrOVGE 8, 327-331/328.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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sich doch ohne Weiteres aus der Erwägung, daß ohne ihn eine geordnete menschliche Gemeinschaft überhaupt nicht bestehen kann“.223

In einem weiteren Urteil, mit dem die Klage des Eigentümers eines gewerblich genutzten Grundstücks mit Haus und Hof abgewiesen wurde, dem polizeilich aufgegeben worden war, den Hof in beschränktem räumlichen Umfang von Kisten freizuhalten und dort von seinen Mietern abgestellte Kisten zu entfernen, formuliert der erste Senat des PrOVG die Gefahrenabwehrpflicht des Grundstückseigentümers als Unterlassungs-, Überwachungs- und Kontrollpflicht: „[Dem] Eigenthümer liegt unstreitig die Verbindlichkeit ob, sein Haus im polizeimäßigen Zustande zu erhalten. Dieselbe ist inhaltlich nicht darauf beschränkt, daß er sich selbst und lediglich für seine Person jeder solchen Zustand störenden Handlung enthalte. Sie verpflichtet den Hauseigenthümer, nicht nur in dieser Beziehung seine eigenen Wohnungs- und Wirtschaftsgenossen, Kinder, Gesinde, Handwerksgehülfen u.s.w. zu überwachen, sondern, falls er sein Haus oder einzelne Theile desselben durch Vermiethung nutzt, auch alles in seinen Kräften Stehende zu thun, um auch die Miether und deren Wirtschaftsgenossen an der Störung des gebotenen Zustandes zu hindern und auch sie in dieser Beziehung zu kontroliren“.224

Ungeachtet der unterschiedlichen Begründungen sah das PrOVG die Pflicht des Grundstückseigentümers schon früh „in gleichmäßiger Rechtsprechung … festgehalten“225 und „in ständiger Praxis bejaht“.226 Viele dieser Entscheidungen würden heute den spezielleren bauordnungsrechtlichen Anforderungen unterfallen.227

————— 223 PrOVGE 8, 327-331/330 (Hervorhebung durch den Verfasser); aufgegriffen in PrOVGE 65, 369-392/375 – Funkenfall. Ebenfalls unter Hinweis auf gemein- bzw. gesellschaftliche Notwendigkeiten zuvor bereits der zweite Strafsenat des Reichsgerichts mit Urteil vom 19. April 1881, RGSt 4, 106-109/107 f.: „Die entgegenstehende Auslegung [der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung, die Anordnungen ausschließe, ‚durch welche im polizeilichen Interesse der freien Benutzung des Eigentums Schranken gesetzt werden‘, oder jedenfalls nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängig festzustellende Entschädigung zulasse] würde die wesentlichen Zweige der Polizei, insbesondere die Straßen-, Markt-, Gesundheits- und Bau-Polizei, vollständig lahm legen und so Zustände herbeiführen, bei welchen unter den gegebenen Kulturverhältnissen die Gesellschaft nicht bestehen könnte“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

Urteil des ersten Senats vom 21. April 1888, PrOVGE 16, 392-395/393 f. (Hervorhebungen durch den Verfasser). 224

225

Urteil des zweiten Senats vom 14. September 1885, PrOVGE 12, 306-316/310.

226

Urteil des ersten Senats vom 7. Mai 1892, PrOVGE 23, 393-398/397 – Interessentenbrunnen.

Urteil des zweiten Senats vom 5. Dezember 1881, PrOVGE 8, 327-331 – Ofenklappenbeseitigung; Urteile des ersten Senats vom 19. September 1883, PrOVGE 12, 390-396 – Treppenhausbeleuchtung; vom 23. November 1889, PrOVGE 18, 411-418 – Privatwegbeleuchtung, nicht -bewachung; vom 7. Mai 1892, PrOVGE 23, 393-398 – Einrichtung und Unterhaltung eines Interessentenbrunnen; Urteil des vierten Senats vom 27. November 1899, PrOVGE 36, 400-403 – Standfestigkeit; Urteil des neunten Senats vom 30. Mai 1913, PrOVGE 64, 476-478 – verunzierende Reklametafel. 227

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

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() Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung Bereits in seiner zweiten Entscheidung zur Eigentümerpflicht prüfte das PrOVG ihre Vereinbarkeit mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung.228 Einem Hauseigentümer war aufgegeben worden, Verschlussvorrichtungen an Öfen in Wohn- und Schlafräumen seines Hauses zu entfernen. Das PrOVG hielt seine Inpflichtnahme auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung229 für eine der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums in Art. 9 der preußischen Verfassungsurkunde 230 immanente Schranke und nicht für eine entschädigungspflichtige Beschränkung des Eigentums. Für die Ausübung des Eigentums als volles Verfügungsrecht müssten dem Eigentümer „naturgemäß Grenzen gezogen sein, weil der Mensch nicht für sich allein, sondern neben anderen Menschen und innerhalb einer größeren Gemeinschaft lebt. In Folge dessen berühren sich einestheils die Rechtssphären verschiedener Personen oder Rechtssubjekte und anderentheils treffen höhere, allgemeinere Interessen mit denen des Privateigenthums zusammen. Dadurch werden dem Eigenthum, soweit die Ausübung der darin begriffenen Rechte nach Außen wirkt, bestimmte Schranken gesteckt und nur innerhalb der letzteren erkennt die Rechtsordnung das Eigenthum als Recht an“.231

() Grenzen Schon früh wurden mögliche Grenzen der Pflicht thematisiert. In seiner ersten Entscheidung hatte das PrOVG erklärt, die Polizeibehörden könnten den Eigentümer eines Grundstücks „zur Abstellung der vorhanden Mängel“ anhalten, „auch dann, wenn der Eigentümer die Beschaffenheit seines Eigentums nicht herbeigeführt und den der Gesundheit nachteiligen Zustand nicht verursacht habe“ und „ohne Rücksicht darauf, ob er für seine Person [die Mängel] verschuldet hat, oder ob sie auf die Einwirkung eines Dritten oder auf einen Zufall zurückzuführen sind“. Die Polizeibehörde sei nicht genötigt, die durch einen Zufall betroffene Sache auf öffentliche Kosten in einen gesetzmäßigen Zustand ————— 228

Urteil des zweiten Senats vom 5. Dezember 1881, PrOVGE 8, 327-331.

In einem späteren Urteil des zweiten Senats vom 19. September 1883, PrOVGE 12, 390-396, in dem durch polizeiliche Verfügung der Eigentümerin mehrerer Mehrfamilienhäuser deren hinreichende Beleuchtung während der Dunkelheit aufgegeben worden war, sah das PrOVG in der Befugnisnorm des § 10 Tit. 17 Th. II. A.L.R. eine gesetzliche Schranke für die Freiheit des Eigentums. 229

Art. 9 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31.1.1850, zitiert nach Huber, Dokumente I, Nr. 194 (S. 501-514/502): „Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden“. 230

PrOVGE 8, 327-331/329 f.; ähnlich zuvor bereits der zweite Strafsenat des Reichsgerichts mit Urteil vom 19. April 1881, RGSt 4, 106-109/108: „Es kann … von einer Beschränkung des verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrechtes keine Rede sein, weil letzteres an sich und durch das Gesetz beschränkt ist, daß seine Ausübung nicht in einer Leben und Gesundheit anderer gefährdenden Weise erfolgen darf“. 231

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

98

zu versetzen oder ihrerseits den zwischen dem Eigentümer und Dritten bestehenden Rechtsverhältnissen nachzugehen, um gegen die Letzteren einschreiten zu können. „Der Behörde gegenüber ist es vielmehr der Eigenthümer, welcher, ohne Rücksicht auf die Entstehungsgründe einer polizeilich unzulässigen Beschaffenheit seines Besitzthums, diesen Zustand zu vertreten und nöthigenfalls zu beseitigen hat, wobei es ihm überlassen bleibt, den Ersatz der etwa nöthig gewordenen Aufwendungen gegen Diejenigen zu betreiben, welche solchen seiner Auffassung nach zu leisten haben“.232

An dieser Grundentscheidung hält es in weiteren Entscheidungen fest, in denen der gefährliche Zustand durch Dritte verursacht worden war: In einem Fall, in dem eine sofortige Abstützung eines Hauses erforderlich geworden war, weil der teilweise Abbruch eines Gebäudes auf dem Nachbargrundstück die Standfestigkeit des Hauses gefährdet hatte.233 In einem Fall, in dem nach Erweiterung von Bahnanlagen ein als Pferdestall und Kutscherwohnung genutzter Holzschuppen dem Funkenwurfe der Lokomotiven und der Gefahr der Entzündung ausgesetzt und dem Eigentümer des Schuppengrundstücks aufgegeben worden war, den Schuppen teilweise abzureißen und mit einer Stirnwand zu versehen oder die Öffnungen nach der Bahnseite hin zu beseitigen und im Übrigen den polizeilichen Vorschriften gemäß herzustellen.234 Ferner in einem Fall, in dem einem Gastwirt in Anwendung einer Polizeiverordnung über „verunzierende“ Reklameschilder aufgegeben worden war, das auf seinem Grundstück von einem von ihm dazu gegen Entgelt berechtigten Dritten aufgestellte, ihm nicht gehörende Reklameschild zu entfernen.235 Allerdings geht die Verantwortlichkeit des Eigentümers nicht so weit, dass er auch dafür zu sorgen hätte, dass auf seinem Eigentum Störungen oder Beschädigungen seitens dritter, von ihm völlig unabhängiger Personen unterlassen werden.236 Nicht so eindeutig ist die Rechtsprechung bei gefährlichen Zuständen als Folge von Einwirkungen der Naturkräfte. Der vierte Senat des PrOVG äußerte insofern in seinem Urteil vom 16. Dezember 1892237 erstmals Zweifel, konnte das Problem aber dahinstehen lassen. Zu entscheiden war über eine Klage eines wegebaupflichtigen Provinzialverbands, der sich gegen die Belastung mit Kos————— 232

PrOVGE 7, 348-352/351 f.

233

Urteil des vierten Senats vom 27. November 1899, PrOVGE 36, 400-403.

234

Urteil des neunten Senats vom 31. Januar 1913, PrOVGE 65, 369-392 – bekannt als Funken-

fall. 235

Urteil des neunten Senats vom 30. Mai 1913, PrOVGE 64, 476-478.

Im Urteil des ersten Senats vom 23. November 1889, PrOVGE 18, 411-418/417, wird deshalb eine Pflicht zur Bewachung eines Weges im Privateigentum abgelehnt. 236

237

PrOVGE 24, 194-204.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

99

ten unmittelbar ausgeführter Maßnahmen (Abtragen lockeren Gesteins, Anlage einer Wasserabführung am Berge, Aufführung einer Schutzmauer am Fuße des Berges) wandte, die vorgenommen worden waren, um das Herabstürzen von Gesteinsmassen infolge natürlicher Gesteinschiebungen auf Chaussee und Eisenbahn zu verhindern. Der Provinzialverband meinte, er habe die Maßnahmen nicht ausführen können, weil er nicht berechtigt gewesen sei, „auf fremdem Eigentum Besitzhandlungen oder gar Zerstörungen vorzunehmen“. Das PrOVG widersprach dem, weil es die Eigentümer in Anwendung seiner Grundsätze über die Gefahrenabwehrpflicht des Grundstückseigentümers für verpflichtet hielt, die Benutzung ihrer Grundstücke zu dulden. Da es nur um die Duldungs-, nicht hingegen um eine Handlungs- und Kostentragungspflicht der Grundstückseigentümer ging, ließ es „unerörtert“, „[o]b auch gegenüber einem derartigen Thatbestande [, bei dem die Gefahr im Wesentlichen durch elementare Kräfte hervorgerufen worden ist,] der allerdings wiederholt von dem Oberverwaltungsgerichte angenommene Grundsatz, wonach jeder Eigenthümer verpflichtet ist, sein Grundstück in einem solchen Zustande zu erhalten, daß polizeilich zu schützende öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt werden, zur Anwendung zu bringen sein würde, oder ob er nicht vielmehr auf die Fälle zu beschränken ist, wo der polizeiwidrige Zustand aus der Nutzung des Grundstücks durch den Eigenthümer … entspringt oder wenigstens damit im Zusammenhange steht“.238

In einem bald darauf folgenden Urteil239 lehnte derselbe Senat des PrOVG eine entsprechende Verpflichtung des Grundstückseigentümers ab und hob eine polizeiliche Verfügung auf, mit der der Eigentümerin einer Berglehne, aus der sich ein Felskopf zu lösen und auf den Verkehr auf einem Leinpfad sowie auf den Schiffsverkehr auf der Lahn herabzustürzen drohte, aufgegeben worden war, den Felskopf teilweise zu beseitigen: „Eine … Verpflichtung [des Grundstückseigentümers, den gefahrdrohenden Zustand seines Grundstücks zu beseitigen,] wird der Regel nach dann gegeben sein, wenn die Gefahr aus Handlungen oder Unterlassungen des Eigenthümers, aus der Art der Nutzung oder Benutzung des Grundstückes entstanden ist. Derartige Fälle liegen hier nicht vor. Hier ist die Gefahr im wesentlichen eine Folge elementarer Vorgänge, durch Veränderungen des Felsgesteins bewirkt, die ihre Ursache in den mannigfachen Einwirkungen der Naturkräfte finden. Bedingt also lediglich die natürliche Gestaltung der angrenzenden Grundstücke die Gefahr für den Leinpfad, und ist diese Gestaltung überhaupt nur dadurch eine gefährliche, weil an dem Grundstück entlang der Leinpfad angelegt worden ist240 und ein schiffbarer Fluß vorüber-

————— 238

PrOVGE 24, 194-204/201 f.

239

Felskopf-Urteil des vierten Senats vom 28. Oktober 1896, PrOVGE 30, 213-222.

240 Unter diesem Aspekt ließe sich an der Unmittelbarkeit der von dem Grundstück ausgehenden Gefahr zweifeln (zum – umstrittenen – Unmittelbarkeitserfordernis bei der Zustandsverantwortlichkeit: BVerwG, B. v. 16.06.2005 – 3 B 129/04 – in JURIS veröffentlicht; OVG Münster, NWVBl.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

100

fließt, so liegt keine Verpflichtung des Eigenthümers vor, diese für den Verkehr auf dem Leinpfade und dem Flusse drohenden Gefahren seinerseits zu beseitigen. Diese Verpflichtung trifft dann vielmehr nur denjenigen, welcher für die Sicherheit des Verkehrs zu sorgen hat“.241

Der Entscheidung lässt sich aber nicht entnehmen, dass der vierte Senat eine Gefahrbeseitigungspflicht des Eigentümers generell ablehnen will, wenn der gefahrdrohende Zustand seines Grundstücks durch elementare Kräfte hervorgerufen wurde. Der Akzent der Entscheidung liegt vielmehr auf der Sperrwirkung einer spezielleren Norm, die im konkreten Fall einen anderen zur Gefahrenabwehr verpflichtet: „Der allgemeine Grundsatz, daß der Eigenthümer sein Grundstück in einem polizeigemäßen Zustande zu erhalten hat, kann in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommen; seine Anwendung wird durch die besondere öffentlich-rechtliche Norm ausgeschlossen, nach welcher der zur Fürsorge für den Verkehr auf dem Leinpfade und dem schiffbaren Flusse Verpflichtete für alle durch die natürlichen Verhältnisse der an den Leinpfad und den Fluß angrenzenden Grundstücke sich ergebenden Gefahren Abhülfe zu schaffen hat“. 242

In diesem Sinne versteht auch der neunte Senat des PrOVG die Entscheidung. Er geht in seinem Urteil vom 31. Januar 1913 davon aus, dass es „anerkannten Rechts [ist], daß der Eigentümer als solcher öffentlich-rechtlich, der Polizei gegenüber, verpflichtet ist, sein Eigentum in einem den polizeilich zu stellenden Anforderungen entsprechenden Zustande zu erhalten und polizeiwidrige Zustände abzustellen, gleichviel, ob diese von ihm selbst oder durch Dritte oder durch Zufall und höhere Gewalt herbeigeführt worden sind“,243

und zitiert das Felskopf-Urteil des vierten Senats als Beispiel für einen Fall, in dem die Pflicht des Eigentümers in besonders geregelten öffentlich-rechtlichen Vorschriften ihre rechtliche Schranke findet.244 Bereits damals unbestritten war die Grenze der tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit.245 Wegen rechtlicher Unmöglichkeit hob das PrOVG beispiels—————

2005, 177-179/178; Schenke, POR, Rn. 268 mit Nachweisen zum Streitstand in Fn. 119). Dem kann nicht die Figur der latenten Gefahr (dazu Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 322; Schenke, POR, Rn. 79; ein frühes Beispiel gibt PrOVGE 51, 383-386/386) entgegengehalten werden, weil eine Verantwortlichkeit aufgrund einer latent vorhandenen und durch Hinzutreten weiterer Faktoren aktuell gewordenen Gefahr voraussetzt, dass das zuerst Dagewesene „gewisse Gefahren in sich [birgt]“, die sich bei Veränderung der Umgebung verwirklichen (vgl. OVG Münster, OVGE 11, 250-252/251 [Schweinemästerfall]). Im Fall des PrOVG haben sich hingegen Gefahren verwirklicht, die die natürliche Umgebung selbst in sich birgt. Von ihr gehen die Einwirkungen aus. 241

PrOVGE 30, 213-222/219.

242

PrOVGE 30, 213-222/219 f.

243

PrOVGE 65, 369-392/375 – Funkenfall.

244

Vgl. PrOVGE 65, 369-392/376.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

101

weise eine polizeiliche Verfügung auf, mit der dem Eigentümer eines aufgrund Feuchtigkeit gesundheitsschädlichen Wohnhauses die sofortige Räumung der vermieteten Räume aufgegeben worden war: „Der aus der Natur der Sache sich ergebende Rechtssatz, daß eine polizeiliche Verfügung nichts Unmögliches verlangen darf, umfaßt nicht nur die Fälle, in denen das Verfügte thatsächlich nicht ausgeführt werden kann, sondern auch diejenigen, bei denen sich die Ausführung der Anordnung aus rechtlichen Gründen als unthunlich erweist“.246

() Ausweitung der Pflicht auf andere Sachherren Früh erstreckte das PrOVG die Grundsätze über die Verantwortlichkeit für einen polizeimäßigen Zustand eines Grundstücks oder Gebäudes auf NichtEigentümer: auf den Mieter247, auf den Nießbraucher248 und auf den Besitzer eines Gebäudes.249 Ausführlich begründet es diese Erweiterungen in einem ————— 245 Vgl. dazu heute Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 18 u. 20 (als Element der Geeignetheit). Gusy, POR, Rn. 367, nennt das tatsächliche und rechtliche Leistungsunfähigkeit. 246 Urteil des vierten Senats vom 11. April 1893, PrOVGE 24, 384-386/385. Die rechtliche Stellung des Mieters war Hindernis für eine Räumungsverfügung gegenüber dem Eigentümer-Vermieter. Ein weiteres Beispiel ist das Urteil des vierten Senats vom 22. September 1910, PrOVGE 57, 366-369/368. Hier bildete die beschränkte persönliche Dienstbarkeit eines Dritten ein rechtliches Hindernis für die Inanspruchnahme des Eigentümers. 247 Erstmals in einer Entscheidung des zweiten Senats vom 27. Januar 1888 (II.121 – nicht in die amtliche Sammlung aufgenommen). In einer vorangegangenen Entscheidung, PrOVGE 16, 391395/394, hatte das PrOVG schlicht festgestellt, dass die Polizeibehörde „unzweifelhaft berechtigt“ sei, sich hinsichtlich der Freihaltung eines gewissen Teils eines Hofes und einer Hausdurchfahrt an die Miether zu halten, dazu aber nicht verpflichtet sei und daher auch den Eigentümer in Anspruch nehmen könne. Die Entscheidung des neunten Senats vom 16. Oktober 1909, PrOVG, PrVerwBl. 31, 685-688/687, stellte darauf ab, dass der Mieter oder ein anderer Dritter in Anspruch genommen werden könnte, wenn er „auf Grund privatrechtlicher Abmachungen tatsächlich die Herrschaft über das Grundstück oder Teile desselben ausübt“. Ob er oder – wie im zugrundeliegenden Fall – der Eigentümer in Anspruch genommen werde, sei eine Frage der Zweckmäßigkeit. 248 Erstmals in einer Entscheidung des ersten Senats vom 12. November 1887 (I.1253 – nicht in die amtliche Sammlung aufgenommen). Auch der Bescheid des PrOVG vom 4. Oktober 1907, PrVerwBl. 30, 206-207/207, bestätigte die Inanspruchnahme eines Nießbrauchers aus der allgemeinen Erwägung, Adressat könne auch derjenige sein, „welcher – ohne Eigenthümer zu sein – über ein Grundstück zu verfügen berechtigt ist. Das kann unter Umständen der Pächter, Mieter, Verwalter und insbesondere auch der Nießbraucher sein“. Im konkreten Fall hatte die Nießbraucherin von den Mieten des Gebäudes gelebt und dem Eigentümer gerichtlich das Abreißen des Hauses verbieten lassen. Sie hatte in den Worten der Widerspruchsbehörde „die tatsächliche Verfügung über das Grundstück“. 249 Erstmals in einer Entscheidung des vierten Senats vom 14. November 1894, PrVerwBl 16, 272-274/272. In diesem Fall hatte ein Verein ein Grundstück „so besessen und benutzt, als ob er Eigenthümer desselben wäre“. Das vorinstanzliche Gericht hatte, vom PrOVG als zutreffend bestätigt, hervorgehoben, dass der Verein „jedenfalls über das Grundstück verfügungsberechtigt sei“ und deshalb nicht einwenden könne, die Baupolizeiverwaltung habe sich an den im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümer halten müssen.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

102

Urteil des vierten Senats vom 6. Februar 1895.250 Darin hielt das PrOVG die Polizeibehörde für befugt, eine baupolizeiliche Anordnung bezüglich eines in Münster gelegenen Grundstücks an den Generalbevollmächtigten des in Rom lebenden Eigentümers zu adressieren, und begründete das damit, aus dem Grundsatz, dass der Eigentümer der Polizeibehörde gegenüber für den polizeimäßigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich sei, könne nicht gefolgert werden, dass die Polizeibehörde mit ihren ein Grundstück betreffenden Anordnungen auf die Person des eingetragenen Eigentümers beschränkt sei. „Die Grundlage dafür, daß die Polizeibehörde immer den Eigenthümer in Anspruch nehmen kann, wenn es sich um Anordnungen in Bezug auf ein Grundstück handelt, ist nicht darin zu finden, daß nur der Eigenthümer allein auf Grund des öffentlichen Rechts verpflichtet wäre, den polizeimäßigen Zustand des Grundstücks zu erhalten, sondern vielmehr in der vornehmlich praktischen Erwägung, daß der Eigenthümer – als privatrechtlicher Inhaber der thatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über das Grundstück – diejenige Privatperson ist, welche vermöge der Ausschließlichkeit ihrer Herrschaft immer in der Lage sein muß, daß polizeilich Erforderliche auszuführen, und daß die Polizeibehörde daher regelmäßig zu ihrem Ziele gelangen wird, wenn sie sich an den Eigenthümer persönlich hält. Neben dieser öffentlichrechtlichen Verpflichtung des Eigenthümers besteht aber die öffentlich-rechtliche Verpflichtung eines jeden Dritten, welcher die Herrschaft über das Grundstück oder Theile desselben ausübt, auch seinerseits den polizeilichen Anforderungen zu genügen“.

Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Verwalters oder Bevollmächtigten (Vertreters) des Grundstückseigentümers schränkt das PrOVG allerdings dahingehend ein, „daß noch eine thatsächliche Voraussetzung mehr für das Einschreiten erforderlich ist, nämlich das Vorhandensein der Vertretungsbefugnis auf Seiten des in Anspruch Genommenen, und daß für letzteren ein Einwand mehr, als für den Eigenthümer, möglich ist, nämlich dahin, daß der Umfang seiner Vertretungsmacht nicht so weit gehe, um an Stelle des Eigenthümers den polizeilichen Anforderungen zu genügen“.251

Bei unvoreingenommener Würdigung erscheint es, als sei darin keine zusätzliche, über den anerkannten Einwand der rechtlichen Unmöglichkeit hinausgehende Einschränkung zu erblicken.252 Das PrOVG lässt durch die zitierte Passa————— 250

PrOVGE 28, 389-395.

PrOVGE 28, 389-395/393 (Hervorhebung durch den Verfasser). Aufgegriffen im Urteil des ersten Senats vom 16. September 1915, PrOVGE 70, 326-331/331, wo den Klägern aufgegeben worden war, Disteln auf Grundstücken zu vertilgen, die ihnen in einem Zusammenlegungsverfahren zum Besitz und zur Bewirtschaftung überwiesen, (noch) nicht aber als Eigentum zugeordnet worden waren: „Daß im vorliegenden Falle die Vertretungsmacht und Verwaltungsbefugnis der Kläger irgendwie derart eingeschränkt gewesen wäre, daß daraus ein Hindernis für ihre Inanspruchnahme behufs Beseitigung der Disteln hätte erwachsen können, ist nicht behauptet worden“. 251

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

103

ge beide Interpretationen zu, als zusätzliche Voraussetzung oder als Einwand. Nachfolgende Entscheidungen deuten aber darauf hin, dass für die Zustandsverantwortlichkeit tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft kumulativ verlangt werden. In diesem Sinne fasst der erste Senat des PrOVG in seinem Urteil vom 31. Oktober 1911 die Rechtsprechung zur Ausweitung der Pflicht auf andere Personen als den Eigentümer wie folgt zusammen: „Zur Erhaltung eines Grundstücks … ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs derjenige verpflichtet, dem die tatsächliche und rechtliche Herrschaft darüber zusteht; das ist regelmäßig der Eigentümer, neben ihm aber auch derjenige, der eine von diesem abgeleitete Verfügungsgewalt besitzt, wie Nießbraucher, Pächter, Verwalter“.253

Und er bekräftigt das in seinem Urteil vom 16. September 1915: „Der Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß die Polizei sich wegen Herstellung polizeimäßiger Zustände auf einem Grundstück außer an den Eigentümer an jeden Dritten halten kann, der nach den obwaltenden Umständen die tatsächliche und rechtliche Herrschaft über das Grundstück ausübt“.254

() Ausweitung der Pflicht auf andere Sachen als Grundstücke 1916 wendet das PrOVG die Grundsätze zur Pflichtigkeit des Eigentümers auf das Eigentum an Anlagen an, ohne die darin liegende Fortentwicklung zu thematisieren. Einer Stadtgemeinde war als Eigentümerin einer Kläranlage die Ausarbeitung eines Entwurfs zur Neuerrichtung einer Anlage aufgegeben worden, weil die bestehende Kläranlage „den im öffentlichen Interesse an die Reinigung der Abwässer zu stellenden Anforderungen nicht mehr“ genügte. Der hiergegen gerichteten Klage versagte das PrOVG den Erfolg und führte zur Polizeipflichtigkeit der Stadtgemeinde aus, der Eigentümerin der Anlage liege, „wie in der Rechtsprechung feststeht, die öffentlich-rechtliche Verpflichtung ob, diese jederzeit in einem solchen Zustande zu erhalten, daß Gefahren der Nachbarschaft daraus nicht entstehen“.255 ————— 252 Vgl. PrOVGE 28, 389-395/393: „Es wäre [des unstreitig Bevollmächtigten] Sache gewesen, eine Beschränkung seiner Verwaltungs- und Vertretungsbefugnisse nachzuweisen, welche ihn etwa hindern könnte, die von der Polizeibehörde verlangten baulichen Aenderungen an Stelle des Eigenthümers mit dessen Mitteln vorzunehmen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 253 PrOVGE 61, 124-127/126 (Hervorhebung durch den Verfasser). In dem zugrundeliegenden Fall war einem Müller aufgegeben worden, das Geländer eines Wassergrabens, aus dem er das für seinen Mühlbetrieb erforderliche Wasser aufgrund eines Wasserrechts entnahm, auszubessern, um das Publikum vor der Gefahr zu schützen, von dem frei zugänglichen Auengelände in den Mühlgraben zu stürzen. Der Müller war nicht Eigentümer des Auengrundstücks und des Mühlengrabens, besaß aufgrund seines Wasserrechts jedoch die Verfügungsgewalt über den Mühlengraben. 254

PrOVGE 70, 326-331/330 f. (Hervorhebung durch den Verfasser).

Urteil des neunten Senats vom 28. November 1916, PrOVGE 72, 277-288/286 (Hervorhebung im Original). 255

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

104

Pflichten zur Abwehr von Gefahren, die von anderen Sachen als Grundstücken oder Anlagen ausgingen, waren, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand der Entscheidungen des PrOVG. Dennoch ging Bill Drews, der von 1921 bis 1937 Präsident des Preußischen Oberverwaltungsgerichts war, ohne weiteres, namentlich ohne Entscheidungen zu nennen oder – wie nach Durchsicht der Entscheidungen des PrOVG anzunehmen ist – auch nur nennen zu können, davon aus, die Grundsätze über die Zustandsverantwortlichkeit seien auch auf bewegliche Sachen anzuwenden. Als Beispiel nannte er die „gesundheitsschädliche Beschaffenheit von Nahrungsmitteln“.256 () Erste Regelung im Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 1. Juni 1931 Das als Richterrecht entwickelte und in ständiger Rechtsprechung gefestigte Recht sollte durch die Bestimmungen des Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) vom 1. Juni 1931257 unverändert kodifiziert werden. 258 Die beiden hier interessierenden Bestimmungen aus Abschnitt V über „Die polizeipflichtigen Personen“ (§§ 18-21 PVG) 259 lauten: § 18 Die Polizeibehörden haben die Maßnahmen, die durch das polizeiwidrige Verhalten von Personen oder den polizeiwidrigen Zustand von Sachen erforderlich werden, gegen diejenigen zu richten, die für das polizeimäßige Verhalten oder den polizeimäßigen Zustand verantwortlich (polizeipflichtig) sind. § 20 (1) Für den polizeimäßigen Zustand einer Sache ist deren Eigentümer verantwortlich. (2) 1Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, ist für deren polizeimäßigen Zustand neben dem Eigentümer verantwortlich. 2Er ist hierfür an Stelle des Eigentümers verantwortlich, wenn er die tatsächliche Gewalt gegen den Willen des Eigentümers ausübt oder auf einen im Einverständnis mit dem Eigentümer schrift-

————— 256 Drews, Polizeirecht, S. 45. Auch in Lehrbüchern nach Inkrafttreten des Polizeiverwaltungsgesetzes wird die Anwendung der Zustandsverantwortlichkeit auf „alle beweglichen oder unbeweglichen Sachen“ selbstverständlich behauptet, Beispiele aus der Rechtsprechung werden aber nur zu Verpflichtungen des Grundeigentümers genannt, vgl. von Brauchitsch/ Drews/ Lassar, Verwaltungsgesetze, S. 66 u. 67 f. 257

Preuß. Gesetzsammlung (GS) 1931 Stück Nr. 21 (Nr. 13604), Seite 77-94.

258

Vgl. den besonderen Teil der Begründung zum Entwurf eines Polizeiverwaltungsgesetzes des Preußischen Staatsministeriums vom 22. Januar 1931, Abschnitt V. (zu den §§ 18 bis 21), Preuß. LT, 3. WP, 1928/31, Drs. Nr. 5933 S. 6077-6100/6093: „Diese Vorschriften stellen eine Kodifikation des geltenden Rechts dar, wobei in den §§ 19 Abs. 2 und 3 und 20 eine feste Begrenzung eingeführt ist. Zu einer weiteren Änderung besteht keine Veranlassung“. 259 Grundlegend zu den Bestimmungen der §§ 18-20 PVG und ihrem Verhältnis zueinander: PrOVGE 105, 229-234/231 f.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

105

lich oder protokollarisch gestellten Antrag von der zuständigen Polizeibehörde als allein polizeipflichtig anerkannt ist. (3) Diese Bestimmungen gelten nicht für öffentliche Wege und Wasserläufe.

Entgegen der Absichtsbekundung führte das PVG zu einer Änderung bei der Zustandsverantwortlichkeit: Hatten das PrOVG und die seinerzeitige Literatur 260 noch kumulativ auf das Innehaben der „tatsächlichen und rechtlichen Herrschaft“ über die Sache abgestellt, genügte nach § 20 Abs. 2 PVG das bloße Bestehen der tatsächlichen Gewalt. Ein bald nach Inkrafttreten des PVG veröffentlichter Kommentar verwies für den Begriff der tatsächlichen Gewalt „auf die Erläuterungsbücher zum BGB“, weil er „dem § 854 BGB entnommen“ sei.261 () Diskussion über Grenzen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg („Trümmergrundstücke“) In der Nachkriegszeit262 hatten mehrere (Ober-) Verwaltungsgerichte darüber zu entscheiden, ob Grundstückseigentümern die Beseitigung von Kriegstrümmern und Ruinen auf ihrem Grundstück aufgegeben werden durfte, wenn durch sie der Allgemeinheit Gefahren drohten.263 Die Befürworter unter ihnen betonten, dass die Polizeipflichtigkeit nach § 20 PVG unabhängig davon eintrete, ob der polizeiwidrige Zustand „durch den ————— 260 Etwa Drews, Polizeirecht, S. 45: „Jeder ist der Polizei gegenüber verantwortlich für den Zustand aller Sachen, über die er rechtlich und tatsächlich Gewalt auszuüben in der Lage ist“. 261

Schäfer/ Wichards/ Wille, Polizeiverwaltungsgesetz, S. 72.

262

Die §§ 18-20 PVG betreffend die polizeipflichtigen Personen galten nach dem Kriege fort; so für die britische Besatzungszone Wolff, VVDStRL 9 (1952), 134-180/145. Bejahend: OVG Münster, Urt. v. 31.1.1952, NJW 1952, 519-520 (in allen Punkten bestätigt durch OVG Münster, Bescheid v. 8.3.1955, MDR 1955, 762-763); OVG Lüneburg, Urt. v. 15.5. 1952, DÖV 1952, 734 (LS); OVG Berlin, Urt. v. 4.3.1953, DÖV 1954, 214-216; OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218. BVerwG, Urt. v. 9.5.1960, BVerwGE 10, 282290/283, bezeichnet das als herrschende Auffassung. Ablehnend: VG Wiesbaden, Urt. v. 1.9.1949, HW 1950, 95-96; Bezirksverwaltungsgericht Berlin (brit. Sektor), Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719-723; VGH Freiburg, Urt. v. 16.9.1952, NJW 1952, 1311-1312; VGH München, Urt. v. 19.1. 1953, DÖV 1953, 446; erneut VGH Freiburg, Urt. v. 28.4.1955, NJW 1956, 76-77. 263

Aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte bejahend BGH, Urt. v. 15.12.1954, BGHZ 16, 12-17/ 15. Der BGH, Urt. v. 5.3.1953, DVBl. 1953, 367-370, hatte nicht darüber, sondern allein über die Frage zu entscheiden, ob der Ruineneigentümer den etwa erforderlichen Abbruch der Ruine entschädigungslos hinnehmen musste, oder ob er gemäß §§ 21, 70 PVG eine Entschädigung für die abgebrochene Ruine fordern konnte (S. 368 des Urteils). Interessant ist die Gegenüberstellung der amtlichen Auffassung des Magistrats der Stadt Berlin (dargelegt von Beule, HW 1950, 45-47) und der die Pflichtigkeit des Grundstückeigentümers ablehnenden Position von Hammes, HW 1950, 4749 (ergänzt in HW 1950, 106-110), noch vor der Entscheidung des Bezirksverwaltungsgerichts Berlin. Einen Überblick über die verschiedenen in frühen Aufsätzen und den erstinstanzlichen Entscheidungen vertretenen Auffassungen gibt Dundalek, DÖD 1951, 142-145, der selbst eine Verantwortlichkeit und Kostenlast des Eigentümers in den Kriegstrümmerfällen bejaht.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

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Eigentümer selbst oder durch Dritte oder durch Zufall (höhere Gewalt), ob er mit oder ohne Zutun“ des Eigentümers entstanden sei 264 oder ob der Eigentümer „in der Lage war, den Eintritt des Schadens abzuwenden, z. B. bei Naturkatastrophen“, „wenn und soweit der Gewalthaber die Verfügung [bzw. Verfügungsmacht] über die Sache“ hatte.265 Gestützt auf „Billigkeitserwägungen“ könne nicht von einer Anwendung der Bestimmungen über die Zustandspflichtigkeit abgesehen werden.266 Uneinig waren sich die Gerichte aber in der Frage, ob Kriegsschäden „so gänzlich außerhalb des normalen Gefahrenbereichs [liegen], dass bei kriegszerstörten Grundstücken nach der Lehre [Carl Schmitts267] vom inneren Vorbehalt der Gesetze (Geltung nur für normale Situationen) die Anwendung des § 20 PVG entfiele“.268 Je nach Entscheidung dieser Frage, hielten die Gerichte eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers für vereinbar mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen269 oder treuwidrig 270.

————— OVG Münster, Urt. v. 31.1.1952, NJW 1952, 519-520/519; BGH, Urt. v. 5.3.1953, DVBl. 1953, 367-370/369 f.; OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218/216. Ebenso OVG Münster, B. v. 19.5.1954, MDR 1954, 527 (Teilabbruch eines baufälligen Gebäudes). 264

265

OVG Münster, Urt. v. 31.1.1952, NJW 1952, 519-520/519.

Bezirksverwaltungsgericht Berlin (brit. Sektor), Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719-723/721; OVG Münster, Urt. v. 31.1.1952, NJW 1952, 519-520/519. 266

Schmitt, RVBl. 38, 179-184, besonders S. 181. Dem Schluss aus dieser Lehre auf die Unanwendbarkeit der Regelungen über die Polizeipflichtigkeit des Eigentümers in Kriegsschadensfällen stimmt Reuss, HW 1950, 381-383/382 f., zu; ablehnend dagegen Dundalek, DÖD 1951, 142-145/ 144, weil bereits fraglich sei, „ob die Gefahr der Kriegszerstörung wirklich so etwas Außergewöhnliches ist, daß der Eigentümer mit dieser Gefahr nicht rechnen konnte“. 267

268 Bejahend: VGH Freiburg, Urt. v. 16.09.1952, NJW 1952, 1311-1312/1311 (das – nicht zutreffende – Zitat aus Schmitts „Legalität und Legitimität“ [Schmitt, Legalität, S. 71] ist in der NJW [anders als in JZ 1953, 238-240/239] im Urteilsabdruck ausgelassen). Ebenso – allerdings ohne ausdrücklichen Verweis auf Schmitts Lehre – das VG Wiesbaden, Urt. v. 1.9.1949, HW 1950, 95-96/95. Ablehnend OVG Münster, Urt. v. 31.1.1952, NJW 1952, 519-520/519 („schon auf Grund der Erfahrungen des ersten Weltkrieges nicht so gänzlich außerhalb des normalen Gefahrenbereichs“), bestätigt durch OVG Münster, Bescheid v. 8.3.1955, MDR 1955, 762-763/762 f.; OVG Berlin, Urt. v. 4.3.1953, DÖV 1954, 214-216/214 f.; OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218/216: „Die polizeiliche Generalklausel ist ohnehin schon nicht für die Regelfälle des Lebens bestimmt, sondern für die Beseitigung von Ausnahmesituationen des öffentlichen Lebens, nämlich gerade Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Gerade in Kriegszeiten, die regelmäßig auch eine erhöhte Gefahr von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit sich bringen, muß die polizeiliche Generalklausel Anwendung finden“. Skeptisch auch das Bezirksverwaltungsgericht Berlin (brit. Sektor), Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719723/721, in seinen Hilfserwägungen dazu, wie vordem noch unter Geltung des aus § 10 II 17 A.L.R. abgeleiteten Gewohnheitsrechts zu entscheiden gewesen wäre. 269 OVG Lüneburg, Urt. v. 15.5.1952, DÖV 1952, 734 (LS) (insbesondere vereinbar mit dem Rechtsgedanken des § 162 BGB); OVG Berlin, Urt. v. 4.3.1953, DÖV 1954, 214-216/215. 270

VGH Freiburg, Urt. v. 16.09.1952, NJW 1952, 1311-1312/1311.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

107

Hilfsweise erwog das Verwaltungsgericht Wiesbaden, dass „[d]er eigentliche Störer und Verursacher … die Gesamtheit, die durch die von ihr getragene und gebilligte Politik mindestens indirekt die fraglichen Schäden verursacht hat,“ gewesen sei, und der Störer, also die Länder und Gemeinden, die insoweit die Gesamtheit verträten, in erster Linie hafte. „Es wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben, von demjenigen, der unfreiwillig ein Opfer für die Gesamtheit erbracht hat, noch zu verlangen, daß er für die Beseitigung der daraus entstandenen Gefährdung noch ein zusätzliches Opfer im Interesse der Gesamtheit bringt“.271

Der VGH Freiburg erklärte die im Ergebnis abweichenden Entscheidungen in seinem zweiten Urteil mit der unterschiedlichen Rechtslage. Während die eine Begrenzung ablehnenden Gerichte (OVG Lüneburg, OVG Münster, OVG Berlin und OVG Koblenz) die Bestimmung des § 20 PVG anzuwenden hatten, beruhte die Polizeipflichtigkeit des Grundstückseigentümers in Baden auf einem gewohnheitsrechtlichen Satz.272 Das Bezirksverwaltungsgericht Berlin wertete eine Anordnung aus dem Jahr 1941, wonach den Leitern der Gemeinden neben der Verpflichtung, kleinere und kurzfristig behebbare Schäden an Wohngebäuden zur Unterbringung der betroffenen Bewohner auszugleichen, aufgegeben war, bei Totalschäden an Wohngebäuden „solche Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und Gefährdung der Umgebung abzuwenden“, als spezielle, das PVG verdrängende Regelung. 273 Das OVG Koblenz entnahm dem Grundsatz von Treu und Glauben noch eine andere Grenze – die der wirtschaftlichen Unmöglichkeit, die es mit Unzumutbarkeit gleichsetzte.274 Die Grenze der „Zumutbarkeit nach Treu und Glauben“ ————— 271

VG Wiesbaden, Urt. v. 1.9.1949, HW 1950, 95-96.

VGH Freiburg, Urt. v. 28.4.1955, NJW 1956, 76-77/76. Vgl. dazu die Andeutungen des Bezirksverwaltungsgerichts Berlin (brit. Sektor), Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719-723/721, und des OVG Berlin, Urt. v. 4.3.1953, DÖV 1954, 214-216/214 f., wie möglicherweise unter Geltung des aus § 10 II 17 A.L.R. abgeleiteten Gewohnheitsrechts zu entscheiden gewesen wäre. 272

273 Bezirksverwaltungsgericht Berlin (brit. Sektor), Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719-723/721 ff.; ablehnende Anmerkungen dazu von Dundalek, DÖD 1951, 142-145/144 f., und Hoppe, DVBl. 1951, 187-188. 274 OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218/217: „Eine wirtschaftliche Unmöglichkeit ist auch dann gegeben, wenn die von der Verwaltungsbehörde geforderte Leistung bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen für diesen unzumutbar ist“. Kritisch dazu OVG Münster, Bescheid v. 8.3.1955, MDR 1955, 762-763/763: „Wenn das OVG Rheinland-Pfalz dabei ausführt, die Kosten müßten in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen stehen, so werden durch derartige allgemeine Formulierungen die strengen Grundsätze über die Polizeipflicht allzu leicht gelockert, und es wird dadurch Billigkeitserwägungen Eingang verschafft, die nach der Entscheidung des Senats … und der Auffassung der anderen genannten Oberverwaltungsgerichte [Münster, Lüneburg, Kassel, Berlin] hier keine Stätte haben können. Es darf dabei nicht außer acht bleiben, daß die vom Gesetz auferlegte Haftung eine reine Zustandshaftung ist, die auf persönliche Verhältnisse des Betroffenen

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

108

sei durch eine „Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der des Pflichtigen“ zu ermitteln. Ungeachtet des so formulierten Abwägungspostulats, stellt es bei der Konkretisierung allein auf die Situation des Pflichtigen ab: „Es kommt allein darauf an, daß die dem Pflichtigen entstehenden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu seiner gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, d.h. seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen stehen. Durch die Inanspruchnahme darf keinesfalls die Existenz des Pflichtigen vernichtet oder wesentlich gefährdet werden. Auch die Aufgabe oder die Belastung von Vermögensbestandteilen kann im Einzelfall unzumutbar erscheinen“. 275

Die Umstände der Gefahrentstehung hielt es für unbeachtlich.276 Ob die Verpflichtung in einem konkreten Fall unzumutbar war, hatte das Plenum des OVG nicht zu entscheiden. ( ) „Tankwagenunfall“ Im Schrifttum wurden Grenzen der Zustandspflichtigkeit anhand des Tankwagenfalls diskutiert.277 Ein Tanklastzug war auf einer Autobahn umgestürzt, das auslaufende Heizöl (etwa 10 000 l) sickerte in den Boden und drohte in das Grundwasser einzudringen und das Trinkwasser zu verunreinigen. Die Ordnungsbehörden wendeten die daraus folgende Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung ab, indem sie den verseuchten Boden durch Fremdunternehmen unverzüglich abräumen ließen. Das OVG Münster hielt eine Inanspruchnahme des Eigentümers des Tanklastzuges zum Ersatz der Kosten für rechtmäßig. Er habe den die Gefahr unmittelbar verursachenden Fahrer des Lastzugs zu der Verrichtung bestellt und sei deshalb einstandspflichtig (Zusatzverantwortlicher). —————

keine Rücksicht nimmt und insbesondere kein Verschulden des Polizeipflichtigen, aber auch nicht einmal eine Verursachung durch den Betroffenen voraussetzt, so daß sogar für Naturereignisse und Zufälle gehaftet wird … Es liegt demnach hier eine Gefährdungshaftung vor, deren Härten das Gesetz absichtlich dem Eigentümer aufgebürdet hat, um die Allgemeinheit davon freizuhalten und der gegenüber auch die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben versagt“ (Hervorhebungen im Original). Der Beschluss des OVG Koblenz dient Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 22 f., als Beispiel für eine Begrenzung der Polizeipflicht durch Zumutbarkeitserwägungen. OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218/217 (Hervorhebungen durch den Verfasser). Der BGH, Urt. v. 15.12.1954, BGHZ 16, 12-17/15, der bezüglich der Grenze der wirtschaftlichen Unmöglichkeit dem OVG Koblenz folgte, sah in dem von ihm zu entscheidenden Fall keine Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Unmöglichkeit. Das BVerwG bezeichnet im Urt. v. 9.5.1960, BVerwGE 10, 282-290/283, die Auffassung von OVG Koblenz und BGH als herrschende Auffassung, ohne auf die Kritik des OVG Münster einzugehen. 275

276 OVG Koblenz, Plenarbeschluss v. 13.3.1953, DÖV 1954, 216-218/217: „Darauf, daß der polizeiwidrige Zustand durch den Krieg verursacht worden ist, kann es nicht wesentlich ankommen“.

Beispielsweise von Ossenbühl, DÖV 1976, 463-471/470 mit Fn. 59a. Er meint, die Eigentümer seien in derartigen Fällen „nicht Störer, sondern selbst ‚Gestörte‘“ und erfüllten deshalb „keinen der bekannten polizeilichen Störungstatbestände“. Dabei suggeriert er – unzutreffend (vgl. oben Fn. 6 [Seite 18]) – das Erfordernis eines ursächlichen Agierens auch bei der Zustandsverantwortlichkeit. 277

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

109

Neben ihm und dem Fahrer als Handlungsstörer hielt es – zumindest – die Stadt als Eigentümer des Erdreichs unter dem Gesichtspunkt der Zustandspflichtigkeit für verantwortlich.278 Indem es die Auswahl des Zusatzverantwortlichen für ermessensfehlerfrei erachtete, musste es Grenzen der Verantwortlichkeit des Eigentümers nicht thematisieren. (

) Zustandsverantwortlichkeit im Musterentwurf von 1976 Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder von 1976 hat in § 5 lediglich die Reihenfolge der Zustandsverantwortlichen im Gesetzestext geändert. Der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft wird nun vor dem Eigentümer genannt, „da für die Polizei die Eigentumsverhältnisse oft nur schwierig zu ermitteln sind und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt auch am ehesten die von einer Sache ausgehenden Gefahren beherrschen kann“.279 Dem sind die meisten Landespolizei- und -ordnungsgesetze gefolgt.280 ( ) Zusammenfassung Der historische Befund ergibt, dass die Zustandsverantwortlichkeit von ihren richterrechtlichen Anfängen in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Sie gibt dem Herrn über eine Sache, von der eine Gefahr ausgeht, auf, diese Sache entsprechend den behördlichen Anordnungen zur Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung umzugestalten. Entwickelt wurde die Verantwortlichkeit in Bezug auf Grundstücke. Bereits in den ersten gesetzlichen Regelungen wurde sie – wie zuvor ohne weitere Problematisierung im Schrifttum – auch auf bewegliche Sachen bezogen. Ausgehend von der Verantwortlichkeit des Eigentümers weitete die Rechtsprechung die Polizeipflichtigkeit früh auf andere Personen aus. Anfangs forderte sie kumulativ tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft. Seit der ersten gesetzlichen Rege————— 278 OVG Münster, Urt. v. 3.10.1963, OVGE 19, 101-107/104; a.A. Baur, JZ 1964, 354-358/356 (bloße Duldungspflicht). Die Pflichtigkeit des Eigentümers des Öls ließ das OVG Münster, OVGE 19, 101-107/104, dahingestellt, weil ungeklärt sei, in wessen Eigentum das Öl nach dem Eindringen ins Erdreich stand. Mit der wenig überzeugenden Begründung, es komme auf das Eigentum an dem Behältnis an, aus dem infolge eines nicht ordnungsgemäßen Zustandes das Öl ausgeflossen ist, nahm der VGH Kassel in seinem Beschluss vom 6.4.1993, DÖV 1994, 172-173/173, eine Zustandspflichtigkeit der Eigentümerin eines umgekippten Ölfasses an. Ausführlich zu dem weiteren Problem der Erstreckung der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers auf „infizierte“ Gegenstände (hier das Grundwasser): Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 137-164. 279 Vgl. die Begründung der Innenministerkonferenz zu § 5 Abs. 1 MEPolG, abgedruckt bei: Heise/ Riegel, Musterentwurf, S. 33. 280

Art. 8 Bay PAG, Art. 9 Abs. 2 Bay LStVG, § 14 Bln ASOG, § 6 Bbg PolG, § 6 Brem PolG, § 7 Hess SOG, § 7 Nds SOG, § 5 NW PolG, § 5 RhPf POG, § 5 Saarl PolG, § 8 LSA SOG, § 11 Thür OBG und § 8 Thür PAG. Die Gesetze, die keine Regelung über sonstige Berechtigte enthalten, nennen hingegen (weiterhin) den Eigentümer an erster Stelle: § 7 BaWü PolG, § 17 Bbg OBG § 9 HH SOG, § 70 MV SOG, § 18 NW OBG, § 5Sächs PolG und § 219 SchlH LVwG.

110

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

lung wurden diese Merkmale alternativ formuliert und wurde die Verantwortlichkeit aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft verselbständigt. Die Ausweitung auf andere Sachherren neben dem Eigentümer wurde ausschließlich mit praktischen Erfordernissen begründet. Verfassungsrechtlich argumentierte das PrOVG mit der heute kaum noch vertretenen und im Altlastenbeschluss ausdrücklich abgelehnten Figur schutzbereichsimmanenter Schranken der Rechte anderer und grenzte so bereits beim Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung Rechtssphären voneinander ab. Zur Herleitung und Begründung der Verantwortlichkeit des Sachherrn stellte es allein auf seine Beziehung zur Sache (Zuordnungsgesichtspunkte) und praktische Notwendigkeiten (Beherrschungsgesichtspunkte) ab: er vertrete die Sache auch sonst nach außen, er setze sich bereits durch den Besitz der schädigenden Sache mit dem Gemeinwohl in Kollision, ohne seine Pflichtigkeit könne eine geordnete menschliche Gemeinschaft schlechterdings nicht bestehen. Beim vierten, später nicht wieder aufgegriffenen Begründungsansatz unterlag es einem Zirkelschluss: der Sachherr habe sich gefahrbegründender Handlungen zu enthalten, Dritte zu kontrollieren und seine Sache zu überwachen; entstehe gleichwohl eine Gefahr, habe er eine dieser Primärpflichten verletzt und deshalb die Gefahr zu beseitigen – die Gefahrenabwehrpflicht wird also mit einer Gefahrverhinderungspflicht begründet, die ihrerseits einer Begründung bedürfte. Begründung und Grenzen der Verantwortlichkeit wurden ganz überwiegend ohne Rücksicht auf die Umstände der Gefahrentstehung und unabhängig von der subjektiven Haltung des Sachherrn bestimmt. Für die Begründung der Verantwortlichkeit spielte die Entstehung der Gefahr keine Rolle; nach anfänglichen Zweifeln in Fällen von Natureinwirkungen als Gefahrursachen hat sich das Verständnis durchgesetzt, wonach die Verantwortlichkeit ungeachtet der Ursachen der Gefahr oder Störung besteht. Mehrere Gerichte entschieden in diesem Sinne auch bei Kriegsschäden; einige stellten auf die außergewöhnliche Situation des Krieges oder einen allgemeinen Treuegedanken ab, und hielten die Verantwortlichkeitsregelungen deshalb für nicht anwendbar. Der Überblick über die Entstehung der Verantwortlichkeitsvorschriften bestätigt, dass die subjektive Haltung des Verantwortlichen zum Risiko der Gefahrentstehung oder zu den Eigenschaften der Sache unerheblich ist. Entscheidend ist allein die tatsächliche oder rechtliche Beziehung zur Sache. Als Grenzen anerkannt sind allein die tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Durchführung der aufgegebenen Maßnahme, wobei rechtliche Hindernisse gegebenenfalls durch Duldungsverfügungen beseitigt werden können. Sofern ausnahmsweise unter Rückgriff auf Treu und Glauben die Unzumutbarkeit einer Inanspruchnahme des Eigentümers erwogen wurde, stellte das Gericht ausschließlich auf die wirtschaftliche Situation des Eigentümers ab.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

111

() Ergebnis Die Auslegung der Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit unter Einbeziehung ihrer Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Anwendung in der Rechtspraxis hat ergeben, dass die Umstände der Gefahrentstehung und die subjektive Haltung des tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrn für die Begründung und die Grenzen der Verantwortlichkeit unerheblich sind. 281 Dann aber ist es nicht zulässig, derartige Kriterien über die behördliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Entscheidung über eine Inanspruchnahme einzubeziehen. Die Behörden sind nicht befugt, ihrer Entscheidung Kriterien zugrunde zu legen, wenn sie dazu nicht durch das einfache Recht oder die Verfassung berechtigt oder verpflichtet sind. Das einfache Recht ermächtigt nicht dazu, eine Verantwortlichkeit mit anderen Kriterien als der Beziehung zur Sache zu begründen282 oder zu begrenzen. 283 Das ist auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung möglich. „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen … dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn zu verleihen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen“.284 Eine Ergänzung ————— 281 So früher auch Papier, JZ 1994, 810-822/817: „Damit [mit den Restriktionsregelungen in § 21 Abs. 1 Nr. 5 und 6 des Hessischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes und in § 303 Abs. 5 S. 2 des Entwurfs eines UGB-BT, in denen eine Zustandshaftung dann ausgeschlossen wird, wenn der Verantwortliche beim Grundstückserwerb oder bei der Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft die Bodenbelastung weder kannte noch kennen musste] wird in einer dem Ordnungsrecht fremden Art und Weise zu stark und zu einseitig auf subjektive Komponenten abgestellt. Die ordnungsrechtliche Haftung ist keine irgendwie geartete Verschuldenshaftung“. 282 Vgl. Erler, Maßnahmen, S. 134 (zum verfassungs- und gesetzeslegitimen Zweck von Gefahrenabwehrmaßnahmen): „Den Polizeibehörden ist kein Spielraum der eigenständigen Dezision nach bestimmten wirtschaftssozial- oder gesellschaftspolitischen Zielen eingeräumt. Sie sind an die vorhandenen Ausprägungen des öffentlichen Interesses in der bestehenden Rechtsordnung gebunden und haben dafür den Nachweis zu führen“. 283 BVerfGE 82, 6-18/12 zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Auslegung: „Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar war“. Und bezogen auf Art. 14 GG BVerfGE 81, 29-34/32: „Hat dieser [der Gesetzgeber] in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gehandelt, ist es … auch Aufgabe der Gerichte, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck gekommene Interessenbewertung nachzuvollziehen“. 284 Ein Beispiel dafür gibt BVerfGE 90, 263-277/275: „Nach diesen Maßstäben ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 1598 zweiter Halbsatz BGB in dem Sinne, daß die Anfechtungsfrist für das volljährige Kind erst mit dessen Kenntnis von den für die Anfechtung erheblichen Umständen zu laufen beginnt, nicht möglich. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Sie regelt abschließend, daß die Anfechtung ‚nicht mehr zulässig‘ ist, wenn ‚seit dem Eintritt der Volljährigkeit‘ zwei Jahre verstrichen sind“.

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1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

einer nach dem Wortlaut eindeutigen Vorschrift um zusätzliche Merkmale, auf die es nach Wortlaut, Gesamtzusammenhang, Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht ankommt, überschreitet die Grenzen der Auslegung. (c) Aufgrund des einfachen Rechts (Bundes-Bodenschutzgesetz) Möglicherweise misst das BBodSchG den Umständen der Gefahrentstehung oder der subjektiven Haltung der Sachherren für die Zustandsverantwortlichkeit Bedeutung bei. Falls ja, könnten die diesbezüglichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, obgleich irrelevant für die im Altlastenbeschluss geprüften Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts, für eigentumsdogmatische Grenzen der bodenschutzrechtlichen Regelung bedeutsam sein. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 BBodSchG kommt es erneut auf die Beziehung zur Sache an – als aktuelle rechtliche oder tatsächliche Beziehung, als vermittelte Beziehung aufgrund rechtlicher Einstandspflicht für den Eigentümer oder als ehemalige Beziehung im Fall der Eigentumsaufgabe. Auf die Umstände der Gefahrentstehung oder die subjektive Haltung stellen die Regelungen – anders als für den früheren Eigentümer, bei dem ausdrücklich Anforderungen an die subjektive Haltung gestellt werden, – nicht ab. Systematisch lässt letzteres den Schluss zu, dass es für die anderen Verantwortlichen nicht auf die subjektive Haltung ankommen soll – anderenfalls hätte der Gesetzgeber für sie entsprechende Voraussetzungen aufgenommen oder aber bei allen für entbehrlich gehalten.285 Wie schon bei den nach Polizei- und Ordnungsrecht Verantwortlichen sprechen auch bei den bodenschutzrechtlich Verantwortlichen die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der Verhaltensund der Zustandsverantwortlichkeit gegen eine Berücksichtigung der Umstände der Gefahrentstehung beim Zustandsverantwortlichen.

————— VGH München, NZM 2003, 651-652/651: „Der Gesetzgeber hat die Gutgläubigkeit hinsichtlich des Fehlens einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast beim Grundstückserwerb ausdrücklich nur bei der Einführung der Einstandspflicht des früheren Eigentümers in § 4 Abs. 6 BBodSchG berücksichtigt (§ 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG). Das Bundesbodenschutzgesetz enthält für den jetzigen Eigentümer eines verunreinigten Grundstücks keine dem § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG entsprechende Vorschrift. Dies lässt – bei einer am Willen des Gesetzgebers orientierten Betrachtung – erkennen, dass hinsichtlich des jetzigen Eigentümers keine derartige Regelung eingeführt werden sollte“. Ebenso VG Frankfurt, NVwZ 2000, 107-110/109: „Dazu gilt zunächst, dass der Bundesgesetzgeber die Gutgläubigkeit hinsichtlich einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast beim Grundstückserwerb ausdrücklich nur als Maßstab bei der Einführung einer Einstandspflicht des früheren Eigentümers im Rahmen des § 4 Abs. 6 BBodSchG verwendet hat. Dies lässt – bei einer am Willen des Gesetzgebers orientierten Betrachtung – erkennen, dass hinsichtlich eines aktuellen Eigentümers nicht eine § 12 Abs. 1 Nr. 5 HessAltlastG vergleichbare Regelung eingeführt werden sollte, wonach auch dieser für den Fall, dass er eine beim Erwerb bestehende Verunreinigung weder kannte noch kennen musste, von der Pflicht zur Sanierung freigestellt sein sollte“. 285

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

113

Zweck der Regelungen ist die nachhaltige Sicherung und Wiederherstellung der Funktionen des Bodens.286 Wie schon im Polizei- und Ordnungsrecht liegt auch im Bodenschutzrecht dem Regelungszweck kein Sanktionsgedanke zugrunde. Auch hier gibt der Gesetzgeber nicht vor, Umstände der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne in die Abwägung einzubeziehen. Die Entstehungsgeschichte der bodenschutzrechtlichen Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit bestätigt den Befund, dass es für die vier Erstgenannten ebenso wie für die nach Polizei- und Ordnungsrecht Zustandsverantwortlichen auf die Umstände der Gefahrentstehung und ihre subjektive Haltung nicht ankommt. Ausweislich der Begründung des BBodSchG hat sich der Bundesgesetzgeber an den Regelungen der Landespolizei- und -ordnungsgesetze orientiert287 und in seiner Regelung die Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit übernommen. Zusätzliche, subjektiv gefasste Voraussetzungen wurden im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen,288 aber abgesehen von der Regelung über die Verantwortlichkeit früherer Eigentümer nicht in das Gesetz aufgenommen.289 Ebensowenig konnten sich Vorschläge zur Begrenzung des Ausmaßes der Kostenlast bei Vorliegen bestimmter subjektiv gefasster Voraussetzungen durchsetzen:290 Der von der Bundesregierung eingebrachte 291 und vom Bundestag beschlossene292 Entwurf hatte in Art. 1 § 25 Abs. 2 vorgesehen, dass der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Gründstück, die weder Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast waren noch bei der Begründung des Eigentums Kenntnis von der schäd-



————— 286

§ 1 S. 1 BBodSchG. Synoptische Darstellung der Genese der Zweckbeschreibung in den verschiedenen Entwürfen des BMU für ein BBodSchG bei Smeddinck/ Tils, Normgenese, S. 362 f. 287 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 22 (zu § 4): „Die Pflichten in § 4 Abs. 1 bis 3 sind eine spezielle Ausprägung der materiellen Polizeipflicht, die allen Polizeigesetzen der Länder zugrunde liegt. § 4 Abs. 1 und 2 entsprechen der präventiven Gefahrenabwehr in Form der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit, § 4 Abs. 3 beinhaltet die repressive Gefahrenabwehr, also die Störungsbeseitigung“. 288 § 8 Abs. 2 Nr. 5 des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Bodens von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, BT-Drs. 13/5203, S. 5: „Eigentümerinnen und Eigentümer, es sei denn, daß sie eine bestehende Verunreinigung beim Erwerb weder kannten noch kennen mußten …“. Ferner § 25 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BTDrs. 13/6701, S. 14. 289 Das stützt die oben in Fn. 285 zitierte Schlussfolgerung des VGH München, NZM 2003, 651652/651, und des VG Frankfurt, NVwZ 2000, 107-110/109, aus der speziellen, ausschließlich an den früheren Grundstückseigentümer gerichteten subjektiven Anforderung, dass subjektive Kriterien für die Verantwortlichkeit des aktuellen Eigentümers keine Rolle spielen. 290 Synoptische Darstellung der Genese der Regelung der Kostentragung in den verschiedenen Entwürfen des BMU für ein BBodSchG bei Smeddinck/ Tils, Normgenese, S. 458 f. 291

BT-Drs. 13/6701, S. 14 (§ 25 Abs. 2 S. 1).

292

BR-Drs. 422/97, S. 8 (§ 25 Abs. 2 S. 1).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

114

lichen Bodenveränderung oder Altlast oder den sie begründenden Umständen hatten oder hätten haben können,293 insoweit „nicht kostenpflichtig“ sein sollten, „als die Kosten der angeordneten Maßnahmen die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen“. Das sollte beim Eigentümer der Fall sein, soweit die zur Durchführung des Maßnahmen erforderlichen Kosten den Verkehrswert des Grundstücks (§ 194 des Baugesetzbuches) unter Berücksichtigung der durchgeführten Maßnahmen überstiegen. 294 Ansonsten wäre nach Auffassung der Gesetzesinitiatoren die in Art. 14 Abs. 2 GG normierte Sozialbindung überschritten worden.295 Der Bundesrat wollte das geändert wissen. Auch sein Vorschlag sah aber noch eine Beschränkung der Kostenlast vor: Nach § 25 Abs. 1 dieses Entwurfs sollten der „Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, der weder Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ist noch bei der Begründung des Eigentums Kenntnis von der schädlichen Bodenveränderung oder den sie begründenden Umständen hatte oder hätte haben können“, „insoweit nicht kostenpflichtig“ sein, „als die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine besondere Härte darstellen würde“. Dies sei „beim Eigentümer eines Grundstücks in der Regel der Fall, wenn das Grundstück der wesentliche Teil seines Vermögens ist“. Daneben schlug der Bundesrat eine Sonderregelung für die neuen Länder vor.296 Zur Begründung führte der Bundesrat an, „die Zustandsstörer-



————— 293 Das sollte nach der Begründung zu Art. 1 § 25 Abs. 2 des Regierungsentwurfs gegeben sein, „wenn die Gefährdung innerhalb des Risikobereichs des Grundstückseigentümers oder Besitzers entstanden ist“, BT-Drs. 13/6701, S. 46. Der Entwurf verwies dazu auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1990, NVwZ 1991, 475-476, – eine Parallelentscheidung zu dem vom Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss aufgehobenen Beschluss. 294 Begründung zu Art. 1 § 25 Abs. 2 des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 46: „Für den Grundstückseigentümer ist der Verkehrswert des Grundstücks entscheidend, wie er sich bei Anwendung des § 194 des Baugesetzbuches in Verbindung mit der Wertermittlungsverordnung ergibt. Dabei werden im Rahmen der Verkehrswertermittlung die für die Qualität des Grundstücks bedeutsamen durchgeführten Altlastensanierungsmaßnahmen berücksichtigt. Bei der Festsetzung der Kosten ist vom Verkehrswert ‚unter Berücksichtigung der durchgeführten Maßnahmen‘ auszugehen. Wenn sich nach Durchführung der Maßnahmen ergibt, daß die vollzogenen Altlastensanierungsmaßnahmen zu einem höheren Verkehrswert führen, als er fiktiv für den Zustand des Grundstücks ermittelt worden ist, kann die Behörde allerdings nachfordern. Sollte sich herausstellen, daß unter Berücksichtigung der durchgeführten Altlastensanierungsmaßnahmen der vorher errechnete Verkehrswert nicht erreicht wird, kann der Grundstückseigentümer insoweit Ersatz verlangen“. Hingegen sollte beim Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück „der Nutzen des Grundstücks individuell anhand der ihm vom Eigentümer eingeräumten Rechtsposition“ bestimmt werden, Begründung zu Art. 1 § 25 Abs. 2 des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 46. 295

Begründung zu Art. 1 § 25 Abs. 2 des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 46.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

115

haftung in § 25 Abs. 2 sollte nur soweit eingeschränkt werden, dass Grundstückseigentümer nicht in eine unbillige Opferposition gelangen“. Dabei sei „nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eigentümer zu differenzieren. Während die vorgesehene Haftung bis zur Höhe des Verkehrswertes des betroffenen Grundstücks für die Eigentümer eines Einfamilienhauses, das oftmals den wesentlichen Teil ihres Vermögens darstellt, eine existenzbedrohende Härte beinhaltet, ist dies etwa für ein größeres Unternehmen mit mehreren Firmenstandorten nicht zwangsläufig der Fall“.297 Die Bundesregierung stimmte diesem Vorschlag – zumindest nach der amtlichen Begründung – vor allem wegen der „Einfügung einer Vielzahl ungeklärter unbestimmter Rechtsbegriffe … (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, besondere Härte, wesentlicher Teil seines Vermögens), die den Vollzug belasten und für die Länder aufgrund der vorgesehenen Haftungsbeschränkung zusätzliche Kosten verursachen würden“, nicht zu.298 Auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses299 wurde schließlich die Gesetz gewordene Fassung ohne Beschränkung der Kostenlast verabschiedet.300



Auch die einfachgesetzlichen Regelungen zum Bodenschutz ermächtigen demnach mit Ausnahme der Regelung über den früheren Eigentümer nicht dazu, Gesichtspunkte der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne zur Begründung oder Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit anzuführen. (d) Ergebnis Die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer ist von Verfassungs wegen bei der Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Belastungen zu berücksichtigen. Erwägungen zu den Umständen der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung, also zur Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne, sind bei der Zustandsverantwortlichkeit weder von Verfassungs wegen noch aufgrund einfachrechtlicher Vorgaben anzustellen. Eine Ausnahme bildet insofern die bodenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers, die nach dem Gesetzeswortlaut von subjektiv formulierten Voraussetzungen abhängt. ————— 296 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 13/6701, S. 58 (Nr. 57); wortgleich im Verlangen des Bundesrates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses mit zu Eigen gemachter Empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 13/8182, S. 8 (Anlage A Nr. 26). 297 BT-Drs.13/6701, S. 58 (Begründung zu Nr. 57); BT-Drs. 13/8182, S. 8 (Begründung zu Anlage A Nr. 26). 298

Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/6701, S. 67 (Nr. 51).

299

Vgl. BT-Drs. 13/9637, S. 5 (Nr. 20 Buchst. a).

300

BR-Drs. 90/98.

116

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

(2) Anhaltspunkte für Belastungsgrenzen und Abwägung Steht fest, dass die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer bei der Bestimmung eigentumsrechtlich begründeter Grenzen von Verfassungs wegen zu berücksichtigen ist, ist damit noch nichts darüber gesagt, zu welchen Grenzen das führt. Die Gesetzgeber haben bei der Regelung der Zustandsverantwortlichkeit weder ausdrücklich bestimmt, wo die Grenze zwischen verhältnismäßigen und unverhältnismäßigen Belastungen verläuft, noch vorgegeben, wie die nach dem Gesetz für die Verantwortlichkeit maßgebenden Faktoren zu gewichten sind. Maßstäbe für die Ermittlung etwaiger Belastungsgrenzen müssen mithin der Verfassung entnommen werden. Mit guten Gründen ist schon in den Anfängen der Entwicklung eines verfassungsrechtlich begründeten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bezweifelt worden, dass sich der Verfassung rationale und verbindliche Maßstäbe für die Gewichtung und Abwägung kollidierender Interessen entnehmen lassen.301 Das Bundesverfassungsgericht hat dennoch in ständiger Rechtsprechung am Gebot angemessener Regelungen festgehalten302 und geht davon aus, die dadurch bezeichnete Abwägung kollidierender Interessen anhand verfassungsrechtlicher Maßstäbe kontrollieren zu können. Hier soll das Für und Wider nicht noch einmal grundlegend erörtert werden. Vielmehr soll auf der Grundlage der Annahme des Bundesverfassungsgerichts untersucht werden, ob sich die im Altlastenbeschluss aufgezeigten (Anhaltspunkte für) Belastungsgrenzen als Ergebnis einer Abwägung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben darstellen lassen.

————— 301 Schlink, Abwägung, S. 127-191. Nach der modifizierten Position kann eine Abwägung anhand einfachgesetzlicher Maßstäbe erfolgen – die Zweifel an der Kontrolle des Gesetzgebers bleiben bestehen, Schlink, EuGRZ 1984, 457-468/461 Fn. 29, ders., Grundsatz, S. 460-462 mit Fn. 34, sowie Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 293. Vorsichtiger Richterin Graßhof in ihrer abw. M. zum Cannabis-Beschluss in BVerfGE 90, 199-212/200: „Auf den beiden ersten Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung liegt der eigentliche Schwerpunkt: Sie konkretisieren die allgemeine und unspezifische Frage, ob eine Maßnahme verhältnismäßig ist, zu zwei bestimmten Anforderungen … Die dritte Stufe setzt demgegenüber weniger rationale Maßstäbe, wenn sie nach der Zumutbarkeit und Angemessenheit fragt. Sie dient daher in erster Linie der Korrektur offensichtlich unhaltbarer Ergebnisse“. 302 BVerfGE 90, 145-199/185: „Die dritte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat … gerade den Sinn, die als geeignet und erforderlich erkannten Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle im Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen. Die Prüfung am Maßstab des Übermaßverbots kann demgemäß dazu führen, daß ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel des Rechtsgüterschutzes nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Beeinträchtigungen der Grundrechte des Betroffenen den Zuwachs an Rechtsgüterschutz deutlich überwiegen, so daß der Einsatz des Schutzmittels als unangemessen erscheint. Daraus folgt, daß unter Umständen der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muß, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde“.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

117

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (der Angemessenheitsgrundsatz) Grundrechtseingriffe, die ihrer Intensität nach außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. 303 Gefordert wird eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn „rechtfertigenden Gründe“,304 verstanden als Gründe im ersten Sinn, d.h. Zwecke und dahinterstehende Interessen. Je wichtiger eine Maßnahme für die Allgemeinheit ist, je mehr sie dem Schutz höherwertiger Rechtsgüter dient, desto größere Opfer können dem Einzelnen abverlangt werden. 305 Erst wenn sich sagen lässt, das Interesse des Grundrechtsträgers, von dem Eingriff ganz oder teilweise verschont zu bleiben, überwiege generell oder ab einer bestimmten Belastung die Interessen der Allgemeinheit, ergeben sich aus der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Grenzen für eine Belastung des Grundrechtsträgers. Bezeichnend für die Abwägungsentscheidungen ist, dass entweder das Ziel um den Preis der Belastung des Grundrechtsträgers erreicht werden kann oder auf den Erfolg in Rücksicht auf die Belange des Grundrechtsträgers ganz oder teilweise verzichtet werden muss.306 Anhaltspunkt für die Belastungsgrenze des Eigentümers ist nach dem Altlastenbeschluss der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung. Die Grenze variiert je nach Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer: Überschreite das Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert, könne die Grenze höher liegen; bilde das Grundstück einen wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen und sei es Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie, könne die Grenze niedriger liegen. Als Ergebnis einer Abwägung lässt sich das nur dann fassen, wenn sich die ————— 303

BVerfGE 65, 1-71/54.

BVerfGE 67, 157-185/178; 100, 313-403/391. Vorbildlich im schrittweisen Vorgehen – Ermittlung der Eingriffsintensität und der verfolgten Gemeinwohlbelange mit anschließender Gegenüberstellung – in BVerfGE 100, 271-288/286 ff. (zur „Zumutbarkeit“ eines Eingriffs in die Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG). 304

305 306

BVerfGE 85, 360-385/378.

Unverhältnismäßig kann beispielsweise die Anordnung sein, einen um 3-6 cm in den Grenzabstand zum Nachbargrundstück hineinragenden Bau abzureißen, weil die mit dem Abriss verbundenen Nachteile groß, die Beeinträchtigung der durch die Abstandsregelungen geschützten Interessen geringfügig ist, OVG Lüneburg, BRS 40 Nr. 226 (S. 485-488/486 f.), dazu Ossenbühl, Jura 1997, 617-621/619 mit weiteren Beispielen. Auf den erstrebten Erfolg muss dann teilweise verzichtet werden. BVerfGE 90, 145-199/185: „Die Prüfung am Maßstab des Übermaßverbots kann demgemäß dazu führen, daß ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel des Rechtsgüterschutzes nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Beeinträchtigungen der Grundrechte des Betroffenen den Zuwachs an Rechtsgüterschutz deutlich überwiegen, so daß der Einsatz des Schutzmittels als unangemessen erscheint. Daraus folgt, daß unter Umständen der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muß, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde“.

118

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

(Anhaltspunkte für die) Grenzen aus der Gegenüberstellung der Eigentümerund Gemeinwohlinteressen ergibt. Ein Abwägungssatz für den konkreten Fall könnte beispielsweise lauten: Entfällt das Interesse des Eigentümers an einem künftigen Gebrauch des Grundstücks, weil die Sanierungskosten den Verkehrswert nach Sanierung oder sein diesen überschreitendes individuelles Interesse übersteigen, oder weil er es unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage nicht mehr halten kann, überwiegt das Interesse des Eigentümers das Interesse der Allgemeinheit an der Abwehr der von dem Grundstück ausgehenden Gefahren für Umwelt und Gesundheit. Das Eigentümerinteresse hätte danach ab einem bestimmten Ausmaß wirtschaftlicher Einbußen höheres Gewicht als das Interesse der Allgemeinheit, Gesundheit und Umwelt vor Schäden zu bewahren. So weit geht das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht, will und kann es auch nicht gehen, hält es doch im Ergebnis die Durchführung der Sanierung für unbedingt, also unabhängig vom Interesse des Eigentümers, für erforderlich. Umgekehrt misst es den Gemeinwohlbelangen des Gesundheits- und Umweltschutzes einen derart hohen Rang zu, dass sie das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Verwendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden, überwiegen.307 Dass dieses Abwägungsergebnis ab Erreichen einer bestimmten Belastungsgrenze umkippe, ist dem Altlastenbeschluss nicht zu entnehmen: das Bundesverfassungsgericht geht nicht davon aus, dass auf den Erfolg des erstrebten Gesundheits- und Umweltschutzes in Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers (teilweise) verzichtet werden müsse. Es stellt den weitreichenden Belastungen des Eigentümers bei Ermittlung der Grenzen nicht die Bedrohungen für die Gesundheit oder Umwelt gegenüber und erwägt nicht, ob die Grenzen je nach Grad der Bedrohung höher oder niedriger zu veranschlagen seien, was Ausdruck einer Abwägung wäre. Und es gibt den Behörden und Gerichten keine Maßstäbe für eine solche Interessengegenüberstellung an die Hand. Das Unverhältnismäßige wird vielmehr ausschließlich aufgrund einer Analyse der Interessen des Eigentümers, seiner wirtschaftlichen Situation, seines Einflusses auf die Gefahrentstehung und seiner subjektiven Haltung zum Risiko einer solchen ermittelt. Mit den Begriffen der Verhältnismäßigkeitsdogmatik gesprochen: Das Bundesverfassungsgericht bestimmt die Intensität der Belastung (zutreffend unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer und unzutreffend unter Berücksichtigung der Umstände der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung des Eigentümers), stellt dem aber nicht die Bedeutung und Dringlichkeit der Gemeinwohlinteressen gegenüber. Es gibt vor abzuwägen,

————— 307 BVerfGE 102, 1-25/18. Der VGH Mannheim, DÖV 2003, 421-423/421, schloss sich dieser Beurteilung des BVerfG jüngst an.

B. Verfassungsrechtliche Anforderungen: Verhältnismäßigkeit

119

bestimmt die Grenze aber losgelöst vom Zweck der Belastung und den dahinterstehenden Interessen. Nun mag eingewandt werden, die für Abwägungsentscheidungen bezeichnende Kollision gegenläufiger Interessen bedürfe bei der Zustandsverantwortlichkeit keiner Auflösung; das Ziel des Gesundheits- und Umweltschutzes könne vollständig erreicht werden, auch wenn die Belastung des Eigentümers begrenzt werde; anders als in Fällen, in denen das Ziel nur durch Belastung des in der Regelung bezeichneten Adressaten zu erreichen sei,308 könne der Staat bei der Gefahrenabwehr auf andere Personen zurückgreifen oder die erforderlichen Maßnahmen auf eigene Kosten vornehmen, um sein Ziel zu erreichen; er habe nicht über eine Kollision der Interessen des Eigentümers mit den Interessen der Allgemeinheit an Gesundheits- und Umweltschutz zu entscheiden, sondern über ihre Kollision mit dem Interesse der Allgemeinheit, die Kosten auf Einzelne überzuwälzen. Dieser Einwand ist aber nicht geeignet, die Bedenken gegen die Abwägungsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts auszuräumen. Vielmehr verdeutlicht er, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Ermittlung der Grenzen nicht weiterhilft. Die Kollision der Interessen des Eigentümers mit dem Interesse der Allgemeinheit, die Kosten auf Einzelne abzuwälzen, kann mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke für Freiheitsbeschränkungen nicht aufgelöst werden. Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne schützt den Träger eines Freiheitsgrundrechts davor, im Hinblick auf ein Regelungsziel belastet zu werden, hinter dem Gemeinwohlbelange stehen, die im Einzelfall die Interessen des Grundrechtsträgers nicht überwiegen.309 Es verlangt eine Beurteilung des Zweck-Mittel-Verhältnisses. Die Unverhältnismäßigkeit kann nur im Hinblick auf den Regelungszweck festgestellt werden.310 Sollen unabhängig vom Zweck Grenzen ermittelt werden, müssen sie unabhängig vom Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne begründet werden können. ————— 308

Beispiel in BVerfGE 100, 226-248/242.

Vgl. Reiland, VerwArch 66 (1975), 255-282/265: „Dem einzelnen sind um so größere Opfer zuzumuten, je mehr die Allgemeinheit Not leidet“. 309

310 Böckenförde, Lage, S. 53 f., spricht insofern vom Zweck des Gesetzes bzw. der Gesetzesnorm als einem „festen Bezugspunkt“ der „klassische[n] Verhältnismäßigkeit“ auf den hin sie „(relational) Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ bestimmt. Ihr, der dem Polizei- und Ordnungsrecht entstammenden klassischen Verhältnismäßigkeit, setzt er bei den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten – und nur bei ihnen – die „Angemessenheits-Verhältnismäßigkeit“ entgegen, bei der eine Abwägung fehle, es vielmehr darum gehe, „Vereinbarkeit, Ausgleich, angemessene Zuordnung mehrerer, auch gegenläufiger normativer Prinzipien zu erreichen“. Hirschberg, Grundsatz, S. 45-50, 75 u. 180, nennt in seinem Befund Fälle einer „zweckunabhängigen“ Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Seine Beispielsfälle stammen jedoch sämtlich aus dem Bereich des Straf-, Strafverfahrens- und Disziplinarrechts, die wegen des sie bestimmenden Sanktionsgedankens auf die Zustandsverantwortlichkeit nicht übertragbar sind.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

120

3. Ergebnis Die Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in ein Freiheitsrecht kann nur im Hinblick auf den Regelungszweck festgestellt werden. Das zur Verfolgung des Zwecks eingesetzte Mittel und der in die Pflicht Genommene dürfen in die Beschreibung des Zwecks nicht aufgenommen werden, soll die Leistungsfähigkeit der Verhältnismäßigkeitskontrolle erhalten bleiben. Erwägungen zu den Umständen der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung, also zur Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne, sind bei der Zustandsverantwortlichkeit weder von Verfassungs wegen noch aufgrund einfachrechtlicher Vorgaben anzustellen. Von Verfassungs wegen ist bei der Abwägung zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zwar die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine solche Abwägung aber nicht vor und entwickelt auch keine Maßstäbe für die Anwender, weil es die Grenzen unabhängig vom Gewicht des Grads der Betroffenheit der Gemeinwohlinteressen bestimmt.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit Zu erwägen ist, ob die Figur der Zumutbarkeit ermöglicht, unabhängig vom Gewicht der hinter dem Regelungszweck stehenden Gemeinwohlinteressen Grenzen für eine Belastung des Grundrechtsträgers zu entwickeln. Im Altlastenbeschluss wird nicht recht deutlich, ob das Bundesverfassungsgericht Angemessenheit und Zumutbarkeit gleichsetzt und beide als Grenzen im Hinblick auf den Regelungszweck verstanden wissen will oder ob es sie als unterschiedliche Schranken für Grundrechtsbeeinträchtigungen auffasst, von denen nur die Angemessenheitsgrenze eine Zweck-Mittel-Relation erfordert.311 Die Formulierung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lasse nur „im Hinblick auf den Zweck angemessene und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zu“,312 ist für beide Verständnismöglichkeiten offen. Im Folgenden wird zunächst der Umgang mit dem Zumutbarkeitskriterium in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgewährleistung untersucht. Besonders interessieren dabei die in die Ermittlung der Zumut————— Schon bei Hirschberg, Grundsatz, S. 24 f. findet sich der Befund: „Wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ieS oft, insbesondere in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in Zumutbarkeitsformulierungen ausgedrückt, so gibt es andererseits auch Entscheidungen, die sich auf die ‚Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit‘ berufen, so daß dem verwirrten Leser der Schluß nahegelegt wird, es handele sich um unterschiedliche Grundsätze“. Er bezeichnet es als „[u]nbefriedigend …, wenn neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ohne Erläuterung und daher jeglicher Interpretation offen ein Grundsatz der Zumutbarkeit herangezogen wird“, Hirschberg, Grundsatz, S. 101. 311

312

BVerfGE 102, 1-25/19 f.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

121

barkeitsgrenze einfließenden Gesichtspunkte und das Verhältnis zur Angemessenheitsgrenze. Anschließend werden Ansätze im Schrifttum zu einer eigenständigen Zumutbarkeitsgrenze untersucht. I.

Erste Entscheidungen zu Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit

In seiner ersten Entscheidung zu Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG 313 übertrug das Bundesverfassungsgericht die zu anderen Grundrechten314 entwickelten Grenzen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die gesetzliche Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Eine Eigentumsbeschränkung findet danach Motiv und Legitimation, Grund und Grenze in den mit ihr verfolgten öffentlichen Interessen.315 Den Begriff der Zumutbarkeit verwandte das Bundesverfassungsgericht in seiner Eigentumsrechtsprechung erstmals in der Entscheidung zum Tierzuchtgesetz – allerdings nur durch einen Verweis. Am Maßstab der Berufsfreiheit prüfte es, ob die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltenden Anforderungen, benannt mit dem Vorliegen eines öffentlichen Belangs als legitimes Ziel, dem Gebotensein der Regelung und der Zumutbarkeit für den Betroffenen, eingehalten waren, und verwies zu Art. 14 Abs. 1 GG auf diese Prüfung: „Unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG stellt sich die Vorschrift als eine reine Berufsausübungsregelung dar. Sie ist durch … ernährungspolitische Gründe gerechtfertigt und geht inhaltlich nicht über das Maß des Gebotenen und für den Tierhalter Zumutbaren hinaus (vgl. BVerfGE 7, 377/405 f.); die Bayerische Staatsregierung hat im einzelnen dargelegt, welch weites Feld züchterischer Möglichkeiten dem Landwirt und Tierhalter noch verbleibt. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG handelt es sich um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die aus den gleichen Gründen zulässig ist (vgl. BVerfGE 8, 71/80)“.316

————— 313 BVerfGE 8, 71-81 (Weinrebenanbau). Zu entscheiden war im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle über die Gültigkeit einer Bestimmung der „Anordnung des Verwaltungsamts des Reichsbauernführers über den Anbau von Weinreben“ von 1937, die den Weinrebenanbau einem Genehmigungserfordernis unterstellte. 314 BVerfGE 7, 198-230/210 f. (Lüth; zu Art. 5 Abs. 1 GG); 7, 320-326/323 u. 325 f. (Werbung für Nacktkultur; zu Art. 6 Abs. 2 GG); 7, 377-444/405 f. (Apotheken-Urteil; zu Art. 12 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht spricht im Apotheken-Urteil von einem „Gebot der Differenzierung“, das später als Drei-Stufen-Theorie zu einer spezifischen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Berufsfreiheit weiterentwickelt wurde. Bereits Gusseck, Zumutbarkeit, S. 102 f. hat darauf hingewiesen, dass in diesem Urteil die Zumutbarkeit auftaucht, „ohne daß der Gesichtspunkt weiter bestimmt oder wenigstens das Verhältnis zu anderen Grundsätzen – Verhältnismäßigkeit, Willkür- und Übermaßverbot – näher dargetan wird“. 315

BVerfGE 8, 71-81/80 – vollständiges Zitat oben in Fn. 1 (Seite 17).

BVerfGE 10, 55-59/58 f. In der kurz darauf ergangenen Entscheidung zur Anwartschaft auf Sterbegeld, BVerfGE 11, 221-231/231, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, bei Heraufsetzung des Beitragshöchstsatzes sei auch die soziale Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse der Versi316

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

122

Das Gericht sieht hier die Zumutbarkeit als Ausprägung der Verhältnismäßigkeit. Eine weitere Untergliederung der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen bei Eigentumsbestimmungen findet sich in den Entscheidungen zum Fiskusprivileg im Mieterschutzgesetz317 und zu Anbaubeschränkungen nach dem Weinwirtschaftsgesetz:318 „Inhalt und Schranken des Eigentums dürfen nicht in einer Weise bestimmt werden, die sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift (BVerfGE 14, 263/278; 18, 121/132). Eine Regelung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG steht, mit anderen Worten, unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 8, 71/80); die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muß zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und notwendig, sie darf nicht übermäßig belastend und deshalb unzumutbar sein“.319

Eine unzumutbare Einschränkung der Eigentümerbefugnisse steht hier einer übermäßig belastenden gleich. Als Elemente der Verhältnismäßigkeit bezieht sich diese einheitliche Grenze wie auch die Geeignetheit und Notwendigkeit (Erforderlichkeit) der Regelung auf den verfolgten Zweck.320 Zur Frage der Zumutbarkeit wird festgestellt, unerträgliche Härten für Einzelne Eigentümer könnten nach der gesetzlichen Regelung vermieden werden.321 ————— cherten gewahrt, sei die Fortführung ihrer Zusatzsterbegeldversicherung „nicht in unzumutbarer Weise“ erschwert. Geringfügige Erhöhungen der effektiven Beitragspflicht fielen auch beim Rentner angesichts der insgesamt erheblichen Leistungsverbesserungen in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten nicht ins Gewicht. Bei einer „ins Gewicht [fallenden]“ Belastung hätte das Bundesverfassungsgericht zu dieser Zeit freilich eine Enteignung angenommen, vgl. BVerfGE 11, 221-231/231 a.E. 317

BVerfGE 18, 121-133/132 (Fiskusprivileg im Mieterschutzgesetz).

318

BVerfGE 21, 150-160 (Weinwirtschaftsgesetz).

BVerfGE 21, 150-160/155. Ähnlich die gängige Formulierung in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Leistungsansprüchen und gesetzlichen Änderungen der Leistungsvoraussetzungen oder des Leistungsinhalts: „den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein“, BVerfGE 72, 9-25/23 (Verdopplung der Anwartschaftszeit bei Arbeitslosengeld ohne Übergangsregelung), 74, 203-218/214 f. (Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei pflichtwidriger Meldeversäumnis), 75, 78-107/98 (Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Renten wegen Berufs- und Erwerbsfähigkeit in der Sozialversicherung), und 76, 220-247/238 (Leistungsverkürzungen bei Unterhalts- und Übergangsgeld). 319

Die Formulierung in BVerfGE 21, 150-160/156, nach der die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Mittels der Anbaubeschränkung davon abhängen soll, „ob dieses Mittel – seine Geeignetheit vorausgesetzt – im rechten Verhältnis zu der Schwere der den Eigentümer treffenden Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit steht, mit anderen Worten, ob die Regelung notwendig – nicht durch eine andere Maßnahme ersetzbar – und für den Eigentümer zumutbar ist, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht“, ist insoweit missverständlich, weil es – wie die folgende Prüfung zeigt – auf das rechte Verhältnis des verfolgten Zwecks, nicht des Mittels, zur Schwere des Eingriffs ankommt. 320

321

BVerfGE 21, 150-160/159.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

123

In den zitierten Entscheidungen steht die Intensität der Belastung des Eigentümers bei der Frage der Zumutbarkeit im Vordergrund. Eine Abwägung mit den verfolgten Interessen findet – zumindest ausdrücklich – nicht statt. Allerdings waren die geprüften Eigentumsbeschränkungen nicht sehr intensiv, so dass eine übermäßige Belastung schon unter Hinweis auf verbleibende Möglichkeiten oder vorhandene Härtefallregelungen ausgeschlossen werden konnte. Ob das Gericht für die Beurteilung der Zumutbarkeit auch bei einer intensiveren Eigentumsbeschränkung ausschließlich und ohne Rücksicht auf das Gewicht der öffentlichen Interessen auf die Belastungsintensität abgestellt hätte, lässt sich deshalb nicht mit Sicherheit sagen. Wegen der Gleichstellung von Unzumutbarkeit und übermäßiger Belastung sowie der Verweise auf die Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung liegt eine Interpretation als zweckunabhängige Grenze aber eher fern. II. Unzumutbar, wenn hinreichend gewichtige Gemeinwohlgründe fehlen Die ersten Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die einer Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (zumindest zum Teil) nicht standhielten, waren solche des Urheberrechts. In seinem sog. Schulbuch-Beschluss vom 7. Juli 1971 hielt das Bundesverfassungsgericht eine Bestimmung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 insoweit für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, als die Vervielfältigung und Verbreitung (von Teilen) geschützter Werke ohne Zustimmung des Urhebers vergütungsfrei in Sammlungen für den Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch aufgenommen werden durfte, die Freigabe des Werkes also unentgeltlich zu erfolgen hatte. Es forderte „im Hinblick auf die Intensität der Beschränkung der urheberrechtlichen Stellung … ein gesteigertes öffentliches Interesse“, das nicht vorlag.322 Auch in seinem Beschluss vom 8. Juli 1971 zum Bearbeiter-Urheberrecht fehlte ein „legitimierender Grund“, ein legitimierendes öffentliches Interesse, und zwar für das Anknüpfen der Neuregelung des Beginns der Schutzfrist für alte Aufnahmen an einen Umstand, der zeitlich vor der Neuregelung lag und nach altem Recht für den Beginn der Schutzfrist rechtlich unerheblich war.323 Erst der dritte Urheberrechtsbeschluss 324 verbindet das Fehlen eines überwiegenden Gemeinwohlbelangs mit dem Zumutbarkeitskriterium. Nach einer Bestimmung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 sollte ein geschütztes Werk bei unentgeltlichen Veranstaltungen der Kirchen oder Religionsgesellschaften des ————— 322

BVerfGE 31, 229-248/243 ff.

BVerfGE 31, 275-295/292 u. 294. Das Gericht konnte „Gründe des öffentlichen Interesses …, die die Beschneidung [der geschützten] Rechte legitimieren“, nicht erkennen. 323

324

Kirchenmusik-Beschluss v. 25.10.1978, BVerfGE 49, 382-405.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

124

öffentlichen Rechts vergütungsfrei öffentlich wiedergegeben werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht sah darin insoweit einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, als das Vergütungsrecht ausgeschlossen war und stellte fest: „Eine übermäßige, durch den sozialen Bezug des Urheberrechts nicht geforderte Einschränkung kann nicht mit Art. 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden. …Nur solche Erwägungen des Gemeinwohls können den weitgehenden Ausschluß des Nutzungsrechts legitimieren, denen auch bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang vor dem grundrechtlich geschützten Anspruch des Urhebers zukommt. Solche überwiegenden Gründe des Gemeinwohls sind nicht erkennbar“.

Das Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu zeitgenössischer Kirchenmusik, dem durch den generellen Ausschluss des Zustimmungsrechts in ausreichender Weise Rechnung getragen werde, rechtfertige nicht, dem Urheber auch noch die vergütungsfreie öffentliche Werkwiedergabe „anzusinnen“. Auch aus anderen zur Rechtfertigung angeführten Gründen könne nicht gefolgt werden, dem Komponisten kirchlicher Musik sei eine honorarfreie Wiedergabe „zuzumuten“. 325 In allen drei Entscheidungen reichten die zur Rechtfertigung angeführten Gemeinwohlinteressen nicht aus, um die angegriffene weitreichende Beschränkung des Urheberrechts zu rechtfertigen. In der jüngsten der drei wird darin eine übermäßige, nicht zuzumutende Belastung gesehen. III. Verselbständigung des Zumutbarkeitsgedankens? 1. „Angemessen und zumutbar“ Die im Altlastenbeschluss aufgegriffene Formulierung, nach der der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur im Hinblick auf den Zweck „angemessene und zumutbare“ Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt, wählte das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Eigentumsgewährleistung, soweit ersichtlich, erstmals in seinem Urteil zur Arbeitnehmer-Mitbestimmung aus dem Jahr 1979.326 Darin leitete es unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG seit dem Weinrebenanbau-Beschluss 327 aus allgemeinen Grundsätzen zur Garantie des Eigentums, ab, Eigentumsbindungen müssten stets verhältnismäßig sein.328 Die Feststellung, die Intensität der Beschränkung der Anteilsrechte stehe zu dem Zweck des Mitbestimmungsgesetzes „in angemessenem Verhältnis“,329 begründete es durch eine vollständige Ver————— 325

BVerfGE 49, 382-405/401.

326

BVerfGE 50, 290-381 (Arbeitnehmer-Mitbestimmung).

327

BVerfGE 8, 71-81/80.

328

BVerfGE 50, 290-381/341.

329

BVerfGE 50, 290-381/350.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

125

hältnismäßigkeitsprüfung, in der es den verfolgten Gemeinwohlbelang bestimmte, feststellte, die Mitbestimmung könne „nicht als ungeeignet oder nicht erforderlich angesehen werden, diesen Zweck zu erreichen“, und mit der Erkenntnis schloss: „Die Beschränkungen, die sich aus dem Gesetz für den Eigentümer ergeben, erscheinen demgegenüber angemessen und zumutbar. In jedem Fall verbleiben der maßgebliche Einfluß und das Letztentscheidungsrecht den Anteilseignern. Von einer ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung des Vermögenswerts der Anteilsrechte und ihrer gesamtwirtschaftlichen Funktion kann … nicht ausgegangen werden. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist daher die Beschränkung der Anteilsrechte durch das Mitbestimmungsgesetz ebenfalls mit Art. 14 GG vereinbar“. 330

Wie in den frühen Entscheidungen stand die Intensität der Belastung des Eigentümers bei der Frage der Zumutbarkeit im Vordergrund und fand eine Abwägung mit den verfolgten Interessen nicht statt. Aber auch hier kam es angesichts der verbleibenden Befugnisse des Eigentümers nicht zum Schwur, ob das Gericht für die Beurteilung der Zumutbarkeit auch dann ausschließlich und ohne Rücksicht auf das Gewicht der öffentlichen Interessen auf die Belastungsintensität abgestellt hätte, wenn sie größer gewesen wäre. 2. „Angemessene und zumutbare Überleitungsregelungen“ Nebeneinander stehen Angemessenheit und Zumutbarkeit in einigen Entscheidungen zu Überleitungsregelungen. Im Nassauskiesungsbeschluss hielt das Bundesverfassungsgericht die Überleitungsregelung des Wasserhaushaltsgesetzes, nach der bestehende Nutzungsbefugnisse nach Ablauf einer gewissen Zeit entschädigungslos erloschen, für eine „angemessene und zumutbare“331 Regelung zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen; sie treffe „für Naßauskiesungen, die unter der Geltung des früheren Rechts begonnen wurden, eine angemessene und den Belangen des Betroffenen hinreichend Rechnung tragende Regelung“.332 Spätere Entscheidungen333, in denen das Bundesverfassungsgericht die zur Prüfung gestellten Überleitungsregelungen zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen ebenfalls für „angemessen und zumutbar“ hielt, stellten im Obersatz die beiden Begriffe als dem Anschein nach selbstständige Kriterien nebeneinander, prüften der Sache nach aber ausschließlich, ob Eigentumseingriff und Gesetzeszweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stan————— 330

BVerfGE 50, 290-381/351 (Hervorhebung durch den Verfasser).

331

Nassauskiesungsbeschluss vom 15. Juli 1981, BVerfGE 58, 300-353/351.

332

BVerfGE 58, 300-353/353.

333

BVerfGE 70, 191-214 (Fischereirechte), und BVerfGE 71, 137-146 (Fischereipacht).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

126

den,334 die vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlziele also gewichtig genug erschienen, vorhandene Eigentumspositionen einengend umzugestalten.335 3. „Verhältnismäßige und zumutbare“ Anforderungen an die Geltendmachung von Einwendungen Mit leicht abgewandelter Formulierung griff das Bundesverfassungsgericht das Nebeneinander bei der Prüfung der Anforderungen an die Geltendmachung von Einwendungen auf. In seinem Beschluss zur Präklusion im Atomrecht erkannte es keine Verletzung des Wesensgehalts eines Grundrechts, etwa des Art. 2 Abs. 2, Art. 12 oder Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, „weil die AtomanlagenVerordnung dem durch die künftige Genehmigung der Anlage in Rechten Betroffenen ermöglichte, durch fristgemäßes Vorbringen von Einwendungen verfahrensrechtliche wie materiellrechtliche Rechtsstellungen in bezug auf das Genehmigungsvorhaben ungeschmälert zu wahren, und die hierfür gestellten Anforderungen weder unverhältnismäßig noch unzumutbar gewesen seien“.336 In seinem Beschluss vom 26. April 1995 zur Präklusion im Gesamtvollstreckungsverfahren prüft es die Zumutbarkeit als Unterpunkt der Verhältnismäßigkeit.337 4. „Übermäßig belastend und unzumutbar“ Im Pflichtexemplar-Beschluss vom 14. Juli 1981, einer der insgesamt nicht sehr zahlreichen Entscheidungen, in denen eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht standhielt, variiert es im Obersatz die Formulierung zum Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Eigentumsbindungen: „Sie dürfen, gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck insbesondere nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen“.338

Die anschließende Prüfung unterscheidet nicht zwischen übermäßiger und unzumutbarer Belastung.339 Beides ist vielmehr das Ergebnis einer Abwägung ————— 334

BVerfGE 70, 191-214/212, und 71, 137-146/145.

335

BVerfGE 70, 191-214/211.

336

BVerfGE 61, 82-118/113 f. (Hervorhebungen durch den Verfasser).

337

BVerfGE 92, 262-277/273 f.

BVerfGE 58, 137-152/148. Identisch formuliert das Gericht in BVerfGE 62, 169-189/183 (Sperre von DDR-Guthaben), und 110, 1-33/28 (§ 73d StGB – erweiterter Verfall). 338

339 Eine solche Unterscheidung fordert Rohloff, Zusammenwirken, S. 158 ff. u. 213 f. u. 222, bei Sonderbelastungen eines Teils der von einer Regelung betroffenen Freiheitsgrundrechtsträger. Bemerkenswert ist, dass er die Zumutbarkeitserwägungen in diesem Zusammenhang als Gleichheitserwägungen identifiziert und von den (übrigen) Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit trennen

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

127

mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest: „Art. 14 Abs. 2 GG vermag nicht zu rechtfertigen, daß der Verleger eine solche Belastung im Interesse der Allgemeinheit tragen muß. … Dem Verleger zusätzlich noch die erheblich überdurchschnittlichen Herstellungskosten für ein Pflichtexemplar aufzubürden, widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Belange des betroffenen Eigentümers mit denen der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen und einseitige Belastungen zu vermeiden. … Die Abwägung zwischen der Intensität der Belastung und dem Gewicht der zu ihrer Rechtfertigung anzuführenden Gründe ergibt daher, daß bei wertvollen Druckwerken mit niedriger Auflage eine kostenlose Pflichtablieferung die Grenzen verhältnismäßiger und noch zumutbarer inhaltlicher Festlegung des Verlegereigentums überschreitet“.340

IV. Ausgleich der Interessen des Eigentümers und des Nutzers Um den Ausgleich der Interessen von Eigentümer und Nutzer einer Sache ging es in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zur Kleingartenpacht341, zum sachenrechtlichen Moratorium342 und zum Schuldrechtsanpassungsgesetz.343 In diesen vier Fällen verstießen die gesetzlichen Regelungen wenigstens teilweise gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. In zwei Fällen344 ging es dabei um Entgeltregelungen. Im ersten Kleingartenpachtbeschluss fehlten „Gründe im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG“, die das Regelungssystem des Kleingartenrechts in seiner damaligen Ausgestaltung, die einerseits keine Befristung der Vertragsdauer zuließ, andererseits die Kündigungsmöglichkeiten sehr eng begrenzte und gleichzeitig zu einem ungewöhnlich niedrigen Pachtzins führte, „unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ rechtfertigen konnten. Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertige „nicht eine übermäßige, durch die sozialen Belange nicht gebotene Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse“.345 Das „einseitige Übergewicht der Rechtsstellung des Pächters“ stehe mit dem



————— möchte. Anders als hier sieht er allerdings den Gleichheitssatz als (selbständige) SchrankenSchranke der Beeinträchtigung von Berufsfreiheit oder Eigentumsgarantie – dazu ausführlich unten im Dritten Teil. 340

BVerfGE 58, 137-152/149 f. (Hervorhebung durch den Verfasser).

BVerfGE 52, 1-42/29 (B. v. 12. Juni 1979 – Kleingartenpacht I), und 87, 114-151/138 (B. v. 23. September 1992 – Kleingartenpacht II). 341

342

BVerfGE 98, 17-49 (B. v. 8. April 1998 – Sachenrechtliches Moratorium).

343

BVerfGE 101, 54-105 (B. v. 14. April 1999 – Schuldrechtsanpassungsgesetz).

344

BVerfGE 87, 114-151/146 ff., und 98, 17-49/41 ff.

345

BVerfGE 52, 1-42/32 ff.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

128

verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang.346 –

Im zweiten Kleingartenpachtbeschluss formuliert das Bundesverfassungsgericht die gleiche Erwägung als Problem der Zumutbarkeit und sieht den Eigentümer durch die Pachtzinsbegrenzung „in unzumutbarer Weise belastet“.347 Das Regelungsziel, die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten vor der Verdrängung aus der Kleingartenpacht zu schützen, könne eine Pachtzinsbegrenzung dieses Ausmaßes nicht rechtfertigen.348



Nach dem sachenrechtlichen Moratorium hatten Nutzer im Beitrittsgebiet belegener Grundstücke gegenüber dem Grundstückseigentümer bis zur Durchführung der Sachenrechtsbereinigung kraft Gesetzes ein Recht zum Besitz, bis Ende 1994 aber, sofern nicht vertraglich vereinbart, kein Entgelt zu entrichten. Das Bundesverfassungsgericht erkannte darin eine einseitige Bevorzugung der Nutzer und eine einseitige Belastung der Grundstückseigentümer ohne vertraglichen Anspruch. Ein gerechter Ausgleich, der die Interessen von Grundstückseigentümern und -nutzern, wie nach dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten, in ein angemessenes Verhältnis bringe, könne darin grundsätzlich nicht gesehen werden. 349



Nach dem Beschluss zum Schuldrechtsanpassungsgesetz genügte die Kündigungsschutzregelung dieses Gesetzes, nach dem Rechtsverhältnisse über die Nutzung fremder Grundstücke, die in der DDR begründet wurden, bis Ende 1999 überhaupt nicht ordentlich, ab Anfang 2000 nur aus besonderen Gründen und erst ab 4. Oktober 2015 nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen gekündigt werden konnten bzw. hätten können, „nur zum Teil den an einen gerechten Interessenausgleich zu stellenden Anforderungen“. Das Regelungskonzept führe „nicht durchweg zu einem angemessenen, die Eigentümerbelange hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich“. 350 Die Regelung könne insoweit keinen Bestand haben, als sie „dem Eigentümer für besonders große Erholungs- und Freizeitgrundstücke, die der Nutzer bis zum 16. Juni 1994 bebaut hat, nicht die Möglichkeit einer Teilkündigung eröffnet. Gerade wenn es dem Grundstückseigentümer grundsätzlich zugemutet wird, im Interesse des Nutzers auf die eigene Nutzung und anderweitige Verwertung des eigenen Grund und Bodens unter Umständen auf Lebzeiten zu verzichten, ist es verfassungsrechtlich geboten, ihm den

————— 346

BVerfGE 52, 1-42/36.

347

BVerfGE 87, 114-151/148.

348

BVerfGE 87, 114-151/149.

349

BVerfGE 98, 17-49/42.

350

BVerfGE 101, 54-105/76 f.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

129

Zugang zu einer solchen Nutzung und Verwertung zu ermöglichen, soweit dies ohne nachhaltige Beeinträchtigung der Nutzerinteressen oder von Gemeinwohlbelangen geschehen kann“.351 Auch in Bezug auf Garagengrundstücke sei die Kündigungsschutzregelung teilweise mit Art. 14 GG unvereinbar. Zwar sei die mit dem absoluten Kündigungsschutz bis Ende 1999 verbundene Belastung dem Grundstückseigentümer „noch zumutbar“. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Grundstückseigentümer darüber hinaus drei weitere Jahre auf besondere Kündigungsgründe zu beschränken, führe aber „zu einer einseitigen, die Interessen der Grundstückseigentümer nicht mehr hinreichend berücksichtigenden und deshalb verfassungsrechtlich unzulässigen Bevorzugung der Grundstücksnutzer“. 352 Für die Auslegung und Anwendung eigentumsbeschränkender Vorschriften durch die Gerichte forderte das Bundesverfassungsgericht in drei weiteren Entscheidungen zum Ausgleich zwischen den Interessen von Eigentümer und Mieter einer Wohnung,353 „die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck gekommene Interessenabwägung zu beachten und nachzuvollziehen“.354 In allen drei Entscheidungen sah es die im Gesetz zum Ausdruck gekommene Interessenabwägung zu Lasten des Eigentümers verschoben. In der jüngsten sah es den Eigentümer durch die Gesetzesauslegung und -anwendung in dem von ihm angegriffenen Urteil unverhältnismäßig, übermäßig und nicht zumutbar belastet, ohne zwischen den drei Begriffen erkennbar zu unterscheiden: „Die Begründung, die … [Eigentümerin] habe keinen Wohnraumbedarf, weil sie bereits in einem Wohnheim ‚angemessen und würdig‘ untergebracht sei, und weil der Wunsch nach Betreuung durch die eigene Tochter und eine Pflegerin im eigenen Hause unerheblich sei, bedeutet eine einseitige Benachteiligung der Belange des Vermieters. Diese steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang und führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung der … [Eigentümerin]. Mit der Begründung, berechtigter Eigenbedarf liege nicht vor, da der unfreiwillige – von ihrem Willen unabhängige – Verlust des Wohnheimplatzes nicht zu befürchten stehe, wird ihr die Möglichkeit des privatnützigen Eigentumsgebrauchs durch Voraussetzungen verwehrt, auf deren Eintritt sie keinen Einfluß hat. Eine Gesetzesauslegung, die zu einem solchen Ergebnis führt, steht mit der Eigentumsgarantie nicht in Einklang und führt zu einer übermäßigen, nicht zumutbaren Belastung des Eigentums“.355

————— 351

BVerfGE 101, 54-105/84 f.

352

BVerfGE 101, 54-105/92.

BVerfGE 37, 132-149 (Erstes Wohnraumkündigungsschutzgesetz); 53, 352-362 (Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz); 68, 361-375 (Eigenbedarfskündigung I). 353

354 BVerfGE 68, 361-375/373. Ähnlich formulierten zuvor BVerfGE 37, 132-149/148, und 53, 352-362/357. 355

BVerfGE 68, 361-375/374 f. (Hervorhebungen durch den Verfasser).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

130

V. Aushöhlung des Kernbereichs und Unzumutbarkeit In einem Beschluss aus dem Jahr 1999356 erklärte das Bundesverfassungsgericht eine Bestimmung (§ 13 Abs. 1 S. 2) des rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und -pflegegesetzes (DSchPflG)357 für verfassungswidrig, weil sie die Genehmigung zum Abbruch eines geschützten Kulturdenkmals allein dann zuließ, wenn Erfordernisse des Gemeinwohls die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege überwogen, ohne die Interessen des Eigentümers zu berücksichtigen. Die Begründung wechselt, ohne in der Sache einen Unterschied zu machen, von Formulierungen, die an eine generell unzulässige Aushöhlung des Kernbereichs der Eigentumsgarantie erinnern, zu Zumutbarkeitsund Verhältnismäßigkeitserwägungen: „Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann, wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen ‚Eigentum‘ nicht mehr verdient. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar. … Die Verfassungswidrigkeit von § 13 Abs. 1 S. 2 DSchPflG folgt bereits daraus, daß die Norm unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließt und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthält“.358

VI. Unzumutbarkeit und andere Prüfungsebenen Gelegentlich spricht das Bundesverfassungsgericht von Unzumutbarkeit, wenn es eine Eigentumsbestimmung oder deren Auslegung und Anwendung für unvereinbar mit einer früheren Stufe des Verhältnismäßigkeitsgebots hält (1. und 2.). Vereinzelt ist ein Unterschied zu Gleichheitserwägungen nicht zu erkennen (3.).

————— 356

BVerfGE 100, 226-248.

357

Rheinland-pfälzisches Landesgesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler (Denkmalschutz- und -pflegegesetz – DSchPflG) vom 23. März 1978 (GVBl. 159). § 13 Genehmigung von Veränderungen, Anzeigen von Instandsetzungen. „(1) 1Ein geschütztes Kulturdenkmal darf nur mit Genehmigung 1. zerstört, abgebrochen, zerlegt oder beseitigt, 2. umgestaltet oder sonst in seinem Bestand verändert, 3. in seinem Erscheinungsbild nicht nur vorübergehend beeinträchtigt, 4. von seinem Standort entfernt werden. 2Im Falle der Nummer 1 darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn andere Erfordernisse des Gemeinwohls die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege überwiegen; hierbei ist zu prüfen, ob den überwiegenden Erfordernissen des Gemeinwohls nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann“. 358

BVerfGE 100, 226-248/243.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

131

1. Kein legitimer Zweck Die Deutsche Bundesbank hatte in der DDR lebenden Deutschen unter Berufung auf besatzungsrechtliche Vorschriften die freie Verfügung über ihre Konten in der Bundesrepublik Deutschland für Zwecke des nichtkommerziellen Zahlungsverkehrs359 – letztinstanzlich bestätigt – untersagt, indem sie ihnen eine devisenrechtliche Genehmigung für Zahlungen von ihrem Konto an eine Firma in Dänemark zum Erwerb eines in der DDR hergestellten Personenkraftwagens sowie zum Erwerb einer Fahrerlaubnis über die GENEX-Geschenkdienst GmbH in Berlin (Ost) versagte. Das Bundesverfassungsgericht betonte, das Ziel der Regelung selbst und die Mittel, mit denen es verfolgt werde, müssten mit der Verfassung in Einklang stehen. Es hielt einen der mit der besatzungsrechtlichen Vorschrift verfolgten Zweck für verfassungswidrig.360 Um das zu begründen, geht es ohne Not auf die (fehlende) Angemessenheit des zu diesem Zweck eingesetzten Mittels und seine Unzumutbarkeit für den Eigentümer ein: „Es verstößt … gegen Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, wenn mit der Anwendung [der besatzungsrechtlichen Vorschrift] das Ziel verfolgt wird, dem Prinzip der Gegenseitigkeit im Verhältnis zur DDR zum Durchbruch zu verhelfen. Das Gegenseitigkeitsprinzip selbst ist nicht zu beanstanden.361 Die Folgen, zu denen die Verfolgung einer solchen Zielsetzung führt, lassen sich … nur rechtfertigen, wenn auch die hierfür eingesetzten Mittel angemessen sind. … Das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) darf jedoch nicht als ‚Faustpfand‘ für die berechtigten Anliegen anderer verwendet werden.362 … Es ist der Beschwerdeführerin nicht zuzumuten, auf die Ausübung ihres Grundrechtes aus Art. 14 Abs. 1 GG deshalb zu verzichten, weil andere Grundrechtsträger ebenfalls nicht in der Lage sind, über ihr Eigentum frei zu verfügen“.363

2. Ungeeignetheit In einer Entscheidung zur Zweckentfremdungsabgabe gab das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen Urteile statt, nach denen die behördliche Genehmigung zur Zweckentfremdung von (veraltetem) Wohnraum mittels Abbruch mit der Festsetzung einer Abstandssumme verbunden werden durfte, wenn und obwohl an gleicher Stelle neuer, frei finanzierter Wohnraum mit größerer Gesamtfläche und nicht zu aufwendigem Standard errichtet werden sollte. Eine solche Handhabung der Zweckentfremdungsvorschriften sei von ————— 359

„Unter nichtkommerziellem Zahlungsverkehr wird der Teil des innerdeutschen Zahlungsverkehrs verstanden, der nicht dem innerdeutschen Handel zuzuordnen ist“, BVerfGE 62, 169-189/170. 360

BVerfGE 62, 169-189/183 u. 185.

361

Daran wird deutlich, dass ein Zweck nicht per se legitim oder illegitim sein muss, sondern es auch bei der Frage des legitimen Zwecks darauf ankommt, ob er gerade in dem geregelten Bereich verfolgt werden darf. 362

BVerfGE 62, 169-189/185 f.

363

BVerfGE 62, 169-189/188.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

132

dem durch das Mietrechtsverbesserungsgesetz von 1971 geregelten Sachbereich „nicht geboten und stellt damit eine unverhältnismäßige Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Eigentümers dar“. 364 Dass eine vom Sachbereich nicht gebotene Regelung bereits ungeeignet und nicht erst unangemessen ist, verdeutlichen die nachfolgenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts: „In jedem Falle sind es allein die von dem Vorhaben ausgehenden Nachteile für die Wohnraumversorgung, die im Blick auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Grund, aber auch die Grenze kompensatorischer Entscheidungen zu Lasten des Eigentümers bilden. … Mit der Bundesregierung ist davon auszugehen, daß wesentliche Nachteile dieser Art nicht zu erwarten sind, wenn anstelle alter Wohnungen frei finanzierter Wohnraum, der kein Luxuswohnraum ist, mit größerer Gesamtfläche errichtet wird“. 365

Die Versagung einer Abbruchgenehmigung bzw. die Erteilung einer solchen unter Zahlungsauflage ist nicht geeignet, Nachteile für die Wohnraumversorgung auszugleichen, weil Nachteile nicht zu befürchten sind.366 3. Gleichheitswidrigkeit In einem Urteil aus dem Jahr 1999 zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschland klingt der Prüfungsmaßstab des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zunächst nach einer eigenständigen Zumutbarkeitsprüfung: „Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG läßt es … nicht zu, daß die Umstellung mit Einbußen einhergeht, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen und Eigentumspositionen in unzumutbarer Weise schmälern“.367

Es stellt „unter diesem Gesichtspunkt“ fest, dass die Ersetzung der Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche Versorgungsleistung wie auch die Absenkung des Sicherungsniveaus „den Bezug zur persönlichen Arbeitsleistung [wahren] und … den Renten grundsätzlich ihre existenzsichernde Funktion [erhalten]“. Die Überführung als Ganzes diene einem wichtigen Gemeinwohlbelang, die Erstreckung der Beitragsbemessungsgrenze auf die überführten Leistungen sei durch die Entscheidung zugunsten der verfassungsrechtlich zulässigen Eingliederung in die Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland vorgeprägt.368 Anschließend prüft es die Verhältnismäßigkeit der Belastung 369 ————— 364

BVerfGE 55, 249-261/258.

365

BVerfGE 55, 249-261/259.

366

Zur Ungeeignetheit einer Regelung, die an ein Merkmal anknüpft, das nicht sicherstellt, dass die belastende Folge nur in solchen Fällen eintritt, die nach dem Gesetzeszweck geregelt werden sollen: BVerfGE 100, 59-104/98 u. 101 (Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR II). 367

BVerfGE 100, 1-59/40.

368

BVerfGE 100, 1-59/40 f.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

133

und wechselt dabei ohne erkennbare Unterscheidung zwischen den Begriffen „unverhältnismäßig“ und „nicht mehr zumutbar[]“: „Nach dem Ende der … Übergangsphase konnte sich der Gesetzgeber, ohne diesen Personenkreis unverhältnismäßig zu belasten, nicht mehr auf die weite Gestaltungsfreiheit berufen, die ihm bei Übergangsregelungen zukommt. Der Verzicht auf die Dynamisierung der Leistungen würde sonst einen für die Betroffenen nicht mehr zumutbaren Eingriff in ihre eigentumsgeschützten Ansprüche bewirken“. 370

Zur Begründung verweist es dann jedoch auf Gesichtspunkte, die sich in die Eigentums- und Verhältnismäßigkeitsdogmatik nicht fügen, weil sie von einer (übermäßigen) Minderung des Werts einer Position ausgehen, obgleich der Wert als solcher eigentumsrechtlich gar nicht geschützt ist,371 und sich das Übermaß der „Belastung“ nur aus dem Vergleich mit der Behandlung anderer ergeben kann: „Unterbliebe die Dynamisierung für die Bestandsrentner aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, käme dies der Beseitigung ihrer relativen versorgungsrechtlichen Position gleich. Der Wert ihrer Ansprüche würde sich stetig auf einen Bruchteil seines ursprünglichen Wertes verringern. Wer … noch im Zeitpunkt des Beitritts etwa das Achtfache einer Durchschnittsrente bezog, wäre schließlich auf das 1,8fache herabgestuft“.372

Zutreffend hätten diese Erwägungen allein – und nicht bloß wiederholend373 – bei der anschließenden Gleichheitsprüfung angestellt werden dürfen. VII.Würdigung Was leistet ein Überblick wie der vorstehende über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Unzumutbarkeit oder Zumutbarkeit von Belastungen des Eigentümers? Kann es für einen verfassungsdogmatischen Erklärungsversuch darauf ankommen, ob das Bundesverfassungsgericht schon einmal in dieser oder anderer Weise entschieden hat? ————— 369

BVerfGE 100, 1-59/41 ff.

370

BVerfGE 100, 1-59/43 (Hervorhebungen durch den Verfasser).

371

BVerfGE 97, 350-377/371 (Europäische Währungsunion), und 105, 17-48/30 (Sozialpfand-

brief). 372

BVerfGE 100, 1-59/43 (Hervorhebungen durch den Verfasser).

BVerfGE 100, 1-59/46: „Die Ungleichbehandlung wäre jedoch verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Personen mit Ansprüchen aus Versorgungssystemen, die in der Deutschen Demokratischen Republik ein höheres Einkommen bezogen haben, für lange Zeit oder auf Dauer auf den garantierten Zahlbetrag des Einigungsvertrages verwiesen wären, ohne daß dieser Betrag dynamisiert würde. Es besteht kein hinreichend gewichtiger Grund, Bestandsrentner aus der Deutschen Demokratischen Republik im Hinblick auf die Anpassung ihrer Renten unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehörten und ihr Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze überschritt oder ob sie nur in der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung versichert waren“. 373

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

134

Jedenfalls beeinflusst es den Begründungsaufwand und die Begründungslast. Liegen Entscheidungen vor, die Maßstäbe für die Begründung von Verfassungsverstößen entwickelt und angewandt haben, und lassen sie nach Zahl und Bedeutung möglicherweise sogar den Schluss zu, dass es sich um eine gefestigte Rechtsprechung handelt, so können sich neuere Entscheidungen mit einem Verweis auf die frühere Rechtsprechung begnügen374 und kann eine verfassungsdogmatische Erklärung durch Einordnung in den größeren Zusammenhang dieser Entscheidungen erfolgen. Das ist nicht möglich, wenn sich den Entscheidungen keine einheitliche Linie entnehmen lässt. Ebenso, wenn es sich um eine neue Begründungsfigur oder einen neuen Umgang mit ihr handelt. Der vielgesichtige Einsatz des Zumutbarkeitskriteriums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann leicht den Eindruck vermitteln, es fehle an einem einheitlichen Begriff der Zumutbarkeit. 375 Bei einer Gesamtschau verbleiben Unsicherheiten, ob das Bundesverfassungsgericht allein einen sprachlichen oder auch einen sachlichen Unterschied zwischen Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit machen will.376 Diese Unsicherheiten können auch hier nicht beseitigt werden, lassen sich aber eingrenzen, indem die Entscheidungen in Fallgruppen aufgeteilt werden, die einheitliche Linien aufzeigen. 1. Fallgruppen Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich vier Fallgruppen zuordnen: Grundrechtsschutz durch Verfahren, Vertrauensschutz, Verpflichtung zur (Nutzungs-) Überlassung und sonstige Fälle.

————— 374 So verfährt das Bundesverfassungsgericht regelmäßig bei der Entscheidung, ob die in einer Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Grundrechtsfragen im Sinne des § 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“ haben, BVerfGE 90, 22-27/24 f., und 96, 245-250/248. 375 Albrecht, Zumutbarkeit, S. 79 f., spricht von „‚Zumutbarkeit‘ als untechnische[m] Verlegenheitsbegriff“, der „methodisch gesehen keine spezifische (verfassungs- und grundrechtsbezogene) Funktion“ habe und dessen sich das Bundesverfassungsgericht hauptsächlich bediene, „um einen bestimmten Zustand, ganz gleich welcher Art, als unannehmbar herauszustellen“. Als Ergebnis seiner Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hält er fest (S. 97 f.): In den Entscheidungen, in denen der Zumutbarkeitsgedanke „in einem völlig vom Verhältnismäßigkeitsgedanken losgelösten Sinne“ gebraucht werde, sei die Zumutbarkeit „quasi ein Verlegenheitsbegriff …, der keine faßbaren Grenzen aufweist“. Schlink, Grundsatz, S. 452, pflicht dem bei: „Der Begriff der Unzumutbarkeit … dient mal als Synonym für die Unverhältnismäßigkeit allgemein, mal als Synonym für die Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinn und mal auch als ein Begriff, unter dem mehr oder weniger offensichtliche Ungerechtigkeiten aller Art erfaßt werden“. 376

Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 60.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

135

a) Grundrechtsschutz durch Verfahren Unter dem Stichwort Grundrechtsschutz durch Verfahren 377 lassen sich die Präklusionsfälle (oben unter III.3.) zusammenfassen. Das Bundesverfassungsgericht hat seit den 70er Jahren betont, dass die Garantiefunktion des Art. 14 Abs. 1 GG „auf das zugehörige Verfahrensrecht ein[wirkt]“378 und der Grundrechtsschutz „tatsächlich wirksam[]“sein müsse.379 Wenn es in diesem Zusammenhang von einer (un-)zumutbaren Ausgestaltung des Verfahrens spricht, meint das die Berücksichtigung der Belange des Eigentümers, abgewogen nicht mit den mittels der materiellen Regelung verfolgten Gemeinwohlbelangen generell, wie es die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geforderte ZweckMittel-Relation erfordert, sondern mit verfahrensbezogenen Gemeinwohlbelangen, z. B. der Rechtssicherheit. 380 b) Vertrauensschutz Das Stichwort Vertrauensschutz bezeichnet die Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht das Fehlen einer Überleitungsregelung für unzumutbar hielt (oben unter III.2.). Das Zumutbarkeitserfordernis führt hier weder zu einer weiteren Erforderlichkeitsprüfung anhand der Frage, ob das Ziel ebensogut mit einer generell oder abgestuft aufgeschobenen Belastung der Grundrechtsträger erreicht werden kann, noch zu einer vollständigen Abwägung der Belastung mit den Gemeinwohlbelangen.381 Es beschränkt sich auf eine Gegenüberstellung der Interessen unter Gesichtspunkten des Zeitablaufs: Vertrauensschutz des Grundrechtsträgers gegenüber Dringlichkeit der vollständigen Verwirklichung der Zwecke.

————— 377

Grundlegend dazu Goerlich, Grundrechte.

378

BVerfGE 46, 325-337/334, und 49, 220-228/225.

379

BVerfGE 49, 220-228/225.

Zum gerichtlichen Verfahren BVerfGE 10, 264-271/267 f. Danach sind die Schranken des Rechtsschutzes, die regelmäßig Rechtssicherheit verbürgen sollen, mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unvereinbar, „wenn durch solche Normen der Weg zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert würde“. Diese Formulierung wurde vom Bundesverfassungsgericht wiederholt aufgegriffen, BVerfGE 40, 272-276/274 f.; 41, 23-28/26; 53, 115-135/127. In BVerfGE 53, 115-135/127 f., verankert es das Gebot lückenlosen und wirksamen Rechtsschutzes zusätzlich in den materiellen Grundrechten und erläutert die unzumutbare Erschwerung des Zugangs durch „unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse“. 380

381 Schon Schlink, Abwägung, S. 76 ff., erkannte in dem Problem der Überleitungsregelung einen durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht bewältigten Problemrest. Sein Hinweis auf den Schutz einer Mindestposition vermag aber nicht zu erklären, warum eine Mindestposition lediglich dann Schutz verdient, wenn sie bereits betätigt wurde. Selbst wenn die Beschränkung auf Besitzstandsschutz akzeptiert wird, bleibt das Problem, das Überleitungsregelungen zeitlich beschränkt sind und sein sollen. Dafür, dass die Mindestposition im Laufe der Zeit ihre Schutzwürdigkeit einbüßt und warum sie das tut, bleibt Schlinks Modell eine Erklärung schuldig.

136

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

In den ersten beiden Fallgruppen ergeben sich die Abweichungen von der strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle zusammengefasst daraus, dass besondere Gewährleistungsgehalte der Grundrechte (der grundrechtliche Verfahrensschutz) oder des Rechtsstaatsprinzips (das Vertrauensschutzprinzip) in die Prüfung einbezogen werden. c) Überlassungsverpflichtung Verpflichtungen, anderen die eigenen Sachen, Rechte oder ihre Nutzung zu überlassen, waren Gegenstand der oben unter II., III.4. und IV. geschilderten Entscheidungen. Gemeinsam ist den zugrundeliegenden Sachverhalten, dass für das Überlassen der Sachen oder Rechte oder ihrer Nutzung gewöhnlich eine Vergütung erwartet werden kann. Das gilt für das Ermöglichen der Nutzung eines urheberrechtsgeschützten Werkes und für das Überlassen eines Druckwerks ebenso wie für das Vermieten einer Sache. Die Entscheidungen zum Urheberrecht (II.) zeigen am deutlichsten, dass deshalb bei sorgfältiger Prüfung zwei Eingriffe zu rechtfertigen sind bzw. gewesen wären: der Eingriff in das Recht zu entscheiden, ob und ggf. an wen der Eigentümer seine Position ganz oder teilweise überlassen will (Verfügungsrecht), und der Eingriff in das Recht zu entscheiden, zu welchen Konditionen, besonders zu welchem Preis, das geschehen soll (Verwertungsrecht).382 Beide Eingriffe müssen verhältnismäßig sein. Bei einer daran orientierten Prüfung wird deutlich, dass sich die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen in die herkömmliche Verhältnismäßigkeitsprüfung fügen. Beim Schuldrechtsanpassungs-Beschluss, beim ersten Kleingartenpacht-Beschluss und bei den Beschlüssen zur Anwendung von Kündigungsschutzbestimmungen erwiesen sich bereits die Eingriffe in das Verfügungsrecht als unverhältnismäßig: die weitreichende Begrenzung der Möglichkeiten zur Beendigung des Nutzungsverhältnisses war im ersten Fall nicht erforderlich, weil der bezweckte Schutz des Interesses an einer weiteren Nutzung und damit zugleich der im Vertrauen auf den Fortbestand getätigten Investitionen auch dann und mit gleicher Eignung erreicht wird, wenn bei großen Grundstücken ————— 382 Das Bundesverfassungsgericht sieht die zwei Kategorien von Nutzungsbefugnissen – bezeichnet als Verbots- bzw. Zustimmungsrecht und vermögensrechtliches Verwertungsrecht bzw. Vergütungsanspruch, BVerfGE 49, 382-405/393, 395, 399 f. u. 401, – als Besonderheiten des Urheberrechts gegenüber anderen Schutzgütern von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, vgl. BVerfGE 79, 29-47/41 f.: „Die unterschiedliche Behandlung von Sach- und geistigem Eigentum ist wegen der tatsächlichen Verschiedenheit gerechtfertigt. Bei der Lieferung von Sachen und der Erbringung von Dienstleistungen ist die unmittelbare Zuordnung zwischen Gebendem und Nehmendem schon durch den Lebensvorgang vorgegeben. … Hier geht es jedoch um die im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorzunehmende Zuordnung des wirtschaftlichen Ergebnisses von Urheberleistungen. Deren Verfassungsmäßigkeit beurteilt sich allein danach, ob das, was dem Urheber ‚unter dem Strich‘ verbleibt, noch als angemessenes Entgelt für seine Leistungen anzusehen ist“.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

137

das Nutzungsverhältnis für eine Teilfläche beendet werden darf.383 Beim ersten Kleingartenpachtbeschluss war die Begrenzung nicht angemessen, das Interesse am Schutz der Nutzungsverhältnisse nicht bedeutend genug, um einen nahezu vollständigen Ausschluss der Verfügungsmöglichkeiten des Eigentümers zu rechtfertigen. Das Bundesverfassungsgericht fordert hier wie in den Beschlüssen zur Anwendung von Kündigungsschutzbestimmungen die Vermeidung einseitiger Belastungen eines der am Nutzungsverhältnis Beteiligten. Als Maßstab für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dient ihm damit das Gebot praktischer Konkordanz, wonach divergierende Interessen zu optimieren sind und nicht das eine gänzlich hinter dem anderen zurücktreten soll.384 In den anderen Entscheidungen erwiesen sich die Eingriffe in das Verfügungsrecht als verhältnismäßig, nicht aber die Eingriffe in das Verwertungsrecht. Gemeinsam ist den Entscheidungen, dass der Zweck für nicht genügend erachtet wurde, um die Begrenzung (zweiter Kleingartenpachtbeschluss) oder den vollständigen Ausschluss einer Vergütung (Schulbuch- und KirchenmusikBeschlüsse) zu rechtfertigen. Die (fehlende) Rechtfertigung wurde also mit Blick auf den Zweck beurteilt. Unklar ist, auf welcher Ebene der Zweck-MittelRelation die Rechtfertigung misslang. Die Begründungen im Schulbuch- und im Bearbeiter-UrheberrechtsBeschluss deuten auf den ersten Blick auf ein Fehlen eines Zwecks für den zweiten Eingriff hin, konnte doch das Bundesverfassungsgericht ein (gesteigertes) öffentliches Interesse, das den Eingriff rechtfertigen könnte, nicht erkennen. Bei genauer Betrachtung weist diese Formulierung aber auf ein Erforderlichkeitsdefizit hin: Der Zweck, der den Eingriff in das Verfügungsrecht rechtfertigen konnte (z. B. Ermöglichung des Zugangs zu den Werken, also der Nutzung der Werke zu bestimmten Zwecken), ist auch für den zweiten Eingriff ein legitimer Zweck. Der Ausschluss des (an sich üblichen) Vergütungsanspruchs fördert diesen Zweck, weil er den Zugang (wirtschaftlich) erleichtert. Er ist aber nicht erforderlich. Zur (bloßen) Ermöglichung des Zugangs zum Werk genügt es, das Verfügungsrecht einzuschränken; die Unentgeltlichkeit bringt in Bezug auf diesen Zweck keinen Mehrwert, der Ausschluss des Vergütungsanspruchs belastet den Urheberrechtsinhaber aber stärker. Daraus ist nicht der Fehlschluss zu ziehen, generell stelle sich ein entgoltener Eingriff als milderes Mittel gegen————— 383 Vgl. zur Möglichkeit der Einordnung als Erforderlichkeitsfrage BVerfGE 101, 54-105/85 (Schuldrechtsanpassungs-Beschluss): „Dieser Umstand rechtfertigt es nicht, dem Nutzer das gesamte von ihm bebaute Grundstück bis zum Ablauf der einschlägigen Bestandsschutzfrist auch dann zu belassen und den Grundstückseigentümer demzufolge von jeder Nutzung auszuschließen, wenn Teile des Grundstücks abtrennbar und die verbleibende Grundstücksfläche immer noch so groß ist, daß der Nutzer auf ihr die bisherige Nutzung ohne unzumutbare Einbußen fortsetzen kann“. 384 Hesse, Grundzüge, Rn. 72 u. 317 ff., zum Prinzip praktischer Konkordanz. Vgl. Lerche, Übermaß, S. 125 ff., 151 ff., 153, 243 ff., zum Gedanken des schonendsten Ausgleich.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

138

über einem unentgeltlichen dar: Bedeutung haben Zahlungen für die Erforderlichkeit nur dann, wenn in der Zahlungsbegrenzung oder Unentgeltlichkeit eine teilweise oder vollständige Beschneidung eines an sich gegebenen Vergütungsanspruchs und damit ein eigenständiger Eingriff liegt, nicht aber, wenn lediglich erwogen wird, ob eine Kompensation für einen (kostenerzeugenden) Eingriff gezahlt werden soll.385 An fehlender Erforderlichkeit scheiterten auch die Rechtfertigung der Eingriffe im zweiten Kleingartenpacht-, im Sachenrechtsmoratorium- und im Kirchenmusik-Beschluss. In allen drei Fällen konnte der Schutz des Interesses am Fortbestand oder der Ermöglichung eines Nutzungsverhältnisses auch mit moderaterer Begrenzung des Vergütungsanspruchs erreicht werden. Das zusätzliche Ziel der sozialen Verträglichkeit im Kleingartenpachtbeschluss wäre auch bei etwas höheren Pachtbeträgen erreicht worden. 386 Etwas diffiziler ist die Begründung für den Pflichtexemplar-Beschluss, ging es dort doch nicht um die Beschneidung einer von einem privaten Dritten zu zahlenden Vergütung, sondern um die aus staatlichen Ressourcen zu erbringende. Das Ziel, die literarischen Erzeugnisse möglichst geschlossen zugänglich zu machen, ließ sich – angesichts der gesetzgeberischen Prärogative nach gerichtlich nicht zu beanstandender Einschätzung des hessischen Gesetzgebers – ohne Beschneidung des Vergütungsanspruchs nicht ebensogut erreichen wie durch eine Pflicht zur unentgeltlichen Ablieferung: ohne Beschneidung des Vergütungsanspruchs hätten staatliche Finanzmittel in einem Ausmaß aufgewendet werden müssen, dass sie den Erfolg gefährdet, zumindest aber erschwert hätten. Andererseits lässt sich einer Regelung, bei der der Staat begrenzte Mittel aufzuwenden hat, gegenüber einer solchen, bei der er gar keine Mittel aufzuwenden hat, die gleiche Eignung nicht absprechen. Sind beide gleich geeignet und bedeutet es ein milderes Mittel, den Vergütungsanspruch nur teilweise zu beschneiden, muss der Gesetzgeber aufgrund des Erforderlichkeitsgebots den letztgenannten Weg wählen. Wie er die ihm ohne Erfolgsgefährdung mögliche Vergütung aufteilt, mittels prozentualer Werte, durch Zahlung gleicher Sockelbeträge oder durch Vergütung oberhalb einer bestimmten Wertgrenze, hat dann einer Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes standzuhalten. Nach der hier vertretenen Ansicht lassen sich die Entscheidungen zur Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit des Eingriffs in das Verwertungsrecht sämtlich als Erforderlichkeitsprobleme darstellen. Wer dem nicht folgt, weil er die Aufwendung finanzieller Mittel bei Erforderlichkeitsprüfungen auch dann ————— 385

Dazu schon oben unter B.IV.1.a).

BVerfGE 87, 114-151/148 ff.: „Das Regelungsziel, die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten vor der Verdrängung aus der Kleingartenpacht zu schützen, kann eine Pachtzinsbegrenzung dieses Ausmaßes nicht rechtfertigen“. 386

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

139

nicht berücksichtigen will, wenn ohne den (zusätzlichen) Eingriff ein Vergütungsanspruch bestünde, wird hier gleichwohl den Befund teilen, dass die Grenzen im Hinblick auf den verfolgten Zweck und die dahinterstehenden Interessen bestimmt wurden, nicht zweckunabhängig. Auch für ihn fügen sich die Entscheidungen mithin in die gewöhnliche Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn auch auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die vom Bundesverfassungsgericht in den Fällen der Überlassungsverpflichtung – zum Teil unter dem Begriff der Zumutbarkeit – angestellten Erwägungen fügen sich sämtlich in die gewöhnliche Verhältnismäßigkeitsprüfung. Sie lassen keinen von den Inhalten der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne abweichenden Gehalt erkennen. Denkbar, so vom Bundesverfassungsgericht aber nicht angewandt, ist, die Formel, eine Belastung dürfe nicht übermäßig sein und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen,387 dahingehend zu nutzen, dass durch beide Teile Verhältnismäßigkeitsprüfungen bezeichnet werden, durch die unterschiedlichen Begriffe aber deutlich gemacht wird, dass in den Überlassungsverpflichtungsfällen zwei Eingriffe zu rechtfertigen sind, von denen sich der zweite, den Vergütungsanspruch betreffende, auf den vermögensrechtlichen Bereich bezieht. d) Sonstige Fälle Als Restgruppe verbleiben Entscheidungen zu Bestimmungen, die die Nutzung des Eigentums bestimmten Anforderungen unterstellen (Genehmigungserfordernis oder Erfordernis des Vorliegens eines öffentlichen Belangs in I. und VI.2.) oder anderweit begrenzen (Anbaubegrenzung in I., Abbruchuntersagung in V., Verfügungsbeschränkung in VI.1.) oder den Inhalt der Eigentumsposition bestimmen (Befugnisse des Anteilsberechtigten in III.1., Inhalt der Versorgungsansprüche in VI.3.). Es handelt sich um typische Fälle der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, ohne eine inhaltliche Besonderheit wie die Verpflichtung zur Überlassung an einen Dritten (vorstehend unter c).). Sie erforderten keine Ergänzung der Rechtfertigungserwägungen durch Gesichtspunkte des Grundrechtsschutzes durch Verfahren (wie oben unter a).) oder des Vertrauensschutzes (wie oben unter b).). Sie ermöglichen damit eine Rechtfertigungsprüfung ohne Besonderheiten. Das spiegelt sich bei der Zuordnung der Rechtfertigungserwägungen des Bundesverfassungsgerichts zu dogmatischen Kriterien wider. Die oben unter VI. besprochenen Entscheidungen wurden bereits den Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung (legitimer Zweck und Geeignetheit) bzw. der Gleichheitsprüfung zugeordnet. Die Entscheidungen oben unter I. und III.1. schließen die als Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeleiteten Prüfungen mit der Untersuchung der ————— 387

BVerfGE 58, 137-152/148, und 62, 169-189/183.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

140

Intensität der Belastung des Eigentümers ab. 388 Sie erwecken damit den Anschein, als interessiere allein dieser Aspekt und komme es auf Gewicht der Gemeinwohlinteressen nicht an. Keine von ihnen stellte aber eine Unverhältnismäßigkeit der Eigentumsbestimmung fest. Vielmehr erwies sich die im ersten Schritt der Prüfung festgestellte Intensität die Belastung als zu gering, als dass sie eine gesonderte Abwägung erfordert hätte. Sie begnügen sich gleichsam mit unvollendeten Verhältnismäßigkeitsprüfungen. Sie lassen sich nicht als Präzedenzfälle für einen zweckunabhängigen Unzumutbarkeitsbegriff anführen und stehen einer Gleichsetzung der Zumutbarkeit mit Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht entgegen.389 Die einzige Entscheidung, die die Belastungsgrenze zweckunabhängig begründet, ist der Denkmalschutzbeschluss (oben unter V.). Die Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse des Eigentümers sind dort (faktisch) so weit beschränkt, dass die verfassungsrechtlich als „Eigentum“ geschützte Mindestposition nicht mehr gewahrt ist. Es handelt sich damit streng genommen nicht um eine Grenze aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgebots oder zweckunabhängiger Zumutbarkeitserwägungen, sondern aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Kernbereichsschutzes.390 ————— 388 Sie formulieren damit lediglich den ersten Schritt der zweigliedrigen Prüfung der (Un-) Zumutbarkeit, verstanden als (Un-) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Vgl. zur Untergliederung der Prüfung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 1992, in dem es die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Art. 38 Abs. 3 S. 1 des Einigungsvertrags am Maßstab der Berufsfreiheit des Art. 12 GG überprüft und im Anschluss an die Frage der Erforderlichkeit der Regelung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Sache nach eine Angemessenheitsprüfung durchführt, BVerfGE 85, 360-385/ 377 f.: „Die angegriffene Regelung ist den Betroffenen mit Einschränkungen zumutbar. aa) Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe müssen die Grenzen des Zumutbaren gewahrt sein …. Für die Frage der Zumutbarkeit ist zunächst die Last des Opfers auf seiten der Beschwerdeführer zu gewichten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, welche wirtschaftliche und persönliche Bedeutung der Arbeitsplatz für die Beschwerdeführer hatte. Dazu gehört auch die Frage, in welchem Umfang die Existenz der Beschwerdeführer durch ihre Arbeitsplätze dauerhaft gesichert war. Auf der anderen Seite hängt die Zumutbarkeit von dem allgemeinen Nutzen der Maßnahme ab. Je wichtiger für die Allgemeinheit die Maßnahme ist, je mehr sie dem Schutz höherwertiger Rechtsgüter dient, desto größere Opfer können dem Einzelnen zugemutet werden“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 389 Eine Gleichsetzung von Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und Zumutbarkeit sowie eine Ermittlung der Zumutbarkeitsgrenze durch Abwägung mit Gemeinwohlbelangen zeichnet zahlreiche (weitere neben der vorstehend in Fn. 388 genannten) Entscheidungen zur Berufsfreiheit aus. Beispiele für unzumutbare Berufsausübungsregelungen: BVerfGE 83, 1-24/19 ff.; 85, 248-264/261 f.; 94, 372-400/390 u. 393; 101, 331-360/350; 102, 197-224/220 f.; 103, 1-21/10 ff.; 104, 357-370/ 368 ff. Beispiele für zumutbare Berufsausübungsregelungen: BVerfGE 81, 70-97/92 ff.; 88, 145168/165. Beispiele für zumutbare Berufswahlregelungen: BVerfGE 85, 360-385/378; 87, 287-331/ 322. Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichsetzung von Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit bei Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 316 f. 390

Dazu unten unter D.I.2.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

141

2. Einordnung der Kriterien des Altlastenbeschlusses Der Altlastenbeschluss lässt sich nicht einer der vorstehend unter 1.a).-c). genannten Fallgruppen zuordnen. Es geht in ihm weder um die Gewährleistung von Grundrechtsschutz durch Verfahren oder Überleitungsregelungen, die dem Vertrauensschutz Rechnung tragen sollen, noch um einen Interessenausgleich im Rahmen der Überlassung einer Sache, eines Rechts oder ihrer Nutzung an einen Dritten. Es handelt sich also um einen Fall, der der Restgruppe ohne dogmatische Besonderheiten zuzuordnen ist. Ein eigener, zweckunabhängiger Gehalt der Zumutbarkeit ließ sich diesen Entscheidungen nicht entnehmen. Den sprachlichen Unterscheidungen zwischen Unverhältnismäßigkeit, Unangemessenheit, Übermäßigkeit und Unzumutbarkeit entsprach in diesen Entscheidungen kein sachlicher Unterschied. Der Begriff der Zumutbarkeit umschrieb eine Beziehung zwischen einer Belastung und den sie legitimierenden Zwecken.391 Der Umgang mit der Zumutbarkeitsgrenze im Altlastenbeschluss lässt sich daher nicht durch Einordnung in die bisherigen Entscheidungen erklären. Für eine dogmatisch befriedigende Erklärung der Grenzen des Altlastenbeschlusses oder anderweitiger Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit in Altlastenfällen bleiben damit zwei Möglichkeiten: entweder lässt sich der zweckunabhängige (auf die vom Zweck abweichenden Gründe bezogene) Zumutbarkeitsbegriff unabhängig von der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts erklären (dazu VIII.) oder die Grenzen der Verantwortlichkeit ergeben sich aus verfassungsrechtlichen Anforderungen, die neben dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Freiheitsrechte bestehen (dazu D. sowie der Zweite Teil). VIII. Zumutbarkeitsmodelle im Schrifttum In der Literatur werden die Grenzen des „zweckbezogenen Proportionalitätsgebots“ durchaus gesehen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass sich bestimmte Situationen mit der Relation zweier aufeinander bezogener Größen wie Mittel (Eingriff) und Zweck (Ziel) nicht erfassen ließen.392 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könne in bestimmten Situationen „die atypischen individuellpersönlichen Belange des Pflichtigen“ nicht genügend berücksichtigen.393 ————— 391 So schon die abw. M. des Richters Kühling, BVerfGE 93, 117-120/117: „Der Begriff der Zumutbarkeit umschreibt danach eine Beziehung zwischen einer Belastung und den sie legitimierenden Zwecken. Zumutbar ist, was angesichts des Gewichts der Gründe hingenommen werden muß“. Die Gründe bezeichnen bei Kühling keine von den Zwecken zu unterscheidenden Erwägungen. 392

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 229, und Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 322.

393

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 229.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

142

Beispielsfälle mit Eigentumsbestimmungen werden dazu nicht genannt.394 Wegen der umstrittenen grundrechtsdogmatischen Einordnung von Steuerbelastungen steht das in diesem Zusammenhang gern zitierte395 Kirchensteuerurteil396 den bei Eigentumsbestimmungen auftretenden Problemen am nächsten. Dort wurde eine erwerbstätige Person, die selbst keiner Kirche angehörte, zur Kirchensteuer herangezogen, weil ihr nicht erwerbstätiger Ehegatte Mitglied einer Kirche war. Das kommentieren die Anhänger einer eigenständigen Zumutbarkeitsgrenze wie folgt: Für Angemessenheitserwägungen habe hier kein Anlass bestanden. Die Problematik des Falles habe nicht in der quantitativen Frage gelegen, ob dem Betroffenen etwa ein „Zuviel“ auferlegt wurde, ob also die Höhe der konkreten Kirchensteuer nicht angemessen war.397 Vielmehr sei es um das logisch vorrangige prinzipielle Bedenken gegangen, ob dem nicht der Kirche angehörigen Ehegatten überhaupt angesonnen werden durfte, „eine Glaubensgemeinschaft zu finanzieren, der er nicht angehört und deren Heilslehren er womöglich mißbilligt“.398 Aus der Erkenntnis des bei Durchführung einer herkömmlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung verbleibenden Restproblems werden unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Ein Teil der Lehre lehnt eine nicht auf den Zweck der Regelung bezogene Eingriffsprüfung ab und verweist auf mögliche andere Verfassungsschranken.399 Andere versuchen, einen relationsunabhängigen Verfassungsmaßstab der (Un-) Zumutbarkeit zu etablieren. 400 Die Zumutbarkeitsgrenze sei „einseitig subjektbezogen“, 401 was bereits durch den Begriff des Zumutens nahegelegt werde.402 Bei der Prüfung müssten „Um————— 394 Vgl. die Beispiele bei Albrecht, Zumutbarkeit, S. 124 ff., und Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 322 ff. 395 Albrecht, Zumutbarkeit, S. 124 f.; Dechsling Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 11; Huster, Rechte, S. 157; Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 319 u. 322 f. 396

BVerfGE 19, 226-242.

397

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 124.

398

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 323.

399

Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 10 f., und Schlink, Grundsatz, S. 452 f.

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 108 m.w.N. in Fn. 403; Jakobs, Grundsatz, S. 86-96, besonders S. 94 u. 96; Lücke, DÖV 1974, 770 f. Einen kurzen Überblick gibt Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 9-13, der selbst eine von der Verhältnismäßigkeit unabhängige Zumutbarkeitsgrenze ablehnt. Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 56, weist darauf hin, dass der (Un-) Zumutbarkeit zwar „das Verhältnis einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zu der Person des Pflichtigen zugrunde“ liege, diese Beziehung den Wertungsmaßstab selbst aber nicht zu einer verhältnismäßigen Größe mache. Die (Un-) Zumutbarkeit bringe „nicht zwei Größen in eine Relation, insbesondere stellt sie nicht ein Verhältnis von Mittel und Zweck her“. 400

401

Lücke, DÖV 1974, 769-771/771, und Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 321 m.w.N. in Fn. 32.

Lesenswert die „[p]hilologische[n] Erwägungen zur Zumutbarkeit“ bei Gusseck, Zumutbarkeit, S. 14-17. Die „[p]ersönliche[n] Momente der Zumutbarkeit“ erklärt er mit der notwendigen 402

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

143

stände herangezogen werden …, die dem persönlichen Bereich des Pflichtigen zu entnehmen sind“.403 Die Zumutbarkeit sei ein „Wertungsmaßstab …, der alle auf eine Person einwirkenden Umstände danach zu beurteilen fähig ist, ob bei ihrer Berücksichtigung die Erfüllung einer Pflicht von dieser Person erwartet werden kann oder nicht“. 404 Sie fungiere „als Pflichten- und Lastengrenze“.405 Bei Unzumutbarkeit brauche der Pflichtige einer Pflicht nicht nachzukommen, weil „Umstände wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger Art vorliegen, denen erhebliches Gewicht zukommt und die die Pflichterfüllung außergewöhnlich erschweren“. 406 Die Anforderungen an eine bestimmte Person würden begrenzt, um eine rechtlich nicht zu fordernde „Überanstrengung oder Überforderung“ zu vermeiden,407 „die allein aus der Sphäre des Betroffenen kommt“408. Bei der Zumutbarkeitsprüfung gehe es einerseits darum, die Eigenständigkeit der Persönlichkeit zu wahren, andererseits um die Geltendmachung besonderer persönlicher Zwangslagen und Härten.409 Der entscheidende Unterschied zwischen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Prinzip der Zumutbarkeit liege darin, dass „die Verhältnismäßigkeit eine Relation zwischen den durch ein bestimmtes staatliches Handeln förderungsweise und eingriffsweise tangierten Rechtsgütern herstellt, die Zumutbarkeit dagegen das Verhältnis einer öffentlich-rechtlichen Pflicht in bezug auf die Person des Pflichtigen bewertet“.410 Die (Un-)Zumutbarkeit verschaffe den individuellen Interessen des Pflichtigen Geltung, ohne die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Eine Interessenabwägung finde nicht statt.411 Ohne Berücksichtigung der Kategorien „Zweck“ und „Mittel“ sei entscheidend, ob die Pflicht als solche den Pflichtigen in eine unzumutbare Zwangssituation geraten lasse.412 Mit Hilfe der Zumutbarkeitsformel könnten Motivationslagen und Wert- und Ordnungsvorstellungen, Zwangslagen und Handlungsmaßstäbe des Betroffenen zur Geltung gebracht werden, die von der ————— Dativbestimmung, die das Verb „zumuten“ im Unterschied zu den „für ‚-bar‘-Adjektivierungen typischen Verben“ verlangt, Gusseck, Zumutbarkeit, S. 15 f. 403

Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 44. Ebenso Jakobs, Grundsatz, S. 89.

Lücke, DÖV 1974, 769-771/770 f. Vgl. Jakobs, Grundsatz, S. 88: Juristisch bedeute Zumutbarkeit „das Maß dessen, was von einem Pflichtigen nach den Umständen des Einzelfalles als Pflichtleistung verlangt werden kann“. 404

405

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 315.

406

Jakobs, Grundsatz, S. 89.

407

Jakobs, Grundsatz, S. 89.

408

Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 62, und Tipke, Betriebsprüfung, S. 100.

409

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 122.

410

Jakobs, Grundsatz, S. 94, und Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 321.

411

Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 41 f.

412

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 122.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

144

Verhältnismäßigkeitsprüfung schon gar nicht intendiert seien,413 jedenfalls aber nicht oder nicht ausreichend erfasst werden könnten. 414 Allein: dass das Verfassungsrecht eine subjektbezogene Grenze unabhängig vom verfolgten Zweck fordere, ist damit nicht entschieden. Der Umstand, dass sich bestimmte Situationen mit dem Verhältnis zweier aufeinander bezogener Größen, wie Mittel (Eingriff) und Zweck (Ziel) nicht erfassen lassen, mag zwar dafür angeführt werden können, „die Zumutbarkeit als eigenständigen Beurteilungsmaßstab aus dem Zusammenhang des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu lösen“415, besagt aber nicht, dass die Zumutbarkeit auch von Verfassungs wegen Grenzen setzt. Die Angaben zur verfassungsrechtlichen Grundlage der Zumutbarkeit sind spärlich. Ossenbühl genügt es, dass „die Zumutbarkeit als Kriterium in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nahezu durchgehend mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbunden worden ist“, und meint, es liege deshalb nahe, „auch ein Verbot der Unzumutbarkeit als ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz anzunehmen“. 416 Entscheidend sei, dass die „aus einem Verfassungsprinzip resultierende Konkretisierung einen so grundsätzlichen, unumstößlichen und gewichtigen Charakter hat, dass sie als unmittelbarer Bestandteil des betreffenden Verfassungsprinzips erscheint“. Das sei für die Zumutbarkeit der Fall; es lege nahe, den verfassungsrechtlichen Ort des Verbots der Unzumutbarkeit in den Grundrechtsgarantien zu erblicken. 417 Auch Albrecht begründet die Zumutbarkeitsgrenze mit den (Freiheits-) Grundrechten. 418 Lücke hingegen meint, den verfassungsrechtlichen Standort im Rechtsstaatsprinzip ausmachen zu können, weil die Pflichtengrenze der (Un-)Zumutbarkeit „mit der Gerechtigkeit zusammenhängt und die Gerechtigkeit anerkanntermaßen im Rechtsstaatsprinzip enthalten ist“.419 Das konkretisierend, will er den Grundsatz der Zumutbarkeit für das öffentliche Recht aus einer Analogie zu § 242 BGB ableiten.420

————— 413

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 122.

414

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 202.

415

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 322 u. 324.

416

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 325.

417

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 326 f.

418

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 222-239.

Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 88; Lücke, DÖV 1974, 769-771/770: Als Ausprägung der Billigkeit, zu verstehen „im Sinne individueller Gerechtigkeit“, sei der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit im Rechtsstaatsprinzip enthalten. 419

420 Lücke, DÖV 1974, 769-771/771; Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 83 f.; zustimmend Jakobs, Grundsatz, S. 92.

C. Angemessenheit und Zumutbarkeit

145

Bei solcher Herleitung kommt Leisners Warnung vor einer Entwicklung „[v]on der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung“421 in den Sinn. Zudem lässt sich bei Herleitung aus § 242 BGB als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips oder aus den Freiheitsgrundrechten die Annahme der Zweckunabhängigkeit der Grenze nicht aufrechterhalten: bei Herleitung aus § 242 BGB nicht, weil Treu und Glauben gebieten, auf die Interessen anderer Rücksicht zu nehmen, § 242 BGB „also letztlich dazu anweist, eine Interessenabwägung vorzunehmen“;422 bei Herleitung aus den Freiheitsgrundrechten nicht, weil die Freiheitsrechte des Grundgesetzes angesichts der zweckgebundenen423 gesetzgeberischen Befugnis zur Freiheitsbeschränkung für einen zweckunabhängigen Grundrechtsschutz – jenseits der Grenzen der Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG – nichts hergeben. 424 Wird aber mit den Interessen anderer oder mit den hinter dem Zweck der Regelung stehenden Interessen abgewogen, ist nicht zu erkennen, worin die Unterschiede zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestehen sollen. Wird nicht abgewogen, bleiben die Vertreter der Zumutbarkeitsmodelle die Angabe von Maßstäben schuldig. Orientiert sich der Mindestschutz letztlich am Wesensgehalt der Freiheitsgrundrechte 425 und damit an Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG, ist eine verfassungsrechtliche Begründung von Grenzen anhand dieser Normen vorzuziehen und bedarf es keiner eigenständigen Zumutbarkeitsgrenze. „[G]erinnt das Problem der Zumutbarkeit … zur Frage der Einzelfallgerechtigkeit“, ersetzt die Annahme, „irgendwo“ lägen „in der Person des Einzelnen Grenzen, die eine weitere Belastung unerträglich machen“, 426 nicht die Angabe von Maßstäben für die Bestimmung dessen, was den verfassungsrechtlichen (Gerechtigkeits-)Anforderungen genügt. Anstatt vorschnell einen unbestimmten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Zumutbarkeit zu behaupten, weil bestimmte Probleme „nur über die Zumutbarkeitsgrenze bewerkstelligt“ werden können,427 sollte untersucht werden, welche Anforderungen sich aus den aner————— 421

Leisner, Verfassungsmäßigkeit.

422

Das erkannte bereits Lücke, (Un-)Zumutbarkeit, S. 84 f.

423

Dazu oben unter B.IV.1.a).

Das muss auch Albrecht, Zumutbarkeit, S. 21 f., einräumen, der mit dem Ziel angetreten war, „einen grundgesetzlichen, nicht (nur) dem einfachen Recht verhafteten Verfassungsgrundsatz der Zumutbarkeit nachzuweisen, der sich von anderen Verfassungsmaßstäben, wie etwa dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, unterscheidet“ (S. 22), und dabei von der Erkenntnis ausgegangen war, „daß der Staat seine Bürger mit Pflichten und Lasten nicht überfordern darf, daß er irgendwann einmal an eine Belastungsgrenze stoße, deren Überschreitung dem Bürger schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann“ (S. 21) (Hervorhebung im Original). 424

425

So bei Albrecht, Zumutbarkeit, S. 230.

426

Ossenbühl, Zumutbarkeit, S. 315.

427

Albrecht, Zumutbarkeit, S. 229, näher erläutert auf S. 195 ff.

146

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

kannten verfassungsrechtlichen (Gerechtigkeits-)Maßstäben, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichheitssatz, ergeben. Anderenfalls erweist sich nicht, wie oft behauptet, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit seiner festen Orientierung am Zweck der Regelung, sondern eine Zumutbarkeitsgrenze, der ein solcher Orientierungspunkt fehlt, als der – eigentliche – „Weichmacher des Rechtsstaats“.428 Festzuhalten bleibt: Die Begrenzung einer Verpflichtung durch Zumutbarkeitserwägungen muss ausdrücklich im einfachen Recht vorgeschrieben sein.429 Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Zumutbarkeit im Sinne zweckunabhängiger Grenzen ist auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht anzuerkennen. Verfassungsrechtliche Belastungsgrenzen sind am Maßstab der Freiheitsrechte aus dem (zweckabhängigen) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Schutz des Wesensgehalts oder eines ggf. darüber hinausgehenden freiheitsrechtsspezifischen Kernbereichs oder am Maßstab des Gleichheitssatzes zu begründen.

D. Andere Erklärungsmodelle Bevor ein gleichheitsrechtlicher Erklärungsversuch unternommen wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob sich zweckunabhängige Grenzen für Freiheitsrechte anders als mit einer eigenständigen Zumutbarkeitsgrenze begründen lassen. Dazu wird zum einen untersucht, inwieweit der Schutz des Wesensgehalts, des Kernbereichs der Eigentumsgewährleistung oder einer sonstigen Mindestposition Grenzen begründen kann (I.); zum anderen, ob sich solche aus der allgemeinen Beziehung von Rechten und Pflichten herleiten lassen (II.).

————— 428 Zuweilen wird dieser Ausdruck Isensee zugeschrieben, etwa von Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 1 Fn. 2. Ossenbühl, Maßhalten, S. 151 Fn. 3, reklamiert hingegen die Kennzeichnung der Wirkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als „Gleich- und Weichmacher der Verfassungsmaßstäbe“ für sich, und verwandte ihn bereits in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand „Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen“ der Staatsrechtslehrertagung 1980, Ossenbühl, VVDStRL 39 (1981), 189-190/189. Auch Stern, Entstehung, S. 175, und ders., Grundrechte, S. 31 Fn. 176, schreibt Ossenbühl diesen Ausdruck zu. 429 Feldhaus, DVBl. 1979, 301-306/302. Beispiele sind § 3 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Landes-Immissionsschutzgesetzes („Jeder hat sich so zu verhalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, soweit das nach den Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist“), § 33 Abs. 3 S. 1 EStG und die dem Urteil des OVG Magdeburg, LKV 2003, 287-288/288, zugrundeliegende Regelung in einer sächsischen Wasserversorgungssatzung, wonach bereits die Pflicht zur Duldung von Leitungen auf dem Grundstück entfällt, wenn die Inanspruchnahme des Grundstücks den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde. § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BImSchG a.F. untersagte nachträgliche Anordnungen, die „für den Betreiber und für Anlagen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich nicht vertretbar“ waren, und enthielt damit eine ebenfalls „spezifische Zumutbarkeitsregelung“, vgl. Feldhaus, DVBl. 1979, 301-306/303 ff. mit weiteren Beispielen.

D. Andere Erklärungsmodelle

I.

147

Mindestpositionen 1. Wesensgehalt

„[D]aß sich die Frage, ob ein Grundrecht in seinem Wesen angetastet werde, nicht nach dem Zweck oder Grund der Beschränkung, sondern ausschließlich danach beurteilt, was nach der Beschränkung von dem Grundrecht überhaupt übrigbleibt“,430 hat das Bundesverwaltungsgericht ganz zu Beginn seiner Rechtsprechung431 bestätigt. Der Wesensgehalt des Grundrechts erscheint also als die natürliche zweckunabhängige Grenze. Der Schutz durch Art. 19 Abs. 2 GG, wonach ein Grundrecht in keinem Falle „in seinem Wesensgehalt angetastet“ werden darf, hat aber in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine große Bedeutung erlangt. Gerade einmal dreißig Entscheidungen in der amtlichen Entscheidungssammlung erwähnen ihn,432 lediglich in vier (frühen) Fällen sah das Bundesverfassungsgericht den Wesensgehalts eines Grundrechts verletzt.433 Worin der unantastbare Wesensgehalt eines Grundrechts besteht, muss nach ständiger Rechtsprechung „für jedes Grundrecht aus seiner Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte ermittelt werden“.434 Jedenfalls sei er nicht mit ————— 430

BVerwGE 1, 269-281/272 f. (Hervorhebung durch den Verfasser).

431

Das Bundesverwaltungsgericht wurde im Jahr 1953 gegründet. Das zitierte Urteil datiert auf den 14. Dezember 1954. BVerfGE 1, 5-7/7 (bayr. Entnazifizierungsgesetz); 1, 264-281/280 (Schornsteinfegerwesen); 2, 266-286/284 f. (Notaufnahmegesetz); 3, 58-162/150 (G 131); 4, 157-178/169 f. (Saarstatut); 6, 3245/41 (Elfes-Urteil); 7, 377-444/411 (Apotheken-Urteil); 8, 274-332/328 f. (Preisgesetz); 10, 221228/225 (Nichtanhörung unabhängiger Sachverständiger); 13, 97-123/122 (Großer Befähigungsnachweis); 15, 126-152/144 (Allgemeines Kriegsfolgengesetz); 20, 52-55/55 (persönliche Bemessungsgrenze bei der Rentenberechnung); 21, 92-93/93 (Beschränkung des Erwerbs landwirtschaftlicher Grundstücke); 22, 180-220/219 (Jugendhilfe); 27, 344-355/352 (Übersendung von Akten eines Ehescheidungsverfahrens); 30, 1-33/24 (G 10) und 30, 33-47/42 (abw. M. Geller/ v. Schlabrendorff/ Rupp zu G 10); 30, 47-54/53 (Unterbringung in einer Anstalt zur Arbeitsleistung); 31, 58-87/69 (Eheschließung Spanier-Deutsche); 34, 238-251/245 (Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen im Strafverfahren); 39, 1-68/43 f. (Schwangerschaftsabbruch); 45, 187-271/270 f. (lebenslange Freiheitsstrafe); 52, 171-187/175 (abw. M. Hirsch/ Niebler/ Steinberger zum Beweisrecht in Arzthaftungsprozessen und zur ärztlichen Aufklärungspflicht); 58, 300-353/348 (Nassauskiesung); 61, 82-118/113 (Präklusion im Atomrecht); 80, 367-383/373 f. (Tagebuch); 84, 212-232/228 (Aussperrungen); 93, 352-361/369 (Gewerkschaftsmitgliedschaftswerbung während der Arbeitszeit); 100, 313-403/376 (Überwachung des Fernmeldeverkehrs); 109, 133-190/156 (Langfristige Sicherungsverwahrung); 109, 279-382/310 f. (Akustische Wohnraumüberwachung). 432

BVerfGE 22, 180-220/219 (Jugendhilfe; Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG); 27, 344-355/352 (Übersendung von Akten eines Ehescheidungsverfahrens; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG); 34, 238251/245 (Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen im Strafverfahren; Art. 2 Abs. 1 GG); 39, 168/43 f. (Schwangerschaftsabbruch; Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). 433

434 BVerfGE 22, 180-220/219 (Jugendhilfe); 30, 47-54/53 (Unterbringung in einer Anstalt zur Arbeitsleistung); 109, 133-190/156 (Langfristige Sicherungsverwahrung).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

148

dem Menschenwürdegehalt eines Grundrechts gleichzusetzen.435 Mal spricht das Bundesverfassungsgericht von einem unantastbaren oder absolut geschützten Kernbereich oder einem letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, bei dem eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht stattfindet,436 mal vom Schutz vor einer völligen Aufhebung des geschützten Guts.437 Die Frage, „ob Art. 19 Abs. 2 GG die restlose Entziehung eines Grundrechts im Einzelfall verbietet oder ob er nur verhindern will, dass der Wesenskern des Grundrechts als solcher, z. B. durch praktischen Wegfall der im Grundgesetz verankerten, der Allgemeinheit gegebenen Garantie angetastet wird“,438 ist bis heute nicht geklärt.439 Zum Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung440 geben die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts441 nicht viel her. Ein Mal erwägt es, der Wesensgehalt des Grundrechts könne betroffen sein, wenn jeglicher Störungsabwehranspruch materiellrechtlich beseitigt oder wenn verfahrensrechtlich verwehrt wird, ihn wirkungsvoll geltend zu machen, mag er oder das Grundrecht, zu dessen Schutz er gewährt ist, auch – unbewehrt in Bezug auf ein bestimmtes Vorhaben – materiellrechtlich bestehen bleiben. 442 Ein andres Mal stellt es schlicht fest, das Eigentum werde durch eine – durch ein höherrangiges öffentliches Interesse gerechtfertigte – Beschränkung der Verfügungsmacht nicht in ————— 435

BVerfGE 109, 279-382/311 (Akustische Wohnraumüberwachung).

BVerfGE 6, 32-45/41 (Elfes-Urteil); 34, 238-251/245 (Verwertung heimlicher Tonbandaufnahmen im Strafverfahren; zu Art. 2 Abs. 1 GG); 80, 367-383/373 f. (Tagebuch; zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG); 93, 352-361/369 (Gewerkschaftsmitgliedschaftswerbung während der Arbeitszeit; zu Art. 9 Abs. 3 GG). BVerfGE 109, 133-190/156 (Langfristige Sicherungsverwahrung), fordert hingegen ausdrücklich, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. 436

437

BVerfGE 100, 313-403/376 (Überwachung des Fernmeldeverkehrs; zu Art. 10 Abs. 1 GG).

438

BVerfGE 2, 266-286/284 f. (Notaufnahmegesetz).

439

Zur Diskussion über einen absoluten oder relativen Gehalt der Wesensgehaltsgarantie bereits Lerche, Übermaß, S. 239. 440 Böhmer, NJW 1988, 2561-2574/2563, weist zutreffend darauf hin, dass es ein Missverständnis sei, wenn unter Bezugnahme auf Art. 19 Abs. 2 GG vielfach vom unantastbaren „Wesensgehalts des Eigentums“ die Rede sei. Art. 19 Abs. 2 GG spreche vom Wesensgehalt desGrundrechts, das nicht mit dem Eigentum identisch sei. Kern des Grundrechts sei die verfassungsrechtliche Gewährleistung und das Eigentum sei der Gegenstand der Gewährleistung. Die von Böhmer, NJW 1988, 2561-2574/2562, begründete und von Kimminich, BK, Art. 14 Rn. 147, geteilte Auffassung, die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG sei auf Art. 14 GG „nicht unmittelbar“ anwendbar, weil Art. 19 GG nur für Grundrechte mit ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt gelte und Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG keinen solchen enthalte, hat das Bundesverfassungsgericht nicht aufgegriffen. 441 BVerfGE 10, 221-228/225 (Nichtanhörung unabhängiger Sachverständiger); 21, 92-93/93 (Beschränkung des Erwerbs landwirtschaftlicher Grundstücke); 58, 300-353/348 (Nassauskiesungsbeschluss); 61, 82-118/113 (Präklusion im Atomrecht). 442 BVerfGE 61, 82-118/113 (Präklusion im Atomrecht; zu Art. 2 Abs. 2, Art. 12 und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG).

D. Andere Erklärungsmodelle

149

seinem Wesensgehalt angetastet.443 Dem entspricht die allgemeine Bestimmung des Verhältnisses der Wesensgehaltsgarantie zu den sonstigen dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gezogenen Grenzen im Nassauskiesungsbeschluss: Werden die sich unmittelbar aus der Instituts- und Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Grenzen eingehalten, könne kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG vorliegen. 444 Der Schutz des Wesensgehalts der Eigentumsgewährleistung, wie ihn das Bundesverfassungsgericht versteht, hilft demnach nicht, Belastungsgrenzen zu begründen. 2. Kernbereich der Eigentumsgewährleistung Nicht ausgeschlossen ist, dass sich Belastungsgrenzen unmittelbar aus der Instituts- und Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ergeben, wenn sich ein Kernbereich der Eigentumsgewährleistung ausmachen lässt, der ungeachtet der verfolgten Gemeinwohlbelange und damit verhältnismäßigkeitsunabhängig gewahrt werden muss. a) Institutsgarantie Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist „die konstitutionelle Zusicherung, dass das Privateigentum als Rechtseinrichtung erhalten bleibt“.445 Sie „gewährleistet einen Kernbestand von Normen, der gegeben sein muss, um das Recht als ‚Privateigentum‘ bezeichnen zu können“.446 Sie verpflichtet den Gesetzgeber, „einen Kernbestand von Normen zur Verfügung zu stellen, welche die Existenz, die Funktionsfähigkeit und die Privatnützigkeit von Eigentum ermöglichen“.447 Sie „verbietet …, daß solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören“. 448 Die Institutsgarantie hat jedoch in der bisherigen Verfassungspraxis keine oder nur ge-

————— 443

BVerfGE 21, 92-93/93 (Beschränkung des Erwerbs landwirtschaftlicher Grundstücke).

BVerfGE 58, 300-353/348 (Nassauskiesungsbeschluss). Lerche, Übermaß, S. 248, bezeichnete zuvor bereits den Schutz des Art. 19 Abs. 2 GG als „überflüssig“, weil die in der Ermächtigung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zur Grundrechtsprägung gleichzeitig enthaltene Einrichtungsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ohnehin zu berücksichtigen sei. 444

445

Papier, MD, Art. 14 Rn. 11.

446

BVerfGE 31, 229-248/241 (Schulbuch-Beschluss).

447

Papier, MD, Art. 14 Rn. 11.

BVerfGE 24, 367-424/389 (Hamburger Deichordnung), und 58, 300-353/339 (Nassauskiesungsbeschluss). 448

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

150

ringe Bedeutung erlangt.449 Auch die Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit lassen die Strukturprinzipien des Privateigentums als solches unberührt. b) Privatnützigkeit Vereinzelt wird vertreten, das Kriterium der Privatnützigkeit ergebe verhältnismäßigkeitsunabhängige Grenzen.450 Die dogmatische Zuordnung ist nicht eindeutig: Zuweilen erscheint die Privatnützigkeit als Teil des „Wesensgehalt[s] des Eigentums“ im Sinne eines „absoluten, substantiellen Kerns“, den Art. 19 Abs. 2 GG schütze. 451 An anderer Stelle wird das Kriterium als „eine dem Garantie- und Schrankensystem des Art. 14 adäquate Orientierung für die Bestimmung der Sozialbindungsgrenzen“ bezeichnet, eine neben der Bestandsgarantie unmittelbar in Art. 14 GG enthaltene Nutzungsgarantie.452 Inhaltlich orientiere sich diese Grenze „tendenziell an der Eingriffstiefe“, also daran, „was nach dem gesetzgeberischen Eingriff vom Eigentum noch verbleibt“.453 Eine gesetzliche Eigentumsbindung dürfe „nie so weit gehen, dass der Gebrauch des Eigentums ausschließlich allgemein- oder staats- oder fremdnützig möglich ist“.454 Weil die Grenze absolut formuliert ist und nicht nach dem Zweck der Eigentumsbestimmung fragt, stellt sie sich als verhältnismäßigkeitsunabhängige Grenze dar. In einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts klingt ein solches Verständnis der Privatnützigkeit des Eigentums an, etwa wenn das Gericht betont, die Privatnützigkeit, verstanden als „die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll“,455 sei „als Kern des Eigentumsrechts“ zu beachten, 456 gehöre zum „Kernbereich der Eigentumsgarantie“, der „nicht ausgehöhlt“ werden dürfe.457 Die ————— Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 952; Wieland, DK, Art. 14 Rn. 125. Bryde, MK, Art. 14 Rn. 32 u. 64a, hält sie gar für ein „überholte[s] Traditionsstück“. 449

450 Besonders Papier, MD, Art. 14 Rn. 334 f., 375 ff. u. 518 ff.; Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 327 f., 366 ff. u. 520 ff. 451 Papier, MD, Art. 14 Rn. 333 f. (= Papier, MD [31.EL], Art. 14 Rn. 326 f.) spricht von einem „absoluten, substantiellen Wesenskerns des Eigentumsgrundrechts“. Die zum Beleg angeführten Zitate aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 31, 229-248/240; 37, 132149/140; 42, 263-312/294; 50, 290-381/339; 52, 1-42/30; 93, 121-149/137; 101, 54-105/75) stützen das nicht. Sie sprechen von den Charakteristika des Eigentums, nicht von einem Wesensgehaltsschutz. 452

Papier, MD, Art. 14 Rn. 375 f.; Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 366 f.

453

Papier, MD, Art. 14 Rn. 375; Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 366.

Papier, MD, Art. 14 Rn. 335 (Hervorhebung im Original); aufgegriffen in Rn. 375 u. 518. Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 328 (Hervorhebung im Original); aufgegriffen in Rn. 366 u. 520. 454

455

BVerfGE 100, 226-248/241.

456

BVerfGE 79, 283-292/290; 84, 382-387/384.

BVerfGE 100, 226-284/241. Die Richter Grimm, Dieterich und Kühling sprechen in einem Minderheitsvotum von einem „verfassungsrechtlich garantierten Kernbestand an Privatnützigkeit“, abw. M. Grimm, Dieterich, Kühling, BVerfGE 81, 35-40/38. 457

D. Andere Erklärungsmodelle

151

Privatnützigkeit sei (nahezu) vollständig beseitigt, wenn der Eigentümer von seinem Eigentum „keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann“,458 wenn eine gesetzliche Regelung oder ihre Handhabung „den Verkauf als wirtschaftlich sinnlos erscheinen läßt“459 oder vom Eigentümer „einen völligen Verzicht auf den Ertrag seines Eigentums“460 verlange. Obgleich der Altlastenbeschluss die Belastungsgrenzen mit Verhältnismäßigkeits-, besonders Zumutbarkeitserwägungen begründet, macht er Anleihen an den Gedanken einer am Privatnützigkeitskriterium orientierten zweckunabhängigen Grenze, wenn er darauf abstellt, dass „in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks“ entfalle, wenn der Verkehrswert von den Kosten überschritten werde. Der Eigentümer könne „darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum kann damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlieren“.461 „Die Grenze kann überschritten sein, wenn etwa der Eigentümer eines Eigenheims unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage das Grundstück nicht mehr halten kann“.462 Besonders durch den Denkmalschutzbeschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.1999 sieht Papier, der diesem Senat seit Februar 1998 vorsitzt, die (zweckunabhängige, absolute) Grenze der Privatnützigkeit vom Bundesverfassungsgericht „bestätigt“.463 Zur Begrenzung der Belastung des Zustandsverantwortlichen in Altlastenfällen hat er dagegen die Argumentation mit dem Topos der Privatnützigkeit, zumindest ihre Darstellung, inzwischen zugunsten einer Zusammenfassung des Altlastenbeschlusses aufgegeben.464 In der Vorauflage seiner Kommentierung hatte er sich noch gegen „[d]ie Ansätze …, die Begrenzungen der Zustandshaftung allein über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz … zu lösen,“ gewandt, weil dieses „Korrekturinstrument … zu einer gänzlich auf den Einzelfall abstellenden Beurteilung nach subjektiven Billigkeitserwägungen“465 führe, „zu einer ganz undifferenzierten Zumutbarkeits- und Billigkeitsabwägung, die auf alle möglichen finanziellen Gegebenheiten des Betroffenen und nicht vorrangig auf das konkret betroffene Ei-

————— 458

BVerfGE 100, 226-248/243.

459

BVerfGE 79, 283-292/290; 84, 382-387/385.

460

Abw. M. Grimm, Dieterich, Kühling, BVerfGE 81, 35-40/38.

461

BVerfGE 102, 1-25/20.

462

BVerfGE 102, 1-25/21.

463

Papier, MD, Art. 14 Rn. 376.

464

Vgl. Papier, MD, Art. 14 Rn. 520, mit Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522 ff.

465

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 526 (Hervorhebung im Original).

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

152

gentum abstellen“.466 Sein früherer Ansatz ging davon aus, dass es an der „Grundvoraussetzung einer verfassungslegitimen und verfassungskonformen Inanspruchnahme des Eigentümers“ fehle, nämlich daran, dass der Eigentümer, dessen privatnütziger Gebrauch des konkreten Eigentums die Grenzen der Gemeinwohlverträglichkeit und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums überschreite, in die Schranken der sozialen Verträglichkeit zurückverwiesen werde, „wenn und soweit die von der Sache ausgehende Gefahr oder Störung darauf basiert, dass infolge der Fremdeinwirkung jede substantielle privatnützige Eigentumsnutzung oder -verwendung ausgeschlossen ist“ – vorrangig Fälle, in denen dem Eigentümer „ohne eigene Mitverursachung infolge der Gefahrenlage, die von seiner Sache nunmehr ausgeht, ein substantieller privatnütziger Eigentumsgebrauch verwehrt ist“. Eine uneingeschränkte polizei- und ordnungsrechtliche Inanspruchnahme als Zustandsstörer könne hier „nicht mehr eine ausufernde und in die Gemeinunverträglichkeit abgleitende Privatnützigkeit eindämmen, sondern vermag nur noch einen bereits eingetretenen Verlust privatnütziger Verwendbarkeit zu potenzieren und zu perpetuieren“. 467 Nach dieser früheren „mit verfassungsrechtlichen Argumenten aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 begründeten Haftungsrestriktion“ gelte, dass eine – uneingeschränkte – Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen „dann ausscheidet, wenn entweder die Sache wegen der Altlast keine substantielle privatnützige Verwendung mehr gestattet … oder wenn die (finanziellen) Belastungen der Altlastenbeseitigung ein Behalten des konkreten Eigentums und seine künftige privatnützige Verwendung ausschließen“. 468 Der Rückgriff auf das Merkmal der Privatnützigkeit zur Begründung von verhältnismäßigkeitsunabhängigen Grenzen, die (allein) darauf abstellen, welchen wirtschaftlichen Nutzen der Eigentümer aus seinem Eigentum ziehen kann, stößt auf Bedenken. Er ersetzt den von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewollten Bestandsschutz durch den Schutz eines wirtschaftlichen Ertrags (1), löst die Nutzenanalyse von den beeinträchtigenden hoheitlichen Maßnahmen, die abzuwehren Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG den Einzelnen in Stand setzen will (2), und kann absolute Belastungsgrenzen nicht schlüssig begründen (3). (1) Bestandsgarantie als Ausgangspunkt Der Kernbereich der Eigentumsgewährleistung sollte anhand ihrer Funktion und ihres Gehalts erfasst werden. Die Funktion der Eigentumsgewährleistung besteht darin, dem Eigentümer einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen

————— 466

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 529.

467

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522.

468

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 527 (Hervorhebungen im Original).

D. Andere Erklärungsmodelle

153

Bereich zu sichern“.469 Diese Freiheit kann auf verschiedenen Wegen gesichert werden: durch eine wirtschaftliche Garantie, etwa des Werts des Vorhandenen, oder durch eine rechtliche Garantie der Voraussetzungen wirtschaftlicher Freiheit, etwa des Bestands der vorhandenen Vermögensgüter. Im ersten Fall ist der wirtschaftliche Nutzen, der Wert, selbst unmittelbarer Gegenstand der Gewährleistung; im zweiten Fall ist er nur mittelbar dadurch geschützt, dass der Einzelne befähigt wird, seine Vermögensgüter zu seinem Nutzen einzusetzen. Die Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes erfüllt ihre freiheitssichernde Funktion primär durch die zweite Variante, eine Bestandsgarantie, die sich nur im Sonderfall der (zulässigen) Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG in eine Eigentumswertgarantie wandelt.470 In dieser Beziehung lässt sich ein „Bedeutungswandel der Eigentumsgarantie“ gegenüber der Weimarer Reichsverfassung feststellen. Der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG kommt eine andere und umfassendere Bedeutung zu, als der der Weimarer Reichsverfassung. Sie hat „nicht in erster Linie die Aufgabe …, die entschädigungslose Wegnahme von Eigentum zu verhindern, sondern den Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers zu sichern“.471 Die Vorstellung, die Eigentumsverbürgung sei ihrem Wesen nach eine Eigentumswertgarantie, hat das Bundesverfassungsgericht schon früh als „Verkennung des grundlegenden Gehalts der Eigentumsgarantie“ bezeichnet.472 Die Ausprägung als Bestandsgarantie, das Bestreben, „den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu bewahren“,473 muss sich auf die Bestimmung dessen auswirken, was den Kernbereich der Gewährleistung ausmacht, dessen Beeinträchtigung – ungeachtet des Zwecks – nicht hinzunehmen ist. Bestandsgarantie meint, den „konkreten Bestand (des Eigentums) in der Hand des (einzelnen) Eigentümers“474 zu sichern. Gegenüber der hoheitlichen Gewalt geschützt werden sollen: –

das Eigentumsobjekt als solches,



die Befugnisse in Bezug auf das Objekt und



die Zuordnung zu einer bestimmten Person.

————— 469

BVerfGE 50, 290-381/339; 68, 193-226/222; 69, 272-315/300; 100, 1-59/32.

470

BVerfGE 24, 367-424/397; 45, 63-81/76; 58, 300-353/323.

471

BVerfGE 24, 367-424/400 f.

BVerfGE 38, 175-187/184 f. (das dort angeführte, gleichlautende Zitat aus dem Hamburger Deichordnungs-Urteil, BVerfGE 24, 367-424/405, bezieht sich allerdings auf eine grundlegende Verkennung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes). 472

473

BVerfGE 72, 175-200/195; 75, 108-165/154.

474

BVerfGE 24, 367-424/400; 38, 175-187/181; 46, 325-337/334; 58, 300-353/323.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

154

Hoheitsakte können den Bestand in jeder der drei Richtungen verändern: –

Hoheitsakte können eine Sache beschädigen, ganz oder teilweise zerstören oder eine Forderung oder ein anderes Recht beseitigen.



Sie können die Befugnisse an einer Sache oder zur Durchsetzung eines Rechts vermindern oder aufheben.



Und sie können die Sache oder eine Rechtsposition ganz oder in Bezug auf bestimmte Befugnisse dem Staat oder einem Dritten zuordnen.

Auf den ersten Blick erscheint die Abgrenzung der Fallgruppen schwierig, weil einige Veränderungen des Bestands dem Begriff nach zwei oder drei Komponenten zugeschrieben werden können: Die Beseitigung einer Forderung scheint (zugleich) die Befugnisse in Bezug auf etwas zu betreffen, die Aufhebung von Befugnissen an einer Sache (zugleich) die Zuordnung zu einer bestimmten Person. Idealtypisch lässt sich mit den drei Komponenten aber zeigen, wo der Schwerpunkt der Veränderung liegt: dem Objekt der Beziehung, der inhaltlichen Ausgestaltung der Beziehung zu diesem Objekt oder der Beziehung gerade einer bestimmten Person zu dem Objekt. Wird beispielsweise dem Eigentümer das Recht zur Verwendung eines Warenzeichens durch ein neues Bezeichnungsrecht „der Sache nach entzogen“, 475 liegt der Schwerpunkt auf der inhaltlichen Ausgestaltung der Beziehung zu dem Objekt, nicht – weil keinem anderen eingeräumt – auf der Beziehung oder Zuordnung zu einer bestimmten Person. In konsequenter Fortführung dieser von der Bestandsgarantie ausgehenden Vorstellung lässt sich von einer Aushöhlung des Kernbereichs dann sprechen, wenn eine Bestandskomponente soweit vermindert wird, dass dem Eigentümer nichts von seiner Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich verbleibt: Eine Sache kann zerstört,476 ein Recht kann aufgehoben werden477 – dann ist nichts mehr von dem da, was zur Freiheitsverwirklichung eingesetzt werden konnte.478



————— BVerfGE 51, 193-222/219 f. (Regelung des geographischen Bezeichnungsrechts des Weingesetzes 1971). 475

476 Tötung eines tollwutverdächtigen Tieres, BVerfGE 20, 351-363/355 ff. (dazu oben in Fn. 20 [Seite 51]). 477 BVerfGE 53, 336-352/346 ff. u. 351 (Erstattungsansprüche bezüglich Eisenbahnkreuzungsanlagen); 83, 201-216/212 ff. (Vorkaufsrecht). 478

Die Entscheidungen lassen erkennen, dass der Erhalt der Substanz des Eigentumsobjekts nicht strikt und verhältnismäßigkeitsunabhängig verlangt wird. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht generell gehindert ist, einzelne – auch rechtlich verselbständigte – Rechtspositionen ganz aufzuheben (BVerfGE 83, 201-216/212 f.; aufgegriffen von BVerfGE 102, 1-15/16), und als

D. Andere Erklärungsmodelle

155



Die Befugnisse in Bezug auf eine Sache 479 oder zur Durchsetzung eines Rechts480 können beseitigt werden – dann ist zwar das, was zur Freiheitsverwirklichung eingesetzt werden konnte, unverändert da und dem Eigentümer zugeordnet, ihm verbleibt aber lediglich das ‚nackte Recht‘ 481, das mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts „den Namen ‚Eigentum‘ nicht mehr verdient“.482



Die Sache483 oder eine Rechtsmacht484 kann dem Staat oder einem Dritten zugeordnet werden – das, was zur Freiheitsverwirklichung eingesetzt werden konnte, ist unverändert vorhanden und darf genutzt werden, aber eben nicht mehr durch den bisherigen Eigentümer. Eine solche Neuzuordnung lässt das Grundgesetz ausnahmsweise in Art. 14 Abs. 3 GG zu, nicht aber im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung, die die Zuordnungsverhältnisse zu erhalten hat. Zutreffend hält es das Bundesverfassungsgericht für unzulässig, „unter dem ‚Etikett‘ einer Inhaltsbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG“485 eigentumsrechtlich geschützte Positionen zu entziehen und anderen zuzuordnen.

————— Grenze allein den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft. Auch die Zerstörung von Sachen, die naturgemäß nicht durch eine Bestimmung des Gesetzgebers, sondern erst durch ihre Anwendung erfolgen kann, hat das Bundesverfassungsgericht nicht generell für mit der Eigentumsgewährleistung unvereinbar gehalten, sondern auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft, etwa in der Entscheidung zur Tötung eines tollwutverdächtigen Hundes, BVerfGE 20, 351-363/361 f. Vgl. BVerfGE 100, 226-248/242 f. (Denkmalschutzrecht RhPf). Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss fest, dass die Nutzungsbefugnisse durch die gesetzliche Regelung in bestimmten Fällen dermaßen eingeschränkt worden sind, dass „selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann“, dem Eigentümer mithin nichts als die nackte Eigentumsposition verblieb. Es bettet diese Erwägungen aber – unzutreffend – in seine Verhältnismäßigkeitserwägungen ein. Siehe dazu oben unter C.V. und C.VII.1.d). 479

480 BVerfGE 61, 82-118/109 f. (Präklusion im Atomrecht), und 92, 262-277/271 ff. (Präklusion im Gesamtvollstreckungsrecht). 481 Der Begriff des nackten Rechts ist dem vorjustinianischen, römischen Recht entlehnt. Nudum jus Quiritium bezeichnete das quiritische Eigentum, das formal beim Eigentümer verblieb, weil es bloß formlos veräußert und tradiert worden war. Dem Herausgabeverlangen des quiritischen Eigentümers konnte jedoch eine prätorische Einrede entgegengesetzt werden, so dass der Wert und Nutzen tatsächlich dem Vermögen des prätorischen Eigentümers zugeordnet war. Vgl. Sohm, Institutionen, § 62. 482

BVerfGE 24, 367-424/389. Aufgegriffen in BVerfGE 100, 226-248/243.

483

Klassischer Fall der Enteignung von Grundstücken.

484 BVerfGE 45, 297-346/323 (öffentliche Last für öffentlichen Verkehr); 56, 249-266/260 (Dienstbarkeit für Dürkheimer Gondelbahn GmbH). 485

BVerfGE 42, 263-312/295.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

156

Schutz des Kernbereichs bedeutet danach: Erhalt der Substanz des Eigentums, Erhalt der grundsätzlichen Verfügungs-486 und Nutzungsbefugnisse und Erhalt der Zuordnungsverhältnisse. Die Rückbesinnung auf die Bestandsgarantie kann erklären, wie Art. 14 GG die Privatnützigkeit des Eigentums schützt. Das Merkmal der Privatnützigkeit hielt Eingang in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Kennzeichen für etwas, das als von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschütztes Eigentum bezeichnet werden kann,487 ist also zunächst Voraussetzung für die Eröffnung des Schutzbereichs und somit den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz überhaupt. Erfüllt eine Position diese Voraussetzung, ist sie also einer Person privatnützig zugeordnet und unterfällt sie damit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, versetzt Art. 14 GG die Person in die Lage, Angriffe auf den Bestand ihrer Position abzuwehren und dadurch die Privatnützigkeit zu wahren. Hoheitsträger können diesen Bestand beeinträchtigen, wenn und soweit das Wohl der Allgemeinheit das rechtfertigt (Verhältnismäßigkeitserfordernis). Erst wenn der Hoheitsakt nichts oder nichts als das „nackte Recht“ von dem Vorhandenen belässt, weil er das Eigentumsobjekt als solches, die Befugnisse in Bezug auf das Objekt oder die vormalige Zuordnung zu einer bestimmten Person beseitigt, ist auch die Privatnützigkeit nicht mehr gegeben. Ein verhältnismäßigkeitsunabhängig zu schützender Kernbereich wird danach vom ursprünglichen Bestand an privatnützig zugeordneten Positionen aus bestimmt. Privatnützigkeit meint, dass ein Eigentumsobjekt aufgrund rechtlicher Befugnisse und rechtlicher Zuordnung zur Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich eingesetzt werden darf, dass ein Recht dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet ist, „daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“.488 Privatnützigkeit ist nicht gleichzusetzen mit dem Ergebnis dieser Entfaltung, dem wirtschaftlichen Nutzen, erst recht nicht mit dem zu erwartenden Nutzen, der tatsächlichen wirtschaftlichen Absatzmöglichkeit.489 Die Formel, die Nutzung des Eigentums solle „dem Rechtsinhaber eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen“,490 meint nicht die Rentabilität der Nutzung, son————— 486 Ihre eigenständige Bedeutung als Charakteristikum des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums tritt mit Ausdehnung des Schutzbereichs etwa auf den Besitz zunehmend in den Hintergrund, vgl. BVerfGE 89, 1-14/5 ff. (vollständiges Zitat oben in Fn. 7 [Seite 49]). 487

Vgl. BVerfGE 24, 367-424/389 f. (Hamburger Deichordnung; grundlegend zu Art. 14 GG).

488

BVerfGE 83, 201-216/209, und 101, 239-274/258 (Hervorhebung durch den Verfasser).

489

Die Absatzmöglichkeit gehört nicht zum Vorhandenen, Erworbenen, sondern zur Erwerbstätigkeit, BVerfGE 81, 70-97/96; 85, 360-385/383; 88, 366-381/377 („Für die Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG ist maßgeblich, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG das Erworbene, das Ergebnis einer Betätigung schützt, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst“); 105, 252-279/278. 490

BVerfGE 81, 208-228/220.

D. Andere Erklärungsmodelle

157

dern die rechtliche Möglichkeit zur Nutzung. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach klargestellt, etwa durch die Feststellung, aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums lasse sich „nicht ein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeit[] herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspr[icht]“,491 aus ihr folge „kein übergreifender Schutz ökonomisch sinnvoller und rentabler Eigentumsnutzung und hierfür bedeutsamer unternehmerischer Dispositionsbefugnisse“.492 Aus dem von den Vertretern der – wirtschaftlich bestimmten – Privatnützigkeitsgrenze angeführten Art. 14 Abs. 2 GG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das „zugleich“, aus dem auf einen verfassungsrechtlich stillschweigend vorausgesetzten privaten Nutzen geschlossen werden soll, bezieht sich auf Interessen, dem der Gebrauch des Eigentums „dienen“ soll. Es fügt sich damit in das Verständnis von Art. 14 GG, wonach der Bestand geschützt wird, um Freiheitsentfaltung zu ermöglichen, ihr zu dienen, und nicht davon losgelöst das Ergebnis der Freiheitsentfaltung, der Nutzen. Aus dem „Gleichgewicht“ gerät eine Regelung, wenn sie den Bestand beseitigt, nicht, wenn sie das Ergebnis ändert, ohne den Bestand zu beseitigen. Wenn das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss auf „das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Verwendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden“,493 abstellt, verleitet das zu Missverständnissen. Sicherlich ist die Beeinträchtigung des Eigentümers um so intensiver, je stärker er in den Möglichkeiten zur Verwendung und Nutzung seines Grundstücks eingeschränkt wird. Damit ist jedoch nichts anderes gemeint als das Interesse am Erhalt der Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse. Wird die privatnützige Verwendung hingegen im Sinne von „Verwendung … zu eigenem Nutzen“494 und der eigene Nutzen als tatsächliche wirtschaftliche Ertrag verstanden, so erhebt man das „Von-Nutzen-Sein“ in den Rang des Eigentumsschutzes und bricht mit dem bisherigen Verständnis der Eigentumsgarantie als Bestandsgarantie. Im jüngeren Schrifttum wird vorgeschlagen, statt von Privatnützigkeit von Nutzbarkeit zu sprechen.495 Das hat den Vorteil, die Potentialität der Nutzung unabhängig von tatsächlich erlangtem Nutzen hervorzuheben. Auf der anderen ————— 491

BVerfGE 58, 300-353/345; 84, 382-387/385.

492

BVerfGE 77, 84-125/118. Siehe auch BVerfGE 110, 274-304/290.

493

BVerfGE 102, 1-25/18.

494

BVerfGE 102, 1-25/20.

Lepsius, Besitz, S. 70. Dass der Begriff der Privatnützigkeit „unglücklich gewählt“ sei, weil „zu viele Anleihen an das Privatrecht mitschwingen“ (so Lepsius, Besitz, S. 70), entspricht allerdings nicht dem Verständnis der Privatnützigkeit in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf die Zuordnung zu privatem Nutzen abstellt, nicht auf das Rechtsgebiet, in dem diese erfolgt. 495

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

158

Seite vermag der Begriff nicht den Unterschied zu einer Gesellschaftsordnung ohne Eigentum Privater auszudrücken – auch dort sind Gegenstände selbstverständlich nutzbar, aber eben nicht zu privatem Nutzen zugeordnet. Nicht der Begriff der Privatnützigkeit muss aufgegeben werden, sondern seine Gleichsetzung mit tatsächlich erlangtem Nutzen, mit wirtschaftlichem Ertrag. Angewandt auf die Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit bedeutet das: Durch die Regelungen bleibt die Substanz des Eigentums, das Grundstück, erhalten. Die grundsätzliche Verfügungsbefugnis wird gar nicht, die Nutzungsbefugnisse werden nur vorübergehend eingeschränkt.496 Die Zuordnung zum Eigentümer bleibt erhalten – einige Verantwortlichkeitsregelungen bekräftigen vielmehr die Zuordnung zum bisherigen Eigentümer oder lassen sie sogar länger, als manchem Eigentümer lieb ist, fortdauern.497 Der Bestand ist somit nicht so weit beeinträchtigt, dass dem Eigentümer nichts oder nichts als ein nacktes Recht verbleibt. Soweit Eigentümer durch die Anwendung in hohem Maße wirtschaftlich-faktisch betroffen sind, ist das bei der Gewichtung der Intensität der Belastung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Eine verhältnismäßigkeitsunabhängige strikte Grenze wird dadurch nicht überschritten. (2) Nutzenanalyse und hoheitliche Beeinträchtigung Das zweite – vom ersten unabhängige – Bedenken richtet sich gegen die Handhabung des Privatnützigkeitskriteriums in den Altlastenfällen. Von „gestörter Privatnützigkeit“ spricht Papier, „wenn und soweit die von der Sache ausgehende Gefahr oder Störung darauf basiert, dass infolge der Fremdeinwirkung jede substantielle privatnützige Eigentumsnutzung oder -verwendung ausgeschlossen ist“,498 wenn dem Eigentümer „ohne eigene Mitverursachung infolge der Gefahrenlage, die von seiner Sache nunmehr ausgeht, ein substantieller privatnütziger Eigentumsgebrauch verwehrt ist“,499 „wenn entweder die Sache wegen der Altlast keine substantielle privatnützige Verwendung mehr gestattet … oder wenn die (finanziellen) Belastungen der Altlastenbeseitigung ein Behalten des konkreten Eigentums und seine künftige privatnützige Verwendung

————— 496 Vgl. BVerfGE 102, 1-25/20: „Rechtlich bleiben die Substanz wie die Verfügungs- und Nutzungsbefugnis unberührt“. 497 Etwa bei den Verantwortlichkeiten des Derelinquenten nach § 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 BBodSchG sowie den Regelungen in den Landespolizei- und -ordnungsgesetzen (Synopse in Anhang II) oder des früheren Eigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG. Ebenso bei der Nachsorgepflicht des Anlagenbetreibers gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG und der bergrechtlichen Verantwortlichkeit aus § 53 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 2 S. 1 BBergG – dazu bereits oben zu und in Fn. 122 (Seite 41). 498

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522 (Hervorhebung durch den Verfasser).

499

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522 (Hervorhebung durch den Verfasser).

D. Andere Erklärungsmodelle

159

ausschließen“.500 In den ersten drei Fällen ist der privatnützige Eigentumsgebrauch durch Fremdeinwirkung, durch eine Gefahrenlage oder durch die Altlast gestört, nur im vierten (möglicherweise501) durch die hoheitliche Inanspruchnahme. In den ersten drei Fällen folgt die Inanspruchnahme mithin – in Papiers eigenen Worten – einem „bereits eingetretenen Verlust privatnütziger Verwendbarkeit“.502 Wird vom Staat die Wahrung verhältnismäßigkeitsunabhängiger Grenzen unabhängig davon gefordert, ob hoheitliche Beeinträchtigungen oder tatsächliche Ereignisse ohne hoheitliches Mitwirken den wirtschaftlichen Nutzen des Eigentums schmälern, vermag die grundrechtliche Begründung dieser Grenzen nicht zu überzeugen. Die Grundrechte dienen in erster Linie der Abwehr hoheitlicher Belastungen.503 Sie gewähren daneben in vermindertem Maße Schutz vor Beeinträchtigungen durch Dritte,504 dem der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang durch die Gewährung privatrechtlicher Abwehr-, Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche hinreichend Rechnung getragen hat. Einen darüber hinausgehenden Schutz vor tatsächlichen Verschlechterungen der wirtschaftlichen Situation können sie nicht gewährleisten. Auf solche wird aber abgestellt, wenn die Verwehrung substantieller privatnütziger Eigentumsverwendung „infolge der Gefahrenlage“ oder „wegen der Altlast“ Belastungsgrenzen begründen soll. Ist die „privatnützige[] Verwendbarkeit“ aufgrund tatsächlicher Ereignisse verloren, lässt sich dem Staat nicht entgegenhalten, er habe die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich nicht erhalten. Diese Betrachtung verdeutlicht den wesentlichen Unterschied zwischen den Sachverhalten im Denkmalschutz- und im Altlastenbeschluss. Der Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes ist die gewinnbringende Nutzung verwehrt, weil die denkmalschutzrechtlichen, also hoheitlichen Vorgaben ihm keinen Spielraum belassen. Dem Eigentümer eines verunreinigten Grundstücks ist die gewinnbringende Nutzung – mit Papiers Worten – „infolge der Gefahrenlage“, ————— 500

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 527 (Hervorhebung durch den Verfasser).

501

Die finanziellen Belastungen können auch ohne Inanspruchnahme auftreten, wenn der Eigentümer sich selbst zur Altlastenbeseitigung entschließt. 502

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522.

Zur primären Funktion der Freiheitsgrundrechte als Abwehrrechte: BVerfGE 7, 198-230/204; 21, 362-378/369; 50, 290-381/337. Zur Abwehrfunktion des Gleichheitssatzes: Böckenförde, Gleichheitssatz, S. 27 f., und Heun, DK, Art. 3 Rn. 17. Teilweise wird von modaler Abwehrfunktion gesprochen, d.h. der Gleichheitssatz dient zur Abwehr von in ungleicher Art und Weise vorgenommener Staatstätigkeit, vgl. Schwabe, Probleme, S. 23 f., und weitere Nachweise unten in Fn. 188 (Seite 209). Dreier, DK, Vorb. Rn. 92, verwendet ebenfalls den Begriff des modalen Abwehrrechts, erstreckt ihn aber generell auf die Abwehr gleichheitswidriger Belastungen, das Unterlassungsbegehren gegenüber dem Staat, und unterscheidet davon den Leistungsaspekt des Gleichheitssatzes. 503

504 Zu den grundrechtlichen Schutzpflichten: BVerfGE 39, 1-68/42 ff.; 46, 160-165/164 f.; 49, 89147/140 ff.; 53, 30-69/57 ff.; 56, 54-86/73 ff.; 88, 203-337/251 ff.

160

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

„infolge der Fremdeinwirkung“, „wegen der Altlast“ verwehrt. In der Denkmalschutz-Konstellation ist der Eigentümer „Opfer“ hoheitlicher Belastungen, in der Altlasten-Konstellation zuallererst „Opfer“ Dritter oder der Natur; die nachfolgende hoheitliche Belastung vermag das „Opfer“ allenfalls noch „zu potenzieren und zu perpetuieren“. 505 (3) Absolute Grenze? Das dritte Bedenken gilt der Leistungsfähigkeit einer allein auf den wirtschaftlichen Nutzen abstellenden Grenze, zumal zur Begründung ähnlich differenzierter Belastungsgrenzen wie im Altlastenbeschluss. Konsequent zu Ende gedacht, müsste das alleinige Abstellen auf das, was dem Eigentümer verbleibt, dazu führen, dass eine hoheitliche Belastung stets einen bestimmten Mindestertrag belassen müsste. Der Altlastenbeschluss nähert sich der Belastungsgrenze nicht von dem, was belassen wird, sondern von dem, was maximal genommen werden darf. Als Anhaltspunkt wird im Altlastenbeschluss wie bereits in einigen vorangegangenen Beschränkungsansätzen506 der Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung genannt. Aus der Perspektive des Mindesterhalts lässt sich das als Forderung nach Gewährleistung zumindest einer ausgeglichenen wirtschaftlichen Bilanz fassen. Das ist bereits aus Sicht der Anhänger eines wirtschaftlich-faktischen Privatnützigkeitsbegriffs kaum als „Von-Nutzen-Sein“ darzustellen, ist doch dem Begriff des „Nutzens“ in diesem Verständnis immanent, dass der Eigentümer zumindest irgendeinen Vorteil aus der Sache ziehen kann. 507 Auch ein Hinweis ————— 505

Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522.

Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 195 ff. („Wert des unbelasteten [sanierten] Grundstücks, einschließlich der wesentlichen Bestandteile und der noch mit dem Boden verbundenen Erzeugnisse“), und Sparwasser/ Geißler, DVBl. 1995, 1317-1327/1319 ff. 506

Darauf weist Haaß, NVwZ 2002, 1054-1059/1056, hin. Zum Beleg zitiert er zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE 38, 348-372/370 f.: „Der Eigentümer behält eine Rendite … Aufgehoben wird im Grunde nur die Möglichkeit des Verfügungsberechtigten, jede sich bietende Chance zu einer günstigeren Verwertung sofort und maximal auszunutzen“, und BVerfGE 71, 230-255/250: „Verfassungsrechtliche Probleme können sich [aus der unabhängig von der künftigen Mietpreis- und Geldwertentwicklung geltenden Höchstgrenze] allenfalls dann ergeben, wenn die Vermietung von Wohnraum auch bei voller Ausschöpfung des Mieterhöhungsrechts … im Ergebnis zu Verlusten führen würde. Dann wäre allerdings die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt“. Beide betreffen Konstellationen, in denen die Möglichkeit, eine Rendite zu erzielen, ausdrücklich gekappt oder ein Teil potentieller Erlöse aus eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich abgeschöpft wird. Auf derartige Konstellationen bezieht sich die Forderung, dass – mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 93, 121-149/137 – „ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten“ bleiben muss. Wolf, VBlBW 1988, 208-210/210, weist zurecht darauf hin, dass die Unbrauchbarkeit des Grundstücks auf tatsächlichen Vorgängen beruht, nicht auf einem Hoheitsakt, und dass der Umkehrschluss aus dem „zugleich“ des Art. 14 Abs. 2 GG allenfalls Beschränkungen des „Gebrauchs des Eigentums“ betrifft, nicht hingegen Einwirkungen auf das Grundstück, etwa durch Gefahrenbeseitigung. 507

D. Andere Erklärungsmodelle

161

auf das „zugleich“ im Verfassungstext des Art. 14 Abs. 2 GG 508 hilft nicht weiter, existiert „privater Nutzen“ bei wirtschaftlich-faktischem Verständnis doch nur dann „zugleich“, wenn eine positive Rendite verbleibt, und bei Überinterpretation als „zu gleichen Teilen“ sogar nur dann, wenn mindestens die Hälfte des wirtschaftlichen Ertrags verbleibt.509 Entscheidend gegen eine so verstandene Privatnützigkeit als absolute Grenze spricht aber, dass der Ansatz von den Fürsprechern selbst nicht durchgehalten wird. Den Eigentümer, der die Gefahr mitverursacht hat, soll das Privatnützigkeitsgebot nicht vor Verlusten schützen.510 Eine verhältnismäßigkeitsunabhängige unmittelbar aus Art. 14 GG begründete Belastungsgrenze müsste konsequenterweise aber in dem einen wie dem anderen Fall gelten. 3. Ergebnis persönlicher Arbeit und Leistung als Mindestposition Der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG zugeordnet, aber mit anderem Inhalt gefüllt als in den oben unter D.I.1. dargestellten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, beschreibt Schlink den „Problemrest“ der Geeignetheits- und Erforderlichkeitsprüfung als eine verhältnismäßigkeitsunabhängig zu wahrende „Mindestposition“.511 Für Art. 14 GG sei die Mindestposition das, was durch persönliche Arbeit und Leistung erworben ist. Es sei durch Entschädigung zu erhalten, an ihr schlügen entschädigungsfreie Konkretisierungen der Sozialbindung in entschädigungspflichtige Enteignungen um.512 Schlink räumt ein, das für verschiedene Sachbereiche auch verschieden zu bestimmen sei, „was als Ergebnis persönlicher Arbeit und Leistung als Mindestposition anzusetzen ist“.513 An dem Kriterium der „persönlichen Arbeit und Leistung“ hält er damit aber für alle Sachbereiche fest.

————— 508

Papier, MD, Art. 14 Rn. 518; Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 520.

So das Ergebnis im Vermögenssteuer-Beschluss, BVerfGE 93, 121-149/138. Mit Beschluss vom 18.01.2006 (NJW 2006, 1191-1195/1992 f.) stellt das BVerfG jedoch zutreffend klar, dass den Ausführungen zum „Halbteilungsgrundsatz“ keine Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zukommt. Aus Art. 14 GG lasse sich „keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung (‚Halbteilungsgrundsatz‘) ableiten“. 509

Vgl. die Hervorhebung des Merkmals „ohne eigene Mitverursachung“ bei Papier, MD (31.EL), Art. 14 Rn. 522. Ebenso hält das Gericht im Altlastenbeschluss, etwa bei bewusster Inkaufnahme des Risikos, die Hinnahme von Verlusten für zumutbar, BVerfGE 102, 1-25/21 f. 510

511 Schlink, Abwägung, S. 80: „Wenn … beim Versagen der Kriterien von Geeignetheit und Erforderlichkeit und beim Ausbleiben eines gewichtenden Abwägens zwischen Gemeinschaftsgütern und Freiheitsrechten Grundrechtseinschränkungen, die durch oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, mit der Vorstellung einer jedenfalls zu wahrenden Mindestposition eine Grenze gesetzt wird, dann muß sich diese Vorstellung der Verfassungsbestimmung über die Unantastbarkeit des grundrechtlichen Wesensgehalts zuordnen lassen“. Ausdrücklich dagegen Schwabe, Probleme, S. 322 f. 512

Schlink, Abwägung, S. 93 f., 95 u. 193.

513

Schlink, Abwägung, S. 94.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

162

So sehr das Kriterium der Arbeit im philosophischen Schrifttum verwurzelt ist,514 ist der verfassungsrechtliche Befund für eine so bestimmte Mindestposition dürr. Art. 14 GG unterscheidet nicht danach, woher das Eigentum rührt, sondern gewährleistet schlicht das Eigentum, das, was da ist, den Bestand, wie auch immer es dazu gekommen sein mag.515 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konnte Schlink516 lediglich den Beschluss zur Aufnahme urheberrechtlich geschützter Werke in Sammlungen für Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch anführen, in dem das Gericht an zwei Stellen „Arbeit und Leistung“ erwähnt. 517 Die Begründung erinnert an den Schutz der Berufsfreiheit,518 wenn das Gericht darauf abstellt, der Urheber habe „grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird“.519 Aus heutiger Sicht ließen sich noch einige Entscheidungen anführen, in denen das Gericht dazu Stellung bezieht, ob und unter welchen Voraussetzungen öffentlich-rechtliche Positionen Eigentumsschutz genießen.520 Bereits in anderem Zusammenhang wurde begründet, dass eine generelle Übertragung des Leistungskriteriums auf den Eigentumsschutz nicht überzeugen kann. 521 Darauf kann hier verwiesen werden. ————— 514

Grundlegend Locke, Abhandlungen, S. 216 ff. (II. 5. Kapitel §§ 26 ff.).

515

Dazu bereits oben in und zu Fn. 187 (Seite 88).

516

Schlink, Abwägung, S. 92 f.

BVerfGE 31, 229-248/239: „Darüber hinaus bewahrt die Eigentumsgarantie den konkreten, vor allem durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt“. BVerfGE 31, 229-248/243: „Der Urheber hat nach dem Inhalt der Eigentumsgarantie grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird, soweit nicht Gründen des gemeinen Wohls der Vorrang vor den Belangen des Urhebers zukommt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es um das Ergebnis der geistigen und persönlichen Leistung des Urhebers geht, nicht aber etwa um einen unverdienten Vermögenszuwachs“. 517

518 Vgl. BVerfGE 33, 240-247/244 (Begrenzung der Entschädigung für Sachverständigentätigkeit): „Aber die Verpflichtung zur Gutachtenerstattung darf nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr ist zu beachten, daß der Sachverständige zur Gutachtenerstattung unter Beschränkung der Höhe seines Entschädigungsanspruchs verpflichtet ist. Die Gesamtregelung stellt sich also als eine Indienstnahme Privater zu öffentlichen Aufgaben dar, so daß bei der verfassungsrechtlichen Prüfung auch der Entschädigungsregelung für Sachverständige vor allem Art. 12 Abs. 1 GG heranzuziehen ist“.

BVerfGE 31, 229-248/243. Zur Abgrenzung der Gewährleistungsfunktionen von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, BVerfGE 30, 292-336/335 (Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse): „Indem das Gesetz den Betroffenen ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten zur Pflicht macht, regelt es ihre gewerbliche Tätigkeit, nicht die Ausübung von Eigentümerbefugnissen. Mögen die so in den Dienst staatlicher Aufgabenerledigung gestellten Privaten ihre Pflichten auch nur mit den persönlichen und sachlichen Kräften ihrer Unternehmen erfüllen können, so handelt es sich doch … um eine Inanspruchnahme spezifischer Unternehmerfunktionen und nicht um einen Zugriff auf das sachliche Substrat des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs“. 519

520

Nachweise oben in Fn. 185 (Seite 87).

521

Oben unter B.IV.2.b)(1)(a)().

D. Andere Erklärungsmodelle

163

Wollte man die so bestimmte Mindestposition dennoch in den Altlastenfällen zur Geltung bringen, führte das zu gänzlich anderen Belastungsgrenzen. Der Erbe eines Altlastengrundstücks könnte – im Rahmen der Verhältnismäßigkeit – unbeschränkt belastet werden, weil er nichts durch persönliche Arbeit und Leistung erworben hat. Derjenige, der sein Grundstück vollständig von seinem eigenen Lohn bezahlt hat, dürfte überhaupt nicht oder nur gegen Entschädigung belastet werden, weil sein Eigentum vollends auf persönlicher Arbeit beruht. Ein befremdendes Ergebnis. II. Korrespondenzmodell Im Schrifttum wurde versucht, die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit aus der allgemeinen Beziehung von Rechten und Pflichten, ihrem subjektivrechtlichen Aufeinanderbezogensein zu begründen.522 Lepsius knüpft zu diesem Zweck an den von ihm als Reflexmodell bezeichneten Gedanken Kelsens an, wonach jede subjektive Berechtigung an anderer Stelle eine Pflicht aufgrund des subjektiven Rechts auslöse. Kelsen bezeichnet das Recht einer Person als Reflex der ihr gegenüber bestehenden Pflicht einer anderen: „Bezeichnet man die Beziehung eines Individuums, dem gegenüber ein anderes Individuum zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, zu diesem anderen Individuum als ‚Recht‘, ist dieses Recht nur ein Reflex dieser Pflicht“.523 „Das ‚Recht‘, die eigene Sache nach Belieben gebrauchen zu können, ist ebenso wie das ‚Recht‘ zu jedem nicht verbotenen Verhalten nur der unselbständige Reflex von Rechtspflichten statuierenden Normen“.524

Dieses Reflexmodell verallgemeinert Lepsius dahingehend, dass jedem subjektiven Recht eine Pflicht korreliere.525 Das Eigentumsrecht als „Reflex einer Vielheit von Pflichten einer unbestimmten Zahl von Individuen gegenüber einem und demselben Individuum mit Beziehung auf ein und dieselbe Sache“526 wird dabei unversehens zu einem Recht und einer korrelierenden Pflicht desselben Individuums gegenüber anderen: „Dem Recht gegenüber anderen in bezug auf die Sache korreliert eine Pflicht gegenüber anderen Personen in bezug auf die Sache“.527

————— 522

Lepsius, Besitz, S. 107 ff., speziell für Pflichtenstellungen aus Sachherrschaft S. 110 ff.

523

Kelsen, Rechtslehre, S. 132 f.

524

Kelsen, Staatslehre, S. 56 f.

525

Lepsius, Besitz, S. 108 f.

526

Lepsius, Besitz, S. 109 (Hervorhebung durch den Verfasser).

527

Lepsius, Besitz, S. 110.

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

164

Zwar hat der Gedanke einer notwendigen Beziehung zwischen der Rechtsstellung, an die eine Pflicht anknüpft, und dem Ausmaß dieser Pflicht, einer Korrespondenz528 von Recht und Pflicht, viel für sich, findet sich darum auch bei Ansätzen, die Grenzen ordnungsrechtlicher Verantwortlichkeit aus ihrem Grund bestimmen wollen,529 und wird auch beim hier vertretenen Ansatz aufgegriffen.530 Auf das von Kelsen entwickelte 531 und von der Minderheit in der Rechtslehre fortgeführte532 Reflexmodell lässt sich das Korrespondenzerfordernis, der „Korrelationsgrundsatz“,533 aber nicht zurückführen.534 Kelsen anerkennt ein Recht, wenn eine korrespondierende Pflicht Dritter besteht535 und gerade keine Pflicht des Berechtigten.536 Bei der Beziehung zwischen Grund und Grenze der Verantwortlichkeit537 geht es hingegen um ein Recht und eine korrespondieren-

————— 528 Lepsius, Besitz, S. 108 ff. u. 112 ff., spricht – wie gesehen – von Korrelation. Vor ihm hatte bereits Friauf, Zustandshaftung, S. 301, darauf verwiesen, der Eigentümer müsse, „wenn die abzuwendende Gefahr in irgendeiner Beziehung zu der ihm zustehenden Sachherrschaft steht [,a]ls Korrelat dieser Sachherrschaft und der aus ihr gezogenen Vorteile … die im Zusammenhang mit seiner Sache entstehenden Nachteile einschließlich der Lasten und Kosten einer Gefahrenbeseitigung tragen“. Suhr, Freiheit, S. 35, spricht von „Konnexität von Freiheit und Verantwortung“ und sieht darin interessanterweise – ähnlich dem im folgenden entwickelten Ansatz – eine Umsetzung des „Gleichheits- und Gerechtigkeitsgedankens“ „in konkretes Recht“. Da nach dem im Fortgang dieser Arbeit zu entwickelnden Verständnis nicht – wie bei Lepsius – das Recht die Pflicht bedingt, sondern allenfalls das (bloße) gesetzliche Anknüpfen an die Rechtsstellung eine Begrenzung der Pflicht, und sich dabei die Reichweite der Unterschiede, die das Gesetz durch das Anknüpfen an diese Rechtsstellung in Bezug nimmt, und der maximale Umfang der Inpflichtnahme entsprechen müssen, wird mit dem Bundesverfassungsgericht (dazu nachstehend Fn. 529) der Begriff des Korrespondierens verwandt. Ihn verwandte bereits Friauf, POR, S. 238: „Dem Vorteil der Sachherrschaft korrespondiert also ihr Risiko“. 529 So auch im Altlastenbeschluss, BVerfGE 102, 1-24/17: „Das Wohl der Allgemeinheit, an dem sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu orientieren hat, ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentümers“; und weiter auf S. 18: „Die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Sacheigentums korrespondiert mit der öffentlichrechtlichen Pflicht, die sich aus der Sache ergebenden Lasten und die mit der Nutzungsmöglichkeit verbundenen Risiken zu tragen“. 530

Dazu besonders im Zweiten Teil unter A.II.2.

531

Kelsen, Staatslehre, S. 56 ff.

532

Zahlreiche Nachweise bei Lepsius, Besitz, S. 107 Fn. 15-17.

533

Lepsius, Besitz, S. 112.

Anders Lepsius, Besitz, S. 110 ff. und S. 287: „[E]in am Sachherrschaftsmodell ausgerichteter Erklärungsansatz … vermag Grund und Grenze reflexartig auf die verfassungsrechtlich geschützte Sachherrschaft zu stützen“. 534

535 Als Beispiel nennt Kelsen, Staatslehre, S. 57, die „Rechtspflicht der anderen, sich jedes Eingriffs in ‚meine‘ Sache (die eben dadurch erst meine Sache wird) zu enthalten“. 536 Das verdeutlicht Kelsen, Staatslehre, S. 57, wie folgt: „[die] Behauptung aber: ich habe das Recht, zu atmen, zu arbeiten, spazieren zu gehen, zu lieben usw., besagt rechtlich nichts anderes, als daß keine Rechtsnorm besteht, die mich zum Gegenteil verpflichtet“. 537

Dazu bereits oben unter B.II. und B.IV.1.b).

D. Andere Erklärungsmodelle

165

de Pflicht derselben Person, um das Recht des Eigentümers oder eines anderen Sachherrn und die daran anknüpfende Pflicht derselben Person. Ein ausgewogenes Verhältnis von Rechten und Pflichten einer Person, wirtschaftlich formuliert von Nutzen und Lasten der Person, ist verfassungsrechtlich nicht selbstverständlich, sondern begründungsbedürftig. Wenn das Bundesverfassungsgericht vor dem Altlastenbeschluss ausnahmsweise auf das Verhältnis von Nutzen und Lasten einer Person abstellte, ging es um Maßnahmen, deren Zweck es gerade war, die dem Einzelnen aufgrund hoheitlicher Maßnahmen zu Teil gewordenen Vorteile abzuschöpfen oder die Kosten der Maßnahmen auf die Begünstigten umzulegen. So hielt das Gericht die Abwälzung der Kosten für Erschließungsmaßnahmen für mit Art. 14 GG vereinbar, weil dem Eigentümer gerade durch diese Maßnahmen Vorteile zukamen. Aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG könne nicht der Anspruch hergeleitet werden, dass „rechtliche und wirtschaftliche Vorteile, die durch diese öffentlichen Maßnahmen entstehen, dem Eigentümer zufließen, die hierbei entstehenden Kosten dagegen von der Allgemeinheit getragen werden“.538 Ebenso sah es die mit einer Baulandumlegung verbundenen Belastungen „in angemessenem Verhältnis zu den mit der Umlegung verbundenen Vorteilen“.539 Die Nutzen-Lasten-Beziehung, das Korrespondenzverhältnis von Rechten und Pflichten, fügt sich hier in die herkömmliche Verhältnismäßigkeitsprüfung, weil der Zweck in der Vorteilsabschöpfung oder Kostenumlegung liegt. Gängiger bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Gegenüberstellung der Nachteile für die Allgemeinheit mit der Belastung des Eigentümers. Die Nachteile für die Allgemeinheit, die zu verhindern oder auszugleichen der Hoheitsakt bezweckt, bildet ein Maß für das Gewicht der Gemeinwohlinteressen, denen die Angemessenheitsprüfung das Ausmaß der Belastung des Grundrechtsträgers gegenüberstellt.540 Ausnahmsweise ersetzt das Bundesverfassungsgericht auf der Seite der Gemeinwohlinteressen die zu verhindernden oder auszugleichenden Nachteile für die Allgemeinheit ohne die Freiheitsbeeinträchtigung durch die Vorteile für die Allgemeinheit oder Dritte, deren Interessen zu stärken mit der Freiheitsbeeinträchtigung bezweckt ist.541 ————— 538

BVerfGE 34, 139-154/148 (Erschließungsbeiträge).

539

BVerfGE 104, 1-13/12 (Baulandumlegung).

BVerfGE 55, 249-261/259 (zur Zweckentfremdungsabgabe): „In jedem Falle sind es allein die von dem Vorhaben ausgehenden Nachteile für die Wohnraumversorgung, die im Blick auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Grund, aber auch die Grenze kompensatorischer Entscheidungen zu Lasten des Eigentümers bilden“. 540

541 BVerfGE 46, 120-160/148, zu einer Regelung, die die Herstellung und den Verkauf von Zusatzeinrichtungen für die Datenübertragung im Fernmeldewesen durch das Gebot posteigener Zusatzeinrichtungen unter anderem deshalb faktisch beschränkte, um Fehlinvestitionen der Benutzer bei der Beschaffung der Zusatzeinrichtungen zu vermeiden: „Die Regelung … ist schließlich im engeren Sinne verhältnismäßig. Die Belastung der Hersteller und Verkäufer auf der einen, der Vorteil für die Benutzer auf der anderen Seite stehen in einem angemessenen Verhältnis“.

166

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

Festzuhalten bleibt: Im Regelfall bestimmt das Verhältnis von Nachteilen für die Allgemeinheit oder Dritte ohne die Freiheitsbeeinträchtigung – bisweilen umformuliert als Vorteile der Freiheitsbeeinträchtigung – zu dem Ausmaß der Belastungen des Grundrechtsträgers die freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeits-, besonders Angemessenheitsprüfung. Das Verhältnis der Vor- und Nachteile für den belasteten Grundrechtsträger selbst ist nur dann für die freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit bedeutsam, wenn der Zweck der Belastung gerade in der Abschöpfung der Vorteile oder Umlegung der Kosten der vorteilbringenden Maßnahme liegt. Eine Begründung dafür, dass auch in anderen Fällen Nutzen und Lasten einer Person von Verfassungs wegen miteinander korrespondieren müssten, steht aus. Ein Rückgriff auf Kelsens Reflexmodell erbringt sie nicht. Zu prüfen bleibt, ob der Gleichheitssatz eine bestimmte Beziehung von Nutzen und Lasten gebietet, wenn eine Pflicht, also eine belastende Maßnahme, an eine Rechtsposition, also eine im Vergleich zu anderen regelmäßig vorteilhafte Stellung, anknüpft.

E. Ergebnis Die Untersuchung des Altlastenbeschlusses hat ergeben, dass sich die Aussagen zum Gehalt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung mit Ausnahme der Verschiebung im Verständnis der Privatnützigkeit in die frühere Rechtsprechung fügen und sich Wahl und Anwendung des Prüfungsmaßstabs nicht ohne Schwierigkeiten, im Ergebnis aber dennoch im Wege der Einordnung in den umfassenderen Zusammenhang der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts systematisch erklären lassen. Hingegen entspricht die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Altlastenbeschluss nicht der bisherigen freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsdogmatik und lässt sich auch nicht durch andere Modelle erklären. Die Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in ein Freiheitsrecht kann nur im Hinblick auf den Regelungszweck festgestellt werden. Das zur Verfolgung des Zwecks eingesetzte Mittel und der in die Pflicht Genommene dürfen in die Beschreibung des Zwecks nicht aufgenommen werden, soll die Leistungsfähigkeit der Verhältnismäßigkeitskontrolle erhalten bleiben. Erwägungen zu Gründen der Belastung im Sinne von tatsächlichen Gegebenheiten bei den Betroffenen, an die die gesetzliche Regelung oder die auslegende und anwendende Behörde anknüpft, haben darin grundsätzlich keinen Platz. Erwägungen zu den Umständen der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung, also zur Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne, sind bei der Zustandsverantwortlichkeit weder von Verfassungs wegen noch aufgrund einfachrechtlicher Vorgaben anzustellen. Von Verfassungs wegen ist bei der Abwägung zur Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zwar die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine solche Abwägung aber nicht vor und entwickelt auch keine Maßstäbe für die Anwender, weil es

E. Ergebnis

167

die Grenzen der Belastungen unabhängig vom Gewicht des Grads der Betroffenheit der Gemeinwohlinteressen bestimmt. Die Anhaltspunkte für Belastungsgrenzen im Altlastenbeschluss lassen sich nicht durch Einordnung in die bisherigen Entscheidungen zur Zumutbarkeit erklären. Ein eigener, zweckunabhängiger Gehalt der Zumutbarkeit ließ sich diesen Entscheidungen nicht entnehmen. Den sprachlichen Unterscheidungen zwischen Unverhältnismäßigkeit, Unangemessenheit, Übermäßigkeit und Unzumutbarkeit entsprach in der Mehrzahl der Entscheidungen kein sachlicher Unterschied. Der Begriff der Zumutbarkeit umschrieb eine Beziehung zwischen einer Belastung und den sie legitimierenden Zwecken. Die Belastungsgrenzen lassen sich auch mit verhältnismäßigkeitsunabhängigen Grenzen nicht erklären. Der Schutz des Wesensgehalts der Eigentumsgewährleistung und der Institutsgarantie half insofern nicht weiter. Ein nicht auf die drei Elemente der Bestandsgarantie – den Erhalt der Substanz, der grundsätzlichen Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse und der Zuordnungsverhältnisse – bezogenes Privatnützigkeitskriteriums ließ sich verfassungsrechtlich nicht begründen. Soweit Eigentümer durch die Anwendung der Verantwortlichkeitsnormen in hohem Maße wirtschaftlich-faktisch betroffen sind, ist das bei der Gewichtung der Intensität der Belastung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Eine verhältnismäßigkeitsunabhängige strikte Grenze wird dadurch nicht überschritten. Das gilt besonders dann, wenn der Eigentümer nicht in erster Linie „Opfer“ hoheitlicher Belastungen, sondern zuallererst „Opfer“ Dritter oder der Natur ist. Ließe sich eine verhältnismäßigkeitsunabhängige Belastungsgrenze unmittelbar aus Art. 14 GG begründen, müsste sie in jedem Fall gelten. Diese notwendige Konsequenz will aber weder der Altlastenbeschluss noch die Mehrzahl der anderen Begrenzungsansätze ziehen. Sie formulieren – mit wenigen Ausnahmen542 – keine absolute Grenze.543 Eine auf die Kriterien Arbeit und Leistung abstellende Mindestposition lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen und führt zu befremdenden Ergebnissen. Das Verhältnis der Vor- und Nachteile für den belasteten Grundrechtsträger selbst ist nur dann für die Verhältnismäßigkeit bedeutsam, wenn der Zweck der Belastung gerade in der Abschöpfung der Vorteile oder Umlegung der Kosten der vorteilbringenden Maßnahme liegt. Eine Begründung dafür, dass auch in anderen Fällen Nutzen und Lasten einer Person von Verfassungs wegen miteinander korrespondieren müssten, steht noch aus. ————— 542

Etwa Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 195 ff.

Selbst Albrecht, Zumutbarkeit, S. 122 f., nicht: „So verstanden darf man die Zumutbarkeitsprüfung aber nicht im Sinne einer absoluten Opfergrenze mißverstehen. Gerade angesichts grundsätzlicher Abwägungsoffenheit ist nicht zu verkennen, daß das Zumutbarkeitsurteil von Art und Gewicht des hinter der Pflichtenauferlegung stehenden Rechtsguts beeinflußt wird“. 543

168

1. Teil: Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung

Insgesamt lässt sich feststellen, dass nicht alles, was sich als Maßhalten beschreiben lässt, Teil der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist.544 Weiterer Klärung bedarf, welchen verfassungsrechtlichen Stellenwert der (legitimierende) Grund der Verantwortlichkeit und dessen (Korrespondenz-) Verhältnis zur Belastung des Eigentümers hat. Zu prüfen bleibt insbesondere, ob der Gleichheitssatz eine bestimmte Beziehung von Nutzen und Lasten gebietet, wenn eine Pflicht, also eine belastende Maßnahme, an eine Rechtsposition, also eine im Vergleich zu anderen regelmäßig vorteilhafte Stellung, anknüpft.

————— 544 Vgl. die Kritik von Lerche, Übermaß, S. XIII., an der „oft praktizierte[n] Ein- und Umschmelzung der Grundsätze … in einen Gesamtmaßstab des Angemessenen“ (Hervorhebung im Original).

Zweiter Teil

Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz Tatsächliche Gegebenheiten beim Betroffenen, die weder Voraussetzung für den (erwarteten) Erfolg eines Eingriffs sind (Geeignetheits- und Erforderlichkeitserwägungen) noch die Intensität der Freiheitseinbuße bestimmen (Angemessenheitserwägungen), kommen bei der herkömmlichen freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht in den Blick.1 Daraus folgt nicht, dass sie bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenzen ordnungsrechtlicher Verantwortlichkeit unberücksichtigt bleiben müssten. Die vorstehende Kritik wendet sich allein dagegen, die Determinanten freiheitsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsprüfungen derart zu erweitern, dass sie sich nicht mehr als eine ZweckMittel-Relation bestimmen und strukturieren lassen. Mit dem vom Zweck abweichenden Grund der Regelung, etwa mit Umständen beim Adressaten oder dem Nutzen aus Rechtspositionen, an die die Regelung anknüpft, können am Maßstab der Freiheitsrechte Grenzen nicht begründet werden. Dass der Problemrest möglicherweise über den Gleichheitssatz zu lösen ist, wird bisweilen erwogen, ohne es näher auszuführen.2 Möglicherweise erlaubt der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, auf tatsächliche Gegebenheiten beim Betroffenen abzustellen, auf Umstände, die das Verhältnis des Betroffenen zum Gegenstand der Pflicht bestimmen und ihn darin zugleich von anderen unterscheiden, bei denen diese Umstände nicht vorliegen. Die nachfolgenden Vorüberlegungen dienen dazu, einen kurzen Überblick über bislang vorhandene Ansätze gleichheitsrechtlicher Argumentation zur Ermittlung von Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit zu geben (A.I.) und darüber hinaus zu klären, ob der allgemeine Gleichheitssatz –

gebietet, zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung auf die genannten Umstände abzustellen, und Grenzen nicht nur bezüglich des „Ob?“ einer

————— 1

Siehe Erster Teil unter B.IV.1.b) und E.

Schlink, Grundsatz, S. 459: „Sowohl im Grundrechtskonflikt zwischen zwei Bürgern als auch im Konflikt zwischen Staat und Bürger hat sich dann, wenn Schonung durch ein milderes Mittel zum Preis hat, daß andere belastet werden, u.U. eine Gleichheitsprüfung anzuschließen. … [U]nd wenn die Last der polizei- und ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit über andere öffentlichrechtliche Lasten hinausgeht, muß dies vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt oder durch Kompensation egalisiert werden“. 2

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

170

ungleichen Belastung, sondern auch bezüglich des „Inwieweit?“ begründen kann (A.II.), –

tauglicher Maßstab zur verfassungsrechtlichen Prüfung öffentlich-rechtlicher Pflichten ist und das Modell eine Prüfung auch solcher öffentlich-rechtlicher Pflichten erlaubt, die jedermann treffen können, und ob die Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG damit für die Zustandsverantwortlichkeit zulässig und sinnvoll ist (A.III.).

Erst wenn die insoweit bestehenden Bedenken ausgeräumt sind, soll ein Gleichheitsmodell entwickelt werden, das ermöglicht, gleichheitsrechtliche Grenzen nachvollziehbar zu begründen, und soll dieses Modell am Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit erprobt werden (B.). Schließlich wird untersucht, wie sich Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz und die aus ihnen folgenden Grenzen zueinander verhalten (Dritter Teil).

A. Vorüberlegungen I.

Befund

Arbeiten zu den verfassungsrechtlichen Grenzen ordnungsrechtlicher Verantwortlichkeit stellen nicht selten Erwägungen zum Grund der Verantwortlichkeit an,3 die sich in eine Argumentation mit Eigentumsgewährleistung und freiheitsrechtlicher Verhältnismäßigkeit nicht fügen,4 aber möglicherweise als Gleichheitserwägungen nutzbar gemacht werden können. Ausdrücklich mit dem Gleichheitssatz begründete Grenzen sind dabei nur selten zu finden.5 Gelegent————— 3

Nachweise im Ersten Teil unter B.IV.1.b). Hervorgehoben seien hier zwei typische Problembeschreibungen: Griesbeck, Polizeipflicht, S. 55: „Um die Frage beantworten zu können, ob und wie die Zustandsverantwortlichkeit begrenzt werden kann, muß zuerst eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsgrund der Zustandsstörereigenschaft und dem Begriff der materiellen Polizeipflicht erfolgen“; Lindner, Dimension, S. 16 f.: „Erst wenn feststeht, aus welchem Rechtsgrund [verstanden als Pflichtenbegründung oder materiell-rechtliche Rechtfertigung] jemand zu einem gefahrenabwehrrechtlichen Tun, Dulden oder Unterlassen herangezogen werden darf, lassen sich Pflichteninhalt, -umfang und -grenzen bestimmen. Der materiell-rechtliche Rechtsgrund einer Pflicht ist notwendige Basis einer Pflichtendogmatik“. 4

Dazu ebenfalls im Ersten Teil unter B.IV.1.b).

Eine Ausnahme bildet Lindner, Dimension, S. 49, 61, 73 f., 76, 82-84 u. 101 f., besonders S. 101: „[Der allgemeine Gleichheitssatz] gebietet – angesichts der Existenz einer allgemeinen Steuerpflicht – nicht nur die grundsätzliche Legitimationsbedürftigkeit allgemeiner Polizeipflichten des einzelnen, er spielt auch eine maßgebliche Rolle bei der zurechnungsbegründenden verfassungsrechtlichen Interessenanalyse, und zwar in dreifacher Hinsicht: einmal bei der Pflicht zum Unterlassen eines rechtlich nicht geschützten Verhaltens, zum zweiten bei der Pflicht zum Einsatz des Gegenmittels durch ein Tun oder Dulden nach einem rechtswidrigen unmittelbar gefahrverursachenden 5

A. Vorüberlegungen

171

lich entsteht der Eindruck, dass die Möglichkeit einer Begrenzung durch den Gleichheitssatz in diesen Arbeiten schlicht übersehen oder übergangen wurde.6 Zuweilen wird der Gleichheitssatz als Maßstab erkannt,7 wird gesehen, dass öffentliche Pflichten und Lasten Einzelnen nur unter Beachtung des Gleichheitssatzes auferlegt werden dürfen, dann aber lediglich die Kostentragungslast, nicht hingegen die originäre Handlungspflicht am Maßstab des Gebots gerechter Lastenverteilung gemessen.8 Nicht selten wird (als Eingangsthese) eine unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit als „ungerecht“9 oder dem „Gerechtigkeitsgefühl“ zuwiderlaufend10 bezeichnet und damit eher ein Gleichheitsurteil gefällt als ein Einstieg in die Prüfung freiheitsrechtlich begründeter Grenzen gegeben. Gelegentlich wird sogar der Verstoß einer unbeschränkten Kosten- und Lastentragungspflicht des Zustandsverantwortlichen gegen das Gebot gerechter Las————— Verhalten und drittens bei der Pflicht zum Einsatz des Gegenmittels bei der Verwirklichung eines sachtypischen Risikos“. 6 Zum Beispiel bei Lepsius, Besitz, S. 14: „Wenn die Rechtsordnung typischerweise Pflichten an Sachherrschaftsstellungen knüpft, drohen verfassungsrechtliche Abwehrpositionen bei solchen Sachherrschaftsstellungen zu fehlen, die nicht als verfassungsrechtliches Eigentum qualifiziert werden können. Auf welches grundrechtliche Abwehrrecht könnte sich beispielsweise der Betreiber berufen, der nicht notwendigerweise zugleich der Eigentümer sein muß? … Aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie kann sich hier nur ein Abwehrrecht ergeben, wenn Sachherrschaft als Schutzgut der Eigentumsgarantie verstanden wird. Sachherrschaftsgebundene Pflichtenstellungen würden verfassungsrechtlich also unterschiedlich beurteilt, je nachdem an welche Form der Sachherrschaft die Pflicht geknüpft ist. Der Gesetzgeber wäre in diesem Fall gut beraten, nur noch auf tatsächliche Sachherrschaftsverhältnisse zurückzugreifen, weil ihnen keine verfassungsrechtlichen Abwehrposition zukäme“. Ähnlich auf S. 28 f., S. 102, S. 117, S. 128 und S. 256. 7 BVerfGE 34, 139-154/146: „Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz … muß … auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten beachtet werden“. Heun, DK, Art. 3 Rn. 89: „Öffentliche Pflichten und Lasten dürfen den Bürgern nur unter Beachtung des Gleichheitssatzes auferlegt werden. … Sonstige öffentliche Lasten [jenseits der Wehrpflicht] können in Kollision mit Art. 3 I GG, teils i.V.m. Art. 14 GG, teils i.V.m. Art. 12 I GG geraten“. Besonders deutlich bei Kloepfer, Verantwortlichkeit, S. 26 ff.: Der Begriff der Verantwortlichkeit setze eine (typisierte) gerechtigkeitsorientierte Wertung voraus, warum der Störer für die Gefahrenbeseitigung einstehen müsse. Die polizei- und ordnungsrechtliche Zustandspflichtigkeit sei eine „gesetzliche (und regelmäßig willkürfreie) Risikozuweisung … im sicherheitsrechtlichen Sinne“. Bei erhöhten Risikolagen und/oder gewichtigen Gerechtigkeitserwägungen könne der Gesetzgeber solche Risikozuweisungen im Rahmen der Verfassung (insbesondere des Willkürverbots) vornehmen. Fehlten ausdrückliche sicherheitsrechtliche Risikozuweisungen, könnten die Rechtsanwendungsorgane aufgrund der polizeilichen Generalklausel entsprechende Risikozuweisungen für konkrete Fallgruppen vornehmen – allerdings auch dies nur bei erhöhten Risikolagen bzw. gewichtigen Gerechtigkeitserwägungen. Eine Verantwortungsbegründung im Altlastenbereich allein aus gewichtigen Gerechtigkeitserwägungen sei freilich nur in Ausnahmefällen erforderlich, wo andere Verantwortungsbegründungen ausschieden. Fouquet, Grenzen, S. 213, und ders., Sanierungsverantwortlichkeit, S. 82, nennt – ähnlich dem Altlastenbeschluss, BVerfGE 102, 1-25/17, – Art. 3 Abs. 1 GG lediglich als Maßstab ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. 8

Griesbeck, Polizeipflicht, S. 105 f. und S. 137-145.

9

Griesbeck, Polizeipflicht, S. 41; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 74.

10

Nachweise oben in Fn. 100 (Seite 37).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

172

tenverteilung als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes11 ausdrücklich festgestellt.12 Eine Subsumtion unter die Anforderungen des Gleichheitssatzes findet jedoch auch in diesen Arbeiten nur ausnahmsweise und dann zumeist nicht auf der Ebene der Verantwortlichkeit des Einzelnen statt, sondern erst auf der Ebene der Störerauswahl. 13 Bei der Störerauswahl verspricht man sich von Art. 3 Abs. 1 GG eine größere Einengung und Bindung als von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, weil bei der Frage der Lastenverteilung unter mehreren Störern der Blick notwendig auf mehrere Personen gerichtet ist. Während Art. 3 Abs. 1 GG seinen Inhalt – und nach Meinung einiger Autoren seinen Schutzbereich14 – maßgeblich dadurch gewinne, dass ein staatliches Verhalten zu dessen Auswirkungen auf verschiedene Personen in Beziehung gesetzt werde, erlange das Freiheitsgrundrecht in Art. 14 GG seinen Schutzbereich im Wesentlichen durch das Abstellen auf das Rechtsgut einer einzelnen Person.15 Die Störerauswahl ist der Frage der Verfassungsmäßigkeit und der Grenzen der Verantwortlichkeit des Einzelnen jedoch logisch nachgeordnet. Die Frage der gerechten Lastenverteilung zwischen mehreren Verantwortlichen ist zu unterscheiden von der Frage, ob die Begründung einer Verantwortlichkeit dem Gleichheitssatz standhält oder ob sie zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung zwischen Verantwortlichen und Nichtverantwortlichen führt. Ein wenig anders fällt der Befund für die neu eingeführte Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG aus. Zu ihr häufen sich die Stimmen, die bereits in der Auferlegung der Pflicht einen Gleichheitsverstoß sehen, weil der ehemalige Eigentümer, der die von seinem ehemaligen Grundstück ausgehende Gefahr nicht selbst verursacht hat, nicht anders zu behandeln sei als jeder beliebige Dritte. 16 Auf Seiten des früheren Eigentümers fehle ein ————— 11 BVerfGE 84, 239-285/268 f., spricht vom Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit, der Gleichheit der Lastenzuteilung als bereichsspezifische Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sachbereich des Steuerrechts. 12

Lindner, Dimension, S. 8.

Dazu ausführlich – auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG – Garbe, DÖV 1998, 632-636 (der allerdings nach Auffassung des Verfassers unzutreffend zwischen Primär- und Sekundärebene differenziert); Giesberts, Lastenverteilung, S. 45-50 (Grundlegung) und S. 79-147 (Anwendung); Kloepfer/ Thull, DVBl. 1989, 1121-1128; Schwachheim, Unternehmenshaftung, S. 107117; Spannowsky, DVBl. 1994, 560-567. 13

14

Nachweise unten unter B.I.3.b)(1).

15

Giesberts, Lastenverteilung, S. 52.

Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 70; Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 87; Gerhold, altlasten spektrum 1998, 107-112/110; Kahl, Die Verwaltung 2000, 29-78/74; Knopp, DVBl. 1999, 10101014/1013; Schwartmann, DStR 1999, 324-329/328; Spieth/ Wolfers, NVwZ 1999, 355-360/356 f. A.A. Hilger, BBodSchG § 4 Rn. 113b und 113e (§ 4 Abs. 6 BBodSchG setzte die Nichterfüllung der auf traditionellen Grundsätzen beruhenden Sanierungspflicht des Zustandsverantwortlichen vor Veräußerung des Grundstücks voraus, was den früheren Eigentümer von einem „beliebigen Dritten“ unterscheide), und Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 227 („Der frühere Eigentümer ist hinsicht16

A. Vorüberlegungen

173

„Zurechnungsgrund“,17 seine Inanspruchnahme sei deshalb im Vergleich zu einem unbeteiligten Dritten nicht zu rechtfertigen.18 Der Gesichtspunkt der „Bösgläubigkeit“ rechtfertige die „Sonderlast“ des Eigentümers nicht; er sei „genauso willkürlich, wie der Anknüpfungspunkt, Nachbar oder Gesellschafter der Eigentümerin oder Pfandgläubiger der Altlast zu sein“. 19 Zusätzlich wird die Gleichstellung von früherem und aktuellem Grundstückseigentümer durch das BBodSchG am Gleichheitssatz gemessen.20 Die insgesamt zu beobachtende Skepsis gegenüber einer Argumentation mit dem allgemeinen Gleichheitssatz mag anfangs darin begründet gewesen sein, dass der Gleichheitssatz über lange Zeit als „stumpfes Schwert“ empfunden wurde, war doch ein dem Willkürverbot genügender sachlicher Grund schnell zu finden.21 In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung des Gleichheitssatzes in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch zugenommen und haben Rechtsprechung und Schrifttum die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Anforderungen präzisiert. Es ist an der Zeit zu untersuchen, ob die Regelung ordnungsrechtlicher Verantwortlichkeit sowie ihre Auslegung und Anwendung den präzisierten Anforderungen genügt. Das soll im Folgenden anhand —————

lich seines früheren Grundstücks Inhaber einer sachbezogenen Garantenstellung, die es nach Abwägung der verschiedenen Interessen rechtfertigt, ihm im Verhältnis zur Allgemeinheit und zu sonstigen Dritten die Sonderlast der Sanierung des Grundstücks aufzuerlegen“ [Hervorhebung im Original]). Letzterem folgend Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 190. Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 87; Kothe, Altlasten, Rn. 243; Spieth/ Wolfers, altlasten spektrum 1998, 75-80/79; dies., NVwZ 1999, 355-360/356; Würtenberger/ Heckmann/ Riggert, Polizeirecht, Rn. 460. Ebenso zu § 20 Abs. 1 Nr. 5 ThAbfAG Kothe, Altlastenrecht, S. 75, und ders., DÖV 1994, 716-728/724 f. Zweifel äußerte insofern auch Papier, JZ 1994, 810-822/817: „Der Entwurf eines Bundes-Bodenschutzgesetzes sieht zu Recht eine Verantwortlichkeit nur des gegenwärtigen Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt und nicht – wie das HAbfAG (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 und 6), das ThAbfAG (§ 20 Abs. 1 Nr. 5) sowie der Entwurf eines UGB-BT (§ 303 Abs. 3) – auch früherer Grundeigentümer vor. Die Verantwortlichkeit des Eigentümers oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt für den ordnungswidrigen Zustand von Sachen ist … Ausfluß der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft, welche die Nutzung der Sache mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ermöglicht. Ist diese Nutzungsphase beendet und das Eigentum aufgegeben worden, so muß auch eine Zustandsverantwortlichkeit ausscheiden“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Hingegen erkennt Trurnit, VBlBW 2000, 261-268/267, den „Zurechnungsgrund“ in dem ehemaligen Eigentum an dem Grundstück und der von ihm ausgehenden Gefahr. 17

18

Schwartmann, DStR 1999, 324-329/328.

Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 72; in Anspielung auf den Nachbarn auch Spieth/ Wolfers, NVwZ 1999, 355-360/356 Fn. 13. 19

20 Hilger, BBodSchG § 4 Rn. 113b u. 113e, lehnt auch (s. vorstehend Fn. 16) insofern einen Gleichheitsverstoß ab. 21 Eröffnet durch die in langjähriger Rechtsprechung angewandte Formel, die bereits im Südweststaatsurteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 1, 14-66/52, unter Mitwirkung des damaligen Verfassungsrichters Leibholz entwickelt worden war: „Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß“.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

174

der Zustandsverantwortlichkeit nach Polizei- und Ordnungsrecht sowie nach dem BBodSchG erfolgen. II. Bedeutung der Umstände beim Adressaten Der Altlastenbeschluss begründet die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit mit Umständen, die den Adressaten der Inanspruchnahme kennzeichnen, wie Sachherrschaft und Nutzungsmöglichkeit, konkretisiert durch Gesichtspunkte der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne, und bezeichnet diese Umstände als Grund der Verantwortlichkeit. Diese Umstände beschreiben, woran das Gesetz in tatsächlicher Hinsicht anknüpft bzw. anknüpfen könnte, welche Umstände die Voraussetzungen der Regelung in Bezug nehmen oder nehmen könnten. Werden diese Verhältnisse mittels eines Hoheitsaktsdreiecks beschrieben, bei dem eine Person im Sachbereich S zum Zweck Z unter den Voraussetzungen V die Wirkung W trifft, zeigt sich, dass die Argumente zu den mit der Voraussetzung V in Bezug genommenen Umständen außerhalb der Argumentationsachse (Z-W) der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung (VMK) liegen. S Z VMK

V

W S: Sachbereich; Z: Zweck; V: Voraussetzung; W: Wirkung VMK: Freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit

Mit Hilfe derartiger Hoheitsaktsdreiecke kann anschaulich gemacht werden, ob und an welchen Stellen gleichheitsrechtlich mit den Gegebenheiten beim Adressaten eines Hoheitsakts argumentiert werden kann. Das soll anhand einer Ungleichbehandlung gezeigt werden.22 Ungleichbehandlung meint, dass die Wirkung W1, die die eine Person trifft, von der Wirkung W 2 gegenüber einer anderen Person abweicht,23 wobei W2 auch eine Nicht-Wirkung sein kann, beispielsweise die Vorenthaltung der mit W 1 bezeichneten Begünstigung oder die Verschonung von der mit W1 bezeichneten Belastung. Erfolgt die Ungleichbehandlung durch eine oder aufgrund einer Regelung, auferlegt der Hoheitsträger die Wirkungen W1 und W2 zum gleichen Zweck Z1, bei mehreren Regelungen ————— 22 Zur Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unten unter B.V. 23

Dazu näher unten unter B.I.3.a).

A. Vorüberlegungen

175

zu den – möglicherweise verschiedenen – Zwecken Z1 und Z2. Die unterschiedlichen Wirkungen treten ein, weil sie nach dem Willen des Hoheitsträgers vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzung(en) V abhängen und sich die Personen darin, jeweils benannt als Unterscheidungsmerkmal UM, unterscheiden. Die Voraussetzungen, also die einzelnen Unterscheidungsmerkmale, nehmen einzelne Unterschiede U zwischen den Personen in Bezug. An sie knüpfen folglich die unterschiedlichen Wirkungen an. S

Z(1)

VMK

UZR

V UM

Z2

W1 UWR

W2

U

S: Sachbereich; Z: Zweck; V: Voraussetzung; W: Wirkung UM: Unterscheidungsmerkmal; U: Unterschied VMK: Freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit UZR: Gleichheitsrechtliche Unterschied-Zweck-Relation UWR: Gleichheitsrechtliche Unterschied-Wirkungs-Relation

1. Unterschied-Zweck-Relation (Sachlichkeitsgebot) Auf die Unterschiede zwischen den Personen kommt es an, wenn geprüft wird, ob „eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich – sachbereichsbezogen – auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen läßt“.24 Geprüft wurde beispielsweise, ob ein „hinreichende[r] sachliche[r] Grund“ dafür besteht, bei der Regelung des Zugangs zur Krankenversicherung der Rentner im Bereich der Pflichtversicherung, der den Prinzipien der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und des Erhalts der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft folgt, danach zu unterscheiden, ob eine Person in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens mindestens neun Zehntel pflichtversichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung war.25 Unter————— 24 BVerfGE 75, 108-165/157 (Nicht-/Bestehen eines besonderen kulturgeschichtlich gewachsenen Verhältnisses zu selbständigen Künstlern und Publizisten). 25 Verneinend BVerfGE 102, 68-99/89 u. 92: „Damit wird ein Kriterium eingeführt, das weder einem typisierten Schutzbedürfnis entspricht noch einen Zusammenhang mit der Beteiligung an der Solidargemeinschaft herstellt“.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

176

sucht wurde, ob es sachgerecht ist, bei Regelung der Entgeltfortzahlungspflichten der Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsrechts mit dem Ziel, arbeitnehmerspezifische Bildungshemmnisse zu überwinden, danach zu unterscheiden, ob der Berechtigte Arbeitnehmer ist oder nicht.26 Geprüft wurde, ob es sachlich vertretbar oder sachfremd ist, bei der Regelung nicht zu berücksichtigender Beschäftigungszeiten im öffentlichen Dienst im Bereich des Besoldungsrechts mit dem Ziel der funktionsgerechten Besoldung (§ 18 BBesG), danach zu unterscheiden, ob Dienstzeiten vor, während oder nach einer Tätigkeit für das MfS oder AfNS erbracht wurden. 27 Abgestellt wird also einerseits auf die tatbestandliche Anknüpfung, andererseits auf den Regelungsbereich und den Regelungszweck. Die tatbestandliche Anknüpfung meint nichts anderes, als die durch die Voraussetzungen in Bezug genommenen Unterschiede zwischen Personen. Sie müssen im Zusammenhang mit dem Regelungsbereich und dem Regelungszweck stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung nicht abstrakt und allgemein, sondern bereichsspezifisch und d. h. mit Blick auf den durch Normen geprägten Regelungsbereich festzustellen ist. Dabei fordert das Bundesverfassungsgericht mit unterschiedlichen Formulierungen, „den Normzweck“28 bzw. „Sinn und Zweck“ der betreffenden gesetzlichen Regelung29 zu berücksichtigen, oder es sucht nach dem „im Regelungsgegenstand liegenden Grund“.30 Die Formulierungen, die das Bundesverfassungsgericht in diesem Kontext verwendet, verleiten zuweilen zu Missverständnissen, etwa wenn es von einem „innere[n] Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung“31 spricht oder davon, dass die „Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen“, zu berücksichtigen seien. 32 Durch die Wendungen „innerer Zusammenhang“ und „Natur der Sache“ kann der Eindruck entstehen, auf Unterschiede könne nur dann abgestellt werden, wenn sie als vorhandene Eigenschaften von Personen oder Sachen, als ihre „individuelle Eigenart“, bezeichnet werden könnten, nach denen zu unterscheiden sich als ————— 26

Bejahend BVerfGE 77, 308-340/338.

27

Sachliche Vertretbarkeit bejahend BVerfGE 103, 310-332/318 ff.

28

BVerfGE 98, 49-70/63.

29

BVerfGE 71, 39-64/58, und 85, 238-247/245.

30

BVerfGE 95, 39-48/45.

BVerfGE 71, 39-64/58; 93, 386-403/401. Vgl. dazu die Formel von Triepel, VVDStRL 3 (1927), 50-53/52, wonach „die Begründung einer unterschiedlichen Behandlung in einem sachlichen Zusammenhange mit dem Wesen des geregelten Verhältnisses“ stehen muss. 31

32 BVerfGE 76, 256-362/329; 107, 218-257/244; 107, 257-275/270. Vgl. auch BVerfGE 80, 109124/118: „Gesichtspunkte[], die sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ergeben“.

A. Vorüberlegungen

177

Verfolgung von Zwecken beschreiben lasse, die dem jeweiligen Sachbereich immanent seien; hingegen seien Ungleichbehandlungen, mit denen „von außen“ kommende Regelungszwecke verfolgt würden, nur durch diese, nicht jedoch durch Unterschiede zu rechtfertigen.33 Ein solches Verständnis reduziert das Verhältnis zwischen Unterschied und Regelungszweck auf natur- oder gottgegebene Zusammenhänge. Ebensowenig wie der Unterschied ein vorrechtlicher sein muss,34 muss es der Zusammenhang zwischen ihm und der Ungleichbehandlung sein. Er muss nicht ein für allemal „abstrakt und allgemein“ bestehen und festgestellt werden können.35 Vielmehr kann er und wird er zumeist ebenso wie die Unterschiede normgeprägt sein. Gleiches gilt für den Sachbereich, in dem die Ungleichbehandlung erfolgt. Die „Natur und Eigenart eines Sachbereichs“ bezeichnet die bereichsspezifische Normprägung. Vorzugswürdig ist es, von einem Legitimationszusammenhang 36 oder, die inhaltliche Anforderung der sachlichen Vertretbarkeit einbeziehend, von einem Sachlichkeitsgebot zu sprechen. Das verdeutlicht, dass ein Unterschied eine Ungleichbehandlung legitimieren kann, wenn und weil zwischen beiden ein sachlicher Zusammenhang besteht, ohne den Eindruck zu vermitteln, der Zusammenhang müsse ein ursprünglich vorgefundener, natur- oder gottgegebener sein. Das Sachlichkeitsgebot bezieht sich auf das Verhältnis der Unterschiede zwischen den ungleich behandelten Personen, an die die Voraussetzungen der Regelung(en) anknüpfen, zum Regelungsbereich und zum Zweck der die Ungleichbehandlung erzeugenden Regelung(en). Es darf nicht mit dem Erfordernis der Sachdienlichkeit eines Eingriffs verwechselt werden, das im Rahmen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung über die Geeignetheit entscheidet.37 Während das freiheitsrechtliche Erfordernis der Sachdienlichkeit das Verhältnis der Belastungswirkung zum Regelungsziel betrachtet, stellt das gleichheitsrechtliche Sachlichkeitsgebot Anforderungen an das Verhältnis von Unterschied und Regelungsziel. Ob es sachlich vertretbar oder sachfremd ist, in einem bestimmten Regelungsbereich zu einem bestimmten Zweck an bestimmte Unterschiede anzuknüpfen, lässt sich abstrakt schwer fassen. Versuche, das Sachliche zu definie-

————— 33

Vgl. Huster, Rechte, S. 46 f. u. 166 f.

34

Zu diesem Einwand unten unter B.III.2.

Vgl. BVerfGE 17, 122-135/130; 19, 1-16/8; 75, 108-165/157; 90, 145-199/196; 93, 319-352/ 348 f.; 103, 310-332/318. 35

36

Diesen Begriff verwendet das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 82, 126-156/148.

So aber Kirchhof, Objektivität, S. 101 f.: „Zumindest im ersten Inhalt der ‚Geeignetheit‘ deckt sich d[a]s Verhältnismäßigkeitsprinzip mit dem Willkürverbot, weil das ungeeignete Handeln sinnund zwecklos, also auch willkürlich ist“. 37

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

178

ren, arbeiten mit ähnlich abstrakten Ersatz- oder Gegensatzbegriffen, 38 andere Versuche sind unbrauchbar.39 Als „Anhaltspunkte für die Sachgerechtigkeit“ sieht das Bundesverfassungsgericht die „Beachtung der Prinzipien“, die den Gesetzgeber in einem bestimmten Bereich „insgesamt leiten“.40 Ob der Gesetzgeber bei der Auswahl der Umstände, an die die ungleichen Wirkungen anknüpfen,41 nach sachgerechten Kriterien vorgegangen ist, lasse sich „nicht abstrakt und allgemein, sondern stets nur nach Natur und Eigenart des in Frage stehenden Sachverhältnisses und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden gesetzlichen Regelung feststellen“.42 Bisweilen fordert das Bundesverfassungsgericht bei der Wahl der Voraussetzungen einer Regelung bestimmter Lebenssachverhalte eine (bloße) Orientierung am gegebenen Sachverhalt.43 In der jüngeren Rechtsprechung setzt das Bundesverfassungsgericht an die Stelle des sachlichen Grundes häufig das Erfordernis, es müssten „Unterschiede von solcher Art“ bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. In Anwendung dieses Kriteriums hat es beispielsweise festgestellt, –

dass Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten, besonders die Umstände, „daß diese überwiegend geistige, jene hingegen überwiegend körperliche Arbeit verrichteten“, dass Angestellte möglicherweise eine „besondere Gruppenmentalität“ haben und eine längere vorberufliche Ausbildung benötigen als Arbeiter bereits ihrer Art nach keinen Zusammenhang

————— 38 Seit Leibholz, Gleichheit, S. 76 (vollständiges Zitat unten in Fn. 92 [Seite 189]), zumeist dem Begriff „Willkür“. Vgl. die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 80, 109124/118: „sachgemäß, d. h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ergeben, in diesem Sinne also nicht ‚willkürlich‘“; BVerfGE 91, 118-124/123: „verletzt, wenn sich für eine gesetzliche Regelung kein sachlicher Grund finden läßt und sie deshalb als willkürlich zu bezeichnen ist“; BVerfGE 75, 108-165/157; 90, 145-199/196; 93, 319-352/348 f.; 103, 310-332/318: „Was in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist …“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 39 Etwa die Formel von Bleckmann, Struktur, S. 73 u. 74, wonach ein Grund oder Differenzierungsgrund dann „sachlich“ bzw. „sachlich-gerecht“ sein soll, „wenn er sich auf die Interessenlage [eines der von der Regelung Betroffenen] auswirk[t]“. Unklar ist bereits, wie sich ein Grund auswirken kann. Soll sich nicht der Grund, sondern die differenzierende Regelung auswirken, ist unklar, wieso aus ihrer Wirkung auf ihre Sachlichkeit geschlossen werden können soll. 40 BVerfGE 102, 68-99/89. Im konkreten Fall waren es die Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und der Erhalt der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft, die den Gesetzgeber bei der „Einrichtung der Pflegeversicherung“ insgesamt leiten. 41 BVerfGE 71, 39-64/58, spricht von „Differenzierungsgrund“ und meint damit die Merkmale der Voll- oder Teilzeitbeschäftigung nach denen sich im konkreten Fall die Höhe des Ortszuschlags richtet. 42 43

BVerfGE 71, 39-64/58.

Besonders bei Einführung von Stichtagen, bei der sich die Wahl des Zeitpunkts „am gegebenen Sachverhalt orientieren [muss]“, BVerfGE 87, 1-48/43.

A. Vorüberlegungen

179

zum Schutz bei Arbeitsplatzverlust und zur Erleichterung des Übergangs zu einer neuen Stelle aufweisen,44 oder –

dass zwischen Arbeitnehmerinnen und weiblichen Angestellten in Bezug auf die Belastung und mögliche gesundheitsschädliche Folgen durch Nachtarbeit keine Unterschiede und mithin kein unterschiedliches Schutzbedürfnis besteht, das die Regelung über das Nachtarbeitsverbot motiviert,45 oder



dass zwischen Rentnern, die in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens mehr als ein Zehntel nicht pflichtversichert waren, und Rentnern, die mindestens neun Zehntel dieser Zeit pflichtversichert waren, kein Unterschied besteht, der mit den sachbereichsspezifischen Prinzipien des typisierten Schutzbedürfnisses oder der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft in sachlichem Zusammenhang stünde.46

Ebenso wie die Prüfung nach dem sachlichen Grund fragt die an der Art der Unterschiede orientierte danach, ob die Verknüpfung des oder der maßgebenden Unterschiede(s) mit einer oder mehreren Regelung(en), die in einem bestimmten Sachbereich oder Regelungszusammenhang47 ein bestimmtes Ziel verfolgt/en, sachlich zu begründen ist, ob – mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts – der Zweck „einen Bezug zu“ dem oder den maßgebenden Unterschied(en) hat.48 Damit ist der erste Standort ausgemacht, an dem die Unterschiede zwischen den Personen und also die mit den Voraussetzungen in Bezug genommenen Gegebenheiten bei diesen Personen in der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung verankert sind: bei der Prüfung, ob die Unterschiede U in sachlichem Zusammenhang mit dem Sachbereich S und dem Regelungszweck Z stehen. Freilich zeigt die Erfahrung mit der Rechtsprechung zum sachlichen Grund einer Ungleichbehandlung, dass ein Sachbezug kaum einmal gänzlich fehlen wird. „Wir haben es in der Gesetzgebung doch nicht mit Toren … zu tun“. 49

————— 44

BVerfGE 82, 126-156/148 f.

45

BVerfGE 85, 191-214/210 f.

46

BVerfGE 102, 68-99/89 u. 92.

47

BVerfGE 77, 308-340/338.

Vgl. BVerfGE 101, 151-158/157: „Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund und der umsatzsteuerliche Entlastungszweck haben damit keinen Bezug zur jeweiligen Rechtsform unternehmerischer Betätigung. Im Ergebnis ist damit kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich, der Beschwerdeführerin mit Hinweis auf die Rechtsform, in der sie die unternehmerische Leistung erbringt, die Steuerbefreiung … zu versagen“. 48

49

Triepel, VVDStRL 3 (1927), 50-53/52.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

180

2. Unterschied-Wirkungs-Relation Nicht allein das tatbestandliche Anknüpfen, sondern auch die eigentliche Ungleichbehandlung durch die unterschiedlichen Wirkungen W1 und W2 der Regelung(en) bedarf der Rechtfertigung. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sie mitunter in die Prüfung des sachlichen Grundes oder des Bestehens von „Unterschieden von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen“50 ein, ohne kenntlich zu machen, was es zueinander ins Verhältnis setzt. In einigen Entscheidungen wird aber bereits bei der Formulierung der Anforderungen deutlich, dass für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung mehr gefordert ist als ein sachlicher Bezug zwischen Unterschied und Regelungsbereich/-zweck. Etwa wenn das Bundesverfassungsgericht einen „hinreichend gewichtigen sachlichen Grund“51, „hinreichend gewichtige Gründe“52, „hinreichende Gründe“53 oder „Gründe …, die gewichtig genug wären,“54 fordert oder feststellt, dass sich eine Ungleichbehandlung „verfassungsrechtlich nicht hinreichend rechtfertigen“55 lasse. In Anwendung der sog. neuen Formel trennt es in einem Beschluss aus dem Jahr 1996 ausdrücklich zwischen den Anforderungen an die Art und an das Gewicht der Unterschiede: es reiche „zur Begründung einer unterschiedlichen Behandlung von Personengruppen nicht aus, dass der Gesetzgeber ein seiner Art nach geeignetes Unterscheidungs————— Sog. neue Formel. Siehe aus den Entscheidungen des Ersten Senats: BVerfGE 55, 72-95/88; 57, 107-117/115; 58, 369-377/373 f.; 60, 123-135/133 f.; 62, 256-289/274; 63, 152-177/166; 63, 255-266/261 f.; 64, 229-242/239; 64, 243-251/247; 65, 104-115/112 f.; 66, 66-79/75; 66, 234248/242; 67, 231-239/236; 67, 348-369/365; 68, 287-311/301; 70, 230-242/239 f.; 71, 146158/154 f.; 71, 364-399/384; 72, 84-91/89 f.; 72, 141-155/150; 73, 301-322/321; 74, 9-28/24; 74, 129-162/149; 75, 78-107/105; 75, 166-183/179; 75, 246-283/277; 75, 284-302/300; 75, 348361/357; 75, 382-396/393; 78, 232-249/247; 79, 87-105/98; 79, 106-126/121 f.; 80, 269-286/280; 81, 1-12/8; 81, 108-122/118; 81, 156-207/205; 81, 228-242/236; 82, 60-105/86; 82, 126-156/146; 83, 238-341/337; 83, 395-403/401; 84, 133-160/157; 84, 197-203/199; 84, 348-365/359; 85, 191214/210; 85, 238-247/244; 87, 1-48/36; 87, 234-269/255; 88, 5-17/12; 94, 241-267/260; 95, 143162/154 f.; 96, 315-330/325; 97, 332-349/344; 98, 1-17/12; 99, 165-185/177; 100, 1-59/38; 100, 195-208/205; 101, 239-274/269; 102, 41-67/54; 103, 225-241/235; 103, 271-293/289; 103, 392405/397; 104, 126-150/144 f.; 105, 313-357/352; 107, 133-149/141; 107, 205-218/214; 108, 5282/77 f.; 109, 96-128/123; 110, 141-177/167; 111, 115-146/137; 112, 50-74/67; 112, 74-90/86; 112, 368-407/401. Aus den Entscheidungen des Zweiten Senats: BVerfGE 71, 39-64/59; 76, 256-362/329; 92, 277-341/318; 93, 386-403/397; 101, 275-297/291; 103, 310-332/319; 105, 73-135/110; 107, 2758/46; 107, 218-257/244; 110, 412-446/432. Zuck, MDR 1986, 723-724/724, bezeichnet die Entscheidung des Ersten Senats im 55. Band als „kopernikanische Wende“. Hingegen sieht Wendt, NVwZ 1988, 778-786/781, in ihr eine „sachgerechte Fortführung bereits früher verwendeter Prüfungsansätze“, zugleich aber den „entschiedene[n] Willen des BVerfG …, die gängige Praxis der überkommenen ‚Willkürrechtsprechung‘ zu überwinden“ (Hervorhebungen im Original). 50

51

BVerfGE 104, 74-92/85.

52

BVerfGE 100, 195-208/206.

53

BVerfGE 89, 69-91/90; 108, 52-82/78 f.

54

BVerfGE 89, 15-27/24.

55

BVerfGE 112, 50-74/67.

A. Vorüberlegungen

181

merkmal berücksichtigt hat“, vielmehr müsse „auch für das Maß der Differenzierung ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht anführen läßt“.56 Dass das über das Erfordernis eines Legitimationszusammenhangs zwischen den Unterschieden, an die die Regelung anknüpft, dem Bereich und dem Zweck der Regelung, kurz: über das Sachlichkeitsgebot hinausgeht, lassen Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennen: (1) Nach § 52 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) erhalten „Beamte, Richter und Soldaten mit dienstlichem und tatsächlichem Wohnsitz im Ausland“ einen Auslandszuschlag. § 55 BBesG knüpft die Höhe des Auslandszuschlags an weitere Voraussetzungen. Nach der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden Fassung 57 bestand ein Anspruch auf erhöhten Auslandszuschlag „für Beamte, die im Ausland unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge als Berater für polizeiliche Aufgaben bei einer ausländischen Regierung, sowie für Soldaten, die im Ausland unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge in integrierten militärischen Stäben oder als Berater bei einer ausländischen Regierung verwendet werden“. Bei Verwendung in integrierten militärischen Stäben knüpfte die Ungleichbehandlung erhöhter Auslandszuschlag (W1) gegenüber einfachem Auslandszuschlag (W2) an die Voraussetzung Soldat an. Als einen Unterschied zwischen den ungleich behandelten Personen P1 (in integriertem militärischem Stab verwandter Soldat) und P2 (in integriertem militärischem Stab verwandter sonstiger Auslandszuschlagsberechtigter, der nicht Soldat ist; Beamter) macht das Bundesverfassungsgericht „unterschiedliche Belastungen infolge unterschiedlicher Häufigkeit von Auslandsverwendungen“ aus. Dieser Unterschied könne es seiner „Art nach an sich rechtfertigen, daß der Gesetzgeber den erhöhten Auslandszuschlag der einen Gruppe gewährt und der anderen vorenthält“.58 Zwischen dem Unterschied einerseits, dem Sachbereich der Beamtenbesoldung und dem Zweck der Regelung, Ausgleich berufsspezifischer Belastungen durch Auslandsverwendung, besteht ein sachlicher Bezug. Das Bundesverfassungsgericht hält aber „das Maß der Differenzierung“ für nicht gerechtfertigt. Die Unterschiede zwischen Soldaten und Beamten in der Häufigkeit der Auslandsverwendungen, mithin in der Belastung seien – ————— 56 BVerfGE 93, 386-403/400 f. Im Urteil zur „Warteschleifenregelung“ im Einigungsvertrag für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der DDR, BVerfGE 84, 133-160/157 f., stellt das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG in eben diesen zwei Schritten fest: „Der fortbestehende oder auslaufende Bedarf für eine Arbeitskraft ist ein sachlicher Grund für die Aufrechterhaltung oder Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Er ist auch nach Gewicht und Tragweite geeignet, die Differenzierung zu rechtfertigen, da der Bedarf für eine bestimmte Arbeitsleistung dem Arbeitsverhältnis einen wirtschaftlichen Sinn gibt“. 57

Abgedruckt in BVerfGE 93, 386-403/389.

58

BVerfGE 93, 386-403/400 f.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

182

„auch bei Berücksichtigung der dem Gesetzgeber zukommenden Befugnis zur Typisierung“ – „allenfalls geringfügig[]“. 59 Das Gericht setzt dabei das Ausmaß der Ungleichbehandlung ins Verhältnis zum Umfang der Unterschiede. (2) Nach Nummer 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen, die durch Art. 41 des Einigungsvertrags „Bestandteil dieses Vertrages“ wurde, sind die „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) … nicht mehr rückgängig zu machen“. Nach Nummer 1 Satz 4 bleibt „einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten“. Für die entschädigungslosen Enteignungen, die nicht unter Nr. 1 S. 1 der Gemeinsamen Erklärung fallen, hat der Gesetzgeber in den §§ 3 ff. VermG eine Wiedergutmachungsregelung getroffen, die vom Grundsatz der Rückgabe der enteigneten Objekte ausgeht und, sofern diese nicht möglich ist, Entschädigung in Geld vorsieht. Ob restituiert oder entschädigt wird (W 1) oder Rückgabe und Entschädigung ausgeschlossen sind (W2) hängt danach davon ab, ob auf besatzungsrechtlicher bzw. -hoheitlicher Grundlage enteignet wurde (V2) oder nicht (V1). Die Enteignungen unterscheiden sich in den „rechtsstaatliche[n] Defizite[n] … nach den Gerechtigkeitsvorstellungen des dem Grundgesetz verpflichteten Gesetzgebers“, dem „zeitliche[n] Abstand“ und der „Tatsache, daß die Enteignungen [im Sinne der Nr. 1 S. 1 der Gemeinsamen Erklärung] maßgeblich durch die Hoheitsgewalt der Besatzungsmacht veranlaßt oder jedenfalls gedeckt worden sind“.60 Diese Unterschiede rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts „weder für sich allein noch zusammen“, dass für die einen Enteignungen „jegliche Ausgleichsleistung ausgeschlossen wird“, während für die anderen eine Wiedergutmachungsregelung getroffen wurde.61 Die Unterschiede können „eine Ungleichbehandlung dieses Ausmaßes … nicht rechtfertigen“. Abgestellt wird auf das Verhältnis des Umfangs der Unterschiede zum Ausmaß der Ungleichbehandlung. (3) Nach der auf Eignungsrichtlinien des Bundesministers für Verkehr beruhenden Verwaltungspraxis bei der Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wurden bei Cannabiskonsum strengere Maßstäbe angewandt als bei Alkoholkonsum. Bei Personen, die Cannabis konsumieren, führte bereits ein einmaliger Konsum auch ohne Verkehrszuwiderhandlung zu Eignungszweifeln, bei Alko————— 59

BVerfGE 93, 386-403/401.

60

BVerfGE 84, 90-132/129.

61

Das Bundesverfassungsgericht hielt allerdings eine verfassungskonforme Auslegung für möglich, BVerfGE 84, 90-132/129 f.

A. Vorüberlegungen

183

hol Konsumierenden grundsätzlich erst „wiederholte Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluß“. Das Bundesverfassungsgericht sieht zwar „zwischen Cannabis und Alkohol“ durchaus Unterschiede. Es hegt aber Zweifel, ob sie „eine Ungleichbehandlung dieses Ausmaßes rechtfertigen könnten“. 62 Auch hier geht es um das Verhältnis des Umfangs der Unterschiede zum Ausmaß der Ungleichbehandlung. (4) Nach § 3b Abs. 2 Nr. 4 des Einkommenssteuergesetzes 1974 63 durften steuerfreie Zuschläge, die keine gesetzliche oder tarifvertragliche Grundlage hatten, für gelegentliche Nachtarbeit 30% und für regelmäßige Nachtarbeit 15% des Grundlohns nicht übersteigen. Das Bundesverfassungsgericht erachtete den Unterschied zwischen einer erhöhten Gefahr des Missbrauchs der Steuerfreiheit bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis lediglich durch Individualvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgestaltet war (P 1), und der geringeren Missbrauchsgefahr bei Arbeitnehmern mit tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen (P2) seiner Art nach für ausreichend, um Höchstbeträge allein für die Erstgenannten einzuführen. Das Ausmaß der ungleichen Wirkungen bei regelmäßiger Nachtarbeit, Kappung bei 15% (W 1) gegenüber unbeschränkt zulässigen steuerfreien Nachtarbeitszuschlägen (W2), konnten sie dagegen (spätestens seit 1975) nicht (mehr) rechtfertigen.64 Angesprochen war auch hier das Verhältnis des Umfangs der Unterschiede zum Ausmaß der Ungleichbehandlung. (5) Nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz von 1986 wurde Ruhegeld an nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmer nur gewährt, wenn ihre „durchschnittliche Arbeitszeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versorgungsfalls mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers … betragen hat“. Das Bundesverfassungsgericht sieht durch den Unterschied zwischen Unterhalbzeitbeschäftigen und mindestens Halbzeitbeschäftigten zwar eine quantitative, nicht aber eine qualitativ andere Abgeltung gerechtfertigt.65 Danach kommt für die Unterhalbzeitbeschäftigten eine geringe Höhe des Ruhegelds, nicht aber ein gänzlicher Ausschluss in Betracht. Andere Umstände bei den Beschäftigten sieht das Gericht durch die rein auf den zeitlichen Umfang der Mitarbeit abstellenden Voraussetzungen nicht in Bezug genommen.66 Die Gleichheitswidrigkeit ergibt sich auch hier aus dem Verhältnis der Unterschiede zu den ungleichen Wirkungen. Man mag sie dem Verhältnis des Umfangs der Unterschiede (Voll- gegenüber Nicht————— 62 In BVerfGE 89, 69-91/90 f., offengelassen, weil bereits ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG festgestellt worden war. 63

Abgedruckt in BVerfGE 89, 15-27/17 f.

64

BVerfGE 89, 15-27/24 f.

65

BVerfGE 97, 35-49/44 f.

66

BVerfGE 97, 35-49/45 ff.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

184

Vollbeschäftigung) zum Ausmaß der Ungleichbehandlung (Gewährung gegenüber gänzlichem Ausschluss des Ruhegelds) zuordnen. Denkbar ist aber auch eine Charakterisierung als Verhältnis der Unterschiede ihrer Art nach zur Art der Ungleichbehandlung. (6) Nach dem inzwischen aufgehobenen § 2233 Abs. 3 BGB 67 konnte ein Testament „nur durch Übergabe einer Schrift“ errichtet werden, wenn „der Erblasser nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Gerichts nicht hinreichend zu sprechen“ vermochte. Dazu musste der Erblasser nach dem inzwischen ebenfalls aufgehobenen § 31 BeurkG68 „die Erklärung, daß die übergebene Schrift seinen letzten Willen enthalte, bei der Verhandlung eigenhändig in die Niederschrift oder auf ein besonderes Blatt schreiben, das der Niederschrift beigefügt werden soll“. Nach (dem inzwischen abgeänderten 69) § 24 BeurkG70 konnte für Personen, die „nicht hinreichend … zu sprechen und sich auch nicht schriftlich zu verständigen“ vermochten, für Willenserklärungen unter Lebenden, unter anderem Erbverträge unter Ehegatten oder Verlobten, für die § 2276 Abs. 2 BGB die für den Ehevertrag geltende Form, mithin Formvorschriften für Willenserklärungen unter Lebenden genügen lässt, „eine Vertrauensperson zugezogen werden, die sich mit dem behinderten Beteiligten zu verständigen vermag“, und mit ihrer Hilfe der Wille der genannten Person durch Zeichen, wie Kopfnicken, -schütteln oder Handzeichen, ermittelt und wirksam beurkundet werden. Ob eine stumme oder sonst „nicht hinreichend zu sprechen“ fähige Person, die nicht wenigstens die Worte „Mein letzter Wille“ schreiben kann, eine Verfügung von Todes wegen in rechtlich anerkannter Weise zumindest durch Erbvertrag treffen konnte (W1) oder nicht (W2), hing danach von der Voraussetzung V1 ab, dass sie verheiratet oder verlobt war. Das Bundesverfassungsgericht räumt ein, dass „das inhaltliche Schwergewicht von Ehe- und Erbverträgen häufig im Bereich der eherechtlichen Regelungen“ liege. Dass zwischen dem so beschriebenen besonderen Umstand bei den Verheirateten und Verlobten, der sie von Alleinstehenden unterscheidet, und dem Regelungsbereich und -zweck ein sachlicher Bezug besteht, stellt das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage. Es sieht durch ihn – den das Gericht als „Grund“ bezeichnet – aber die Wirkungen nicht gerechtfertigt. Er sei „nur geeignet, eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf das ‚Wie‘, nicht aber auch in Bezug auf das ‚Ob‘ der Testierung zu rechtfertigen.71 Auch hier geht es um das Verhältnis der ungleichen Wirkungen zu den Unterschieden. Treffender als mit Umfang ————— 67

Abgedruckt in BVerfGE 99, 341-360/343.

68

Abgedruckt in BVerfGE 99, 341-360/343.

69

Ersetzung der „Vertrauensperson“ durch eine „Person“ und Einfügung von Satz 3.

70

Alte Fassung abgedruckt in BVerfGE 99, 341-360/345.

71

BVerfGE 99, 341-360/356.

A. Vorüberlegungen

185

der Unterschiede und Ausmaß der Ungleichbehandlung lässt sich das Verhältnis hier mit der Art der Unterschiede und der Art der Wirkungen bezeichnen. (7) Nach §§ 20, 23 SGB XI knüpft die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung grundsätzlich an das Bestehen eines gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutzes an – unter Einbeziehung von Familienangehörigen (§ 25 SGB XI) und mit Sonderregelungen für bestimmte Krankenversorgungs-, Entschädigungs-, Hilfs- oder sonst Berechtigte (§ 21 SGB XI), Beamte (§ 23 Abs. 3 SGB XI) und Abgeordnete (§ 24 SGB XI). Für davon nicht erfasste Personen besteht keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung, aber auch keine sonstige Zugangsmöglichkeit und damit kein Anspruch auf Leistungen. Es handelt sich zum einen um Sozialhilfeempfänger, die allerdings Anspruch auf Krankenhilfe haben; zum anderen um Personen, die keinen Versicherungsschutz gegen das Risiko Krankheit vorweisen können und auch bei keinem der Sozialleistungsträger erfasst sind.72 Eine freiwillige Versicherung gibt es nur in Form der Weiterversicherung nach § 26 SGB XI, die an die Voraussetzungen der (ursprünglichen) Versicherungspflicht anknüpft. Das Bundesverfassungsgericht verwirft einige Gesichtspunkte, die die Verfahrensbeteiligten, Äußerungsberechtigten und Vorinstanzen als Unterschiede ausmachen zu können meinten. Weil der Gesetzgeber auch unter den Versicherungspflichtigen „Personen mit hohem oder schon verwirklichtem Risiko der Pflegebedürftigkeit unter den sofortigen Versicherungsschutz gestellt“ habe, sei insofern kein Unterschied zu den Nichteinbezogenen festzustellen (und gibt folglich „die Vermeidung einer ‚negativen Risikoselektion‘ keinen sachlichen Grund für die Benachteiligung“).73 Als Unterschied zwischen den ungleich behandelten Personen (an-) erkennt das Gericht, dass die Versicherungspflichtigen „mit einem … vertretbaren Verwaltungsaufwand“ zu erfassen seien, sei es aufgrund des vorhandenen Krankenversicherungsschutzes, sei es aufgrund des in allen anderen Fällen der Versicherungspflicht möglichen Rückgriffs auf andere bereits vorhandene öffentlich und private Einrichtungen und Stellen, während die nicht versicherungspflichtigen Personen bislang nicht durch Versicherungsträger oder Sozialbehörden erfasst gewesen seien.74 Dieser Unterschied steht in sachlichem Bezug zum Regelungsbereich des Versicherungswesens und zum Regelungszweck „einer möglichst praktikablen Umsetzung des Gesetzes, die aufwendige Feststellungsverfahren zur Ermittlung der Versicherungspflichtigen vermeidet“.75 Erneut sind aber die unterschiedlichen Wirkungen nicht gerechtfertigt: die Unterschiede legitimieren eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Modalitäten ————— 72

BVerfGE 103, 225-241/228 f.

73

BVerfGE 103, 225-241/239.

74

BVerfGE 103, 225-241/237 f.

75

BVerfGE 103, 225-241/237.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

186

des Zugangs, nicht aber hinsichtlich der Möglichkeit des Zugangs überhaupt, weil etwa die Ermöglichung des Zugangs durch freiwillige Versicherung „keine Ermittlungen über den betroffenen Personenkreis [erfordert]“76 und damit nicht auf den Unterschied in der bisherigen Erfassung der Personen gestützt werden kann. Auch hier geht es um das Verhältnis der Art der Unterschiede, an die die Ungleichbehandlung anknüpft, zur Art der unterschiedlichen Wirkungen. (8) Nach § 118a Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes 77 ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Dauer eines Vollzeitstudiums. Das Bundesverfassungsgericht hielt es für verfassungsrechtlich zulässig, dass die Unterschiede in der Verfügbarkeit immatrikulierter und nicht immatrikulierter Arbeitsloser und damit verbunden in der Neigung zu missbräuchlichen Leistungsbegehren unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis der Verfügbarkeit rechtfertigen könnten. Verfassungsrechtlich nicht zulässig sei dagegen der ausnahmslose Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes.78 Erneut ging es um das Verhältnis der Unterschiede, an die die Ungleichbehandlung anknüpft, zur Art der unterschiedlichen Wirkungen. (9) Nach § 11 Abs. 2 BAföG 79 waren das Einkommen und Vermögen von Ehegatten auf den Bedarf des Auszubildenden anzurechnen. Unterschiede im Bedarf weisen einen Sachbezug zum Zweck der Ausbildungsförderung auf, Auszubildende zu unterstützen, denen die für Lebensunterhalt und Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (vgl. § 1 BAföG). Der Unterschied im Bedarf, dem § 11 Abs. 2 BAföG Rechnung tragen soll, ist bei verheirateten Auszubildenden gegenüber nicht (mehr) verheirateten aber dann nicht festzustellen, wenn der Auszubildende von seinem Ehegatten getrennt lebt. Anderen Unterschieden zwischen Verheirateten und nicht mehr Verheirateten, also Geschiedenen, fehlt der Sachbezug zur Ausbildungsförderung.80 Insofern scheitert die Gleichheitsprüfung auf der Ebene der Unterschied-Zweck-Relation. Soweit ein Unterschied in der Möglichkeit oder Geneigtheit zum Missbrauch bestehen sollte, kämen unterschiedliche Wirkungen bei den Konditionen der Gewährung (beispielsweise vorläufige Gewährung mit Anspruchsübergang zwecks Missbrauchverhinderung), nicht aber bei der Gewährung überhaupt in Betracht.81 Mit dieser Zusatzerwägung ist das Verhältnis der Art der (unterstellten) Unterschiede zur Art der unterschiedlichen Wirkungen angesprochen. ————— 76

BVerfGE 103, 225-241/239.

77

Abgedruckt in BVerfGE 74, 9-28/12.

78

BVerfGE 74, 9-28/27.

79

Abgedruckt in BVerfGE 91, 389-405/391.

80

BVerfGE 91, 389-405/402 f.

81

BVerfGE 91, 389-405/403 f.

A. Vorüberlegungen

187

Entscheidend war in allen diesen Fällen das Verhältnis der Unterschiede, an die die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Regelung anknüpfen, zu den durch das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen ausgelösten unterschiedlichen Regelungswirkungen. Damit ist der zweite Standort ausgemacht, an dem die Unterschiede zwischen Personen und also die mit den Voraussetzungen in Bezug genommenen Gegebenheiten bei diesen Personen in der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung verankert sind: das Verhältnis von Unterschied und Wirkungen. Das Unterschied-Wirkungs-Verhältnis lässt sich mit den Kurzformeln Art und Ausmaß der Ungleichbehandlung beschreiben. Beide Formeln erfassen Fälle, in denen die mit der oder den Voraussetzung(en) in Bezug genommenen Unterschiede eine Ungleichbehandlung grundsätzlich zulassen, nicht jedoch nach der Art oder im Ausmaß der gewählten ungleichen Wirkungen. Fordert das Bundesverfassungsgericht, dass die zur Rechtfertigung angeführten Gründe oder Unterschiede hinreichend gewichtig sind, um die ungleichen Wirkungen ihrem Ausmaß nach zu rechtfertigen, klingt das nach einer Abwägung.82 Es wäre aber verfehlt, daraus auf die Möglichkeit einer Angemessenheitsprüfung im freiheitsrechtlichen Sinne zu schließen. Geprüft wird nicht, ob die Belastung zu den Interessen, deren Schutz mit der Belastung bezweckt wird, sondern ob die Belastung angesichts der geringeren Belastung anderer zu den zu diesen bestehenden Unterschieden in rechtem Verhältnis steht. Die Unterschiede und die ungleichen Wirkungen lassen sich nicht durch einander gegenüberstehende Positionen beschreiben, wie es die Angemessenheitsprüfung voraussetzte. Ihr Verhältnis ist vielmehr das von Anknüpfungspunkt83 einerseits, Art und Ausmaß andererseits – anders formuliert: von Grund und Grenze. Die Unterschiede, die die Ungleichbehandlung erlauben, begrenzen zugleich die Art und das zulässige Ausmaß unterschiedlicher Wirkungen. Hier findet sich der Korrespondenzgedanke wieder, den andere unzutreffend in die Eigentums- und Verhältnismäßigkeitsprüfung integrieren wollten.84 Die Beispiele haben gezeigt, dass nicht das Gewicht der Unterschiede, sondern ihre Richtung (Art) und ihre Reichweite (Ausmaß) entscheidend sind. Beziehen sich die Unterschiede beispielsweise auf die Intensität der besonderen Belastung durch Auslandseinsätze, kommen bei Gewährung belastungsausgleichender Zuschläge unterschiedliche Wirkungen hinsichtlich der Höhe in Betracht, nicht jedoch unterschiedliche ————— 82 So behandelt Wendt, NVwZ 1988, 778-786/785 f., die Relation der Unterschiede („Verschiedenheit“) zum Ausmaß der unterschiedlichen Wirkungen („unterschiedlichen Rechtsfolgen“) teils als Erforderlichkeits-, teils als Angemessenheitsproblem. 83 Kirchhof, Verschiedenheit, S. 8, bezeichnet die Verschiedenheiten als „Anlaß für gesetzliche Differenzierungen“. Hier wird statt dessen von Anknüpfungspunkt gesprochen. Wendt, NVwZ 1988, 778-786/782, verwendet beide Begriffe gleichbedeutend. 84

Dazu im Ersten Teil unter D.II.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

188

Wirkungen bei der Gewährung solcher Zuschläge überhaupt. Unterscheiden sich die Vergleichspersonen hingegen beim „Ob“ von Auslandseinsätzen, kommen auch unterschiedliche Wirkungen beim „Ob“ der belastungsausgleichenden Zuschläge in Betracht. Den unterschiedlichen Anknüpfungspunkt von freiheitsrechtlicher Angemessenheits- und gleichheitsrechtlicher Unterschied-Wirkungs-Relation hat bereits Lerche in seiner grundlegenden Untersuchung zu Übermaß und Verfassungsrecht treffend beschrieben, wobei er für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung den Begriff des „Sachgemäßen“ verwendet: „‚Sachgemäß‘ deutet auf eine Verkettung hin, die den Erfolg der gesetzgeberischen Maßnahme in Beziehung setzt mit den jeweiligen tatsächlichen Umständen, aus denen heraus sie geboren wurde, ihrem ‚Tatbestand‘, den vorgefundenen ‚Gegebenheiten‘, der ‚Sache‘. Die Abstellung auf die Eigenarten des Tatbestandlichen, d. h. auf seine Unterschiede und Gemeinsamkeiten ‚im Verhältnis‘ zu anderen Tatbeständen – das macht die Prüfung der Angemessenheit im Verständnis des Gleichheitsgebotes aus. Diese horizontalen ‚Verhältnisse‘ allein führen zur Forderung nach verhältnismäßiger Gleichbehandlung, nicht aber eine Abwägung zwischen Ziel (Gewinn) und Mittel (Opfer), wie sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kennzeichnet“. 85

Im Unterschied zur freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeit begrenzt die gleichheitsrechtliche Unterschied-Wirkungs-Relation nicht die Intensität der jeweils isoliert betrachteten einzelnen Wirkungen, sondern das Ausmaß ihrer Unterschiedlichkeit, d.h. der unterschiedlichen Belastungs- oder Begünstigungswirkungen.86 Das wirkt sich auf die Prüfung freilich nur aus, wenn durch eine oder mehrere Regelung(en) für die Vergleichspersonen Unterschiedliches vorgesehen ist oder graduell unterschieden wird, nicht hingegen, wenn eine Regelung nur für eine der beiden Vergleichspersonen eine Rechtsfolge enthält, während dem anderen keine hoheitliche Behandlung widerfährt.87 3. Würdigung Die Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigen, dass bei der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung in unterschiedlichen Verhältnissen auf die Unterschiede zwischen den ungleich behandelten Personen abgestellt wird: im Verhältnis zum Zweck der Regelung und im Verhältnis zu den unterschiedlichen Wirkungen der Regelung.88 Die Unterschiede bezeich-

————— 85

Lerche, Übermaß, S. 30.

Vgl. BVerfGE 89, 365-381/377 f.: „Da Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen …, sind Beitragssatzunterschiede dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn sie ein unangemessenes Ausmaß erreichen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 86

87

Zur Möglichkeit der „Nicht-Wirkung“ bereits oben (Seite 174 f.) in der Einleitung zu A.II.

A. Vorüberlegungen

189

nen, welche Gegebenheiten bei den Vergleichspersonen der Hoheitsträger durch die Voraussetzungen seines Hoheitsakts in Bezug genommen hat, woran er also in tatsächlicher Hinsicht angeknüpft hat. Indem bei der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung mit den Unterschieden argumentiert wird, erweist sich der allgemeine Gleichheitssatz als richtiger dogmatischer Ansatz, um aus den tatsächlichen Gegebenheiten Grenzen zu entwickeln. Die Untersuchung hat weiter gezeigt, dass die gleichheitsrechtliche Rechtfertigungsprüfung nicht nur über die Zulässigkeit des Anknüpfens an einen Unterschied zu einem bestimmten Zweck, das „Ob“ einer Ungleichbehandlung, Auskunft geben kann. Mit der Untersuchung der Unterschied-Wirkungs-Relation vermag sie vielmehr auch über die Art der Ungleichbehandlung, das „Inwiefern“, und ihr Ausmaß, das „Inwieweit“, zu urteilen. Zwar werden die verschiedenen Rechtfertigungsgesichtspunkte mitunter nicht unterschieden.89 Bei der Begründung von Gleichheitsverstößen ließen sich aber Ungleichbehandlungen ausmachen, bei denen bereits das Verhältnis der Unterschiede zum Sachbereich und Regelungszweck nicht zur Rechtfertigung genügte,90 andere, bei denen die Unterschiede eine Ungleichbehandlung grundsätzlich erlaubten, jedoch nicht in der gewählten Art oder dem gewählten Ausmaß.91 Das entspricht dem Befund früherer Arbeiten zum Gleichheitssatz, die zwischen fehlendem Zusammenhang und bestehendem, jedoch völlig unzulänglichem Verhältnis92 oder zwischen unsachlichen Ungleichbehandlungen und zwar sachlichen, aber überzogenen Ungleichbehandlungen unterschieden.93 ————— 88 Vgl. die Entscheidung zum Ortszuschlag für teilzeitbeschäftigte Ehegatten, BVerfGE 71, 3964/59, in der das Gericht „Verschiedenheiten, die einen inneren Zusammenhang zu der unterschiedlichen Regelung aufweisen [Unterschied-Zweck-Relation] und von solcher Beschaffenheit und solchem Gewicht sind, daß es mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, an sie die gewählten verschiedenartigen Rechtsfolgen zu knüpfen [UnterschiedWirkungs-Relation]“ fordert und ihr Vorliegen bejaht. 89

Beispielsweise in BVerfGE 71, 146-158/156, und 88, 5-17/14 f.

BVerfGE 82, 126-156/148 f.; 85, 191-214/210 f.; 91, 389-405/402 f.; 102, 68-99/89 u. 92. Aus jüngerer Zeit BVerfGE 105, 73-135/130 ff. 90

BVerfGE 74, 9-28/27; 89, 15-27/24 f.; 93, 386-403/400 f.; 97, 35-49/44 ff.; 99, 341-360/356; 103, 225-241/237 f. Angedeutet auch in BVerfGE 89, 69-91/90 f., und 91, 389-405/403 f. In BVerfGE 84, 90-132/129 f., beschränkte eine verfassungskonforme Auslegung die ungleichen Wirkungen auf das zulässige Maß. 91

Leibholz, Gleichheit, S. 76: „Wenn sich andererseits ein vernünftiger Grund für das in der Norm für maßgeblich erachtete Kriterium überhaupt nicht finden läßt, wenn der von dem Rechtssatz normierte Tatbestand mit der an denselben geknüpften Rechtsfolge schlechthin unvereinbar ist, wenn überhaupt kein innerer Zusammenhang zwischen der getroffenen Bestimmung und zwischen dem durch dieselbe erstrebten Zweck besteht, oder wenn ein solcher zwar besteht, aber in einem völlig unzulänglichen Verhältnis, so kann man diese Norm als willkürlich charakterisieren“. Ähnlich ebenda, S. 245. 92

93 Huster, Der Staat 42 (2003), 145-149/146 („unsachlich oder überzogen und deshalb ungerecht“).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

190

III. Tauglicher Maßstab Auf drei mögliche grundsätzliche Einwände gegen eine gleichheitsrechtliche Argumentation soll bereits in den Vorüberlegungen entgegnet werden: –

Der allgemeine Gleichheitssatz stelle an eine Belastung durch öffentlichrechtliche Pflichten keine über die freiheitsrechtlichen hinausgehenden Anforderungen.



Besonders bei „Jedermannspflichten“ tauge der Gleichheitssatz nicht als Prüfungsmaßstab.



Der Gleichheitssatz sei als Prüfungsmaßstab untauglich, wenn die Alternative zur vorgesehenen Belastung eine Lastentragung durch die Allgemeinheit sei. 1. Gleichheitssatz und öffentlich-rechtliche Pflichten?

Bei unvoreingenommener Betrachtung erscheint die Möglichkeit einer Prüfung öffentlich-rechtlicher Pflichten am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes als selbstverständlich. Die hoheitliche Auferlegung einer Pflicht an Einzelne ist Teil der Lastenverteilung. Lastenverteilung als Gleichheitsproblem zu denken, ist nicht neu. Das Bundesverfassungsgericht formuliert verfassungsrechtliche Anforderungen aus dem Gleichheitssatz an die Lastenverteilung überwiegend bei nichtsteuerlichen Abgaben,94 besonders bei Sonderabgaben. 95 Neben den unmittelbaren Geldleistungspflichten wirkt aber auch die Inanspruchnahme von Eigentum oder Diensten als „außersteuerliche Sonderlast“. 96 Danach liegt der Schluss nahe, dass der in Art. 3 Abs. 1 GG angelegte Grundsatz der Lastengleichheit für „jeden Akt der Lastenverteilung [gilt], gleichgültig ob diese mittels einer Kosten verursachenden Inpflichtnahme, einer Arbeitskraft in Anspruch nehmenden Dienstleistungspflicht oder mittels einer Geld-Abgabe stattfindet“.97 Dennoch bestehen Zweifel, ob der allgemeine Gleichheitssatz an die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Pflichten jenseits der Belastung mit Abgaben Anforderungen stellt, die über die freiheitsrechtlichen hinausgehen. Das Bundesverfassungsgericht sucht die Lösung für den zweiten Typ der außersteuerlichen ————— 94

BVerfGE 101, 151-158/155 ff. (Umsatzsteuerfreiheit).

BVerfGE 92, 91-122/121 (Feuerwehrabgabe); 101, 141-151/149 f. (Ausgleichsabgabe nach Sonderurlaubsgesetz); 108, 186-238/233 f. i.V.m. 222-229 (Altenpflegeumlagen). 95

96 Zu diesen zwei „Grundmustern außersteuerlicher Sonderlasten“ Friauf, Sonderlasten, S. 51. Als Beispiele nennt er die Inanspruchnahme zur Gefahrenbeseitigung (S. 60 f.), die Ermöglichung eines vergütungsfreien Abdrucks von Teilen urheberrechtlich geschützter Werke (S. 61) und die hoheitliche Inpflichtnahme Privater für Verwaltungsaufgaben (S. 62 f.). 97

Elicker, NVwZ 2003, 304-307/306.

A. Vorüberlegungen

191

Sonderlast – wie im Altlastenbeschluss, der zu einer außersteuerlichen Sonderlast des ersten Typs erging, – zumeist über eine freiheitsrechtliche Argumentation und Zumutbarkeitserwägungen,98 ohne das Gleichheitsproblem zu erörtern, das die Inpflichtnahme aufwerfen kann.99 Es ließe sich argumentieren, eine öffentlich-rechtliche Pflicht sei als Belastung zuvorderst an den Freiheitsrechten zu messen. Scheitere die Rechtfertigung am freiheitsrechtlichen Maßstab, sei eine zusätzliche Gleichheitsprüfung überflüssig. Gelinge die Rechtfertigung, sei aus den gleichen Erwägungen regelmäßig auch gerechtfertigt, dass die Belastung andere nicht oder in geringerem Maße treffe. Die Freiheitsprüfung erweise sich somit als erschöpfend.100 Für die verfassungsrechtliche Kontrolle von Belastungen können Freiheitsund Gleichheitsprüfung unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Freiheitsrechte bieten einen Maßstab für die Belastungswirkungen für den Einzelnen, der allgemeine Gleichheitssatz ist Maßstab für die Lastenverteilung auf mehrere Personen. Wie die Funktionen unterscheiden sich der Ausgangspunkt und die für die Rechtfertigung maßgeblichen Gesichtspunkte: Die freiheitsrechtliche Prüfung geht von den Belastungswirkungen für den Einzelnen aus und untersucht, ob diese in rechtem Verhältnis zum Belastungszweck stehen. Die Gleichheitsprüfung geht vom Unterschied, d.h. dem tatsächlichen Anknüpfungspunkt der Lastenverteilung aus und untersucht sein Verhältnis zu dem oder den Belastungszwecken und zu den unterschiedlichen Belastungswirkungen. Ohne bereits an dieser Stelle allgemeine Aussagen zum Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen machen zu müssen,101 zeigt die Beschreibung von Funktion, Ausgangspunkt und Rechtfertigungsgesichtspunkten, dass jedenfalls dann für eine Gleichheitsprüfung Platz ist, wenn die Freiheitsprüfung Restprobleme belässt, die den tatsächlichen Anknüpfungspunkt der ————— 98 Aus den Entscheidungen zur Inpflichtnahme Privater: BVerfGE 30, 292-336/312 ff. u. 316 ff. (Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse), und 33, 240-247/244 ff. u. 246 f. (Begrenzung der Entschädigung für Sachverständigentätigkeit). 99 So bereits die Kritik von Friauf, Sonderlasten, S. 63 ff. BVerfGE 30, 292-336/327 ff., beschränkt die Gleichheitsprüfung auf nicht berücksichtigte „strukturelle Unterschiede innerhalb der betroffenen Berufsgruppe [der Mineralölimporthändler]“ und ist damit ein Anwendungsfall des Gleichbehandlungsverbots aus „Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG“, dazu unten unter B.V. Die von Friauf in den Blick genommenen Probleme der Ungleichbehandlung durch Inpflichtnahme der Importeure gegenüber Nichtbelastung anderer Privater bleiben dabei außen vor. Eine Ausnahme bildet die verfassungsgerichtliche Überprüfung der Feuerwehrdienstpflicht und Feuerwehrabgabe. In der Beschränkung beider auf Männer erkannte das Gericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG, BVerfGE 92, 91-122/109 ff. 100 In diese Richtung weisen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 78, 155-164/164; 84, 133-160/157 f.; 85, 226-238/237. In ihnen wurde eine (ausführliche) Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes für entbehrlich erachtet, weil die Erwägungen bereits in die Prüfung am Maßstab der Berufsfreiheit eingeflossen seien. 101

Das ist Gegenstand des Dritten Teils der Arbeit.

192

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Lastenverteilung betreffen und mit ihm verfassungsrechtliche Grenzen begründen wollen. Diese Probleme liegen außerhalb der Zweck-Mittel-Achse der Freiheitsprüfung. Die Freiheitsprüfung ist insofern gerade nicht erschöpfend. Die Gleichheitsprüfung ermöglicht hier andere Erwägungen, weil sie andere Verhältnisse untersucht. Dass die Prüfung der Zustandsverantwortlichkeit am Maßstab der Eigentumsgewährleistung solche Probleme belässt, wurde im Ersten Teil ausführlich dargelegt. 2. Gleichheitssatz und Jedermannspflichten? Argumentiert wird, es fehle an einer Ungleichbehandlung, wenn und weil ein jeder Eigentum an irgendeiner Sache habe und daher die Verantwortlichkeit jeden in gleicher Weise treffen könne. Jedenfalls sei eine Gleichheitsprüfung nicht sinnvoll, wenn allein zu rechtfertigen sei, dass dem Eigentümer ein bestimmter Umgang mit seinem Eigentum aufgegeben werde, dem Nichteigentümer nicht. Grundgedanke der Verantwortlichkeit sei, dass sich jeder der Allgemeinheit gegenüber so zu verhalten habe, wie er es von anderen erwarten könne. Bei derartigen „Jedermannspflichten“ tauge der allgemeine Gleichheitssatz nicht als Prüfungsmaßstab. Der Begriff der Jedermannspflicht leitet bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt und eine Gleichheitsprüfung ermöglicht, in die Irre. Von einer Jedermannspflicht in Reinform lässt sich nur dann sprechen, wenn der Gesetzgeber allen Menschen oder allen Personen voraussetzungslos eine Pflicht auferlegt, etwa durch die (fiktive) Bestimmung „Jeder hat Steuern zu zahlen“. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Hat … der Gesetzgeber nicht nur in seiner Regelung selbst, sondern auch hinsichtlich ihrer intendierten Wirkungsweise auf eine wie immer definierte Differenzierung verzichtet, so scheidet das allgemeine Gleichbehandlungsgebot als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab aus“.102

Sobald der Gesetzgeber den Eintritt der Rechtsfolge an Voraussetzungen knüpft, differenziert er zwischen denen, bei denen die Voraussetzungen vorliegen, und denen, bei denen das nicht der Fall ist, und behandelt damit ungleich.103 Dass jeder die Voraussetzung erfüllen kann, erleichtert möglicherwei————— BVerfGE 91, 118-124/123. In der zitierten Entscheidung prüft das Bundesverfassungsgericht die Regelung gleichwohl noch am Willkürverbot. 102

103 Vgl. das Wortspiel von Dahrendorf, Ursprung, S. 22: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, aber sie sind es nicht mehr nach dem Gesetz“ (Hervorhebung im Original). Wie hier bereits Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 2: „Der Gesetzestatbestand führt zur Ungleichbehandlung der gesetzlich erfassten Fälle gegenüber den nicht tatbestandsmäßigen Sachverhalten – insoweit ist alles Recht Differenzierung“ (Hervorhebung im Original), und Kokott, Gleichheitssatz, S. 129: „Das Recht unterscheidet tatbestandsmäßige Sachverhalte und Verhaltensweisen von nicht tatbestandsmäßigen, verlangt also immer nach Differenzierung“.

A. Vorüberlegungen

193

se die Rechtfertigung,104 beseitigt aber nicht die an das Vorliegen der Voraussetzung anknüpfende Ungleichbehandlung. Im Kern richten sich die Bedenken gegen die Sinnhaftigkeit einer Gleichheitsprüfung. Bei vielen Pflichtennormen erscheint es abwegig, eine Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes auch nur zu erwägen. Man denke nur an die Pflichten: „Bei Eintritt der Dämmerung hat jeder Parkbesucher den öffentlichen Park zu verlassen“; „Bei einer roten Ampel hat jeder Verkehrsteilnehmer zu halten“; oder „Hunde sind anzuleinen“, genauer „Jeder, der die tatsächliche Gewalt über einen Hund ausübt, hat ihn anzuleinen“. Eine Gleichheitsprüfung erscheint erst dann sinnvoll, wenn beispielsweise die gesetzliche Definition des Inhabers der tatsächlichen Gewalt dazu führt, dass nur berechtigte Gewalthaber oder sogar nur Hundeeigentümer einen Hund anzuleinen haben, nicht aber diejenigen, die sich mit Hund tatsächlich im öffentlichen Raum bewegen, oder wenn der Gesetzgeber zwischen Parkbesuchern, Verkehrsteilnehmern oder Hundehaltern weiter differenziert. Die Zustandsverantwortlichkeit scheint den beispielhaft genannten Pflichten zu gleichen. Dabei werden wesentliche Unterschiede zwischen den Beispielspflichten und der Zustandsverantwortlichkeit übersehen. Park- und Ampelbeispiel zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber ein Verhalten (Parkaufenthalt bei Dunkelheit; Fortbewegung bei roter Ampel) wählt, das er als gefährlich einschätzt, und der Gefahr dadurch begegnet, dass er das Verhalten jeder Person untersagt. Er trifft keine über die Wahl des Verhaltens hinausgehende Auswahl- oder Zuordnungsentscheidung. Geht die Wahl des Verhaltens vollständig in der Wahl des Mittels auf, werden sämtliche Probleme, die aus der Auswahlentscheidung entstehen, bereits im Rahmen der freiheitsrechtlichen Zweck-Mittel-Relation behandelt. Es verbleiben deshalb keine Restprobleme für eine Gleichheitsprüfung. Dem entspräche eine Regelung, die dem Sachherrn einer gefährlichen Sache untersagen würde, die Sachherrschaft fürderhin innezuhaben.105 Untersagt die Regelung dem Sachherrn einer gefährlichen Sache hingegen, die Gefahr zu beseitigen und insofern, die Sachherrschaft an einer gefährlichen Sache innezuhaben, verschiebt sich das Verhältnis von pflichtbegründendem Verhalten, pflichtenbegründender Rolle, und Inhalt der Pflicht – dem Parkbesucher wird nicht aufgegeben, die Dunkelheit oder die Gefährlichkeit des Parks, dem Ver————— 104 BVerfGE 88, 87-103/96; 98, 365-403/389: „Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird“. BVerfGE 97, 169-186/181: „Bei einer an Sachverhalten orientierten Ungleichbehandlung kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungsmerkmale zu beeinflussen“. 105 Diesem Modell entsprach die Vorschrift zur Tötung tollwutverdächtiger Hunde in § 39 Abs. 2 des Viehseuchengesetzes vom 26.6.1909, BVerfGE 20, 351-363/353.

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

kehrsteilnehmer nicht, die Ampelschaltung oder die Gefährlichkeit des Verkehrs zu verändern. Ihnen wird vielmehr aufgegeben ihr Verhalten, ihre Rolle in der Situation zu verändern. Die Zustandsverantwortlichkeit verknüpft das Innehaben der Sachherrschaft mit einer Pflicht, die nicht in der Aufgabe der Sachherrschaft besteht. Der Gesetzgeber wählt dabei einen vom Pflichteninhalt verschiedenen Anknüpfungspunkt und ordnet ihm eine Pflicht zu. Er trifft somit eine über die Wahl des Verhaltens hinausgehende Auswahl- und Zuordnungsentscheidung. Darin gleicht die Zustandsverantwortlichkeit dem Hundebeispiel. Den Inhabern der tatsächlichen Gewalt über Hunde wird nicht aufgegeben, die Herrschaft aufzugeben, sondern die von freilaufenden Hunden ausgehende Gefahr durch Anleinen des Hundes zu vermeiden oder zu beseitigen. Dass bei diesem Beispiel eine Gleichheitsprüfung nicht sinnvoll erscheint, liegt anders als im Park- und Ampelbeispiel nicht daran, dass die Auswahlentscheidung des Gesetzgebers keine über die Kontrolle der Mittelauswahl im Rahmen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung hinausgehenden Probleme belässt, sondern daran, dass die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung keine Schwierigkeiten bereitet: Der Inhaber tatsächlicher Gewalt über einen Hund unterscheidet sich von anderen Personen dadurch, dass er den Hund in den öffentlichen Verkehr bringt. Das steht im sachlichen Zusammenhang mit der Vermeidung von Gefahren im öffentlichen Verkehr (Regelungszweck) und rechtfertigt unterschiedliche Wirkungen, die sich auf die Art des Inverkehrbringens beziehen und im Ausmaß darauf beschränkt sind. So einfach liegen die Dinge bei der Zustandsverantwortlichkeit jedenfalls für unbewegliche Sachen und zumal in Altlastenfällen nicht. Der Sachherr unterscheidet sich von anderen Personen dadurch, dass er tatsächliche und/oder rechtliche Gewalt über eine auch ohne sein Zutun im Verkehr befindliche unbewegliche Sache hat, von der – möglicherweise – ohne sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu seiner Sachherrschaft Gefahren ausgehen. Die Aufgabe der Beseitigung der Gefahren bedarf einer echten Zuordnungsentscheidung. Der Gesetzgeber wählt aus, an welche Gegebenheiten er die Wirkungen seiner Regelung knüpft. Diese Zuordnungs- und Auswahlentscheidung ist vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Indizien dafür, dass eine echte Zuordnung und Auswahl stattgefunden hat, die nicht in der Mittelauswahl und der freiheitsrechtlichen Zweck-Mittel-Relation aufgeht, sind, dass das Gesetz selbst differenziert, wem es die in Rede stehende Pflicht in welchem Ausmaß auferlegt, und dass der Gesetzgeber die Pflicht ggf. in anderen Gesetzen oder Gesetzesfassungen nach anderen Voraussetzungen auferlegt hat. So verhält es sich bei der polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahrenabwehrpflicht. Die Polizei- und Ordnungsgesetze unterscheiden zwischen Verantwortlichen und Nichtverantwortlichen106 und legen ihnen Wirkungen unterschiedlichen Ausmaßes auf – primäre gegenüber bloß subsidiärer Ge-

A. Vorüberlegungen

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fahrenabwehrpflicht, vollständige Kostenlast gegenüber Erstattungsanspruch. Ein Blick auf andere Gesetze zeigt, dass die Wahl der verantwortlichkeitsbegründenden Voraussetzungen – Verursachung, Einstandspflicht für den Verursacher, tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft im Zeitpunkt der Inanspruchnahme – eine über Geeignetheitserwägungen bei der Mittelauswahl hinausgehende Zuordnung erfordert: beispielsweise knüpfen die jüngeren Altlastengesetze, besonders das BBodSchG, die Verantwortlichkeit auch an das frühere Eigentum oder die handels- oder gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht für den Eigentümer. Für diese Auswahl- und Zuordnungsentscheidungen taugt der allgemeine Gleichheitssatz als Prüfungsmaßstab. 3. Alternative Allgemeinlast? Bisweilen ist zu hören, der allgemeine Gleichheitssatz helfe nicht weiter, wenn die Alternative zu einer Belastung Einzelner eine Belastung der Allgemeinheit sei. Die Gleichheitsprüfung fordere den Vergleich der Behandlung einer Person mit der einer anderen, nicht den Vergleich mit der Behandlung der Allgemeinheit. Mit der Allgemeinheit werde im Ergebnis auch dann verglichen, wenn sich die Gleichheitsprüfung auf die einzige Voraussetzung der Belastung (rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft) beziehe, weil die Gesamtheit der Personen, bei denen die Voraussetzung nicht vorliegt, die Allgemeinheit bildet. Das beschreibt sowohl die bestehende Alternative zur derzeitigen Regelung der Zustandsverantwortlichkeit als auch den Ansatzpunkt einer Gleichheitsprüfung im Fall der Zustandsverantwortlichkeit verkürzt. Die Alternative zur derzeitigen Regelung der polizei- und ordnungsrechtlichen Gefahrenabwehrpflicht und der bodenschutzrechtlichen Sanierungspflicht des Zustandsverantwortlichen mit umfassender Kostentragungslast ist nicht einzig eine Kostentragung durch die Allgemeinheit. Je nach Ergebnis der Gleichheitsprüfung kommt für eine ggf. erforderliche Neuregelung Unterschiedliches in Betracht: Sollte sich herausstellen, dass das Unterschied-Zweck-Verhältnis oder das Unterschied-WirkungsVerhältnis bezüglich der Art der unterschiedlichen Wirkungen gleichheitsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, ist ein Anknüpfen an andere, möglicherweise zusätzliche Voraussetzungen nicht ausgeschlossen. Ist lediglich das Ausmaß der unterschiedlichen Wirkungen nicht zu rechtfertigen, kann der Anknüpfungspunkt der Ungleichbehandlung bei Verringerung der Belastungsunterschiede beibehalten werden. Nur wenn der Gesetzgeber auf eine an andere Voraussetzungen anknüpfende oder im Ausmaß geringere Belastung verzichtet, ist die

————— 106 Zu dieser Dichotomie Poscher, Gefahrenabwehr, S. 18: „Im Hinblick auf die Eingriffsbefugnisse denkt das Recht der Gefahrenabwehr im Gegensatz von Verantwortlichkeit und Nichtverantwortlichkeit – tertium non datur“. A.A. Selmer, Gedanken, S. 498 u. 502.

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Konsequenz eines Gleichheitsverstoßes die Lastentragung durch die Allgemeinheit. Selbst wenn eine Lastentragung durch die Allgemeinheit die einzig zulässige Alternative wäre, stünde das einer Gleichheitsprüfung nicht entgegen, wie die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Abgabenregelung am allgemeinen Gleichheitssatz zeigt: auch bei einer gleichheitsrechtlichen Prüfung von Abgaben107 ist – bei Verzicht auf Neuregelung mit anderer tatbestandlicher Differenzierung oder mit anderer Abgabenhöhe – die Alternative zur Heranziehung der Abgabenschuldner regelmäßig die Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt. Beispiele aus der Gleichheitsprüfung von Abgabenregelungen zeigen zugleich, dass der Umstand, dass die Personen, die die Voraussetzung nicht erfüllen, an deren Vorliegen die Abgabenerhebung geknüpft ist, die Allgemeinheit bildet, einer Gleichheitsprüfung nicht entgegensteht.108

B. Gleichheitsmodell Keines der in jüngerer Zeit für die Gleichheitsprüfung vorgeschlagenen dogmatischen Modelle109 konnte sich bislang in vergleichbarer Weise wie das freiheitsrechtliche Eingriffsmodell durchsetzen. Die unterschiedlichen Vorschläge mit stark variierender Zahl geforderter Prüfungsschritte110 mögen als Ausweis dafür gesehen werden, wie unterschiedlich die Vorstellungen über die verfassungsrechtlichen Anforderungen sind. Im Kern geht es nicht um die Zahl und Reihenfolge der anzustellenden Erwägungen, sondern um unterschiedliche Auffassungen von Inhalt und Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes. ————— 107 Dazu Vogel, Vorteil, S. 529: „Rechtfertigen muß darüber hinaus jede Abgabe ihre Tatbestandsdifferenzierungen gegenüber dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Zu rechtfertigen ist, daß und in welcher Ausgestaltung (auch Höhe) die Abgabe erhoben wird“ (Hervorhebungen im Original). 108 BVerfGE 75, 108-165/157 (Künstlersozialabgabe): „… Frage nach einem … sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus … zu einer Abgabe herangezogen wird …“. BVerfGE 92, 91-122/121 (Feuerwehrabgabe): „Das Feuerwehrwesen ist eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb … nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, im wesentlichen also durch die Gemeinlast Steuer finanziert werden darf. Wird in einem solchen Fall nur ein abgegrenzter Personenkreis mit der Abgabe belastet, so verstößt dies auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG“. BVerfGE 101, 141-151/149 f. (Ausgleichsabgabe nach Sonderurlaubsgesetz): „… verstößt diese Auswahl der Abgabenschuldner gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Arbeitgeber stehen der allgemeinen Aufgabe der Jugendarbeit nicht näher als andere Gruppen“. 109 Siehe nur die verschiedenen Modelle aus jüngerer Zeit von: Hesse, Gleichheitssatz, S. 129 ff.; Huster, JZ 1994, 541-549/547 ff., sowie ders., Rechte, S. 225 ff.; Jarass, NJW 1997, 2545-2550/ 2546 ff.; Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 241 ff. Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 1, spricht angesichts der Fülle wissenschaftlicher Abhandlungen von einer „Renaissance“, die die rechtswissenschaftliche Diskussion über Inhalt und Bedeutung des Art. 3 GG in jüngerer Zeit erlebt habe. 110 Bryde/ Kleindieck, Jura 1999, 36-44/37, unterscheiden zwei- und dreigliedrige Modelle. Müller, VVDStRL 47 (1989), 88-90/89, zählte „zwischen 2 und 7“.

B. Gleichheitsmodell

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Die Erwägungen sämtlicher Modelle lassen sich zwei Prüfungsebenen zuordnen. Die erste benennt, was eine Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes in tatsächlicher Hinsicht voraussetzt, klärt, was inwieweit verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muss, und dient damit der Präzisierung und der Eingrenzung der grundrechtlichen Prüfung. Auf der zweiten wird untersucht, ob die sich aus dem Grundrecht ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Alle weiteren Erwägungen lassen sich als Untergliederungen diesen beiden Ebenen zuweisen. Die zweigliedrige Grobunterteilung hat den Vorzug, dass sie Gleichheits- wie Freiheitsprüfungen gleichermaßen beschreiben kann.111 Eine Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte setzt in tatsächlicher Hinsicht einen Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Freiheitsrechts voraus.112 Aus dem jeweiligen Freiheitsrecht ergeben sich verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs. Die Prüfung folgt einem konditionalen Schema: Wenn x vorliegt, sind bestimmte verfassungsrechtliche Anforderungen einzuhalten. Je nachdem, ob dies der Fall ist oder nicht, sind daraus Folgerungen für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit, das Verboten- oder Gebotensein staatlichen Handelns zu ziehen. Stern hat darin „eine Grundrechtsstruktur nach Tatbestand, Begrenzung und Rechtsfolge“ ausgemacht,113 also eine Struktur mit zwei Prüfungsebenen und einem Folgenausspruch. Wenn Huster114 das Gleichheitsmodell von Lübbe-Wolff 115 mit nur einem Prüfungsschritt beschreibt, trifft das zwar insofern zu, als Lübbe-Wolff beim Gleichheitsschutz keine Differenz von Schutzbereich und effektivem Garantiebereich festzustellen vermag, folgerichtig nicht von Schranken oder Grenzen des Gleichheitsgrundrechts sprechen will, sondern aus dem Bestehen „sachlicher Differenzierungsgründe“ folgert, es liege keine „Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG“ vor.116 Das hindert aber nicht daran, diese „die nötigen Grenzen in sich tragende Gleichheitsgewährleistung“117 gegliedert nach tatsäch————— 111 Ohne den Eindruck erwecken zu wollen, diese Art der Gleichheitsprüfung unterscheide sich nicht von der Eingriffsdogmatik, vgl. die Sorge von Huster, Rechte, S. 228. 112 Da die Definition des Schutzbereichs zumeist auf den Eingriff bezogen wird und erst die Feststellung eines Eingriffs in den Schutzbereich über das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung entscheidet, lassen sich Schutzbereich und Eingriff ohne Einbußen als Untergliederungen der Ebene der Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht beschreiben. Damit soll nicht der Sinn dieser Untergliederung in Frage gestellt werden. 113

Stern, Grundrechte, S. 5.

114

Huster, Rechte, S. 167 f. u. 229 mit Fn. 261.

115

Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 18 u. 258 ff.

116

Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 259.

Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 259 f.: „Die nötigen ‚Grenzen‘ trägt das Gleichheitsgrundrecht, – anders als die … vorbehaltlos gewährleisteten Freiheitsrechte –, in sich, indem es von vornherein nur gegen sachlich nicht begründete, willkürliche Differenzierungen und Nichtdifferenzierungen schützt“. 117

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

198

lichen Voraussetzungen (Ungleichbehandlung durch einen Hoheitsträger) und verfassungsrechtlichen Anforderungen (sachliche Differenzierungsgründe) abzubilden. Im Folgenden soll versucht werden, die Voraussetzungen einer Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes (I.) und die sich aus ihm ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen (III.) einem einfach handhabbaren und eine klare Prüfung ermöglichenden Argumentationsschema118 zuzuführen und für die Ermittlung der Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit fruchtbar zu machen (II. und IV.). I.

Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht 1. Handeln eines Hoheitsträgers

Eine Prüfung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes setzt stets voraus, dass gehandelt wurde. Soll unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz eine Belastung abgewehrt werden, versteht sich das von selbst. Zielt die Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz auf Gleichbehandlung mit einem Begünstigten, setzt das voraus, dass ein anderer durch einen positiven Akt begünstigt wurde. Notwendig ist mithin ein Handeln, nicht notwendig hingegen ein Handeln gegenüber dem sich auf den Gleichheitssatz Berufenden. Der allgemeine Gleichheitssatz begründet keine originären Leistungsansprüche,119 allenfalls derivative Teilhabeansprüche.120 An ein bloßes Unterlassen stellt der allgemeine Gleichheitssatz, anders als zuweilen die Freiheitsrechte, keine verfassungsrechtlichen Anforderungen.121 Wird das Problem der Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes 122 (dem Gegenstand der Arbeit Rechnung tragend) ausgeklammert, geht es um das Handeln eines Hoheitsträgers. Handlungssubjekt kann jeder Träger hoheitlicher ————— 118

Unten unter B.III.3.e).

Starck, MKS, Art. 1 Abs. 3 Rn. 188 und Art. 3 Rn. 141. Zum Meinungsstand beim speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG: BVerfGE 96, 288-315/304. 119

120 Zu ihnen: Hesse, Grundzüge, Rn. 289; Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 17 ff.; Martens, VVDStRL 30 (1972), 7-42/21 f. Beispielsweise der Anspruch auf gleichen Zugang zu staatlich geschaffenen Ausbildungseinrichtungen, BVerfGE 85, 36-68/53 f. („Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip“). 121 Dementsprechend gibt es kein gleichheitsrechtliches Untermaßverbot. Zu dieser – nicht unumstrittenen (kritisch etwa Schlink, Grundsatz, S. 463) – Figur im Bereich freiheitsrechtlicher Schutzpflichten BVerfGE 88, 203-337/254 (Schwangerschaftsabbruch), 88, 338-358/340 (abw. M. Mahrenholz/ Sommer) und 98, 329-359/355 (abw. M. Papier/ Graßhof/ Haas zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz), sowie aus dem Schrifttum Canaris, AcP 184 (1984), 201-246/225 ff. u. 228, Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 310 ff., und Isensee, Grundrecht, § 111 Rn. 165. 122 Zum Stand der Diskussion Poscher, Grundrechte, S. 51, 224 u. 337, m.w.N. und eigenem grundrechtsdogmatischen Modell.

B. Gleichheitsmodell

199

Gewalt sein, unter Einschluss des Gesetzgebers.123 Gleichheitsrechtlichen Anforderungen genügen muss das Handeln eines Hoheitsträgers. Die Bindung des jeweiligen Hoheitsträgers (Art. 1 Abs. 3 GG) an den allgemeinen Gleichheitssatz fordert nicht, hoheitliches Handeln mit dem Handeln anderer Hoheitsträger abzustimmen. Das zu prüfende Handeln ist deshalb nicht mit dem Handeln anderer Hoheitsträger zu vergleichen.124 Die Bindung an den Gleichheitssatz bezieht sich auf den Zuständigkeitsbereich eines jeden Trägers öffentlicher Gewalt.125 Werden etwa unterschiedliche Wirkungen bei zwei Personen durch Regelungen verschiedener Rechtsetzungsgewalten hervorgerufen, fehlt es daran, dass die Wirkungen durch ein vom gleichheitsgebundenen Normgeber gewähltes Unterscheidungsmerkmal ausgelöst werden. Eines Rückgriffs auf ein Erfordernis wesentlicher Gleichheit der Behandlungsobjekte126 bedarf es zur Begründung nicht und vermag nicht zu überzeugen. Das – ohnehin fragwürdige127 – Kriterium der wesentlichen Gleichheit zielt auf Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede bei den Betroffenen der Regelung. An diesen ändert sich nichts, je nachdem, ob ein oder mehrere Hoheitsträger handeln. Eine Durchsicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, dass Ungleichbehandlungen wie Gleichbehandlungen,128 bisweilen sogar der hoheitliche Umgang mit Personen unabhängig von einem Vergleich mit dem ————— 123 Zum historischen Hintergrund der sog. Rechtsetzungsgleichheit: Kaufmann, VVDStRL 3 (1927), 2-24; Leibholz, Gleichheit, besonders S. 238-243; Nawiasky, VVDStRL 3 (1927), 25-43. Angesichts des Art. 1 Abs. 3 GG ist die Bindung des Gesetzgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz heute anerkannt und Inhalt ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem ersten Urteil des Zweiten Senats, dem Südweststaatsurteil, BVerfGE 1, 14-66/52. Ausführlich zur Bindung des Gesetzgebers, begründet mit Hilfe der klassischen Auslegungskriterien, zuletzt Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 5-15. 124 Allenfalls bei der Auslegung und Anwendung von Bundesgesetzen kann eine abweichende Praxis eines anderen Hoheitsträgers verfassungsrechtlich relevant sein, dazu Dittmann, Gleichheitssatz, S. 235-239. 125

BVerfGE 21, 54-72/68; 76, 1-82/73; 106, 62-166/145; sowie Jarass, JP, Art. 3 Rn. 4a.

Vgl. Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 431: „Soweit die Bürger eines Landes durch ein Landesgesetz anders behandelt werden als die Bürger eines anderen Landes, das kein entsprechendes oder ein abweichendes Landesgesetz erlassen hat, fehlt von vornherein die wesentliche Gleichheit; entsprechendes gilt im Verhältnis zwischen Bundes- und Landesgesetzen und zwischen Satzungen verschiedener Gemeinden, Universitäten usw.“. Die zum Beleg zitierte Entscheidung in BVerfGE 33, 224-232/231, lehnt einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in einer solchen Situation ab, aber nicht wegen fehlender wesentlicher Gleichheit. Gleiches gilt für den bis zur 18. Auflage zitierten Beitrag von Fastenrath, JZ 1987, 170-178/173, und die an seine Stelle gesetzte Kommentierung von Huster, FH, Art. 3 Rn. 47. 126

127

Kritische Diskussion unten unter B.I.3.b)(2).

BVerfGE 55, 261-273/269 ff.; 59, 302-329/327 f.; 60, 113-120/118 ff.; 77, 84-120/118 f. u. 120; 78, 179-200/195 f.; 81, 108-122/117 ff.; 87, 363-394/389; 90, 226-240/239 f.; 98, 365403/384 ff.; 103, 242-271/260 ff. u. 263 ff.; 103, 310-332/331 f.; 106, 225-244/240 f. Ausführlich zu den in diesen Entscheidungen thematisierten Gleichbehandlungen unten unter B.V. 128

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

200

anderer Personen129 Gegenstand einer Prüfung an Art. 3 Abs. 1 GG waren, ganz gleich, ob der Gesetz-130 oder der Verordnungsgeber 131, die Verwaltung132 oder die Gerichte133 gehandelt hatten. Bliebe man bei diesem ersten Befund stehen, wäre die erste Stufe der Gleichheitsprüfung nahezu bedeutungslos, weil jedes hoheitliche Handeln, durch das eine Person in irgendeiner Weise behandelt wird, an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen wäre, sofern sich aus Regeln über die Konkurrenz von Grundrechten nichts anderes ergibt. 134 Zunächst soll jedoch anhand von Ungleichbehandlungen, untergliedert nach Handlungssubjekten, versucht werden, der Präzisierungs- und Eingrenzungsfunktion der ersten Ebene grundrechtlicher Prüfung gerecht zu werden. Ob Gleichheitsprüfungen unabhängig von Ungleichbehandlungen zulässig und sinnvoll sind, soll untersucht werden, wenn das Gleichheitsmodell für Ungleichbehandlungen vollständig entfaltet ist.135 2. Ungleichbehandlung von Personen Einigkeit besteht darüber, dass bestimmte Ungleichbehandlungen am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu messen sind. Die Fragen, wessen Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich relevant ist, wann eine Ungleichbehandlung vorliegt und durch welche Kriterien gegebenenfalls verfassungsrechtlich relevante von unerheblichen Ungleichbehandlungen geschieden werden können, werden unterschiedlich beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei den Ungleichbehandlungen nach ihrem Objekt. Es sieht den Gesetzgeber nicht nur bei der Ungleichbehandlung von Personen, sondern auch in Fällen der Ungleichbehandlung von Perso-

————— 129 BVerfGE 42, 64-79/72 ff.; 83, 82-88/84 ff.; 86, 59-65/62 ff.; 87, 273-282/278 f.; 91, 118124/123 f. 130 Aus der jüngeren Rechtsprechung: BVerfGE 101, 54-105/101 ff.; 101, 239-274/269 ff.; 101, 275-297/290 ff.; 102, 41-63/53 ff.; 102, 68-99/86 ff.; 102, 127-146/141 ff.; 103, 197-225/224; 103, 225-241/235 ff.; 103, 241-272/260 ff.; 103, 271-293/289 ff.; 103, 310-332/317 ff.; 103, 392405/397 ff.; 104, 74-92/85 ff.; 104, 126-150/144 ff.; 104, 373-396/395 f.; 105, 17-48/46 ff.; 105, 73135/110 ff.; 106, 166-181/175 ff.; 106, 201-210/206 ff.; 106, 225-244/241 f.; 107, 27-58/45 ff.; 107, 205-218/213 ff.; 108, 52-82/67 ff.; 108, 186-238/233 f.; 110, 94-141/111 ff.; 110, 412-446/431 ff.; 111, 115-146/136 ff.; 111, 160-176/169 ff.; 111, 289-307/300 ff.; 112, 50-74/64 ff.; 112, 268-284/ 278 ff. 131

BVerfGE 58, 68-81/79 ff; 69, 150-161/160 f.

132

BVerfGE 1, 82-85/85; 69, 161-174/168 ff.; 76, 1-83/73.

BVerfGE 58, 369-377/373 ff.; 59, 52-63/59 ff.; 69, 188-209/205 ff.; 70, 230-242/239 ff.; 74, 129-162/149 ff.; 79, 106-126/121 ff.; 84, 197-203/199 ff.; 89, 69-91/89 ff.; 98, 49-70/62 ff.; 99, 129145/139 ff.; 101, 132-141/139 ff.; 101, 151-158/156 ff.; 101, 331-360/357 ff.; 112, 164-185/173 ff. 133

134

Dazu im Dritten Teil, besonders unter D.

135

Unten unter B.V.

B. Gleichheitsmodell

201

nengruppen136, von Sachverhalten137 oder von Sachverhaltsgruppen 138 an den Gleichheitssatz gebunden.139 Vor allem in früheren Entscheidungen sprach es in den ersten beiden Fällen von persönlicher, in den letzten beiden von sachlicher Rechtsgleichheit.140 Das erzeugt Abgrenzungsschwierigkeiten 141 und kann zu Missverständnissen führen.142 Dem Grundrechtscharakter des allgemeinen Gleichheitssatzes als subjektives Recht eines Einzelnen (nicht einer Personengruppe)143 und dem Wortlaut der Grundrechtsnorm, der als Gewährleistungsträger Menschen (natürliche Personen) und in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG auch bestimmte juristische Personen144 (nicht auch Sachverhalte) bezeichnet, wird Rechnung getragen, wenn stets und ausschließlich auf die ungleich behandelten Personen abgestellt wird.145 Ob von den Normadressaten als Personen————— Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 89, 15-27/22 f.; 89, 365-381/375 f.; 90, 46-60/56 f.; 91, 346-366/362 ff.; 91, 389-405/401; 92, 26-53/51 f.; 92, 53-74/69 u. 71 ff.; 95, 39-48/ 45; 95, 143-162/155; 97, 271-297/290 ff.; 98, 365-403/389 ff.; 101, 54-105/101 ff.; 102, 41-63/54; 102, 68-99/87; 103, 225-241/236 f.; 104, 126-150/144 f.; 107, 133-149/141 ff.; 112, 368-407/401. 136

137 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 92, 53-74/69 u. 70 f.; 108, 52-82/67 ff. und 110, 274-304/291. BVerfGE 99, 367-401/388 u. 391, setzt eine verhaltensbezogene Unterscheidung einer Ungleichbehandlung von Sachverhalten gleich. 138

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 93, 99-116/111.

139

Einen Überblick über den Meinungsstand in der Literatur zu dieser Unterscheidung gibt Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 111-113. Beispielsweise in BVerfGE 78, 104-123/121. Damit griff es die von Nawiasky, VVDStRL 3 (1927), 25-43/35 ff., vorgeschlagene Unterscheidung auf. 140

141 Darauf weisen zutreffend Bryde/ Kleindieck, Jura 1999, 36-44/40, und Hesse, Gleichheitssatz, S. 128 f., hin. Hesse meint, es handele sich zumeist nur um „die beiden Seiten ein und derselben Medaille“, weil an rechtlich normierten Sachverhalten in aller Regel Menschen beteiligt seien. Ähnlich bereits Triepel, VVDStRL 3 (1927), 50-53/51: „Das Recht ist eine Ordnung menschlichen Zusammenlebens. Jeder Tatbestand hängt mit einer Person zusammen, jedes sachliche Verhältnis hat auch eine persönliche Seite. Das Sachliche und das Persönliche läßt sich voneinander gar nicht trennen“. 142 Huster, Rechte, S. 18 Fn. 22, sieht sich deshalb zu einer Klarstellung (genauer einer klarstellenden Unterstellung) veranlasst, wenn er von einer Gleichbehandlung von Sachverhalten spricht. 143 Soweit im Schrifttum gruppenbezogene Gleichheitsmodelle entwickelt wurden, beschränken sich diese auf die speziellen Gleichheitssätze, besonders Art. 3 Abs. 2 GG, beispielsweise im Verständnis als „kollektives Förderungsgebot im Sinne eines Frauengrundrechts“ bei Slupik, Entscheidung, S. 77, oder als gruppenbezogenes Dominierungsverbot bei Sacksofsky, Grundrecht, S. 312 ff. u. 349 ff. 144 Zur Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes für juristische Personen Rüfner, Grundzug, S. 65. Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu juristischen Personen des Privatrechts: BVerfGE 95, 267-322/317 (Rückzahlung der den ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gewährten Kredite), und 99, 367-401/389 (Montan-Mitbestimmung in Konzernobergesellschaften). Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen, vgl. BVerfGE 78, 101-104/102 (öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten). 145 Ebenso Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 113; Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 14 (S. 209: „Auch ausschließlich sachverhaltsbezogene Differenzierungen haben in ihrer praktischen Auswirkung eine Ungleichbehandlung von Personen zur Folge“); Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 5 u. 45. Podlech, Gehalt, S. 100 f., untersucht in seiner Arbeit ebenfalls ausschließlich Ungleichbehandlun-

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

202

gruppe oder als Individuen, im Plural oder im Singular gesprochen wird, ist oftmals lediglich eine Frage der Formulierung.146 Für die Frage des Objekts der Ungleichbehandlung sollte die Fassung der Regelung nicht entscheidend sein.147 In vielen Fällen führt eine personenunabhängig formulierte Voraussetzung zu einer Ungleichbehandlung dessen, bei dem sie vorliegt, gegenüber dem, bei dem sie nicht vorliegt. Dann handelt es sich um eine Ungleichbehandlung von Personen. Bewirkt eine ausschließlich sachbezogene formulierte Voraussetzung einer Regelung hingegen keine Ungleichbehandlung von Personen,148 unterliegt der Normgeber auch keinen verfassungsrechtlichen Anforderungen aus dem Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG. 149 Dass bei den gleichheitsrechtlichen Anforderungen auf der zweiten Prüfungsebene danach unterschieden werden kann, ob die Ungleichbehandlung der Personen nach persönlichen Eigenschaften oder nach gruppen- oder verhaltensbezogenen Merkmalen erfolgt oder sich am Vorliegen

————— gen von Personen und begründet das mit der Äquivalenz jeder rechtlichen Regelung über beliebige Sachverhalte mit einer rechtlichen Regelung über Personen; er unterscheidet dabei allerdings zwischen der Ungleichbehandlung von Personen und der Ungleichbehandlung von Rollen von Personen, S. 101 u. 151 ff. Vgl. auch Leibholz, Gleichheit, S. 84: „Durch das Verbot der Differenzierung kann … nur ein staatlicher Akt getroffen werden, der in irgendeiner Weise auf das Verhalten der Individuen Bezug nimmt“. Wie hier verfährt in einigen Entscheidungen auch das Bundesverfassungsgericht, etwa wenn es bei einer an die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte anknüpfenden Regelung auf die Personen abstellt, die in Bezug auf arbeitsrechtliche Angelegenheiten „der Sache nach eine Sonderregelung“ erhalten (BVerfGE 88, 5-17/12), wenn es bei der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen beim Arbeitslosengeld auf die Person abstellt, die das Arbeitslosengeld erhalten soll, und sie mit einer anderen Person vergleicht (BVerfGE 102, 127-146/142 ff.), oder wenn es hinsichtlich der unterschiedlichen Berechnung des auf Ausbildungsförderung anzurechnenden Vermögens nach dem Einheitswert bei Grundstücken und nach dem Kurs- oder Zeitwert bei Wertpapieren und anderen Vermögensgegenständen auf einen Auszubildenden abstellt, der kein Grundvermögen hat, und ihn mit einem anderen vergleicht, der zumindest auch über Grundvermögen verfügt (BVerfGE 100, 195-208/205). 146 Beispielsweise in BVerfGE 107, 205-218/214, hätte das Bundesverfassungsgericht ebensogut feststellen können, § 10 Abs. 3 SGB V benachteilige einen Ehegatten gegenüber einem anderen Ehegatten nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Voraussetzungen anstelle die Normadressaten als Gruppen zu vergleichen. Im Blickwinkel vorzugswürdig vergleicht das Gericht in BVerfGE 104, 74-92/85, Berechtigte, die zu der einen Personengruppe gehören, mit anderen Personen, und in BVerfGE 104, 126-150/145, die von den Regelungen Betroffenen mit anderen Personen. 147

Sachs, JuS 1997, 124-130/128.

148

Dazu unten unter B.I.3.d).

Bindungen folgen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann möglicherweise aus dem Gleichheitssatz als Element des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (BVerfGE 23, 353-373/372 f.; 26, 228-245/244; 41, 1-22/13; 83, 363-395/393; 89, 132-144/141) bzw. als allgemeiner Rechtsgrundsatz (BVerfGE 21, 362-378/372; 76, 130-143/139). Mit ihnen begründet das Bundesverfassungsgericht in den genannten Entscheidungen die Prüfung von Ungleichbehandlungen von Hoheitsträgern am Maßstab des Willkürverbots – sofern es überhaupt eine Begründung gibt und nicht, wie in BVerfGE 76, 107-124/119, ohne Begründung für seine Geltung das Willkürverbot schlicht anwendet. 149

B. Gleichheitsmodell

203

eines bestimmten Sachverhalts bei einer der beiden Personen orientiert,150 soll damit nicht in Abrede gestellt werden.151 Was vorliegen muss, um sagen zu können, zwei Personen werden ungleich behandelt, soll für Rechtsetzung, Rechtsauslegung und Rechtsanwendung gesondert ermittelt werden. Die Schritte der Rechtsauslegung und der Rechtsanwendung152 beziehen sich auf die Tätigkeit der gesetzesvollziehenden Verwaltung153 und der Rechtsprechung. 3. Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung a) Typen der Ungleichbehandlung Unproblematisch lässt sich bei der Rechtsetzung von einer Ungleichbehandlung sprechen, wenn zwei Regelungen154 eines Normgebers (Gesetz-, Verordnungs- oder Satzungsgeber), möglicherweise als Bestandteil einer Norm, 155 unter unterschiedlichen Voraussetzungen Unterschiedliches anordnen.156 Die Person, bei der sämtliche Voraussetzungen der einen Regelung vorliegen, treffen dann andere Wirkungen als die Person, die sämtliche Voraussetzungen der anderen Regelung erfüllt.157 Zwei in dieser Weise unterscheidende Regelungen setzt eine Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung jedoch – anders als bisweilen angenommen158 – nicht voraus. Manche Regelungen, deren Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG vom Bundesverfassungsgericht geprüft wurde, treffen lediglich eine Anordnung ————— 150 Zu personen- und sachverhaltsbezogenen Differenzierungen mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung Kokott, Gleichheitssatz, S. 133 ff. u. 135 f. 151

Zur unterschiedlichen Kontrolldichte unten unter B.III.3.c).

Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2510, unterscheidet bei weitem Gestaltungsraum der Exekutive zusätzlich die zu Auslegung und Anwendung parallel laufenden Ebenen der Programmierung und Ausführung. 152

153 Die nicht gesetzesvollziehende Tätigkeit der Verwaltung wird hier ausgeklammert. Zu ihr Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 40. 154 Regelung wird hier als Rechtsbefehl verstanden, der mit dem Teil- oder Gesamtgehalt einer Norm identisch sein kann, der sich aber ebensogut erst aus der Zusammenschau mehrerer Normen ergeben kann. 155 Etwa § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVO: „Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigen Umständen … 2. außerhalb geschlossener Ortschaften a) [für Fahrzeuge x] 80 km/h, b) [für Fahrzeuge y] 60 km/h, c) [für Fahrzeuge z] 100 km/h“. 156 Beispiele in BVerfGE 82, 126-156/128 f.; 90, 46-60/57; 101, 54-105/102 ff.; 101, 297-312/ 310; 102, 41-63/42 ff. u. 53 ff.; 103, 271-293/289 ff.; 103, 392-405/397 ff.; 104, 74-92/75 ff.; 105, 73-135/75 ff. 157 Ein gutes Beispiel dafür ist BVerfGE 105, 73-135/127 ff. (unterschiedliche Steuer für pensionierte Beamte und Rentner mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung). 158 Zumindest missverständlich in diesem Punkt Kloepfer, Gleichheit, S. 56, der für eine Gleichheitsprüfung „zwei geregelte[] Tatbestände[]“ fordert.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

204

und schweigen dazu, was für Personen gelten soll, bei denen die Voraussetzungen nicht vorliegen, bzw. geben darüber nur mittelbar Auskunft.159 Die Ungleichbehandlung liegt dann darin, dass eine Person, die sämtliche Voraussetzungen erfüllt, belastet wird, eine andere Person, bei der mindestens eine Voraussetzung nicht vorliegt, verschont bleibt, oder darin, dass der ersten etwas gewährt wird, was der anderen vorenthalten bleibt. Eine Regelung kann also unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sein,160 ohne dass es einer anderen, für die Vergleichsperson geltenden Regelung bedürfte. Bei der Rechtsetzung können demnach grob zwei Typen von Ungleichbehandlungen unterschieden werden: –

der Fall der Ungleichbehandlung durch zwei Regelungen, die unter unterschiedlichen Voraussetzungen Unterschiedliches anordnen, und



der Fall der Ungleichbehandlung durch eine Regelung, die eine Begünstigung oder Belastung von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht.161

Diese Unterteilung besagt aber noch nichts für den Begriff der Ungleichbehandlung.

————— 159 BVerfGE 101, 132-141/133; 101, 141-151/143 u. 149 f.; 101, 151-158/152; 102, 68-99/71 u. 87; 103, 225-241/236; 107, 27-58/45 ff.; 108, 186-238/188 ff. u. 233 f. 160

So die Entscheidungsformel in BVerfGE 102, 68-99/69; 103, 225-241/226; 107, 27-58/28.

Beispiele: BVerfGE 81, 1-12/8 ff. (Abhängigkeit der Verpflichtung durch das Geschäft eines anderen vom Familienstand und vom Zusammenleben); 84, 133-160/137 u. 157 f. (Abhängigkeit der Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung von der ersatzlosen Auflösung der bisherigen Beschäftigungsstelle); 90, 60-107/106 f. (Abhängigkeit der Erhebung der Rundfunkgebühr und des „Kabelgroschens“ von der Bereithaltung eines Empfangsgeräts); 97, 103-117/114 ff. (Abhängigkeit der Anrechnung des auf Kindererziehungszeiten beruhenden Teils des Altersruhegeldes auf die Sozialhilfe bei Müttern von ihrem Geburtsjahrgang); 97, 169-186/182 ff. (Abhängigkeit des Kündigungsschutzes von der Betriebsgröße); 97, 186-197/193 ff. (Abhängigkeit des Kündigungsschutzes von der regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigten); 101, 239-274/269 ff. (Abhängigkeit der Restitutionsmöglichkeit von Eintragung und Erwerbsdatum oder Vertrauensbetätigung); 101, 275-297/ 290 ff. (Abhängigkeit strafrechtlicher Rehabilitierung ohne Einzelfallnachweise politischer Verfolgung von Verurteilung wegen bestimmter Straftatbestände); 102, 68-99/86 ff. (Abhängigkeit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner von bestimmter Versicherungsbiographie); 103, 172-195/193 f. (Abhängigkeit der Möglichkeit, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, vom Alter des Arztes); 103, 225-241/237 (Abhängigkeit der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung vom Bestehen eines gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutzes). BVerfGE 101, 54-105/102 ff., liefert Beispiele für die erste und die zweite Fallgruppe: Die zuerst geprüfte Ungleichbehandlung (aa)) ist eine solche der zweiten Fallgruppe (Abhängigkeit der Bindung an Kündigungsschutzregelungen von der Belegenheit des Grundstücks der Person), die anschließend geprüften Ungleichbehandlungen (bb) u. cc)) sind solche der ersten Fallgruppe. 161

B. Gleichheitsmodell

205

(1) Begriff der Ungleichbehandlung 162 Eine Gleichsetzung einer Ungleichbehandlung mit der An- oder Zuordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen163 ist in doppelter Hinsicht zu eng. Sie vermag die Fälle des zweiten Typus nicht zu erfassen, weil bei nur einem Rechtsbefehl nicht sinnvoll von unterschiedlichen Rechtsfolgen gesprochen werden kann. Und sie gibt keine Auskunft darüber, ob bei einer maßstabsabhängig formulierten Rechtsfolge eine Gleich- oder eine Ungleichbehandlung anzunehmen ist.164 Sie ist außerdem zu weit, weil sie auch umfasst, dass Regelungen aus verschiedenen Sachbereichen mit verschiedenen Anknüpfungspunkten Unterschiedliches anordnen. Im Schrifttum wird vorgeschlagen von unterschiedlichen unmittelbaren rechtlichen Folgen zu sprechen.165 Der Begriff der rechtlichen Folgen ist aber wegen seiner Akzentuierung des Rechtlichen missverständlich: Gemeint sind die durch eine Regelung angeordneten oder sonst bewirkten Folgen, die auch im Tatsächlichen liegen können.166 Leistungsfähiger sind der bereits im Hoheitsaktsdreieck167 verwandte Begriff der Wirkungen und der Begriff der Auswirkungen. 168 Sie erfassen den Fall unterschiedlicher Rechtsfolgen im ersten Typus der Ungleichbehandlung ebenso wie den Fall nur einer Rechtsfolge im zweiten Typus der Ungleichbehandlung, weil sich auch die Verschonung von einer Belastung oder die Nichtgewährung einer Begünstigung als (Aus-)Wirkung beschreiben lässt. Sie sind zugleich die Begriffe, mit denen das Bundesverfassungsgericht das Problem dem Wortlaut

————— 162 Häufig wird auf eine Bestimmung des Begriffs der Ungleichbehandlung verzichtet, etwa im Schema für die Gleichheitsprüfung bei Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 14 (S. 209 f.). Auch die sonst so gewissenhaft definierende, d. h. „Wortgebrauchsregelungen angebende“ (Podlech S. 87) Arbeit von Podlech setzt die Bedeutung des Ausdrucks „behandeln“ als bekannt voraus, vgl. Podlech, Gehalt, S. 79. Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Huster, Rechte, S. 18 ff., die sich dem Problem von der anderen Seite nähert und die Gleichbehandlung definiert. 163 Huster, Rechte, S. 25, setzt „Gleichbehandlung“ mit der „Zuordnung gleicher Rechtsfolgen“ gleich. 164

Weiterführend dazu Huster, Rechte, S. 19 f. Beispiele in den nachstehenden Absätzen.

165

Ebenfalls von Huster, Rechte, S. 18 f. mit Fn. 23.

166

Stehen beispielsweise Steuerpflichtige „im Ergebnis … gleich“, ist es „in verfassungsrechtlicher Hinsicht … unerheblich“, ob kraft rechtlicher Anordnung bestimmte Leistungen den Einkünften von vornherein nicht zugerechnet werden oder als Einkünfte behandelt, die zugrundeliegenden Aufwendungen aber als außergewöhnliche Belastungen wieder abgezogen werden, BVerfGE 83, 395-403/401 f. 167

Abbildungen in der Einleitung zu A.II.

Nach Kloepfer, Gleichheit, S. 57, und Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 247-250, soll es stets auf die „faktischen Auswirkungen“ ankommen. 168

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

206

nach gleicher169 oder maßstabsabhängiger 170 Rechtsfolgen in den Griff zu bekommen versucht. Bei einer Regelung, die „[v]on [ihrer] Fassung her … eine unterschiedliche Behandlung [vermeidet]“, hat das Bundesverfassungsgericht verschiedentlich auf „ihre Wirkung“ und „Auswirkung“ abgestellt: „Dem Gleichheitssatz ist jedoch nicht schon dann genügt, wenn die Betroffenen dem Gesetzeswortlaut nach gleich behandelt werden; entscheidend sind vielmehr der sachliche Gehalt der Vorschrift und ihre Wirkung. Ergibt sich aus der praktischen Auswirkung einer Norm eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichheit und ist diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung der Norm zurückzuführen, so widerspricht diese dem Gleichheitssatz“. 171

Das Zitat verdeutlicht mit der zusätzlichen Bedingung, wonach die ungleiche Auswirkung „gerade auf die rechtliche Gestaltung der Norm zurückzuführen“ sein muss, zugleich die notwendige Einschränkung. Nicht stets, wenn eine oder mehrere Regelungen bei zwei Personen unterschiedlich wirken, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Von Ungleichbehandlung sollte etwa dann nicht gesprochen werden, wenn das gleiche Ge- oder Verbot zwei Personen unterschiedlich intensiv belastet,172 etwa wenn die verlangte Zahlung eines numerisch gleichen Betrages aufgrund unterschiedlicher Vermögenssituationen bei den Betroffenen unterschiedlich intensiv belastet,173 wenn ein zeitlich begrenztes Betätigungs-

————— 169

BVerfGE 24, 300-362/358; 49, 148-168/165.

BVerfGE 8, 51-71/69. In der Entscheidung ging es um Regelungen, die die maximale steuerliche Absetzbarkeit von Ausgaben prozentual zum Gesamtbetrag der Einkünfte bestimmten. Das Bundesverfassungsgericht verwendet hier die Begriffe der Gleich- und Ungleichbehandlung nicht konsequent. Spricht es auf S. 68 noch von einer dem Gleichheitssatz widersprechenden „formale[n] Gleichbehandlung von Reich und Arm durch Anwendung desselben Steuersatzes“, sieht es auf S. 69 die durch das Gesetz „geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens“ als Durchbrechung des Grundsatzes der formalen Gleichheit. 170

171 BVerfGE 49, 148-168/165 (Hervorhebungen durch den Verfasser); fast ausnahmslos mit eben diesen Worten BVerfGE 8, 51-71/69, und 24, 300-362/358. 172 Jarass, NJW 1997, 2545-2550/2546 Fn. 15, erkennt, dass das Problem der „faktischen Auswirkungen einer rechtlichen Gleichbehandlung“ noch unerforscht ist, lässt es aber dahinstehen. Das Bundesverfassungsgericht lässt unterschiedlich intensive Belastungen für eine Ungleichbehandlung nicht genügen. Besonders deutlich in BVerfGE 77, 84-120/120 (Verbot der ArbeitnehmerÜberlassung in Betriebe des Baugewerbes). Siehe auch BVerfGE 98, 365-403/384 (Höhe der Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden) und 103, 242-271/266 (gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge für kinderbetreuende und erziehende Mitglieder wie für Mitglieder ohne Kinder). Huster, Rechte, S. 19 Fn. 23 lehnt in diesen Fällen ebenfalls das Vorliegen einer Ungleichbehandlung ab. Er bezeichnet unterschiedlich intensive Belastungen als „mittelbare tatsächliche[] Auswirkungen“ oder „faktische[] Ungleichheiten“. 173 BVerfGE 103, 242-271, 266 (gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge für kinderbetreuende und -erziehende Mitglieder wie für Mitglieder ohne Kinder). Podlech, Gehalt, S. 210 f., beschreibt derartige Fälle als „tatsächliche Ungleichheit“ oder „Ungleichheit … im Bereich der Folgen der rechtlichen Regelung“ (Hervorhebungen im Original).

B. Gleichheitsmodell

207

verbot174 oder ein Beschäftigungsverbot175 aufgrund unterschiedlicher Betriebsgröße mehr oder weniger intensiv wirkt oder wenn bei der Gewährung von Leistungen sonstige besondere Umstände bei den Betroffenen nicht berücksichtigt werden.176 Zu unterschiedlich intensiven Belastungen, bei der das Bundesverfassungsgericht trotz Gleichbehandlung zuweilen sogar von Benachteiligung spricht,177 kommt es in diesen Fällen dadurch, dass die Regelung bestimmte Umstände bei einer der beiden Personen nicht berücksichtigt. Das mag zur Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in ein Freiheitsrecht des besonders intensiv Belasteten führen178 oder die Verfassungswidrigkeit der Regelung wegen unzulässiger Gleichbehandlung begründen, wenn der Normgeber die Umstände von Verfassungs wegen hätte berücksichtigen müssen.179 Eine Ungleichbehandlung ist das aber nicht. Ebenfalls bei der Bestimmung einer Ungleichbehandlung nicht berücksichtigt werden mittelbare Auswirkungen, etwa aus dem Zusammenspiel mit anderen Normen.180 In allen diesen Fällen fehlt es an der Rückführbarkeit gerade auf die rechtliche Gestaltung der Norm. Eine Ungleichbehandlung liegt in diesen Fällen nicht vor.181 Nur wenn die unterschiedlichen (Aus-)Wirkungen einer oder mehrerer Regelungen auf einer Differenzierung des Normgebers, d.h. auf den Regelungsvoraussetzungen einschließlich der durch die Rechtsfolge in Bezug genommenen Unterschiede beruhen, werden beide Typen der Ungleichbehandlung erfasst und zugleich die Fälle einer (bloß) unterschiedlich intensiven Belastung durch die gleiche Anordnung ausgeklammert. Ebenfalls erfasst ist die Anordnung einer maßstabsabhängig formulierten Rechtsfolge. Eine Regelung, die nach ihrem Gesetzeswortlaut nur eine (mögli————— 174 BVerfGE 87, 363-394/382 u. 389 (Nachtback-, Ausfahr- und Sonntagsbackverbot für Bäckereien und Konditoreien). 175 BVerfGE 77, 84-120/118 ff. (Verbot der Arbeitnehmer-Überlassung in Betriebe des Baugewerbes).

BVerfGE 90, 226-240/239 (Nichtberücksichtigung des Umstands, dass ein Arbeitsloser keiner Kirchensteuer erhebenden Kirche angehörte); 98, 365-403/384 (Nichtberücksichtigung der Höhe der Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden). 176

177 BVerfGE 87, 1-48/37 ff., und 103, 242-271/263 u. 266. In beiden Fällen wurden Personen gleich behandelt, obgleich von Verfassungs wegen besondere Umstände bei einer der Personen zu berücksichtigen wären und insofern eine Ungleichbehandlung geboten wäre. Die „Benachteiligungen“ beruhen also auf unzulässigen Gleichbehandlungen, nicht auf Ungleichbehandlungen. 178 Zum Standort der Frage nach der „Intensität der Belastung“ in der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung siehe im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(2). Geprüft, aber im konkreten Fall verneint in BVerfGE 87, 363-387/382 ff. 179

Zur verfassungsrechtlich unzulässigen Gleichbehandlung unten unter B.V.

BVerfGE 105, 73-135/111. Sie können Gegenstand der Prüfung sein, wenn die Verfassungsmäßigkeit der anderen Normen überprüft wird. 180

181 Ebenso Kokott, Gleichheitssatz, S. 127, wenn sie „faktische Ungleichbehandlungen“ als Gegenstand verfassungsgerichtlicher Prüfung ausscheidet.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

208

cherweise maßstabsabhängig formulierte) Rechtsfolge bereithält, kann für Personen, die sich im Bezugspunkt des Maßstabs unterscheiden, unterschiedlich wirken. Die Anordnung, einen bestimmten Maßstab anzuwenden, ließe sich dahingehend umformulieren, dass für die sich im Bezugspunkt des Maßstabs unterscheidenden Personen Unterschiedliches gilt. Eine Bestimmung, einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens als Steuer abzuführen, wäre danach als Ungleichbehandlung von Personen mit unterschiedlich hohem Einkommen einzuordnen, nicht als Gleichbehandlung.182 In der Sache unterscheidet sich diese Regelung nicht von solchen des ersten Typus. Die Einordnung derartiger Fälle bereitet allerdings Probleme: Beispielsweise sah das Bundesverfassungsgericht in der Regelung des § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Eltern den Namen des Vaters oder der Mutter zum Geburtsnamen erklären können, keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung, weil stets „nur der Name eines Elternteils als Kindesgeburtsname gewählt werden [kann]“.183 Wird diese Regelung hingegen als maßstabsabhängig aufgefasst, weil sie vom Namen des Vaters oder der Mutter abhängt und deshalb beispielsweise Doppelnamen erlaubt, wenn ein Elternteil einen solchen führt, hingegen nicht zulässt, wenn keines der Elternteile einen Doppelnamen führt, liegt eine Ungleichbehandlung vor (die freilich mit den tatsächlichen Unterschieden leicht zu rechtfertigen ist). Dieses Sonderproblem soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden. (2) Definition: Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung Eine Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung liegt demnach vor, wenn eine oder mehrere Regelung(en) bei zwei Personen unterschiedliche Wirkungen erzeugt/en, die auf der rechtlichen Gestaltung der Regelung(en) beruhen. Das ist dann der Fall, wenn eine oder mehrere Regelung(en) bei einer Person, bei der sämtliche Regelungsvoraussetzungen vorliegen, andere Wirkungen erzeugt/en als bei einer Person, bei der es an mindestens einer der Voraussetzungen fehlt oder die sich in dem Bezugspunkt einer maßstabsabhängig formulierten Rechtsfolge von der ersten Person unterscheidet. b) Verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlungen In der Literatur finden sich unterschiedliche Versuche, Ungleichbehandlungen, die den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügen müssen (verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlungen), von sonstigen, verfassungsrechtlich unerheblichen Ungleichbehandlungen abzugrenzen. Vorgeschlagen werden

————— 182

Dazu Huster, Rechte, S. 19 ff.

183

BVerfGE 104, 373-396/395.

B. Gleichheitsmodell

209



Eingriffsmodelle (1), nach denen nur solche Ungleichbehandlungen rechtfertigungsbedürftig und damit verfassungsrechtlich relevant sind, die in einen unterschiedlich definierten Schutzbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes eingreifen, und



Vergleichsmodelle (2), nach denen nur Ungleichbehandlungen von wesentlich Gleichem rechtfertigungsbedürftig sind. Das Klassenbaummodell Podlechs (3) versucht die „Prüfung des zureichenden Grundes“ mit Hilfe der Logik auf jeweils eine oder wenige Ungleichbehandlungen zu beschränken. Die weiteren Ungleichbehandlungen sind in diesem Modell nicht irrelevant, sondern aus logischen Gründen nicht eigenständig rechtfertigungsbedürftig.

(1) Eingriffsmodelle Die Eingriffsmodelle stehen und fallen damit, dass es gelingt, einen Schutzbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes zu bestimmen. Genannt werden –

„die Behandlung gemäß den jeweiligen Maßstäben der Gerechtigkeit“ 184 bzw. „das Recht …, gemäß den jeweiligen Maßstäben der Gerechtigkeit im engeren Sinne und damit gemäß der individuellen Würdigkeit behandelt zu werden“, 185 aus dem „spezifische Gerechtigkeitsvorschriften für die einzelnen Anwendungsbereiche des Gleichheitssatzes“ entwickelt werden könnten,186



der „Anspruch gegenüber dem Gesetzgeber auf gleiche rechtliche Behandlung“ (Gleichbehandlungsgebot),187



– nicht weiter präzisiert – „die Gleichheit, das Gleichheitsachtungsinteresse, das Gleichheitsempfinden oder wie man [den Schutzgegenstand] nennen will“188 und



die „– vom Gesetzeszweck her – rechtlich relevante, wesentliche Gleichheit (bzw. Ungleichheit) zwischen zwei geregelten Tatbeständen“.189

————— 184

Huster, JZ 1994, 541-549/547 (als „spezifisches Schutzgut“ bezeichnet).

185

Huster, Rechte, S. 225.

186

Huster, Rechte, S. 352.

187

Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 242.

Sachs, Gleichheitssatz, S. 309-329/319. In früheren Schriften hatte Sachs den Gleichheitssatz noch als modales Abwehrrecht im Sinne von Schwabe (Schwabe, Probleme, S. 23 f.) gedeutet, vgl. Sachs, DÖV 1984, 411-419/414. In diese Richtung tendiert auch noch Sachs, Abwehrrechte, § 66 II 3 c) ) (S. 652). Anlass zur Korrektur sah er offenkundig angesichts der Aussprache auf der Staatsrechtslehrertagung 1988, vgl. Sachs, VVDStRL 47 (1989), 82. Bleckmann, Struktur, S. 54, geht zwar einerseits davon aus, der Gleichheitssatz habe keinen Grundrechtsschutzbereich, meint aber andererseits, der Gleichheitssatz schütze „mit dem Gleichheitsideal zumindest einen bestimmten sozialen Wert“. 188

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

210

Die ersten beiden Vorschläge bestimmen mit unterschiedlichem Inhalt den Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes.190 Sie legen fest, was der Grundrechtsträger beanspruchen können soll, was ihm die Verfassung mit anderen Worten gewährt. Sie betonen damit zutreffend den Charakter des allgemeinen Gleichheitssatzes als subjektives Recht, als Grundrecht. Einen Schutzbereich im Sinne eines Wirklichkeitsausschnitts oder eines Lebensbereichs,191 für den die Gewährleistung gelten soll, benennen sie nicht.192 Der erste Vorschlag verlagert durch die Bezugnahme auf die „Maßstäbe der Gerechtigkeit“ die Erörterung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zum Teil auf die erste Ebene. Er gibt damit die Unterteilung des freiheitsrechtlichen Eingriffsmodells in tatsächliche Voraussetzungen (Belastung in einem bestimmten Lebensbereich) und verfassungsrechtliche Anforderungen preis. Das geschieht in der Annahme, dass erstens nur bei einem Rechtsgüterkonflikt von einem Eingriff in einen Schutzbereich (als Prüfungsschritt der ersten Ebene) gesprochen werden könne, und dass zweitens nur bei einem solchen eine Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchgeführt werden könne und müsse. Ein Rechtsgüterkonflikt soll nur bei der Verfolgung externer, d. h. die Gerechtigkeitsmaßstäbe durchbrechender Zwecke vorliegen. 193 Bei den Freiheitsrechten wird der für erforderlich erachtete Rechtsgüterkonflikt festgestellt, ohne auf dem Freiheitsrecht innewohnende Maßstäbe abzustellen und ohne nach internen und externen Zwecken zu unterscheiden. Beispielsweise sah das Bundesverfassungsgericht in den Regelungen des Sachenrechtsmoratoriums zur Zusammenführung von Grundstücks- und Bebauungseigentum ausnahmslos Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die den verfassungsrechtlichen Anforde————— 189 Kloepfer, Gleichheit, S. 56 (als „Grundrechtsfeld“ bezeichnet). Ähnlich jüngst BVerfGE 105, 17-48/47: „Zwar ist der Schutzbereich von Art. 3 Abs. 1 GG vorliegend eröffnet, weil sich die Wertpapiere des § 3a Abs. 1 Nr. 1 EStG durch ihren im Vergleich zu steuerbaren festverzinslichen Wertpapieren herabgesetzten Zinssatz wesentlich unterscheiden und es sich hierbei um eine mittelbare Folge staatlicher Wirtschafts- und Steuerpolitik handelt“. In dieser Entscheidung ging es jedoch nicht um eine Ungleichbehandlung, sondern um eine Gleichbehandlung (dazu unten unter B.V.). Das Gericht prüft, ob die Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Wertpapieren, erreicht durch Aufhebung einer Steuervergünstigung, dem Gleichheitssatz entspricht oder ob Umstände bei einigen der Wertpapieren „derart bedeutsam [sind], dass der Steuergesetzgeber [sie] hätte beachten und die Steuervergünstigung beibehalten müssen“. 190 Wenn hier von Gewährleistungsgehalt gesprochen wird, geschieht das im Sinne der Definition von Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 203, und des allgemeinen juristischen Sprachgebrauchs. Diese unterscheidet sich von der des „[s]emantische[n] Gehalt[s] einer Rechtsnorm“ als „Klasse möglicher Verhalten, die mit der Rechtsnorm unvereinbar sind“ bei Podlech, Gehalt, S. 27 (Hervorhebung im Original). 191 Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 197 u. 203. Zu Hesses Definition des Normbereichs oben Fn. 32 (Seite 53). 192 Zur Unterscheidung von Schutzbereich und Gewährleistungsgehalt: Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 203 f. 193

Kritisch dazu nachfolgend unter B.III.1.c)1(2).

B. Gleichheitsmodell

211

rungen aus der Eigentumsgewährleistung genügen müssen.194 Wollte man hier nach internen und externen Zwecken unterscheiden, so wäre das Bestreben, den Inhalt des Eigentums im Interesse der Eigentümer auszugestalten, als interner Zweck zu bezeichnen. Dem freiheitsrechtlichen Eingriffsmodell genügt für die Geltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen, besonders des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, aber die Belastung des Eigentümers in seinem Bestandsinteresse, mag sie auch einer Aufwertung der Eigentumsposition als solcher dienen. Nicht zu überzeugen vermag an dem ersten Vorschlag, einerseits für die Bestimmung des gleichheitsrechtlichen Schutzbereichs gänzlich andersgeartete Kriterien als die aus dem Bereich der Freiheitsrechte bekannten zu wählen, andererseits aber die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in den Schutzbereich aus dem Bereich der Freiheitsrechte, namentlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, übertragen zu wollen.195 Der zweite Vorschlag geht inhaltlich weit über das hinaus, was der Gleichheitssatz zu leisten vermag. Ob – wenn auch nur prima facie – beansprucht werden kann, gleich behandelt zu werden, oder lediglich verlangt werden kann, nur dann ungleich behandelt zu werden, wenn das verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist kein bloß sprachlicher Unterschied. Im zweiten Fall kann eine „ungerechtfertigte“ Ungleichbehandlung abgewehrt werden, im ersten weitergehend eine Gleichbehandlung verlangt werden. Konsequenterweise müssten originäre gleichheitsrechtliche Leistungsansprüche anerkannt werden. Zumindest aber müsste eine dem Gleichheitssatz nicht genügende Ungleichbehandlung nicht nur, wie bislang im Regelfall, zur Verfassungswidrigkeit der Regelung unter Aufrechterhaltung des Gestaltungsraums des Gesetzgebers führen,196 sondern in eine Gleichbehandlung umgekehrt werden. Das wird auch von den Vertretern der Eingriffsmodelle bislang nicht gefordert. Der Wortlaut und der systematische Kontext mit den Absätzen 2 und 3 sprechen dafür, dass Art. 3 Abs. 1 GG mehr auf die Behandlung „als Gleicher“, denn auf „Gleichbehandlung“ zielt. Dem tragen die Vorschläge drei und vier ————— 194

BVerfGE 98, 17-49/37.

Zur weiteren Kritik am Husterschen Modell: Heun, DK, Art. 3 Rn. 28-30. Huster, JZ 1994, 541-549/548, gesteht Schwierigkeiten bei der „Unterscheidung von schutzbereichsdefinierenden Gerechtigkeitsüberlegungen und eingriffsbegründenden Zweckmäßigkeitsüberlegungen“, kurzum, bei der Ermittlung der Gerechtigkeitsmaßstäbe, ein, meint aber mit der nachfolgend zitierten Kontrollfrage zu brauchbaren Abgrenzungen gelangen zu können: „Wenn ein Grund für eine Ungleichbehandlung geltend gemacht wird und man es nicht für ungerecht halten würde, wenn alle Differenzierungen des jeweiligen Rechtsgebietes sich nach diesem Kriterium richten würden, so handelt es sich um eine Gerechtigkeitserwägung“. Was „man“ für gerecht oder ungerecht hält, entscheidet dann über den verfassungsrechtlichen Schutz. 195

196 BVerfGE 75, 166-183/182; 82, 126-156/154; 84, 348-365/365; 88, 5-17/17; 91, 389-405/404; 97, 35-49/44; 98, 365-403/402; 99, 165-185/184; 99, 280-300/298; 99, 341-360/358; 100, 104-137/136; 102, 68-99/98; 103, 225-241/240.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

212

Rechnung, indem sie die Gleichheit zum Schutzgut erheben. Dem dritten Vorschlag fehlt nicht nur ein Schutzobjekt im herkömmlichen Sinn. Er führt darüber hinaus zu keinen Eingrenzungen.197 Um festzustellen, ob es Ungleichbehandlungen gibt, die nicht „die Gleichheit“ betreffen, fehlen Maßstäbe. Der vierte Vorschlag nimmt die noch zu behandelnde „wesentliche Gleichheit“ in die Beschreibung des Schutzguts mit auf. Das grenzt – möglicherweise198 – den Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes ein, legt aber ebensowenig wie die anderen Vorschläge einen begrenzten Wirklichkeitsausschnitt fest, in dem die Gewährleistung gelten soll.199 Mit der geforderten Übertragung der freiheitsrechtlichen Eingriffsdogmatik auf den allgemeinen Gleichheitssatz soll nach allen Vorschlägen die Möglichkeit und die Notwendigkeit begründet werden, Ungleichbehandlungen am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. 200 Die beiden Annahmen, aus dem bloßen Vorliegen eines Eingriffs in einen irgend gearteten Schutzbereich folge zwingend die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zumal mit den von den aus der Dogmatik der Freiheitsrechte übernommenen Schritten, und ohne einen Eingriff sei keine Prüfung nach Verhältnismäßigkeitserfordernissen möglich, wurden aber bislang nicht überzeugend begründet.201 Mit den (noch) überwiegenden Stimmen im Schrifttum202 ist ein Eingriffsmodell für den Gleichheitssatz abzulehnen. Das steht im Einklang mit dem Gleichheitsverständnis des Bundesverfassungsgerichts, das ohne die Bestimmung eines Schutzbereichs des Gleichheitssatzes203 und von Eingriffen in eine solche Position auskommt. Es bleibt nach alledem bei Lerches Befund aus dem ————— So auch die Kritik von Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 96: „Die umfassende und alle Lebensbereich übergreifende Geltung des Gleichheitssatzes schließt es aus, … einen umgrenzten Schutzbereich des Grundrechts zu definieren und so nach Schutzbereich und Eingriff zu differenzieren“. 197

198 Weitere Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Kriteriums der wesentlichen Gleichheit nachfolgend unter (2).

Das ist bei Kloepfer, Grundrechte, S. 94, konsequent insofern, als er bereits in seiner Dissertation die Besonderheit des Gleichheitssatzes darin gesehen hat, dass er „wie kaum ein anderes Grundrecht ausschließlich darauf angelegt [ist], subjektivrechtlich ein verfassungsmäßiges Funktionieren des Staatsapparates zu verbürgen, ihm geht es nicht um die Absicherung eines vom Gleichheitssatz selbst ablösbaren staatsfreien, grundrechtlichen Schutzobjekts“. Dann aber sollte auch der Begriff des Schutzbereichs nicht verwandt werden. 199

200

So ausdrücklich Huster, JZ 1994, 541-549/542, und ders., Rechte, S. 65.

201

Vgl. die Kritik am Anfang dieses Abschnitts an dem einzigen Versuch einer Begründung durch Huster, Rechte, S. 67-163. Wendt, NVwZ 1988, 778-786/784 ff., beispielsweise skizziert eine mehrstufige Gleichheitsprüfung unter Anwendung der Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ohne dem die Prüfung eines Eingriffs in einen etwaigen gleichheitsrechtlichen Schutzbereich vorausgehen zu lassen. 202 Dreier, DK, Vorb. Rn. 76 u. 151; Müller, VVDStRL 47 (1989), 37-62/39; Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 43; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 204 u. 431 ff.; Starck, MKS, Art. 3 Abs. 1 Rn. 11. 203

Mit Ausnahme der oben (Seite 209) in Fn. 189 zitierten Entscheidung BVerfGE 105, 17-48/47.

B. Gleichheitsmodell

213

Jahr 1961, das Eigengewicht des Gleichheitssatzes liege „nicht in der Erhaltung oder Verschaffung eines von vornherein bestimmten, abgegrenzten Rechts, sondern in der Bindung des Gesetzgebers an bestimmte Handlungs- und Behandlungsmaßstäbe“, mögen diese auch mittelbar einzelne rechtliche Positionen schützen, die bei der Anwendung der Maßstäbe im Einzelfall betroffen werden.204 (2) Vergleichsmodelle: Wesentlich Gleiches Einige Autoren gehen davon aus, nur die Ungleichbehandlung von „wesentlich Gleichem“ sei gleichheitsrechtlich relevant, nur sie müsse „gerechtfertigt“ werden. Zum Beleg verweisen sie auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.205 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Gleichheitssatz ergeben insofern kein einheitliches Bild. Sie variieren in der Beschreibung des Gewährleistungsgehalts. Heißt es in einigen Entscheidungen schlicht, der Gleichheitssatz gebiete, „Gleiches gleich zu behandeln“206, formulieren andere, der Gleichheitssatz gebiete „wesentlich Gleiches gleich“207 oder verbiete, „wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln“208, wieder andere, Art. 3 Abs. 1 GG verbiete, „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln“.209 Daneben finden sich – seit Einführung der sog. neuen Formel210 – zunehmend

————— 204

Lerche, Übermaß, S. 67.

Möckel, DVBl. 2003, 488-496/489, bezeichnet die Formulierung, wesentlich Gleiches sei gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, kurzerhand als „Standardaussage des Bundesverfassungsgerichts“. Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 431, zitieren BVerfGE 49, 148-168/ 165, eine Entscheidung zur Nichtannahme einer Revision nach § 554b ZPO a.F. Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschluss auf die Vergleichbarkeit von verschiedenen Revisionsklägern nicht ein, die nach dem Wortlaut der Regelung gleich, durch ihre praktischen Auswirkungen aber ungleich behandelt werden. 205

206 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 108, 52-82/67; 110, 141-177/167. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 65, 141-151/148; 69, 150-161/159 f.; 71, 255275/271; 93, 386-403/396 f. So formulierte bereits Leibholz, Gleichheit, S. 244: Unter dem Begriff der Gleichheit ist in diesem Zusammenhang „die aristotelische, relative Gerechtigkeitsgleichheit zu verstehen …, die jedem das Seine gibt, das heißt jene Gleichheit, die ohne ihren Komplementärbegriff, die Ungleichheit, nicht zu denken ist, und der dann Genüge getan ist, wenn der Gesetzgeber Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt“. 207 Aus der Rechtsprechung des Erste Senats: BVerfGE 98, 365-403/385. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 110, 412-446/431; 112, 164-185/174; 112, 268-284/279.

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 55, 261-273/269 f.; 61, 138-149/147; 67, 186-199/195; 78, 104-123/121. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 60, 16-52/42; 71, 39-64/50; 76, 256-362/330; 90, 145-199/195 f.; 93, 319-352/348; 108, 186-238/233; 110, 370402/398 f. 208

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 61, 138-149/147; 78, 104-123/121. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 49, 148-168/165 m.w.N. 209

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

214

Entscheidungen, die ganz auf eine solche Umschreibung verzichten und statt dessen betonen, der Gleichheitssatz verwehre dem Gesetzgeber „nicht jede Differenzierung“,211 er solle „in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern“.212 Die Formeln lassen nicht eindeutig erkennen, welcher Stellenwert dem Wesentlichkeitskriterium zukommt. In der – nur noch selten zu findenden – dritten Variante, in der das Verbot willkürlicher Ungleichbehandlung auf wesentlich Gleiches bezogen wird, scheint die wesentliche Gleichheit Voraussetzung für eine Prüfung am Gleichheitssatz in der Gestalt des Willkürverbots zu sein und also auf der ersten Prüfungsebene die Rechtfertigungsbedürftigkeit einzugrenzen. In den ersten beiden Varianten scheint dagegen aus der Feststellung einer Ungleichbehandlung von Gleichem oder von wesentlich Gleichem nicht die Rechtfertigungsbedürftigkeit, sondern bereits ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu folgen. Der Unterschied wird durch das verfassungsgerichtliche Verständnis des Wesentlichen eingeebnet. Nach diesem Verständnis überantwortet der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, darüber zu entscheiden, welche Sachverhaltselemente so wesentlich sind, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.213 Er kann grundsätzlich frei entscheiden, welche Merkmale oder Elemente er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. 214 Ihm steht es frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen.215 Er muss seine Auswahl allerdings sachgerecht treffen.216 Das zu kontrollieren ist Sache der Gerichte. Wichtig ist deshalb zu ermitteln, wonach der Normgeber unter————— 210

Durch den Ersten Senat, BVerfGE 55, 72-95/88. Weitere Fundstellen oben in Fn. 50 (Seite

180). 211 So der Erste Senat in BVerfGE 87, 1-48/36; 94, 241-267/260; 95, 143-162/154; 96, 315-330/ 325; 100, 1-59/38; 100, 59-104/90; 100, 104-137/127; 100, 138-195/174; 100, 195-208/205; 102, 41-67/54; 102, 68-99/87; 103, 225-241/235; 103, 271-293/289; 103, 392-405/397; 104, 126-150/ 144; 106, 166-181/175; 107, 133-149/141; 107, 205-218/214; 108, 52-82/77; 110, 141-177/167; 111, 115-146/137; 111, 160-176/169; 111, 176-190/184; 112, 50-74/67; 112, 74-90/86; 112, 368407/401. 212 So der Erste Senat in BVerfGE 88, 87-103/96; 89, 15-27/22; 89, 365-381/375; 90, 46-60/56; 91, 389-405/401; 92, 53-74/68; 95, 39-48/45; 95, 267-322/316; 97, 271-297/290; 98, 365-403/389; 99, 367-401/388; 102, 68-99/87. 213 BVerfGE 78, 104-123/121 (Erster Senat); sowie BVerfGE 71, 39-64/53; 76, 256-362/330 (beide vom Zweiten Senat). 214 BVerfGE 50, 57-108/77; 74, 182-202/200; 81, 108-122/117; 83, 395-403/401; 84, 348365/359; 85, 238-247/244; 87, 1-48/36; 94, 241-267/260; 100, 1-59/46; 102, 68-99/87; 103, 242271/258 (sämtlich Erster Senat); sowie BVerfGE 71, 255-275/271 (Zweiter Senat). 215

BVerfGE 71, 39-64/53; 76, 256-362/330; 103, 310-332/320 (sämtlich Zweiter Senat).

BVerfGE 90, 226-240/239 (Erster Senat); sowie BVerfGE 75, 108-165/157; 78, 249-289/287; 90, 145-199/196; 93, 319-352/348 (sämtlich Zweiter Senat). 216

B. Gleichheitsmodell

215

scheidet, und sodann zu prüfen, ob das sachgerecht ist, d.h. ob der Normgeber nach dem von ihm gewählten Merkmal unterscheiden darf, und ob es den verfassungsrechtlichen Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG gerecht wird, die unterschiedlichen Wirkungen daran zu knüpfen. Das Wesentliche fordert danach nicht irgendeine wertende Aussage über das Gemeinsame der Vergleichspersonen, sondern bezeichnet schlicht das, worauf es nach der Regelung ankommt, d.h. an welche Voraussetzungen der Normgeber unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. Dem tragen die an der vierten Formel orientierten jüngeren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, die ganz auf das Kriterium der wesentlichen Gleichheit verzichten und nach Feststellung einer Ungleichbehandlung sogleich nach ihrer Rechtfertigung fragen. Dennoch wird mit anderer Akzentuierung im Schrifttum teilweise an dem Erfordernis der wesentlichen Gleichheit festgehalten. Die wesentliche Gleichheit ungleich behandelter Personen ist nach diesem Verständnis notwendige Voraussetzung des Vergleichs. Fehle es daran, seien die Personen nicht vergleichbar und müsse ihre Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt werden.217 Vergleichbarkeit benötige einen Bezugspunkt, ein tertium comparationis.218 Worin das Dritte des Vergleichs liegt, ob in einem gemeinsamen Oberbegriff für die verschieden behandelten Personen219 oder in dem Differenzierungsmerkmal, unter dessen Aspekt der Vergleich angestellt wird220, in einem Vergleichsmaßstab221 oder gar in der Würde des Menschen 222, wird unterschiedlich beantwortet. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts schweigen ganz überwiegend zur Frage der Vergleichbarkeit. Nur wenige Entscheidungen stellen ausdrücklich einen „sachgerechten Vergleichstatbestand“, einen „Bezugspunkt“, eine „gemeinsame Ausgangslage“ oder ein „verbindendes Merkmal“ fest, folgen aber in der dogmatischen Einordnung der Vergleichbarkeit keinem einheitlichen Gedanken. In einigen erscheint die Vergleichbarkeit – wie im Vergleichsmodell des Schrifttums – als Voraussetzung der Rechtfertigungsbedürftigkeit: Beispielsweise wenn das Bundesverfassungsgericht feststellt, die vom vorlegenden Gericht gegenübergestellten Sachverhalte des Anspruchs eines Beschuldigten auf Erstattung der Kosten seines Wahlverteidigers gegen die Staatskasse und ————— In diesem Sinne Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 431 f., und Wendt, NVwZ 1988, 778786/782. 217

218 Vgl. Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 1: „Denknotwendig enthält jede normative Gleichheitsaussage immer einen ‚Vergleich‘ von Verschiedenheiten ‚in Bezug auf ein Drittes‘ (d. h. auf ein tertium comparationis)“. 219

Heun, DK, Art. 3 Rn. 23; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 433.

220

Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 16a; Kloepfer, Gleichheit, S. 17.

221

Kirchhof, Verschiedenheit, S. 11.

222

Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 3.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

216

des Vergütungsanspruchs des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse beträfen so unterschiedliche Sachverhalte, dass es „jedenfalls unter diesem Blickwinkel schon an einem sachgerechten Vergleichstatbestand mangelt“, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG von vornherein ausscheide, 223 oder wenn aufgrund der „grundlegenden statusrechtlichen Unterschiede“ zwischen Abgeordneten und Beamten „Vergleichbarkeiten“ als „grundsätzlich ausgeschlossen“ und die für jeden der Bereiche aus den „jeweiligen Besonderheiten“ zu entwickelnden Grenzen als „untereinander wesentlich verschieden“ bezeichnet werden.224 In anderen Entscheidungen bezeichnet der „[m]aßgebliche Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz“ das Rechtfertigende, d.h. „die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird“,225 oder wird die „gemeinsame Ausgangslage“ der verschieden Behandelten betont, weil sie die Anforderungen an die Rechtfertigung erhöht: Da der „einheitlichen Ausgangslage bei den Vergleichsgruppen“ ein gleich großes und existentielles Gewicht beizumessen sei, könne die unterschiedliche Behandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG nur bestehen, wenn „im übrigen die Ungleichheit so bedeutsam“ sei, dass die unterschiedliche Behandlung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheine. 226 Dass ein Vergleich eines Bezugspunkts bedarf, ist richtig. Jedenfalls im Bereich der Rechtsetzung227 lassen sich aber auch hier die Formeln des Bundesverfassungsgerichts über die Bestimmungsmacht des Normgebers fruchtbar machen. Was Bezugspunkt des Vergleichs ist, bestimmt der Normgeber durch die Voraussetzungen, an die er die ungleichen Wirkungen knüpft. Für die Vergleichbarkeit genügt es, dass sich die Vergleichspersonen in einem nach der Regelung erheblichen Merkmal unterscheiden. Das Dritte des Vergleichs ist nach diesem Verständnis das Merkmal, an das der Normgeber die Ungleichbehandlung anknüpft, das bei dem einen vorliegt, bei dem anderen nicht. Es und

————— 223

BVerfGE 68, 237-256/247 (Zweiter Senat).

224

BVerfGE 76, 256-362/341 f. Kritisch dazu bereits Wendt, NVwZ 1988, 778-786/782.

BVerfGE 78, 232-249/247 (Erster Senat zur Befreiung landwirtschaftlicher Unternehmer von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Altershilfe bei gleichzeitiger Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung). 225

226 BVerfGE 79, 106-126/123 (Erster Senat zur Veranlagung der Witwe eines geschäftsführenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft mit der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Hinterbliebenenrente zur Erbschaftssteuer). Ähnlich BVerfGE 98, 1-17/14 (Erster Senat zum Nachentrichten freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge durch frühere Beamtinnen): Das „die beiden Gruppen verbindende Merkmal“ stehe „bei einer am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG orientierten Betrachtungsweise im Vordergrund“, die beiden Gruppen stünden „sich unter diesem Gesichtspunkt gleich“. 227

Zur Rechtsauslegung und -anwendung unten unter B.I.4. und 5.

B. Gleichheitsmodell

217

mithin das Unterscheidende steht im Vordergrund, nicht das Gemeinsame (das wesentlich Gleiche). Indem derjenige, bei dem sämtliche Regelungsvoraussetzungen vorliegen, verglichen wird mit jemandem, bei dem es an einer Voraussetzung fehlt, lässt sich jede Differenzierung des Normgebers auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz untersuchen. Rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen werden dabei nicht wertend oder nach vom Normgeber gerade nicht in Bezug genommenen Gemeinsamkeiten eingeschränkt, wie es der Begriff des wesentlich Gleichen nahelegt, sondern normbezogen präzisiert. Dem entspricht es, das dogmatische Modell des Gleichheitssatzes an den Voraussetzungen der zu prüfenden Regelung(en) auszurichten.228 (3) Klassenbaummodell Podlechs Eigentümer Fahrniseigentümer

Grundstückseigentümer

Eigentümer unbebauter Grundstücke

Eigentümer bebauter Grundstücke

Eigentümer unzerstörter Grundstücke

Eigentümer zerstörter Grundstücke Fremdräumer

Selbsträumer Selbsträumer einzeln gelegener Trümmergrundstücke

Selbsträumer in zusammenhängenden Trümmergebieten

Selbsträumer in zusammenhängenden Trümmergebieten, in denen es nur Selbsträumer gibt

Fremdräumer in zusammenhängenden Trümmergebieten

Fremdräumer einzeln gelegener Trümmergrundstücke

Selbsträumer in zusammenhängenden Trümmergebieten, in denen es auch Fremdräumer gibt

Beispiel eines Klassenbaums (Quelle: Podlech, Gehalt, S. 69).

————— 228

Dazu ausführlich nachfolgend unter B.I.3.c).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

218

In dem Versuch, „die (Schein-) Problematik einer wesentlichen oder substantiellen Gleichheit“229 ohne juristischen Problemverlust aus der Gleichheitsprüfung auszuschließen und dennoch mit einfach handhabbaren Regeln über die Bildung von Vergleichspaaren die Gleichheitsprüfung zu präzisieren, trifft sich das hier vorgeschlagene Modell mit dem von Podlech. 230 Podlech bildet Bäume, wie sie aus der Logik bekannt sind.231 Ihr Ausgangspunkt ist eine nach einem Merkmal bestimmte Klasse von Personen (etwa Eigentümer).232 Diese unterteilt er in zwei Teilklassen, die den Inhalt der nächsthöheren Klasse abschließend bestimmen und sich in einem Merkmal unterscheiden, auf das es nach der „Behandlung durch die öffentlich hoheitlich handelnde Gewalt“ ankommt (etwa Fahrniseigentümer und Grundstückseigentümer). Eine der Klassen unterteilt er nach der gleichen Regel wiederum in zwei Teilklassen (etwa Eigentümer unbebauter Grundstücke und Eigentümer bebauter Grundstücke). Bei der Zerlegung in Teilklassen sei darauf zu achten, dass gleichbehandelte Personen nicht in verschiedenen Klassen auftauchen, es vielmehr „für jede Art der infragekommenden Behandlung genau eine Klasse gibt, die die gleichbehandelten Personen und nur diese als Glieder umfaßt“. 233 So verfährt er so lange, bis am Ende des Baumes die Klasse der Gleichbehandelten („behandelte Klasse“234) vollständig und abschließend bezeichnet ist und einer „Restklasse“235 gegenübergestellt ist, die zusammen mit der behandelten Klasse vollständig die Glieder der „nächsten Einschlußklasse“236 wiedergibt. Das Vor————— 229

Podlech, Gehalt, S. 75.

230

Podlech, Gehalt, besonders S. 64-77.

231

Beispiele bei Podlech, Gehalt, S. 68 f. u. 72.

232 Warum Podlech bereits mit einer Klassifizierung anfängt, anstatt stets von der Person als Träger des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen und diese alle Grundrechtsträger umfassende Klasse in einem ersten Schritt etwa in Eigentümer und Nicht-Eigentümer oder Unternehmensinhaber und Nicht-Unternehmensinhaber zu untergliedern, erklärt er nicht. Nach seinem eigenen Ausgangsbefund, wonach dann, wenn „eine Klasse von Betroffenen durch ein Rechtsverhältnis verschiedenen Klassen von Personen gegenüber ungleich behandelt [wird], … die Ungleichbehandlung nicht schon dann zulässig [ist], wenn es für die Ungleichbehandlung gegenüber einer Klasse von Personen einen zureichenden Grund gibt“ (Podlech, Gehalt, S. 66 Satz 9.2) müsste er alle denkbaren Klassen von Personen in seine Überlegungen miteinbeziehen. 233

Podlech, Gehalt, S. 69.

Podlech, Gehalt, S. 69 f. Satz 9.3: „Behandelte Klasse heißt jede Klasse von Personen, deren Glieder von der öffentlich hoheitlich handelnden Gewalt in einer bestimmten Weise und zwar gleich … behandelt werden“. 234

235 Podlech, Gehalt, S. 67: „Diejenige Klasse, die auf einer Ebene mit einer herausgegriffenen Klasse steht, und mit dieser eine Einschlußklasse gemeinsam hat, die mit beiden Klassen nur durch einen Strich verbunden ist, ist die Restklasse der herausgegriffenen Klasse hinsichtlich der Einschlußklasse“. 236 Podlech, Gehalt, S. 70 Satz 9.5: „Nächste Einschlußklasse einer behandelten Klasse heißt – in einem kennzeichnenden Baum – die Einschlußklasse, die mit der Klasse gleichbehandelter Personen nach oben nur durch einen Strich verbunden ist“.

B. Gleichheitsmodell

219

liegen eines „zureichenden Grundes“ prüft Podlech nur für die Ungleichbehandlung der Personen der behandelten Klasse gegenüber den Personen ihrer Restklasse. Liege ein zureichender Grund vor, sei zugleich die Ungleichbehandlung der Personen der behandelten Klasse gegenüber allen in den Klassen des Baumes bezeichneten Personen gerechtfertigt.237 Podlechs Modell setzt voraus, dass die unterscheidenden Merkmale der unteren Klassen an das Merkmal der jeweils nächsten Einschlussklasse anknüpfen und nur an dieses, nicht aber an das der Restklasse der nächsten Einschlussklasse anknüpfen können. Dem genügt Podlechs Beispiel, weil von Bebauung nur bei Grundstücken, nicht bei beweglichen Sachen gesprochen wird, sich Zerstörung in der Regelung nur auf die Bebauung bezieht, nur bei Zerstörung geräumt werden muss und nur insofern Räumende auftreten. Gleich- oder Ungleichbehandlung knüpfen in der Rechtswirklichkeit aber häufig an nicht aufeinander aufbauende Voraussetzungen an. Beispielsweise erfordert die Wehrpflicht der mindestens achtzehnjährigen deutschen Männer, (mindestens238) drei Fälle von Ungleichbehandlungen zu begründen: Die Ungleichbehandlung gegenüber den mindestens achtzehnjährigen deutschen Frauen, gegenüber den mindestens achtzehnjährigen ausländischen Männern und gegenüber den noch nicht achtzehnjährigen deutschen Männern. Die Verknüpfung dieser drei Voraussetzungen, also der jeweiligen Unterscheidungsmerkmale, lässt sich in einem Klassenbaum nicht so abbilden, dass es nur einer Begründung bedürfte. Wird die Prüfung auf die Begründung einer Ungleichbehandlung beschränkt und aus ihrer Zulässigkeit auf die Zulässigkeit der weiteren Ungleichbehandlungen geschlossen,239 ist die Gleichheitsprüfung nicht vollständig. Um das zu vermeiden, müssten im Beispiel der Wehrpflicht mindestens drei Klassenbäume erstellt werden. Ein anderes Beispiel nennt Martini240: Nach § 24a StVG handelt ordnungswidrig, „wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt“. Auch in diesem Beispiel ist durch die Feststellung, die Ungleichbehandlung von Kraftfahrzeugführern mit der genannten AAK, BAK oder Alkoholmenge im Körper gegenüber einem Kraftfahrzeugführer ohne eine solche verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, noch nicht geklärt, ob auch die Ungleichbehandlung von Kraftfahrzeugführern mit der genannten AAK, BAK oder Alkoholmenge im Körper gegenüber Perso————— 237

„Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung“, Podlech, Gehalt, S. 71.

238

Die allgemeine Wehrpflicht hat nach § 1 Abs. 1 Hs. 2 WPflG noch weitere Voraussetzungen je nach Land des ständigen Aufenthalts. Dazu unten zu und in Fn. 264. 239

Podlech, Gehalt, S. 71.

240

Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 251-256.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

220

nen, die kein Kraftfahrzeug führen, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.241 Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Damit ist der „Satz über den Umfang der zureichenden Ungleichheitsbegründung“ bei Beschränkung auf einen Klassenbaum, wie von Podlech vorgeschlagen, falsifiziert. Wollte man ihn durch Bildung eines Klassenbaums für jede nicht auf eine andere aufbauende Voraussetzung aufrechterhalten, ist die von Podlech erstrebte „Vereinfachung der Prüfung des zureichenden Grundes für Ungleichbehandlungen“242 nicht zu erreichen. Davon abgesehen erscheint der Umweg über eine Klassenbildung unnötig kompliziert. Lassen sich gleich- und ungleichbehandelte Personen anhand der Voraussetzungen einer Regelung unmittelbar bestimmen, kann darauf verzichtet werden, sie ausgehend von einem allgemein gefassten Ausgangsmerkmal in Zweierschritten abzubilden. c) Regeln über die Bildung von Vergleichspaaren im Voraussetzungsmodell Die erste Prüfungsebene dient in erster Linie dazu, präzise zu bestimmen, was der Rechtfertigung bedarf. Für das hier so genannte Voraussetzungsmodell, also das Gleichheitsmodell, das die rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlungen von Personen nach den Voraussetzungen der Regelung(en) bestimmt, ohne von einem Eingriff in einen irgend gearteten Schutzbereich auszugehen, ohne gestützt auf das Kriterium der wesentlichen Gleichheit Vergleichbarkeitsurteile zu fällen und ohne mit Hilfe von Klassenbäume bei allgemeinen Ausgangsmerkmalen anzusetzen, kann das durch Regeln über die Bildung von Vergleichspaaren erreicht werden. (1) Erste Regel: Regelungsvoraussetzungen als Ausgangspunkt Die erste Regel fasst das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den anderen diskutierten Gleichheitsmodellen zusammen: Die Bildung von Vergleichspaaren richtet sich nach den Voraussetzungen der auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu prüfenden Regelung(en). Das ihr zugrundeliegende Gleichheitsverständnis lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Danach verwehrt der allgemeine Gleichheitssatz dem Normgeber nicht zu differenzieren. Führt eine Differenzierung aber zu einer Ungleichbehandlungen von Personen, muss sie den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügen. Den Gleichheitsanforderungen standhalten muss die einzelne Differenzierung. Differenzierungen trifft der Normgeber durch die Voraussetzungen seiner Regelung.243 Die Voraussetzungen bestimmen darüber, ob ————— 241

Ausführlich Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 255.

242

Podlech, Gehalt, S. 66.

243

Dazu bereits oben zu und in Fn. 103 (Seite 192).

B. Gleichheitsmodell

221

und ggf. wie die Regelung für Personen wirkt. Sie bestimmen darüber, welche Eigenschaften, welche Verhaltensweisen oder welche sonstigen Umstände nach dem Willen des Normgebers ausschlaggebend sein soll(t)en. An ihnen sollte die Gleichheitsprüfung deshalb ausgerichtet werden.244 Die Bildung der Vergleichspaare richtet sich somit nach der Entscheidung des Normgebers und nicht der eines Gerichts.245 Der Eindruck, der gravierendste Fall einer Ungleichbehandlung, nämlich der der unterschiedlichen Belastung weitgehend Gleicher, das heißt in allen Regelungsvoraussetzungen Übereinstimmender, werde ausgeblendet, täuscht. Eine solche Ungleichbehandlung kann der Normgeber nicht vornehmen. Er kann nur bestimmen, dass an bestimmte Voraussetzungen Wirkungen geknüpft werden, bei gleichen Voraussetzungen aber nicht ohne weitere Anforderungen zwischen den Personen unterscheiden, die alle Voraussetzungen erfüllen. (2) Zweite Regel: Grundsätzlich jeweils nur eine Voraussetzung als Unterscheidungsmerkmal Denkbar ist es, den, bei dem die Voraussetzungen der Regelung vorliegen, mit dem zu vergleichen, bei dem das nicht der Fall ist. Bei Regelungen, die kumulativ mehreres fordern, ermöglicht ein solches Vorgehen jedoch keine präzise Rechtfertigung, wie das Beispiel der allgemeinen Ausweispflicht zeigt, für die § 1 Abs. 1 S. 1 PAuswG bestimmt: „Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und nach den Vorschriften der Landesmeldegesetze der allgemeinen Meldepflicht unterliegen, sind verpflichtet, einen Personalausweis zu besitzen und ihn auf Verlangen einer zur Prüfung der Personalien ermächtigten Be-

————— 244

Ein gutes Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Entscheidung zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben. In ihr wird die Legitimation der Ungleichbehandlungen nach den gesetzlichen Voraussetzungen als Unterscheidungsmerkmale geprüft, BVerfGE 97, 169-186/182 ff., besonders 184 (für das Unterscheidungsmerkmal „Betrieb“). Ähnlich wie hier Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 251 f. u. 258, der vorschlägt, das Vorliegen einer Ungleichbehandlung „anhand der Tatbestandsmerkmale differenzierender Regelungen“ zu ermitteln. Der Begriff der Tatbestandsmerkmale ist wegen möglicher in der Rechtsfolgenanordnung versteckter Voraussetzungen (dazu die vierte Regel unten unter B.I.3.c)(4)) allerdings zu eng. Bleckmann geht ebenso wie Martini von den „Tatbestandsvoraussetzungen“ aus. Er will jedoch an der Problematik des Wesentlichen festhalten, wobei er anders als die oben unter B.I.3.b)(2) beschriebenen Stimmen nicht das „wesentlich Gleiche“, sondern „wesentliche Unterschiede“ zu bestimmen versucht. Wesentlich sind Unterschiede nach Bleckmann, Staatsrecht II, § 24 Rn. 11, wenn sie „für die betreffende Rechtsfolge der Rechtsnorm, die diese Lebenssachverhalte in ihren Tatbestandsvoraussetzungen zusammenfaßt, relevant sind“. Das steht einer weiteren Gleichheitsprüfung aber entgegen: Darf wesentlich Unterschiedliches ungleich behandelt werden und begründet jede für die Rechtsfolge erhebliche Voraussetzung einen wesentlichen Unterschied, bildet der allgemeine Gleichheitssatz für die Voraussetzungen einer Regelung keine Grenze. 245 Zur anderenfalls bestehenden Gefahr, dass das Gericht den Entscheidungsraum des Normgebers „zusätzlich und stillschweigend“ eingrenzt: Robbers, DÖV 1988, 749-758/751.

222

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

hörde vorzulegen; dies gilt nicht für Personen, die einen gültigen Paß besitzen und sich durch diesen ausweisen können“.

Vergleicht man hier einen achtzehnjährigen meldepflichtigen Deutschen mit einem vierzehnjährigen nicht meldepflichtigen Ausländer, wird nicht deutlich, welche der Differenzierungen gerechtfertigt werden soll. Die einzelnen Differenzierungen kommen nur dann in den Blick, wenn der, bei dem alle Voraussetzungen vorliegen, mit dem verglichen wird, bei dem es an einer, aber auch nur an einer Voraussetzung fehlt. Die die Vergleichspersonen unterscheidende Voraussetzung bezeichnet dabei das jeweilige Unterscheidungsmerkmal. Erfordert die Regelung, dass kumulativ mehrere Voraussetzungen vorliegen, und differenziert der Normgeber damit in verschiedener Hinsicht, kann jede Voraussetzung zum Unterscheidungsmerkmal werden. Bei der allgemeinen Ausweispflicht lassen sich ein mindestens sechzehnjähriger meldepflichtiger Deutscher ohne Pass mit einem mindestens sechzehnjährigen meldepflichtigen Deutschen mit Pass (Unterscheidungsmerkmal: Pass), mit einem mindestens sechzehnjährigen meldepflichtigen Ausländer ohne Pass (Unterscheidungsmerkmal: Deutscher), mit einem mindestens sechzehnjährigen nicht meldepflichtigen Deutschen ohne Pass (Unterscheidungsmerkmal: Meldepflicht) und mit einem noch nicht sechzehnjährigen meldepflichtigen Deutschen ohne Pass (Unterscheidungsmerkmal: Vollendung des 16. Lebensjahres) vergleichen. Die zweite Regel präzisiert die erste und lautet: Die Gleichheitsprüfung ist grundsätzlich auf eine und nur eine Voraussetzung der Regelung zu beziehen.246 Zu vergleichen ist eine Person, bei der alle kumulativ geforderten Voraussetzungen vorliegen, mit einer Person, bei der eine Voraussetzung nicht vorliegt. Die anderen Voraussetzungen müssen, um eine genaue Prüfung zu ermöglichen, bei beiden Vorliegen. Die Personen gleichen sich insofern; anders als nach dem Kriterium der wesentlichen Gleichheit wird jedoch das notwendig Gemeinsame allein nach den Regelungsvoraussetzungen bestimmt. Genügt jede der Ungleichbehandlungen verfassungsrechtlichen Anforderungen, steht zugleich fest, dass Personen, die sich durch mehr als eine der Voraussetzungen unterscheiden, ungleich behandelt werden dürfen. Kumulativ geforderte Merkmale schränken somit – wie in Podlechs Idee, aber weniger weitreichend – den Umfang der zureichenden Gleichheitsprüfung ein. ————— 246

Beispiele für ein solches Vorgehen aus der jüngeren Rechtsprechung bilden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Einschränkung des Zugangs zur Krankenversicherung der Rentner, BVerfGE 102, 68-99/89 f. (Voraussetzung: Pflichtversicherung), zur Nichtberücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt bei Berechnung von Lohnersatzleistungen, BVerfGE 102, 127-146/143 f. (Voraussetzung: einmalig gezahlt), und zur Mindestbemessungsgrenze für die Bemessung der Beiträge der in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Selbständigen BVerfGE 103, 392-405/397 ff. (Voraussetzung: erwerbstätig), 400 f. (Voraussetzung: hauptberuflich) u. 401 f. (Voraussetzung: Selbständig).

B. Gleichheitsmodell

223

Die zweite Regel lässt sich gleichermaßen für belastende wie begünstigende Regelungen fruchtbar machen. Bei belastenden Regelungen wirkt der Schutz des Gleichheitssatzes nur zugunsten desjenigen, der sämtliche Voraussetzungen erfüllt.247 Schon wenn nur eine der Voraussetzungen vor dem Gleichheitssatz nicht zu rechtfertigen ist, ist der Regelungsadressat in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. 248 Die Forderung, dass sich die Vergleichspersonen lediglich durch das Fehlen einer Voraussetzung von ihm unterscheiden dürfen, schränkt daher weder den Kreis derer, die einen Gleichheitsverstoß geltend machen können, noch den möglichen Erfolg einer Gleichheitsprüfung ein. Bei Begünstigungen, die kumulativ mehreres voraussetzen, sind zwei Fragen zu trennen: die Frage, ob jede der Voraussetzungen den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes genügt, was nach der zweiten Regel geprüft werden kann, und die Frage, ob sich der nicht in den Kreis der Begünstigten Einbezogene auf einen Gleichheitsverstoß berufen kann. Fehlen bei ihm mehrere Voraussetzungen, ist er nur dann in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn keine dieser Voraussetzungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Anderenfalls hat er die Nichteinbeziehung in den Kreis der Begünstigten aufgrund der einen oder mehreren verfassungskonformen Voraussetzung(en), die bei ihm fehlt/en, hinzunehmen. Die Gleichheitsprüfung wird bei Begünstigungen durch die zweite Regel normorientiert gegliedert. (3) Dritte Regel: Sonderregel für aneinander anknüpfende Voraussetzungen Einige Voraussetzungen bedingen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das Vorliegen anderer. Verpflichtet beispielsweise § 17 Abs. 1 S. 1 HandwO 249 in der Handwerksrolle eingetragene Gewerbetreibende dazu, der Handwerkskammer bestimmte Auskünfte zu erteilen, so ist der Vergleich eines in der Handwerksrolle eingetragenen Gewerbetreibenden mit einem nicht in der Handwerksrolle eingetragenen Gewerbetreibenden (Unterscheidungsmerkmal: Eintragung in der Handwerksrolle) möglich. Der Vergleich mit einer in der Handwerksrolle eingetragenen Person, die kein Gewerbe betreibt (Unterscheidungsmerkmal: Betreiben eines Gewerbes), scheitert jedoch daran, dass in die ————— 247 Denjenigen, bei dem es an einer der Voraussetzungen einer Belastung fehlt und der sich dadurch zu Unrecht privilegiert und „moralisch belastet“ fühlt, schützt der allgemeine Gleichheitssatz nicht; zumindest fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis, will er sich gegen die Ungleichbehandlung zu seinen Gunsten gerichtlich wehren. Kloepfer, Gleichheit, S. 11 f., nennt das „Heruntergleichen“. 248 249

Zu den Folgen eines Gleichheitsverstoßes unten unter B.IV.5.

§ 17 Abs. 1 S. 1 HandwO: „Die in der Handwerksrolle eingetragenen oder in diese einzutragenden Gewerbetreibenden sind verpflichtet, der Handwerkskammer die für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen erforderliche Auskunft über Art und Umfang ihres Betriebs, über die Zahl der im Betrieb beschäftigten gelernten und ungelernten Personen und über handwerkliche Prüfungen des Betriebsinhabers und des Betriebsleiters sowie über die vertragliche und praktische Ausgestaltung des Betriebsleiterverhältnisses zu erteilen“.

224

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Handwerksrolle nach § 6 Abs. 1 250 i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 HandwO 251 überhaupt nur Gewerbetreibende einzutragen sind. Möglich ist daher allein der Vergleich mit einer Person, die kein Gewerbe betreibt, die sich also durch beide Voraussetzungen von der Vergleichsperson unterscheidet. Die dritte Regel formuliert eine Ausnahme von der zweiten für Voraussetzungen, von denen die eine (die anknüpfende Voraussetzung) das Vorliegen der anderen (der Grundvoraussetzung) bedingt. Zur Prüfung der durch die Grundvoraussetzung hervorgerufenen Ungleichbehandlung ist eine Person, bei der alle kumulativ geforderten Voraussetzungen vorliegen, mit einer Person zu vergleichen, bei der die Grund- und notwendig zugleich die anknüpfende Voraussetzung nicht vorliegt. Die speziell durch die Grundvoraussetzung in Bezug genommenen Unterschiede zwischen den Vergleichspersonen kommen erst auf der zweiten Prüfungsebene zum Tragen: Ob die hoheitliche Behandlung vom Vorliegen der Grundvoraussetzung abhängen darf, lässt sich dort und mit den durch sie benannten Unterschieden zwischen den Vergleichspersonen begründen. (4) Vierte Regel: Einbeziehung von Voraussetzungen in der Rechtsfolgenanordnung Auch in der Rechtsfolgenanordnung einer Regelung können – offen oder versteckt – Voraussetzungen formuliert sein.252 Offen formuliert ist die zusätzliche Voraussetzung in der beamtenrechtlichen Pflicht zur Zurückhaltung bei politischer Betätigung des § 53 BBG: „Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben“.

Verstanden als „Wer Beamter ist, hat sich bei politischer Betätigung zu mäßigen und zurückzuhalten“ setzt die Regelung auf Tatbestandsseite allein den Beamtenstatus voraus. In der Rechtsfolgenanordnung ist zusätzlich die Voraus————— 250 § 6 Abs. 1 HandwO: „Die Handwerkskammer hat ein Verzeichnis zu führen, in welches die Inhaber von Betrieben zulassungspflichtiger Handwerke ihres Bezirks nach Maßgabe der Anlage D Abschnitt I zu diesem Gesetz mit dem von ihnen zu betreibenden Handwerk oder bei Ausübung mehrerer Handwerke mit diesen Handwerken einzutragen sind (Handwerksrolle)“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 251 § 1 Abs. 2 S. 1 HandwO: „Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten)“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 252 Zur Austauschbarkeit von Tatbestands- und Rechtsfolgenseite: Schuppert, DVBl. 1988, 11911200/1199. Vgl. auch Starck, Diskussionsbeitrag, S. 189-191/190, bezogen auf die Unterscheidung von unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen.

B. Gleichheitsmodell

225

setzung der politischen Betätigung enthalten. Der Voraussetzungscharakter dieses Merkmals wird deutlich durch Umformulierung zu „Wer sich als Beamter politisch betätigt, hat sich zu mäßigen und zurückzuhalten“. Soll die durch den Status als Unterscheidungsmerkmal hervorgerufene Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden, ermöglicht eine präzise Rechtfertigung der Vergleich eines Beamten bei politischer Betätigung mit einer nichtverbeamteten Person bei politischer Betätigung. Für das Unterscheidungsmerkmal „politische[] Betätigung“ sind Vergleichspersonen ein Beamter bei politischer Betätigung und ein Beamter bei nichtpolitischer, d.h. sonstiger Betätigung. Ein Beispiel für eine versteckt formulierte Voraussetzung ist die fiktive Bestimmung, dass Kindergartenplätze bevorzugt an alleinerziehende Mütter vergeben werden.253 Vorausgesetzt wird, dass ein Kindergartenplatz begehrt wird. Zur Prüfung der Begünstigung nach der Voraussetzung Mutter ist daher die Behandlung einer alleinerziehenden Mutter, die einen Kindergartenplatz begehrt, mit der einer sonstigen alleinerziehenden Person, die das ebenfalls tut, zu vergleichen. Wäre – ebenso mit versteckter Voraussetzung – bestimmt, dass Zuschüsse zu Bauvorhaben bevorzugt an alleinerziehende Mütter vergeben werden, bilden das Vergleichspaar für die Voraussetzung Mutter eine alleinerziehende Mutter, die ein Bauvorhaben verfolgt, und eine alleinerziehende sonstige Person mit gleichem Anliegen. Die vierte Regel trägt folglich dem Umstand Rechnung, dass der Begriff der Voraussetzungen nicht gleichbedeutend ist mit dem der Tatbestandsvoraussetzungen oder Tatbestandsmerkmale 254 und hat insofern Klarstellungsfunktion: Da Voraussetzungen auch in der Rechtsfolgenanordnung formuliert sein können, sind sie in das Vorgehen nach den Regeln über die Vergleichspaarbildung einzubeziehen und können insbesondere auch selbst Unterscheidungsmerkmal sein. (5) Fünfte Regel: Nur Voraussetzungen als Unterscheidungsmerkmale Auf den ersten Blick erscheint es wenig präzise, die Vergleichspaare entlang der Voraussetzungen einer Regelung zu bilden, kennen doch sowohl die Vergleichsmodelle mit ihrem Streben nach dem Vergleich von wesentlich Gleichem als auch Podlechs Klassenbaummodell mit der Regel, inhomogene Restklassen in Teilklassen zu zerlegen und die Ungleichbehandlung im Hinblick auf jede von ihnen gesondert zu begründen,255 Zwischenstufen und feinere Annäherungen des Vergleichspaars. ————— 253

Beispiel nach Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 434.

Auf sie verkürzt Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 258, die rechtlichen Anknüpfungspunkte möglicher Ungleichbehandlungen. Siehe dazu oben Fn. 244 (Seite 221). 254

255

Podlech, Gehalt, S. 71-74.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

226

Der hier vorgeschlagene Weg betont stärker den Gestaltungsraum des Normgebers. Er hat es in der Hand, seine Differenzierungen fein oder grob zu gestalten. Entscheidet er sich dafür, die Behandlung von Personen an wenigen, sehr weit gefassten Merkmalen auszurichten, geht er ein größeres Risiko ein. Eine durch eine Voraussetzung hervorgerufene Ungleichbehandlung genügt nämlich nur dann den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn sie gegenüber allen gerechtfertigt ist, bei denen diese Voraussetzung nicht vorliegt.256 Der Ort für Feinabstimmungen bei groben Differenzierungen ist die zweite Prüfungsebene. Hängt etwa ein Rückübertragungsanspruch vom Eigentum zu einem bestimmten Zeitpunkt ab und sind nach den vorstehenden Regeln – vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen – Eigentümer und Nichteigentümer zum maßgeblichen Zeitpunkt miteinander zu vergleichen, kann der feinere Unterschied zwischen Eigentümer und Anwartschaftsberechtigtem (als einem der Nichteigentümer)257 bei der Prüfung auf der zweiten Ebene berücksichtigt werden und möglicherweise zur Gleichheitswidrigkeit der an das Eigentum anknüpfenden Ungleichbehandlung insgesamt führen. Auch dieser feinere Unterschied (gegenüber jedermann gesicherte und durchsetzbare Stellung des Eigentümers einerseits, lediglich im Verhältnis zum Verkäufer bestehender Erwerbsanspruch andererseits) muss jedoch einer sein, der mit dem Unterscheidungsmerkmal Eigentum in Bezug genommen wurde. Hingegen sind Unterschiede zwischen Personen, die nach der Regelung für den Eintritt der einen oder anderen Wirkung keine Rolle spielen, für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung bedeutungslos. Dass bei den Begünstigten oder Belasteten Umstände vorliegen oder fehlen, deren Nichtvorliegen oder Vorhandensein der Normgeber nicht zur Voraussetzung der Begünstigung oder Belastung erhoben hat, kann ihre ungleiche Behandlung gegenüber anderen Personen nicht rechtfertigen noch der Rechtfertigung entgegenstehen. Weil der Normgeber an sie keine ungleichen Wirkungen knüpft, lösen sie weder einen Rechtfertigungsbedarf aus, noch können sie zur Rechtfertigung angeführt werden. Das erklärt, warum es keiner Rechtfertigung bedarf, dass ein Gaststättenbetreiber einer Erlaubnis bedarf und ein Lkw-Fahrer einer Geschwindigkeitsbegrenzung unterliegt.258 Ob der Lkw-Fahrer eine Gaststätte betreibt oder nicht, hat für die Geschwindigkeitsbegrenzung nach dem Straßenverkehrsrecht keine Bedeutung. Umgekehrt kommt es für gaststättenrechtliche Pflichten nicht darauf an, ob der Gaststättenbetreiber einen Lkw fährt oder nicht. Die Unterschiede liegen quer zu den Regelungsvoraussetzungen und kennzeichnen weder die ————— 256 Das stimmt im Ergebnis mit Satz 4 der Regel 9.9 des Klassenbaummodells von Podlech, Gehalt, S. 73, überein. 257

Vgl. BVerfGE 101, 239-274/269.

258

Beispiel nach Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 432.

B. Gleichheitsmodell

227

Personen, bei denen die für die jeweilige Wirkung maßgebende Voraussetzung vorliegt, noch die, bei denen es daran fehlt. Werden die Vergleichspaare nach den Voraussetzungen gebildet, ergeben sich daraus die rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlungen, ohne dass es allgemeiner Erwägungen zur wesentlichen Gleichheit von Lkw-Fahrer und Gaststättenbetreiber oder zu ihrer Vergleichbarkeit bedürfte.259 Ebenso verhält es sich, wenn die Nichtanwendung der Regeln über die Auflösung des Parlaments oder über die Auflösung einer Versammlung oder Gesellschaft auf die Scheidung der Ehe begründet werden soll.260 Weder hat nach den einschlägigen Gesetzen der Ehestand für die Fortführung der Parlamentstätigkeit, einer Versammlung oder Gesellschaft Bedeutung, noch umgekehrt die Fortsetzung der Parlamentstätigkeit, einer Versammlung oder Gesellschaft für den Ehestand. Mithin fehlt es schon an der tatsächlichen Voraussetzung, dass beim Scheidungsrecht je nach Vorliegen oder Nichtvorliegen parlaments-, versammlungs- oder gesellschaftsbezogener Voraussetzungen ungleich behandelt wird. Erwägungen zur (fehlenden) Vergleichbarkeit bedarf es nicht. Die Bildung der Vergleichspaare nach den Voraussetzungen und nur nach ihnen beugt der Gefahr vor, Ungleichbehandlungen mit Erwägungen rechtfertigen zu wollen, die nach der auf ihre Grundrechtskonformität zu überprüfenden Regelung unerheblich sind, weil sie weder ausschließlich die Personen kennzeichnen, bei denen sämtliche Voraussetzungen vorliegen, noch alle oder einen Teil derer, bei denen das nicht der Fall ist. An sie hat der Normgeber keine ungleichen Wirkungen geknüpft. Mit ihnen darf deshalb eine Ungleichbehandlung auch nicht gerechtfertigt werden. Die fünfte Regel ist daher für eine präzise Gleichheitsprüfung besonders wichtig: Nur eine Voraussetzung der Regelung(en), die die Ungleichbehandlung bewirkt/en, kann als Unterscheidungsmerkmal der Vergleichspersonen dienen. (6) Sechste Regel: Vergleichspaare bei abgestufter Ungleichbehandlung Bislang war lediglich von Ungleichbehandlungen die Rede, bei denen das Vorliegen einer Voraussetzung zu einer Belastung oder Begünstigung führte, das Nichtvorliegen dieser Voraussetzung hingegen ihrer Art nach andere oder gar keine Wirkungen auslöste. Daneben gibt es abgestufte Ungleichbehandlun————— 259 Kritisch zur Vorprüfung der Vergleichbarkeit anhand dieses Beispiels schon Michael, Gleichheitssatz, S. 227: „Auch das Betreiben einer Speisewirtschaft und das Führen eines Kraftfahrzeugs sind grundsätzlich ‚vergleichbar‘, soweit es nicht um spezifisch gaststättenrechtliche bzw. straßenverkehrsrechtliche Fragen geht. Warum sollte man etwa polizeirechtliche, umweltrechtliche oder steuerrechtliche Maßnahmen zwischen den genannten Personengruppen nicht vergleichen (können!)?“. 260 So das von Bleckmann, Struktur, S. 71, für fehlende Vergleichbarkeit gebildete (und von ihm selbst als abstrus bezeichnete) Beispiel.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

228

gen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass eine Regelung zwischen denen, bei denen eine Voraussetzung nicht vorliegt, durch ein oder mehrere weitere Voraussetzungen differenziert und an ihr Vorliegen eine der Art nach gleiche, im Ausmaß aber unterschiedliche Behandlung gegenüber denen knüpft, die die erste Voraussetzung erfüllen. Einfach abgestufte Ungleichbehandlungen bewirken beispielsweise die unterschiedlichen Regelungen der Kündigungsfristen für Arbeiter und für Angestellte261 oder die Regelungen über Höchstgeschwindigkeiten unterschiedlicher Fahrzeuge außerhalb geschlossener Ortschaften262 oder auf Autobahnen.263 Würden im ersten Beispiel schlicht ein Beamter und ein Nicht-Beamter verglichen, wäre die Gleichheitsprüfung notwendig ungenau, weil der Normgeber im Ausmaß der ungleichen Wirkung zusätzlich danach unterscheidet, ob die Nicht-Beamten Angestellte des öffentlichen Dienstes sind oder nicht. Das Problem ist dadurch in den Griff zu bekommen, dass die die Abstufungen bewirkenden Voraussetzungen bei der Bildung der Vergleichspaare berücksichtigt werden. Im ersten Beispiel lassen sich etwa ein Beamter mit einem Nicht-Beamten, der Angestellter des öffentlichen Dienstes ist, sowie mit einem Nicht-Beamten, der nicht Angestellter des öffentlichen Dienstes ist, und diese beiden wiederum untereinander vergleichen; im zweiten Beispiel Führer eines Fahrzeugs z mit solchen eines Fahrzeugs nicht-z, aber x, Führer eines Fahrzeugs nicht-z, aber y, schließlich Führer der Fahrzeuge x und nicht-x, aber y untereinander. Aus der Prüfung der ersten beiden Ungleichbehandlungen lässt sich kein Schluss für die dritte ziehen. Dürfen die Personen P1 und P2 sowie die Personen P2 und P3 ungleich behandelt werden, folgt daraus nicht ohne weiteres, dass auch P1 und P3 ungleich behandelt werden dürfen. Die sechste Regel modifiziert die zweite Regel für abgestufte Ungleichbehandlungen: Bei ihnen ist nicht allein nach einer Voraussetzung, sondern bei den Vergleichspersonen weiter nach der oder den Voraussetzungen zu differenzieren, an die im Ausmaß unterschiedliche, ihrer Art nach gleiche Wirkungen geknüpft sind. Das führt je nach Zahl der Abstufungen zu weiteren Vergleichspaaren mit dem gleichen Unterscheidungsmerkmal. (7) Siebte Regel: Sonderregel für alternative Voraussetzungen Weiter präzisiert werden muss das Modell für alternative Voraussetzungen, d.h. Voraussetzungen, die nicht kumulativ gefordert sind und bei denen das ————— 261

Gegenstand in BVerfGE 82, 126-156/128 f.

262

§ 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVO: „Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigen Umständen … 2. außerhalb geschlossener Ortschaften a) [für Fahrzeuge x] 80 km/h, b) [für Fahrzeuge y] 60 km/h, c) [für Fahrzeuge z] 100 km/h“. Dazu bereits oben zu Fn. 155 (Seite 203). 263 § 18 Abs. 5 S. 2 StVO: „Auf [Autobahnen] … beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch unter günstigen Umständen 1. [für Fahrzeuge a] 80 km/h, 2. [für Fahrzeuge b] 60 km/h, 3. [für Fahrzeuge c] 100 km/h“.

B. Gleichheitsmodell

229

Vorliegen der einen wie der anderen die gleichen Wirkungen erzeugt. Wird für das Vergleichspaar mit der einen als Unterscheidungsmerkmal die andere außer Acht gelassen oder als positives Erfordernis formuliert, liegt wegen der Alternativität der Voraussetzungen nicht in jedem Fall eine Ungleichbehandlung vor. Beispielsweise knüpft die Wehrpflicht der mindestens achtzehnjährigen Männer mit ständigem Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 WPflG alternativ an einen früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland oder (aus Vereinfachungsgründen zusammengefasst) an das Besitzen eines Passes an.264 Eine Ungleichbehandlung zweier dieser Männer mit dem Unterscheidungsmerkmal „früherer ständiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland“ liegt nur dann in jedem Fall vor, wenn der, bei dem es an dieser Voraussetzung fehlt, keinen Pass besitzt. Nicht einfach zu beantworten ist, ob bei dem, bei dem das Unterscheidungsmerkmal vorliegt, das Vorliegen der alternativen Voraussetzung (hier das Besitzen eines Passes) auszuschließen ist. Wird es nicht ausgeschlossen, besteht die Gefahr, dass bei der Rechtfertigung nicht allein auf Unterschiede abgestellt wird, die mit dem Unterscheidungsmerkmal bezeichnet sind, sondern auch oder vorrangig auf solche, die durch die alternative Voraussetzung in Bezug genommen werden. Wird es ausgeschlossen, entstehen Probleme, wenn die alternativen Voraussetzungen große Schnittmengen bilden, das Vorliegen der einen überwiegend auch das Vorliegen der anderen bedeutet. Dazu erneut das Beispiel des § 24a StVG:265 Hier dienen die alternativen Voraussetzungen einer bestimmten AAK, BAK oder Alkoholmenge im Körper bei Kraftfahrzeugführern dazu, durch unterschiedliche Messverfahren annähernd das Gleiche festzustellen. Eine Person mit der in der Norm genannten Mindest-AAK hat zumeist auch die alternative Mindest-BAK oder Mindest-Alkoholmenge im Körper. Noch extremer liegt es etwa bei § 3 Abs. 1 der Baumschutzverordnung (BaumSchVO), wonach „[j]eder Eigentümer oder jeder sonstige Nutzungsberechtigte von Grundflächen“ zur Erhaltung und Pflege der auf dem Grundstück befindlichen geschützten Bäume verpflichtet ist. § 3 Abs. 1 BaumSchVO knüpft nach seinem Wortlaut an alternative Voraussetzungen die gleiche Wirkung. Der Sache nach bezeichnet die erste Voraussetzung aber lediglich einen Unterfall des in der Alternative genannten Oberbegriffs. Das macht der Gesetzgeber durch die Wendung „oder sonst“ deutlich. Insofern lässt sich von unechter Alternativität spre————— 264 § 1 Abs. 1 WPflG: „Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und 1. ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder 2. ihren ständigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben und entweder a) ihren früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten oder b) einen Pass oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben“. 265

Dazu bereits oben unter B.I.3.b)(3), zu und in Fn. 241.

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

chen, weil die Regelung lediglich eine Voraussetzung durch ein Beispiel genauer beschreibt. Indem die Ungleichbehandlung der Sache nach durch das Vorliegen einer – durch alternativ aufgeführte Beispiele untergliederte – Voraussetzung bewirkt wird, kann in den Fällen unechter Alternativität das Vergleichspaar nach den ersten sechs Regeln mit dem Oberbegriff als Unterscheidungsmerkmal gebildet werden. Für die Fälle unechter Alternativität bedarf es deshalb keiner Sonderregel. In allen anderen Fällen lassen sich die Gefahr einer nicht auf das Unterscheidungsmerkmal bezogenen Begründung und das Problem großer Schnittmengen dadurch bewältigen, dass bei den Vergleichspersonen, bei denen das Unterscheidungsmerkmal vorliegt, weiter nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der alternativen Voraussetzungen differenziert wird. Das trägt dem Willen des Normgebers Rechnung, dem bei alternativen Voraussetzungen einerseits bereits das Vorliegen einer der Voraussetzungen genügt, um ihn gegenüber dem, bei dem keine der Voraussetzungen vorliegt, verschieden zu behandeln; der andererseits aber auch und erst recht dann ungleich behandeln will, wenn bei einer Person beide Voraussetzungen, bei der anderen hingegen keine vorliegt. Bei lediglich einer Alternative ergeben sich daraus für die Regelung mit der Struktur „wenn x oder y, dann z“ folgende Vergleichspaare: (P 1.1 mit x und ohne y) und (P2 ohne x und ohne y) hinsichtlich des Unterscheidungsmerkmals x; (P1.2 ohne x und mit y) und (P2 ohne x und ohne y) hinsichtlich des Unterscheidungsmerkmals y; (P1.3 mit x und mit y) und (P2 ohne x und ohne y) hinsichtlich beider Voraussetzungen als Unterscheidungsmerkmal. Die siebte Regel lautet: (Echte) alternative Voraussetzungen, die das Gleiche bewirken, sind in die Bildung der Vergleichspaare dadurch einzubeziehen, dass Personen, bei denen jeweils nur eine der Voraussetzungen vorliegt, und möglicherweise zusätzlich Personen, bei denen die oder mindestens zwei der Voraussetzungen kumulativ vorliegen, mit einer Person verglichen werden, bei der keine der Voraussetzungen vorliegt. (8) Achte Regel: Geltungsbeschränkter Qualifikations- oder Ausnahmetatbestand Ein zusätzliches Vergleichspaar ist zu bilden, wenn die Regelung zusätzliche Anforderungen lediglich an einige der Begünstigten oder Belasteten stellt, nicht aber an die alternativ Begünstigten oder Belasteten, obgleich die zusätzlichen Anforderungen auch bei ihnen vorliegen könnten (achte Regel). Ein Beispiel ist ein lediglich für einige der Normadressaten geltender Ausnahmetatbestand. Einen solchen enthält beispielsweise § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG. Schutzwürdiges Vertrauen auf das Nichtvorhandensein einer Verunreinigung kann sowohl bei aktuellen wie bei früheren Eigentümern vorgelegen haben, führt nach der Regelung im BBodSchG aber nur für den früheren Eigentümer zum Ausschluss der Verantwortlichkeit. Das folgt dem Muster „wenn (x, nicht aber a) oder y,

B. Gleichheitsmodell

231

dann z“. Unter den Personen, die je eine der alternativen Anforderungen x oder y und im Übrigen sämtliche Anforderungen der Regelung erfüllen, schließt das Vorliegen der Anforderungen des Ausnahmetatbestandes a nur für Personen mit x, nicht aber für Personen mit y die Folge z aus. Der Vergleich bezieht sich somit auf die Voraussetzungen x und y als Unterscheidungsmerkmal, ungleich behandelt wird „y ohne a“ gegenüber „x ohne a“. Die Ungleichbehandlung „x mit a“ gegenüber „x ohne a“ wird bereits durch eine Vergleichspaarbildung nach den ersten beiden Regeln erfasst. d) Umfassendes Rechtfertigungserfordernis? Für die Praxistauglichkeit und Überzeugungskraft eines dogmatischen Modells des Gleichheitssatzes ist entscheidend, wie umfangreich und aufwendig die Gleichheitsprüfung zu gestalten ist. Der vorstehende Abschnitt vermittelt den Eindruck, als müsse jede Voraussetzung einer Regelung gleichheitsrechtlichen Anforderungen genügen.266 Ob das zutrifft oder ob lediglich durch bestimmte Voraussetzungen bewirkte Ungleichbehandlungen rechtfertigungsbedürftig sind, soll nachfolgend erörtert werden. Bestimmt wird der Umfang der gebotenen Gleichheitsprüfung durch das Erfordernis einer Ungleichbehandlung von Personen. Die Gewährleistung von Art. 3 Abs. 1 GG bezieht sich auf natürliche Personen und in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG auf inländische juristische Personen des privaten Rechts. Eine Ungleichbehandlung von Situationen oder Sachverhalten steht dem Normgeber frei.267 Bei der Bestimmung der situationsbezogenen Anwendungsvoraussetzungen schränkt der allgemeine Gleichheitssatz den Normgeber nicht ein. Keiner Rechtfertigung bedürfen deshalb Voraussetzungen einer Regelung, die ausschließlich zu einer Unterscheidung nach allgemeinen Situationen führen. Bei der (subsidiären) Hilfeleistungspflicht in Verteidigungsfällen 268 etwa bedarf die durch die Voraussetzung Verteidigungsfall zu anderen Situationen bewirkte Differenzierung keiner Rechtfertigung. Im Verteidigungsfall gibt es keinen, bei dem die Voraussetzung Verteidigungsfall nicht vorliegt. In Bezug auf dieses ————— 266 So klingt es in der Tat bei Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 90: „Jede Regelung, jede Vergünstigung oder Belastung, die nicht alle Rechtssubjekte trifft, schafft Ungleichheiten. Das ganze Recht besteht aus Differenzierungen. … Jede Ungleichbehandlung muß angesichts des Gleichheitssatzes gerechtfertigt werden“. Bryde/ Kleindieck, Jura 1999, 36-44/37, wenden ein, wenn jede Differenzierung einer Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen werden solle, werde „Politik durch Gleichheitssatzdogmatik ersetzt“. 267

Zur missverständlichen Formulierung „Ungleichbehandlung von Sachverhalten“ bereits oben unter B.I.2. 268 § 22 Abs. 1 S. 1 ZSG: „Die für den Katastrophenschutz zuständige Behörde kann Männer und Frauen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr verpflichten, bei der Bekämpfung der besonderen Gefahren und Schäden, die im Verteidigungsfall drohen, Hilfe zu leisten, wenn die vorhandenen Kräfte im Einsatzfall nicht ausreichen“.

232

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Unterscheidungsmerkmal gibt es kein ungleich behandeltes Vergleichspaar. Gleiches gilt für Voraussetzungen, die ausschließlich zu einer Unterscheidung nach einer Situation im Einzelfall führen. Hängt die versammlungsrechtliche Pflicht, sich vom Versammlungsort zu entfernen, von einer vorherigen Auflösungserklärung ab,269 bedarf die dadurch bewirkte Unterscheidung zu anderen Situationen ohne Auflösungserklärung keiner Rechtfertigung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz. Am Versammlungsort gibt es keinen, für den die Versammlung nicht für aufgelöst erklärt worden wäre. Die Feststellung, dass lediglich Situationen und nicht, wenigstens mittelbar, Personen ungleich behandelt werden, gelingt jedoch nicht immer trennscharf. Nicht personenbezogen formulierte Merkmale können zu einer Ungleichbehandlung von Personen führen, etwa wenn die angeordnete Rechtsfolge nicht allein in der geregelten Situation möglich ist. Das gilt beispielsweise für die Bestimmung, bei potentiell drittgefährdenden Bauarbeiten die Gefahrenzone abzugrenzen.270 Durch sie werden Personen, die potentiell drittgefährdende Bauarbeiten durchführen, gegenüber Personen, die andere potentiell drittgefährdende Tätigkeiten vornehmen, ungleich behandelt, obgleich eine Abgrenzung der Gefahrenzone auch bei den letztgenannten Tätigkeiten möglich wäre. Verbleiben Zweifel bei der Würdigung als bloße Ungleichbehandlung von Situationen, sollte vorzugsweise eine Rechtfertigungsprüfung durchgeführt werden, anstatt von vornherein den Gleichheitssatz als tauglichen Maßstab abzulehnen.271 Das verschafft den Grundrechten größtmögliche Wirkung.272 Für die Rechtfertigung gilt so————— 269 § 13 Abs. 2 VersammlG: „Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen“. 270 § 12 Abs. 2 S. 1 BauO Bln: „Bei Bauarbeiten, durch die unbeteiligte Personen gefährdet werden können, ist die Gefahrenzone abzugrenzen oder durch Warnzeichen zu kennzeichnen“.

So verfuhr etwa das OVG Münster, DÖV 2001, 217-218/217 f. (nicht rechtskräftig), als es die Untersagung von Laserspielen in einem „Laserdrom“ bestätigte, obgleich übliche Kampfsportarten, „herkömmliche“ Kriegsspiele unter Verwendung von Kriegsspielzeug und die Inszenierung historischer Kampf- und Westernspiele grundsätzlich nicht untersagt werden. Es sah einen sachlichen Grund für die ungleiche Behandlung in den „Besonderheiten der in Rede stehenden Laserspielvariante“. Das Bundesverwaltungsgericht sah darin keinen revisionsrechtlich erheblichen Mangel (BVerwGE 115, 189-205/201) und setzte den Rechtsstreit allein zu dem Zweck aus, die Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorschriften durch den EuGH klären zu lassen (BVerwGE 115, 189-205/ 192 u. 202 ff.). 271

272 Bei den Freiheitsrechten steht dafür die Formel „in dubio pro libertate“, Kahl, Der Staat 43 (2004), 167-202/168 u. 199 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 16. Kriele, Grundrechte, § 110 Rn. 2, gibt am Beispiel polizeilicher Ermächtigungen zu Bedenken, dass „[d]ie sogenannte ‚liberale‘ Auslegungsregel ‚in dubio pro libertate‘ … keineswegs notwendigerweise Freiheitssicherung [bedeutet]“. Im Ergebnis ebenso Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 230. Kontraproduktiv ist die Auslegungsregel aber nur, wenn ein weites Verständnis des Gewährleistungsgehalts mit einem engen der Grundrechtsschranken kombiniert wird. Hier wird der Formel nicht ein „in dubio pro aequitate“ gegenübergestellt, sondern der erste Teil der freiheitsrechtlichen Formel, das weite Verständnis des Gewährleistungsgehalts, im Sinne eines „in dubio pro protectione constitutionale“ auf die Gleichheitsgewährleistung ausgedehnt.

B. Gleichheitsmodell

233

dann: Beschränken sich die ungleichen Wirkungen darauf, der vom Gesetzgeber gewählten Situation zu begegnen, sind sie dadurch, dass sich die Personen in Bezug auf die Situation unterscheiden, legitimiert. Nur wenn der Gesetzgeber unter denen auswählt, die sich in der gewählten Situation befinden, nach bestimmten zusätzlichen Merkmalen Belastungen auferlegt oder Begünstigungen gewährt, ergeben sich ernstzunehmende Rechtfertigungsprobleme. Eingeschränkt wird der Umfang der gebotenen Gleichheitsprüfung daneben und vor allem durch das, was unter Berufung auf den Gleichheitssatz begehrt wird. (1)

Soll die Einbeziehung in eine anderen gewährte Begünstigung erreicht werden, setzt das voraus, dass kein Unterschied, der durch die Voraussetzungen der Begünstigung in Bezug genommen wird, die Ungleichbehandlung legitimiert. Umgekehrt bedeutet das, dass die Gleichheitsprüfung dann auf eine Voraussetzung beschränkt werden kann, wenn der durch sie in Bezug genommene Unterschied bereits für sich die Ungleichbehandlung legitimiert. Dann ist der Umfang der gebotenen Gleichheitsprüfung bei Erfolglosigkeit des Begehrens auf eine Voraussetzung beschränkt.

(2)

Wehrt sich eine Person gegen eine Belastung, hat sie unter Berufung auf den Gleichheitssatz bereits dann Erfolg, wenn sich die durch eine der Voraussetzungen bewirkte Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen lässt. Das ist dann der Fall, wenn der mit dieser Voraussetzung in Bezug genommene Unterschied die Ungleichbehandlung dessen, bei dem die Voraussetzung vorliegt, gegenüber dem, bei dem sie fehlt, nicht legitimiert. Dann ist der Umfang der gebotenen Gleichheitsprüfung bei Erfolg des Begehrens auf eine Voraussetzung beschränkt.

(3)

Unabhängig vom Begehren wird in der Praxis regelmäßig dann keine Gleichheitsprüfung erfolgen, wenn die Gleichheitswidrigkeit einer Unterscheidung weder von einem, der eine eigene Belastung abwehren oder eine eigene Begünstigung erreichen will,273 (substantiiert) geltend gemacht wird noch der prüfende Hoheitsträger eigene Bedenken hat. Viele Unterscheidungsmerkmale sind so unproblematisch, dass die Praxis auf eine ausdrückliche Prüfung verzichten wird. Die große Zahl der beim Beispiel der Zustandsverantwortlichkeit möglichen Vergleichspaare274 und darauf bezogener Rechtfertigungsprüfungen275 darf nicht den Eindruck erwe-

————— 273 Ausführlich zum Betroffensein in eigenen Rechten bei Art. 3 Abs. 1 GG: Pietzcker, JZ 1989, 305-310, und Sachs, Gleichheitssatz, S. 309-329, besonders 320 ff. 274

Unten unter B.II.1.b).

275

Unten unter B.IV.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

234

cken, jede verfassungsrechtliche Prüfung müsse nach dem Voraussetzungsmodell derart ausführlich erfolgen. Überwiegend dürften die Verantwortlichkeitsvoraussetzungen als unproblematisch angesehen werden, so dass die Praxis auf eine ausdrückliche Prüfung verzichten kann. Das hindert nicht, im Falle ihrer Beanstandung ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz zu begründen.276 Das ist keine Besonderheit der Gleichheitsprüfung. Vielmehr ist die Weite der ersten Ebene der Grundrechtsprüfung von den Freiheitsrechten, besonders der allgemeinen Handlungsfreiheit bekannt. Möglicherweise ergeben sich weitere Einschränkungen des Rechtsfertigungserfordernisses aus dem Verhältnis des allgemeinen Gleichheitssatzes zu den Freiheitsrechten. Es wird gesondert erörtert.277 e) Würdigung Die strikte Orientierung an den Voraussetzungen einer Regelung kommt für die Annahme eines Rechtfertigungserfordernisses – anders als einige der Eingriffs- und Vergleichsmodelle – ohne wertende oder abwägende Schritte aus. Das Voraussetzungsmodell ermöglicht eine eindeutige, schematisch zu handhabende Trennung der ersten Ebene, auf der darüber zu entscheiden ist, ob und inwiefern die Regelung vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen ist, und der zweiten, auf der die Rechtfertigungsprüfung erfolgt. Gegenüber der Suche nach einem gemeinsamen Oberbegriff hat es den Vorteil, sich auf die Feststellung beschränken zu können, ob die einzelnen Voraussetzungen vorliegen oder nicht, und die bisweilen gekünstelt wirkende Zusammenfassung der Voraussetzungen in einem Oberbegriff überflüssig zu machen. Das Voraussetzungsmodell nähert sich den Problemen von der anderen Seite. Es stellt anders als die Vergleichsmodelle nicht die Gemeinsamkeiten,278 sondern das Unterscheidungsmerkmal fest.279 Die Wahl des Bezugspunkts des Vergleichs beim Voraussetzungsmodell ————— Schon Leibholz, Gleichheit, S. 113 f., konnte auf reichhaltiges Material zu unproblematischen, aber dennoch an einer Gleichheitsgewährleistung gemessenen Klassifizierungen aus der Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten hinweisen: „Weiterhin wurde untersucht, ob der Verkauf gefälschter Milch verboten werden könnte, ob die Bergwerksbesitzer allein verpflichtet seien, zur Sicherheit der bei ihnen beschäftigten Personen eine genaue Zeichnung der Betriebsstätten anzufertigen, ob ein Verbot haltbar sei, das den Kundenfang und Reklamebetrieb in den Zügen zugunsten von Hotels usw. untersagte. … In all diesen Fällen handelt es sich um ‚distinctions‘, ‚classifications‘, die wie überhaupt die Mehrheit der zur Entscheidung gelangten Fälle nach der Ansicht des Supreme Court mit Recht als mit dem Gleichheitsprinzip nicht in Widerspruch stehend bezeichnet wurden“. 276

277

Im Dritten Teil.

Wie dies Heun, DK, Art. 3 Rn. 18, ausdrücklich fordert: „D[a]s Gleichheitsurteil ist Voraussetzung für die Feststellung einer Ungleichbehandlung“. 278

279 Hierin stimmt es mit dem Schema für die Gleichheitsprüfung bei Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 14 (S. 209 f.), überein.

B. Gleichheitsmodell

235

verdeutlicht, was zu rechtfertigen ist, nämlich die an Voraussetzungen und die mit ihnen in Bezug genommenen Unterschiede (nicht etwa Gemeinsamkeiten) anknüpfende Ungleichbehandlung von Personen. Nicht zu besorgen steht, dem Normgeber verbliebe kein Gestaltungsspielraum. Sein Freiraum besteht darin, zu entscheiden, ob er unterscheiden will 280 und nach welchen Merkmalen er unterscheiden will. Lediglich die durch die gewählten Merkmale bewirkten Ungleichbehandlungen werden an Art. 3 Abs. 1 GG überprüft, der dem Normgeber nicht vorgibt, welche Merkmale er zu wählen hat. Das Voraussetzungsmodell nimmt somit die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts ernst, nach der es Sache des Gesetzgebers ist, darüber zu entscheiden, welche von den Elementen, in denen sich Lebensverhältnisse gleichen oder unterscheiden, er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht.281 4. Ungleichbehandlung bei der Rechtsauslegung Rechtsauslegung bezeichnet hier die auf den jeweiligen Fall zugeschnittene Konkretisierung einer Regelung durch Verwaltung oder Rechtsprechung. Die Voraussetzungen der Regelung werden in einer bestimmten Weise verstanden. Das Ergebnis der Auslegung lässt sich als präzisierte Voraussetzung formulieren. Sofern die Regelung Ermessen einräumt, können die dabei angestellten Erwägungen ebenfalls als Voraussetzungen für ein hoheitliches Tätigwerden gefasst werden. In beiden Fällen kann von Auslegungsvoraussetzungen gesprochen werden.282 Ein abweichendes früheres Verständnis der Regelung seitens derselben Verwaltungsbehörde kann unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung283 beachtlich sein und demnach eine (Auslegungs-) Voraussetzungen für den Eintritt oder Nichteintritt einer Wirkung bilden. ————— 280 Sofern das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausnahmsweise gebietet, zu unterscheiden. Siehe dazu unten unter B.V. Beim Verordnungsgeber kann sich eine Pflicht zu unterscheiden freilich aus dem ermächtigenden Gesetz ergeben. 281

BVerfGE 81, 108-122/117; 83, 395-403/401; 84, 348-365/359; 108, 52-82/68 jeweils m.w.N.

Vgl. BVerfGE 101, 331-360/358: „Die Unterschiede sind das Ergebnis richterlicher Gesetzesauslegung“ [mit Unterschieden ist hier Ungleichbehandlung gemeint]. Ein Beispiel für eine Auslegungsvoraussetzung ist das vom Bundesfinanzhof geforderte „Bestehen einer berufsrechtlichen Regelung“, um eine Person in die Umsatzsteuerbefreiung für heilberufliche Tätigkeiten einzubeziehen, vgl. die Überprüfung dieser Auslegung in BVerfGE 101, 132-41/139 ff. Ein weiteres Beispiel ist die Rechtsform, in der ärztliche Leistungen erbracht werden, nach der der Bundesfinanzhof über die Einbeziehung in die Umsatzsteuerbefreiung unterscheidet, vgl. die Überprüfung in BVerfGE 101, 151-158/155 ff. Ein drittes Beispiel ist die Unterscheidung von eingetragenen und nicht eingetragenen Käufern in Auslegung des gesetzlichen Merkmals Erwerb durch die Verwaltungsgerichte, vgl. die Überprüfung in BVerfGE 101, 239-274/261 f. u. 269 ff. Weitere Beispiele gibt BVerfGE 99, 129-145/139 („Die Auslegung des Vermögensgesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht führt in zweifacher Hinsicht zu einer Ungleichbehandlung …“). 282

283

Dazu Ossenbühl, Rechtsetzung, § 65 Rn. 44 f.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

236

Bei begünstigenden Regelungen können Auslegungsvoraussetzungen den Kreis der Begünstigten durch ein weites Verständnis der Regelungsvoraussetzungen erweitern;284 sie können ihn, sofern Ermessen eingeräumt ist, aber auch beschränken. Bei belastenden Regelungen dürfen Auslegungsvoraussetzungen nur zur Einengung der Eingriffsbefugnis – und damit zugleich zur Annäherung der zulässigen ungleichen Wirkungen – führen, sei es durch ein enges Verständnis der Regelungsvoraussetzungen oder durch Ermessensgesichtspunkte. Führen sie hingegen zur Ausweitung der Eingriffsbefugnis, verstößt die Auslegung gegen den Vorbehalt des Gesetzes und damit gegen ein Freiheitsrecht. Einer Prüfung an Art. 3 Abs. 1 GG bedarf es dann nicht mehr. 285 Das Ergebnis der Auslegung lässt sich wie eine Regelung mit abstraktgenerellen Voraussetzungen formulieren. Sie lässt sich in der gleichen Weise am Gleichheitssatz überprüfen wie die Regelung des Normgebers. So verfährt das Bundesverfassungsgericht regelmäßig, wenn es den Gewährleistungsgehalt des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen dahingehend präzisiert, der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, wenn die Gerichte im Wege der Gesetzesauslegung (oder der Lückenfüllung 286) zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen.287 Dass sich zur Tätigkeit der Verwaltung keine vergleichbare Formulierung findet, liegt nicht an einer anders zu verstehenden Bindung an den Gleichheitssatz, sondern schlicht daran, dass sich das Bundesverfassungsgericht wegen der Grundsätze der Rechtswegerschöpfung und der Subsidiarität288 ganz überwiegend erst mit der durch gerichtliche Entscheidungen geläuterten Auslegung von Normen zu befassen hat. Insgesamt bestehen auf der ersten Ebene der Gleichheitsprüfung bei der Rechtsauslegung gegenüber der Rechtsetzung keine Besonderheiten. Die Ungleichbehandlung kann deshalb ebenso definiert, die Vergleichspaare können unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsvoraussetzungen nach denselben Regeln gebildet werden wie für die Rechtsetzung dargestellt.

————— 284 Zur „Tendenz, die Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes bei Leistungsgesetzen weniger eng zu sehen als bei Eingriffsgesetzen“ Ossenbühl, Vorrang, § 62 Rn. 23. 285

Zum Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsrechten ausführlich im Dritten Teil.

286

BVerfGE 84, 197-203/199; 101, 239-274/269 (beide Erster Senat).

BVerfGE 58, 369-377/374; 59, 52-63/59; 69, 188-209/205; 70, 230-242/240; 74, 129-162/149; 79, 106-126/122; 84, 197-203/199; 99, 129-145/139; 101, 239-274/269 (sämtlich Erster Senat). Besonders deutlich in BVerfGE 98, 49-70/62 (ebenfalls Erster Senat): „Der Richter ist bei Auslegung und Anwendung des Gesetzes an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 3 Abs. 1 GG auch den Gestaltungsraum des Gesetzgebers beschränken“. 287

288

BVerfGE 86, 15-27/22 ff.; 86, 382-390/386 ff.; 104, 65-74/70 ff.

B. Gleichheitsmodell

237

5. Ungleichbehandlung bei der Rechtsanwendung Rechtsanwendung bezeichnet hier das behördliche Verhalten oder den gerichtlichen Ausspruch gegenüber einem Adressaten. Ungleichbehandlung bei der Rechtsanwendung meint, dass sich eine Behörde (oder ein Gericht) dem Adressaten und einer (fiktiven) Vergleichsperson gegenüber unterschiedlich verhält, obgleich bei beiden die nach der Regelung und ihrer Auslegung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Macht sie das aufgrund eines Unterschieds zwischen beiden, der sich abstrakt als zusätzliche Voraussetzung fassen lässt, gilt das zur Rechtsauslegung Gesagte. Zu prüfen ist erstens (ggf. am Maßstab der Freiheitsrechte), ob das Aufstellen der zusätzlichen Voraussetzung den Vorbehalt des Gesetzes wahrt, und zweitens als gleichheitsrechtliches Problem, ob der durch die zusätzliche Voraussetzung in Bezug genommene Unterschied die Ungleichbehandlung legitimiert. Lässt sich, was kaum vorstellbar ist,289 kein Unterschied zwischen Adressat und Vergleichsperson ausmachen, liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Adressat aber nur dann auf den Gleichheitsverstoß berufen, wenn seine Behandlung nicht mit dem Rechtsbefehl der Regelung übereinstimmte. Anderenfalls wird ihm der Erfolg eines Gleichheitsvorbringens versagt.290 Für den Regelfall, in dem ein Unterschied zwischen Adressat und Vergleichsperson angeführt werden kann, auf den die handelnde Behörde oder das entscheidende Gericht seine Ungleichbehandlung stützt, gelten bei der Rechtsanwendung auf der ersten Stufe der Gleichheitsprüfung die für die Rechtsetzung entwickelten Regeln entsprechend. Vereinzelt führt das Bundesverfassungsgericht bei der Rechtsanwendung eine Willkürprüfung durch, ohne eine Ungleichbehandlung festzustellen.291

————— 289

Vgl. das Sprichwort „Es ist nicht ein Mensch wie der andere“.

Das wird unter der Kurzformel „Keine Gleichheit im Unrecht“ diskutiert, vgl. Maurer, Kontinuitätsgewähr, § 60 Rn. 96 m.w.N. in Fn. 249. Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind BVerfGE 21, 245-261/261, und 25, 216-230/229. 290

291 BVerfGE 80, 48-53/51 ff.; 81, 132-138/137 f.; 83, 82-88/84 ff.; 86, 59-65/62 ff.; 86, 133-148/ 141 ff. Siehe dazu die Einleitung zu B.V.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

238

II. Anwendung auf die Zustandsverantwortlichkeit 1. Ungleichbehandlung bei der Rechtsetzung a) Unterschiedliche Wirkungen durch Handeln eines Hoheitsträgers (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht (a) Unterschiedliche Wirkungen bei Verantwortlichen und Nicht-Verantwortlichen () Erleichterte Inanspruchnahme und Kostenlast Die Polizei- und Ordnungsgesetze knüpfen an das Vorliegen und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeitsnormen verschiedene Wirkungen. Personen, die nach den Gesetzen verantwortlich sind, können nach dem Gesetzeswortlaut unbeschränkt zur Abwehr der Gefahr herangezogen werden, ohne Ersatz für die Kosten der Maßnahme verlangen zu können. Über die Inanspruchnahme entscheidet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen292 und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. 293 Führt die Person die ihr aufgegebenen Maßnahmen nicht durch und handelt der Hoheitsträger an ihrer Stelle im Wege der Ersatzvornahme 294 oder des unmittelbaren Zwangs,295 so hat sie nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Normen296 die entstehenden Kosten zu ersetzen. Die Kosten sind auch zu ersetzen, wenn der Hoheitsträger den Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreichen konnte und die Maßnahme unmittelbar ausgeführt hat.297 Liegen hingegen die Voraussetzungen der Verantwortlichkeitsnormen nicht vor, kann eine Person nur unter erschwerten Voraussetzungen als nicht verantwortliche Person 298 herangezogen werden und hat im Falle ihrer Inanspruchnahme einen Ersatzanspruch.299 Die an das Unterscheidungsmerkmal anknüpfenden Wirkungen liegen

————— 292 § 3 MEPolG. Regelungen des Ermessens in den einzelnen Ländern in der Synopse unten im Anhang II. 293 § 2 MEPolG. Regelungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den einzelnen Ländern in der Synopse unten im Anhang II. 294

Nach den § 10 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

295

Nach den § 12 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

296

Nach den § 10 und § 19 Abs. 1 S. 1 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

297

§ 5 a MEPolG. Regelungen des Kostenersatzes bei unmittelbarer Ausführung in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 298 § 6 MEPolG. Oft „Nichtstörer“ genannt. Regelungen der Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II. 299 § 45 Abs. 1 S. 1 MEPolG. Regelungen des Ausgleichsanspruchs eines in Anspruch genommenen Nichtverantwortlichen in den einzelnen Ländern in der Synopse in Anhang II.

B. Gleichheitsmodell

239

also zum einen in der Möglichkeit zur Inanspruchnahme unter erleichterten Bedingungen, zum anderen in der Kostenlast. Lindner hat das als „vier Grundelemente herkömmlicher Adressatendogmatik“ akzentuiert: Dichotomie Verantwortlicher/ Nicht-Verantwortlicher, Entschädigungslosigkeit des rechtmäßig in Anspruch genommenen Verantwortlichen, Funktion der Kostentragungspflicht als Surrogat der Gefahrenabwehrpflicht des Verantwortlichen (Konnexitätsprinzip) und Gewährung eines Schadensausgleichs für den Nicht-Verantwortlichen. 300 Gelegentlich zu findende Versuche, die Konnexität von Handlungspflicht und Kostenlast aufzulösen und weitere Kriterien für die Entscheidung über die Kostenlast einzuführen, 301 finden im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber könnte die Handlungspflicht von der Kostenlast trennen, hat dies bislang jedoch nicht getan. () Materielle Gefahrenabwehrpflicht? Zuweilen wird als Wirkung des Vorliegens der Voraussetzung der Verantwortlichkeitsnormen ein weiteres genannt: eine materielle Gefahrenabwehrpflicht des Verantwortlichen.302 Gemeint ist mit dem Begriff einer materiellen Pflicht, dass die verantwortlichen Personen auch und bereits ohne hoheitliche Inanspruchnahme zur Verhinderung und Beseitigung von Gefahren verpflichtet seien, vereinfacht ausgedrückt: dass sie verpflichtet seien, nicht zu stören.303 ————— Lindner, Dimension, S. 3. Die Geltung und Richtigkeit dieser herkömmlichen Grundelemente stellt Lindner in seiner Arbeit allerdings in Frage. 300

301 Beispielsweise bei Griesbeck, Polizeipflicht, S. 130 ff., das aus dem Gebührenrecht bekannte Merkmal der „individuellen Zurechenbarkeit“. 302 Griesbeck, Polizeipflicht, S. 82 ff., und Martensen, DVBl. 1996, 286-292/287 ff. Aus vorwiegend dogmatischen Gründen gänzlich ablehnend Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 4 (mit Konsequenzen in Rn. 50 u. 61). Kritisch auch Wagner, Polizeipflicht, S. 62-78, der meint, „präziser, aber zu umständlich wäre der Begriff der ‚in Anspruch zu nehmenden Personen‘“ (S. 67).

Der Gedanke der Nichtstörungspflicht wurde maßgeblich von Mayer, Verwaltungsrecht, S. 250 ff. u. 257 ff., formuliert. Er nannte sie „eine allgemeine Pflicht der Unterthanen dem Gemeinwesen und der seine Interessen vertretenden Verwaltung gegenüber, eine Pflicht, die wir ohne weiteres als eine selbstverständliche, angeborene ansehen: die nämlich, daß sie ihrerseits nicht störend eingreifen in die gute Ordnung des Gemeinwesens, vielmehr dafür sorgen, solche Störungen aus ihrem Lebenskreise heraus zu unterlassen und zu verhüten“ (S. 251), kurzum, eine „vorausgesetzte[] allgemeine[] Unterthanenpflicht, Störungen der guten Ordnung des Gemeinwesens zu unterlassen“ (S. 257). „Der verfassungsrechtliche Vorbehalt verlangt eine gesetzliche Grundlage für jeden Eingriff in Freiheit und Eigentum; aber ohne gesetzliche Grundlage kann die Störung der guten Ordnung mit unmittelbarer Gewaltanwendung abgewehrt werden: die einfache Geltendmachung der bereits bestehenden Pflicht ist kein vorbehaltener Eingriff“ (S. 252 f.) (Hervorhebungen im Original). Erler, Maßnahmen, S. 44 ff., setzt sich eingehend mit Mayers Nichtstörungspflicht auseinander. BVerwG, NuR 2006, 433-435/434, und OVG Lüneburg, NuR 2004, 684-687/685 ff. (beide zur Reichweite der Erlöschensregelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes – AKG), setzen das Bestehen einer materielle Polizeipflicht voraus. 303

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

240

Die Idee einer materiellen Polizeipflicht wird auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zurückgeführt, das bereits in seiner ersten Entscheidung zur Pflichtigkeit des Grundstückeigentümers feststellte, für jeden Eigentümer bestehe „die Pflicht, sein Grundstück in einem solchen Zustande zu erhalten, bezw. dasselbe so umzugestalten, daß polizeilich zu schützende öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden“.304 Die Polizeibehörden könnten den Eigentümer zur Erfüllung dieser Pflicht anhalten und ihm dazu konkrete Maßnahmen aufgeben. Jedoch war von Anbeginn an unbestritten, dass die Nichterfüllung dieser Pflicht nicht zu einer Handlungsverantwortlichkeit des Eigentümers oder sonstigen Sachherrn unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens führen sollte.305 Die ursprüngliche Idee und die Entscheidung des PrOVG sind vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage zu würdigen: Es fehlte an einer ausdrücklichen Eingriffsermächtigung der Ordnungsbehörden gegenüber dem Inhaber der Gewalt über eine gefährliche Sache. Die Rechtfertigung des hoheitlichen Vorgehens war also nur über den Umweg der Annahme einer nicht ausdrücklich normierten Pflicht möglich, zu deren Erfüllung der Gewalthaber angehalten werden durfte.306 Die Annahme einer erst durch die hoheitliche Inanspruchnahme begründeten Pflicht hätte nach damaligem Verständnis des Eigentumsschutzes einen entschädigungspflichtigen Eingriff bedeutet. Freiheitsschutz und Entschädigung konnten dem Eigentümer nur versagt werden, wenn man annahm, er werde durch die Inanspruchnahme in die „Schranken seiner Rechte zurückgewiesen“.307 Wenn heutzutage vereinzelt in einer „materiellen Polizeipflicht“ der „einheitliche Rechtsgrund“ für die Inanspruchnahme der verantwortlichen Personen ————— 304

PrOVGE 7, 348-352/351. Dazu ausführlich im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()().

Jüngst bestätigt von VGH Mannheim, ZUR 2002, 227-230/228, und VGH Mannheim, Urt. v. 30.7.2002 – 10 S 2153/01 – in JURIS veröffentlicht: „Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Pflicht des Vermieters zur Störungsbeseitigung allein aus seiner Zustandshaftung nach § 7 [BaWü] PolG ableitet. Ginge man hier von einer Haftung nach § 6 Abs. 1 [BaWü] PolG aus, würde jeder Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt neben seiner bereits bestehenden Zustandshaftung wegen des Unterlassens störungsbeseitigender Maßnahmen immer auch Verhaltensstörer. Dies führte jedoch zu einer weit gehenden Aufgabe der in der bisherigen Dogmatik des Störerbegriffs vorgenommenen eindeutigen Abgrenzung von Verursacher- und Zustandsverantwortlichkeit. Die Zustandsverantwortlichkeit würde zu einer Verhaltenshaftung ‚aufgestockt‘ und damit weitgehend gegenstandslos“. 305

Wagner, Polizeipflicht, S. 41-45. Vgl. Erler, Maßnahmen, S. 44-55 und S. 74 f.: „Die Mayersche Nichtstörungspflicht wurde für den Bereich gesetzesfreier Polizeiverwaltung konzipiert und sollte als justitiable Untertanenpflicht das Erfordernis eines formellen Gesetzes entbehrlich machen sowie ein Wiederaufleben der polizeistaatlichen Zweckmäßigkeitsverwaltung verhindern“. 306

307 Diese Auffassung wurde auch unter Geltung des Grundgesetzes noch vereinzelt vertreten, vgl. oben Fn. 23 u. 24 (Seite 52).

B. Gleichheitsmodell

241

gesehen wird,308 bringt das für eine Prüfung der Pflicht am Maßstab der Grundrechte keinen Gewinn. Weder macht das überkommene Bestehen einer Pflicht eine Rechtfertigung am Maßstab der Freiheitsrechte, hier besonders als Inhaltsund Schrankenbestimmung, entbehrlich noch genügt es, zur Rechtfertigung einer ungleichen hoheitlichen Auferlegung von Pflichten vor dem allgemeinen Gleichheitssatz darauf hinzuweisen, der Belastete sei seit jeher und auch ohne gesetzliche Regelung zu dem geforderten Handeln verpflichtet. Auch althergebrachte Pflichten sind nach heutigem Verständnis an den Grundrechten zu messen und als Eingriffe zu rechtfertigen und, sofern sie Ungleichbehandlungen bewirken, als ungleiche Belastungen zu legitimieren.309 Wenn seit Schaffung ausdrücklicher Eingriffsermächtigungen auch gegenüber dem Gewalthaber310 und unter dem Grundgesetz über das Bestehen einer materiellen Pflicht gestritten wird, so ist das nach der hier vertretenen Auffassung lediglich für drei Themenkreise weiterhin bedeutsam: die Frage der Übergangs-/ Nachfolgefähigkeit der Pflichtigkeit,311 die Pflichtigkeit von Hoheitsträgern312 sowie die Bedeutung der Pflichtigkeit in der Insolvenz.313 Sie liegen außerhalb des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit. Die Argumente für und wider das Bestehen einer materiellen Gefahrenabwehrpflicht sollen hier deshalb nicht weiter vertieft werden. (b) Sonstige unterschiedliche Wirkungen? Da jede (kumulativ geforderte) Voraussetzung einer Norm zu einer Differenzierung zwischen denen führt, bei denen die Voraussetzung vorliegt, und denen, bei denen das nicht der Fall ist, lässt sich auch hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen der Inanspruchnahme nach Polizei- und Ordnungsrecht sagen, sie erzeugten unterschiedliche Wirkungen. Hinsichtlich der Voraussetzungen der ————— Etwa von Griesbeck, Polizeipflicht, S. 30 f. Im weiteren spricht er ohne weitere Begründung von der „materiellen Polizeipflicht als anerkanntem Rechtsgrund der Störerverantwortlichkeit“ (S. 57, S. 60 und S. 69). 308

309

Beispielsweise die Unterhaltspflicht gegenüber geschiedenen Ehegatten, BVerfGE 66, 84-100/

93 ff. 310

Erstmals in § 18 des Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) vom 1. Juni 1931, dazu im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()(). 311 Dazu Ossenbühl, Haftung, S. 54 ff. Das BVerwG hält in seinem Urteil vom 16.03.2006, NVwZ 2006, 928-932/930 f., sogenannte abstrakte Polizeipflichten für im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergangsfähig. Anders noch die Vorinstanz, VGH Mannheim, NuR 2006, 107-110/109. 312 313

Dazu – unter Ablehnung einer materiellen Polizeipflicht – Wagner, Polizeipflicht.

Zu (altlastenbezogenen) bodenschutz- bzw. polizei- und ordnungsrechtlichen Pflichten in der Insolvenz: Kley, DVBl 2005, 727-733; Riese/ Karsten, NuR 2005, 234-239; Uhlenbruck, EwiR 2004, 1025-1026. Zu den Betreiberpflichten nach dem BImSchG unter Geltung der Konkursordnung (KO): OVG Lüneburg, B. v. 7.1.1993, NJW 1993, 1671, und OVG Lüneburg, B. v. 20.3.1996, NJW 1998, 398-401/399: „Die Verpflichtung zur Beseitigung eines ordnungswidrigen Zustandes ent- und besteht jedoch unabhängig von einem sie konkretisierenden Verwaltungsakt; sie ist schon aufgrund des Gesetzes zu erfüllen. Die nur im Falle der Nichterfüllung jener Pflicht ergehende Ordnungsverfügung dient nicht ihrer Begründung, sondern ihrer Durchsetzung“.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

242

(von einer Sache ausgehenden) konkreten Gefahr und der gefährdeten Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ergeben sich jedoch keine Gleichheitsprobleme. Sie beschreiben die Situation, in der der Gesetzgeber Personen unterschiedlich behandelt, bewirken aber selbst keine Ungleichbehandlung von Personen. Aus ihnen ergibt sich nach dem oben314 Gesagten kein Rechtfertigungserfordernis. Wer nach der ebendort ausgeführten Zweifelsregel dennoch meint, eine Rechtfertigungsprüfung durchführen zu sollen, weil die Ungleichbehandlung von Situationen mittelbar dazu führt, dass Personen ungleich behandelt werden, hier also etwa Personen, von deren Sachen eine konkrete Gefahr ausgeht, und Personen, bei deren Sachen das nicht der Fall ist, oder für Personen, deren Sachen die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (oder öffentlichen Ordnung) gefährden, und Personen, deren Sachen andere Güter gefährden, muss feststellen, dass sich die unterschiedlichen Wirkungen darauf beschränken, der vom Gesetzgeber gewählten Situation zu begegnen, und deshalb dadurch, dass sich die Personen in Bezug auf die Situation unterscheiden, legitimiert sind. (2) Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz Das BBodSchG kennt keine Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeitsnormen entfaltet das BBodSchG für die betreffenden Personen – abgesehen von der Sperre für die Anwendung des Polizei- und Ordnungsrechts – keine Wirkungen. Personen, die nach dem BBodSchG verantwortlich sind, können zur Abwehr der Gefahr herangezogen werden, ohne Ersatz für die Kosten der Maßnahme verlangen zu können. Über die Inanspruchnahme entscheidet die zuständige Behörde nach ihrem Ermessen315 und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.316 Führt die Person die ihr aufgegebenen Maßnahmen nicht durch und handelt der Hoheitsträger an ihrer Stelle im Wege der Ersatzvornahme317 oder des unmittelbaren Zwangs 318, so hat sie nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Normen319 – nach anderer Auffassung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG 320 – die entstehenden Kosten zu ersetzen. Anders als ————— 314

Unter B.I.3.d).

315

§ 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG.

316

§ 10 Abs. 1 S. 4 BBodSchG.

317

Nach den § 10 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

318

Nach den § 12 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

319

Nach den § 10 und § 19 Abs. 1 S. 1 VwVG entsprechenden Landesvorschriften.

320

Die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG auf Kosten der Ersatzvornahme wird in Frage gestellt, weil die Durchsetzung der Maßnahmen nach § 9 Abs. 2 und nach § 10 Abs. 1 BBodSchG im Wege der Verwaltungsvollstreckung grundsätzlich nach den einschlägigen Landesvoll-

B. Gleichheitsmodell

243

im Polizei- und Ordnungsrecht bestehen die Pflichten nach dem BBodSchG unmittelbar, d.h. unabhängig von einer behördlichen Inanspruchnahme. 321 Die an das Unterscheidungsmerkmal anknüpfenden Wirkungen liegen also zum einen im gesetzesunmittelbaren Bestehen einer materiellen Verhaltenspflicht mit Möglichkeit zur Konkretisierung durch behördliche Inanspruchnahme, zum anderen in der unbeschränkten Kostenlast. § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG fügt dem eine weitere Wirkung hinzu. Eigentümer, die das Eigentum an dem Grundstück nach dem 1.3.1999 übertragen haben und dabei die Verunreinigung kannten oder kennen müssen, werden nicht aus der Verantwortlichkeit entlassen, sofern sie nicht beim Erwerb schutzwürdig auf das Nichtvorhandensein der Verunreinigung vertraut haben. Die Verantwortlichkeit überdauert somit die Eigentumsübertragung, sie wird vom Eigentum verselbständigt, wird perpetuiert 322, verlängert323, sie wirkt nach324 oder fort325. b) Vergleichspaare (1) Für das Polizei- und Ordnungsrecht Ob eine Person in der vom Gesetz geregelten Situation einer von einer Sache ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) Verantwortlicher oder Nicht-Verantwortlicher ist, welche der unterschiedlichen Wirkungen sie also trifft, hängt vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Regelungs-

—————

streckungsgesetzen erfolgt und diese deshalb auch für die Kosten anwendbar sein könnten. Der VGH München, B. v. 14.8.2003 – 22 ZB 03.1661 – in JURIS veröffentlicht, hat diese Frage unter Darstellung der in der Kommentarliteratur vertretenen Positionen offengelassen. Vgl. auch Stüer/ Hönig, DVBl. 2004, 282-293/291. 321 So die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 34 (zu § 4). Ebenso BVerwG, NuR 2006, 645-647/646. Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 92, vergleicht die Regelung (hinsichtlich des früheren Eigentümers) mit § 5 Abs. 3 BImSchG und spricht von einer „abstrakten[n] Sanierungspflicht des früheren Eigentümers, der er grundsätzlich auch ohne Konkretisierung Folge zu leisten habe“, d.h. „unmittelbar kraft Gesetzes“. 322

Knopp, BBodSchG, Rn. 138; Riedel, ZIP 1999, 94-100/98.

Giesberts, FK, § 4 BBodSchG Rn. 367; in Rn. 382 charakterisiert er die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers treffend als „zeitliche Ausdehnung der Pflichten des Eigentümers“. Dagegen Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 71: „Das Wort von der ‚Verlängerung der Zustandsverantwortlichkeit‘ verschleiert nur die dogmatische Bindung der Verantwortlichkeit an das Eigentum“. 323

324

Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 25.

Trurnit, altlasten spektrum 2001, 143-144/144. Ähnlich Droese, UPR 1999, 86-92/90: „Fortdauer der Zustandsverantwortlichkeit“, und Würtenberger/ Heckmann/ Riggert, Polizeirecht, Rn. 460: „Fortbestand der Zustandsstörerverantwortlichkeit“. Hingegen erkennt Grzeszick, NVwZ 2001, 721-730/726 in der „zeitlich ausgedehnte[n], ‚ewige[n] Zustandshaftung‘“ eine „gegenüber der Zustandshaftung eigenständige Pflichtigkeit“, die sich aus der Kombination zweier „Zurechnungselemente“, Übertragung von Eigentum am belasteten Grundstück und fehlendes bzw. nicht schutzwürdiges Vertrauen, ergebe. 325

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

244

voraussetzungen ab, die nach der oben 326 formulierten ersten Regel den Ausgangspunkt der Vergleichspaarbildung bilden. Sie beschreiben die Rolle der Person in der gesetzlich geregelten Situation. Zu vergleichen sind die Personen in der durch das Unterscheidungsmerkmal definierten Rolle bezogen auf die den Anwendungsbereich der Norm bestimmende Situation. Um die Gleichheitsprüfung auf jeweils nur eine Voraussetzung zu beziehen, müssen nach der zweiten Regel die kumulativ mit ihr geforderten Voraussetzungen bei beiden Vergleichspersonen vorliegen. Für die Unterscheidung nach dem Innehaben der tatsächlichen Gewalt werden kumulativ lediglich Anforderungen gestellt, die die Situation beschreiben (konkrete Gefahr, von einer Sache ausgehend, Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung betreffend). Besonderes gilt jedoch für die aneinander anknüpfenden Voraussetzungen, hier etwa das Eigentum und die daran anknüpfende Voraussetzung, dass die tatsächliche Sachherrschaft nicht gegen den eigenen, wegen der Berechtigung an sich maßgeblichen Willen ausgeübt wird. Für die zweite, anknüpfende Voraussetzung ist nach der dritten Regel bei beiden Vergleichspersonen das Vorliegen der Grundvoraussetzung Eigentum zu fordern – verglichen werden können also Eigentümer, gegen deren Willen die tatsächliche Sachherrschaft von Dritten ausgeübt wird, mit Eigentümern, bei denen das nicht der Fall ist. Für die Unterscheidung nach der ersten, der Grundvoraussetzung Eigentum bleibt die anknüpfende Voraussetzung nach der dritten Regel unbeachtet – verglichen werden also Eigentümer mit Nicht-Eigentümern. Wegen der nach den Normen über die Zustandsverantwortlichkeit gleich wirkenden alternativen Voraussetzungen ist für die Bildung der Vergleichspaare die siebte Regel besonders wichtig. Bei der Vergleichsperson ist danach darauf zu achten, dass die gleich wirkenden alternativen Voraussetzungen als negative Voraussetzungen formuliert werden. Gemeinsam ist allen Vergleichspersonen, dass sie die Gefahr nicht verursacht haben dürfen und nicht als Aufsichtspflichtiger oder sonstiger Zusatzverantwortlicher oder als Geschäftsherr einer Verrichtung für den Verursacher einzustehen haben, weil die Regelungen anderenfalls keine ungleichen Wirkungen erzeugen. Wohlgemerkt handelt es sich bei diesen Negativmerkmalen nicht um Voraussetzungen der Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher. Zustandsverantwortlich ist auch der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt, der die von der Sache ausgehende Gefahr unmittelbar verursacht hat. Die Negativabgrenzung ist vielmehr notwendig, um zu ermitteln, was es rechtfertigt, die Verantwortlichkeit von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der hier interessierenden Unterscheidungsmerkmale abhängig zu machen. Für die hier interessierenden Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit ergeben sich folgende Vergleichspaare: ————— 326

Unter B.I.3.c)(1).

B. Gleichheitsmodell

245

(1)

Für das Unterscheidungsmerkmal Eigentum lässt sich eine Person in ihrer Rolle als Eigentümer einer Sache, von der eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (konkret gefährliche Sache), mit einer Person vergleichen, die nicht Eigentümer und auch nicht sonst Berechtigter oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Sache ist. Vereinfacht gefasst geht es um den Vergleich eines Eigentümers mit einem Nichtverantwortlichen.

(2)

Für das Unterscheidungsmerkmal Innehaben der tatsächlichen Gewalt ist eine Person in ihrer Rolle als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine konkret gefährliche Sache, einer Person in ihrer Rolle als Nichtinhaber der tatsächlichen Gewalt an dieser Sache, die auch nicht Eigentümer ist oder war oder sonst Berechtigter ist, gegenüberzustellen. In diesen Vergleich werden die Berechtigten an einer Sache, über welche die tatsächliche Gewalt nicht gegen ihren Willen ausgeübt wird, einbezogen. In den Ländern, in denen eine Verantwortlichkeit der sonst Berechtigten oder sonst dinglich Verfügungsberechtigten nicht gesondert bestimmt ist, sind Personen mit beschränkten dinglichen Rechten, beschränkter persönlicher Dienstbarkeit oder Pfandrechten ebenso wie obligatorisch Berechtigte327 als Inhaber der tatsächlichen Gewalt verantwortlich, sofern ihre Berechtigung, d.h. ihre rechtliche Sachherrschaft328, tatsächliche Sachherrschaft ermöglicht. Sofern sie keine – auch keine mittelbare – tatsächliche Gewalt haben, sind sie in diesen Ländern wegen des entsprechenden Erfordernisses der tatsächlichen Gewalt nicht verantwortlich. Sie sind es aber wegen der Ausnahmeklauseln nach dem Vorbild des § 5 Abs. 2 S. 2 ME PolG auch nicht in den anderen Ländern. Vereinfacht gefasst geht es um den Vergleich eines Berechtigten, der die tatsächliche Gewalt über die Sache selbst innehat oder willentlich überlassen hat, oder eines sonstigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt mit einem Nichtverantwortlichen. Um der Eigenart alternativer Voraussetzungen gerecht zu werden, die auch die Fälle umfassen, dass das alternativ Geforderte kumulativ vorliegt, könnte zusätzlich eine Person in ihrer Rolle als Eigentümer, der selbst die tatsächliche Gewalt über die konkret gefährliche Sache ausübt, mit einer Person in ihrer Rolle als Nichteigentümer und Nichtinhaber der tatsächlichen Gewalt verglichen werden. Da jedoch wegen der Ausnahmeklausel stets verlangt wird, dass die Ausübung der tatsächlichen Ge-

————— 327

Lepsius, Besitz, S. 302, nennt diese Personen beispielhaft als sonstige Berechtigte benennt.

Lepsius, Besitz, S. 302, bezeichnet die sonstige Berechtigung als „Unterfall der rechtlichen Sachherrschaft“. 328

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

246

walt mit dem Willen des Eigentümers erfolgt, sind von einem solchen Vergleich keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. (3)

Die Ausnahmeklausel des § 5 Abs. 2 S. 2 ME PolG 329 führt zu einem eigentümerinternen Vergleich. Zu vergleichen ist ein Eigentümer, der die tatsächliche Gewalt selbst innehat oder willentlich überlassen hat, mit einer Person, die Eigentümer einer Sache ist, über welche die tatsächliche Gewalt ohne oder gegen ihren Willen ausgeübt wird.

(4)

Derjenige, der das Eigentum an einer Sache hatte und es aufgegeben hat, wird gegenüber dem ungleich behandelt, der kein Eigentum an der Sache hatte. Das Aufgeben ist nach der dritten Regel bei der Vergleichsperson nicht zu berücksichtigen. Die Verantwortlichkeit des Derelinquenten knüpft in diesem Sinne an die zuvor bestehende Verantwortlichkeit des Eigentümers und perpetuiert sie für den Fall, dass das Eigentum aufgegeben und kein neues Eigentum an der Sache begründet wird.330 Daraus ergibt sich zusätzlich zu gegebenenfalls eigenständig zu begründenden Grenzen ein mittelbarer Schutz durch den Gleichheitssatz: Wenn und soweit der allgemeine Gleichheitssatz die Verantwortlichkeit des Eigentümers begrenzt, gelten die Grenzen auch für die „perpetuierte Eigentümerverantwortlichkeit“, die Verantwortlichkeit des Derelinquenten. 331 Auf den ersten Blick scheint es, als seien für die Regelung über die Verantwortlichkeit des Derelinquenten weitere Vergleichspaare zu bilden, anhand der Unterscheidungsmerkmale Aufgeben des Eigentums und Aufgeben gerade des Eigentums an der Sache. Die erste Voraussetzung, das Aufgeben im Sinne einer Dereliktion nach § 928 BGB oder § 959 BGB, scheint danach zu differenzieren, wie mit dem Eigentum umgegangen wurde. Nach der ersten Regel ließe sich das Aufgeben dem Nicht-Aufgeben gegenüberstellen. Nicht-Aufgeben des

————— 329 Entsprechende Ausnahmeklauseln in den Regelungen einzelner Länder sind angeführt in der Synopse in Anhang II. 330 Ipsen, POR, Rn. 208, beschreibt das als Ausdehnung und Fortwirkung der (Zustands-) Verantwortlichkeit. A. A. Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 35, die die Verantwortlichkeit des Derelinquenten systematisch „eher“ als eine Verhaltens-, denn als Zustandsverantwortlichkeit einordnen, weil „die Dereliktion … so erfolgen [muss], daß von ihr keine Gefahr ausgehen kann“. In den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen fehlen aber Anhaltspunkte dafür, daß die Gefahr gerade durch die Aufgabe verursacht sein muß. Wie die Altlastenfälle zeigen, ist auch der frühere Eigentümer als Derelinquent verantwortlich, der das Eigentum an einer bereits gefährlichen Sache aufgibt. Zudem ist die Verursachung einer Gefahr gerade durch die Handlung der Eigentumsaufgabe bereits durch die allgemeine Regelung der Verhaltensverantwortlichkeit erfasst, vgl. Droese, UPR 1999, 86-92/89. 331 Eine Besonderheit beim Derelinquenten ist allerdings der Umstand, dass die Gefahr nicht nur vor oder während der Eigentumsherrschaft, sondern auch noch nach ihrer Aufgabe entstehen kann.

B. Gleichheitsmodell

247

Eigentums meint jedoch entweder sonstiges Verlieren des Eigentums – etwa durch Übertragung (§§ 873, 925 BGB) oder im Wege des Aufgebotsverfahrens (§ 927 BGB) bei unbeweglichen Sachen, durch Übertragung (§§ 929-934 BGB), Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung (§§ 946-950 BGB) 332, Ersitzung (§ 945 BGB), Fund (§§ 973 u. 976 BGB) oder Fruchterwerb (§§ 954-957 BGB) bei beweglichen Sachen – oder Aufrechterhalten der Eigentumsposition. Sämtliche Varianten führen aber nicht zu einer herrenlosen Sache. Es zeigt sich deshalb, dass die Voraussetzung des Aufgebens nicht zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung von Personen führt, sondern lediglich die Situation beschreibt, der der Gesetzgeber begegnen wollte. Anders klingt das zuweilen, wenn neuerdings nach einer Rechtfertigung für die neue Verantwortlichkeit des früheren Grundstückseigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG333 gesucht wird und dabei der Derelinquent mit Personen, die ihr Eigentum anders als durch Aufgabe verloren haben, verglichen wird.334 Dazu ist festzustellen: nach dem BBodSchG werden diese Personen nicht ungleich, sondern gleich behandelt.335 Ob das überhaupt einer Rechtfertigung bedarf, richtet sich nach den Grundsätzen über die Gleichheitsprüfung bei Gleichbehandlungen, 336 nicht nach denen bei Ungleichbehandlungen. Die Landespolizei- und Ordnungsgesetze regeln die Verantwortlichkeit des Derelinquenten für die besondere Situation einer herrenlosen Sache. Wollte man sie gegenüber der Behandlung früherer Grundstückseigentümer, die ihr Eigentum anders als durch Aufgabe verloren haben, rechtfertigen, erschöpfte sich die Rechtfertigungsprüfung in dem wiederholten Hinweis auf die Verknüpfung von Eigentumsaufgabe und Herrenlosigkeit im geltenden Recht: Der Derelinquent unterscheidet sich von anderen früheren Eigentümern dadurch, dass seine Eigentumsaufgabe die Herrenlosigkeit bewirkt; das steht im sachlichen Zusammenhang zum Zweck der Abwehr von Gefahren, die von herrenlosen Sachen ausgehen; die Pflichtigkeit des Derelinquenten für herrenlose gefährliche Sachen gegenüber der Nichtverantwortlichkeit sonstiger früherer Eigen————— 332

Gleichbehandlung mit Derelinquenten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 HH SOG.

333

Dazu unten unter B.IV.4.d).

Etwa bei Müggenborg, NVwZ 2000, 50-52/52, und Würtenberger/ Heckmann/ Riggert, Polizeirecht, Rn. 460. 334

335 Der Derelinquent ist nach § 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 BBodSchG, der frühere Eigentümer nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlich. Sofern die allein für frühere Eigentümer geltenden qualifizierenden Anforderungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG dazu führen, das unter jenen, die schutzwürdig vertrauend erworben haben, lediglich Personen, die ihr Eigentum übertragen haben, befreit werden, nicht aber Derelinquenten, ist die Schlechterstellung der Derelinquenten zu rechtfertigen, nicht die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers in anderen Fällen. 336

Dazu unten unter B.V.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

248

tümer ist in Art und Ausmaß durch den Unterschied zwischen ihnen legitimiert. Die zweite Voraussetzung, das Aufgeben des Eigentums, bewirkt eine Differenzierung danach, was aufgegeben wird. Nach der ersten Regel ließe sich das Aufgeben des Eigentums dem Aufgeben anderer Positionen, etwa dem Aufgeben einer anderen Berechtigung oder der tatsächlichen Gewalt über die Sache gegenüberstellen. Das Aufgeben dieser Positionen führt aber nicht zu einer herrenlosen Sache. Es zeigt sich deshalb, dass auch das Kriterium der aufgegebenen Position nicht zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung von Personen führt, sondern lediglich die Situation beschreibt, der der Gesetzgeber begegnen wollte. (2) Für das Bundes-Bodenschutzgesetz Die Voraussetzung Grundstück beschreibt, weil Altlasten definitionsgemäß 337 auf Grundstücke und schädliche Bodenveränderungen definitionsgemäß338 auf den Boden und damit mittelbar ebenfalls auf Grundstücke339 bezogen sind, lediglich die Situation, der der Gesetzgeber begegnen wollte und in der Personen verschieden behandelt werden. Bei anderen Sachen als Grundstücken kann keine Altlast oder schädliche Bodenveränderung vorliegen, die unterschiedlichen Wirkungen für Eigentum an Grundstücken und an anderen Sachen erzeugen danach keinen Rechtfertigungsbedarf, jedenfalls ergibt sich aus ihnen wegen der auf die Grundstückssanierung beschränkten Rechtsfolgen kein Problem bei einer nach der Zweifelsregel dennoch für erforderlich erachteten Rechtfertigung. Die nach der vierten Regel zu berücksichtigende, in der Rechtsfolge der Anordnung einer Sanierung mittelbar enthaltene Voraussetzung, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, beschreibt ebenfalls lediglich die Situation, in der Personen verschieden behandelt werden, und erfordert deshalb selbst keine Rechtfertigung vor dem Gleichheitssatz. ————— 337 § 2 Abs. 5 BBodSchG: „Altlasten im Sinne dieses Gesetzes sind 1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und 2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden“. Synoptische Darstellung der Genese der Altlastendefinition in den verschiedenen Entwürfen des BMU für ein BBodSchG bei Smeddinck/ Tils, Normgenese, S. 370-373. 338

§ 2 Abs. 3 BBodSchG: „Schädliche Bodenveränderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen“. Synoptische Darstellung der Genese der Begriffsbestimmung in den verschiedenen Entwürfen des BMU für ein BBodSchG bei Smeddinck/ Tils, Normgenese, S. 368 f. 339

Denn Eigentum am Boden ist nach Grundstücken erfasst, vgl. §§ 873 ff. BGB.

B. Gleichheitsmodell

249

Bei den Vergleichspaaren zu den Unterscheidungsmerkmalen Grundstückseigentum, Innehaben der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück und Eigentumsaufgabe ergeben sich zu den entsprechenden Vergleichspaaren zum Polizei- und Ordnungsrecht keine großen Unterschiede. Die geregelte Situation ist enger, durch die zusätzlichen Verantwortlichen kommen zusätzliche Negativvoraussetzungen hinzu. Gemeinsam ist allen Vergleichspersonen, dass sie die Verunreinigung des Grundstücks340 nicht verursacht haben und nicht Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers sind, weil es sonst an ungleichen Wirkungen fehlt. Ferner dürfen sie nicht als handels- oder gesellschaftsrechtlich Einstandspflichtiger verantwortlich sein.341 Vereinfacht gefasst ergeben sich für die hier interessierenden Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit folgende Vergleichspaare: (1)

Für das Unterscheidungsmerkmal Eigentümer ist eine Person in ihrer Rolle als Eigentümer eines verunreinigten Grundstücks mit einer nach BBodSchG nicht verantwortlichen Person zu vergleichen. Die Eigentümerstellung umfasst den Eigentümer, der selbst die tatsächliche Gewalt innehat, wie die des Eigentümers einer Sache, über die ein Dritter die tatsächliche Gewalt ausübt (vgl. siebte Regel).

(2)

Für das Unterscheidungsmerkmal Innehaben der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück ist eine Person in ihrer Rolle als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein verunreinigtes Grundstück, der nicht Eigentümer des Grundstücks ist und das auch früher nicht war, mit einer Person, die die gleichen Negativvoraussetzungen erfüllt, in ihrer Rolle als Nichtinhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück gegenüberzustellen.

(3)

Für das Unterscheidungsmerkmal des Aufgebens des Eigentums an einem verunreinigten Grundstück (§ 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 BBodSchG) ist ein Derelinquent mit einer Person zu vergleichen, die kein Eigentum an der Sache hatte.

Die Verantwortlichkeit eines früheren Eigentümers hängt nach dem BBodSchG vom kumulativen Vorliegen mehrerer Voraussetzungen ab. Zu jeder von ihnen kann (mindestens) ein Vergleichspaar gebildet werden, nach der achten Regel für einige Voraussetzungen mehrere. Um eine gewisse Übersicht bei ihrer Darstellung wahren zu können, wird nachfolgend, sofern nicht ausdrücklich anders vermerkt, stillschweigend vorausgesetzt, dass die Vergleichsperso————— 340 Der Begriff der Begriff des verunreinigten Grundstücks wird nachfolgend als Oberbegriff für Grundstücke, deren Boden schädlich verändert ist, und Altlasten verwendet. 341 Ist eine natürliche Person Alleineigentümer, muss die fehlende Einstandspflicht nicht als Negativvoraussetzung formuliert werden, weil nach § 4 Abs. 3 S. 4 Alt. 1 BBodSchG nur für juristische Personen einzustehen ist.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

250

nen nicht nach anderen Merkmalen sanierungspflichtig sind, dass also die gleich wirkenden alternativen Voraussetzungen nicht vorliegen. (4)

Das Merkmal „Eigentum“ als Bestandteil der ersten Voraussetzung „früherer Eigentümer“ führt zum selben Vergleichspaar, wie es bereits zum Unterscheidungsmerkmal Eigentum bei der Zustandsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 BBodSchG gebildet wurde. Die zuvor bestehende Zustandsverantwortlichkeit wird für den früheren Eigentümer zeitlich ausgedehnt.342 Grenzen, die die Ungleichbehandlung des Eigentümers gegenüber dem nicht Verantwortlichen erfordern, gelten deshalb auch für die Ungleichbehandlung des früheren Eigentümers gegenüber dem nicht Verantwortlichen. Nach der dritten Regel über die Bildung der Vergleichspaare bedarf aber die Ungleichbehandlung eines nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlichen früheren Eigentümer gegenüber einer Person, die seit Entstehen der Kontamination343 zu keiner Zeit Eigentum an dem Grundstück hatte, einer eigenständigen Rechtfertigung neben der Ungleichbehandlung eines Eigentümers gegenüber einem Nicht-Verantwortlichen.

(5)

Die Verlängerung (ausschließlich) der Verantwortlichkeit des Eigentümers fordert den Vergleich eines verantwortlichen früheren Eigentümers mit einem nicht-verantwortlichen früheren Inhaber der tatsächlichen Gewalt.344

Weitergehende Grenzen ergeben sich möglicherweise aus den auf die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG bezogenen Gleichheitsprüfungen. Sie unterscheiden zum einen innerhalb der früheren Eigentümer: (6)

Für das Unterscheidungsmerkmal „nach dem 1. März 1999“ ist Vergleichsperson jemand, der sein Eigentum spätestens am 1. März 1999 übertragen hat.

(7)

Für das subjektive Unterscheidungsmerkmal der Kenntnis oder des Kennenmüssens ist Vergleichsperson jemand, der im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung weder positives Wissen davon hatte, dass das Grund-

————— 342

Nachweise oben in Fn. 322-325 (Seite 243).

343

Wer lediglich vor Entstehen der Kontamination Eigentum hatte, ist ebensowenig verantwortlich wie jemand, der zu keiner Zeit Eigentum hatte (vgl. Wüterich, LVW, § 4 Rn. 184). Insoweit bewirkt das frühere Eigentum also keine ungleichen Wirkungen, fehlt es an einer Ungleichbehandlung. 344

Dieses Vergleichspaar bildet auch Kahl, Die Verwaltung 2000, 29-78/73 f.

B. Gleichheitsmodell

251

stück verunreinigt war, noch bei verkehrsüblicher Sorgfalt solches Wissen gehabt haben musste.345 (8)

Für das verantwortlichkeitsbegründende Merkmal des fehlenden Vertrauens beim Erwerb und für das ans Vertrauen anknüpfende Merkmal der fehlenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist Vergleichsperson jemand, der beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, dass schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden waren, und deren Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist.

(9)

Hinsichtlich der maßgeblichen Zeitpunkte von Kenntnis oder Kennenmüssen (Eigentumsübertragung) sowie schutzwürdigem Vertrauen (Eigentumserwerb) können zudem Vergleiche mit früheren Eigentümern angestellt werden, die irgendwann nach Eigentumsübertragung Kenntnis erlangt haben oder die Verunreinigung hätten kennen müssen oder die irgendwann vor Eigentumserwerb schutzwürdig auf ihr Nichtvorliegen vertraut haben.

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG unterscheiden zum anderen zwischen Personen, die als Eigentümer, Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder Derelinquenten unabhängig vom Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen verantwortlich sind, und den nicht verantwortlichen früheren Eigentümern: (10) Nach der achten Regel sind sowohl ein aktueller Eigentümer als auch ein Derelinquent, die ihr Eigentum jeweils in schutzwürdigem Vertrauen auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung erworben haben,346 jeweils mit einem ebenfalls beim Erwerb schutzwürdig vertrauenden früheren Eigentümer zu vergleichen. (11) Nach der gleichen Regel sind ferner sowohl ein Derelinquent, der sein Eigentum spätestens am 1. März 1999 aufgegeben hat, als auch ein Derelinquent, der bei Eigentumsaufgabe die Verunreinigung weder kannte ————— 345 Vgl. die Definitionen des „Kennenmüssens“ in der Kommentarliteratur: Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 66 („Ausbleiben einer Kenntnis … infolge des Außerachtlassens der im Verkehr üblichen Sorgfalt“); Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 80 („schuldhaft nicht wissen“); Frenz, BBodSchG, § 4 Abs. 6 Rn. 17 („bei verkehrsüblicher Sorgfalt hätte erkennen können“); Giesberts, FK, § 4 BBodSchG Rn. 370 („schuldhaft, d.h. zumindest fahrlässig, nicht von der Bodenveränderung wußte“); Knopp, BBodSchG, Rn. 138 („fahrlässige Unkenntnis des Alteigentümers …, die er sich zurechnen lassen muß“); Schoeneck, BBodSchG, § 4 Rn. 48 („fahrlässige Unkenntnis“). Wüterich, LVW, § 4 Rn. 179, folgern aus der bisweilen gezogenen Parallele zur fehlenden Gutgläubigkeit das höhere Erfordernis „grob fahrlässige[r] Unkenntnis“. 346 Die weiteren qualifizierenden Voraussetzungen sind veräußerungsbezogen und können deshalb bei einem aktuellen Eigentümer nicht erfüllt sein. Anders beim Derelinquenten, für den die weiteren Vergleichspaare (11) gebildet werden können.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

252

noch kennen musste, jeweils mit einem nichtverantwortlichen früheren Eigentümer zu vergleichen. (12) Zuletzt ist ein Inhaber der tatsächlichen Gewalt, der diese in schutzwürdigem Vertrauen auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung erlangt hat, mit einem beim Erwerb schutzwürdig vertrauenden früheren Eigentümer zu vergleichen. Voraussetzung Eigentümer früherer Eigentümer Nach 1.3.1999

Kenntnis/ Kennenmüssen

Vergleichspaar (4) Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlicher früherer Eigentümer (5) Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlicher früherer Eigentümer (6) Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlicher früherer Eigentümer (11) Derelinquent, der sein Eigentum bis zum 1.3.1999 aufgegeben hat (7)

(11)

Kenntnis/ Kennenmüssen bei Eigentumsübertragung schutzwürdiges Vertrauen

(9)

(8)

(8)

(10)

(10)

(12)

Person, die seit Entstehen der Kontamination zu keiner Zeit Eigentum an dem Grundstück hatte Früherer Inhaber der tatsächlichen Gewalt

Früherer Eigentümer, der sein Eigentum spätestens am 1.3.1999 übertragen hat Früherer Eigentümer, der sein Eigentum spätestens am 1.3.1999 übertragen hat Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG Früherer Eigentümer, der bei Eigenverantwortlicher früherer Eigen- tumsübertragung keine Kenntnis von tümer der Verunreinigung hatte und auch nicht hätte haben müssen Derelinquent, der bei EigenFrüherer Eigentümer, der bei Eigentumsaufgabe keine Kenntnis von tumsübertragung keine Kenntnis von der Verunreinigung hatte und der Verunreinigung hatte und auch auch nicht hätte haben müssen nicht hätte haben müssen Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG Früherer Eigentümer, der nach der verantwortlicher früherer Eigen- Eigentumsübertragung Kenntnis von tümer der Verunreinigung erlangte oder hätte erlangen können Früherer Eigentümer, der bei Früherer Eigentümer, der bei Eigentumserwerb schutzwürdig auf das Eigentumserwerb nicht auf das Nichtbestehen einer Verunreini- Nichtbestehen einer Verunreinigung gung vertraut hat vertraut hat Früherer Eigentümer, der bei Früherer Eigentümer, der bei EigenEigentumserwerb auf das Nicht- tumserwerb schutzwürdig auf das bestehen einer Verunreinigung Nichtbestehen einer Verunreinigung vertraut hat, dessen Vertrauen vertraut hat aber nicht schutzwürdig war Eigentümer, der bei Eigentums- Früherer Eigentümer, der bei Eigenerwerb schutzwürdig auf das tumserwerb schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreini- Nichtbestehen einer Verunreinigung gung vertraut hat vertraut hat Derelinquent, der bei EigenFrüherer Eigentümer, der bei Eigentumserwerb schutzwürdig auf tumserwerb schutzwürdig auf das das Nichtbestehen einer Verun- Nichtbestehen einer Verunreinigung reinigung vertraut hat vertraut hat Inhaber der tatsächlichen GeFrüherer Eigentümer, der bei Eigenwalt, der bei dessen Begründung tumserwerb schutzwürdig auf das schutzwürdig auf das NichtbeNichtbestehen einer Verunreinigung stehen einer Verunreinigung vertraut hat vertraut hat

B. Gleichheitsmodell schutzwürdiges Vertrauen bei Eigentumserwerb

(9)

Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortlicher früherer Eigentümer, hier früherer Eigentümer, der irgendwann vor Eigentumserwerb schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung vertraut hat, bei Eigentumserwerb aber nicht mehr vertraut hat oder dessen Vertrauen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr schutzwürdig war

253 Früherer Eigentümer, der bei Eigentumserwerb schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung vertraut hat

Vergleichspaare anhand der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG, oben (4) bis (12).

2. Ungleichbehandlung bei Rechtsauslegung und Rechtsanwendung Das Bundesverfassungsgericht fordert im Altlastenbeschluss, bei den Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nach den Umständen der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung der Sachherren zum Risiko einer künftigen oder bestehenden Verunreinigung zu differenzieren. Es verlangt, bei Auslegung und Anwendung der Normen über die Zustandsverantwortlichkeit je nach Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne unterschiedliche Wirkungen vorzusehen. Lassen sich diese Erwägungen im Wege der Auslegung der Zustandsverantwortlichkeitsnormen begründen oder als Gesichtspunkte der Ermessensausübung zulässigerweise formulieren, können sie als Auslegungsvoraussetzungen Unterscheidungsmerkmale für weitere Vergleichspaare bilden. Bei der Diskussion der Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung wurde aber bereits dargelegt, dass die Normen über die Zustandsverantwortlichkeit weder nach dem Wortlaut noch nach dem systematischen Zusammenhang, ihrem Zweck oder der Entstehungsgeschichte nach der Vorwerfbarkeit im weiteren Sinne zu differenzieren verlangen oder auch nur erlauben.347 Das Hinzufügen derartiger Erwägungen überschreitet die Grenzen der Auslegung. Auch als Ermessensgesichtspunkte dürfen sie nicht in der Weise berücksichtigt werden, dass die unabhängig von ihrem Vorliegen engeren Grenzen ausgeweitet werden, wie es das Bundesverfassungsgericht annimmt. Da es sich bei der Zustandsverantwortlichkeit um eine belastende Regelung handelt, dürfen Auslegungsvoraussetzungen nur zur Einengung der Eingriffsbefugnis führen. Anderenfalls verstoßen die Auslegung und Anwendung gegen den Vorbehalt des Gesetzes und damit bereits gegen ein Freiheitsrecht. Für die Gleichheitsprüfung bedeutet das: Die mit der Regelungsvoraussetzung in Bezug genommenen Unterschiede müssen für sich genommen die ungleichen Wirkungen nach Art und Ausmaß legitimieren können. Nur innerhalb der in dieser Weise gerechtfertigten ungleichen Wirkungen darf durch Auslegungsvoraussetzungen weiter differenziert werden. Nicht aber kann eine unabhängig vom Vorliegen der Auslegungsvoraussetzung unzulässige Ungleichbehandlung erst durch sie gerechtfertigt werden. ————— 347

Im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b) u. (1)(c).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

254

III. Rechtfertigungsprüfung In den Vorüberlegungen348 wurde erörtert, ob und im Verhältnis zu welchen anderen Gesichtspunkten bei der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung auf Unterschiede zwischen den ungleich behandelten Personen abgestellt wird. Das genügt aber noch nicht, um sagen zu können, mit den Erfordernissen des sachlichen Bezugs der Unterschiede zum Regelungsbereich und Regelungsziel und ihrer Tauglichkeit zur Legitimation der ungleichen Wirkungen nach Art und Ausmaß sei die in der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung anzustellende Argumentation ausreichend beschrieben. Nachfolgend soll deshalb zunächst untersucht werden, welche, ggf. zusätzlichen, Argumentationsschritte sich aus der zuletzt wiederholt erhobenen Forderung nach einer gleichheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ergeben. Dabei interessiert besonders das bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebende Verhältnis von Wirkungen und Zweck der Regelung(en), bzw., gleichheitsrechtlich modifiziert, das Verhältnis zum Zweck der Differenzierung. Anschließend wird versucht, den zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung für maßgeblich erachteten „legitimierenden Grund“ genauer zu bestimmen und die Erfordernisse der Rechtfertigung in einem Argumentationsschema zusammenzufassen. 1. Gleichheitsrechtliches Verhältnismäßigkeitserfordernis? a) Befund Seit den achtziger Jahren nehmen die Stimmen beständig zu, die eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Gleichheitsprüfung integrieren wollen. Das Bundesverfassungsgericht spricht in vielen Entscheidungen von einer „strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse“.349 Den aus der Dogmatik der Freiheitsrechte bekannten Begriff Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwendet es nur ganz ausnahmsweise.350 Gleiches gilt für die Kriterien der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung.351 Das ist Ausweis dafür, dass nach wie vor nicht geklärt ist, wie die Prüfung beim Gleichheitssatz zu erfolgen hat, beson————— 348

Oben unter A.II.

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 88, 87-103/96; 89, 15-27/22; 89, 365381/375; 91, 346-366/362; 91, 389-405/401; 92, 26-53/51; 92, 53-74/68; 92, 365-411/407; 93, 99116/111; 95, 143-162/155; 95, 267-322/316; 97, 169-186/180 f.; 97, 271-297/290; 99, 341-360/355; 99, 367-401/388; 101, 54-105/101; 103, 172-195/193; 110, 274-304/291. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 103, 310-332/318; 105, 73-135/110; 107, 27-58/45; 107, 257-275/270; 110, 412-446/431; 112, 164-185/174; 112, 268-284/279. 349

350

Nur BVerfGE 103, 310-332/319, enthält einen Hinweis auf den „Verhältnismäßigkeitsgrund-

satz“. 351 Etwa das des legitimen Ziels in BVerfGE 100, 59-104/92, und 100, 138-195/175, das der Ungeeignetheit in BVerfGE 106, 166-181/179, oder das der Angemessenheit in BVerfGE 89, 365-381/377 f., und 99, 165-185/178 (sämtlich Erster Senat).

B. Gleichheitsmodell

255

ders was zueinander ins Verhältnis zu setzen ist. Das gilt für beide Seiten des Verhältnisses. Bei den Freiheitsrechten stehen sich das Regelungsziel und das zu seiner Erreichung eingesetzte Mittel gegenüber. Ob der Einsatz des Mittels geeignet, erforderlich und ggf. angemessen ist, wird ermittelt, indem die – voraussichtlichen – Wirkungen untersucht werden. Für die Gleichheitsprüfung wird auf der Seite des Regelungsziels Unterschiedliches vorgeschlagen. Neben dem Regelungsziel352, dem Normzweck353 oder dem Ziel oder Zweck der Maßnahme 354, das mit dem Regelungsziel nicht notwendig identische Differenzierungsziel355, der Gestaltungswille des Gesetzgebers 356 oder der erzielte Erfolg 357, der Grund für die Ungleichbehandlung358 oder dessen Art und Gewicht359, Grund und Ziel gemeinsam360, das Differenzierungskriterium361 oder die Unterschiede 362. Bisweilen wird innerhalb der Prüfung von einem zum anderen gewechselt.363 Auf der Seite des Mittels finden sich neben dem Privatinteresse des Betroffenen364

————— 352 Kloepfer, Gleichheit, S. 62 u. 63: Differenzierungs-/Gesetzesziel und Ungleichbehandlung; Robbers, DÖV 1988, 749-758/752: Ziel der Regelung und Wahl des Vergleichspunktes. 353

Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7-36/23: Normzweck und Ungleichbehandlung.

von Arnim, Staatslehre, S. 158: mit der Maßnahme angestrebtes Ziel und Gerechtigkeitsverstoß; Jarass, NJW 1997, 2545-2550/2549: Zweck der Maßnahme und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung der jeweiligen Gruppen. 354

355 Albrecht, Zumutbarkeit, S. 175; Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 19 u. 22; Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29; Schoch, DVBl. 1988, 863-882/874; Stein, AK, Art. 3 Rn. 40; Stettner, BayVBl. 1988, 545552/548: Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium (bei allen vorstehend Genannten). Huster, Rechte, S. 214 u. 459: Bedeutung des (externen) mit der Ungleichbehandlung verfolgten kollektiven Ziels (oder Zwecks, vgl. S. 175) und Intensität der Ungleichbehandlung; Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 271 f.: Differenzierungsziel und Auswirkungen der Ungleichbehandlung, nach denen sich die Bedeutung der Rechtsgleichheit im Einzelfall bemessen soll. 356 Krugmann, JuS 1998, 7-13/11: Gestaltungswille des Gesetzgebers und Interessen der von der Ungleichbehandlung Betroffenen. 357

Kloepfer, Gleichheit, S. 63: erzielter Erfolg und in der Ungleichbehandlung liegende Einbuße.

Bleckmann, Struktur, S. 67: sachlicher Grund und durch das Freiheits- oder Sozialrecht geschütztes Privatinteresse; Engel, Ziel, S. 5: der Grund für die Differenzierung und die Ungleichbehandlung. 358

359 Hesse, Gleichheitssatz, S. 122: Art und Gewicht der Gründe, welche zur Ungleichbehandlung geführt haben, und Art und Gewicht der jeweiligen Unterschiede.

Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 22: die Gründe und Ziele gesetzlicher Differenzierungsmerkmale und die Differenzierungswirkungen. 360

361 Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2507: Differenzierungskriterium und Differenzierung. Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 21, stellt das als Prüfung des Bundesverfassungsgerichts dar. 362 Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2507: unterschiedliche Rollen und Ungleichbehandlung; Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 25 u. 96: Ungleichheit/Unterschiede und Ungleichbehandlung.

Beispielsweise wechselt Wendt, NVwZ 1988, 778-786/782 ff., zwischen Verschiedenheiten, Zielen und Gründen zur Rechtfertigung. 363

256

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

die Ungleichbehandlung365, ihre Intensität366 oder ihr Ausmaß 367, ihre (Aus-)Wirkungen368 oder die in ihr liegenden Einbußen369, der Gerechtigkeitsverstoß370, das Differenzierungskriterium371, auch bezeichnet als die Wahl des Vergleichspunktes372, oder die Art und das Gewicht der Unterschiede 373. Die genannten Komponenten werden auf die unterschiedlichste Weise miteinander kombiniert.374 Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt auf den ersten Blick kein klares Bild, was Bezugspunkt für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist. Die Obersätze in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seit 1980 variieren: Bisweilen spricht es von Gründen375, selten von Rechtfertigungsgründen376, zunehmend von Unterschieden377. Zuweilen wech————— 364 Bleckmann, Struktur, S. 67: durch das betroffene Freiheits- oder Sozialrecht geschütztes Privatinteresse und sachlicher Grund; Krugmann, JuS 1998, 7-13/11: Interessen der von der Ungleichbehandlung Betroffenen und Gestaltungswille des Gesetzgebers. 365 Engel, Ziel, S. 5: Ungleichbehandlung und Grund für die Differenzierung. Huster, Rechte, S. 459: Ungleichbehandlung im normativen Sinne und das durch sie verfolgte kollektive Ziel; Kloepfer, Gleichheit, S. 62 u. 63: Ungleichbehandlung und Differenzierungs-/Gesetzesziel; Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 21 (dargestellt als Prüfung des Bundesverfassungsgerichts): Differenzierung und Differenzierungskriterium; ders., BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 25 u. 96: Ungleichbehandlung und Ungleichheit/Unterschiede; Schoch, DVBl. 1988, 863-882/874: Differenzierung und Differenzierungsziel; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7-36/23: Ungleichbehandlung und Normzweck. 366

Huster, Rechte, S. 214: Intensität der Ungleichbehandlung und Bedeutung des (externen)

Ziels. Jarass, NJW 1997, 2545-2550/2549: Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung der jeweiligen Gruppen und Zweck der Maßnahme. 367

368 Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 271 f.: Auswirkungen der Ungleichbehandlung, nach denen sich die Bedeutung der Rechtsgleichheit im Einzelfall bemessen soll, und Differenzierungsziel; Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 22: die Differenzierungswirkungen und die Gründe und Ziele gesetzlicher Differenzierungsmerkmale. 369

Kloepfer, Gleichheit, S. 63: in der Ungleichbehandlung liegende Einbuße und erzielter Erfolg.

370

von Arnim, Staatslehre, S. 158: Gerechtigkeitsverstoß und mit der Maßnahme angestrebte Zie-

le. 371 Differenzierungskriterium und Differenzierungsziel stellen gegenüber: Albrecht, Zumutbarkeit, S. 175; Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 19 u. 22; Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29; Schoch, DVBl. 1988, 863-882/874; Stein, AK, Art. 3 Rn. 40; Stettner, BayVBl. 1988, 545-552/548. 372

Robbers, DÖV 1988, 749-758/752: Wahl des Vergleichspunktes und Ziel der Regelung.

Hesse, Gleichheitssatz, S. 122: die Art und das Gewicht der jeweiligen Unterschiede und die Art und das Gewicht der Gründe, welche zur Ungleichbehandlung geführt haben. 373

374

Wiedergegeben durch die Stichworte zu den vorstehenden Nachweisen.

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 88, 87-103/97; 89, 15-27/23; 89, 69-91/89; 90, 46-60/56; 91, 346-366/363; 91, 389-405/401; 92, 26-53/52; 93, 99-116/111; 95, 39-48/45; 95, 267-322/317; 98, 365-403/389; 99, 341-360/355 f.; 99, 367-401/389; 101, 54-105/101. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 90, 145-199/196. 375

376

BVerfGE 99, 165-185/178; 102, 68-99/87; 102, 254-346/302 f. (sämtlich Erster Senat).

Bildhaft BVerfGE 87, 234-269/255: „Die rechtliche Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden“. Weitere Nachweise zur sog. neuen Formel in 377

B. Gleichheitsmodell

257

selt es in einer Entscheidung zwischen den Begriffen,378 ohne inhaltlich anderes zu meinen. Gelegentlich spricht es davon, eine Grenze sei erreicht, wenn „sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden läßt“379 oder davon, „Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund“ müssten „in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“.380 Einige Autoren glauben, in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zwei Arten von rechtfertigenden Gründen ausmachen zu können: die tatsächlichen Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse und die Ziele der jeweiligen gesetzlichen Regelungen. Relativiert wird das durch die Aussage, sie dienten nicht unabhängig voneinander der Rechtfertigung, sondern stünden miteinander im Zusammenhang.381 Einer der Gründe für die Vielzahl der Gesichtspunkte, die zur Rechtfertigung vor dem Gleichheitssatz angeführt werden und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden sollen, liegt in der Zahl der Beziehungen, die die Gleichheitsprüfung untersucht. Während die Freiheitsprüfung die Beziehung nur einer Person zum Staat in den Blick nimmt, geht es bei der Gleichheitsprüfung um den Vergleich der Beziehungen verschiedener Personen zum Staat. Dadurch vervielfacht sich die Zahl der möglicherweise zu berücksichtigenden Gesichtspunkte. Nun ist begrifflich nichts dagegen einzuwenden, jeden Erkenntnisprozess, in dem es um das Verhältnis zweier Faktoren geht, beispielsweise – wie in den Vorüberlegungen – die Relation der Unterschiede zum Ziel oder der Unterschiede zu den Wirkungen der Regelung(en), als Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bezeichnen. Beachtet werden sollte aber, dass der Begriff der Verhältnismäßigkeitsprüfung im juristischen Sprachgebrauch bislang Erkenntnisvorgänge bezeichnete, die das Verhältnis bestimmter Faktoren zueinander in den Blick nahmen, nämlich das Verhältnis von Mittel/Wirkung und Zweck einer Regelung. Deshalb empfiehlt es sich, auch im gleichheitsrechtlichen Kontext nur dann von Verhältnismäßigkeitsprüfung zu sprechen, wenn ebendieses Verhältnis in Rede steht.382 Anderenfalls ist zu befürchten, dass die Kriterien der frei—————

Fn. 50 (Seite 180). Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 25 f., meint feststellen zu können, daß das Bundesverfassungsgericht in neuerer Zeit zunehmend den inneren Zusammenhang zwischen Unterschied/vorgefundener Verschiedenheit und differenzierender Regelung prüft. Beispielsweise in BVerfGE 82, 126-156/146; 84, 133-160/157 f.; 86, 71-80/79 f.; 105, 73-135/ 110 u. 113. 378

379

BVerfGE 99, 165-185/178.

380

BVerfGE 89, 365-381/377 f.; 106, 166-181/177.

381

Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 22 ff.

Vgl. Huster, Rechte, S. 144 f., der den Begriff der Verhältnismäßigkeitsprüfung kognitiven Vorgängen vorbehalten will, in denen es um den Vergleich kollidierender Interessen geht: „Wenn aber in der anderen ‚Art‘ von Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Sache etwas ganz anderes geprüft 382

258

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

heitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung unbesehen auf die Gleichheitsprüfung übertragen werden, obgleich es bei der Gleichheitsprüfung um gänzlich andere Verhältnisse geht. Für letztere mag man dann mit dem Bundesverfassungsgericht von „Verhältnismäßigkeitserfordernissen“ oder – vorzugswürdig – von gleichheitsrechtlichen Anforderungen an das Verhältnis, die Relation bestimmter Faktoren zueinander sprechen. Der Begriff der Verhältnismäßigkeitsprüfung aber sollte der Untersuchung der Zweck-Wirkungs-Relation vorbehalten bleiben. b) Verhältnis der Wirkungen zum Regelungszweck? Der oder die Regelungszwecke und die verschiedenen Regelungswirkungen sind nach den Vorüberlegungen in ihrem jeweiligen Verhältnis zu den Unterschieden der Personen bedeutsam, für die die Regelung(en) unterschiedlich wirkt/en. In dem Bild des Hoheitsakt-Doppeldreiecks werden also die Achsen Unterschiede-Zweck(e) und Unterschiede-Wirkungen betrachtet. Welche Bedeutung hat die dritte Achse, die Relation der Wirkungen zu dem oder den Regelungszwecken für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung? Welcher Erkenntnisgewinn ist aus gleichheitsrechtlicher Sicht zu erwarten, wenn mit den herkömmlichen Schritten der Verhältnismäßigkeitsprüfung383 das Verhältnis der Wirkungen zu dem oder den Regelungszwecken untersucht wird? Wird – wie bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung – die Geeignetheit der begünstigend oder belastend wirkenden Behandlung einer der Vergleichspersonen untersucht, ist damit weder im Fall ihrer Dienlichkeit noch im Fall fehlender Dienlichkeit etwas für die Frage gewonnen, ob die andere Vergleichsperson anders behandelt werden darf, soll das Vergleichende der Gleichheitsprüfung nicht durch ein vergleichsunabhängiges Sachlichkeitsgebot ersetzt werden.384 Dass gerade die Differenzierung dazu dient, einen Zweck zu erreichen, lässt sich demgegenüber sinnvoll nur bei Regelungen prüfen, deren Zweck in der Differenzierung liegt. Das ist etwa der Fall bei Begünstigungen, —————

wird, empfiehlt es sich, diese Prüfung auch anders zu benennen“. Vor ihm hatte bereits Vogel, VVDStRL 47 (1989), 64-67/66, gefordert „das Wort ‚Verhältnismäßigkeit‘ nicht auf alle möglichen anderen Dinge aus[zu]dehnen, in denen auch eine Abwägung, aber eine Abwägung von strukturell anderer Art, stattfindet“. Müller, VVDStRL 47 (1989), 88-90/89, stimmte ihm darin zu. 383 So die Gleichheitsprüfungen bei von Arnim, Staatslehre S. 158; Bleckmann, Struktur, S. 66 f.; Jarass, NJW 1997, 2545-2550/2549; Kloepfer, Gleichheit, S. 62 u. 64; Koenig, JuS 1995, 313-318/ 314; Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 266 ff.; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 440 ff. u. 501; Schoch, DVBl. 1988, 863-882/874; Wendt, NVwZ 1988, 778-786/784 ff.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7-36/23. Skeptisch Heun, DK, Art. 3 Rn. 27 mit Fn. 175.

So aber offenbar Kirchhof, Objektivität, S. 101 f., wenn er aus der Sinn- und Zwecklosigkeit ungeeigneten Handelns, mit anderen Worten der fehlenden Sachdienlichkeit der Wirkung gegenüber einer Vergleichsperson, auf Willkür schließen will. Dazu bereits oben zu und in Fn. 37 (Seite 177). Mehr zur Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung unten unter B.V., besonders in der Einleitung des Abschnitts. 384

B. Gleichheitsmodell

259

die nicht allen in gleicher Weise gewährt werden, um bestimmte Verhaltensweisen zu fördern;385 oder bei Belastungen, die nicht allen in gleicher Weise aufgelegt werden, um bestimmte Merkmale oder Verhaltensweisen der Lastenverteilung zugrunde zu legen (wie das Schuldprinzip im Strafrecht, die Leistungsfähigkeit im Steuerrecht oder das Verursacherprinzip im Umweltrecht). Was ist in diesen Fällen ausschlaggebend für das Urteil über die Sachdienlichkeit der Differenzierung? Untersucht werden kann, ob es dem Förderungs- oder Lastenverteilungszweck dient, die Förderung oder Belastung an ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Verhaltensweise anzuknüpfen.386 Dann kommt es entscheidend auf das Verhältnis der mit den Regelungsvoraussetzungen in Bezug genommenen Unterschiede der ungleich behandelten Personen zum Regelungszweck an, so wie es in dem Sachbezugserfordernis formuliert wurde und wie es auch diejenigen fordern, die das Verhältnismäßigkeitserfordernis auf die Relation von Differenzierungskriterium und Differenzierungsziel beziehen. Diese Untersuchung bezieht sich aber nicht auf die Zweck-Wirkungs-Achse. 387 Um das Verhältnis der Wirkungen zum Regelungsziel in den Blick zu bekommen, müsste gefragt werden, ob die Wirkungen in ihrer Verschiedenheit, also etwa die Gewährung gegenüber der Nichtgewährung oder geringeren Zubilligung einer Begünstigung oder die Belastung gegenüber einer vollständigen oder teilweisen Verschonung, geeignet sind, bestimmte Verhaltensweisen zu fördern oder bestimmte Merkmale ausschlaggebend sein zu lassen. Womit das begründet werden soll, wenn nicht mit dem Hinweis darauf, dass die Wirkungen an das ————— 385 Etwa im Beispielsfall von Huster, Rechte, S. 166, in dem die Kosten für den Bau eines Eigenheims von der Steuer abgesetzt werden können, d.h. der Eigenheimbauer gegenüber anderen Steuerzahlern begünstigt wird, um – so der Zweck der Differenzierung – die Baukonjunktur anzukurbeln. 386 So die Geeignetheitsprüfung bei Huster, Rechte, S. 172: „Auch kann man fragen, ob die Ungleichbehandlung geeignet ist, die Baukonjunktur anzukurbeln; eine steuerliche Besserstellung des Y, die daran anknüpft, daß Y im Gegensatz zu X Linkshänder ist [die mit anderen Worten an einen anderen Unterschied anknüpft, Anmerkung des Verfassers], wäre dies offensichtlich nicht, weil von dieser Vergünstigung kein Anstoß ausgeht, ein Haus zu bauen“. 387 Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 443, meinen, sie darauf beziehen zu können, indem sie die bedarfsmindernde Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen eines vom Auszubildenden getrennt lebenden Ehegatten bei der Bedarfsberechnung im Ausbildungsförderungsrecht „für das Ziel, der Interessen- und Verantwortungsgemeinschaft von Ehegatten Rechnung zu tragen,“ für nicht geeignet erklären. „Nicht geeignet“ ist das deshalb, weil sich die von ihrem Ehegatten getrennt lebenden Auszubildenden „in einer weitgehend gleichen Lage“ befinden wie geschiedene Ehegatten (BVerfGE 91, 389-405/402), sie sich von ihnen also im Bedarf nicht unterscheiden, der nach dem Willen des Gesetzgebers für die Bemessung von Sozialleistungen ausschlaggebend sein soll. Auch hier geht es zunächst um das Verhältnis der Unterschiede zum Regelungsziel. Der Unterschied im Bedarf, dem die Regelung Rechnung tragen soll, ist bei den Vergleichspersonen nicht festzustellen; anderen Unterschieden zwischen Verheirateten und Geschiedenen fehlt der Sachbezug zur Ausbildungsförderung. Soweit ein Unterschied in der Möglichkeit oder Geneigtheit zum Missbrauch bestehen sollte, kämen unterschiedliche Wirkungen bei den Konditionen der Gewährung (beispielsweise vorläufige Gewährung mit Anspruchsübergang zwecks Missbrauchverhinderung), nicht aber bei der Gewährung überhaupt in Betracht (vgl. BVerfGE 91, 389-405/403 f.). Hier ist das Verhältnis der Unterschiede zu den Wirkungen angesprochen.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

260

Vorliegen eben dieser Verhaltensweisen oder Merkmale anknüpfen, ist nicht erkennbar. Dann aber hat die Geeignetheitsprüfung keinen eigenständigen Erkenntniswert. Die Prüfung der Erforderlichkeit einer Ungleichbehandlung wird vielfach als schwierig bezeichnet388 und deshalb von einigen Autoren eingeschränkt389 oder für unpassend erachtet.390 Das Erforderlichkeitserfordernis ist aus der freiheitsrechtlichen Überlegung entwickelt worden, den Einzelnen nur so weit in seiner Freiheitsbetätigung zu beeinträchtigen, wie zur Erreichung des Regelungsziels nötig, weil die Möglichkeit zur Freiheitsbetätigung so weit als möglich erhalten bleiben soll.391 Beim Gleichheitssatz ist bereits zweifelhaft, ob ihm die Forderung zugrunde liegt, dass so weit als möglich gleich behandelt werden soll, 392 oder ob er lediglich verlangt, dass dann, wenn ungleich behandelt wird, die für rechtserheblich erachteten Verschiedenheiten die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß legitimieren können.393 Ein Erforderlichkeitserfordernis kann allein das erste Verständnis begründen. Es würde nicht so wenig Belastung, sondern so geringfügige Wirkungsunterschiede wie nötig fordern. 394 An ihm müsste jede Regelung scheitern, deren Zweck nicht gerade in der Differenzierung liegt, weil stets die zweckerforderliche Belastung oder Begünstigung beibehalten und die davon abweichende Wirkung gegenüber einer Vergleichsperson angeglichen werden könnte und müsste – das Erfordernis der gleichen Eignung gerade der ungleichen Wirkungen bietet für diese Regelungen keine Einschränkung, weil ————— 388

Bryde/ Kleindieck, Jura 1999, 36-44/38, geben die Beispiele Stichtag, Altersgrenze und Grenz-

wert. 389 Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 21; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 442: „wenn der Staat in Verfolgung von Förderungszwecken ungleich behandelt, … muß genügen, daß keine Alternative ersichtlich ist, die den Förderungszweck besser verfolgt und zugleich die Personengruppe, die nicht gefördert und durch die Förderung der anderen Personengruppe zurückgesetzt wird, milder und schonender behandelt“. 390 Das Kriterium der Erforderlichkeit ausdrücklich ausnehmend Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 29, weil der Gesetzgeber anderenfalls zu weitgehend eingeschränkt würde.

Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 21, stellt dazu zutreffend fest: „Dieses setzt allerdings immer schon eine positive Bewertung betroffener Rechte oder Interessen als schonungsbedürftig voraus, an der es beim relativen Gebot verhältnismäßiger Gleich- oder Ungleichbehandlung fehlt“. 391

392 Im Sinne einer mathematischen, absoluten, streng formalen Gleichbehandlung („allen das Gleiche“) – dazu mit weiteren gängigen Bezeichnungen Podlech, Gehalt, S. 43 mit Fn. 1. Die andere Extremposition bezeichnet das „suum cuique“, wonach entsprechend der gegebenen Unterschiede ungleich behandelt werden darf und zugleich auch muss, weil jedem das Seine gebührt. 393 Das lässt sich als ein konditionales „suum cuique“ bezeichnen. Konditional deshalb, weil dem Einzelnen nicht unabhängig von einer Entscheidung des Hoheitsträgers „das Seine gebührt“, sondern nur dann, wenn der Hoheitsträger eine bestimmte Verschiedenheit dadurch für rechtserheblich erklärt, dass er daran verschiedene Rechtsfolgen knüpft. 394 Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 269 f.: „Eine gesetzliche Ungleichbehandlung ist … nur dann erforderlich, wenn das Differenzierungsziel nicht ebenso wirksam mit einer Regelung erreicht werden kann, die ohne oder mit einer weniger schwerwiegenden Ungleichbehandlung auskommt“.

B. Gleichheitsmodell

261

sich, wie gesehen, nicht bestimmen lässt, dass gerade die Ungleichbehandlung dem Regelungszweck dient. Derart konsequent wird das Erforderlichkeitspostulat aber, so weit ersichtlich, nirgendwo angewandt. Die Beispiele für fehlende Erforderlichkeit einer Ungleichbehandlung verlassen nicht selten die gleichheitsrechtliche Argumentation: Wird beispielsweise eine bedarfsmindernde Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs eines verheirateten Auszubildenden für nicht erforderlich gehalten, um das „Ziel der Verhinderung von Mißbrauch“ zu erreichen, weil Missbrauchsfällen auch anders begegnet werden kann,395 löst sich das vom Vergleich mit anderen Auszubildenden. Dass dem Gesetzgeber zum Zweck, Missbrauchsfällen zu begegnen, „weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung gestanden [hätten]“, 396 sagt allein etwas über die Intensität der Belastung des Adressaten aus. In der Entscheidung zur Vornamensänderung von Transsexuellen lässt das Bundesverfassungsgericht die Frage der Geeignetheit der Altersgrenze ausdrücklich dahinstehen; sie sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr geboten, „um jüngere Menschen vor einem übereilten Rollenwechsel und den Folgen eines etwaigen Prognoseirrtums zu schützen“. 397 Auch hier geht es um das Verhältnis der Belastung eines jüngeren Menschen zum Zweck und wird die vergleichende Perspektive des Gleichheitssatzes verlassen. Auch die Fragestellung der herkömmlichen Angemessenheitsprüfung fügt sich nicht in gleichheitsrechtliche Erwägungen. Warum sollte beispielsweise bei drohenden Gefahren für die Gesundheit anderer Menschen in stärkerem Maße ungleich behandelt werden dürfen als bei bloßen Belästigungen für das Wohlbefinden anderer? Weil das Interesse des Gesundheitsschutzes größeres Gewicht hat? Das geht am gleichheitsrechtlichen Problem vorbei. Ob, inwiefern und inwieweit ungleich behandelt werden darf, muss danach entschieden werden, ob die Unterschiede zwischen den ungleich Behandelten einen sachlichen Bezug zu den abzuwehrenden Gefahren oder Belästigungen anderer aufweisen und ob sie nach Art und Reichweite Art und Ausmaß der ungleichen Wirkungen rechtfertigen können. Festzuhalten bleibt: Teils geht die Untersuchung des Verhältnisses der ungleichen Wirkungen zum Regelungszweck nach den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit an den spezifisch gleichheitsrechtlichen Problemen vorbei, teils hat sie keinen über die Untersuchung der UnterschiedZweck- und Unterschied-Wirkungs-Relationen hinausgehenden Erkenntniswert. Mit dem Regelungszweck lässt sich begründen, ob es sachbezogen ist, unglei————— 395

Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 443.

396

BVerfGE 91, 389-405/403.

397

BVerfGE 88, 87-103/99 f.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

262

che Wirkungen an die durch die Voraussetzungen in Bezug genommenen Verschiedenheiten zu knüpfen. Eine weitergehende Bedeutung hat der Zweck der Regelung für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung nicht.398 c) Differenzierungszweck als Bezugspunkt? In Teilen des Schrifttums wird die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen im Differenzierungsziel oder im Zweck der Ungleichbehandlung gesucht.399 Der Zweck der Ungleichbehandlung ist nicht notwendig mit dem Zweck der Regelung identisch, auf den die freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung ausgerichtet ist. Beschränkt ein Gesetz die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr, bezweckt es, Gefahren für Fahrzeuginsassen und Dritte zu vermeiden, allgemein gefasst, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. An diesem Regelungszweck ist die Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit für jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer zu messen. Der Regelungszweck bleibt derselbe, wenn das Gesetz bei den Höchstgeschwindigkeiten nach verschiedenen Fahrzeuggewichtsklassen differenziert. Für die einzelnen Verkehrsteilnehmer sind dann jeweils unterschiedlich intensive Belastungen am Regelungszweck der Gefahrenvermeidung zu messen. Daneben lässt sich benennen, was den Gesetzgeber veranlasst haben mag, Fahrer von Fahrzeugen unterschiedlicher Gewichtsklassen ungleich zu behandeln – etwa der Umstand, dass schwerere Fahrzeuge bei gleicher Geschwindigkeit längere Bremswege haben als leichtere und deshalb in Gefahrensituationen Unfälle schwerer zu vermeiden sind oder dass bei Unfällen unter Beteiligung schwerer Fahrzeuge schwerere Schäden entstehen können. Bezweifelt wird, ob Ungleichbehandlungen stets in diesem Sinne motiviert sind oder nicht vielmehr oft unvermeidlich oder als unbeabsichtigte (Neben-)Folgen gesetzlicher Regelungen entstehen.400 Jedenfalls kann festgehalten werden, dass mit dem Differenzierungszweck ein zusätzliches, in dem Hoheitsaktsdreieck bislang nicht berücksichtigtes Kriterium eingeführt wird. Was leistet dieses Kriterium für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen? Welchen Erkenntnismehrwert verspricht es gegenüber dem herkömmlich vom Bundesverfassungsgericht angeführten Kriterium des Grundes oder dem neuerdings (wieder 401) angeführten der Unterschiede? ————— 398 Vgl. Podlech, Gehalt, S. 111 f.: „Meist gibt es … mehrere Mittel, von denen jedes das Ziel zu verwirklichen in der Lage ist“ (funktional äquivalente Mittel), und S. 117: „Die Begründung für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung hat nicht aus dem Bereich der Ziele einer Rechtsnorm, sondern aus dem Bereich der Mittel zu erfolgen“. 399

Siehe Nachweise oben in Fn. 355 (Seite 255).

Bryde/ Kleindieck, Jura 1999, 36-44/38; Hesse, AöR 109 (1984), 174-198/189 f. Fn. 57; Robbers, DÖV 1988, 749-758/752. 400

401 Siehe zu den Wurzeln dieses Kriteriums bei Leibholz, Gleichheit, S. 48, das Zitat zu Fn. 431 unten (Seite 269) unter B.III.2.

B. Gleichheitsmodell

263

Die Vorschläge, die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung in ihrem Zweck zu suchen, gehen einher mit dem Bemühen, die Gleichheitsprüfung gegenüber der herkömmlichen Willkürprüfung zu präzisieren und dazu Anleihen bei der Dogmatik der Freiheitsgrundrechte zu machen.402 Die Argumentationsstruktur und die Argumentationsschritte sollen übernommen werden, gleichheitsrechtlich modifiziert wird allein der Zweck. Fügt es sich in das Verständnis der Gleichheitsgewährleistungen, einen Zweck zur Rechtfertigung zu fordern? Inwiefern bestehen Parallelen zu den Freiheitsrechten? Bei den Freiheitsrechten lassen sich für ein Zweckerfordernis besonders zwei Gesichtspunkte anführen, der Textbefund und das Verständnis der Freiheitsgewährleistungen: Zum einen geben mehrere Freiheitsrechte vor, dass sie nur dann eingeschränkt werden dürfen, wenn mit der Einschränkung bestimmte Zwecke verfolgt werden.403 Zum anderen sind die Freiheitsrechte nach der (noch 404) vorherrschenden Grundrechtsdogmatik auf den Schutz von „Freiheit im umfassenden Sinn gerichtet, derart, dass der Grundrechtsträger sich hinsichtlich des benannten Sach- oder Lebensbereichs bzw. in ihm selbstbestimmt und nach seinem Belieben (im Sinne subjektiver Freiheit) verhalten kann“, also „tun und lassen kann, was [er] will“.405 Diese Freiheit im umfassenden Sinn steht jeder hoheitlichen Beeinträchtigung prima facie entgegen. Das entgegenstehende Freiheitsinteresse lässt hoheitliche Beeinträchtigungen nur zu, wenn sie den hinter dem verfolgten Zweck stehenden öffentlichen Interessen dienen, zu ihrer Förderung oder ihrem Schutz nötig sind und das öffentliche Interesse das entgegenstehende Freiheitsinteresse (im Einzelfall) überwiegt. Das Zweckerfordernis erklärt sich aus der Notwendigkeit, dem Freiheitsinteresse ein öffentliches Interesse entgegenzusetzen, weil anderenfalls der Grundrechtsträger von hoheitlichen Beeinträchtigungen verschont werden soll. Wie steht es mit diesen beiden Gesichtspunkten bei den Gleichheitsgewährleistungen? (1)

Der Textbefund ist ein anderer: Die Gleichheitsgewährleistungen geben weder bestimmte Zwecke vor noch untersagen sie ihre Verfolgung. Die speziellen Gleichheitssätze untersagen, für eine Benachteiligung oder Bevorzugung an bestimmte Merkmale anzuknüpfen (beispielsweise Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG), oder geben vor, an welche Merkmale anzuknüpfen ist (beispielsweise Art. 33 Abs. 2 GG), unabhängig davon, welcher Zweck

————— 402

Als einer der ersten Kloepfer, Gleichheit, S. 56 f.

403

Dazu im Einzelnen Schlink, EuGRZ 1984, 457-468/459; vgl. im Ersten Teil unter B.IV.1.a).

Einen „anderen Weg“ zu gehen, schlug jüngst Böckenförde in einer „Kritik gegenwärtiger Grundrechtsdogmatik“ vor, in der er auch die (noch) vorherrschende Grundrechtsdogmatik beschreibt, Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165-192/165-170. 404

405

Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165-192/167.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

264

mit der Ungleichbehandlung verfolgt wird. Der allgemeine Gleichheitssatz bietet keine Anhaltspunkte für ein Zweckerfordernis. (2)

Ob der Gleichheitssatz ein Interesse schützt, dass Ungleichbehandlungen prima facie entgegensteht, wird in jüngerer Zeit vermehrt diskutiert. Die Auffassungen decken sich weitgehend mit der Annahme oder Ablehnung eines Eingriffsmodells, so dass hier auf die Ausführungen zu den Eingriffsmodellen verwiesen werden kann.406 Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen: Ein entgegenstehendes Interesse zu bestimmen, setzt voraus, dass sich der Verfassung positiv ein Gerechtigkeitsmaßstab entnehmen lässt. Die Anhänger des „Prinzips absoluter Gleichheit“407 sehen ihn darin, dass ungeachtet vorhandener Unterschiede gleich behandelt werden soll.408 Das stimmt nicht mit den speziellen Gleichheitssätzen zusammen, die Benachteiligungen oder Begünstigungen und damit Ungleichbehandlungen ausdrücklich „wegen“ bestimmter Unterscheidungsmerkmale zulassen oder untersagen. Die „anderen Grundgesetzartikel [neben Art. 33 Abs. 2 GG], die wie etwa Art. 6 Abs. 4 und Art. 36 Abs. 1 S. 2 GG Ungleichbehandlungen normieren“, wären in dem skizzierten Verständnis nicht lediglich spezieller hinsichtlich der in Betracht kommenden Merkmale zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung in bestimmten Sachbereichen, sondern folgten einem grundsätzlich anderen Gleichheitsverständnis.409 Die speziellen Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG verlören ihre eigenständige Steuerungskraft, weil Benachteiligungen und Begünstigungen generell nicht mit Unterschieden erklärt werden können sollen, und hätten nur Klarstellungsfunktion.410 Ein in systematischer Hinsicht unbefriedigendes Ergebnis. Vorherrschend ist denn auch die Annahme, Art. 3 Abs. 1 GG fordere relative Gleichheit. Soll in diesem Verständnis ein Ungleichbehandlungen entgegenstehendes Interesse bestimmt werden, bedarf es normativer Gerechtigkeitsmaßstäbe. Sollen diese aus verfassungsrechtlichen Wertungen abgeleitet und positiv bestimmt werden, öffnet das dem Interpreten ein weites Feld subjektiver

————— 406

Oben unter B.I.3.b)(1).

407

Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 115 ff.

Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 193: „Entnimmt man Art. 3 Abs. 1 GG hingegen das Prinzip absoluter Rechtsgleichheit aller Menschen unabhängig von den zwischen ihnen bestehenden tatsächlichen Unterschieden, so fordert der allgemeine Gleichheitssatz keineswegs den Vergleich von Tatbeständen. Denn die Unterschiede zwischen den ungleich behandelten Personengruppen, sind für ihre Gleichbehandlung irrelevant. … Die Vereinbarkeit einer Differenzierung mit Art. 3 Abs. 1 GG beruht hingegen nicht auf der Ungleichheit der unterschiedlich behandelten Personen, sondern auf dem Vorrang einer ihrer Gleichbehandlung entgegenstehenden Zielsetzung“. 408

409

So der Versuch einer systematischen Auslegung bei Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 168 ff.

410

Vgl. Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 170 ff., 171.

B. Gleichheitsmodell

265

Wertungen und gestaltet damit die Gleichheitsprüfung nicht präziser, sondern beliebiger. Die wenigen Beispiele für Gerechtigkeitsmaßstäbe, die von Verfassungs wegen zu befolgen seien, – in Husters Begriffen „interne Zwecke“411 – beschränken sich denn auch weitgehend auf wenige, in jahrelanger Verfassungsrechtsprechung formulierte Grundsätze, beispielsweise die Auferlegung von Strafe entsprechend der Schuld 412 und die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit413, oder Wertungen, die (allenfalls) aus anderen Verfassungsnormen, etwa den speziellen Gleichheitssätzen des Art. 6 Abs. 1 GG414 und Art. 3 Abs. 2 GG, entwickelt werden können, beispielsweise die Abhängigkeit des Renteneintrittsalters und des Beginns des Altersruhegeldbezugs davon, ob eine Frau alleinstehend oder nicht-alleinstehend ist, ob sie kinderlos ist oder Kinder zu versorgen hatte.415 Bereits hier machen sie zusätzliche Wertungen erforderlich: Wie verhält es sich mit der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums? Wie mit der des Existenzminimums der Kinder? Entsprechen diese materieller Gerechtigkeit, weil sie aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG „gerade in der Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG)“ und aus Art. 6 Abs. 1 GG entwickelt wurden,416 oder weichen sie von ihr ab, weil „eigentlich“ nach der Leistungsfähigkeit differenziert werden müsste? Oder definieren sie, was unter Leistungsfähigkeit von Verfassungs wegen zu verstehen ist? Noch deutlicher ist die subjektive Wertung, sobald die Beispiele das verfassungsgerichtlich abgesicherte Feld verlassen, wie das Verursacherprinzip im ————— Als interne Zwecke bezeichnet Huster, Rechte, S. 165 u. 173 f., solche, deren Verwirklichung eine Eigenschaft der Ungleichbehandlung selbst ist. So etwa, wenn Zweck der Ungleichbehandlung ist, gerecht zu sein. 411

412 Huster, Rechte, S. 165 u. 173. Aus der Verfassungsrechtsprechung zum „gerechten Verhältnis [der Strafe] zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters“: BVerfGE 50, 205-217/215; 73, 206-261/253; 86, 288-339/313. 413 Huster, Rechte, S. 165 u. 173 f.; Möckel, DVBl. 2003, 488-496/493. Aus der Verfassungsrechtsprechung zur Ausrichtung der Besteuerung an der wirtschaftlichen (in den jüngeren Entscheidungen: finanziellen) Leistungsfähigkeit: BVerfGE 66, 214-226/222 u. 223; 67, 290-299/297; 68, 143-155/152; 74, 182-202/199 f.; 81, 228-242/236; 82, 60-105/86; 89, 346-359/352; 99, 246-268/ 260; 105, 17-48/46; 105, 73-135/125; 107, 27-58/46; 110, 412-446/433; 112, 268-284/279. 414 Zur Charakterisierung als „besondere[r] Gleichheitssatz“ BVerfGE 112, 268-284/279, und Pieroth, JP, Art. 6 Rn. 11 (spezielles Diskriminierungsverbot).

Beispiel von Huster, Rechte, S. 165. Das Bundesverfassungsgericht hielt – jedenfalls noch Ende der 80er Jahre – für verfassungsrechtlich unbedenklich, bei der undifferenzierten Regelung des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung für Frauen bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres diese Umstände nicht zu berücksichtigen, BVerfGE 74, 163-182/177 (Beschl. des Ersten Senats v. 28.1.1987; Altersruhegeld). 415

416

BVerfGE 87, 153-181/169 ff.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

266

Umweltrecht:417 Soll die Auferlegung von umweltrechtlichen Pflichten entsprechend der Verursachung mangels Eingriff keiner Rechtfertigung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes bedürfen, 418 weil sie das grundsätzlich gebotene Differenzierungsmerkmal zugrunde legt, bzw. den geringen Rechtfertigungsanforderungen im Falle der Verfolgung interner Zwecke genügen,419 weil die Verursachung als „(relevanter) Unterschied“ zwischen den ungleich behandelten Personen die Ungleichbehandlung rechtfertigt?420 Soll hingegen die Auferlegung entsprechend der tatsächlichen oder rechtlichen Herrschaft über eine Sache, von der eine Gefahr ausgeht, wie sie die im Ordnungsrecht zeitgleich mit der Verursacherverantwortlichkeit verankerte Zustandsverantwortlichkeit vorsieht, oder die Auferlegung von Nachsorgepflichten entsprechend der Herrschaft über einen Betrieb, wie sie § 5 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG unabhängig von einer Verursachung zulässt, als Abweichung von diesem Maßstab bzw. wegen der Verfolgung externer Zwecke421 zur Rechtfertigung auf „ein mit der Gleichheit kollidierendes Rechtsgut“422 angewiesen sein? Das entgegenstehende Interesse hängt hierbei von der Annahme ab, die ungleich behandelten Personen seien „eigentlich“, d. h. in Bezug auf den Inhalt der differenzierenden Regelung, „wesentlich gleich“, ihre Ungleichbehandlung müsse deshalb aus zusätzlichen Gründen gerechtfertigt werden, „die mit ihrer wesentlichen Gleichheit nichts mehr zu tun haben“.423 Das Bundesverfassungsgericht und mit ihm das (noch) herrschende Gleichheitsverständnis nähert sich den Problemen von der anderen Seite. Es sieht – mit Ausnahme der noch zu behandelnden Fälle einer unzulässigen Gleichbehandlung424 – regelmäßig von der Bestimmung dessen, wonach „eigentlich“ zu unterscheiden wäre, ab. Das kann es deshalb, weil es den Gesetzgeber grundsätzlich frei sieht, zu bestimmen, was maßgebend für die Ungleichbehandlung sein ————— 417 Als verfassungsrechtlich rational herleitbarer Gerechtigkeitsmaßstab behauptet von Möckel, DVBl. 2003, 488-496/491. 418

So Möckel, DVBl. 2003, 488-496/491.

Huster, Rechte, S. 174, sieht bei Verfolgung interner Zwecke eine bloße Entsprechensprüfung vor, bei der zu fragen sei, „welches der Gerechtigkeitsmaßstab ist und ob die konkrete Ungleichbehandlung diesem Maßstab entspricht“. 419

420

Vgl. Huster, Rechte, S. 165.

Die Verwirklichung externer Zwecke ist nach Huster, Rechte, S. 165 u. 173 f., die angestrebte Folge oder Wirkung der Ungleichbehandlung, nicht – wie bei der Verwirklichung interner Zwecke – deren Eigenschaft. 421

422

Huster, Rechte, S. 172.

So Huster, Rechte, S. 168, für die Fälle der Verfolgung externer Zwecke. Huster, Rechte, S. 194, muss aber eingestehen, dass es auch in der zweiten Fallgruppe auf die Unterschiede ankommt, wenn auch in seinen Augen „nur mittelbar“. 423

424

Dazu unten unter B.V.

B. Gleichheitsmodell

267

soll. Die entscheidende Frage lautet dann nicht, welche Unterschiede „eigentlich“ ausschlaggebend sein sollten, sondern, ob die durch die Regelungsvoraussetzungen in Bezug genommenen Unterschiede einen sachlichen Bezug zu dem Sachbereich und dem in ihm verfolgten Regelungsziel aufweisen (Willkürprüfung; hier Sachlichkeitsgebot), und inwiefern und inwieweit sie die ungleichen Wirkungen legitimieren können (strenge Verhältnismäßigkeitserfordernisse; hier Unterschied-Wirkungs-Relation). Ein entgegenstehendes Interesse wird und muss dabei nicht bestimmt werden. Nun lassen sich die Anfangsfragen beantworten: Der Textbefund ergibt keine Parallelen zwischen Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen und spricht gegen ein Zweckerfordernis für Ungleichbehandlungen. Ein Interesse, vergleichbar dem Interesse an Freiheit im umfassenden Sinn, das hoheitlichen Ungleichbehandlungen grundsätzlich entgegensteht und das es erforderte, Ungleichbehandlungen durch Zwecke und die hinter ihnen stehenden öffentlichen Interessen zu rechtfertigen, lässt sich für Gleichheitsgewährleistungen nicht bestimmen. Es fügt sich deshalb nicht in das Verständnis der Gleichheitsgewährleistungen, einen Zweck zur Rechtfertigung zu fordern. Wird in der Annahme, aus der Verfassung rational begründbare Gerechtigkeitsmaßstäbe herleiten zu können, versucht, ein Ungleichbehandlungen entgegenstehendes Interesse zu bestimmen, öffnet man die Gleichheitsprüfung subjektiven Wertungen. Damit aber wird das Ziel, die Gleichheitsprüfung zu präzisieren, verfehlt. Das Kriterium des Differenzierungszwecks vermag daher für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen keine Präzisierung zu leisten. Es verspricht gegenüber den vom Bundesverfassungsgericht angeführten Kriterien des Grundes oder der Unterschiede keinen Erkenntnismehrwert. d) Zusammenfassung Auf das bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebende Verhältnis von Wirkungen und Zweck der Regelung(en), und, gleichheitsrechtlich modifiziert, auf das Verhältnis der Wirkungen zum Zweck der Differenzierung kommt es für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung nicht an. Die Untersuchung des Verhältnisses der ungleichen Wirkungen zum Regelungszweck nach den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit geht teils an den spezifisch gleichheitsrechtlichen Problemen vorbei und verspricht andernteils keinen über die Untersuchung der UnterschiedZweck- und Unterschied-Wirkungs-Relationen hinausgehenden Erkenntnisgewinn. Mit dem Regelungszweck lässt sich begründen, ob es sachbezogen ist, ungleiche Wirkungen an die durch die Voraussetzungen in Bezug genommenen Verschiedenheiten zu knüpfen. Eine weitergehende Bedeutung hat der Zweck der Regelung für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung nicht. Ebensowenig vermag das Kriterium des Differenzierungszwecks die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu präzisieren.

268

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Um den Begriff der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Untersuchung von Zweck-Wirkungs-Relationen vorzubehalten, sollte bei der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung allenfalls von Verhältnismäßigkeitserfordernissen oder – vorzugswürdig – von gleichheitsrechtlichen Anforderungen an die Relationen von Unterschieden und Regelungszweck sowie Unterschieden und ungleichen Wirkungen gesprochen werden. 2. Gründe und Unterschiede Die mit den gleichheitsrechtlichen Anforderungen benannten Erfordernisse des sachlichen Bezugs der Unterschiede zum Regelungsbereich und Regelungsziel sowie ihrer Tauglichkeit zur Legitimation der ungleichen Wirkungen nach Art und Ausmaß beschreiben die in der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung anzustellende Argumentation unter Hervorhebung der Unterschiede. Das trägt dem mit Einzug der neuen Formel in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollzogenen Perspektivenwechsel Rechnung. Anstelle eines sachlich einleuchtenden425 oder sachlichen Grundes426, wie in der Willkürformel des Bundesverfassungsgerichts, wird nun überwiegend verlangt, dass Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können.427 Weitaus weniger Entscheidungen setzen in der neuen Formel an die Stelle der rechtfertigenden Unterschiede „Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können“.428 Welche der Formulierung das Gericht wählt, folgt aber keiner erkennbaren Regel.429 ————— 425 So bereits im Südweststaatsurteil, BVerfGE 1, 14-66/52 (auszugsweise zitiert oben in Fn. 21 (Seite 173). 426 BVerfGE 91, 118-124/123. Aus dem Schrifttum fordern (weiterhin) einen „Grund“ zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung beispielsweise Herzog, MD, Art. 3 Anh. Rn. 10, und Heun, DK, Art. 3 Rn. 25 u. 31 ff. Jarass, JP, Art. 3 Rn. 15, spricht von einem „Differenzierungsgrund“. 427 Nachweise oben in Fn. 50 (Seite 180). Im Ansatz ähnlich bereits 1979 Friauf, Diskriminierung, S. 17: „Zur Rechtfertigung einer vom Gesetzgeber vorgenommenen unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte genügt es deshalb nicht, auf die eine oder andere zwischen ihnen bestehende Verschiedenheit hinzuweisen (Stufe 1). In jedem Fall muß vielmehr darüber hinaus der Nachweis geführt werden, daß die festgestellte Verschiedenheit ihrer Art nach gerade eine solche Ungleichbehandlung zu tragen vermag (Stufe 2)“ (Hervorhebung im Original). 428 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 88, 87-103/97; 89, 15-27/23; 89, 69-91/ 89; 90, 46-60/56; 91, 346-366/363; 91, 389-405/401; 92, 26-53/52; 93, 99-116/111; 95, 39-48/45; 95, 267-322/317; 98, 365-403/389; 99, 341-360/355 f.; 99, 367-401/389; 101, 54-105/101; 108, 52-82/68; 110, 274-304/291; 111, 160-176/170; 111, 176-190/184. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 90, 145-199/196.

Beispielsweise fordert das Gericht in BVerfGE 92, 26-53/52 f., im Obersatz eine Rechtfertigung durch Gründe, und stellt bei der eigentlichen Prüfung fest, die Unterschiede rechtfertigten die ungleiche Behandlung. Die zumeist zitierte erste Entscheidung mit der „Gründe-Formel“, BVerfGE 88, 87-103/97, weist selbst zum Beleg der Anforderungen an die Rechtfertigung mit einem „Vgl.“Zitat auf eine Entscheidung mit „Unterschied-Formel“ hin, nämlich BVerfGE 82, 126-156/146. 429

B. Gleichheitsmodell

269

Führt die Rechtfertigung mit Unterschieden in der Sache zu Veränderungen? Oder präzisiert sie lediglich das, was mit einer Rechtfertigung durch Gründe gemeint ist? Die Grundlagen für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Ungleichbehandlungen mit sachlichen Gründen zu rechtfertigen suchte, legte Leibholz mit seiner Dissertationsschrift „Die Gleichheit vor dem Gesetz“.430 Seine Überlegungen zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen gehen von den tatsächlichen Verschiedenheiten zwischen den ungleich Behandelten aus: Ihrer bedarf es für die Rechtfertigung einer verschiedenen rechtlichen Behandlung. Jedoch kann „noch nicht jede Ungleichmäßigkeit in den tatsächlichen Voraussetzungen eine verschiedene rechtliche Behandlung rechtfertigen. Vielmehr müssen die Tatumstände, die eine rechtlich differente Behandlung im Einzelfalle zulassen sollen, ‚the different situations‘, die eine ‚different regulation‘ erfordern, ganz besonderer Natur sein. Die Verschiedenheit muß …, um rechtlich bedeutsam zu sein, ‚erheblich‘ sein, sie muß einen ‚inneren Zusammenhang‘ mit der verschiedenen Beurteilung des Falles aufweisen“. 431

Die Rechtfertigung erfolgt danach grundsätzlich durch die „Ungleichmäßigkeit in den tatsächlichen Voraussetzungen“, die „Tatumstände“, die „Verschiedenheit“. An diese werden weitergehende Anforderungen gestellt. Überlegungen zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Ungleichbehandlungen führten Leibholz dazu, das Vorliegen der Anforderungen nicht positiv zu bestimmen, sondern umgekehrt festzustellen, wann sie nicht vorliegen. In diesem Fall ging er von Willkür aus. In seiner Schilderung von Willkür verwendet er zugleich den Begriff des vernünftigen Grundes: „Wenn sich andererseits ein vernünftiger Grund für das in der Norm für maßgeblich erachtete Kriterium überhaupt nicht finden läßt, wenn der von dem Rechtssatz normierte Tatbestand mit der an denselben geknüpften Rechtsfolge schlechthin unvereinbar ist, wenn überhaupt kein innerer Zusammenhang zwischen der getroffenen Bestimmung und zwischen dem durch dieselbe erstrebten Zweck besteht, oder wenn ein solcher zwar besteht, aber in einem völlig unzulänglichen Verhältnis, so kann man diese Norm als willkürlich charakterisieren“.432

Der vernünftige Grund nimmt dabei aber nicht die Stelle der rechtfertigenden tatsächlichen Verschiedenheiten ein, sondern sagt aus, ob das Anknüpfen an sie und ihr Verhältnis zur Rechtsfolge und zum „erstrebten Zweck“ gleichheitsrechtlichen Anforderungen genügt oder willkürlich ist. Interessant ist, dass Leibholz bereits die verschiedenen Verhältnisse aufzeigt, in denen gleichheitsrechtlichen Anforderungen nicht genügt sein kann. Fehlt ein „vernünftiger Grund für ————— 430

Leibholz, Gleichheit.

431

Leibholz, Gleichheit, S. 48. Ähnlich S. 244.

432

Leibholz, Gleichheit, S. 76.

270

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

das in der Norm für maßgeblich erachtete Kriterium“ oder der „innere[] Zusammenhang zwischen der getroffenen Bestimmung und zwischen dem durch dieselbe erstrebten Zweck“, liegt die Unzulänglichkeit im Verhältnis der Unterschiede zwischen Personen, an die die „getroffene Bestimmung“ mittels des „für maßgeblich erachtete[n] Kriterium[s]“ anknüpft, zum Sachbereich und zum Zweck der Regelung. Ist der „Tatbestand mit der an denselben geknüpften Rechtsfolge schlechthin unvereinbar“, liegt die Unzulänglichkeit im Verhältnis der mit den Voraussetzungen in Bezug genommenen Unterschiede zu den ungleichen Wirkungen, genauer zur Art der ungleichen Wirkungen. Besteht grundsätzlich ein innerer Zusammenhang zwischen der getroffenen Bestimmung und dem erstrebten Zweck, besteht er aber „in einem völlig unzulänglichen Verhältnis“, liegt die Unzulänglichkeit nach der hier vertretenen Auffassung nicht im Verhältnis zum Zweck, sondern im Verhältnis der Unterschiede zu den ungleichen Wirkungen. Unabhängig davon lässt sich aber sagen, dass die Frage nach dem Grund die Rechtfertigung durch eine „Ungleichmäßigkeit in den tatsächlichen Voraussetzungen“ nicht ersetzen soll, sondern nur anders benennt. Zum gleichen Befund führt eine Durchsicht der Begründungen des Bundesverfassungsgerichts dafür, warum der Hoheitsträger den einen so, einen anderen anders behandeln darf. Ihre Kernaussage lässt sich mit den Worten zusammenfassen: „Der Unterschied zwischen beiden … ist (k)ein zureichender Grund, beide … dadurch unterschiedlich zu behandeln, daß …“, wie die Arbeit von Podlech für die Gleichheitsjudikate in den ersten sechsundzwanzig Bänden der amtlichen Sammlung des Bundesverfassungsgerichts belegt.433 Bis heute wird, wenn ein rechtfertigender Grund gefordert wird, der Sache nach auf die Unterschiede abgestellt, die der Differenzierung zugrunde liegen. 434 ————— Podlech, Gehalt, S. 51, 52, 58, 63, 65, 80, 92, 97, 99, 101, 110, 116, 118, 119, 124, 125, 129, 131 f., 132, 134, 138, 139, 140, 146, 151, 152, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 209, 214 und 221. Zwar lehnt Podlech an anderer Stelle (S. 50, 84 u. 195) eine Rechtfertigung durch Unterschiede ausdrücklich ab („weder … noch spielt tatsächliche Ungleichheit die Rolle einer Begründung für die Erlaubnis der Ungleichbehandlung“), wenngleich er dies an wieder anderer Stelle relativiert (S. 52 f.: „Tatsächliche Ungleichheiten rechtfertigen nicht jede normative Ungleichheit. … Soll eine normative Ungleichheit … durch Berufung auf eine tatsächliche Ungleichheit begründet werden, bedarf es der Begründung dafür, warum diese Berufung im gegebenen Fall ausreicht“). Das hindert ihn aber nicht, in der beschriebenen Weise ausschließlich Unterschiede als rechtfertigende Gründe zu benennen. 433

434 Besonders deutlich bei Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 26, der von Differenzierungsgrund spricht, zuvor aber auf die vorgefundenen Verschiedenheiten abstellte. BVerfGE 92, 26-53/51 f.: „Die Ungleichbehandlung ist … durch sachliche Gründe gerechtfertigt. … Die Ungleichbehandlung knüpft … an Unterschiede an, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zu regelnden Sachverhalts die differenzierende Regelung rechtfertigen“; BVerfGE 95, 267-322/318: „Auch diese Ungleichbehandlung hat aber in den tatsächlichen Unterschieden einen rechtfertigenden Grund“. Zum besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2 GG formuliert das Bundesverfassungsgericht, er verbiete, „daß der Geschlechtsunterschied einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben kann“ (BVerfGE 63, 181-196/194; 68, 384-391/390; 71, 224-229/228 f.; vgl. auch BVerfGE

B. Gleichheitsmodell

271

Nach diesem Befund führen die neue Formel des Bundesverfassungsgerichts und das hier zugrunde gelegte Voraussetzungsmodell kein neues Kriterium zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ein, sondern besinnen sich auf das zurück, was auch nach der auf Leibholz zurückgehenden Willkürformel maßgebend sein sollte: die Verschiedenheiten, an die eine Ungleichbehandlung anknüpft und deren Verhältnis zum Regelungszweck und zur Rechtsfolge bestimmten Anforderungen genügen muss, die zusammengefasst als sachlicher oder vernünftiger Grund bezeichnet wurden. Werden diese Verhältnisse nach der neuen Formel oder dem Voraussetzungsmodell im Einzelnen benannt und geprüft, führt das zu einer schärferen Kontrolle, nicht aber zu Veränderungen in der Sache. Dennoch mag gegen den mit der Betonung der Unterschiede vollzogenen Wechsel der Perspektive Folgendes eingewandt werden: –

Eine Rechtfertigung durch Unterschiede erfasse die Möglichkeiten, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, nur unvollständig.



Sie lasse außer Acht, dass der regelnde und gestaltende Normgeber Unterschiede allererst schaffen könne und nicht auf ihr Vorhandensein angewiesen sei.435



Sie führe zur Aufrechterhaltung des status quo und zur Verstärkung bestehender Ungleichheit und widerspreche damit der Forderung nach Herstellung von Gleichheit.

Zweifel daran, ob die Rechtfertigung durch Unterschiede erfolgen kann, mögen dann bestehen, wenn bei der Rechtfertigung Gesichtspunkte der Typisierung436, der Generalisierung, der Pauschalisierung437 oder der Verwaltungspraktikabilität einbezogen werden438, oder wenn eine Stichtagsregelung439 zu recht————— 84, 9-25/17), gleichbedeutend mit der Feststellung, er verbiete „rechtliche Regelungen, die allein an den Unterschied der Geschlechter anknüpfen“ (BVerfGE 57, 335-346/342). Bemerkenswerterweise formuliert das Schweizer Bundesgericht (BGE 100 IA 41-47/46 f.) ähnlich: Die Rüge der Willkür gegen einen Rechtsetzungsakt greife unter anderem dann durch, wenn die Bestimmung „Unterscheidungen [trifft], für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist“. 435

Koenig, JuS 1995, 313-318/315; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 441.

Ein besonders gutes Beispiel zur Rechtfertigung mit typisierten Unterschieden liefert BVerfGE 91, 389-405/402: „sachgerecht, weil Eheleute … gewöhnlich in einer Haushaltsgemeinschaft ‚aus einem Topf‘ wirtschaften [und] … der eine Ehegatte regelmäßig an der Ausbildung des anderen interessiert ist“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Weitere Beispiele bilden BVerfGE 88, 87-103/97 (Altersgrenze für die Vornamensänderung im Transsexuellengesetz); 97, 169-186/182 ff. (Kleinbetriebsklausel im Kündigungsschutzgesetz). 436

437

BVerfGE 89, 15-27/24 (Höchstgrenze steuerfreier Nachtarbeitszuschläge).

Gründe der Praktikabilität erwägt das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in BVerfGE 98, 365-403/394, lässt sie aber zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer im 438

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

272

fertigen ist. Eine Rechtfertigung durch Unterschiede stößt in diesen Fällen aber nicht an ihre Grenzen: Praktikabel ist eine Regelung dann, wenn die Auswahl der betroffenen Personen aufgrund der sie von anderen unterscheidenden Gegebenheiten zu Vereinfachungen, leichterer Handhabung und Ähnlichem zu führen verspricht. Typisierung, Generalisierung und Pauschalisierung erfolgen in der Weise, dass nach bestimmten, leicht nachweisbaren, eine bestimmte Vermutung nahelegenden oder sonst das Verfahren vereinfachenden Merkmalen unterschieden wird.440 Es sind danach die eine Vereinfachung versprechenden Umstände bzw. Umstände, die typisiert, generalisiert oder pauschalisiert sind, die es erlauben, den, bei dem sie vorliegen, anders zu behandeln, als den, bei dem sie fehlen, nicht die Vereinfachung, Typisierung, Generalisierung oder Pauschalisierung als solche. In anderen Entscheidungen bezeichnet Typisierung, dass einige Unterschiede gerade nicht berücksichtigt werden, die sich unterscheidenden Personen also trotz der Unterschiede gleichbehandelt werden.441 Damit ist – wenn überhaupt – ein Problem unzulässiger Gleichbehandlung,442 nicht jedoch einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung beschrieben. Bei der Rechtfertigung von Stichtagsregelungen ist zu unterscheiden: Einige Stichtagsregelungen, beispielsweise solche, die nach Geburtsjahrgängen differenzieren, nehmen eine Typisierung oder Generalisierung in der Weise vor, dass sie davon ausgehen, dass sich die Lebensumstände oder der Werdegang bis zu einem bestimmten Jahr geborener Personen typischerweise oder im Allgemeinen von dem jüngerer Personen unterscheidet. Für diese Regelungen gilt das zu den Typisierungen und Generalisierungen Gesagte. Andere Stichtagsregelungen, beispielsweise solche, die auf das Datum des Inkrafttretens eines Gesetzes abstellen, tragen dem Umstand Rechnung, dass die Personen unter verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen gehandelt haben oder unterschiedliche Erwartungen aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen hegen durften. Alle diese Gesichtspunkte können in eine Rechtfertigung durch Unterschiede einbezogen werden. Zugleich wird allerdings deutlich, dass der Begriff der Unterschiede nicht eng zu verstehen ist: Er bezieht sich nicht lediglich auf ————— öffentlichen Dienst gegenüber den in der Privatwirtschaft Beschäftigten hinsichtlich der „Unverfallbarkeit von Betriebsrenten“ nicht genügen. BVerfGE 75, 78-107/106 (Stichtagsregelung für verschärfte Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit in der Sozialversicherung); 80, 297315/311 (Stichtagsregelung für das Entfallen der Kürzung der Versorgung eines nach Ehescheidung Ausgleichspflichtigen beim Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten); 87, 1-48/43 (Stichtagsregelung für die Berücksichtigung von Kinderziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten – „Trümmerfrauen“); 101, 239-274/270 (Stichtagsregelung im Vermögensgesetz für den Restitutionsausschluss wegen redlichen Erwerbs). 439

440

Im Einzelnen erläutert in BVerfGE 111, 115-146/137.

BVerfGE 96, 1-10/8 (Aufhebung des Arbeitnehmer- und des Weihnachtsfreibetrags und Erhöhung der Werbungskostenpauschale). 441

442

Dazu unten unter B.V.

B. Gleichheitsmodell

273

Merkmale, die den Personen eigen sind, sondern beispielsweise auch auf das, was sie bewirken, oder in welchem tatsächlichen oder rechtlichen Kontext sie tätig werden. Zum zweiten Einwand ist zunächst klarzustellen, dass eine Rechtfertigung durch Unterschiede nicht erfordert, dass der Unterschied ein natürlicher in dem Sinne ist, dass er vor Schaffung rechtlicher Regelungen und also „im Urzustand des Menschen“ bestand. 443 Es genügt, wenn er durch andere Regelungen geschaffen ist444 und für die Dauer der Geltung der Regelung besteht. Dass sich der Grundrechtsschutz mit dem Wandel der Rechtsordnung verändern kann, ist von anderen Grundrechtsgewährleistungen her bekannt, besonders von den „normgeprägten“ der Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Errichtet der Normgeber ein Rechtsinstitut, schafft er ein neues Rechtsinstrument oder bildet er eine neue Kategorie von Rechtsverhältnissen, trifft er mit anderen Worten eine unterschiedsbegründende Regelung, berührt das für sich genommen weder ————— 443 Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 29: „Eine Differenzierung, insbesondere eine gesetzliche Differenzierung, kann vor dem Gleichheitssatz nur bestehen, wenn sie die realen Verhältnisse der Personen, auf die sie zielt, berücksichtigt. Diese realen Verhältnisse können sich ohne staatliche Mitwirkung ergeben haben, sie können aber auch Folge der Rechtsordnung sein. Regelmäßig wird sich die vorgefundene Realität sowohl staatsunabhängig wie staatsbeeinflußt herausgebildet haben“. 444 BVerfGE 85, 176-191/187 f., rechtfertigt die Ungleichbehandlung zwischen Beamten und anderen Personen, die verletzt wurden, bei der Gewährung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen damit, dass Beamte zum Gläubiger, ihrem Dienstherrn, in einem besonderen und engeren öffentlich-rechtlichen Dauerverhältnis stehen und ihnen im Schadensfall Versorgungsansprüche gewährt werden, während es bei anderen Geschädigten an beidem fehlt. BVerfGE 85, 238-247/245 f. rechtfertigt die steuerliche Ungleichbehandlung von Kraftdroschken- und Mietwagenunternehmern ausschließlich mit den gesetzlich bestimmten Unterschieden (besondere Lasten und Vergünstigungen der Kraftdroschkenunternehmer). Ebenso BVerfGE 81, 70-97/96 für die Ungleichbehandlung dieser beiden bei der Aufzeichnungspflicht. BVerfGE 90, 46-60/57, rechtfertigt die ungleiche Behandlung von Angestellten und Arbeitern hinsichtlich der Beteiligung des Personalrats bei Kündigungen damit, dass sie „an die verschieden langen Probezeiten und Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte an[knüpfte], wie sie seinerzeit tarifvertraglich festgelegt waren“. BVerfGE 101, 331-360/357, rechtfertigt die unterschiedliche Höhe der Vergütung für Betreuungstätigkeiten von Selbstständigen einerseits, Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst andererseits mit dem höheren Maß an persönlicher Unabhängigkeit und mit der wirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit der Selbständigen. BVerfGE 103, 271-293/290, nennt als rechtfertigende Unterschiede für verschieden hohe Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung die unterschiedliche Ausgestaltung der Versicherungszweige und die unterschiedliche Ausrichtung der Beiträge am Einkommen einerseits, mit Risikobezug andererseits. BVerfGE 103, 392-405/398 f., nennt als rechtfertigende Unterschiede unterschiedlicher Mindestbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für hauptberuflich Selbstständige mit Einnahmen unterhalb der Mindestbemessungsgrenze gegenüber sonstigen freiwilligen Versicherungsmitgliedern die Unterschiede bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage sowie Unterschiede im Unternehmerrisiko. BVerfGE 105, 313-357/353, nennt als rechtfertigende Unterschiede zwischen einer Person, die sich mit einer gleichgeschlechtlichen Person auf Dauer rechtsverbindlich binden will, und einer Person, die gleiches mit einem Verwandten beabsichtigt, neben der rechtlich erst mit der zu prüfenden Regelung geschaffenen Exklusivität der ersten Bindung die rechtlich geschaffenen Unterschiede bei den Zeugnisverweigerungs-, Erb-, teilweise Pflichtteilsrechten sowie bei der steuerlichen Behandlung (inhaltlich, nicht wegen der Art der Umstände, kritisiert von der abw. M. der Richterin Haas in BVerfGE 105, 359-365/363 f. u. 364 f.).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

274

die Freiheitsrechte noch die Gleichheitsgewährleistung. Erst wenn er an das Institut, Instrument oder Rechtsverhältnis und damit an einen Unterschied zwischen Personen Rechte oder Pflichten knüpft, kommt es zu Ungleichbehandlungen, die, sofern gerechtfertigt, ihrerseits Unterschiede bilden, die spätere Regelungen rechtfertigen können.445 Der dritte Einwand trifft in seinem ersten Bestandteil zu. Die Rechtsetzungsgleichheit ist eher geeignet, bestehende tatsächliche Ungleichheit rechtlich zu konservieren und zu verstärken als sie zu verändern.446 Das wird durch den historischen Befund bestätigt, wonach „[d]ie Rechtsgleichheit … insgesamt keineswegs zur Nivellierung, sondern zu einer höchsten Differenzierung geführt [hat]“.447 Zugleich erklärt es, warum es erforderlich ist, spezielle Gleichheitssätze zu schaffen, um das Anknüpfen einer Privilegierung oder einer Benachteiligung an einen tatsächlichen Unterschied (etwa im Geschlecht, in der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, im Glauben oder in der religiösen oder politischen Anschauung448) zu verhindern.449 Ein Auftrag zur Herstellung von Gleichheit lässt sich dagegen weder dem Absatz 1 noch dem Absatz 3 des Artikels 3 GG entnehmen. Den Ausgleich bestehender Unterschiede können das Sozialstaatsprinzip450 und der Rechtsstaatsgrundsatz451 – deren Beachtung durch Art. 3 Abs. 1 GG unter grundrechtlichen Schutz gestellt sein kann452 – oder die ————— Vgl. Kloepfer, Gleichheit, S. 37 Fn. 61: „Richtig ist … die Erkenntnis von [BVerfGE 19, 1-16/ 9 f.], wonach die Rechtsungleichheit keine tatsächlichen Unterschiede begründet, sondern im Hinblick auf Art. 3 GG der Rechtfertigung bedarf. Freilich führt die Anwendung von Rechtsungleichheiten schließlich auch zu tatsächlichen Unterschieden“. 445

So bereits Kloepfer, Gleichheit, S. 37. Zur „nicht unbedeutenden ‚systemstabilisierenden‘ Wirkung“ des Gleichheitssatzes, der „dazu tendiert, bestehende Ungleichheiten zu verfestigen, jedenfalls nicht zum Verschwinden zu bringen“ auch Stettner, BayVBl. 1988, 545-552/551. 446

447 Heckel, VVDStRL 47 (1989), 68-70/69: „Rechtsgleichheit führt eben bei ungleichen faktischen Voraussetzungen zu ungleichen faktischen Wirkungen, aber auch zu ungleichen rechtlichen Wirkungen. … Die Rechtsgleichheit hat insgesamt keineswegs zur Nivellierung, sondern zu einer höchsten Differenzierung geführt“. 448

So die in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Unterscheidungsmerkmale.

449

Zur Funktion des verfassungsrechtlichen Gebots des Art. 3 Abs. 2 GG, „für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen“, BVerfGE 48, 327-341/340; 57, 335-346/ 345 f.; 84, 9-25/17. BVerfGE 15, 337-352/345, spricht mit anderer Akzentuierung noch von der „Gleichwertigkeit der Geschlechter“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 450 Starck, Anwendung, S. 56 f. u. 67; ders., MKS, Art. 3 Abs. 1 Rn. 6, 27 ff. u. 35. In diese Richtung, wenngleich weniger strikt trennend, geht auch Stettner, BayVBl. 1988, 545-552/552.

BVerfGE 81, 347-362/356: „Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes …. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 451

452

BVerfGE 81, 347-362/356 f.

B. Gleichheitsmodell

275

freiheitsrechtlich zu begründende Chancengleichheit453 fordern; der Gleichheitssatz allein verlangt ihn nicht.454 Aus diesem Grund geben die Formeln „Gleichheit im Gesetz“455 und „gleiche Bewertung durch das Recht in allen seinen Erscheinungsformen“456 den Gehalt der Rechtsetzungsgleichheit besser wieder als die verbreitete Formel „Gleichheit durch das Gesetz“. Die Einwände gegen den Wechsel der Perspektive von den Gründen zu den Unterschieden greifen demnach nicht. Das Abstellen auf die Unterschiede vermag zu erklären, was den Hoheitsträger legitimiert, an bestimmte Voraussetzungen unterschiedliche Wirkungen zu knüpfen und damit Personen unterschiedlich zu behandeln, obgleich Art. 3 Abs. 1 GG ihm nach Art. 1 Abs. 3 GG bindend vorgibt, dass „[a]lle Menschen vor dem Gesetz … gleich [sind]“. Das Erfordernis sachlicher oder vernünftiger Gründe bezeichnet demgegenüber lediglich, wie das Verhältnis der Unterschiede zum Regelungszweck und zur Rechtsfolge ausgestaltet sein muss. Es verhält sich damit zu den legitimierenden Unterschieden wie das Verhältnismäßigkeitserfordernis zu den rechtfertigenden Zwecken. Ein vom Gesetz in Bezug genommener Unterschied zwischen Personen ist ein sachlicher Grund für ihre Ungleichbehandlung, wenn er einen Sachbezug zu Regelungsbereich und -zweck aufweist, und nach seiner Art zur Begründung der Art der ungleichen Wirkungen taugt. Er ist ein hinreichend gewichtiger Grund, wenn er nach seiner Tragweite das Ausmaß der ungleichen Wirkungen rechtfertigen kann. Genügt die Ungleichbehandlung diesen Anforderungen an das Unterschied-Zweck- und das Unterschied-Wirkungs-Verhältnis, ist sie durch die Unterschiede gerechtfertigt. In diesem Sinne wird im Folgenden – wie in der neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts – von einer Rechtfertigung durch Unterschiede gesprochen. 3. Präzisierung und zusammenfassendes Argumentationsschema Bis hierher wurde dargelegt, dass die Unterschiede zwischen zwei Personen ihre Ungleichbehandlung rechtfertigen, wenn sie einen sachlichen Bezug zum Regelungsbereich und zum Regelungsziel aufweisen und nach Art und Tragweite die Art und das Ausmaß der ungleichen Wirkungen legitimieren. Nicht weiter bestimmt wurde, ob sämtliche oder nur bestimmte Unterschiede zwischen den Vergleichspersonen rechtfertigend wirken können. Gestellt sind damit die Fragen nach den maßgebenden Unterschieden (a.) und nach der Legitimität des Anknüpfens an sie (b.). Präzisierungsbedürftig ist weiter, ob die Rechtferti————— 453

Starck, Anwendung, S. 70, zieht und schlägt den Begriff der Startgleichheit vor.

454

Dieser hat – werden die vorhandenen Gegebenheiten berücksichtigt und zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen – nicht die ihm beispielsweise von Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 120 ff., besonders 122 f., zugeschriebene nivellierende Funktion. 455

Leibholz, Gleichheit, S. 35 mit Fn. 3.

456

Leibholz, Gleichheit, S. 35. Bewertet wird stets das Vorhandene.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

276

gungsprüfung stets gleich intensiv ist oder Ungleichbehandlungen ein Mal strengeren, ein andres Mal weniger strengen Anforderungen unterliegen (c.). Auch der Einfluss von Typisierungen auf die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung bedarf noch ergänzender Betrachtung (d.). Sind diese Präzisierungen erfolgt, können die nach dem Voraussetzungsmodell erforderlichen Argumentationsschritte in einem Schema festgehalten werden (e.). a) Maßgebende Unterschiede Der Rahmen dafür, welche Unterschiede eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können, steht mit der Entscheidung für das Voraussetzungsmodell fest. Ist es Sache des Gesetzgebers „zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln“,457 und trifft er diese Entscheidung, indem er Voraussetzungen für die jeweilige Behandlung festlegt, kann die Ungleichbehandlung nur durch solche Unterschiede gerechtfertigt werden, die durch die Voraussetzungen in Bezug genommen werden. Mit seiner Entscheidung, an das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Voraussetzung ungleiche Wirkungen zu knüpfen, bestimmt der jeweilige Hoheitsträger zugleich, welche Unterschiede eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können sollen.458 Die jeweilige Voraussetzung, in Bezug auf die eine Ungleichbehandlung untersucht wird, d. h. das Unterscheidungsmerkmal zwischen den Vergleichspersonen, bildet den Rahmen der maßgebenden Unterschiede. Das Verhältnis des Unterscheidungsmerkmals zu den maßgebenden Unterschieden ist das einer Regelungsvoraussetzung zu den tatsächlichen Elementen eines Sachverhalts, die unter die Voraussetzung subsumiert werden können. Ein Unterscheidungsmerkmal kann einen oder mehrere Unterschiede in Bezug nehmen. Hängen die Wirkungen der Regelung beispielsweise (ausschließlich) vom Beamtenstatus ab, so kann jeder tatsächliche oder rechtliche Unter————— 457

Nachweise oben in Fn. 214 (Seite 214), 215 (Seite 214) u. 281 (Seite 235).

Demgegenüber schränkt die vierstufige Gleichheitsprüfung von Kirchhof, NJW 1987, 23542356/2356, die Freiheit des Gesetzgebers zu sehr ein. Zar könne der Gesetzgeber über das Regelungsanliegen – die zu regelnde Rechtsfolge – bestimmen, von der die Bildung von Vergleichsgruppen und Tatbestandsgattungen abhänge. Er sei aber verpflichtet, „die tatsächlich vorgefundenen Verschiedenheiten vollständig und unverfälscht auf[zu]nehmen und als reale Grundlage seines Gestaltungswillens [zu] würdigen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Anders als hier werden der Kontrolle nicht lediglich die vom Gesetzgeber ausgewählten und durch die Tatbestandsvoraussetzungen angesprochenen Unterschiede auf ihre Tragfähigkeit zugrunde gelegt, sondern wird die Kontrolle auf alle denkbaren, für das Regelungsanliegen relevanten Verschiedenheiten erstreckt. Zu eng auch eine andere Beschreibung von Kirchhof, Objektivität, S. 92: „Der Gleichheitssatz gebietet eine Gleichbehandlung von rechtserheblich Ähnlichem, verbietet eine Nivellierung von rechtserheblich Verschiedenem, verlangt eine Differenzierung je nach rechtserheblichen Verschiedenheiten“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Diese Beschreibung lässt sich nur dann halten, wenn der Gesetzgeber bestimmen kann, was rechtserheblich ist. 458

B. Gleichheitsmodell

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schied zwischen Beamten und nichtverbeamteten Personen für sich oder gemeinsam mit weiteren Unterschieden zwischen beiden die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Auch bei einfach erscheinenden Unterscheidungsmerkmalen wie dem Alter können die Unterschiede sehr vielfältig sein, weil etwa zahlreiche Regelungen der Rechtsordnung an das Alter anknüpfen. Zuweilen lassen sich die maßgeblichen Unterschiede erst aus dem Zusammenspiel des Unterscheidungsmerkmals mit anderen Regelungen ableiten. Soll etwa die Unterscheidung in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BerHG a.F. 459 nach der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gerechtfertigt werden, ist auf das abzustellen, was rechtssuchende Arbeitnehmer und Arbeitgeber von anderen rechtssuchenden Personen unterscheidet. 460 Für eine präzise Gleichheitsprüfung sollte sorgfältig zwischen Voraussetzungen, Unterscheidungsmerkmalen und Unterschieden unterschieden werden.461 Voraussetzungen können Regelungsvoraussetzungen oder Auslegungsvoraussetzungen sein. Regelungsvoraussetzung ist jedes normierte Erfordernis, Auslegungsvoraussetzung jedes die Regelungsvoraussetzungen konkretisierende oder ergänzende Erfordernis. Unterscheidungsmerkmal ist die Voraussetzung oder ein Teil der Voraussetzung, von deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Ungleichbehandlung der Vergleichspersonen abhängt. Unterschiede sind die durch ein Unterscheidungsmerkmal bezeichneten Gegebenheiten, die die Vergleichspersonen unterscheiden. Eine Voraussetzung kann Auslöser einer Ungleichbehandlung sein. Das Unterscheidungsmerkmal ist Bezugspunkt des Vergleichs der ungleich behandelten Personen. Die Unterschiede entscheiden darüber, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Die Vergewisserung, dass ein zwischen den Vergleichspersonen festgestellter Unterschied maßgebend ist, kann auf unterschiedliche Weise in die gleichheitsrechtliche Rechtfertigungsprüfung integriert werden. Denkbar ist, in einem ersten Schritt zu ermitteln, welche Gegebenheiten die Vergleichspersonen unterscheiden und ob diese durch das Unterscheidungsmerkmal in Bezug genommen ————— 459 Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) vom 18. Juni 1980 (BGBl. I S. 689), abgedruckt in BVerfGE 88, 5-17/6: „§ 2 … (2) 1Beratungshilfe nach diesem Gesetz wird gewährt in Angelegenheiten 1. des Zivilrechts, außer in Angelegenheiten, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind, …“.

Vgl. BVerfGE 88, 5-17/13, zum Ausschluss von Beratungshilfe in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Nach dieser Entscheidung wurde § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BerHG durch Gesetz vom 14.9.1994 (BGBl. I S. 2323) neu gefasst: „§ 2 … (2) 1Beratungshilfe nach diesem Gesetz wird gewährt in Angelegenheiten 1. des Zivilrechts einschließlich der Angelegenheiten, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind, …“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 460

461 Daran fehlt es etwa, wenn ein Mal von „eine[r] die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Ungleichheit“ oder von der Begründung einer Ungleichbehandlung „aus unterschiedlichen Rollen“ der Menschen, ein andres Mal von einer Rechtfertigung durch ein „Differenzierungskriterium“ gesprochen wird. So zu lesen bei Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2507.

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

sind, und in weiteren Schritten zu klären, ob die Ungleichbehandlung durch diese Unterschiede gerechtfertigt ist.462 Alternativ kann sogleich mit der Prüfung der Unterschied-Zweck-Relation begonnen werden. Die Prüfung kann dadurch auf solche Gegebenheiten beschränkt werden, die einen Sachbezug zum Sachbereich und zum Regelungszweck aufweisen. Unter diesen Gegebenheiten können anschließend die ausgeschieden werden, in denen sich die Vergleichspersonen entweder nicht unterscheiden oder in denen sie sich zwar unterscheiden, die aber durch das Unterscheidungsmerkmal nicht in Bezug genommen wurden und deshalb nach der Norm nicht maßgebend sein sollen. Welches Vorgehen bei der konkreten Prüfung gewählt wird, ist letztlich eine Frage der Praktikabilität. b) Legitimität des Anknüpfens Einschränkungen dafür, welche Unterschiede eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können, können sich aus einem Legitimitätserfordernis ergeben, vergleichbar dem Erfordernis eines legitimen Ziels bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Entsprechend der Definition des legitimen Ziels bei der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist mit legitim nicht die Übereinstimmung mit sämtlichen höherrangigen Normen gemeint. Legitimität setzt nicht eine verfassungsrechtliche Ermächtigung voraus, sondern nur, das keine Norm ausdrücklich anderes vorgibt.463 Für die Rechtsetzung bedeutet das: Das Anknüpfen an bestimmte Unterschiede ist nicht legitim, wenn es verfassungsrechtlich untersagt ist oder wenn die Verfassung vorgibt, an andere Gegebenheiten anzuknüpfen.464 Untersagt wird das Anknüpfen an bestimmte Gegebenheiten beispielsweise in Art. 3 Abs. 2465 und Abs. 3 S. 1 GG 466 sowie, beschränkt auf Benach————— 462 Ähnlich gliedert Müller, VVDStRL 47 (1989), 37-62/40, seine Gleichheitsprüfung, allerdings ohne sich zuvor gesondert mit dem Vorliegen einer Ungleichbehandlung zu befassen und ohne die eigentliche Rechtfertigung (in seinen Worten die sachliche Begründung) weiter zu gliedern. Er will in einem ersten Schritt durch entsprechende Vergleiche abklären, „welche Unterschiede in den tatsächlichen Verhältnissen“ vorliegen, und in einem zweiten Schritt prüfen, ob die Gleich- oder Ungleichbehandlung „im Hinblick auf diese Unterschiede sachlich begründet“ ist.

So zur Legitimität des Ziels bei Eingriffen in Freiheitsrechte Isensee, Grundrecht, § 111 Rn. 72. 463

464 Nicht erkennbar ist, warum Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2508, die „Auswahl der Differenzierungsziele“, nicht die der Differenzierungskriterien für limitiert hält, obgleich er durch die speziellen Gleichheitssätze Ungleichheiten statuiert sieht, mit deren Vorliegen oder Nichtvorliegen eine Ungleichbehandlung nicht begründet werden darf (Hervorhebungen durch den Verfasser). Kloepfer, Gleichheit, S. 61, fordert, daß „kein verfassungswidriges Differenzierungskriterium gewählt wurde“, und bezeichnet mit Differenzierungskriterium „das gesetzliche Tatbestandsmerkmal, an dem eine Ungleichbehandlung ansetzt“; zusätzlich verlangt er, dass „ein verfassungslegitimes (nicht notwendig verfassungsgebotenes) Differenzierungsziel angestrebt“ wird. 465 BVerfGE 56, 363-395/388 ff.; 57, 335-346/341 ff.; 63, 181-196/194 ff.; 68, 384-391/390; 71, 224-229/228 f.; 74, 163-182/178 ff.; 83, 238-341/338 f.; 84, 9-25/17 ff.; 89, 276-291/285 ff.; 104, 373-396/387 u. 393 ff.; 105, 1-17/10 ff.

B. Gleichheitsmodell

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teiligungen, in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG467, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG, mittelbar auch in Art. 21 GG, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Mitgliedschaft in einer und Tätigkeit für eine nicht verbotene politische Partei kein Nachteil geknüpft werden darf.468 Vorgaben, an welche Gegebenheiten anzuknüpfen ist, macht insbesondere Art. 33 Abs. 2 GG. Untersagt eine Verfassungsnorm Schlechterbehandlungen (eines bestimmten Ausmaßes) an bestimmte Gegebenheiten zu knüpfen und wird der, bei dem sie vorliegen, belastet, so liegt ein Verstoß gegen die Verfassungsnorm vor, der, wenn die Norm nicht selbständig wehrfähig ist, einen Verstoß gegen ein Freiheitsrecht begründet. Wird dem, bei dem die Gegebenheit vorliegt, eine anderen gewährte Begünstigung versagt, liegt ein Verstoß gegen die Verfassungsnorm vor, der, sofern es sich nicht um einen selbständigen speziellen Gleichheitssatz handelt, in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Ungleichbehandlungsverbot geltend zu machen ist, weil es um eine Form von Teilhabeansprüchen geht. Untersagt sie Begünstigungen an bestimmte Gegebenheiten zu knüpfen, liegt sowohl bei einer Verschonung von einem sonst erfolgenden Eingriff als auch bei einer ohne die Gegebenheit nicht gewährten Begünstigung ein Verstoß gegen die Verfassungsnorm vor, der je nach Auffassung eigenständig oder in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Ungleichbehandlungsverbot geltend gemacht werden kann. Da die genannten Bestimmungen für die verfassungsrechtliche Kontrolle der Verantwortlichkeitsnormen sämtlich keine Bedeutung haben, bedarf es hier keiner Vertiefung, in welchem Verhältnis die speziellen Gleichheitssätze zum allgemeinen stehen.469 Bedeutung hätten hingegen solche Legitimitätserfordernisse, die sich aus den Freiheitsrechten ergeben. Soll nicht aus jedem Freiheitsverstoß zugleich ein Gleichheitsverstoß folgen, kann damit nicht gemeint sein, dass das Anknüpfen ungleicher Wirkungen an einen Unterschied nur dann legitim ist, wenn der oder die die Ungleichbehandlung bewirkenden Hoheitsakte mit den Freiheitsrechten vereinbar ist oder sind. Gelegentlich werden jedoch aus der Beschreibung des ————— 466 BVerfGE 59, 128-172/160 f.; 64, 135-157/156 f.; 85, 191-214/206 ff.; 87, 1-48/47 f.; 90, 2739; 92, 91-122/108 ff.; 97, 35-49/43 f.; 104, 373-396/393 ff. 467

BVerfGE 96, 288-315/302; 99, 341-360.

468

Vgl. BVerfGE 13, 46-54/53 – dazu ausführlich unten unter B.V.2.

469

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts formuliert zum Verhältnis von Art. 3 Abs. 2 GG zu Art. 3 Abs. 1 GG in BVerfGE 63, 181-196/194; 68, 384-391/390; 71, 224-229/228 f.: „Das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz und verbietet, daß der Geschlechtsunterschied einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben kann“, und zum Verhältnis des Art. 3 Abs. 3 GG zu Art. 3 Abs. 1 GG in BVerfGE 97, 186197/197: „Art. 3 Abs. 3 GG verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz durch konkrete Diskriminierungsverbote. Die darin genannten Merkmale dürfen nicht als Anknüpfungspunkt für differenzierende Regelungen herangezogen werden“.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

280

Kreises der Grundrechtsträger („jeder“ oder „jeder Deutsche“) und aus den Schranken der Freiheitsrechte Folgerungen für die Legitimität des Anknüpfens an Unterschiede gezogen.470 Das überzeugt nicht. Ein Gesetz beispielsweise, dass die Meinungsfreiheit von Soldaten einschränkt, mag gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen. Aus der Tatsache der Gewährleistung der Meinungsäußerungsfreiheit für „jedermann“ folgt aber nicht, dass eine besondere Pflicht per se nicht an den Soldatenstatus anknüpfen dürfte.471 Auch die Annahme, die Ausübung eines Freiheitsrechts dürfe grundsätzlich nicht Anlass einer nachteiligen Behandlung sein,472 wird durch die bisherigen Gleichheitsjudikate des Bundesverfassungsgerichts widerlegt, zumindest nicht bestätigt. Würde ihr gefolgt, ließe sich nicht begründen, dass beispielsweise besondere Pflichten an eine Pressetätigkeit geknüpft werden und nach der Rechtsprechung vorbehaltlich der Erfüllung weitere Anforderungen auch geknüpft werden dürfen.473 Für gesetzesvollziehende Verwaltung und gesetzesanwendende Gerichte ergeben sich aus dem Legitimitätserfordernis weitergehende Bindungen.474 Sie sind nicht nur an das Verfassungsrecht, sondern zugleich an das Gesetz gebunden.475 Gleichheit vor dem Gesetz verlangt von ihnen mehr als das Gesetz gleich, aber möglicherweise fehlerhaft anzuwenden. Verlangt wird, dass das Gesetz „ohne Ansehen der Person“476 und d. h. ohne Berücksichtigung solcher Umstände angewandt wird, auf die es nach dem Gesetz nicht ankommen soll. Sie dürfen für eine ungleiche Behandlung zweier Personen deshalb nur an solche Unterschiede anknüpfen, die mit den Voraussetzungen der Regelung bezeichnet sind. Es hilft ihnen nicht, dass ein anderer Unterschied die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte, wenn der Normgeber sich nicht dazu entschieden ————— 470 Gubelt, MK, Art. 3 Rn. 20; Starck, Anwendung, S. 64 ff.; ders., MKS, Art. 3 Abs. 1 Rn. 19-21. 471 Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt bestätigt, dass Soldaten und ihren Vorgesetzen besondere Zurückhaltung bei politischer Betätigung auferlegt werden darf: BVerfGE 28, 36-50/ 46 ff.; 44, 197-205/201 ff. 472

So Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7-36/29.

473

Strengere Sorgfaltspflichten der Presse gegenüber Privatpersonen bei nachteiligen Tatsachenbehauptungen: BVerfGE 85, 1-23/22; 99, 185-202/197 f. Vorbereitet durch BVerfGE 12, 113-132/ 130; 54, 208-223/221. 474

Gusy, NJW 1988, 2505-2512/2509.

475

Siehe Art. 20 Abs. 3 GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 476 BVerfGE 66, 331-337/335 f.; 71, 354-364/362 f. Kritisch zu dieser Formulierung Huster, Rechte, S. 15 Fn. 5: „Mißverständlich ist diese Formulierung deshalb, weil der Gesetzesanwender natürlich sehr wohl zu prüfen hat, ob eine Person bzw. ihr Verhalten den Tatbestand des Gesetzes erfüllt, und in diesem Sinne alles andere tut, als das Gesetz ‚ohne Ansehen der Person‘ anzuwenden. Die Blindheit der justitia erstreckt sich also nur darauf, daß sie ‚nicht wissen darf‘, um welche konkrete Person es sich handelt“.

B. Gleichheitsmodell

281

hat, diesen Unterschied für maßgebend zu erklären. Allerdings ist die praktische Bedeutung dieses engeren Legitimitätserfordernisses für Gesetzesvollzug und -anwendung gering. Bei belastenden Regelungen führt das Anknüpfen der Belastung an Merkmale, die mit den Voraussetzungen der Regelung nicht bezeichnet sind, bereits zu einem Freiheitsverstoß,477 so dass die Gleichheitsproblematik in der Praxis oft dahinstehen kann. c) Voraussetzungen und Wirkungen bestimmen Kontrolldichte Die Kontrolle von Gesetzen – nicht hingegen des Gesetzesvollzugs durch die Verwaltung und der Gesetzesanwendung durch die Gerichte – erfolgt durch das Bundesverfassungsgericht mit unterschiedlicher Intensität. Für die Kontrolldichte ausschlaggebend sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum einen die Voraussetzungen, 478 deren Vorliegen oder Fehlen die Ungleichbehandlung bewirkt, zum anderen die Intensität der Wirkungen. 479 Voraussetzungsabhängig wächst die Kontrolldichte –

ganz allgemein „bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen“,480 d. h., wenn das Unterscheidungsmerkmal ein personenbezogenes, eine Eigenschaft ist;



je mehr sich das personenbezogene Unterscheidungsmerkmal, die Eigenschaft, der in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähert; 481



„bei einer an Sachverhalten orientierten Ungleichbehandlung“, 482 d. h., wenn das Unterscheidungsmerkmal ein verhaltensbezogenes ist, je weniger die Vergleichspersonen die Verwirklichung der Regelungsvoraussetzung,

————— 477

Vgl. im Ersten Teil unter B.IV.2.

Missverständlich insofern Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 438, die die „Intensität, mit der eine Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt“, mithin die Wirkungen über die Kontrolldichte bestimmen lassen, sodann als Fall größerer Beeinträchtigungsintensität aber eine größere Ähnlichkeit des Kriteriums der Ungleichbehandlung, also seiner Voraussetzungen, mit einem nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Kriterium oder eine geringe Beeinflussbarkeit des Kriteriums, also erneut der Voraussetzungen, benennen. 478

479 Zu weiteren Kriterien zur Bestimmung der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte: Schuppert, DVBl. 1988, 1191-1200, besonders 1194.

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 88, 87-103/96; 89, 15-27/22; 89, 365381/375; 90, 46-60/56; 91, 389-405/401; 92, 26-53/51; 92, 53-74/68 f.; 95, 39-48/45; 95, 143-162/ 155; 95, 267-322/316; 97, 271-297/290; 98, 365-403/389; 99, 367-401/388; 101, 54-105/101; 102, 68-99/87. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 103, 310-332/319. Gegen diese Formulierung wegen des personen-, nicht gruppenbezogenen Gewährleistungsinhalts des allgemeinen Gleichheitssatzes bereits oben unter B.I.2. 480

481 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 88, 87-103/96; 92, 26-53/51; 97, 169186/181; 99, 367-401/388. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 101, 275-297/ 291; 103, 310-332/319. 482

BVerfGE 97, 169-186/181 (Erster Senat).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

282

des verhaltensbezogenen Unterscheidungsmerkmals, beeinflussen können.483 Abhängig von der Wirkungsintensität wächst die Kontrolldichte, –

„je stärker sich die Ungleichbehandlung … auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann“,484 anfangs besonders bei Ungleichbehandlungen, die Auswirkungen auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der beruflichen Tätigkeit hatten.485

Das ist nichts der Gleichheitsdogmatik eigenes. So stellte Böckenförde, seinerzeit Richter des Bundesverfassungsgerichts, fest: „Das Gericht orientiert seine Nachprüfung und Kontrolle heute – jedenfalls in der Rechtsprechung des Ersten Senats – an einem gleitenden Maßstab: Je nachhaltiger der grundrechtliche Schutzbereich von der in Frage stehenden Entscheidung oder Handlung betroffen wird, desto intensiver erfolgt die verfassungsgerichtliche Nachprüfung“.486

d) Typisierung und Grenzen Dass an dieser Stelle noch einmal die Typisierung thematisiert werden soll, gründet in ihrem doppelten Einfluss auf die gleichheitsrechtliche Rechtfertigungsprüfung. Auf ihre Bedeutung für die Bestimmung der maßgebenden Unterschiede wurde bereits hingewiesen. 487 Weil jede gesetzliche Regelung notwendigerweise verallgemeinern muss,488 darf der Gesetzgeber „die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild … erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt“.489 Er darf annehmen, dass sich die Personen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, von denen, bei denen (mindestens) eine Voraussetzung nicht vorliegt, bei typisierender Betrachtung in bestimmter Hinsicht unterscheiden. ————— 483 BVerfGE 88, 5-17/12; 88, 87-103/96; 89, 15-27/22; 90, 22-27/26; 90, 46-60/56; 91, 346-366/ 363; 95, 267-322/316; 98, 365-403/389; 99, 367-401/388; 111, 160-176/169 f. (sämtlich Erster Senat). 484 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 74, 9-32/24; 82, 126-156/146; 88, 87103/96; 89, 15-27/22 f.; 89, 365-381/376; 90, 46-60/56; 91, 346-366/363; 92, 53-74/69; 95, 267322/316 f.; 97, 271-297/290; 98, 365-403/389; 99, 341-360/355 f.; 99, 367-401/388; 103, 172-195/ 193; 106, 166-181/176; 107, 133-149/141; 110, 141-177/167; 111, 160-176/169; 111, 176-190/184; sowie – ohne Zusatz „nachteilig“ – BVerfGE 112, 74-90/86. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 107, 27-58/46; 110, 412-446/432. 485 Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 37, 342-361/353 f.; 60, 123-135/134 (dort ausgeweitet auf die Freiheit nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG); 62, 256-289/274. 486

Böckenförde, Lage, S. 33.

487

Vorstehend unter B.III.2.

488

Vgl. BVerfGE 82, 126-156/151; 96, 1-10/6; 99, 280-300/290.

489

BVerfGE 99, 280-300/290.

B. Gleichheitsmodell

283

Darüber hinaus beeinflusst die grundsätzliche Anerkennung der Berechtigung des Gesetzgebers zu typisieren die Untersuchung der Unterschied-WirkungsRelation. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit einer Typisierung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz wiederholt davon abhängig gemacht, dass die durch sie eintretenden Härten, Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten nur „eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist“.490 Dadurch begrenzt es das zulässige Ausmaß der an typisierte Unterschiede anknüpfenden ungleichen Wirkungen. Intensive Ungleichbehandlungen können dann nur gerechtfertigt werden, wenn der bei typisierter Betrachtung angenommene Unterschied jedenfalls im „Regelfall“ tatsächlich vorliegt,491 und nicht ein atypischer Fall als Leitbild gewählt wurde.492 e) Argumentationsschema Abschließend können die Schritte, die nach dem Voraussetzungsmodell bei der Prüfung einer Regelung oder ihrer Auslegung493 am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG anzustellen sind, in wenigen Sätzen zusammengefasst werden. Eine Regelung oder ihre Auslegung ist dann vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen, wenn sie zu ungleichen Wirkungen bei Personen, bei denen sämtliche ihrer Voraussetzungen vorliegen, gegenüber Personen führt, bei denen (mindestens) eine Voraussetzung nicht vorliegt. Je nach Art dieser Voraussetzung, d.h. des Unterscheidungsmerkmals, ob personen- oder verhaltensbezogen, ob in der Nähe zu den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen oder nicht, und ihrer Beeinflussbarkeit, und je nach Intensität der Wirkungen variiert die Kontrolldichte. Die ungleichen Wirkungen sind dann gerechtfertigt, wenn (1) die mit der in Rede stehenden Voraussetzung, d. h. dem Unterscheidungsmerkmal, in Bezug genommenen Unterschiede, also die maßgebenden Unterschiede, einen Sachbezug zu Sinn und Zweck der Regelung aufweisen; (2) der Hoheitsträger legitimerweise an diese Unterschiede anknüpfen durfte und (3) Art und Tragweite der Unterschiede Art und Ausmaß der ungleichen Wirkungen legitimieren. ————— 490 BVerfGE 26, 265-281/276; 63, 119-131/128; 84, 348-365/360; 91, 93-118/115; 98, 365-403/ 385; 100, 59-104/90; 100, 138-195/174. 491

Vgl. BVerfGE 82, 159-198/186; 96, 1-10/6.

492

BVerfGE 27, 142-152/150; 39, 316-333/329.

493

Zu den Besonderheiten bei der Rechtsanwendung oben unter B.I.5.

284

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Gleichheitsprüfung nach dem Voraussetzungsmodell: I. Rechtfertigungserfordernis bei Ungleichbehandlung von Personen 1. Ungleiche Wirkungen ausgelöst durch das (Nicht-) Vorliegen einer Voraussetzung 2. Bestimmung der Vergleichspersonen anhand des jeweiligen Unterscheidungsmerkmals (nach den acht Regeln über die Bildung der Vergleichspaare) II. Rechtfertigung: Unterschied-Unterscheidungs-Relation 1. Kontrolldichte 2. Unterschied-Zweck-Relation („Sachbezug“) a. Sachbereich und Regelungszweck b. Maßgebende Unterschiede zwischen den Vergleichspersonen c. Sachbezug zwischen a. und b. 3. Ggf. Legitimität des Anknüpfens an den Unterschied 4. Unterschied-Wirkungs-Relation („Art und Ausmaß“) a. Art der ungleichen Wirkungen durch die Art der maßgebenden Unterschiede legitimiert b. Ausmaß der ungleichen Wirkungen durch die Tragweite der maßgebenden Unterschiede legitimiert. Argumentationsschema einer Gleichheitsprüfung nach dem Voraussetzungsmodell

IV. Anwendung auf die Zustandsverantwortlichkeit 1. Kontrolldichte Bei den Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit in den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder und im Bundes-Bodenschutzgesetz bewirken überwiegend personenbezogene Unterscheidungsmerkmale die Ungleichbehandlungen: das Innehaben der tatsächlichen Gewalt, das Eigentum oder eine sonstige Berechtigung, das frühere Eigentum, die Kenntnis oder das Kennenmüssen, das Vertrauen, die Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Zwar geht es nicht um Eigenschaften einer Person oder Merkmale, wie sie Art. 3 Abs. 3 GG aufführt; die Regelungen richten sich aber an Personen in bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Stellungen und – im Falle des früheren Eigentümers – mit bestimmten subjektiven Haltungen oder Erwartungen. In der Abgrenzung personenbezogener von verhaltensbezogenen Unterscheidungsmerkmalen sind sie der ersten Gruppe zuzuordnen. Die Kontrolle ist also voraussetzungsbedingt eine strenge, wenngleich nicht durch Unterscheidungsmerkmale weiter zu intensivieren, die sich den nach Art. 3 Abs. 3 GG untersagten annähern. Da sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, besonders der Eigentumsgewährleistung für die Eigentümer und dinglich Berechtigten und (jedenfalls) der allgemeinen Handlungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich für die tatsächlichen Sachherren, nachteilig auswirken kann, ist die Kontrolle auch aufgrund der Wirkungsintensität streng. Ein lediglich sachbezogenes Unterscheidungsmerkmal ist dagegen die Regelungsvoraussetzung des § 4 Abs. 6 BBodSchG, die für die Übertragung des Eigentums auf den Stichtag „1. März 1999“ abstellt. Die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung wirkt sich aber mit gleicher Intensität auf die Ausübung

B. Gleichheitsmodell

285

der Eigentumsgewährleistung, besonders der durch sie gewährleisteten Veräußerungsfreiheit aus, wie die übrigen Ungleichbehandlungen. Das führt zu einer mittleren Kontrolldichte.494 2. Unterschied-Zweck-Relation a) Sachbereich und Regelungszweck Die Regelungen zur Verantwortlichkeit und die damit im Zusammenhang stehenden Befugnisnormen gehören zum Sachbereich des allgemeinen und besonderen Ordnungsrechts. Zweck der Regelungen des Polizei- und Ordnungsrechts ist, Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung495 abzuwehren. Die Regelungen des § 4 Abs. 3, Abs. 6 BBodSchG bezwecken die Wiederherstellung der Funktionen des Bodens. 496 Wie im Ersten Teil497 ausführlich dargelegt, sind Aussagen dazu, wie und durch wen dieser Zweck erreicht werden soll, nicht Bestandteil des Regelungszwecks. Wird die Zweckbestimmung in dieser Weise überladen, kann es nicht gelingen, die einzelnen Faktoren der Rechtfertigung auseinanderzuhalten. Als Zweck der polizei- und ordnungsrechtlichen Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit zu fassen, „unbeschadet der Haftung des Verursachers eine effektive Gefahrenabwehr auch durch den Eigentümer als Herrn der Sache sicherzustellen“,498 führt deshalb nicht weiter. Gleiches gilt für die Bestimmung des Zwecks der bodenschutzrechtlichen Regelungen. Beispielsweise werden Zweck und Mittel vermengt, wenn als „Inhalt und zugleich primäres Ziel der bodenschutzrechtlichen Regelung über die nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit … die Verantwortungs- und Kostenzuweisung für die Sanierung kontaminierter Grundstücke an frühere Eigentümer, die willentlich ihr Eigentum und die damit verbundene Zustandsverantwortlichkeit aufgegeben haben“499 bezeichnet wird. Nicht anders, wenn das Ziel der Kostentragungspflicht in der „Zuweisung von Finanzierungslasten an einen Adressatenkreis, der unter Las————— 494 Vgl. dazu BVerfGE 99, 367-401/390 (Erster Senat; Montan-Mitbestimmung in Konzernobergesellschaften): „Bei der Neuregelung der Montan-Mitbestimmung im Montan-Mitbestimmungssicherungsgesetz war der Gesetzgeber einerseits nicht bloß an das Willkürverbot gebunden. Andererseits unterlag er aber auch nicht den strengen Bindungen an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Es genügt vielmehr, daß die differenzierende Regelung in diesem Gesetz auf hinreichend sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen beruht. Das ergibt sich aus der Zuordnung der zum Teil gegenläufigen Gesichtspunkte, die für die Konkretisierung des Gleichheitsmaßstabs ausschlaggebend sind“. 495 Nicht (mehr) bezogen auf Gefahren für die öffentliche Ordnung: § 10 Abs. 1 S. 1 Brem PolG, § 11 Nds SOG, § 8 Abs. 1 NW PolG und § 174 SchlH LVwG. 496

§ 1 S. 1 Alt. 2 BBodSchG.

497

Erster Teil B.IV.1.a).

498

BVerfGE 102, 1-25/17.

499

Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 132 f.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

286

tenverteilungsgesichtspunkten der Übernahme der Kosten näher steht als die Allgemeinheit“, kurz: „das Ziel, eine gerechte Lastenverteilung durch Kostentragungsregelungen vorzunehmen“,500 gesehen wird. b) Maßgebende Unterschiede der Vergleichspersonen An welche Unterschiede knüpfen die Ungleichbehandlungen der oben501 bestimmten Vergleichspaare an? Welche Unterschiede nehmen die dort bezeichneten Unterscheidungsmerkmale in Bezug? Wird so gefragt, mag man beispielsweise für das Unterscheidungsmerkmal Eigentum anführen, das Innehaben des Eigentums an dem Gefahrenherd selbst sei es, das den Verantwortlichen vom Nichtverantwortlichen unterscheide;502 das Unterscheidungsmerkmal benenne also bereits den die Ungleichbehandlung (möglicherweise) legitimierenden Unterschied. Das aber greift zu kurz.503 Der Verweis auf die Regelungsvoraussetzungen vermag eine Ungleichbehandlung bei der Regelungsanwendung zu rechtfertigen, nicht jedoch eine Ungleichbehandlung durch die Regelung selbst. Dazu bedarf es eines weiteren Argumentationsschritts. Auf die Frage eines Eigentümers, warum er gegenüber einem Nichteigentümer ungleich behandelt wird, lässt sich antworten: „Weil Sie Eigentümer sind“. Das genügt zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf der Ebene der Rechtsanwendung. Auf die weitere Frage des Eigentümers, warum Eigentümer gegenüber Nichteigentümern ungleich behandelt werden dürfen, zu antworten: „Weil Eigentümer Eigentümer sind“, befriedigt nicht. Nur antworten zu können: „Weil der Gesetzgeber es so will“, verwiese auf Willkür. Es bedarf eines weiteren Begründungsschritts, der einen Umstand benennen kann, in dem sich die ungleich behandelten Personen unterscheiden und der durch das Unterscheidungsmerkmal in Bezug genommen ist. Das ist der Unterschied, der nach dem Gesetz gewordenen Willen des Normgebers maßgebend sein soll. Sorgfalt bei der Bestimmung der maßgebenden Unterschiede zahlt sich in doppelter Hinsicht aus. Zum einen schneidet sie den Verweis auf solche Unter————— 500

Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 137.

501

B.II.1.b).

502 Vgl. PrOVGE 7, 348-352/351: „ … Eigenthümer …, der … sich überdies schon durch den Besitz eines das Publikum schädigenden Objektes innerhalb des Gemeinwesens mit dem Gemeinwohl in Kollision setzt“. 503 So auch die erste Stoßrichtung der Kritik von Lindner, Dimension, S. 21, es werde bei der Diskussion über die Grenzen der Verantwortlichkeit nicht zwischen dem tatsächlichen Anknüpfungspunkt für die Begründung der Polizeipflichten und der Frage getrennt, aus welchen rechtlichen Gründen ein bestimmter tatsächlicher Anknüpfungspunkt gewählt wurde bzw. gewählt werden durfte. Soweit Lindner im gleichen Atemzug kritisiert, Tatsächliches und Rechtliches würden nicht in der gebotenen Weise getrennt, trifft das die Gleichheitsprüfung nicht: sie sucht nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten, um ungleiche rechtliche Behandlung zu legitimieren.

B. Gleichheitsmodell

287

schiede zwischen den ungleich behandelten Personen ab, die zwar möglicherweise einen sachlichen Bezug zum Regelungsziel aufweisen, aber nicht durch das Unterscheidungsmerkmal in Bezug genommen sind, mithin nach dem Gesetz gewordenen Willen unmaßgeblich sind (Fallgruppe der fehlenden Maßgeblichkeit der Unterschiede). An sie hätte der Normgeber bei der Ungleichbehandlung anknüpfen dürfen, hat es aber nicht getan. Zum anderen sind die maßgebenden Unterschiede der entscheidende Bezugspunkt für die Ermittlung der Grenzen zulässiger ungleicher Wirkungen in den weiteren Schritten der Gleichheitsprüfung. Daraus ergeben sich Überschneidungen mit einigen der bislang vorliegenden Ansätze, die die Grenzen der Verantwortlichkeit aus ihrem Grund bestimmen wollen. Ob das, was dort als Grund genannt wird, durch die gesetzlichen Voraussetzungen in Bezug genommen wird, wird die folgende Darstellung ergeben. (1) Maßgebende Unterschiede nach Polizei- und Ordnungsrecht (a) Eigentümer ./. Nicht-Verantwortlicher () Befund In der Diskussion über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers werden die unterschiedlichen Umstände beim Eigentümer als Gründe der Verantwortlichkeit genannt. Der Eigentümer zeichne sich aus – ergo unterscheide sich darin von ordnungsrechtlich nicht-verantwortlichen Personen – durch das Innehaben der Sachherrschaft als solcher,504 durch einen „vom Eigentümer im Einklang mit der Rechtsordnung geschaffenen Gefahrenbereich“,505 gleichbedeutend mit der rechtlichen Zuordnung eines „Risiko- und Verantwortungsbereich[s]“,506 einer bestimmten Risikosphäre zu seiner Person507 oder ————— 504

Friauf, POR, S. 238; ders., Zustandshaftung, S. 301; Müllensiefen, Gefahrenabwehr, S. 157 ff.

505

Binder, Zustandshaftung, S. 31.

506

Binder, Zustandshaftung, S. 35.

Denninger, Polizeiaufgaben, E Rn. 107; Kloepfer, Verantwortlichkeit, S. 42 f. u. 44.;Schneider, JZ 1953, 240-241/241; Seibert, DVBl. 1985, 328-329/329; Ziehm, Störerverantwortlichkeit, S. 68 f. Mayer, Verwaltungsrecht, S. 265, sprach mit einem neutraler klingenden Begriff davon, die Störung gehe von demjenigen aus, „dessen Lebenskreise sie entspringt. Nicht bloß sein persönliches Verhalten wird ihm dafür zugerechnet, sondern auch der gefährliche Zustand seiner Sachen, die Schäden, die aus seinem Hauswesen, aus seinem Gewerbebetriebe der guten Ordnung drohen; wegen allem wovon er der gesellschaftliche Mittelpunkt ist, trägt er die gesellschaftliche Verantwortlichkeit“ (Hervorhebungen im Original). Darauf folgt bei ihm eine der ersten Formulierungen des Gedankens von Grund und Grenze: „So umfassend diese Verantwortlichkeit ist, so hat sie doch in ihrer Grundlage selbst ihre Grenzen: nicht kann der Einzelne polizeilich verantwortlich gemacht und in seiner Freiheit beschränkt werden wegen Störungen, welche von einem fremden Lebenskreise ausgehen“. Siehe auch OVG Münster, NVwZ 1989, 987-988/988; BVerwG, NJW 1999, 231-232/231 (Gefahr von Felsabgängen): „[D]er verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums liegt als Rechtstatsache voraus, daß das Eigentum an einer Sache mit Risiken behaftet sein kann, die sich aus der Sachqualität oder Sachherrschaft als solcher ergeben. Verwirklicht sich ein derartiges Risiko und 507

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

288

durch die Tatsache der Beherrschbarkeit des Risikos der Gefahrentstehung; 508 durch die objektive Vorhersehbarkeit des polizeiwidrigen Zustandes,509 mithin eine Art Kennenmüssen oder Kennenkönnen des Risikos, das zur Gefährlichkeit der Sache geführt hat; ferner durch seine Einwirkungsmöglichkeit,510 den Umstand, dass sich der Eigentümer einer „Einflußsphäre ‚annimmt‘“ 511 oder durch ihm zugewiesene Vorteile.512 Genannt werden damit einerseits Umstände, die das Verhältnis des Eigentümers zur Gefahrentstehung beschreiben, andererseits Umstände, die sein Verhältnis zur Sache selbst charakterisieren. Einige der Umstände, wie die Sachherrschaft, die Einwirkungsmöglichkeit und die kognitiven Gesichtspunkte können je nachdem, ob auf den Zeitpunkt der Gefahrentstehung oder den der Gefahrbeseitigung abgestellt wird, der einen wie der anderen Kategorie zugeordnet werden. () Unerhebliche Umstände und maßgebende Unterschiede Im Rahmen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde bereits dargelegt, welche Umstände durch das Merkmal Eigentum nicht in Bezug genommen werden.513 Diese können in einem ersten Schritt aus den vorgeschlagenen Gesichtspunkten ausgegrenzt werden. Die Auslegung ergab keine An————— greift deswegen die polizeiliche Zustandshaftung Platz, so kann darin grundsätzlich eine Verletzung der Eigentumsgewährleistung nicht liegen“. 508 Baur, JZ 1964, 354-358/356: „Wenn sich die Polizei zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustands an den Gewalthaber der Sache halten darf, so liegt dem der Gedanke der Gefahrbeherrschung zugrunde; der Eigentümer usw. hat – abstrakt gesehen – die Möglichkeit, die Sache in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten; deshalb ist es gerechtfertigt, an sein Eigentum (oder sonstige Innehabung) anzuknüpfen. Dieser Gesichtspunkt versagt, wenn er – wie jeder andere auch noch so sorgfältige Eigentümer – von einem Ereignis überrascht wird, das ‚mit Naturgewalt‘ über ihn hereinbricht. M. a. W. für höhere Gewalt braucht auch er nicht einzustehen“. Vgl. VGH Freiburg, Urt. v. 16.09.1952, NJW 1952, 1311-1312/1312, (mit Zitat von Reuss, HW 1950, 381-383/382): „Nach allgemeinem Polizeirecht gründet sich die Verpflichtung des Eigentümers zur Gefahrenabwehr auf den Gefahrtragungsgrundsatz, d. h. auf die Haftung des Eigentümers unter dem Gesichtspunkt, daß er den Gefahrenbereich seines Eigentums beherrscht oder zu beherrschen in der Lage ist. ‚Wer einen Gefahrenbereich beherrscht, hat für die Folgen der Verwirklichung der Gefahr (Schadenseintritt) einzustehen‘“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). Das erinnert an die Annahme einer Unterlassungs-, Überwachungs- und Kontrollpflicht des Sachherrn in PrOVGE 16, 392-395/ 393 f. – dazu im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()() u. ( ). 509

Selmer, Gedanken, S. 501.

Duesmann, Verantwortlichkeit, S. 77. Gantner, Verursachung, S. 208, nennt als einen „inneren Grund“ die „Macht[,] die Sache in einen gefahrenfreien Zustand zu versetzen“. Vgl. BVerwG, NJW 1999, 231-232/231: „Nur der Eigentümer bzw. der Besitzer ist kraft seiner Sachherrschaft rechtlich und tatsächlich in der Lage, auf sein Grundstück einzuwirken; er kann jeden anderen von dem Zugriff auf sein Grundstück ausschließen“. 510

511

Gantner, Verursachung, S. 209.

Friauf, POR, S. 238, spricht vom „Vorteil der Sachherrschaft“ und einem „spezifischen Sachnutzen“. 512

513

Erster Teil B.IV.2.b)(1)(b) – zusammengefasst in Unterpunkt ()( ) und () – und (1)(c).

B. Gleichheitsmodell

289

haltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Erwägungen zu den Umständen der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung in Bezug nehmen wollte. Begründung und Grenzen der Verantwortlichkeit wurden zu jeder Zeit ohne Rücksicht auf die Umstände der Gefahrentstehung und unabhängig von der subjektiven Haltung des Eigentümers bestimmt. Positiv ergab die Auslegung, dass es allein auf die Beziehung des Eigentümers zur Sache ankommt. Sie, die Beziehung zum Gefahrenherd,514 unterscheidet den Eigentümer vom Nichteigentümer und ist durch das Unterscheidungsmerkmal Eigentum in Bezug genommen. Was zeichnet diese Beziehung aus? –

Die spezifische Verbindung zum Gefahrenherd erlaubt es dem Eigentümer, auf die Sache einzuwirken und so einen Beitrag zur Gefahrenabwehr zu leisten. Er ist einwirkungsbefugt. Das unterscheidet ihn von Nichtverantwortlichen, die ohne (nötigenfalls staatlich verfügte) Duldung des Berechtigten nicht zur Einwirkung befugt sind. Es hebt ihn zudem unter jenen hervor, die ein Gegenmittel zur Gefahrenabwehr innehalten und deshalb unter engen Voraussetzungen als Nichtverantwortliche in Anspruch genommen werden können. Während sich die Einwirkungsmöglichkeit bei den Nichtverantwortlichen aus ihrer Beziehung zum Gegenmittel ergibt, besteht sie beim Eigentümer aufgrund seiner rechtlichen Beziehung zur gefährlichen Sache.



Der Eigentümer ist ferner befugt, die Sache selbst zu nutzen oder über die Nutzung durch Dritte zu entscheiden.515 Er ist nutzungsberechtigt. Ihm wird dadurch die Möglichkeit zugeordnet, Vorteile aus dem Umgang mit der Sache zu ziehen. Der Eigentümer kann die Sache außerdem veräußern. Er kann daher Vorteile aus der Sache selbst ziehen, indem er seinem Vermögen ihren Wert einverleibt. Personen ohne (tatsächliche oder rechtliche) Sachherrschaft haben keine Möglichkeit, sich die Sache zunutze zu machen. Darin, in der Nutzungsbefugnis, verstanden in einem weiten Sinn, der das Zunutze-Machen durch Veräußerung umfasst, liegt der maßgebende Unterschied zwischen Eigentümern und Personen ohne Sachherrschaft. Der Zeitpunkt, zu dem nach der gesetzlichen Regelung die Möglichkeit zur Nutzung bestehen muss, ist der der Inanspruchnahme. Der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass die Möglichkeit zur Nutzung auch oder nur im Zeitpunkt der Gefahrentstehung bestehen musste.

————— 514 So bereits OVG Münster, NJW 1952, 519-520/519. Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 319, sprechen von einer „spezifischen Verbindung mit dem ‚Gefahrenherd‘, die dem Sachherrn die Möglichkeit der Einwirkung darauf gibt“ (Hervorhebung im Original). 515

Beides in Ausübung seiner Befugnisse nach § 903 S. 1 BGB.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

290



Dem Eigentümer ist die Sache durch die Rechtsordnung auch in einem weiten, umfassenden Sinn zugeordnet. Ihm werden durch zahlreiche Rechtsnormen Befugnisse an der Sache zugeordnet und Pflichten in Bezug auf die Sache zugewiesen. Darauf verwies bereits das PrOVG als es den Eigentümer als denjenigen ausmachte, der „nach Außen hin überall als … Vertreter [des Grundstücks] erscheint“.516 Er ist in der Rechtsordnung der Ansprechpartner, wenn es um die Sache geht. Er „vertritt“ kraft seiner rechtlichen Ausschließlichkeitsposition die Sache nach außen, steht für die Entwicklung, die „Außenbilanz“ der Sache. Er hat es in der Hand, sich gegen Umstände, die zu Verlusten führen könnten, zu versichern;517 ihm ermöglicht die Privatrechtsordnung, vom Verursacher der Gefahr Schadensersatz zu verlangen oder ihn sonst in Regress zu nehmen; gibt es keine Verursacher oder können Verursacher nicht in Regress genommen werden, „spürt“ der Eigentümer den Zufall, gemäß dem Grundsatz „casum sentit dominus“. Auf die Zuordnung der Sache zum Eigentümer wird in der Diskussion unter den Stichworten der Zugehörigkeit der Sache zur Einflusssphäre518, zum Lebenskreis 519 oder zum Verantwortungsbereich des Eigentümers520 hingewiesen. Der Topos des Lebenskreises oder Verantwortungsbereichs des Eigentümers findet sich zuweilen gleichbedeutend mit dem der Risikosphäre521 und stellt dann auf die Umstände der Gefahrentstehung ab.522 Er kann andererseits auch Ausdruck einer allgemeinen Zuordnung bereits entstandener Gefahren in einem Gemeinwesen sein.523 Um den derart

————— 516

PrOVGE 7, 348-352/351.

Diesen Gedanken erwogen erstmals das Bezirksverwaltungsgericht Berlin (brit. Sektor) (Urt. v. 8.6.1950, DVBl. 1950, 719-723/720 f.) und das OVG Berlin (Urt. v. 4.3.1953, DÖV 1954, 214-216/215) im Kontext der Trümmergrundstücksproblematik. Das OVG Berlin räumte ein: „Es ist zuzugeben, daß es dem Billigkeitsempfinden nicht voll entspricht, einem Ruineneigentümer neben dem Verlust seines Gebäudes auch noch die Kosten für die Beseitigung später auftretender Gefahren aufzuerlegen. In diesem Zusammenhang ist der Einwand beachtlich, daß die Zustandshaftung des § 20 PVG nur unter dem Gesichtspunkt vertretbar sei, daß der verantwortungsbewußte Eigentümer sich vor Schäden, die aus der Haftung für zufällige Ereignisse entstehen, durch Abschluß von Versicherungsverträgen schützen könne“. Siehe ferner Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 68, der die Versicherungsmöglichkeit als eine dem „aus Art. 3 I folgenden Opferausgleichssatz[]“ genügende Ausgleichsmöglichkeit ansieht, sowie Denninger, Polizeiaufgaben, E Rn. 107. 517

518

Gantner, Verursachung, S. 209.

519

Mayer, Verwaltungsrecht, S. 265; aufgegriffen von Reuss, HW 1950, 381-383/382.

Binder, Zustandshaftung, S. 35. Hösch, VBlBW 2004, 7-14/12 meint, auch das Bundesverfassungsgericht gehe im Altlastenbeschluss „von einer Verantwortungssphäre aus“. 520

521

Etwa bei Binder, Zustandshaftung, S. 35.

So ausdrücklich Reuss, HW 1950, 381-383/382 („bestimmt geartete Beziehung zur Entstehung der Gefahr“). 522

523 Ohne den Begriff der Verantwortungssphäre zu verwenden, legt das PrOVG seinen frühen Entscheidungen derartige Zuordnungsüberlegungen zugrunde, etwa in PrOVGE 7, 348-353/351

B. Gleichheitsmodell

291

schillernden Begriff des Verantwortungsbereichs zu vermeiden, wird hier die Formulierung des PrOVG aufgegriffen und von Repräsentation gesprochen. In der Diskussion über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit wird häufig von Zurechnung statt von Zuordnung gesprochen. Ein Mal bemüht man sich, für die Zustandsverantwortlichkeit „die zur Lösung der Zurechnungsproblematik geeignete Zurechnungslehre zu ermitteln“.524 Ein andres Mal wird die polizeiliche Verantwortlichkeit als „Zurechnungsprinzip“ bezeichnet.525 Ferner trifft man auf Überlegungen zur Zurechnung526, zum Zurechnungsgrund527, zum (rechtlichen) Zurechnungsmerkmal 528, zum (normativen) Zurechnungskriterium529, zum Zurechnungsgrund als innere Rechtfertigung der Haftung530, zu Zurechnungsregeln für Sachgefahren531 oder zu grundrechtlichen Zurechnungsschranken532. Zugerechnet wird üblicherweise jedoch ein Verhalten, während es hier um eine Sache und deren Zustand geht. Eine bestimmte objektive oder subjektive Beziehung zu dem gefahrbegründenden Verhalten ist der Sachherrschaft nicht eigen. Der Begriff der Zurechnung sollte deshalb vermieden, vielmehr von Zuordnung gesprochen werden. Festzuhalten bleibt: Mit dem Unterscheidungsmerkmal Eigentum haben die Gesetzgeber solche Unterschiede für maßgeblich erklärt, die in objektiver Weise das Verhältnis, die äußere Beziehung zur Sache, nicht jedoch zur Gefahrentstehung charakterisieren. Der Eigentümer darf auf die Sache einwirken und darf sie selbst oder durch andere nutzen; der Eigentümer „vertritt“ die Sache nach au————— („[Der] Eigenthümer – der Inhaber der thatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über das Grundstück – … [setzt] sich überdies schon durch den Besitz eines das Publikum schädigenden Objektes innerhalb des Gemeinwesens mit dem Gemeinwohl in Kollision“) und PrOVGE 8, 327-331/330 (ohne Erhaltungs- und Umgestaltungspflicht des Eigentümers kann „eine geordnete menschliche Gemeinschaft überhaupt nicht bestehen“). 524

Gantner, Verursachung, S. 196.

525

Kloepfer, Verantwortlichkeit, S. 26.

Friauf, POR, S. 238; ders., Zustandshaftung, S. 301; Lepsius, Besitz, S. 115, 117 ff., 226 f., 297, 338 und 502 f. 526

527

Lepsius, Besitz, S. 226 f., 287, 292, 344 und 359.

528

Lepsius, Besitz, S. 259, 291 und 337.

529

Lepsius, Besitz, S. 361; Wagner, ZfIR 2003, 841-852/842.

530

Binder, Zustandshaftung, S. 21.

531

Hollands, Gefahrenzurechnung, S. 48 f.

Grzeszick, NVwZ 2001, 721-730/724, unzutreffend unter Verweis auf Möllers, NVwZ 2000, 382-387/385 f. Möllers, NVwZ 2000, 382-387/386, betont, dass die Grundrechte „ein allgemeines Verbot von Eingriffen zur Abwehr von Gefahren oder Risiken, die dem Eingriffsadressaten nicht zugerechnet werden können,“ nicht enthalten und „keine materielle Theorie persönlicher Verantwortlichkeit“ liefern. 532

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

292

ßen, er ist ihr Repräsentant. Diese Elemente sind Teil der Zuordnung der Sache zum Eigentümer. In ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen liegt der maßgebende Unterschied zwischen dem zustandsverantwortlichen Eigentümer und nichtverantwortlichen Personen. Auf seine subjektive Haltung zu den Eigenschaften der Sache und auf seine objektive Beziehung und subjektive Haltung zur Entstehung der Gefahr kommt es nicht an; etwaige Unterschiede in diesen Beziehungen gegenüber Nichtverantwortlichen sind demnach für die Ungleichbehandlung nicht maßgebend. (b) Berechtigter und/oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt ./. Nicht-Verantwortlicher Die zunächst in Anbindung an das Eigentum entwickelte,533 mit der ersten Normierung der Verantwortlichkeit in § 20 PVG verselbständigte 534 und seither alternativ verantwortungsbegründende Voraussetzung des Innehabens der tatsächlichen Gewalt führt gegenüber dem Eigentum keine grundlegend anderen Umstände ein. Die Entscheidungen des PrOVG zeigen, dass bei der Verantwortlichkeit des Berechtigten und (sonstiger) Inhaber der tatsächlichen Gewalt auf Parallelen zum Eigentümer abgestellt wurde. Das Augenmerk ist hier auf eine tatsächliche, „faktische Sachherrschaftsbeziehung“535 gerichtet, im Regelfall auf den Besitz (§ 854 BGB). Sofern die Berechtigten gesondert genannt werden, verschiebt das bei ihnen das Augenmerk zurück auf rechtliche Gesichtspunkte, die mit den für den Eigentümer genannten Merkmalen übereinstimmen, die aber bei den Berechtigten nach Art und Umfang typischerweise begrenzt sind. Maßgebende Unterschiede zwischen den Inhabern der tatsächlichen Gewalt und den Nichtverantwortlichen sind danach die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit536, die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit und die tatsächliche Repräsentation der Sache. Maßgebende Unterschiede zwischen Berechtigten und Nichtverantwortlichen (inhaltlich begrenzte) Nutzungsberechtigungen, bisweilen auch Einwirkungsbefugnisse und Repräsentantenstellungen. (c) Eigentümer, gegen dessen Willen die tatsächliche Gewalt ausgeübt wird ./. anderer Eigentümer Die nach den vorstehenden Abschnitten maßgebenden Gesichtspunkte helfen zu ergründen, welche Unterschiede für das eigentümerinterne Vergleichspaar maßgebend sind. Die Eigentümer, ohne deren Willen die tatsächliche Gewalt von einem Dritten ausgeübt wird, sind ebenso wie alle anderen Eigentümer zur ————— 533

Ausführlich dargestellt im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()().

534

Zitiert und gewürdigt im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(b)()().

535

So bezeichnet von Lepsius, Besitz, S. 171.

536

Zu ihr Denninger, Polizeiaufgaben, E Rn. 100.

B. Gleichheitsmodell

293

Einwirkung auf die Sache und zu ihrer Nutzung befugt und aufgrund rechtlicher Zuordnung der Sache ihr Repräsentant. Weil aber die tatsächliche Gewalt von einem Dritten ausgeübt wird, der sich ohne ihren Willen in die Lage versetzt hat, tatsächlich auf die Sache einzuwirken, sie zu nutzen und sie nach außen zu vertreten, wird die rechtliche Zuordnung durch tatsächliche Umstände überlagert. Im äußersten Fall bleibt ihnen nichts als das nackte Recht, weil die Inhaber der tatsächlichen Gewalt die Sache faktisch ihrem Vermögen einverleibt haben. Die anderen Eigentümer können hingegen die ihnen durch das Recht zugeordnete Sache auch tatsächlich nutzen – selbst oder indem sie einem Dritten diese Möglichkeit einräumen. (d) Derelinquent ./. Nie-Eigentümer Ein Derelinquent unterscheidet sich in doppelter Hinsicht von einer Person, die zu keiner Zeit Eigentum hatte: Er war vor seiner Eigentumsaufgabe einwirkungsbefugt, nutzungsberechtigt und Repräsentant der Sache, und er hat durch seine Aufgabe eine Situation herbeigeführt, in der niemand kraft rechtlicher Zuordnung die durch die drei genannten Charakteristika hervorgehobene Rolle ausübt. (2) Maßgebende Unterschiede nach dem BBodSchG (a) Grundstückseigentümer und/oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt, Derelinquent ./. Nicht-Verantwortlicher Der Bundesgesetzgeber hat sich ausweislich der Begründung des BBodSchG an den Regelungen der Landespolizei- und -ordnungsgesetze orientiert 537 und in seiner Regelung die Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit übernommen. Die Unterscheidungsmerkmale Eigentum, Innehaben der tatsächlichen Gewalt und Aufgeben des Eigentums nehmen im Bundes-Bodenschutzgesetz danach dieselben Umstände in Bezug wie die nämlichen Unterscheidungsmerkmale im Polizei- und Ordnungsrecht der Länder. Insofern kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum Eigentümer, zum Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und zum Derelinquenten538 verwiesen werden.

————— 537 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/6701, S. 22 (zu § 4). Das Zitat ist oben in Fn. 287 (Seite 113) abgedruckt. 538

Vorstehend unter (1)(a), (1)(b) und (1)(d).

294

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

(b) Maßgebende Unterschiede nach § 4 Abs. 6 BBodSchG 539 () Wissender oder fahrlässig nichtwissender Übertragender ./. unverschuldet nichtwissender Übertragender (7) sowie bei Eigentumsübertragung Wissender oder fahrlässig Nichtwissender ./. nach Eigentumsübertragung Wissender oder fahrlässig Nichtwissender (9) Das subjektiv gefasste Unterscheidungsmerkmal nimmt in Bezug, dass derjenige, der bei der Eigentumsübertragung das Vorliegen einer Verunreinigung kannte oder kennen musste, beim Gebrauchmachen von seiner Veräußerungsbefugnis die Kontamination einkalkulieren konnte oder bei Erbringen der erforderlichen Sorgfalt hätte einkalkulieren können, während der unverschuldet Nichtwissende das nicht konnte und das auch nicht von ihm verlangt wurde. Dieser Unterschied in der Möglichkeit des Einkalkulierens in die Übertragungsentscheidung, besteht auch zwischen demjenigen, der bei Eigentumsübertragung Kenntnis von der Verunreinigung hatte oder hätte haben müssen, und dem zu diesem Zeitpunkt noch unverschuldet Nichtwissenden. () Nicht vertrauender oder nicht schutzwürdig vertrauender Erwerber ./. schutzwürdig vertrauender Erwerber (8) Der Erwerber ohne Vertrauen unterscheidet sich von einem vertrauenden Erwerber darin, dass der eine sich im Zeitpunkt des Erwerbs keine Gedanken über den seine Zustandsverantwortlichkeit begründenden Umstand einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast machte oder um ihn wusste, während der andere beim Erwerb fälschlicherweise davon ausging, dass das Erwerbsgrundstück nicht verunreinigt war540 und deshalb nicht mit einer bereits ab Eigentumsbegründung möglichen Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher rechnete. Die Kombination von Erwerb eines verunreinigten Grundstücks und Weiterübertragung folgt daher typischerweise einem anderen wirtschaftlichen Kalkül. Der vertrauende Erwerber ist für die Allgemeinheit in der wirtschaftlichen „Außenbilanz“ typischerweise ein bloßer Durchgangseigentümer: Er erwirbt das Grundstück verunreinigt und veräußert es ebenso. Wegen seiner fälschlichen Annahme bei Erwerb kann regelmäßig ausgeschlossen werden, dass der Umstand der Verunreinigung das Gesamtkalkül von Erwerb und Wiederveräuße————— 539 Die Numerierung der Vergleichspaare oben unter B.II.1.b)(2) wird zur Vereinfachung der Zuordnung in den folgenden Abschnittsüberschriften im Klammerzusatz übernommen. 540 Bickel, BBodSchG, § 4 Rn. 83, spricht von der „Voraussetzung des ‚Nicht-vertraut-Habens‘, in der Regel also der Kenntnis von der Verunreinigung“, vernachlässigt dabei aber, dass auch derjenige, der sich keine Gedanken über einen Umstand macht, nicht vertraut. Frenz, BBodSchG, § 4 Abs. 6 Rn. 24, vermengt Vertrauens- und Schutzwürdigkeitsgesichtspunkte, indem er von Vertrauen spricht, „wenn jemand guten Glaubens von etwas ausgeht“. Ebenso Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 76 („vom Nichtvorhandensein … in gutem Glauben ausgegangen ist“).

B. Gleichheitsmodell

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rung beeinflusst hat. Der Erwerber ohne Vertrauen hatte hingegen die Möglichkeit, diesen Umstand bereits in die Erwerbsentscheidung einzukalkulieren und aus der Kombination mit späterer Weiterübertragung wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, die nicht lediglich auf Entwicklungen des Grundstücksmarkts beruhen. Der nicht schutzwürdig vertrauende Erwerber zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht das von ihm Erwartete getan hat, um seine fälschliche Annahme über den Grundstückszustand zu korrigieren,541 während der schutzwürdig Vertrauende nicht hinter diesen Erwartungen zurückblieb. Dieser rechnete nicht damit und musste auch nicht damit rechnen, dass er aufgrund von Bodenverunreinigungen, die vor seiner Zeit als Eigentümer entstanden waren, bereits ab Eigentumsbegründung als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden konnte. Jener hingegen hätte bei Anwendung der geforderten Sorgfalt die Verunreinigung in sein wirtschaftliches Kalkül einbeziehen können, hatte also die Möglichkeit, sie in sein Kalkül einzubeziehen. () Irgendwann vor Erwerb schutzwürdig Vertrauender ./. bei Erwerb schutzwürdig Vertrauender (9) Der irgendwann vor dem Grundstückserwerb, nicht mehr jedoch bei Erwerb schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung Vertrauende unterscheidet sich von dem bei Erwerb schutzwürdig Vertrauenden dadurch, dass das Vertrauen seine Erwerbsentscheidung regelmäßig nicht beeinflusst haben wird, weil er die bestehende Verunreinigung einkalkulieren konnte oder hätte können müssen. () Spät Übertragender ./. früh Übertragender (6) Das Unterscheidungsmerkmal „nach dem 1. März 1999“ verweist vordergründig auf den Zeitpunkt eines Geschehens, in Zusammenschau mit Art. 4 S. 2 des Gesetzes zum Schutz des Bodens vom 17. März 1998, nach dem das Gesetz vollständig am 1. März 1999 in Kraft getreten ist, aber auf den rechtlichen Kontext des Wirkens der Vergleichspersonen: Eine Person, die ihr Eigentum nach dem Stichtag übertragen hat, unterscheidet sich von einer Person, die Gleiches vor dem Stichtag getan hat, darin, dass die eine bereits unter Geltung des ————— Nach Becker, BBodSchG, § 4 Rn. 71, „liegt in Anlehnung an § 932 Abs. 2 BGB kein schutzwürdiges Vertrauen vor, wenn dem früheren Eigentümer als Erwerber des kontaminierten Grundstücks beim Erwerb … die schädliche Bodenveränderung oder die Altlasten infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war“, wenn er also „die im Grundstücksverkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße verletzt und unbeachtet gelassen hat“ (Hervorhebungen im Original). Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 218, kommt zum gleichen Maßstab für die Schutzwürdigkeit erst im Wege der verfassungskonformen Auslegung und lediglich für einen Teil der früheren Eigentümer – für andere gilt danach ein strengerer Fahrlässigkeitsmaßstab. 541

296

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

BBodSchG handelte, während die andere unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen handelte.542 () Früherer Grundstückseigentümer ./. Nie-Eigentümer (4) Der nach § 4 Abs. 6 BBodSchG verantwortliche Grundstückseigentümer unterscheidet sich von dem, der zu keiner Zeit Eigentum hatte, in doppelter Hinsicht: Er war vor der Eigentumsübertragung bezogen auf die Sache einwirkungsbefugt, nutzungsbefugt und ihr Repräsentant, während der „NieEigentümer“ das zu keiner Zeit war. Und er konnte seine Kenntnis über die Verunreinigung zur Grundlage eines wirtschaftlichen Kalküls mit dem Grundstück machen – oder hätte das bei verschuldetem Nichtwissen zumindest tun können –, während dem Nie-Eigentümer das sächliche Substrat für ein wirtschaftliches Kalkül fehlte. () Früherer Grundstückseigentümer ./. früherer Inhaber der tatsächlichen Gewalt (5) Frühere Grundstückseigentümer unterscheiden sich von früheren Inhabern der tatsächlichen Gewalt dadurch, dass sie typischerweise veräußerungsbefugt waren, während diese Befugnis bei früheren Inhabern der tatsächlichen Gewalt regelmäßig gefehlt haben wird. Ein Grundstückseigentümer kann sich das Grundstück durch Übertragung wirtschaftlich zunutze machen. Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt wird hingegen aus der Weitergabe der tatsächlichen Gewalt regelmäßig keinen Nutzen ziehen.543 () Beim Erwerb schutzwürdig vertrauender aktueller Grundstückseigentümer oder Derelinquent, bei Begründung tatsächlicher Sachherrschaft schutzwürdig vertrauender Inhaber der tatsächlichen Gewalt ./. beim Erwerb schutzwürdig vertrauender früherer Grundstückseigentümer (10 u. 12) Der frühere Eigentümer unterscheidet sich vom aktuellen Eigentümer, vom Derelinquenten und vom aktuellen Inhaber der tatsächlichen Gewalt durch den Umstand der Übertragung, untechnisch ausgedrückt: der Weitergabe der bereits verunreinigt erlangten Sache. Seine Rolle war damit aus Sicht der Allgemeinheit eine Durchgangsbesetzung. Hingegen lässt der Derelinquent die Rolle des Ei————— 542

Ob für eine Eigentumsübertragung nach dem 1. März 1999 genügt, dass die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch nach diesem Datum erfolgte, oder Auflassungserklärung und Grundbucheintragung nach dem Stichtag erfolgt sein müssen, ist eine Frage der Auslegung des einfachen Rechts. Zum Streitstand Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 66 mit Fn. 179 u. 180 sowie S. 207 f. Ausführliche Diskussion bei Schlemminger/ Friedrich, NJW 2002, 2133-2138/ 2134 ff. 543 Soweit er das, beispielsweise durch Untervermietung, doch versucht, beruhen etwaige Gewinne, beispielsweise die Differenz von Untermietzins und Mietzins – auf seiner Geschäftstüchtigkeit, nicht – wie bei der Veräußerung – zumindest auch auf dem Wert des Grundstücks.

B. Gleichheitsmodell

297

gentümers nach der Eigentumsaufgabe „unbesetzt“ und halten der aktuelle Eigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ihre jeweiligen Rollen aufrecht – von einem Durchgangstatbestand in der „Außenbilanz“ der Allgemeinheit kann bei ihnen deshalb nicht gesprochen werden. ( ) Derelinquent, der sein Eigentum bis zum 1.3.1999 aufgegeben hat ./. früherer Grundstückseigentümer, der sein Eigentum bis zum 1.3.1999 übertragen hat (11) sowie bei Eigentumsaufgabe unverschuldet nichtwissender Derelinquent ./. bei Eigentumsübertragung unverschuldet nichtwissender früherer Eigentümer (11) Derelinquent und sonstiger früherer Grundstückseigentümer unterscheiden sich darin, dass die Beendigung ihrer Eigentümerstellung unterschiedliche Folgen für die Allgemeinheit hat: die Aufgabe des Eigentums führt zu einer herrenlosen Sache, die Übertragung schafft einen neuen Eigentümer. Daraus zu folgern, Derelinquent und sonstiger früherer Eigentümer müssten stets ungleich behandelt werden, wäre jedoch vorschnell. Der Gesetzgeber mag die Ungleichbehandlung an den hier maßgebenden Unterschied anknüpfen, muss das von Verfassungs wegen aber nicht. Es besteht insofern kein Gleichbehandlungsverbot.544 Der Gleichheitssatz lässt ihm die Wahl, den Unterschied stets für maßgeblich zu erachten545 oder überhaupt nicht an ihn anzuknüpfen546. Er kann ihn aber auch, wie im BBodSchG, unter bestimmten Umständen für maßgeblich erachten, unter anderen nicht. Für die Rechtfertigung ist dann entscheidend, ob die ungleichen Wirkungen zwischen Derelinquent und sonstigem früheren Eigentümer unter den einen Umständen durch den Unterschied zwischen ihnen gerechtfertigt werden können, ob die ungleichen Wirkungen innerhalb der sonstigen früheren Eigentümer unter den anderen Umständen durch sonstige Unterschiede zwischen ihnen gerechtfertigt werden können, und ob beides zusammenstimmt. Wenn bei Beendigung des Eigentums bis zum 1.3.1999 auf die unterschiedlichen Folgen der Beendigung abgestellt wird, je nachdem, ob in Gestalt der Eigentumsaufgabe oder -übertragung erfolgt, nicht aber bei Beendigung nach dem 1.3.1999, stimmt das damit zusammen, dass der rechtliche Kontext der Beendigung für den Derelinquenten – jedenfalls in der Mehrzahl der Länder – bis zum ————— 544

Dazu ausführlich unten unter B.V.

545

Wie in der Mehrzahl der Polizei- und Ordnungsgesetze, die lediglich eine Verantwortlichkeit des Derelinquenten kennen, vgl. Synopse in Anhang II. 546

Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG auch für die Verantwortlichkeit der Derelinquenten gelten würden, und ist – zumindest nach dem Wortlaut der Gesetze – der Fall in den Ländern, deren Polizei- und Ordnungsgesetze ganz auf eine Regelung der Inanspruchnahme früherer Eigentümer verzichten, so das BaWü PolG, das Bay LStVG und das Sächs PolG.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

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und nach Inkrafttreten des BBodSchG gleich war, nicht aber für den sonstigen früheren Eigentümer. Wenn bei unverschuldetem Nichtwissen auf die unterschiedlichen Folgen der Beendigung abgestellt wird, nicht aber bei Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis von der Verunreinigung, stimmt das damit zusammen, dass die wirtschaftliche „Außenbilanz“ aus Sicht der Allgemeinheit die gleiche ist, ob die Eigentumsaufgabe mit oder ohne Kenntnis bzw. mit verschuldeter oder unverschuldeter Unkenntnis erfolgte, nicht so aber bei der Eigentumsübertragung, weil dort die Verunreinigung möglicherweise in das wirtschaftliche Kalkül der Übertragung einfließen und die Konditionen der Übertragung verändern konnte. ( ) Würdigung der maßgebenden Unterschiede nach § 4 Abs. 6 BBodSchG Die Betrachtung der einzelnen Vergleichspaare hat ergeben, dass es (zumeist) die Möglichkeit des Einkalkulierens der Verunreinigung in die Übertragungsentscheidung mitsamt ihrem möglichen Einfluss auf die Übertragungsentscheidung sowie ihren möglichen Folgen für die Allgemeinheit ist, die die verantwortlichen früheren Eigentümer von den Vergleichspersonen unterscheidet. Die Möglichkeit, den Umstand der Verunreinigung in ihre Übertragungsentscheidung einzukalkulieren, weil sie ihn kannten oder kennen mussten, zeichnet die früheren Grundstückseigentümer aus, deren Verantwortlichkeit § 4 Abs. 6 BBodSchG bestimmt. In der Kommentarliteratur und in Aufsätzen zu § 4 Abs. 6 BBodSchG wird dagegen vertreten, es fehle ein „Zurechnungsgrund“ für die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers547 – mit den hier verwandten Begriffen ein durch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 BBodSchG in Bezug genommener Umstand, der die verschiedene Behandlung von bestimmten früheren Eigentümern und anderen früheren Eigentümern sowie sonstigen nichtverantwortlichen und verantwortlichen Personen legitimieren kann. Abgestellt wird dabei regelmäßig auf den „Zweck“ des § 4 Abs. 6 BBodSchG, „Spekulations- und Umgehungsgeschäften … zu begegnen“. Der Gesetzgeber sei mit der Formulierung des § 4 Abs. 6 BBodSchG über sein Ziel hinausgeschossen, die Verantwortlichkeit deshalb nicht erforderlich, zumindest unangemessen. Das in der Auswahl von Personen, die in der geregelten Situation bestimmte Voraussetzungen erfüllen, und der Zuordnung von Pflichten zu diesen Personen liegende Gleichheitsproblem wird dabei durch freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitserwägungen zu lösen versucht. Ein solches Vorgehen wird hier aus grundsätzlichen Erwägungen zum Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen abgelehnt.548 Darüber hinaus geraten die Erwägungen zur Verantwortlichkeit des ————— 547

Nachweise oben in Fn. 17-20 (Seite 173).

548

Dazu im Ersten Teil unter B.IV.1.a) und im Zweiten Teil unter A.III.2.

B. Gleichheitsmodell

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ehemaligen Eigentümers und ihrem Verhältnis zum zitierten Zweck in dreifacher Hinsicht zu eng. Erstens wird der Zweck zu eng beschrieben. Die Verantwortlichkeit des ehemaligen Grundstückseigentümers ist auf Vorschlag des Bundesrats549 in das Gesetz aufgenommen worden. Begründet wurde das damit, die in § 4 Abs. 3 enthaltenen traditionellen Verantwortlichkeitsregelungen aus dem Polizei- und Ordnungsrecht seien „insbesondere für die spezifischen Belange der Altlastenbehandlung“ nicht ausreichend. Sie seien (wie z. B. in § 12 Hessisches Altlastengesetz550) durch „die Haftung des Voreigentümers, der Kenntnis von einer Altlast hatte“, zu ergänzen. Durch diese Regelung werde es möglich, „Spekulations- und Umgehungsgeschäften sowie den Dereliktionsfällen zu begegnen“.551 Zweck bleibt auch hier die nachhaltige Sicherung und Wiederherstellung der Funktionen des Bodens. Werden, was hier aus dogmatischen Gründen abgelehnt wird, mittel- und adressatenbeschreibende Elemente in die Zweckbestimmung aufgenommen, so mag als Zweck die Beseitigung von Altlasten durch Personen, die eine besondere Beziehung zur Altlast oder ihrer Entstehung haben oder hatten, bestimmt werden. Dass die Regelung ermöglicht, Spekulations- und Umgehungsgeschäften zu begegnen, beschränkt ihren Zweck nicht darauf, ihnen zu begegnen.

————— 549 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 13/6701, S. 51 (Nr. 20): „In Artikel 1 sind in § 4 Abs. 3 S. 1 nach den Wörtern ‚über ein Grundstück‘ die Wörter ‚sowie ehemalige Grundstückseigentümer, es sei denn, daß sie die Verunreinigung während der Zeit ihres Eigentums oder des Besitzes weder kannten noch kennen mußten‘ einzufügen“. Im Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6701, S. 9 (§ 4), war eine Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nicht vorgesehen. Die Bundesregierung meinte, die Inanspruchnahme früherer Grundstückseigentümer sei „mit dem Rückwirkungsverbot nicht zu vereinbaren“ (vgl. Gegenäußerung zu den Stellungnahmen des Bundesrates, BTDrs. 13/6701, S. 63 [Nr. 14]). Derartige Bedenken hatte Papier, JZ 1994, 810-822/817, bereits einige Jahre zuvor geäußert: „Im übrigen dürfte eine gesetzliche Begründung von Zustandsverantwortlichkeiten ehemaliger Grundeigentümer mit dem rechtsstaatlich fundierten Rückwirkungsverbot in Ansehung belastender Gesetze kollidieren“. 550 § 12 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 HAltlastG: „(1) Zur Durchführung der Sanierung sind verpflichtet: … 6. ehemalige Eigentümerinnen oder Eigentümer, es sei denn, daß ihnen eine während der Zeit des Eigentums entstandene oder bestehende Verunreinigung weder bekannt wurde noch bekannt sein mußte. … (3) Die Sanierungsverantwortlichkeit nach Abs. 1 entfällt, wenn die sanierungsverantwortliche Person im Zeitpunkt des Entstehens der Verunreinigung darauf vertrauen durfte, daß eine Beeinträchtigung der Umwelt nicht entstehen könne, und wenn dieses Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist“. Weitere Vorgängernormen: § 13 Abs. 4 BlnBodSchG (Wortlaut oben in Fn. 57 [Seite 30]) und § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 2 ThAbfAG (Wortlaut oben in Fn. 41 [Seite 28] u. 58 [Seite 30]). Sämtlich abgedruckt bei Brandt, Bodenschutzrecht. 551

BT-Drs. 13/6701, S. 51 (Begründung zu Nr. 20); wortgleich BT-Drs. 13/8182, S. 3 (Begründung zu Anl. A Nr. 6). Die Dereliktionsfälle waren an dieser Stelle deplaziert, weil die Verantwortlichkeit desjenigen, der das Eigentum an einem verunreinigten Grundstück aufgibt, als Ergänzung eigenständig vorgeschlagen wurde, BT-Drs. 13/6701, S. 51 (Nr. 21), und BT-Drs. 13/8182, S. 3 (Anl. A Nr. 7).

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Zweitens wird die positive Feststellung eines Spekulations- und Umgehungsgeschäfts zur Voraussetzung der Verantwortlichkeit erhoben. Spekulations- und Umgehungsgeschäften kann aber beispielsweise auch dadurch begegnet werden, dass die Anreize zu ihrem Abschluss vermindert werden. Es handelt sich dann um eine Art vorbeugende Bekämpfung, um Prävention. Erfasst die Regelung Konstellationen, in denen kein Spekulations- oder Umgehungsgeschäft vorgenommen wurde, in denen aber die Bedingungen für ihren Abschluss bei generalisierter Betrachtung günstiger waren als in anderen Konstellationen, bedeutet das nicht notwendig, dass der Gesetzgeber über sein Ziel hinausgeschossen ist. Drittens wird Spekulation zu eng gefasst und – weil stets mit Umgehung in einem Atemzug genannt – in die Nähe unzulässiger, unrechtmäßiger Bereicherung gerückt. Wird hingegen – weiter und neutraler gefasst – die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit zu wirtschaftlichem Kalkül mit Verunreinigungen gerichtet, erweist sich die Rechtfertigung der durch § 4 Abs. 6 BBodSchG bewirkten Ungleichbehandlungen nicht in dem Maße als aussichtslos, wie in dem von der Literatur gemalten Bild. Mit der Voraussetzung der Kenntnis oder des Kennenmüssens und dem Ausschlussgrund des schutzwürdigen Vertrauens nimmt das Gesetz solche früheren Eigentümer von der Verantwortlichkeitsfolge aus, die von vornherein keine Möglichkeit haben, die Verunreinigung in ihre Erwerbs- und Übertragungsentscheidung einzukalkulieren, weil sie nichts von ihr wussten, nicht von ihrem Bestehen ausgehen mussten und auch keinen Anlass hatten, das Vertrauen in ihr Nichtbestehen zu hinterfragen und Nachforschungen anzustellen. Anders betrachtet unterscheidet die Möglichkeit des Einkalkulierens der Verunreinigung Personen, die bei Eigentumsübertragung von der Verunreinigung wussten oder wissen mussten und – falls sie das Grundstück bereits verunreinigt erworben haben – bei Eigentumserwerb nicht oder nicht schutzwürdig auf ihr Nichtbestehen vertraut haben, von anderen früheren Eigentümern und sonstigen NichtVerantwortlichen, und kann damit ihre Ungleichbehandlung – vorbehaltlich der weiteren Anforderungen an das Unterschied-Zweck- und das UnterschiedWirkungs-Verhältnis – rechtfertigen. Daneben sind nach den gesetzlichen Voraussetzungen weitere Unterschiede maßgebend: die rechtlichen Rahmenbedingungen beim Vergleich des nach dem 1.3.1999 Übertragenden, mit dem bis zu diesem Datum Übertragenden (); die Folgen für die Allgemeinheit bei den Vergleichen der aufgrund ihrer aktuellen Beziehung zur Sache Verantwortlichen () sowie des Derelinquenten ( und ) mit früheren Eigentümern, die von der Verantwortlichkeitsbestimmung ausgenommen sind.

B. Gleichheitsmodell

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c) Sachbezug der maßgebenden Unterschiede zum Regelungsziel (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht Zum Regelungszweck der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) weisen jedenfalls solche Gegebenheiten einen sachlichen Bezug auf, die mit den Abwehrmöglichkeiten, der Gefahr oder den Schutzgütern zusammenhängen. Gegebenheiten, die mit der Gefahr zusammenhängen, lassen sich nach ihrem Zusammenhang zur Entstehung der Gefahr oder zum Gefahrenherd oder danach, ob der Zusammenhang aufgrund äußerer oder innerer Merkmale besteht, weiter untergliedern. Die nach den Landespolizei- und ordnungsgesetzen maßgebenden Unterschiede kennzeichnen Abwehrmöglichkeiten (Einwirkungsmöglichkeit und -befugnis) sowie eine nach äußeren Kriterien bestimmte Beziehung zum Gefahrenherd (Nutzungsmöglichkeit und -befugnis sowie tatsächliche und rechtliche Repräsentation). Sie weisen daher einen sachlichen Bezug zum Zweck der Gefahrenabwehr auf. (2) Nach dem BBodSchG Zum Regelungszweck der Wiederherstellung der Funktionen des Bodens weisen jedenfalls solche Gegebenheiten einen sachlichen Bezug auf, die mit den Wiederherstellungsmöglichkeiten, mit der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen, also der Verunreinigung, oder mit dem Schutzgut Boden zusammenhängen. Gegebenheiten, die mit der Verunreinigung zusammenhängen, lassen sich nach ihrem Zusammenhang zur Entstehung oder zum Objekt der Verunreinigung oder danach, ob der Zusammenhang aufgrund äußerer oder innerer Merkmale besteht, weiter untergliedern. Von den nach dem BBodSchG maßgebenden Unterschieden benennen die Einwirkungsbefugnis und die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück Aspekte der Wiederherstellungsmöglichkeiten; die Nutzungsbefugnis und die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit ebenso wie die Repräsentation Aspekte der nach äußeren Merkmalen bestimmten Beziehung zum Objekt der Verunreinigung. Ebenfalls einen sachlichen Bezug zum Objekt der Verunreinigung weisen die Unterschiede in der Möglichkeit ihres Einkalkulierens bei Erwerb und Übertragung des Objekts auf. Wenn und weil die Folgen für die Allgemeinheit gerade aus den verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Herrschaftsstellungen über die Sache resultieren, weisen auch sie einen sachlichen Bezug zum Objekt der Verunreinigung auf. Die mit dem Stichtag in Bezug genommenen Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen der Grundstücksübertragung haben bereits deshalb einen sachlichen Bezug zum Sachbereich und den in ihm verfolgten Regelungszweck, weil die Rahmenbedingungen durch die Neuregelung des Sachbereichs selbst verändert wurden. 3. Legitimität des Anknüpfens Für die Bestimmung des Adressaten von Gefahrenabwehrmaßnahmen gibt die Verfassung dem Gesetzgeber nicht vor, an welche tatsächlichen oder rechtli-

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

302

chen Unterschiede er anzuknüpfen hat. Er ist nicht auf bestimmte Kriterien festgelegt.552 Eine Verfassungsnorm, die dem Gesetzgeber ein Anknüpfen an die genannten maßgebenden Unterschiede, besonders die Einwirkungs- und Nutzungsmöglichkeiten und -befugnisse sowie die Repräsentation der Sache oder die Möglichkeit des wirtschaftlichen Kalküls von Grundstücksgeschäften, verböte, existiert nicht. Die Beschränkungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG sind nicht einschlägig. Die Freiheitsrechte verbieten nicht, Folgen an eine Freiheitsausübung oder auch nur das Innehalten einer freiheitsrechtlich geschützten Position zu knüpfen. Die Verwaltungsbehörden und Gerichte dürfen hingegen lediglich an diejenigen Unterschiede anknüpfen, die nach der gesetzgeberischen Regelung maßgeblich sein sollen. Sie dürfen nach dem Vorstehenden die Inanspruchnahme insbesondere nicht auf die Gesichtspunkte stützen, die nicht das Verhältnis zur Sache, sondern zur Gefahrentstehung bestimmen, und – mit Ausnahme der bodenschutzrechtlichen Inanspruchnahme des früheren Eigentümers – auch nicht auf subjektive Gesichtspunkte. Da die Inanspruchnahme aber zugleich in Freiheitsrechte der Betroffenen eingreift, führte ein solches Vorgehen bereits zu einem Freiheitsverstoß,553 so dass die Gleichheitsproblematik in diesen Fällen in der Praxis dahinstehen kann. 4. Unterschied-Wirkungs-Relation Als Wirkungen nach dem Polizei- und Ordnungsrecht waren zum einen die Möglichkeit einer Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr unter erleichterten Bedingungen, zum anderen die Kostenlast auszumachen. Nach der gesetzlichen Konzeption wird mit der Inanspruchnahme als Verantwortlicher oder als Nichtverantwortlicher zugleich über die Kostentragung entschieden.554 An die Stellung als Verantwortlicher anknüpfende Wirkungen im Bundes-Bodenschutzgesetz sind zum einen das gesetzesunmittelbare Bestehen einer materiellen Verhaltenspflicht mit Möglichkeit zur Konkretisierung durch behördliche Inanspruchnahme, zum anderen die Kostenlast. 555 Beim früheren Eigentümer bewirkt § 4 Abs. 6 BBodSchG, dass er durch Übertragung seines Eigentums unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus der Verantwortlichkeit entlassen wird. Um die Prüfung der Unterschied-Wirkungs-Relation übersichtlicher zu gestalten, wird nachfolgend anhand der Unterschiede gegliedert und für jeden ————— 552 Vgl. Grzeszick, NVwZ 2001, 721-730/725: „[E]s gibt keinen verfassungsrechtlichen Typenzwang für die Regelung von Störern“. 553

Dazu im Ersten Teil unter B.IV.2.

554

Dazu oben unter B.II.1.a)(1)(a).

555

Dazu oben unter B.II.1.a)(2).

B. Gleichheitsmodell

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Unterschiedstypus gefragt, ob, inwiefern und inwieweit er die ungleichen Wirkungen legitimieren kann. a) Einwirkungsmöglichkeit und -befugnis (1) Art der ungleichen Wirkungen Die unterschiedlichen tatsächlichen Möglichkeiten oder rechtlichen Befugnisse der Zustandsverantwortlichen gegenüber den Nichtverantwortlichen zur Einwirkung auf die Sache beeinflussen, ob die Person mehr oder weniger tatsächlich oder rechtlich dazu in der Lage ist, eine Maßnahme zur Abwehr einer von der Sache ausgehenden Gefahr oder zur Wiederherstellung der Bodenfunktionen vorzunehmen. Das Eigentum an einer Sache verschafft dem Inhaber die Ausschließlichkeitsbefugnis, auf die Sache einwirken zu dürfen. Andere Berechtigungen gewähren ihren Inhabern diese Befugnis, soweit das Recht reicht. Die tatsächliche Gewalt über eine Sache ermöglicht ihrem Inhaber aus tatsächlichen oder – sofern die tatsächliche Gewalt auf einer Berechtigung beruht – rechtlichen Gründen, auf die Sache einzuwirken. Derjenige, der aus tatsächlichen Gründen auf die Sache einwirken kann oder aus rechtlichen Gründen einwirken darf, vermag besser als andere, den Zustand der Sache, von der die Gefahr ausgeht, ihre Beschaffenheit oder ihre Lage im Raum zu verändern,556 oder Sanierungsanordnungen zu befolgen. Grundsätzlich in einer besseren Lage ist auch der Eigentümer mit fortbestehendem Einfluss auf die Besitzverhältnisse gegenüber dem Eigentümer einer Sache, über die die tatsächliche Gewalt ohne seinen Willen ausgeübt wird, sowie der aktuelle gegenüber dem früheren Eigentümer. Das legitimiert dazu, bei den Voraussetzungen für die Auferlegung von Gefahrenabwehrmaßnahmen an Unterschiede in diesen Gegebenheiten anzuknüpfen. Wohlgemerkt: es legitimiert dazu, verpflichtet den Gesetzgeber aber nicht, das zu tun. Ein Legitimationszusammenhang zwischen den Unterschieden in der tatsächlichen Möglichkeit oder rechtlichen Befugnis, auf eine Sache einzuwirken, und den ungleichen Wirkungen hinsichtlich der Kostentragung ist dagegen nicht zu erkennen. Dass jemand über besondere Möglichkeiten, Fähigkeiten oder Befugnisse verfügt, berechtigt den Staat grundsätzlich nicht, ihm besondere finanzielle Lasten aufzuerlegen.557 Dazu bedarf es eines anderen Anknüpfungspunkts jen————— 556 Das stimmt mit der Einschätzung von Pieroth/ Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 33, überein, „mit den Inhabern der tatsächlichen Gewalt (Gewalthabern), den Eigentümern und den häufig zusätzlich erwähnten anderen Berechtigten“ erfassten die gesetzlichen Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit „alle, die auf die gefährliche Sache so einwirken können, daß ihre Inpflichtnahme für die Gefahrenabwehr sinnvoll ist“. 557 Die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit ist dafür eine Ausnahme. Bereits in BVerfGE 8, 5171/68 f., stellte das Bundesverfassungsgericht dazu fest: „[I]m Bereich des Steuerrechts [würde] eine formale Gleichbehandlung von Reich und Arm durch Anwendung desselben Steuersatzes dem

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

seits der Einwirkungsmöglichkeit und -befugnis. Anders wäre es, wenn der Gesetzgeber auf die Einwirkungsmöglichkeit oder -befugnis zum Zeitpunkt der Gefahrentstehung abgestellt hätte und dem Sachherrn zum Vorwurf gemacht hätte, nicht zum Zwecke der Verhinderung der Gefahrentstehung auf die Sache eingewirkt zu haben. Eine solche Unterlassensverantwortlichkeit gehörte zum Typus der Verhaltensverantwortlichkeiten. Die Zustandsverantwortlichkeit knüpft aber nicht an eine unterlassene Einwirkung zur Zeit der Gefahrentstehung,558 sondern an die in der Einwirkungsmöglichkeit zur Zeit der Inanspruchnahme liegende besondere Beziehung zur Sache an. (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen Soweit die Einwirkungsmöglichkeit oder -befugnis reicht, rechtfertigt sie es, ihren Inhaber gegenüber anderen stärker zu belasten. Der begrenzten Tragweite dieses Gesichtpunkts wird dadurch Rechnung getragen, dass keine persönliche Erfüllung der aufgegebenen Handlung verlangt wird. Die Verknüpfung mit der Kostenlast konnten die Einwirkungsgesichtspunkte bereits ihrer Art nach nicht rechtfertigen. b) Nutzungsmöglichkeit und -befugnis (1) Art der ungleichen Wirkungen Die tatsächliche Möglichkeit und die Berechtigung zur Nutzung einer Sache bestimmen darüber, welche Vorteile eine Person aus der Sache selbst oder dem Umgang mit ihr ziehen kann. Erfordert der Zustand des Grundstücks oder einer anderen Sache tatsächlichen Aufwand oder finanzielle Aufwendungen, rechtfertigt der Umstand, dass eine Person Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr ziehen kann, eine andere hingegen nicht, sie unterschiedlich mit Aufwand oder Aufwendungen zu belasten. (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen Werden ungleiche Wirkungen an Unterschiede in der Möglichkeit oder Befugnis zur Vorteilsziehung geknüpft, begrenzt das Ausmaß der möglichen Vorteile das Ausmaß der ungleichen Wirkungen. Ein so verstandener Vorteilsgedanke, bei dem möglicher Nutzen und Lasten einer Sache ins Verhältnis zuein-

————— Gleichheitssatz widersprechen. Hier verlangt die Gerechtigkeit, daß im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere (vgl. schon Art. 134 WRV)“. Nachweise dazu oben in Fn. 413 (Seite 265). 558 So aber jüngst Hösch, VBlBW 2004, 7-14/12 f., der von einer „verhaltensabhängige[n] Zustandshaftung“ des Eigentümers ausgeht, einer „Form der Handlungshaftung“, bei der der Eigentümer „wegen der Verletzung besonderer Eigentümerpflichten [haftet]“.

B. Gleichheitsmodell

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ander gesetzt werden, ist ein gängiger Gleichheitsgedanke.559 Da die Gesetzgeber mit der Bezeichnung der rechtlichen oder tatsächlichen Position nicht die erzielten Vorteile zum Anknüpfungskriterium gewählt haben, sondern die Befugnis bzw. tatsächliche Möglichkeit zur Vorteilserzielung in Bezug genommen haben, ist nicht die Höhe erzielter Vorteile entscheidend, sondern das Ausmaß möglicher Vorteile, das aus der Sache oder dem Umgang mit ihr gezogen werden kann. Die gleichheitsrechtliche Prüfung der Verantwortlichkeitsnormen ist damit aber nicht beendet. Die möglichen Vorteile markieren lediglich die Grenze, bis zu der die Nutzungsmöglichkeit oder -befugnis, die den Zustandsverantwortlichen von anderen Personen unterscheidet, seine Belastung mit Kosten rechtfertigen kann. Eine darüber hinausgehende Belastung kann durch andere Unterschiede zwischen diesen Personen legitimiert sein. Möglicherweise berechtigt der Umstand der Repräsentation zu einer weiterreichenden ungleichen Belastung gegenüber Nichtrepräsentanten. c) Repräsentation (1) Art der ungleichen Wirkungen Die Schwierigkeit beim Kriterium der Repräsentation liegt darin, das, woran das Gesetz anknüpft und was bereits vom PrOVG als „Vertretung nach außen“ benannt wurde, und das, was die Polizei- und Ordnungsgesetze bewirken und was, von ihnen als Verantwortlichkeit bezeichnet, ebenfalls Repräsentation genannt werden könnte, auseinanderzuhalten, weil sonst die Begründung der Ungleichbehandlung auf sich selbst verweisen müsste.560 Eigentümer repräsentieren die Sache kraft rechtlicher, Inhaber der tatsächlichen Gewalt kraft tatsächlicher (bisweilen ihrerseits gestützt auf rechtliche) ————— 559 Z. B. bei der Finanzierung der Staatsaufgaben durch Vorzugslasten, also etwa Beiträge: Badura, VVDStRL 47 (1989), 93-95/94; für Soziallasten: Kirchhof, Deutsche Rentenversicherung 1989, 32-41/34 (Vorteil, den der Zahlungsverpflichtete hat, als „[k]lassische Rechtfertigung“ für die Belastung), und Kirchhof, Finanzierung, § 93 Rn. 17. Vgl. BVerfGE 60, 101-112/110: „Diese Regelung ist sachgerecht, denn sie geht davon aus, daß Bauunternehmer grundsätzlich ein Interesse daran haben, ihre Belegschaft trotz witterungsbedingter Arbeitsausfälle mit Hilfe der Zahlung von Schlechtwettergeld über den Winter in ihren Beschäftigungsverhältnissen zu halten. Wirtschaftlich wird damit eine Gruppe mittelbar an den Belastungen beteiligt, die von der Regelung über Schlechtwettergeld Nutzen hat“. Pleyer, AcP 36 n.F. (1957), 291-310/305 Fn. 51: „Der Gedanke, daß derjenige, der eine gefährliche Sache zu Eigentum innehat und dadurch seine Interessen fördern kann, auch die mit der Sache verbundenen Risiken tragen soll, baut auf dem allgemeinen Grundgedanken auf, daß derjenige, der die ‚Vorteile‘ (Innehabung, Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit) hat, auch die ‚Nachteile‘ übernehmen muß“. Zustimmend Kränz, Zustandsverantwortlichkeit, S. 142. 560 Vor dieser Schwierigkeit stehen sämtliche Ansätze, die Grenzen aus Zuordnungs- oder Zurechnungsgedanken, aus der Abschichtung von Verantwortungssphären oder Ähnlichem ableiten wollen. Stets ist der Einwand zu entkräften, die Zuordnung oder Zurechnung gehe just so weit, die Verantwortungssphäre reiche gerade so weit, wie es die Polizei- und Ordnungsgesetze bestimmen.

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Zuordnung und unterscheiden sich dadurch von anderen Personen. Der Eigentümer ist regelmäßig Inhaber von Ansprüchen in Bezug auf die Sache, Schadensersatzansprüchen im Falle ihrer Schädigung,561 Sach- und Nutzungsherausgabeansprüchen im Falle unberechtigten Besitzes oder unbefugter Nutzung.562 Er ist regelmäßig Schuldner von Abgaben und Gebühren, die für den Umgang mit der Sache anfallen.563 Der Eigentümer ist ferner derjenige, der die Sache versichern und im Schadensereignis Versicherungsleistungen beanspruchen kann.564 Für andere Berechtigte gilt das nicht in gleicher Weise: Mit Rechten an der oder auf die Sache ist als solches keine Repräsentation der Sache verbunden. Anderes gilt aber, wenn mit der Berechtigung (etwa obligatorischer Berechtigung des Mieters oder Pächters 565) eine Inbesitznahme einhergeht. Besitz ist dasjenige Verhältnis, das zum Umgang mit einer Sache im Verkehr faktisch befähigt. Die Regelungen über Selbsthilfe in §§ 859 f. BGB sowie die Besitzansprüche der §§ 861 f. BGB sind Ausdruck dieser faktisch zentralen Stellung im Verkehr mit der Sache. Sofern sich der tatsächliche Sachherr gegen den Willen des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten der Sache bemächtigt hat, überlagert die tatsächliche Stellung die Befugnisse und damit zugleich die Repräsentantenstellung. Die Landespolizei- und -ordnungsgesetze und das BBodSchG knüpfen an diese existierenden Elemente der Repräsentation an. Sie machen die Sachherren für den Zustand der Sache, für ihre Beschaffenheit oder ihre Lage im Raum, im BBodSchG für die Wiederherstellung der Bodenfunktionen verantwortlich, indem sie ungeachtet der Beziehungen in etwaigen Innenverhältnissen ihre Verpflichtung zur Durchführung oder Duldung von Gefahrenabwehr- oder Sanierungsmaßnahmen erleichtern und ihnen die Kosten auferlegen. Eine Klärung der Abläufe „im Inneren“ überlassen sie denjenigen, die das Grundstück oder die sonstige Sache in dieser Beziehung repräsentieren, und verlangen von ihnen, ————— 561

§ 823 Abs. 1, §§ 989 ff. BGB.

562

§§ 985, 987 f. BGB.

563

Beispielsweise der Grundsteuer, sofern ihm das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist (§ 10 Abs. 1 GrStG). Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO), sofern nicht ein anderer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO). 564 Speziell für Altlasten erläuterte Schmidt-Salzer, Altlasten, S. 139 ff., besonders S. 148, bereits Mitte der 80er Jahre am Beispiel altlastenbedingter Gewässerverunreinigungen, dass das Altlastenrisiko bei Entwicklung von Sonderpolicen für Gewässerschäden zwar nicht erkannt wurde, grundsätzlich aber unabhängig vom Rechtsgrund der Beseitigungs- und Kostentragungsverpflichtung des Versicherungsnehmers, ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich, gedeckt sein kann. Zu weiteren Möglichkeiten, sich (in stark beschränktem Umfang) gegen das Altlastenrisiko zu versichern, Schimikowski, VersR 1998, 1452-1460/1455 ff., und Steier, Risiken, S. 176 ff. 565

Zu ihrer Einbeziehung: Lepsius, Besitz, 302 f.

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auch gegenüber Hoheitsträgern nach außen „einzustehen“. Die vorhandene Repräsentantenstellung des Eigentümers, der Berechtigten und der tatsächlichen Sachherren, die sie von anderen Personen, von Nichtrepräsentanten, unterscheidet, legitimieren die Gesetzgeber, hinsichtlich der polizei- und ordnungs- sowie bodenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit in der gewählten Art ungleich zu behandeln. Die Gesetzgeber könnten bestimmen, dass Lasten, die den Einzelnen zufällig treffen, von der Allgemeinheit zu tragen sind. Von Verfassungs wegen sind sie dazu aber nicht verpflichtet.566 Ebensowenig sind sie von Verfassungs wegen gehindert, Lasten bezüglich der Sache unabhängig von einem ursächlichen Beitrag oder einem Verschulden demjenigen aufzuerlegen, dem die Sache auch sonst zugeordnet ist. (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen Die Vorgänge im Innern, deren Klärung in der Hand der Sachherren liegt und für die sie nach außen „einstehen“ sollen, beziehen sich auf einen bestimmten Zeitraum. Voraussetzung dafür, dass eine Person vom Zufall (höherer Gewalt, Naturgewalt) getroffen werden oder Versicherungsschutz oder (originäre) Schadensersatzansprüche geltend machen kann, ist, dass sie in dem Zeitraum, in dem der Vorgang stattfindet, Sachherrschaft hat. Andernfalls trifft der Zufall einen Dritten und steht der Versicherungsanspruch oder der Schadensersatzanspruch einem Dritten zu.567 Ähnliches gilt für besitzende Berechtigte und Inhaber der tatsächlichen Gewalt: bei Einräumung des Besitzes haben sie die Möglichkeit zu regeln, wer das Risiko des Entstehens von Gefahrensituationen oder Verunreinigungen tragen soll; im Falle der eigenmächtigen Inbesitznahme nehmen sie das Risiko faktisch auf sich. Erlangen sie den Besitz erst nach Gefahrverursachung oder Verunreinigung, hat sich das Risiko ohne ihr Mitwirken bei einem anderen verwirklicht. Die vorgefundenen Unterschiede sind mithin durch zeitliche Koordinaten begrenzt. Die Zustandsverantwortlichen stehen gleichsam für die äußere Gefährlichkeitsbilanz der Sache, den Wandel zum Negativen ein. Das bedingt zugleich, dass die Zuordnung der Sache nicht rechtfertigt, Einzelnen Pflichten aufzuerlegen, unter deren Herrschaft kein Wandel zum Negativen erfolgt ist. Wer die Sache bereits in gefährlichem Zustand oder das Grundstück in verunreinigtem Zustand übernommen hat, dessen Gefährlichkeitsbilanz unterscheidet sich nicht von dem anderer Personen, die mit dem Grundstück oder der sonstigen Sache gar nicht in Berührung gekommen sind. Die Zuordnung der Sache kann deshalb belastende Wirkungen nur insoweit rechtfertigen, als sie aus einem Wandel zur ————— 566 BVerfGE 27, 253-294/270 u. 283 (Besatzungsschädenausgleichsgesetz); 41, 126-193/153 f. (Reparationsschädengesetz). 567 Jedenfalls zunächst, also vorbehaltlich der Übertragung oder des gesetzlichen Übergangs dieser Ansprüche.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

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Gefährlichkeit in einem Zeitraum resultieren, während dessen die Sache dem zu Belastenden zugeordnet war. Abgestellt wird bei diesem Merkmal wohlgemerkt auf das Verhältnis zu der Sache in einem bestimmten Zeitraum, in den die Entstehung der Gefahr fällt, nicht auf die Umstände der Gefahrentstehung und mithin das Verhältnis zur Gefahrentstehung als solche.568 Dem steht nicht entgegen, dass für die Beurteilung der Zustandsverantwortlichkeit einer Person nicht der Zeitpunkt der Gefahrherbeiführung, sondern derjenige Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem die polizeiliche Maßnahme erfolgt.569 Die verantwortlichkeitsbegründende Beziehung zur Sache, das aktuelle oder frühere Eigentum, die sonstige Berechtigung oder die tatsächliche Gewalt muss zur Zeit der Anordnung der Maßnahme bestehen. Bestand sie (typischerweise) nicht bereits zur Zeit der Gefahrentstehung, scheidet lediglich der Gesichtspunkt der Repräsentation zur Rechtfertigung der ungleichen Wirkung gegenüber (sonstigen) Nichtrepräsentanten aus. Indem die Polizei- und Ordnungsgesetze durch die Voraussetzungen Eigentum, ggf. sonstige Berechtigung, und tatsächliche Gewalt an Repräsentantenstellungen anknüpfen, ohne den Zeitpunkt oder -raum der Gefahrentstehung zu thematisieren, typisieren sie. Die Entstehungsgeschichte der Zustandsverantwortlichkeit gab keinen Anlass, Auswechslungen des Sachherrn nach Gefahrentstehung besonders zu regeln. Soweit ersichtlich, wurde der Einwand, die Sache sei vor Begründung der Sachherrschaft des Zustandsverantwortlichen gefährlich gewesen oder geworden, nicht vorgebracht. Wegen der zusätzlichen Rechtfertigung über die Nutzungsberechtigung oder -möglichkeit, hätte er zudem nur dann eine Rolle gespielt, wenn sowohl eine Auswechslung des Sachherrn nach Gefahrentstehung stattgefunden hätte als auch die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahmen die möglichen Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr überstiegen hätten. Das lag bei den ursprünglichen Anwendungsfällen der Zustandsverantwortlichkeit fern. Erst bei den Altlastenfällen erkannte die (Rechtsprechungs-) Praxis das Problem. 570 Für bewegliche Sachen lassen sich ————— 568 Auf den (mutmaßlichen) Gefahrentstehungszeitpunkt stellen mit weiter reichenden Folgen auch § 13 Abs. 4 BlnBodSchG (Wortlaut oben in Fn. 57 [Seite 30]) und § 303 Abs. 3 des Entwurfs zum UGB-BT ab; hierzu Lepsius, Besitz, S. 508 f. Ähnlich wurde für die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 ThAbfAG (Wortlaut oben in Fn. 41 [Seite 28] u. 58 [Seite 30]) etwa von Lehmann, ThAbfAG, § 20 Rn. 6, gefordert, sie dahingehend einzuschränken oder einschränkend auszulegen, dass sie nur diejenigen Fälle erfasse, in denen die für die Altlast kausale Verunreinigung während der Dauer der Innehabung der Eigentümerposition stattgefunden hat: „Der zeitliche Zusammenhang zwischen Zustandsverantwortlichkeit und gefahrbegründender Verunreinigung muß auf jeden Fall gegeben sein“. Dagegen Kothe, Altlastenrecht, S. 73, und ders., DÖV 1994, 716-728/724. 569 570

Schieferdecker, Entfernung, S. 188.

Auf die Besonderheiten des Bereichs der Altlasten gegenüber den polizei- und ordnungsrechtlichen Normalfällen, bei denen die „besondere Nähe zur Gefahr“ ein „taugliches Unterscheidungskriterium für Störer und Nichtstörer“ sei, wies schon Ossenbühl, Haftung, S. 67, hin.

B. Gleichheitsmodell

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ähnliche Konstellationen denken, wenn die Sache bereits gefährlich war, als sie in den Verkehr gelangte. Auf beide haben die Gesetzgeber mit Sonderregelungen reagiert.571 Den übrigen Streitfällen fehlte stets eine der Komponenten. Bei unbeweglichen Sachen kam ein möglicher Personenwechsel nicht zum Tragen (und auch nicht zur Sprache), weil die Kosten nicht das Ausmaß der möglichen Vorteile überstiegen. Bei beweglichen Sachen überstiegen und übersteigen die Kosten zwar leicht dieses Ausmaß, findet jedoch in aller Regel kein Personenwechsel zwischen Gefahreintritt und Inanspruchnahme statt. Die in der Literatur lebhaften diskutierten Abschleppfälle bei nachträglich errichtetem Halteverbot572 bilden hiernach kein Problem. Besonders bildhaft ist das Beispiel von Binder573: „Brennt ein Kfz aufgrund eines technischen Defekts, etwa Kabeloder Vergaserbrands, völlig aus oder wird es infolge eines vom Eigentümer nicht verschuldeten und unabwendbaren Unfalls total beschädigt, hat es für den Eigentümer keinen Gebrauchswert mehr“. Gleichwohl kann dem Eigentümer aufgegeben werden, dieses Fahrzeug aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen. Das ist wegen der Repräsentationsstellung des Eigentümers, die ihn von anderen Personen unterscheidet, legitimiert. Ein Sachherrschaftswechsel nach Gefahreintritt findet hier typischerweise574 allenfalls hinsichtlich der tatsächlichen, nicht aber der rechtlichen Sachherrschaft statt, etwa wenn die gegen den Willen des Eigentümers ausgeübte Sachherrschaft über ein gestohlenes Kfz nach einem Unfall aufgegeben wird. Fälle, in denen eine von Anbeginn an gefährliche bewegliche Sache, die der jetzige Berechtigte gefährlich übernommen hat, gar nicht im Verkehr sein sollte und in denen die Kosten ihres Aus-demVerkehr-Ziehens die Vorteile übersteigen, fallen nur ganz ausnahmsweise unter das Regime des Polizei- und Ordnungsrechts, weil der Bundesgesetzgeber für von Anbeginn an gefährliche bewegliche Sachen ein Sonderregime geschaffen hat.575 Den virulenten Bereich der Altlastenfälle haben die Gesetzgeber zunächst mit den Landesabfall- und -bodengesetzen und nunmehr mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz weitgehend dem Anwendungsbereich der Landespolizei- und -ordnungsgesetze entzogen. Lediglich Altfälle, d.h. Fälle bei denen die Sanierungsanordnung noch vor Inkrafttreten des BBodSchG erging, sind noch nach den Polizei- und Ordnungsgesetzen zu lösen. ————— 571 Zum BBodSchG und den landesrechtlichen Vorgängerregelungen bereits im Befund vor dem Ersten Teil unter B.I. Für das Inverkehrbringen gefährlicher Sachen gilt das „Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG)“ vom 6. Januar 2004 (BGBl. I S. 2). 572

Schieferdecker, Entfernung, S. 237 f. u. 240-242, eigener Ansatz auf S. 242-252.

573

Binder, Zustandshaftung, S. 72.

574

Den Sonderfall einer (unsubstantiiert) behaupteten Eigentumsübertragung abgeschleppter Altfahrzeuge entlarvt Heßler, VR 2004, 1-4/4, als Thema der Beweiswürdigung. 575

Das GPSG, siehe vorstehend Fn. 571.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

310

Angesichts dieses Befundes bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, eine unbeschränkte Verantwortlichkeit der Sachherren durch die typischerweise bei ihnen vorliegende Repräsentantenstellung zu legitimieren. Soweit die Typisierung in den wenigen Fällen im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts, in denen Sachherrenauswechslung und vorteilsübersteigende Kostenlast zusammenfallen, zu persönlichen Härten führt, genügt es, wenn die Rechtsanwender dem bei der Ermessensausübung Rechnung tragen. Anders verhält es sich insofern beim Bundes-Bodenschutzgesetz. Das Problem des kumulativen Auftretens von Eigentümer-/Sachherrschaftswechseln und vorteilsübersteigender Kostenlast durchzieht das gesamte Anwendungsfeld der Sanierungsverpflichtungen. Der Gesetzgeber trug ihm bei der Verantwortlichkeit früherer Eigentümer Rechnung, indem er in § 4 Abs. 6 S. 2 BBodSchG einen Ausschlussgrund formulierte, der ausschließlich für die Übernahme bereits verunreinigter Grundstücke Bedeutung hat. Zusätzlich regelte er für die Verhaltensverantwortlichkeit ausdrücklich die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers, ebenfalls einer Person, die dem Verantwortlichen aus der Zeit der Verunreinigung nachfolgt. Wenn er bei der Regelung der Zustandsverantwortlichkeit – mit Ausnahme der des früheren Eigentümers – auf eine Unterscheidung von fortbestehender und erst nach Verunreinigung begründeter Repräsentantenstellung verzichtete, kann die im Ausmaß unbeschränkte Verantwortlichkeit nicht dadurch gerechtfertigt werden, typischerweise bestehe die Repräsentantenstellung fort. Die Möglichkeit und generelle Zulässigkeit der Typisierung von Unterschieden erlaubt nicht, weitreichende Folgen an regelmäßig nicht vorliegende Umstände zu knüpfen.576 Daraus folgt für das BBodSchG: Repräsentiert der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt das Grundstück nicht bereits zur Zeit seiner Verunreinigung, ist seine wirtschaftliche „Außenbilanz“ ausgeglichen. Ihm wird das Grundstück erst mit dem schon geminderten Wert zugeordnet. Das rechtfertigt es nicht, ihm Kosten aufzulegen. Die Verantwortlichkeit mit Kostenfolge muss in diesen Fällen allein durch die anderen Unterschiede legitimiert sein. Weil im Bodenschutzrecht nicht typisierend davon ausgegangen werden kann, dass nach der Verunreinigung kein Wechsel in der Sachherrschaftsposition stattgefunden hat, lassen sich die Wirkungen der Verantwortlichkeit nicht durch den typisierten Umstand der Repräsentation der Sache zur Zeit der Verunreinigung legitimieren. Für das Polizei- und Ordnungsrecht gilt hingegen: Repräsentiert der Eigentümer, besitzende Berechtigte oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt die Sache zur Zeit der Gefahrentstehung, ist die wirtschaftliche „Außenbilanz“ negativ und ————— 576

Vgl. oben unter B.III.3.d).

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zwar in dem Umfang, der für die Wiederherstellung eines gefahrenfreien Zustands erforderlich ist. Bei Fortbestehen der Repräsentation legitimiert dieser Umstand zur unbeschränkten Auferlegung der für die Gefahrenabwehr erforderlichen Kosten, und ermöglicht somit eine größere Belastung als der Umstand der Nutzungsmöglichkeit oder -befugnis. Im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts kann angenommen werden, dass nach Gefahrentstehung typischerweise kein Wechsel in der Eigentümerstellung stattfindet. Sofern das ausnahmsweise doch der Fall ist und die Kosten in diesem Fall mögliche Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr ausschließen, ist im Rahmen der Ermessensausübung auf Anwendungsebene persönlichen Härten Rechnung zu tragen. d) Möglichkeit des Einkalkulierens (1) Art der ungleichen Wirkungen Der Umstand, der beim aktuellen Eigentümer die Auferlegung der primären Handlungspflicht erlaubt, fehlt beim früheren Eigentümer: Dass er vormals zur Einwirkung auf die Sache befugt war, versetzt ihn für die Beseitigung der Verunreinigung nicht in eine bessere Lage als eine Person, die zu keiner Zeit Eigentümer war. Zu bedenken ist jedoch, dass es im Bodenschutzrecht anders als im Polizei- und Ordnungsrecht der Gesichtspunkt der möglichst raschen Abwehr nur geringe Bedeutung hat. Aus diesem Grund sieht das Bundes-Bodenschutzgesetz beispielsweise keine Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher vor, die im Polizei- und Ordnungsrecht im Notstand rasches Handeln ermöglichen soll. Im Vordergrund steht, dass eine Person, die vorbehaltlich eines Ausgleichs nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG 577 ganz oder zum Teil für die Kosten der Sanierung aufkommen soll, verpflichtet wird, die Sanierung durchzuführen.578 Sie kann die Sanierung persönlich vornehmen, wird im Regelfall aber andere damit beauftragen. Gegenüber einer bloßen Auferlegung der Kosten hat das den Vorteil, auf die Sanierung Einfluss nehmen und die Kosten so unter Umständen senken zu können. Lässt sich für die früheren Eigentümer die Belastung mit Kosten rechtfertigen, kann über diese Überlegung zugleich die ihnen, nicht aber „NieEigentümern“ auferlegte Handlungspflicht gerechtfertigt werden. Die Regelung des § 4 Abs. 6 BBodSchG verselbständigt und perpetuiert die Verantwortlichkeit für solche Personen, die die Möglichkeit hatten, die Verunreinigung in ihre Entscheidung einzubeziehen, ob und zu welchen Bedingungen ————— 577 Synoptische Darstellung der Genese der Ausgleichsregelung in den verschiedenen Entwürfen des BMU für ein BBodSchG bei Smeddinck/ Tils, Normgenese, S. 460 f. 578 In diesem Sinne stellt Kohls, Zustandsverantwortlichkeit, S. 146 f., für den früheren Eigentümer den Gesichtspunkt gerechter Lastenverteilung gegenüber dem Prinzip effektiver Gefahrenabwehr in den Vordergrund.

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2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

sie das verunreinigte Grundstück übertragen, oder, sofern das Grundstück bereits bei Erwerb verunreinigt war, ob und zu welchen Bedingungen sie das verunreinigte Grundstück erwerben und später wieder übertragen. Befreit die Übertragung eines verunreinigten Grundstücks nicht von der Verantwortlichkeit, hält das dazu an, die für die Sanierung erforderlichen Kosten in die Entscheidung über die Übertragung und – sofern das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits verunreinigt ist – zuvor bereits über den Erwerb einzubeziehen. Ehemals externe, weil nicht (mehr) den früheren Eigentümer treffende Sanierungskosten werden dadurch internalisiert. Geschäfte mit Verunreinigungen können dann nicht (mehr) zu Lasten der Allgemeinheit kalkuliert werden. Der Übertragende bzw. der Erwerber und Weiterübertragende kann den Umstand der Verunreinigung in seine Kosten-Nutzen-Erwägungen einbeziehen und danach seine wirtschaftlichen Entscheidungen ausrichten. Wird er an der Verantwortlichkeit festgehalten, kann er nicht mit einem Gewinn aus einer Befreiung aus der Verantwortlichkeit rechnen, sondern hat das verbleibende Risiko einer Inanspruchnahme in das Kalkül einzubeziehen. Entscheidet er sich gegen die Eigentumsübertragung bleibt er als Eigentümer verantwortlich. Entscheidet er sich dafür, kann er mögliche Gewinne aus einer Veräußerung mitnehmen, wegen seiner fortbestehenden Verantwortlichkeit aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit. Er kann zudem durch die Bedingungen des Grundstücksgeschäfts beeinflussen, wen im Verhältnis der Geschäftspartner die finanzielle Last der Sanierung im Ergebnis treffen soll. Ähnliches gilt für die weitere Unterscheidung nach Erwerbsumständen. Entscheidet sich der Erwerber trotz Kenntnis von der Verunreinigung oder nicht schutzwürdigem Vertrauen auf ihr Fehlen für den Erwerb und veräußert er das Grundstück später weiter, bestünde im Falle des Entlassens aus der Verantwortlichkeit das Risiko, dass er das wirtschaftliche Gesamtkalkül von Erwerb und Wiederveräußerung zu Lasten der Allgemeinheit anstellt. Die Unterschiede in der Möglichkeit des Einkalkulierens rechtfertigen es, die, die sie haben, zu belasten, und für die, die sie nicht haben, keine Verantwortlichkeit vorzusehen. Bei dem, der die Verunreinigung nicht in seine Entscheidungen einbeziehen kann, sei es, weil sie ihm unverschuldet verborgen blieb oder erst nach Übertragung bekannt wurde, sei es, weil er bei Erwerb von ihrem Nichtbestehen ausging und auch keinen Anlass hatte, seine fälschliche Annahme zu hinterfragen, sei es, weil ihm das sächliche Substrat für eine Übertragung oder die Befugnis dazu fehlte, liefe der Versuch leer, ihn dazu anzuhalten, äußere Kostenfaktoren zu internalisieren. Derjenige, dem die Möglichkeit zum Einkalkulieren der Verunreinigung fehlt, wird seine Entscheidungen so treffen, als gäbe es keine Verunreinigung. In seine Kosten-Nutzen-Erwägungen geht eine Befreiung von einer Verantwortlichkeit von vornherein nicht ein, weil er keinen Anlass hat oder auch nur haben muss, von ihrem Bestehen auszugehen. Der Unterschied bei der Möglichkeit des Einkalkulierens der Verunreinigung legitimiert daher ihrer Art nach die ungleichen Wirkungen für die sich hierin unterscheidenden Personen.

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(2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen Für das Ausmaß der ungleichen Wirkungen gilt, dass gestützt auf die Möglichkeit des Einkalkulierens der Verunreinigung nur soweit an der Verantwortlichkeit festgehalten werden darf, als das Kalkül auf Befreiung aus der Verantwortlichkeit die Entscheidung beeinflussen könnte, mit anderen Worten: nicht weiter als die vor Veräußerung bestehende Verantwortlichkeit reichte. e) Erzeugen unterschiedlicher Folgen für die Allgemeinheit (1) Art der ungleichen Wirkungen Wenn das BBodSchG den Eigentümer, Inhaber der tatsächlichen Gewalt und den Derelinquenten selbst dann zum Verantwortlichen macht, wenn sie bei Erwerb des Eigentums oder Begründung der tatsächlichen Gewalt schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung vertraut haben, und wenn es ebenso beim Derelinquenten verfährt, der das Eigentum an einem Grundstück bis zum 1.3.1999 oder in unverschuldeter Kenntnis seiner Verunreinigung aufgegeben hat, obgleich es sonstige frühere Eigentümer bei Vorliegen nur einer der genannten Voraussetzungen aus der Verantwortlichkeit entlässt, sind diese ungleichen Wirkungen ihrer Art nach durch die unterschiedlichen Folgen für die Allgemeinheit legitimiert, die Fortbestehen oder Aufgabe des Eigentums oder Fortbestehen der tatsächlichen Gewalt einerseits, Übertragung des Eigentums auf einen Dritten andererseits erzeugen. Bei typisierter Betrachtung liegt im letztgenannten Fall ein Nullsummenspiel vor. Der frühere Eigentümer hatte das Grundstück verunreinigt erworben und hat es ebenso verunreinigt weiterübertragen. Vor ihm und nach ihm gab und gibt es einen Eigentümer, der verantwortlich war oder nun ist. Weil der frühere Eigentümer bei seinem Erwerb schutzwürdig auf das Nichtbestehen einer Verunreinigung vertraut hatte, ist bei typisierter Betrachtung nicht zu befürchten, dass Erwerb und Weiterübertragung einem wirtschaftlichen Gesamtkalkül zu Lasten der Allgemeinheit folgten – jedenfalls nicht aufgrund des Umstands der Verunreinigung. Er ist bloßer Durchgangseigentümer. Beim aktuellen Eigentümer und aktuellen Inhaber der tatsächlichen Gewalt fehlt der zweite Schritt, der eine Nullsumme erzeugen könnte. Beim Derelinquenten führt er nicht zu einer Nullsumme. Beide sind deshalb nicht bloße Durchgangsverantwortliche. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei hervorgehoben: Dass die ungleichen Wirkungen für bestimmte frühere Eigentümer – nämlich bei Erwerb schutzwürdig vertrauende, bis zum 1.3.1999 übertragende oder bei Übertragung unverschuldet unwissende – gegenüber anderen Personen unter gleichen Umständen damit gerechtfertigt wird, dass sie verschiedene Folgen für die Allgemeinheit erzeugen, hindert nicht, frühere Eigentümer unter anderen Umständen ebenso zu belasten wie die anderen Personen. Zu rechtfertigen ist dann nicht ihre Gleichbehandlung, sondern die Ungleichbehandlung von früheren Eigentümern unter

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den einen gegenüber früheren Eigentümern unter den anderen Umständen – ganz wie im vorstehenden Abschnitt579 geschehen. (2) Ausmaß der ungleichen Wirkungen Die Nullsumme aus Begründung der Verantwortlichkeit bei Erwerb eines verunreinigten Grundstücks und Wegfall der Verantwortlichkeit bei Übertragung des verunreinigten Grundstücks beim zuvor schutzwürdig erwerbenden, unverschuldet nichtwissenden oder bis zum 1.3.1999 Übertragenden, ihr Fehlen bei den Noch-Sachherren und beim Derelinquenten rechtfertigt die ungleichen Wirkungen – hier Sanierungsverantwortlichkeit mit Kostenlast, dort keine – in vollem Umfang, weil es gerade um die Nullsumme aus der Verantwortlichkeit vorher und der Verantwortlichkeit nachher geht. Eigenständige Grenzen fordert das Abstellen auf den Unterschied darin, welche Folgen sich für die Allgemeinheit ergeben, deshalb nicht. Auch hier sei Missverständnissen vorgebeugt: Der Gesetzgeber könnte zusätzlich Unterscheidungsmerkmale einführen um die Nullsumme konkret zu erfassen, beispielsweise indem er frühere Eigentümer nur dann aus der Verantwortlichkeit entließe, wenn der nachfolgende Eigentümer in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seinem Vorgänger ebenbürtig wäre. In diesem Fall begrenzte das Ausmaß etwaiger Unterschiede in der Leistungsfähigkeit das Ausmaß der ungleichen Wirkungen für die früheren Eigentümer. Derartige Unterscheidungsmerkmale hat der Gesetzgeber aber nicht eingeführt und Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit somit nicht für maßgeblich erklärt. Bei der Prüfung des zulässigen Ausmaßes war daher von einem abstrakt beschriebenen Nullsummenspiel auszugehen. f) Handeln unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen Stichtage, die bewirken, dass unter ansonsten gleichen Umständen denjenigen, der unter Geltung eines neuen Gesetzes gehandelt hat, die Wirkungen dieses Gesetzes treffen, denjenigen, der vor dessen Inkrafttreten gehandelt hat, hingegen nicht, sind unter gleichheitsrechtlichen Unterschied-WirkungsGesichtspunkten unproblematisch. Mag der Tag des Inkrafttretens als solcher beliebig gewählt sein – die Verknüpfung von Sich-Ereignen ab diesem Tag und Wirkungen des Gesetzes ist es nicht. Sie beschreibt vielmehr gerade die Bedeutung des Inkrafttretens von Gesetzen. Einer strengeren Untersuchung des Unterschied-Wirkungs-Verhältnisses bedarf es deshalb nicht.580 Besonders zu begründen sind durch Stichtage erzeugte ungleiche Wirkungen nur dann, wenn das nach der Regelung maßgebende Datum vom Tag des In————— 579

B.IV.4.d).

580

Oben unter B.IV.1. wurde dementsprechend lediglich mittlere Kontrolldichte gefordert.

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krafttretens abweicht, weil die Regelung dann andere Unterschiede als das SichEreignen unter einem bestimmten rechtlichen Regime in Bezug nimmt, oder wenn aufgrund anderer verfassungsrechtlicher Bestimmungen Personen in die Wirkungen hätten einbezogen werden müssen,581 die durch die Stichtagsregelung ausgeschlossen werden. g) Zusammenfassung (1) Nach Polizei- und Ordnungsrecht Zwischen den Zustandsverantwortlichen und den Nichtverantwortlichen bestehen drei Unterschiede, auf die es nach den objektiv gefahrenherdbezogenen Unterscheidungsmerkmalen ankommt: die Möglichkeit zur Einwirkung auf die Sache, die Vorteilsziehungsmöglichkeit und die Repräsentation der Sache. Alle drei weisen einen sachlichen Bezug zum Regelungsziel auf. Die unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten legitimieren es, Zustandsverantwortliche und Nichtverantwortliche bei der Auferlegung der Gefahrenabwehrpflicht als Handlungspflicht ungleich zu behandeln. Die Tragweite der unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten von Zustandsverantwortlichen und Nichtverantwortlichen legitimiert die ungleiche Behandlung bei den Voraussetzungen der Handlungspflicht. Die Vorteilsziehungsmöglichkeit der Zustandsverantwortlichen legitimiert es, Zustandsverantwortliche und Nichtverantwortliche bei der Verpflichtung zu tatsächlichem Aufwand und finanziellen Aufwendungen ungleich zu behandeln. Die Tragweite der allein bei den Zustandsverantwortlichen bestehenden Möglichkeit, Vorteile aus der Sache oder aus dem Umgang mit ihr zu ziehen, könnte lediglich eine Kostenlast im Ausmaß der möglichen Vorteile legitimieren. Hinzu kommen jedoch die typisierte Repräsentantenstellung der Zustandsverantwortlichen, das Einstehen für die äußere Gefährlichkeitsbilanz einer Sache. Sie erlaubt ebenfalls, Zustandsverantwortliche und Nichtverantwortliche bei der Verpflichtung zu tatsächlichem Aufwand und finanziellen Aufwendungen ungleich zu behandeln. Davon auszugehen, dass im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts im Regelfall nach Eintritt einer Gefahr, deren Beseitigung vorteilsübersteigende Kosten erzeugt, kein Eigentümerwechsel stattfindet, hält sich im Rahmen zulässiger Typisierung. Sollte sich abzeichnen, dass in einem bestimmten Bereich Sachherrschaftswechsel und vorteilsübersteigende Kostenlast regelmäßig zusammenfallen, hat der oder haben die Gesetzgeber ggf. mit einer Sonderregelung zu reagieren, wie für die Altlastenfälle mit dem BBodSchG geschehen. Soweit bei den im Anwendungsbereich der Polizei- und Ordnungsgesetze verbleibenden Fällen, besonders Alt-Altlastenfällen, aus————— 581

Zum Problem des Gleichbehandlungsverbots unten unter B.V.

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nahmsweise Sachherrenauswechslung und vorteilsübersteigende Kostenlast zusammenfallen und eine unbeschränkte Inanspruchnahme zu persönlichen Härten führen würde, genügt es, wenn die Rechtsanwender dem bei der Ermessensausübung Rechnung tragen. Im Ergebnis ist eine unbeschränkte Kostenlast durch bestehende Unterschiede stets legitimiert, wenn die Gefahren im Zeitraum der Berechtigung entstanden sind. Wurde die Sachherrschaft nach Gefahrentstehung begründet und übersteigen die Beseitigungskosten die möglichen wirtschaftlichen Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr, ist persönlichen Härten bei der Ermessensausübung Rechnung zu tragen. (2) Nach BBodSchG Im Unterschied zum Polizei- und Ordnungsrecht kann im Bodenschutzrecht nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass der Sachherr nach der Verunreinigung nicht wechselt. Vielmehr durchzieht das Problem des kumulativen Auftretens von Eigentümer-/Sachherrschaftswechseln und vorteilsübersteigender Kostenlast das gesamte Anwendungsfeld der bodenschutzrechtlichen Sanierungsverpflichtungen. Die Wirkungen der Verantwortlichkeit lassen sich daher nicht durch den typisierten Umstand der Repräsentation der Sache zur Zeit der Verunreinigung legitimieren. Somit ist es allein der Unterschied in der Vorteilsziehungsmöglichkeit, der die ungleichen Wirkungen für die Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt einerseits, und für die Nicht-Verantwortlichen andererseits legitimiert und zugleich begrenzt. Eine Kostenlast, die mögliche Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr überschreitet, ist daher nicht gerechtfertigt. Das Fortbestehen der Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers ist durch die Möglichkeit des Einkalkulierens der Verunreinigung bei Eigentumsübertragung in dem Umfang gerechtfertigt, in dem es die Verantwortlichkeit als Eigentümer war. 5. Gleichheitsrechtliche Folgen Bevor eine gesetzliche Regelung für nichtig oder mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt wird, ist zu prüfen, ob eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht, und ob die Vorschrift in dieser Auslegung sinnvoll bleibt.582 Lässt eine Norm mehrere Auslegungen zu, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führen, so ist die Norm verfassungsgemäß und muss verfassungskonform ausgelegt wer-

————— 582

BVerfGE 67, 70-90/88.

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den.583 Grenzen der verfassungskonformen Auslegung sind grundsätzlich der Wortlaut und der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers. 584 Ausnahmsweise kommt eine einschränkende Auslegung aber auch ohne ausreichenden Ausdruck im Text der Vorschrift in Betracht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Gesetzgeber bei komplexen Sachverhalten häufig eine gewisse Zeit benötigt, um Erfahrungswerte für eine völlig sachangemessene Regelung zu finden. Bedeutung hat, ob er auf der Grundlage neuer Einsichten eine Neuregelung getroffen hat.585 Scheidet eine verfassungskonforme Auslegung aus und steht die Norm mit dem Grundgesetz nicht im Einklang, ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären. Etwas anderes gilt mit Rücksicht auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wenn ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auf verschiedene Weise behoben werden kann: Allein wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes die nach der Nichtigkeitserklärung verbleibende Regelung wählen würde (oder müsste 586), darf das Bundesverfassungsgericht eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Regelung für nichtig erklären.587 Stehen hingegen dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift zu beseitigen, ist diese lediglich für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. 588 In einer jüngeren Entscheidung spricht das Bundesverfassungsgericht insofern von einem „umgekehrte[n] Regel-Ausnahme-Verhältnis“ mit der „Regelfolge“ der Unvereinbarkeit.589 Eine Unvereinbarkeitserklärung hat grundsätzlich zur Folge, dass die verfassungswidrigen Normen im Umfang der Verfassungswidrigkeit nicht mehr angewendet werden dürfen.590 Ausnahmsweise können sie weiter anwendbar sein,591 etwa wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für ————— 583

BVerfGE 64, 229-242/242; 112, 164-185/182 f.

584

BVerfGE 99, 341-360/358; 112, 164-185/183.

585

BVerfGE 97, 186-197/196.

586

BVerfGE 112, 268-284/283 f.

587

BVerfGE 85, 191-214/211 f.; 88, 87-103/101; 104, 74-92/91; 110, 94-141/138.

BVerfGE 75, 166-183/182; 82, 126-156/154; 84, 348-365/365; 88, 5-17/17; 91, 389-405/404; 97, 35-49/44; 98, 365-403/402; 99, 165-185/184; 99, 280-300/298; 99, 341-360/358; 100, 104-137/ 136; 102, 68-99/98; 103, 225-241/240; 106, 166-181/181; 107, 27-58/57; 111, 115-146/146; 111, 160-176/175 f.; 111, 176-190/189; 111, 289-307/306; 112, 50-74/73. 588

589

BVerfGE 110, 94-141/138.

590

BVerfGE 100, 104-137/136; 111, 115-146/146.

591

BVerfGE 92, 53-74/73; 103, 242-271/269 f.; 111, 289-307/306.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

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die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.592 a) Nach Polizei- und Ordnungsrecht Der Wortlaut der Polizei- und Ordnungsgesetze bietet keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung in den Fällen, in denen die unbeschränkte Auferlegung der Kosten nicht gerechtfertigt ist. Eine solche Auslegung träte andererseits aber auch nicht in „Widerspruch zum Wortlaut“. 593 Sie könnte vielmehr im Wege der Einschränkung des Ermessens erfolgen. Zu bedenken ist, dass die Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts notwendig weit gefasst sind, weil sie eine Vielzahl nicht besonders geregelter Fälle erfassen sollen. Das Legitimationsdefizit wird dabei nur in einer speziellen Gruppe von Fällen virulent: in Fällen, in denen die Person des Berechtigten nach der Gefahrentstehung gewechselt hat, die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme das Ausmaß der möglichen Vorteile aus der Sache oder aus dem Umgang mit ihr übersteigt und die Belastung zu einer persönlichen Härte beim Verpflichteten führt. In den wenigen bislang auftauchenden Problemfällen – Altlasten und Inverkehrbringen gefährlicher Sachen – sind die Auffangvorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts wegen bestehender oder mittlerweile geschaffener Sonderregelungen allenfalls für eine Übergangszeit bis zu einer speziellen Neuregelung anzuwenden. Sie in dieser Zeit für Problemfälle einschränkend auszulegen und anzuwenden, trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Gesetzgeber bei komplexen Sachverhalten häufig eine gewisse Zeit benötigt, um Erfahrungswerte für eine völlig sachangemessene Regelung zu finden.594 Im Ergebnis bedeutet das: Grundsätzlich ist in allen nach dem Polizeiund Ordnungsrecht zu lösenden Fällen eine unbeschränkte Inanspruchnahme möglich. Sofern ausnahmsweise ein Wechsel in der Rolle des Eigentümers, Berechtigten oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt nach Gefahrentstehung stattgefunden hat und die Kosten der Gefahrbeseitigung mögliche Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr übersteigen, ist persönlichen Härten im Rahmen der Ermessensausübung Rechnung zu tragen. Hervorzuheben ist der Unterschied zwischen der hier vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung und dem, was das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss unter dem Topos verfassungskonformer Auslegung zu erreichen glaubt. Das Bundesverfassungsgericht fordert die Berücksichtigung neuer, von den Gesetzgebern nicht in Bezug genommener Umstände, die noch dazu eine ————— 592

BVerfGE 92, 53-74/73.

593

BVerfGE 99, 341-360/358.

594

BVerfGE 97, 186-197/196.

B. Gleichheitsmodell

319

vom Gesetz nicht geteilte Perspektive einnehmen, um die im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge der unbeschränkten Inanspruchnahme zu rechtfertigen. Hier wird hingegen die Rechtsfolge an sich, das heißt nach den von den Gesetzgebern für beachtlich erklärten objektiven Gegebenheiten für gerechtfertigt erachtet. Lediglich in den wenigen Fällen, in denen ein ebenfalls nach objektiven Kriterien gefasster Sachverhalt, der Übergang der Herrschaftsposition nach Gefahrentstehung und vorteilsübersteigende Kosten, zu persönlichen Härten beim Betroffenen führt, wird eine einschränkende Auslegung verlangt. b) Nach BBodSchG Während im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts ein Sachherrschaftswechsel nach Gefahreintritt bislang hauptsächlich in den Altlastenfällen und beim Inverkehrbringen gefährlicher Sachen auftrat und beide nunmehr speziell geregelt sind, ist er im Bodenschutzrecht, das der Aufgabe der Altlastensanierung „größte Bedeutung beimißt“, 595 häufig. Das Polizei- und Ordnungsrecht ist ein weitgefasstes, allgemein geltendes Auffangregime mit Übergangsproblemen bis zu einer Spezialregelung, das Bundes-Bodenschutzgesetz ist die Spezialregelung, die die Probleme lösen sollte. Aus der Perspektive des Polizei- und Ordnungsrechts sind die Altlastenfälle ein Randproblem, im BBodSchG das zentrale Problem. Das Legitimationsdefizit durchzieht hier das gesamte Anwendungsfeld. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Bundes-Bodenschutzgesetz Vorschläge zu einer Begrenzung der Kostentragungslast keine Mehrheit erreichten. Eine entsprechende einschränkende Auslegung setzte sich daher gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers, (vorerst) keine derartige Beschränkung einzuführen (und sei es lediglich, weil man sich auf keinen Begrenzungsansatz einigen konnte). Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet somit aus. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat daher eine Unvereinbarkeits- oder Nichtigerklärung zur Folge. Weil der Gesetzgeber den Gleichheitsverstoß auf unterschiedliche Weise beheben kann, indem er die Kostenlast generell begrenzt oder durch Abstellen auf diesen oder jenen zusätzlichen Umstand Abstufungen erlaubt, scheidet eine Nichtigerklärung aus. Ist die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären, muss sich das nicht auf die gesamte gesetzliche Regelung erstrecken, sondern kann im Umfang beschränkt sein.596 Die Gesetzesauslegenden und -anwender sind allerdings auch hier nicht berechtigt, an Stelle des Gesetzgebers eine eigene Unterschei————— 595

Schoeneck, BBodSchG, § 1 Rn. 15.

596

Vgl. BVerfGE 100, 104-137/136.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

320

dung einzuführen. Die nicht für alle Zustandsverantwortlichen legitimierte unbeschränkte Kostentragungslast lässt sich also nicht dadurch (zumindest teilweise) aufrecht erhalten, dass nach subjektiven Kriterien, Beiträgen oder Haltungen zur Gefahrentstehung oder dem zeitlichen Bezug der Sachherrschaft zur Gefahrentstehung zwischen den Verantwortlichen unterschieden wird, und damit auf Unterschiede abgestellt wird, die der Gesetzgeber nicht in Bezug genommen hat. Möglich ist aber, das Ausmaß der ungleichen Wirkungen so zu reduzieren, dass es in allen geregelten Fällen von den Unterschieden getragen wird. Das ist bei einer Beschränkung der Höhe der Kostenlast auf die möglichen Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr der Fall. Dem Gesetzgeber verbleibt dabei die Entscheidung darüber, ob er es bei dieser generellen Begrenzung belassen oder durch eine Neuregelung mit weiteren Differenzierungen eine weitergehende Auferlegung der Kostenlast erreichen will. Für den Immobilieneigentümer ist der Verkehrswert des Grundstücks 597 ein tauglicher Anhaltspunkt.598 Er bezeichnet, was der Eigentümer auf dem Markt für seine Position erzielen kann, was er – in der vergleichenden Perspektive – anderen voraus hat. Die zahlreichen Vorschläge und kritischen Stimmen zur Berechnung des Verkehrswerts599 oder anderer Wertgrenzen 600 weisen auf Umstände hin, nach denen der Gesetzgeber zusätzlich unterscheiden könnte und ————— 597 Zum Begriff und unterschiedlichen Möglichkeiten seiner Ermittlung Dieterich, EZBK, § 194 Rn. 5 ff. und 136 ff. § 194 BauGB legt fest, dass der Verkehrswert „durch den Preis bestimmt [wird], der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre“.

BVerfGE 102, 1-25/20. In diesem Punkt dem Altlastenbeschluss zustimmend: Duesmann, Verantwortlichkeit, S. 85; Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/172; Knoche, GewArch 2000, 448-457/451. Gegen die Verkehrswertgrenze wendet sich Bickel, NJW 2000, 2562-2563/2562, weil der Eigentümer damit in der wirtschaftlichen Konsequenz sein Grundstück „zum zweiten Mal bezahlen“ müsse. Ebenfalls ablehnend Lepsius, Besitz, S. 121 f., weil eine Korrelation stets allein rein rechtlich oder rein wirtschaftlich hergestellt werden könne und deshalb die wirtschaftlich faktische Größe des Verkehrswerts als Grenze der öffentlich-rechtlichen Pflicht ausscheide. Auch Kirchhof, Opferlage, S. 648 ff., hält die Orientierung am Verkehrswert für verfehlt – wenn überhaupt ein Wertbegriff die Opfergrenze bezeichnen solle, dann der Teil-, Nutz- oder Ertragswert. Vor dem Altlastenbeschluss wurde in zwei Gesetzentwürfen eine Verkehrswertgrenze vorgeschlagen: § 348 Abs. 5 UGB-KomE und § 25 Abs. 2 BBodSchG-Regierungsentwurf. Zum Letztgenannten im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(c). 598

599 Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/172 (faktisch bestehende Marktbedingungen und planerisch zulässige Nutzung maßgeblich, nicht die tatsächliche; Einbeziehung errichteter Gebäude als unselbständige Bestandteile des Grundstücks nach §§ 93, 94 BGB; Berücksichtigung verbleibender Kontaminationen; keine Berücksichtigung des Kaufpreises, möglicherweise aber der Kreditlasten); Kirchhof, Opferlage, S. 649 f. (Nutz-, Ertrags- oder Teilwert); Müggenborg, NVwZ 2001, 39-41/41 (Mindernde Berücksichtigung des Kaufpreises; Möglichkeit der Abschöpfung von Verkehrswertsteigerungen, etwa durch bauplanungsrechtliche Gebietsausweisungen). 600

Frenz, Verantwortlichkeit, S. 91 ff.

B. Gleichheitsmodell

321

haben insofern rechtspolitischen Wert. Verfassungsrechtlich ist diese weitere Unterscheidung jedoch nicht geboten.601 Der Gesetzgeber könnte die möglichen Vorteile durch einen anderen Wert beschreiben. Solange er das nicht tut, genügt es, dass ein Anhaltspunkt dafür gegeben wird, welche Vorteile möglicherweise aus dem Verantwortliche und Nicht-Verantwortliche unterscheidenden Umstand der Nutzungsbefugnis und -möglichkeit resultieren können. Dass das Bundesverfassungsgericht den Verkehrswert „nach Sanierung des Grundstücks“ zugrunde legen will, trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eigentümer unter Vorteilsgesichtspunkten anderen Personen voraus hat, von der Sanierung profitieren zu können. Dass der Verkehrswert in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und niedriger Grundstückspreise geringer ausfallen mag als in Zeiten der Hochkonjunktur, und dass er zudem von den planungsrechtlichen wie tatsächlichen Rahmenbedingungen abhängt,602 steht seiner Tauglichkeit als Anhaltspunkt nicht entgegen. Vielmehr sind es gerade die wirtschaftlichen, rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, die die Höhe möglicher Vorteile bestimmen. Dem entspricht es, die durch Unterschiede in der Vorteilsziehungsmöglichkeit begründete Grenze so zu bestimmen, dass sie ebenfalls von den genannten Faktoren abhängt. Für den Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist der konkrete Nutzwert tauglicher Anhaltspunkt.603 Erwägungen zur Rechtssicherheit erfordern nicht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit bis zu einer möglichen Neuregelung ohne Beschränkung anzuwenden. Die Beschränkung bewirkt nicht einen Zustand, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.604 c) Ergebnis Für das Polizei- und Ordnungsrecht einerseits, das Bundes-Bodenschutzgesetz andererseits ergeben sich unterschiedliche Folgen aus dem teilweisen Legitimationsdefizit.605 ————— 601

Dazu unten unter B.V.5.

Lepsius, Besitz, S. 272, u. JZ 2001, 22-27/25, meint, der Altlastenbeschluss führe aufgrund dieser Einflüsse „von außen“ zu „merkwürdige[n] Ergebnis[sen]“, und ist deshalb skeptisch gegenüber einer Erklärung der wirtschaftlichen Größe Verkehrswert zum rechtlichen Maßstab. 602

603 Fouquet, Sanierungsverantwortlichkeit, S. 84, nennt als Grenze „die wirtschaftlichen Vorteile [der] Nutzung“ des Grundstücks. Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/174, schlägt vor, den „konkrete[n] Nutzwert des Grundstücks nach der Sanierung“ als Anhaltspunkt zu nehmen. Der VGH München, NVwZ 2003, 363-365/365, lehnt wegen der fehlenden Befugnis zur Verwertung des Haftungsobjekts eine Anlehnung an den Verkehrswert des Grundstücks für den bloßen Pächter ab und lässt zugleich offen, ob auf den Ertragswert abzustellen ist. 604 605

Vgl. BVerfGE 92, 53-74/73.

Diese Möglichkeit deutete der derzeitige Präsident des Bundesverfassungsgerichts bereits in einem Festschriftenbeitrag zum Thema des Altlastenbeschlusses an, Papier, Zustandshaftung, S. 267. Das Zitat ist oben in Fn. 74 (Seite 33) abgedruckt.

322

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Die Polizei- und Ordnungsgesetze sind von Verfassungs wegen einschränkend dahingehend auszulegen, dass in den wenigen in ihrem Anwendungsbereich verbleibenden Fällen, in denen nach Entstehung der Gefahr ein Wechsel in der Herrschaftsposition stattgefunden hat und die Kosten der Gefahrenabwehr die Vorteile aus der gefährlichen Sache oder dem Umgang mit ihr übersteigen, eine Inanspruchnahme persönlichen Härten Rechnung tragen muss. Bodenschutzrechtliche Anordnungen gegen Zustandsverantwortliche sind bei der derzeitigen Differenzierung im BBodSchG von Verfassungs wegen generell nur bis zur Höhe der möglichen Vorteile aus dem Grundstück oder dem Umgang mit ihm erlaubt. V. Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung Die Feststellungen des Altlastenbeschlusses zur Berücksichtigung subjektiver Kriterien klingen, als dürften Personen, die sich in dieser Hinsicht unterscheiden, nicht gleich behandelt werden: „Die uneingeschränkte und unbedingte Gleichsetzung des Handelns in ‚vorwerfbarer‘ Unkenntnis des Risikos mit dem Handeln in positiver Kenntnis trägt dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines in jeder Hinsicht gerechten und verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und den Belangen des Gemeinwohls nicht in vollem Umfang Rechnung. Eine unterschiedslose Gleichsetzung beider Verhaltensweisen verbietet sich insbesondere deshalb, weil die Schutzwürdigkeit der vom Eigentümer erworbenen oder überlassenen Position in unterschiedlichem Ausmaß gemindert sein kann“. 606

Nachdem weder die Landes- noch der Bundesgesetzgeber die damit angesprochenen Unterschiede zwischen Personen durch entsprechende Regelungsvoraussetzungen in Bezug genommen und also für maßgebend erachtet haben, ist zu fragen, ob der allgemeine Gleichheitssatz jenseits von Ungleichbehandlungen als Prüfungsmaßstab taugt. Nicht behandelt, obgleich ebenfalls mit der Frage nach Gleichheitsprüfungen ohne eine Ungleichbehandlung angesprochen, wird hier das Problem, ob Art. 3 Abs. 1 GG auch dann als Maßstab dienen kann, wenn überhaupt kein Vergleich zwischen Privatpersonen angestellt wird.607 Auf ————— 606 BVerfGE 102, 1-25/22. Aufgegriffen in BVerfG, NVwZ 2001, 65-66/66 (wo die nachfolgend wiedergegebene Rechtsauffassung allerdings für die angegriffenen Entscheidungen nicht tragend war, so dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annahm): „Demgegenüber enthält der Beschluss des BVerwG im undifferenzierten Ausschluss einer Begrenzung der Kostentragungspflicht auch bei einem Erwerb des Grundstücks in ‚fahrlässiger‘ Unkenntnis des Risikos eine Begründung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhält“. 607 Hesse, AöR 109 (1984), 174-198/192 sieht im Gleichheitssatz ein „Verbot willkürlicher Rechtsanwendung schlechthin“. Krugmann, JuS 1998, 7-13/11, und Sachs, JuS 1997, 124-130/125, anerkennen ein solches Verbot als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Kritisch Stein, AK, Art. 3 Rn. 28 ff., mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

B. Gleichheitsmodell

323

seine Lösung kommt es beispielsweise an, wenn die Sachgerechtigkeit einer Regelung in Frage gestellt wird, bei der kein personen- oder sachverhaltsbezogenes Unterscheidungsmerkmal, sondern ein Umstand wie der Zufall Ungleiches bewirkt,608 wenn die Wirkungen einer Regelung ausschließlich Personen des öffentlichen Rechts treffen609 oder wenn die Anwendung einer Regelung unabhängig vom Vergleich mit der Behandlung anderer Personen für willkürlich erachtet wird.610 Die Erörterung dieses Problems kann hier ausgespart werden, weil die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu Unrecht nicht berücksichtigten Umstände solche sind, die Personen unterscheiden und anhand derer sich also ein Vergleichspaar bilden lässt. Angesprochen ist damit ein weiterer Fall einer Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung, die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, Personen ungeachtet bestehender Unterschiede gleich zu behandeln. Bislang wurde dargelegt, dass die Verfassung eine Ungleichbehandlung sich unterscheidender Personen, d. h. in bestimmter Hinsicht „Ungleicher“, nicht verbietet, wenn die nach der Regelung maßgebenden Unterschiede dazu nach Art und Tragweite legitimieren. Die Personen dürfen dann ungleich behandelt werden. Das besagt noch nichts für die weitere Frage, ob sie ungleich behandelt werden müssen. 1. Gleichbehandlungsverbot, nicht Ungleichbehandlungsgebot Beschreibt das Bundesverfassungsgericht den Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes, verbindet es zuweilen die Feststellung, der Gleichheitssatz verbiete, (wesentlich) Gleiches (willkürlich) ungleich zu behandeln, mit der weiteren, der Gleichheitssatz gebiete, „Ungleiches ungleich“ 611, „Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden“612, „wesentlich Ungleiches ungleich“613 oder „wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich“614 zu behandeln. Das klingt nach einem Ungleichbehandlungsgebot im —————

Dezidiert ablehnend: abw. M. Geiger, BVerfGE 42, 79-90/81; Huster, Rechte, S. 51; Kirchberg, NJW 1987, 1988-1997/1994 ff. 608 Zur vergleichsunabhängigen Gleichheitsprüfung in einem solchen Fall: BVerfGE 91, 118-124/ 123 f. (Bezirksrevisor). 609

Siehe Nachweise oben in Fn. 149 (Seite 202).

610

BVerfGE 42, 64-79/72 ff.; 83, 82-88/84 ff.; 86, 59-65/62 ff.; 87, 273-282/278 f.

611

BVerfGE 67, 70-90/85 f. (Erster Senat).

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats: BVerfGE 108, 52-82/67; 110, 141-177/167. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 65, 141-151/148; 69, 150-161/159 f.; 71, 255275/271; 93, 386-403/396 f. 612

613 Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: BVerfGE 110, 412-446/431; 112, 164-185/174; 112, 268-284/279. 614 BVerfGE 90, 145-199/195 f.; 93, 319-352/348; 108, 186-238/233; 110, 370-402/398 f. (sämtlich Zweiter Senat).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

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Sinne einer unbedingten Pflicht, unterschiedlich wirkende Regelungen zu treffen. So weit wollen diese Entscheidungen aber nicht gehen. Gemeint ist lediglich eine bedingte Pflicht, Unterschiedliches vorzusehen, wenn hoheitlich geregelt oder angeordnet wird. Das bezeichnet der Begriff des Gleichbehandlungsverbots treffender. Eine unzulässige Gleichbehandlung lässt dem Hoheitsträger (wenigstens grundsätzlich) die Wahl, ungleich zu behandeln oder gar nicht, mithin auch nicht gleich zu behandeln. Ungleiches muss danach nur dann ungleich behandelt werden, wenn es behandelt werden soll. Hingegen würde ein Verstoß gegen ein Ungleichbehandlungsgebot den Hoheitsträger darauf festlegen, ungleich zu behandeln. Im Sinne eines Gleichbehandlungsverbots formuliert das Bundesverfassungsgericht den Gewährleistungsgehalt, wenn es feststellt, der Gleichheitssatz verbiete, „wesentlich Ungleiches gleich“615, „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“616 oder „in entscheidenden Punkten Ungleiches ohne sachlich rechtfertigenden Grund gleich“617 zu behandeln. 2. Entbehrlich, weil vom Ungleichbehandlungsverbot erfasst? Im Schrifttum wird vertreten, für ein aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitendes „Gebot der Ungleichbehandlung“ gebe es keinen Anwendungsbereich.618 Es habe keine eigenständige Bedeutung, weil sich Probleme der Gleichbehandlung durch Bildung eines anderen Vergleichspaares ohne Verlust juristischer Problematik in Probleme der Ungleichbehandlung umformulieren ließen.619 Zum Beleg werden zwei Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannt: Im ersten Fall620 hatte das Gericht zu klären, ob der Ausschluss einer Entschädigung für Verfolgte aufgrund der Ausschlussklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) 621 im Falle der Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung allein damit begründet werden könne, dass ein Funktionär die Ziele einer politischen Partei vor ihrem ————— 615

BVerfGE 61, 138-149/147 (Erster Senat).

BVerfGE 78, 104-123/121 (Erster Senat). In BVerfGE 60, 16-52/42 spricht der Zweite Senat wohl versehentlich vom „Verbot, wesentlich Ungleiches nicht [!] sachwidrig gleich zu behandeln“. 616

617

BVerfGE 55, 261-273/269 f. (Erster Senat).

618

Rüfner, Gleichheitssatz, S. 279.

Podlech, Gehalt, S. 57 ff. Ihm folgend Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 436; Rüfner, BK, Art. 3 Abs. 1 Rn. 10; ders., Gleichheitssatz, S. 276. An der gleich guten Eignung für die Gleichheitsprüfung zweifelt hingegen Hirschberg, Grundsatz, S. 117. 619

620 BVerfGE 13, 46-54; zitiert von Podlech, Gehalt, S. 58 f.; aufgegriffen von Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 437, und Rüfner, Gleichheitssatz, S. 276 Fn. 30. 621 „Von der Entschädigung ausgeschlossen ist, … wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat“.

B. Gleichheitsmodell

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Verbot mit allgemein erlaubten Mitteln verfolgt hatte. Das Bundesverfassungsgericht verneinte das. Die gerichtlichen Entscheidungen verstießen gegen Art. 21 GG und verletzten „zugleich das Grundrecht … aus Art. 3 Abs. 1 GG …, weil Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich behandelt“ worden sei.622 Die Begründung zeigt, dass das Gericht hier ein Problem der unzulässigen Ungleichbehandlung unter der falschen Etikette eines Gleichbehandlungsproblems behandelt. Es hebt hervor, dass es wegen Art. 21 GG unzulässig ist, einen Menschen von der Entschädigungsregelung auszuschließen, der im Rahmen einer politischen Partei vor ihrem Verbot die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft hat.623 Der Ausschluss könne „nicht damit begründet werden, er habe die freiheitliche demokratische Grundordnung ‚bekämpft‘, wenn sich seine Tätigkeit darin erschöpfte, im Rahmen einer noch nicht verbotenen verfassungswidrigen Partei sich für die Verwirklichung ihrer Ziele mit allgemein erlaubten Mitteln einzusetzen“. Damit aber sagt das Gericht nichts anderes, als dass an den nach der Auslegung maßgebenden Unterschied zwischen dem von der Entschädigung Ausgeschlossenen und einem Entschädigungsempfänger, nämlich die Tätigkeit für die später verbotene oder eine nicht verbotene Partei, wegen Art. 21 GG nicht angeknüpft werden dürfe, die Vergleichspersonen im Hinblick auf diesen Unterschied nicht ungleich behandelt werden dürfen. Dass es um unzulässige Ungleichbehandlung und nicht um die Gleichbehandlung der von der Entschädigung Ausgeschlossenen geht, zeigt sich daran, dass der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht gerügte Gleichbehandlung auch dadurch beseitigen könnte, dass er die Entschädigung allein für Personen ausschlösse, die als Funktionär die Ziele einer politischen Partei vor ihrem Verbot mit allgemein erlaubten Mitteln verfolgt haben; das Gleichbehandlungsverbot liefe in diesem Fall leer, die Schlechterbehandlung (mittels Versagung einer sonst gewährten Begünstigung) aufgrund eines Umstandes, an den ungleiche Wirkungen nach Art des Ausschlusses wegen Art. 21 GG nicht anknüpfen dürfen, würde dadurch jedoch nicht beseitigt. Sie verstieße aufgrund der gleichen Erwägungen wie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen Art. 21 GG und Art. 3 Abs. 1 GG in Gestalt des Ungleichbehandlungsverbots, mit dem Unterschied, dass die Ungleichbehandlung bereits auf Gesetzes- und nicht erst auf Auslegungsebene erfolgt wäre. Dass sich dieses Beispiel als Problem der unzulässigen Ungleichbehandlung fassen lässt, liegt daran, dass das Gericht die Beschreibung des Gewährleistungsgehalts und die begründenden Erwägungen nicht aufeinander abgestimmt hat, belegt aber nicht die generelle Umformulierbarkeit von Gleichbehandlungsproblemen. 624 ————— 622

BVerfGE 13, 46-54/53.

623

BVerfGE 13, 46-54/53.

Dass Podlechs Begründung seine Annahme nicht trägt, hat bereits Martini, Art. 3 Abs. 1 GG, S. 220 f., mit überzeugenden Argumenten dargelegt. 624

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

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Im zweiten Beispiel625 prüfte das Bundesverfassungsgericht die Regelung des Ladenschlussgesetzes (LSchG), die Apotheken auf Personenbahnhöfen von den Öffnungsprivilegien für Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen ausnahm und den allgemein für Apotheken geltenden Vorschriften unterwarf.626 Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, der Gleichheitssatz werde „nicht dadurch verletzt, daß die Apotheke des Beschwerdeführers der für alle Apotheken geltenden Regelung unterworfen wird“, und problematisiert damit die Gleichbehandlung der Bahnhofs- und sonstigen Apotheken. Seine Begründung erfolgt jedoch anhand des Vergleichs der Bahnhofsapotheke mit den (sonstigen) Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen. Sie hätten die rechtliche Einordnung als Bundesbahnnebenbetrieb und die Aufgabe, der Deckung des Reisebedarfs zu dienen, gemein; die Apotheke unterscheide „sich jedoch wesentlich von diesen durch ihre spezifische Aufgabe als Apotheke, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen“. Diese Sonderstellung der Apotheken gegenüber Einzelhandelsgeschäften erlaube es dem Gesetzgeber, eine Bahnhofsapotheke anders zu behandeln als andere Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen. Das zeigt, dass die Ungleichbehandlung von Bahnhofsapotheken und Bahnhofsverkaufsstellen ebenso wie die weitere Ungleichbehandlung zwischen Apotheken und Verkaufsstellen außerhalb des Bahnhofs durch die Unterschiede zwischen Apotheken und Verkaufsstellen mit der bereits in anderen Entscheidungen „umrissen[en]“ „Sonderstellung der Apotheken gegenüber Einzelhandelsgeschäften“, begründet wird und werden kann, ohne jeweils auf den Ort, den Bahnhof abstellen zu müssen (oder auch nur zu dürfen). Mit denselben Erwägungen hätte das Gericht eine Ungleichbehandlung durch ein Gesetz rechtfertigen können, das strengere Regelungen für Apotheken und weniger strenge für Verkaufsstellen vorsieht, ohne weiter zwischen Verkaufsstellen und Bahnhofsverkaufsstellen zu unterscheiden. Für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung kommt es deshalb auf den vom Gesetzgeber für Apotheken hier wie dort nicht berücksichtigten Unterschied in der Lage innerhalb oder außerhalb eines Personenbahnhofs nicht an. Auch diese Entscheidung problematisiert unter dem Etikett eines Gleichbehandlungsproblems in seiner Begründung ein Ungleichbehandlungsproblem und ist deshalb nicht geeignet, die generelle Umformulierbarkeit von Gleichbehandlungsproblemen zu belegen. Gestützt wird die These der Umformulierbarkeit auf den ersten Blick durch eine Entscheidung zur mitgliedschaftsrechtlichen Zuordnung im Hochschulwesen.627 Das Bundesverfassungsgericht hielt sowohl die Gleichbehandlung wei————— 625

BVerfGE 13, 225-230/228 f.; angeführt von Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 437.

626

Absatz 3 des § 8 LSchG über „Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen“: „Für Apotheken bleibt es bei den Vorschriften des § 4“. 627

BVerfGE 95, 193-219.

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terbeschäftigter, aber nicht als Professoren übernommener Hochschullehrer aus der DDR mit wissenschaftlichen Mitarbeitern als auch die Ungleichbehandlung dieser Hochschullehrer gegenüber anderen Hochschullehrern für unzulässig. Während aber das Verbot der Gleichbehandlung aus der „hervorgehobenen Stellung“ der Hochschullehrer innerhalb des Wissenschaftsbetriebs an Hochschulen folgt, ergibt sich die Unzulässigkeit der Ungleichbehandlung erst aus der weiteren Erwägung, die Gruppe der Hochschullehrer sei „homogen zusammenzusetzen“. Auch andere Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deuten darauf hin, dass sich die Gleichbehandlungsprobleme nicht ohne Problemverlust in Probleme der Ungleichbehandlung umformulieren lassen. Das gilt besonders für die wenigen Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht seit 1980 einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Gleichbehandlungsverbot angenommen hat.628 Das Problem, ob Arbeitnehmer, die vorzeitig aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, ungeachtet ihrer unterschiedlich hohen Versorgungszusagen gleich hohe Zusatzrenten erhalten dürfen,629 lässt sich ohne Verlust juristischer Problematik nicht durch Vergleich mit ungleich behandelten Personen lösen. Das zeigt sich bereits daran, dass das Gericht neben der Gleichbehandlung der Ar-

————— 628 Aus den in der amtlichen Sammlung ab Band 55 veröffentlichten Entscheidungen prüfen lediglich dreizehn diese Konstellation, nur drei davon stellen eine Gleichheitswidrigkeit fest. Der Erste Senat bejahte einen Verstoß gegen das Verbot der Gleichbehandlung in drei Fällen: BVerfGE 59, 302-329/327 f. (Werbung für die Tätigkeit des Kontierens und für die Erledigung der laufenden Lohnbuchhaltung); 98, 365-403/384 ff. (Höhe der Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden); 103, 242-271/263 ff. (gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge für kinderbetreuende und -erziehende Mitglieder wie für Mitglieder ohne Kinder). Der Erste Senat verneinte einen Verstoß gegen das Verbot der Gleichbehandlung in acht Fällen: BVerfGE 55, 261-273/269 ff. (Verleihung des Hochschulgrades „Diplom-Ingenieur“ an Absolventen von Fachhochschulen); 60, 113-120/118 ff. (Gleichstellung der versicherungspflichtig beschäftigten Rentner mit anderen Beschäftigten bei der Bemessung des Sterbegelds); 77, 84-120/ 118 f. u. 120 (Verbot der Arbeitnehmer-Überlassung in Betriebe des Baugewerbes); 78, 179-200/ 195 f. (Erlaubniszwang nach Heilpraktikergesetz als verfassungsmäßige Berufszulassungsschranke für nichtärztliche Psychotherapeuten); 81, 108-122/117 ff. (ersatzlose Streichung der Vorschrift über ermäßigte Steuersätze für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Nebentätigkeit); 87, 363-394/389 (Nachtback-, Ausfahr- und Sonntagsbackverbot für Bäckereien und Konditoreien); 90, 226-240/239 f. (Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei Berechnung des Nettoentgelts eines einer Kirchensteuer erhebenden Kirche nicht angehörenden Arbeitslosen); 110, 141-177/168 f. (Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde). Der Zweite Senat prüfte und verneinte einen Verstoß gegen das Verbot der Gleichbehandlung lediglich zwei Mal, nämlich in: BVerfGE 103, 310-332/331 f. (MfS-/AfNS-Tätigkeit und Besoldungsdienstalter), und 106, 225-244/240 f. (Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen). 629 Gegenstand von BVerfGE 98, 365-403 (Beschl. des Ersten Senats v. 15.7.1998; Höhe der Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden).

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

328

beitnehmer des öffentlichen Dienstes630 die Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Art des Tätigkeitsverhältnisses, öffentlicher Dienst oder Privatwirtschaft, prüft631 und aus anderen Erwägungen für nicht gerechtfertigt hält. Bei der Gleichbehandlungsproblematik geht es darum, was den nicht berücksichtigten Unterschied, die unterschiedlich hohe Versorgungszusage ausmacht. Bei der Ungleichbehandlung war zu prüfen, ob, inwiefern und inwieweit der nach den gesetzlichen Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung maßgebende Unterschied – Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft – die unterschiedlich hohen Ansprüche (als Zusatzrente oder unverfallbare Anwartschaft) legitimiert. Auf das, was die Versorgungszusage ausmacht, wurde und war hier nicht einzugehen. Auch die Problematik, ob Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung ungeachtet des Unterschieds, ob Kinder betreut und erzogen werden oder nicht, mit gleich hohen Beiträgen belastet werden dürfen,632 lässt sich nicht durch Umformulierung in eine Ungleichbehandlungsproblematik lösen.633 Die Ungleichbehandlungen, die innerhalb des Systems der sozialen Pflegeversicherung auftreten, stützen sich zwar auf den gleichen Unterschied.634 Ob der Unterschied die bereits vorhandenen Ungleichbehandlungen auf der Leistungsseite und hinsichtlich der Beitragsfreiheit mitversicherter Kinder erlaubt und ob er einer Gleichbehandlung bei der Beitragshöhe für den Versicherten selbst entgegensteht, wirft aber nicht die gleichen Probleme auf. Eine unzulässige Gleichbehandlung sah das Bundesverfassungsgericht darin, dass Buchführungshelfern ebenso wie anderen Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, das unaufgeforderte Anbieten untersagt ist. Ob die vom Gericht benannten Unterschiede zwischen diesen Personen635 die Gleich-

————— 630

BVerfGE 98, 365-403/384 ff.

631

BVerfGE 98, 365-403/388 ff.

Gegenstand von BVerfGE 103, 242-271 (Urt. des Ersten Senats v. 3.4.2001; gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge für kinderbetreuende und -erziehende Mitglieder wie für Mitglieder ohne Kinder). 632

633 Wer eine Ungleichbehandlung darin sieht, dass kinderlose Versicherte nur einen Beitrag in Geld leisten, während kinderbetreuende und -erziehende doppelt belastet werden, indem von ihnen ein Beitrag zum System der Pflegeversicherung in Natur (die Erziehungsleistung) und in Geld (der Beitrag) verlangt wird, formuliert nicht durch Bildung eines anderen Vergleichspaares in eine Ungleichbehandlungsproblematik um, sondern bestreitet das Vorliegen einer Gleichbehandlung. Das Bundesverfassungsgericht geht einerseits von einer Gleichbehandlung aus, spricht aber andererseits von einer Begünstigung der Kinderlosen und Benachteiligung der Kinderbetreuenden und -erziehenden. 634 Vgl. den Überblick über die Vorteile von Familien mit Kindern in der sozialen Pflegeversicherung im Rahmen der Stellungnahme einzelner Bundesministerien, zusammengefasst in BVerfGE 103, 242-271/248 f.

B. Gleichheitsmodell

329

behandlung verbieten oder ob die Unterschiede zwischen Buchführungshelfern und anderen Personen, die werben dürfen, ihre Ungleichbehandlung erlauben, ergibt sich aus unterschiedlichen Erwägungen. Im Vordergrund stehen im ersten Fall die Möglichkeiten der Vergleichspersonen, auch rechtsberatend zu wirken und Kunden durch persönliche Beratung zu gewinnen, die den Buchführungshelfern fehlen; im anderen Fall ist dagegen zu untersuchen, ob das, was die Tätigkeit des Buchführungshelfers ausmacht (und was er mit den Gleichbehandelten gemein hat), also die Arbeiten im Bereich der Finanzbuchführung und der Lohnbuchhaltung, die von Personen, die werben dürfen, nicht vorgenommen werden, ungleiche Möglichkeiten des Werbens rechtfertigen. Das mögen zwei Seiten der gleichen Medaille sein – austauschbare Erwägungen sind es nicht. Anhand der (stets) aktuellen Diskussion über eine Streichung von Sondertatbeständen im Steuerrecht lässt sich ein weiteres Beispiel bilden: Streicht der Gesetzgeber eine Steuervergünstigung und behandelt mithin künftig die bislang Begünstigten und die zuvor bereits (voll) steuerbelasteten Personen gleich,636 liegt entweder keine Ungleichbehandlung vor, in die das Problem umformuliert werden könnte, oder verschiebt der Vergleich der nicht mehr Begünstigten mit fürderhin aufgrund anderer Gegebenheiten Begünstigten die in den Blick kommenden Probleme.637 Dass Gleichbehandlungsfragen nicht ohne Verlust in Fragen unzulässiger Ungleichbehandlung umzuformulieren sind, lässt sich strukturell begründen. Ob Person P1 und Person P2 ungeachtet des zwischen ihnen bestehenden Unterschieds U1 gleich behandelt werden dürfen, muss danach beantwortet werden, was U1 ausmacht und ob U1 von Rechts wegen in dem geregelten Sachbereich zu berücksichtigen ist. Die Antwort hängt nicht davon ab, ob eine Person P3 existiert, die anders als P1 behandelt wird. Selbst wenn eine Person P 3 gegenüber P1 ungleich behandelt wird, hängt die Zulässigkeit dieser Ungleichbehandlung davon ab, ob sie durch den zwischen P1 und P3 bestehenden Unterschied U2 legitimiert ist, der notwendig von U1 verschieden ist. Eine im Hinblick auf U1 festgestellte Unzulässigkeit der Gleichbehandlung von P1 und P2 hat nicht not————— 635 Vgl. BVerfGE 59, 302-329/328: „… darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich die Tätigkeit der Buchführungshelfer grundlegend von der der übrigen steuerberatenden Personengruppen und Vereinigungen … unterscheidet. Während die Buchführungshelfer auf die Routinearbeiten im Bereich der Finanzbuchführung und der Lohnbuchhaltung beschränkt und von der Rechtsberatung ausgeschlossen sind, können die nach § 4 StBerG partiell zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen im Rahmen der dort gezogenen Grenzen jede Hilfe leisten, also insoweit auch rechtsberatend tätig werden. … [Die Buchführungshelfer] können für die von ihnen angebotenen gewerblichen Routinearbeiten Kunden nicht – wie die freien Berufe – durch persönliche Beratung, sondern nur durch Anzeigen gewinnen“. 636 637

Vgl. den Sachverhalt in BVerfGE 105, 17-48/46 ff.

Freilich wird, sofern keine Verfassungsnorm vorliegt, die eine Begünstigung bei der steuerlichen Behandlung gebietet, kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz festzustellen sein, vgl. BVerfGE 105, 17-48/46 ff.

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

330

wendig zur Folge, dass P1 wie P3 behandelt werden müsste – legitimiert U2 zur Ungleichbehandlung von P1 und P 3, kann der Gesetzgeber sich auch dafür entscheiden, für P1 eine Sonderregelung zu treffen. Eine durch U2 legitimierte Ungleichbehandlung von P1 und P3 besagt umgekehrt nichts darüber, ob P1 und P2 ungeachtet U1 gleich behandelt werden dürfen. 3. Ausfluss allgemeiner Gerechtigkeitsmaßstäbe? Dass für die Gleichbehandlungsproblematik ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt, lässt offen, woraus folgt, dass bestimmte Gegebenheiten von Rechts wegen in einem Sachbereich berücksichtigt werden müssen. Einige Stimmen im Schrifttum wollen ein Gleichbehandlungsverbot (oder weitergehend ein Gebot der Ungleichbehandlung) mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen begründen.638 Das spiegelt ein normatives Gleichheitsverständnis, das generell bei Gleich- wie Ungleichbehandlung die Erstentscheidung darüber, wonach im Recht unterschieden wird, nicht beim Gesetzgeber belassen will, sondern meint, verfassungsrechtliche Gerechtigkeitsmaßstäbe rational begründen zu können.639 Auch das Bundesverfassungsgericht spricht beim allgemeinen Gleichheitssatz zuweilen von den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft“640 und „grundlegenden Gerechtigkeitspostulaten“641 und fordert – besonders für die Gleichbehandlungsproblematik 642 – eine „am Gerechtigkeitsgedanken orientierte[] Betrachtungsweise“. 643 Bedarf es für die Lösung der konkreten Gleichheitsprobleme des Rückgriffs auf allgemeine Gerechtigkeitsgedanken? Für die Ungleichbehandlung wurde bereits dargelegt, dass ihre Zulässigkeit nicht davon abhängt, wonach „eigentlich“ zu differenzieren wäre, sondern nur davon, ob sich die konkret getroffene Differenzierung rechtfertigen lässt, und zwar nicht mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen, sondern mit den vom Hoheitsträger in Bezug genommenen Unterschieden. Die wenigen Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Gleichbehandlung für unzulässig hielt, lassen sich ebenfalls nicht dafür anführen, dass allgemeine Gerechtigkeitserwägungen angestellt werden müssten. An ihnen fällt ————— 638

Stern, Gebot, S. 212 f.

So zuletzt Möckel, DVBl. 2003, 488-496/489 (m.w.N. in Fn. 13) u. 491: „Normative Gleichheit bestimmt, welche Differenzierungsmerkmale für eine Regelung grundsätzlich geboten sind“. 639

640

BVerfGE 69, 161-174/169 (Zweiter Senat).

641

BVerfGE 94, 12-49/34 (Erster Senat).

BVerfGE 55, 114-132/128; 55, 261-273/269 f.; 60, 113-120/119; 67, 70-90/85 f.; 86, 81-89/ 87; 98, 365-403/385; 103, 242-271/258 (sämtlich Erster Senat). 642

643

Aus der Rechtsprechung des Ersten Senats neben den vorstehend in Fn. 642 angeführten: BVerfGE 55, 72-95/90; 57, 107-117/115; 58, 81-129/126; 60, 123-135/134; 67, 329-348/345 f.; 74, 182-202/200; 81, 156-207/206 f.; 102, 254-346/299. Aus der Rechtsprechung des Zweiten Senats: 58, 68-81/79; 65, 325-359/354; 71, 39-64/58 u. 62; 71, 255-275/271; 76, 256-362/329; 83, 89-111/ 107 f.; 93, 386-403/397; 103, 310-332/318 u. 319; 110, 141-177/167.

B. Gleichheitsmodell

331

auf, dass sich die Unzulässigkeit der Gleichbehandlung viel konkreter aus einzelnen Verfassungsnormen ergibt: Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbietet, auf die hervorgehobene Stellung der Hochschullehrer innerhalb des Wissenschaftsbetriebs bei den Mitwirkungsrechten und Einflussmöglichkeiten keine Rücksicht zu nehmen;644 Art. 6 Abs. 1 GG verbietet, die Kinderbetreuung und -erziehung bei den Pflegeversicherungsbeträgen nicht zu berücksichtigen;645 Art. 12 Abs. 1 GG verbietet, den Arbeitnehmer durch Verfall der Versorgungsanwartschaften im Falle des vorzeitigen Ausscheidens faktisch an den Arbeitgeber zu binden;646 und Art. 12 Abs. 1 GG verbietet, Werbung auch dort zu untersagen, wo der Zweck des Verbots es nicht erfordert.647 Mögen diese Verfassungsnormen für sich genommen im konkreten Fall keinen Anspruch auf eine andere Behandlung begründen und sich dieser erst aus der Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, sind es doch die Verfassungsnormen der Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG, mit denen die Unzulässigkeit der Nichtberücksichtigung bestimmter Gegebenheiten begründet wird,648 nicht eine Wertung des allgemeinen Gleichheitssatzes oder allgemeine Gerechtigkeitsmaßstäbe. Fehlt hingegen eine Verfassungsnorm, die verbietet, bestimmte Gegebenheiten in einem Sachbereich nicht zu berücksichtigen, lässt sich kein Verstoß gegen den allgemeinen ————— 644

BVerfGE 95, 193-219/209 f.

645

Aufgrund des Gebots, „die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatzentscheidung für den Schutz der Familie mit zu beachten“, nimmt das Bundesverfassungsgericht ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG an, wenn der Gesetzgeber Unterhaltsverpflichtungen für Kinder bei der Besteuerung unberücksichtigt lässt, BVerfGE 82, 60-105/86 f.; 89, 346-359/352 f. 646

BVerfGE 98, 365-403/397 f.

BVerfGE 59, 302-329/317 ff. u. 323 ff. Das Bundesverfassungsgericht fügt im Fall des Werbeverbots die Ergebnisse zweier Freiheitsprüfungen als unzulässige Gleichbehandlung zusammen, ohne dass es darauf in der Entscheidung ankäme. Für den zu entscheidenden Fall hätte es genügt, festzustellen, dass die Geltung des generellen Werbeverbots auch für Buchführungshelfer unverhältnismäßig ihre Berufsausübungsfreiheit einschränkt. Das Gericht hebt darüber hinaus jedoch hervor, dass das Werbeverbot für andere Personen, die Hilfe in Steuersachen leisten, verhältnismäßig ist, und führt beide Aussagen darin zusammen, dass die Vergleichspersonen nicht gleich behandelt werden dürfen. Darauf, dass in vielen Fällen, in denen Gleichbehandlungsprobleme diskutiert werden, „Eingriffe und Regelungen, die gegen allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze oder spezielle Vorschriften der Grundrechte verstießen“, vorlagen, hat bereits Rüfner, Gleichheitssatz, S. 276, hingewiesen. 647

648 Zu weit allerdings Kirchhof, Verschiedenheit, S. 20 f.: „Der Gleichheitssatz wird demnach im Verfassungsrecht in eine Vielzahl von Unterscheidungsgeboten insbesondere der Freiheitsrechte eingebettet; Gleichheit fordert hier die Anerkennung der freiheitlich bewirkten Unterschiede“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Und weiter S. 22: „Grundsätzlich hat der Staat diese Unterschiede rechtlich anzuerkennen, weil das Individualgrundrecht zur freiheitlichen Differenzierung im Schutzbereich grundrechtlicher Gewährleistungen alle Staatsgewalt bindet“. Auch Kirchhof relativiert das allerdings durch einen mehr oder weniger weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Dass der Staat freiheitsrechtlich geschützte Positionen und Verhaltensweisen achten muss und möglicherweise sogar bevorzugen darf, bedeutet nicht notwendig, dass er sie auch bevorzugen muss; vgl. zum Verhältnis von Schutz und Privilegierung das Urteil des Ersten Senats zum Lebenspartnerschaftsgesetz, BVerfGE 105, 313-357/348 f.

332

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

Gleichheitssatz in Gestalt des Gleichbehandlungsverbots feststellen und darf der Gesetzgeber die sich in diesen Umständen unterscheidenden Personen gleich behandeln.649 Die im Verlauf der Beratungen gestrichene Klarstellung zum Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes, wie sie durch den Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rates vorgeschlagen wurde, wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt: „Das Gesetz muß Gleiches gleich, es kann Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln“.650 4. Zusammenfassung Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt.651 Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht, Ungleiches gleich zu behandeln, soweit sich nicht aus anderen Verfassungsnormen etwas anderes ergibt. Wenn eine andere Verfassungsnorm gebietet, in einem Sachbereich nach bestimmten Umständen zu unterscheiden, kann das als Gleichbehandlungsproblematik unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz in Verbindung mit dieser Verfassungsnorm geltend gemacht werden. Es ist dann aber wohlgemerkt nicht der allgemeine Gleichheitssatz, der aus sich heraus verbietet, bei Bestehen bestimmter Unterschiede gleich zu behandeln, sondern die in der anderen Verfassungsnorm zum Ausdruck kommende Entscheidung. 5. Folgerungen für die Zustandsverantwortlichkeit Die Gesetzgeber könnten für die Zustandsverantwortlichkeit das Handeln in „vorwerfbarer“ Unkenntnis des Risikos und das Handeln in positiver Kenntnis ungleich behandeln und damit die Schutzwürdigkeit der Eigentümer nach subjektiven Merkmalen abstufen. Sie könnten Belastungsgrenzen einfügen und dabei danach differenzieren, ob die Gefahr oder Verunreinigung während der Herrschaft des aktuellen Sachherrn oder bereits vor dieser Zeit verursacht wor————— 649 Vgl. BVerfGE 90, 226-240/240 (Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Berechnung des Nettoentgelts eines einer Kirchensteuer erhebenden Kirche nicht angehörenden Arbeitslosen): „Ein Versicherter, der keiner steuererhebenden Kirche angehört, hat zwar in der Zeit vor seiner Arbeitslosigkeit über höhere Geldmittel verfügt als ein vergleichbarer kirchensteuerzahlender Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber ist aber nicht gezwungen, das die Arbeitslosenversicherung beherrschende Prinzip der Beitragsäquivalenz zu durchbrechen, um diesem Umstand Rechnung zu tragen. Das Lebensstandardprinzip ist kein Verfassungsgebot“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 650 Vorschlag des Redaktionsausschusses v. 16.11.1948 (Drs. 282, Entwürfe S. 17), übernommen vom Ausschuss für Grundsatzfragen in 2. Lesung am 30.11./1.12.1948 (Parl. Rat, Bd. 5, S. 747, 785) und vom Hauptausschuss in 1. Lesung am 3.12.1948 (Sten. Prot. S. 209), gestrichen auf Vorschlag des Fünferausschusses vom 5.2.1949 (Drs. 591) in 3. Lesung des Hauptausschusses am 8.2.1949 (Sten. Prot. S. 613); zitiert nach Heun, DK, Art. 3 Rn. 7 Fn. 48, und Leibholz, Gleichheit, S. 244 Fn. 4. 651 BVerfGE 4, 31-45/42 (Zweiter Senat); BVerfGE 86, 81-89/87; 90, 226-240/239 (beide Erster Senat).

C. Ergebnis

333

den ist. Ob sie – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit differenzieren dürften oder das mangels Sachbezug zum Regelungsziel der Beseitigung von Verunreinigungen ausgeschlossen ist, sei hier dahingestellt. Entscheidend ist, dass die Gesetzgeber derartige Differenzierungen nicht von Verfassungs wegen treffen müssen. Insbesondere gilt: Weder verbietet der allgemeine Gleichheitssatz, den Grad der Vorwerfbarkeit der subjektiven Haltung zum Risiko unberücksichtigt zu lassen, noch gebietet eine andere Verfassungsnorm, diesen Umstand zu berücksichtigen. Das wurde bereits im Zusammenhang der Grenzen aus der Eigentumsgewährleistung dargelegt.652

C. Ergebnis Legt der Gesetzgeber Pflichten auf und trifft er durch die Wahl der Voraussetzungen der Pflicht eine über die Wahl des zu regelnden Verhaltens hinausgehende Zuordnungsentscheidung, verbleiben nach einer Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte Restprobleme. Der allgemeine Gleichheitssatz ist der richtige dogmatische Ansatz, um Grenzen aus den tatsächlichen Gegebenheiten zu begründen, die durch die Voraussetzungen einer Regelung in Bezug genommen sind. Das hier entwickelte Gleichheitsmodell versucht, die Gleichheitsprüfung an den Entscheidungen des Gesetzgebers auszurichten. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen der Prüfung vorliegen, kann ohne Wertungen nach Wesentlichkeitsgesichtspunkten und ohne Vorgriff auf Rechtfertigungserwägungen festgestellt werden. Die Vergleichspaare werden unmittelbar anhand der Voraussetzungen der Regelung gebildet. Unterscheidungsmerkmal ist grundsätzlich eine Voraussetzung, in deren Vor- oder Nichtvorliegen sich die Personen unterscheiden. Aneinander anknüpfende und alternative Voraussetzungen sowie abgestufte Ungleichbehandlungen sind besonders zu berücksichtigen. Die ungleichen Wirkungen, die durch das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen ausgelöst werden, müssen durch Unterschiede zwischen den jeweils Betroffenen legitimiert sein. Maßgebende Unterschiede sind die durch die Voraussetzungen in Bezug genommenen Umstände, die Personen, die sämtliche Voraussetzungen erfüllen, von solchen Personen unterscheiden, bei denen (mindestens) eine Voraussetzung nicht vorliegt. Die Unterschiede müssen zumindest typischerweise festgestellt werden können. Die Art der Voraussetzungen und die Intensität der Wirkungen beeinflussen die Kontrolldichte. Die Unterschiede müssen einen sachlichen Bezug zu dem Regelungsbereich und den Regelungszielen aufweisen. Das Anknüpfen an die Unterschiede muss legitim ————— 652

Im Ersten Teil unter B.IV.2.b)(1)(a).

334

2. Teil: Grenzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz

sein. Art und Tragweite der Unterschiede müssen die ungleichen Wirkungen nach Art und Ausmaß rechtfertigen können. Gelingt das nicht (wenigstens im typischen Anwendungsfall) und scheitert eine einschränkende oder sonst verfassungskonforme Auslegung, ist die Regelung (zumeist) insoweit für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz zu erklären. Das hat regelmäßig zur Folge, dass sie in diesem Umfang nicht anzuwenden ist. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Gleichheitssatzes nicht gehalten, bestimmte Unterschiede zu berücksichtigen. Gleichbehandlung ist ihm nur dann verboten, wenn sich aus einer anderen Verfassungsnorm ergibt, dass bestimmte Umstände zu berücksichtigen sind, sofern geregelt wird. Für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung der Zustandsverantwortlichkeit in der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung und ihre Grenzen ergibt sich daraus Folgendes: Die Unterschiede zwischen Sachherren und nicht Verantwortlichen in der Einwirkungsmöglichkeit oder -befugnis, der Nutzungsmöglichkeit oder -befugnis und der tatsächlichen oder rechtlichen Repräsentation stehen sämtlich im sachlichen Zusammenhang mit den Zielen der Gefahrenabwehr und der Beseitigung von Bodenverunreinigungen. Gleiches gilt für die Unterschiede zwischen verschiedenen früheren Eigentümern im Handeln unter verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den Möglichkeiten des Einkalkulierens bestehender Verunreinigungen bei der Eigentumsübertragung oder sogar bereits beim Erwerb. Das Anknüpfen an diese Unterschiede ist legitim. Die durch sie ausgelösten ungleichen Wirkungen sind ihrer Art nach vollständig gerechtfertigt, in ihrem Ausmaß aber nur zum Teil. Die Unterschiede in der Einwirkungsmöglichkeit oder -befugnis legitimieren die erleichterten Voraussetzungen einer polizei- und ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme gegenüber erschwerter Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher sowie die bodenschutzrechtliche materielle Handlungspflicht aktueller Sachherren gegenüber fehlender Pflichtenstellung. Die Pflichtenstellung früherer Eigentümer lässt sich dagegen nur über den Umweg des Einflusses auf die Kostenentstehung und nur insoweit rechtfertigen, als die Kostenauferlegung selbst gerechtfertigt ist. Die Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit oder -befugnis legitimieren die Belastung der aktuellen Sachherren mit Kosten der Gefahrenabwehr bzw. Bodensanierung nur insoweit, als die Möglichkeit reicht, aufgrund der Herrschaftsstellung Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr zu ziehen. Gesichtspunkte der Repräsentation der Sache und des Einstehens für ihre äußere Gefährlichkeitsbilanz verlangen grundsätzlich, dass die aktuelle Herrschaftsposition zur Zeit der Gefahrentstehung bestand. Davon konnten die Gesetzgeber im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht typisierend ausgehen. Im BBodSchG ist eine solche Typisierung nicht zulässig.

C. Ergebnis

335

Für die im BBodSchG verantwortlich gemachten früheren Eigentümer rechtfertigen Unterschiede gegenüber anderen früheren Eigentümern in der Möglichkeit des Einkalkulierens einer bestehenden Verunreinigung, sie mit Kosten zu belasten und insoweit auch handlungspflichtig zu machen, soweit die Kostenlast vor Eigentumsübertragung gerechtfertigt war. Der Umstand, dass im Polizei- und Ordnungsrecht das Legitimationsdefizit nur in einer speziellen Gruppe von Fällen auftritt, für die die Gesetzgeber inzwischen Spezialregelungen getroffen haben, und somit lediglich Altfälle im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts verbleiben, ermöglicht eine Lösung im Wege einschränkender Auslegung. Danach ist in Fällen, in denen die Herrschaft über die Sache erst im gefährlichen Zustand erlangt wurde und die Kosten die möglichen Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr übersteigen, bei der Ermessensausübung persönlichen Härten Rechnung zu tragen. Dieser Weg ist im BBodSchG durch das Scheitern entsprechender Begrenzungsversuche im Gesetzgebungsverfahren und das Bemühen versperrt, eine Spezialregelung gerade für eine Gruppe von Problemfällen zu treffen. Soweit hier ein Legitimationsdefizit besteht, sind die Regelungen für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz zu erklären. Um nicht in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen, kann dabei nicht nach Umständen differenziert werden, die das Gesetz nicht in Bezug nimmt. Bodenschutzrechtliche Anordnungen gegen Zustandsverantwortliche sind daher bei der derzeitigen Differenzierung im BBodSchG von Verfassungs wegen generell nur bis zur Höhe der Vorteile aus dem Grundstück oder dem Umgang mit ihm erlaubt. Anders als bei einer freiheitsrechtlichen Begründung verbieten die Grenzen aus dem Gleichheitssatz eine weitergehende Belastung mit Kosten nur, wenn der Gesetzgeber an der derzeitigen Differenzierung festhält. Knüpft er die Handlungspflicht und Kostenlast an andere Voraussetzungen und fügt er somit neue Unterscheidungen ein, kann eine weitergehende Belastung gerechtfertigt sein. Die Begründung der Grenzen aus dem Gleichheitssatz wahrt daher den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Dritter Teil

Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz Wenn das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss die Anforderungen an den Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken der als Eigentum grundrechtlich geschützten Rechtspositionen damit beschreibt, er habe sich „im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten“ und sei insbesondere „an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden“, 1 suggeriert es, eine gleichheitswidrige Bestimmung verstoße wegen der Gleichheitswidrigkeit ebenso gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wie eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung wegen der Unverhältnismäßigkeit. Der Gleichheitssatz ist in diesem Verständnis eine unselbständige Schranke für Eigentumsbestimmungen. Grenzen aus dem Gleichheitssatz begrenzen danach stets auch das nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Zulässige. Die in den ersten beiden Teilen dieser Arbeit erfolgte Zuordnung einzelner Erwägungen zur Ermittlung der Grenzen zur freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeits- oder zur Gleichheitsprüfung könnte danach zwar die verfassungsrechtliche Argumentation dogmatisch besser erfassen und erklären, würde sich aber im Ergebnis nicht auswirken, weil unverhältnismäßige und gleichheitswidrige Regelungen gleichermaßen gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verstießen. Ob ein Gleichheitsverstoß dieserart wirkt, oder ob er auf die Vereinbarkeit einer Regelung mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ohne Einfluss bleibt, hängt vom rechtlichen Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und allgemeinem Gleichheitssatz ab.

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I.

Gleichheitserwägungen im Rahmen der Eigentumsprüfung

Art. 3 Abs. 1 GG bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu nennen hat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frühe Vorbilder. 2 Bereits in der ersten Entschei————— 1

BVerfGE 102, 1-25/17; dazu im Ersten Teil unter B.I.1 u. II.

Vgl. die Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Rohloff, Zusammenwirken, S. 145-167, und ihre kritische Würdigung unten in Fn. 30. 2

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

337

dung, die Grenzen für Eigentumsbestimmungen jenseits des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes3 formulierte, untersuchte das Bundesverfassungsgericht eingebettet in die Prüfung am Maßstab der Eigentumsgewährleistung, 4 ob die angegriffene gesetzliche Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war.5 Zwar scheine der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers keine Schranken zu setzen, es sei aber „selbstverständlich“, dass jede gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung „sowohl die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums im herkömmlichen Sinne“ zu beachten habe „als auch mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang stehen muss, also insbesondere dem Gleichheitssatz, dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und den Prinzipien der Rechts- und Sozialstaatlichkeit“.6 In der darauffolgenden Entscheidung zu einer Eigentumsbestimmung griff das Bundesverfassungsgericht diesen Gedanken zwar ausdrücklich auf, prüfte aber (gelenkt durch das allein auf den allgemeinen Gleichheitssatz gestützte Begehren7) zuerst die Vereinbarkeit der angegriffenen Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG 8 und verwies darauf bei der anschließenden Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. 9 In der vielzitierten Entscheidung zum Ausschluss einer Entschädigung für die Tötung tollwutverdächtiger Hunde verwies das Gericht auf beide vorgenannten Entscheidungen und beließ es bei dem Hinweis, der Gesetzgeber habe „die grundlegenden Wertentscheidungen und Rechtsprinzipien der Verfassung zu beachten“.10 In einer weiteren grundlegenden Entscheidung zu den Grenzen der Befugnis des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG betonte das Gericht erneut die Verpflichtung, die übrigen Verfassungsnormen zu beachten, 11 setzte seine Gleichheitserwägungen allerdings durch ausdrücklichen Hinweis auf „Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit Art. 3 GG“12 von den übrigen Begründungserwägungen ab. Obgleich in die Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eingebettet, weist es auch in einigen späteren Entscheidungen Erwägungen zur Vereinbarkeit des ————— 3 Als Zumutbarkeitserwägungen bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen in BVerfGE 10, 55-59/ 59 (Tierzuchtgesetz), und 11, 221-231/231 (Anwartschaft auf Sterbegeld). 4

BVerfGE 14, 263-288/276-286 (Feldmühle-Urteil vom 7.8.1962).

5

BVerfGE 14, 263-288/284-286.

6

BVerfGE 14, 263-288/278.

Vgl. BVerfGE 18, 121-133/123 u. 131 (Beschluss vom 1.7.1964 zum Fiskusprivileg des Mieterschutzrechts). 7

8

BVerfGE 18, 121-133/124-131.

9

BVerfGE 18, 121-133/131 f.

10

BVerfGE 20, 351-363/355 f. Dazu bereits im Ersten Teil unter A.II. und D.I.2.b)(1).

11

BVerfGE 21, 73-87/82 (Beschluss vom 12.1.1967 zum Grundstücksverkehrsgesetz).

BVerfGE 21, 73-87/83; ebenso in BVerfGE 31, 248-255/253 (Beschluss vom 7.7.1971 zum Bibliotheksgroschen). 12

338

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

angegriffenen Hoheitsakts mit Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich als Gleichheitserwägungen aus.13 Andere Entscheidungen benennen den Gleichheitssatz nicht ausdrücklich als Schranke für Eigentumsbestimmungen, binden seine Anforderungen aber in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, indem sie fordern, Inhalt und Schranken des Eigentums dürften nicht in einer Weise bestimmt werden, die „sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift“.14 In seinem Beschluss aus dem Jahr 1972 zum baurechtlichen Erschließungsbeitrag begründete das Bundesverfassungsgericht die Einbettung der Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG, 15 den allein die vorlegenden Gerichte durch die baurechtliche Regelung verletzt sahen,16 in die Prüfung am Maßstab der Eigentumsgewährleistung mit dem Rechtsstaatsprinzip.17 Zahlreiche spätere Entscheidungen zitierten zur Begründung ihres Vorgehens den Erschließungsbeitragsbeschluss,18 mitunter auf die Kurzformel des „im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu wahrende[n] allgemeine[n] Gleichheitssatz[es] …“ gebracht.19 II. Eigentumsgewährleistung im Rahmen der Gleichheitsprüfung Ausnahmen bilden solche Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als Teil der Gleichheitsprüfung untersucht. In einem Beschluss von ————— 13 BVerfGE 71, 1-17/10-17 (aus der Gliederung ersichtlich; ferner daraus, dass die gleichheitsrechtlichen Erwägungen als Teil der am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entwickelten Abwägungselemente ausgewiesen werden); 74, 203-218/215-217 (in der Entscheidungsformel Feststellung allein einer teilweisen Unvereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; ausdrückliche Hervorhebung in der Begründung, dem genannten Personenkreis gegenüber verstoße die zur Prüfung gestellte Regelung „auch gegen den Gleichheitssatz, zu dessen Einhaltung der Gesetzgeber bei der Inhaltsund Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist“ [S. 216 f.]); 79, 29-47/ 40-42 (aus dem Anstellen der Gleichheitserwägungen im Rahmen der Anwendung der aus Art. 14 GG entwickelten Grundsätze ersichtlich); 110, 1-33/32. 14 BVerfGE 21, 150-160/155. Ähnlich BVerfGE 25, 112-124/117 f. (Beschluss vom 15.1.1969 zum Verbot der Bebauung von Deichgrundstücken in Niedersachsen). 15 BVerfGE 34, 139-154/151-153 (Beschluss vom 8.11.1972 zum baurechtlichen Erschließungsbeitrag). 16

Vgl. BVerfGE 34, 139-154/141.

BVerfGE 34, 139-154/146: „Insbesondere muß jede Regelung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem das Grundgesetz beherrschenden Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entsprechen. Das bedeutet hier: Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, der in Art. 3 Abs. 1 GG als Grundrecht des Einzelnen garantiert ist, muß als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten beachtet werden“. 17

18 BVerfGE 36, 281-298/296 f.; 37, 132-149/140 u. 143; 42, 263-312/305; 49, 382-405/395; 49, 228-243/233 (abw. M. M. Böhmer); 52, 1-42/30; 70, 191-214/200. Abgelöst durch Zitierung allein der ersten Entscheidung zur Kleingartenpacht (BVerfGE 52, 1-42/30), etwa in BVerfGE 58, 137152/148; 79, 174-202/198. 19

BVerfGE 37, 132-149/143.

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

339

1976 zum Verfahren der Teilungsversteigerung entnahm es der Eigentumsgewährleistung und anderen „in den Grundrechten konkretisierten Wertentscheidungen“ den „Maßstab dafür, was im konkreten Fall als willkürlich zu qualifizieren“ sei,20 und wurde dafür von Richter Geiger kritisiert, weil „in der Verkennung der Bedeutung eines Grundrechts (oder: in der Verkennung der Bedeutung der im Grundrecht enthaltenen Wertentscheidung) bei der Auslegung und Anwendung einer anderen Vorschrift die Verletzung eben jener Grundrechte“ liege, es des Umwegs über das andere Grundrecht also nicht bedürfe. 21 Nach Meinung der Richtermehrheit hätten die angegriffenen Entscheidungen nicht ausreichend berücksichtigt, dass der handelnde Hoheitsträger (der Rechtspfleger) es unterlassen habe, vor seiner Maßnahme (der Erteilung des Zuschlags) die Bedeutung des Eigentums im sozialen Rechtsstaat in angemessenem Umfang in seine Überlegungen einzubeziehen. Sie beruhten deshalb auf in diesem Sinne sachfremden Erwägungen.22 In späteren Entscheidungen begründete das Bundesverfassungsgericht vergleichbare (verfahrensrechtliche) Gewährleistungen, wie in der abweichenden Meinung des Richters Geiger zum Teilungsversteigerungsbeschluss gefordert,23 unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. 24 In einer weiteren Entscheidung, in der das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß durch die Rechtsanwendung damit begründete, die Wertordnung des Grundgesetzes, besonders der in Art. 14 GG zum Ausdruck gebrachte Wert, sei nicht beachtet worden,25 diente dieses Vorgehen offenkundig dazu, ————— 20

BVerfGE 42, 65-79/72 f.

BVerfGE 42, 79-88/84 (abw. M. Geiger zum Beschluss vom 24.3.1976 zum Verfahren der Teilungsversteigerung, BVerfGE 42, 65-79, der eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG angenommen hatte): „Davon abgesehen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß in der Verkennung der Bedeutung eines Grundrechts (oder: in der Verkennung der Bedeutung der im Grundrecht enthaltenen Wertentscheidung) bei der Auslegung und Anwendung einer anderen Vorschrift die Verletzung eben jener Grundrechte (hier also des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 14 GG) liegt; es bedarf dann also nicht des ‚Umwegs‘ über den Art. 3 GG!“ (Hervorhebung im Original). 21

22

BVerfGE 42, 65-79/76.

23

BVerfGE 42, 79-88/84 (abw. M. Geiger).

BVerfGE 46, 325-337/334 (in expliziter Auseinandersetzung mit BVerfGE 42, 65-79); 49, 220228/225. 24

25 BVerfGE 83, 82-88/84 u. 86 f. (Eigenbedarfskündigung und Alternativwohnung): „[D]as Urteil des Landgerichts … verletzt die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG. … Eine Rechtsfindung, welche … [das Freiwerden einer Alternativwohnung] gar nicht oder nur in einer Weise beachtet, welche die Mieterbelange nicht ernst nimmt, ist der Situation, der sie Herr werden soll, nicht mehr angemessen und daher willkürlich. … Auch die Wertordnung des Grundgesetzes gebietet es, diesen Einwand nicht nur überhaupt, sondern in einer Weise zu behandeln, die ihn ernst nimmt. … Das Bundesverfassungsgericht hat stets den hohen sozialen Wert hervorgehoben, den die Wohnung als räumlicher Lebensmittelpunkt für die Entfaltung des Mieters hat … Diesem Wert hat der Gesetzgeber unter anderem durch die Kündigungsvorschriften des sozialen Mietrechts, die Ausprägung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) sind, Rechnung getragen. … Die genannten Verfassungsnormen wirken hier auf die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG ein“.

340

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

(noch) nicht darüber entscheiden zu müssen, ob der Mieter im Hinblick auf sein Besitzrecht an einer gemieteten Wohnung gegenüber einem Räumungsbegehren des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Rechte herleiten kann. 26 Die in der Dissertation von Rohloff zitierte Entscheidung27 gehört nicht zur Fallgruppe der Eigentumsprüfung im Rahmen von Gleichheitsprüfungen, weil das Bundesverfassungsgericht in ihr lediglich den strengeren Prüfungsmaßstab aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Ungleichbehandlung28 damit begründet, es seien „grundsätzlich dem Schutz der Eigentumsgarantie unterfallende[]“ Positionen „[b]erührt“,29 ansonsten aber weder Wertentscheidungen der Eigentumsgewährleistung erörtert noch sonst den Hoheitsakt am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG überprüft.30 Vereinzelt prüft und verwirft das Bundesverfassungsgericht im gleichen Atemzug die Überlegung, aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG könnten sich „sachliche Gründe für eine ungleiche Behandlung ableiten“ lassen. 31 III. Nebeneinander von Eigentums- und Gleichheitsprüfung Seit den achtziger Jahren mehren sich die Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG 32 selbständig neben jener mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG 33 prüft.34 Dabei pflegt es, mit der Eigentumsgewährleistung zu beginnen. Bei Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 GG verzichtet es zuweilen auf eine weitere Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG. 35 Seltener beginnt es mit der Prüfung am Maßstab des

————— 26

Offengelassen in BVerfGE 83, 82-88/88. Später bejaht in BVerfGE 89, 1-14/5 ff.

Rohloff, Zusammenwirken, S. 89 f. („nur in der Entscheidung des BVerfG zum generellen Ausschluss der Studenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes“, BVerfGE 74, 9-32/24 ff.). 27

28

Dazu im Zweiten Teil unter B.III.3.c).

29

BVerfGE 74, 9-28/24 f.

Rohloffs Einordnung ist daher an dieser Stelle nicht überzeugend, und die Auswertung der Rechtsprechung im Übrigen, wie sich aus den vorstehenden Fußnoten ergibt, nicht vollständig. 30

31

BVerfGE 105, 73-135/131.

BVerfGE 58, 81-136/126-129; 70, 278-288/287 f.; 75, 78-107/105-107; 92, 262-277/275 f.; 100, 1-59/38 u. 44-47; 101, 54-105/101-104; 101, 239-274/269 ff.; 105, 17-48/46 ff.; 106, 201-210/ 206 ff.; 108, 186-238/233 f.; 110, 141-177/167 ff. 32

33 BVerfGE 58, 81-136/109-125; 70, 278-288/285-287; 75, 78-107/96-105; 92, 262-277/271 ff.; 100, 1-59/37 f. u. 39-44; 101, 54-105/74-100; 101, 239-274/258 ff. u. 273 ff. ;105, 17-48/30 ff.; 106, 201-210/209 f.; 108, 186-238/233; 110, 141-177/166 f. 34

Vgl. Rohloff, Zusammenwirken, S. 88.

BVerfGE 100, 289-313/313: „Aus dem Gleichheitssatz ergeben sich angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers jedenfalls keine engeren Bindungen als aus Art. 14 Abs. 1 GG“. 35

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

341

allgemeinen Gleichheitssatzes36 und lässt die Eigentumsprüfung folgen.37 Ausnahmsweise stellte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG an erster Stelle fest und verzichtet auf eine weitere Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG. 38 Dieses Vorgehen war in mindestens drei Fällen Ausdruck der Unentschlossenheit, ob die betroffenen Positionen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG überhaupt unterfallen.39 IV. Einbettung und Nebeneinander Einzelne Entscheidungen lassen sich sowohl der ersten wie der dritten Fallgruppe zuordnen, etwa wenn das Bundesverfassungsgericht eine gesonderte Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG deshalb für entbehrlich hält, weil die Benachteilung bereits im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in die verfassungsrechtliche Abwägung eingeflossen sei.40 V. Enteignung und Gleichheitssatz Bei Enteignungen ging das Bundesverfassungsgericht in seinen älteren, Jahre vor dem Nassauskiesungsbeschluss ergangenen Entscheidungen davon aus, dass ein durch Entschädigung auszugleichendes Sonderopfer durch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz charakterisiert sei.41 Stimmen im Schrifttum erkannten folgerichtig in der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG den „Rechtsgrund der Enteignungsentschädigung“;42 die Entschädigung sei „der Sache nach nichts anderes als der verfassungsrechtlich gebotene Modus zur Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Gleichheit“.43 Das Bundesverfassungsgericht prüfte, dieser Charakterisierung Rechnung tragend, zunächst die Vereinbarkeit mit Art. 3 ————— 36

BVerfGE 95, 143-162/154 ff.; sowie aus den Vorgenannten BVerfGE 106, 201-210/206 ff.

37

BVerfGE 95, 143-162/160 ff.; sowie aus den Vorgenannten BVerfGE 106, 201-210/209 f.

BVerfGE 51, 1-30/22 ff. u. 30; 83, 82-88/84 ff. u. 88; 99, 129-145/139 ff. u. 144 f.; 104, 126150/144 ff. u. 149; sowie 111, 115-146/136 ff. u. 145. 38

39 Deutlich in den Formulierungen in BVerfGE 51, 1-30/30 („Ob die beanstandete Vorschrift auch am Maßstab des Art. 14 GG zu messen ist, kann hier offenbleiben“); 83, 82-88/88 („bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob der Mieter … aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Rechte herleiten kann“), und 104, 126-150/149 f. („bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob die Regelungen auch am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG zu prüfen sind“). Zur Kritik des Richters Katzenstein unten Fn. 99 u. 103. 40

Vgl. BVerfGE 71, 230-255/255.

Vgl. BVerfGE 14, 105-120/120; 18, 315-344/339. Ebenso BGHZ 6, 270-295/280, wonach die Enteignung durch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gekennzeichnet sei, der – als Sonderopfer – auszugleichen sei. Dazu Hesse, Grundzüge, Rn. 454: „[D]ie verletzte Gleichheit ist deshalb durch Entschädigung wiederherzustellen“. 41

42

Ipsen, Gleichheit, S. 130 f.

43

Friauf, Sonderlasten, S. 57.

342

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

Abs. 1 GG. 44 Lag kein Gleichheitsverstoß vor, schied damit zugleich ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 GG aus. Bei Vorliegen einer Enteignung trennte es die Prüfung an den Maßstäben des Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 GG 45 und des allgemeinen Gleichheitssatzes46 ausdrücklich nach ihrem Gegenstand, wobei der Maßstab für die gesetzliche Ausgestaltung der Art und Höhe eines Entschädigungsanspruchs „nicht dem Art. 14 GG, sondern dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu entnehmen“ sei. Entscheidungen jüngeren Datums geben für das Verhältnis von Enteignung und Gleichheitssatz nichts her. Interessant ist im vorliegenden Kontext, dass die Überlegung, besondere Belastungen des Eigentümers könnten gleichheitswidrig sein, mit der Aufgabe der Sonderopfer- und Schweretheorien verloren gegangen zu sein scheint.47 VI. Vergleich mit anderen Freiheitsgewährleistungen Ein Vergleich mit Entscheidungen zu anderen Freiheitsgewährleistungen und dem Gleichheitssatz ergibt ebenfalls kein eindeutiges Bild. Entscheidungen, bei denen Art. 3 Abs. 1 GG als Schranke für Eingriffe in Freiheitsrechte betrachtet wird, sind selten. In diese Richtung gehen allenfalls einige Entscheidungen zu Berufsausübungsregelungen48 und zur allgemeinen Handlungsfreiheit49. Einige Entscheidungen nennen als Prüfungsmaßstab den Gleichheitssatz „in Verbindung mit“ der Freiheitsgewährleistung, etwa Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG 50 oder Art. 12 GG51, oder „in Verbindung mit“ dem besonderen Gleichheitssatz des ————— 44

BVerfGE 14, 105-120/117-120; 18, 315-344/334 ff.

45

BVerfGE 29, 413-437/424-429.

46

BVerfGE 29, 413-437/429-436.

47

Die Bedeutung (auch) des Gleichheitssatzes für die „materiellen Enteignungstheorien“ hat bereits Osterloh, DVBl. 1991, 906-914/909 f., hervorgehoben. Es sei bei ihnen im Kern darum gegangen, „wieweit eine entschädigungslose Eigentumsbeschränkung mit Gleichheitssatz und Übermaßverbot vereinbar ist“. Deshalb sei „[d]as ohne oder nur gegen Entschädigung ‚Zumutbare‘ … als Problem gleichheitsgerechter und verhältnismäßiger, insbesondere zumutbarer Begrenzung eines verfassungsrechtlich gebotenen Eigentumsschutzes durch Entschädigung behandelt“ worden. 48

BVerfGE 68, 155-175/173; 98, 49-70/62.

BVerfGE 95, 267-322/303 ff. u. 316 ff.: Gleichheitsgewährleistung als Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung. 49

50 BVerfGE 56, 192-216/208 ff.; 57, 70-107/90 ff.; 61, 210-259/242 ff. u. 249 ff.; sowie 95, 193219/209 ff. 51 BVerfGE 59, 1-36/30 ff.; 59, 172-215/199 ff. u. 205 ff.; 59, 302-329/327 f.; 59, 336-359/ 349 ff.; 62, 117-168/146 ff.; 66, 155-190/156; 68, 155-175/170 ff.; 77, 84-120/113.; 85, 36-68/53 f.

A. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

343

Art. 6 Abs. 1 GG 52. Besonders Entscheidungen zur Chancengleichheit53, zum Zugang zum Hochschulstudium54 oder anderen Teilhaberechten 55 sowie zum Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG 56 oder zum Schutzanspruch der Mutter aus Art. 6 Abs. 4 GG 57 sehen die Gleichheitsprüfung durch die Freiheitsgewährleistung mitgeprägt, ähnlich eine Entscheidung zu steuerrechtlichen Bestimmungen58. Überwiegend erfolgt die Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte (oder der besonderen Gewährleistungen des Art. 6 GG) getrennt von der am Maßstab des Gleichheitssatzes, etwa bei vielen Entscheidungen zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG59, zu Art. 2 Abs. 1 GG 60, zu Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG 61, zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG62, zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG 63, zu Art. 6 Abs. 1 GG 64, zu Art. 6 Abs. 2 GG65, zu Art. 6 Abs. 4 GG 66, zu Art. 6 Abs. 5 GG 67, zu Art. 7 Abs. 4 GG 68, zu ————— 52 BVerfGE 61, 319-357/342 ff.; 66, 84-100/93 ff.; 67, 186-199/195 ff.; 67, 348-369/365 ff.; 68, 143-155/152 ff.; 69, 188-209/202 ff.; 78, 128-132/130 ff.; 80, 170-182/180 f. u. 181 f.; 82, 60-105/ 78, 83 u. 86 ff.; 82, 198-208/199 u. 206 ff.; 87, 1-48/36; 87, 234-269/255 ff.; 89, 346-359/352; 91, 93-118/108 u. 116; 99, 246-268/259 ff.; 99, 268-273/270 ff.; 99, 273-279/276 ff.; 103, 242-271/257, 260, 263, 269 u. 270; 103, 271-293/291 ff.; 107, 27-58/45 u. 53; 107, 205-218/215 ff.; sowie 112, 50-74/64. Vgl. auch zu Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG: BVerfGE 105, 1-17/10 ff. 53

BVerfGE 79, 212-223/218; 84, 34-58/50 f.

54

BVerfGE 62, 117-168/146; 85, 36-68/53 f.

55

BVerfGE 75, 40-78/71 ff. u. 75 ff.

56

BVerfGE 67, 186-199/195 f.; 75, 382-396/393; 78, 128-132/130.

57

BVerfGE 65, 104-115/113.

58

BVerfGE 93, 121-149/133 f.

59

BVerfGE 78, 38-53/49 ff. u. 53.

BVerfGE 74, 129-162/149 ff. u. 151 f.; 75, 108-165/154 ff. u. 157 ff.; 78, 232-249/244 ff. u. 247 ff.; 80, 137-164/152 ff. u. 164; 81, 1-12/8 ff. u. 10 ff.; 89, 48-69/61 ff. u. 68 f.; 91, 207-226/ 221 ff. u. 225 f.; 97, 332-349/340 ff. u. 344 ff.; 103, 197-225/215 ff. u. 224 f.; 103, 392-405/397 ff. u. 403 ff.; 105, 17-48/32 ff. u. 46 ff.; sowie 110, 370-402/393 ff. u. 398 f. 60

61

BVerfGE 61, 126-138/134 ff. u. 136 f.; sowie 90, 145-199/171 ff. u. 195 ff.

62

BVerfGE 83, 238-341/332 ff. u. 336 ff.; sowie 95, 220-243/234 ff. u. 242.

BVerfGE 81, 108-122/115 ff. u. 117 ff. Die der Freiheitsprüfung nachfolgende Gleichheitsprüfung sieht die Auslegung und Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG inhaltlich „durch die Grundsatzentscheidung des Art. 5 Abs. 3 GG beeinflußt“ (S. 118) und kann deshalb auch den Entscheidungen zum Zusammenwirken zugeordnet werden. 63

BVerfGE 59, 52-63/59 ff. u. 63; 75, 361-368/366 f. u. 367 f.; 75, 382-396/392 f. u. 393 ff.; 76, 1-83/72 f. u. 73; 97, 332-349/344 ff. u. 349; 105, 313-357/342 ff. u. 352 ff.; 107, 205-218/212 f. u. 213 ff.; sowie 110, 412-446/431 ff. u. 445. 64

65

BVerfGE 107, 150-186/169 ff. u. 184; sowie 108, 52-82/77 ff. u. 81 f.

66

BVerfGE 60, 68-79/74 ff. u. 76 ff.

67

BVerfGE 107, 150-186/183 f. u. 184.

BVerfGE 75, 40-78/56 ff. u. 69 ff.; 90, 107-127/114 ff. u. 126 f.; sowie 112, 74-90/83 ff. u. 86 ff. 68

344

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

Art. 9 Abs. 3 GG69, zu Art. 11 Abs. 1 GG 70 oder zu Art. 12 Abs. 1 GG 71. Zuweilen wird dabei in der Gleichheitsprüfung auf die Ausführungen zur Freiheitsgewährleistung verwiesen, etwa bei Entscheidungen zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG72 oder zu Art. 12 Abs. 1 GG 73, ausnahmsweise in der Freiheitsprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG auch einmal auf die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG74. Gelegentlich wird auf die Gleichheitsprüfung verzichtet, weil bereits ein Freiheitsverstoß festgestellt wurde, etwa gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG75, gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG76, gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 77, gegen Art. 12 GG78 oder gegen Art. 19 Abs. 4 GG 79; seltener auf die Freiheitsprüfung, weil bereits ein Gleichheitsverstoß festgestellt wurde, etwa bei Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG 80, bei Art. 12 Abs. 1 GG 81 oder bei Art. 19 Abs. 4 GG 82. Nur ganz ausnahmsweise äußert sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zum Konkurrenzverhältnis von Freiheitsgewährleistung und Gleichheitssatz, etwa wenn es die allgemeine Handlungsfreiheit als subsidiär auch gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz bezeichnet83 oder feststellt, bei einer ————— 69

BVerfGE 58, 233-256/246 ff. u. 256.

70

BVerfGE 110, 177-199/190 ff. u. 198 f.

BVerfGE 57, 121-139/130 ff. u. 138; 60, 215-234/229 ff. u. 233 f.; 64, 72-86/82 ff. u. 85 f.; 68, 193-226/216 ff. u. 224 f.; 70, 1-35/28 ff. u. 32 ff.; 71, 162-183/172 ff. u. 176; 73, 301-322/315 ff. u. 321 f.; 75, 166-183/177 f. u. 179 ff.; 75, 246-283/274 ff. u. 277 f.; 75, 284-302/292 ff. u. 300 ff.; 77, 308-340/336 ff. u. 338 f.; 78, 155-164/161 ff. u. 164; 78, 179-200/192 ff. u. 195 f.; 80, 269-286/ 278 ff. u. 280 ff.; 81, 156-207/188 ff. u. 205 ff.; 83, 1-24/13 ff. u. 22 ff.; 84, 133-160/146 ff. u. 157 f.; 85, 238-247/244 ff. u. 247; 87, 363-394/382 ff. u. 389 f.; 97, 169-186/175 ff. u. 180 ff.; 98, 49-70/59 ff. u. 62 ff.; 98, 365-403/384 ff., 388 ff. u. 395 ff.; 103, 172-195/182 ff. u. 193 f.; sowie 111, 10-54/28 ff. u. 48 f., 50 ff. u. 54. 71

72

BVerfGE 93, 85-99/99.

BVerfGE 78, 155-164/164; 84, 133-160/146 ff. u. 157 f.; 85, 226-238/237; sowie 111, 10-54/48 u. 54. 73

74 BVerfGE 85, 238-247/244 ff. u. 247. Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 18, spricht deshalb von einer „wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 75

BVerfGE 78, 77-88/84 ff. u. 88; sowie 90, 263-277/276.

76

BVerfGE 86, 122-132/132.

77

BVerfGE 102, 347-369/369.

BVerfGE 99, 202-216/215; 103, 1-20/9; 106, 181-201/191; sowie 112, 255-268/262. Nach BVerfGE 101, 331-360/358, „tritt die Prüfung am Maßstab des Art. 3 GG hinter diejenige nach Art. 12 Abs. 1 GG zurück“. 78

79

BVerfGE 78, 88-100/96 ff. u. 100.

80

BVerfGE 88, 87-103/96 ff. u. 101.

81

BVerfGE 107, 27-58/53 ff. u. 56.

82

BVerfGE 60, 16-52/38 ff. u. 52.

83

BVerfGE 65, 196-218/209.

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen

345

Beeinträchtigung, die zur Beendigung einer Berufstätigkeit führe, trete Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück. 84 Bisweilen fragt es, welche der Gewährleistungen (die allgemeine Handlungsfreiheit oder der allgemeine Gleichheitssatz) den „stärkeren sachlichen Bezug“ zum zu prüfenden Sachverhalt hat,85 ein Kriterium, dass es auch im Verhältnis des allgemeinen Gleichheitssatzes zu den „grundsätzlich spezielleren“ Gewährleistungen der Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG anwendet. 86 Damit legt es nahe, dass Verhältnis der Gewährleistungen zueinander fallabhängig zu bestimmen. Einen Konflikt zwischen Freiheit und Gleichheit, wie er im Schrifttum gelegentlich angenommen wird,87 sieht das Bundesverfassungsgericht nicht. Vielmehr greift es das Bild der zwei Seiten einer Medaille auf, wenn es den „Zustand allgemeiner Gleichheit“ damit beschreibt, dass „jedermann grundsätzlich die Risiken seines eigenen Schicksals zu tragen hat“, und ihn als „Kehrseite der Freiheit zur Entfaltung der Person des Art. 2 Abs. 1 GG“ bezeichnet. 88

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen Dem Eindruck, es sei „zufällig, ob dem Gericht Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab dient oder ob es beide Normen voneinander unabhängig prüft“,89 kann sich auch der Verfasser dieser Arbeit nicht verwehren. Der Prüfungsmaßstab sollte aber nicht dem Zufall überlassen bleiben. Verfassungsrechtliche Gewährleistungen können Hoheitsträger mit unterschiedlicher Zielrichtung binden. Sie können unterschiedliche Anforderungen an den in Rede stehenden Hoheitsakt stellen. Und ihre Nichteinhaltung kann unterschiedliche Folgen haben. Das wird durch Verbindung der Prüfungsmaßstäbe übergangen. Nachfolgend werden unter den Gesichtspunkten der Zielrichtung, der Anforderungen und der Folgen zunächst allgemeine Gleichheitsgewährleistungen und ————— 84

BVerfGE 97, 12-34/25.

BVerfGE 64, 229-242/238 ff.: Im Vergleich zur allgemeinen Handlungsfreiheit „stärkere sachliche Beziehung“ des allgemeinen Gleichheitssatzes zu dem zu prüfenden Sachverhalt. 85

BVerfGE 65, 104-115/112: Im Vergleich zu Art. 6 Abs. 4 GG „stärkere sachliche Beziehung“ des allgemeinen Gleichheitssatzes zu dem zu prüfenden Sachverhalt. BVerfGE 67, 186-199/195: Im Verhältnis zu Art. 6 Abs. 1 GG hat Art. 3 Abs. 1 GG die „stärkere sachliche Beziehung“ zu der zu prüfenden Regelung. BVerfGE 75, 348-361/357; 75, 382-396/393: Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 4 GG grundsätzlich gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG spezieller, Prüfungsmaßstab bei „stärkerer sachlicher Beziehung“ zuweilen aber die allgemeine Norm. BVerfGE 76, 1-83/72: Art. 6 Abs. 1 GG als „besondere sachliche Ausprägung“ des allgemeinen Gleichheitssatzes. 86

87 Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 120 ff., besonders 129. Vgl. auch Kloepfer, Gleichheit, S. 45 („Ur-Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit“), selbst relativiert auf S. 46 ff. 88

BVerfGE 60, 16-52/39.

89

Rohloff, Zusammenwirken, S. 162.

346

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

Freiheitsgewährleistungen generell gegenübergestellt. In einem zweiten Schritt wird untersucht, ob für die Eigentumsgewährleistung Besonderes gilt. I.

Unterschiedliche Zielrichtung

Freiheitsgewährleistungen und Gleichheitsgewährleistungen binden die Träger hoheitlicher Gewalt mit jeweils eigener Zielrichtung.90 Freiheitsgewährleistungen zielen darauf, den Grundrechtsträgern ihre Freiheit soweit als möglich zu belassen. Schränkt ein Hoheitsträger ihre Freiheit ein, ist entscheidend, was er damit bezweckt. Eine Prüfung am Maßstab einer Freiheitsgewährleistung ist an der Frage auszurichten, „wozu“ der Hoheitsträger einen Grundrechtsträger belastet. Die Freiheitsgewährleistung beschränkt die Behandlung eines Grundrechtsträgers als solche. Gleichheitsgewährleistungen zielen darauf, die Grundrechtsträger als grundsätzlich Gleiche zu behandeln. Behandelt ein Hoheitsträger sie ungleich, ist entscheidend, auf Grund welcher Unterschiede er das tut. Eine Prüfung am Maßstab einer Gleichheitsgewährleistung ist an der Frage auszurichten, „weshalb“ der Hoheitsträger Grundrechtsträger ungleich behandelt. Die Gleichheitsgewährleistung beschränkt die Behandlung eines Grundrechtsträgers im Vergleich zu der eines anderen. Eine gemeinsame Prüfung von Freiheitsgewährleistung und Gleichheitssatz übergeht ihre unterschiedlichen Zielrichtungen. II. Unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen Entsprechend ihrer Ausrichtung an der Frage nach dem „Wozu“ beziehen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen der freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung auf den Zweck des belastenden Hoheitsakts und auf das Verhältnis der belastenden Mittel zu dem Zweck. Die Schrankenbestimmungen der Freiheitsrechte und das Erfordernis eines legitimen Ziels schränken die Ziele ein, die verfolgt werden dürfen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert, dass das belastende Mittel geeignet und erforderlich ist, das Bezweckte zu erreichen, und das Gewicht der verfolgten Interessen in angemessenem Verhältnis zum Gewicht der Freiheitsinteressen und zur Intensität der Belastung steht. Das hilft zu klären, ob der Einzelne unzweckdienlich oder im Hinblick auf den verfolgten Zweck zu stark belastet wird.

————— 90 Kirchhof, Gleichmaß, S. 133 u. 139, spricht von der „unterschiedliche[n] Blickrichtung einer horizontalen Gleichheits- und einer vertikalen Übermaßprüfung“ (S. 133), und von der unterschiedlichen „Ausrichtung des jeweiligen Maßstabes“ (S. 139).

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen

347

Entsprechend ihrer Ausrichtung an der Frage nach dem „Weshalb“ beziehen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen bei einer Prüfung am Maßstab einer Gleichheitsgewährleistung auf die Verschiedenheiten von Personen und auf das Verhältnis der ungleichen Behandlung zu den Verschiedenheiten. Differenzierungsge- und -verbote sowie das Erfordernis der Legitimität des Anknüpfens an bestimmte Unterschiede schränken die Verschiedenheiten ein, auf Grund derer ungleich behandelt werden darf. Die gleichheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitserfordernisse stellen Anforderungen an das Verhältnis der Unterschiede (1) zu dem normgeprägten Regelungsbereich und dem/n in ihm verfolgten Zweck/en und (2) zu den unterschiedlichen Wirkungen.91 Das hilft zu klären, ob der Einzelne im Hinblick auf bestehende Unterschiede zu anderen unsachgemäß oder zu weitgehend ungleich behandelt wird. Beide Arten von Gewährleistungen fordern, Maß in bestimmten Verhältnissen zu halten. Freiheitsgewährleistungen fordern, den Einzelnen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel nicht über das Maß zu belasten. Gleichheitsgewährleistungen verlangen, den Einzelnen im Hinblick auf zu anderen bestehende Unterschiede nicht über das Maß zu benachteiligen oder zu begünstigen. Die jeweiligen Anforderungen münden mit Lerches Worten „in eine allgemeine Dimension des Angemessenen“.92 In der Rechtsprechung wird einiges unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit abgehandelt, was den Bezug zur Zweck-Mittel-Relation aufgibt und im Kern Gleichheitserwägungen anstellt.93 Im Schrifttum wurde deshalb angemahnt, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „nicht im Übermaß“ anzuwenden,94 mit dem Übermaßverbot maßzuhalten. 95 Für eine präzise Handhabung der Prüfungsmaßstäbe kommt es auf die je besonderen Kriterien an; sie erst liefern fassbare Kontrollmaßstäbe. 96 ————— 91 Vgl. Eschenbach, Jura 1998, 401-403/402: „Während Freiheitsgrundrechte als Maßstab zur verfassungsrechtlichen Prüfung staatlicher Eingriffe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auf die Beziehung zwischen der Intensität des bewirkten Verlustes an individueller Freiheit und der Bedeutung und dem Grad der Gefährdung des Gemeinwohlbelangs ohne die hoheitliche Maßnahme abstellen, ist bei der Prüfung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG entscheidend, ob die Ungleichbehandlung bzw. die Gleichbehandlung unter Berücksichtigung der mit der Regelung verfolgten öffentlichen Interessen und der vorgefundenen tatsächlichen Unterschiede gerechtfertigt werden kann“. 92 Lerche, Übermaß, S. XIV. Kirchhof, Gleichmaß, S. 134, nennt das einen „dem Gerechtigkeitsvorbehalt nahekommenden Grundgedanken“. 93

Beispiele bei Ossenbühl, Jura 1997, 617-621/620.

94

Ossenbühl, Jura 1997, 617-621/621.

Vgl. die Überschrift von Ossenbühls Beitrag in der Festschrift für Lerche: „Maßhalten mit dem Übermaßverbot“ und darin besonders Ossenbühl, Maßhalten, S. 152. 95

So bereits Lerche, Übermaß, S. XIV. Vgl. Kirchhof, Gleichmaß, S. 141. Im Grundsatz auch Heun, DK, Art. 3 Rn. 16. Er stellt im weiteren jedoch auf die enge Verbindung von Freiheitsrechten und Gleichheitssatz ab. Zu eng hingegen Starck, MKS, Art. 3 Abs. 1 Rn. 300, der meint, aus der Verhältnismäßigkeit einer Regelung unter dem Gesichtspunkt eines Freiheitsrechts folge die Legitimität der entsprechenden Gattungsbildung unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssat96

348

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

Eine Maßnahme, die im Hinblick auf den verfolgten Zweck verhältnismäßig ist, ist nicht notwendig angesichts der Behandlung anderer im Hinblick auf das sie Unterscheidende legitimiert. Entsprechendes gilt umgekehrt. Es sind unterschiedliche Erwägungen, die zur Rechtfertigung des Freiheitseingriffs und zur Legitimation der Ungleichbehandlung durch hoheitliches Handeln angestellt werden.97 Ob eine staatliche Maßnahme im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Zweck nicht vorgenommen werden darf oder der Kreis der von ihr Betroffenen im Hinblick auf die zwischen ihnen vorhandenen Unterschiede nicht so wie geschehen bestimmt werden darf, ergibt sich aus unterschiedlichen Gewährleistungen.98 Nur bei getrennter Prüfung wird deutlich, mit welcher der Gewährleistungen hoheitliches Handeln möglicherweise unvereinbar ist.99 III. Unterschiedliche Folgen eines Verfassungsverstoßes Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen entfalten unterschiedliche Wirkungen zugunsten der Grundrechtsträger.100 Lässt sich ein belastender Hoheitsakt im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht rechtfertigen, hat er ungeachtet dessen zu unterbleiben, wie andere Personen behandelt werden. Lässt ein benachteiligender oder begünstigender Hoheitsakt sich im Hinblick auf Unterschiede, die zu Personen bestehen, die nicht in gleicher Weise von dem Hoheitsakt betroffenen sind, nicht legitimieren, bestehen regelmäßig mehrere Möglichkeiten: Er kann unterbleiben und die Behandlung damit der der anderen angepasst werden. Alternativ kann er vorgenommen werden, sofern der Kreis der Betroffenen auf die anderen ausgedehnt wird. 101 Die Freiheitsgrundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte zielen auf Unterlassen des staatlichen Eingriffs, der Gleichheitssatz „auf ein relatives Verhalten“, nämlich das Unterlassen ————— zes. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 ohne gleichzeitige Verletzung eines Freiheitsgrundrechts könne (nur) vorliegen, soweit sich ein Differenzierungsgebot oder -verbot aus einer anderen Verfassungsnorm als einem Freiheitsrecht ergebe. Vogel, Vorteil, S. 529 f., erahnt das für die Rechtfertigung von Gebühren, überlässt es aber einer weiteren Untersuchung und unterstellt deshalb eine Rechtfertigung durch denselben Gesichtspunkt. 97

98 Kirchhof, Gleichmaß, S. 144: „Der Gleichheitssatz bestimmt den Kreis der von einer staatlichen Maßnahme Betroffenen, das Übermaßverbot das je nach Handlungsziel vertretbare Handlungsmittel“. 99 Explizit eingefordert etwa von Katzenstein in seiner abweichenden M. (BVerfGE 51, 31-36/36) zum Beschluss zur Auszahlung von Renten aus der Sozialversicherung an im Ausland lebende Ausländer, in dem die Richtermehrheit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen und daraufhin auf eine Prüfung am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG verzichtet hatte (BVerfGE 51, 1-30/ 22 ff. u. 39). 100 So für das Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz: Eschenbach, Jura 1998, 401-403/402. 101 Zu den unterschiedlichen Konsequenzen der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes bereits Hirschberg, Grundsatz, S. 123.

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen

349

des ungleichbehandelnden Hoheitsakts oder das Ausweiten der Behandlung auf weitere Adressaten. Das Unterlassen einer Ungleichbehandlung kann „durch weniger oder mehr Staatshandeln erreicht werden“. 102 Die Feststellung eines Verfassungsverstoßes kann dementsprechend andere Folgen haben.103 Das hat das Bundesverfassungsgericht besonders für gesetzliche Regelungen immer wieder betont. Normen, die mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stehen, sind grundsätzlich für nichtig zu erklären (vgl. § 78 BVerfGG).104 Beruht die Verfassungswidrigkeit auf einer Ungleichbehandlung und hat der Gesetzgeber zu deren Beseitigung mehrere Möglichkeiten, ist die Norm mit Rücksicht auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers lediglich für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären, 105 sofern nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes die nach der Nichtigerklärung verbleibende Regelung wählen würde.106 Während Normen, die für nichtig erklärt wurden, schon deshalb nicht mehr angewendet werden dürfen, weil sie nicht (mehr) gelten, folgt aus einer Unvereinbarkeitserklärung nur grundsätzlich ein Anwendungsverbot, 107 ausnahmsweise aber die weitere Anwendbarkeit der Norm. 108 Bei Unvereinbarkeit einer Regelung mit einem Freiheitsrecht beschränkt das Bundesverfassungsgericht den Ausspruch lediglich dann auf die bloße Unvereinbarkeit, wenn der Gesetzgeber einer aus einem Freiheitsrecht abgeleiteten Regelungspflicht nicht nachgekommen ist.109 Im Regelfall sind danach die Folgen eines Verstoßes gegen Freiheits- oder Gleichheitsgewährleistungen nicht dieselben. Besonders der Spielraum des Gesetzgebers zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustands ist bei einem Gleichheitsverstoß größer als bei einem Freiheitsverstoß. Wollte man aus der Nichteinhaltung gleichheitsrechtlicher Vorgaben einen Freiheitsverstoß folgern, würde dieser Spielraum eingeengt.

————— 102

Vgl. Jarass, Grundrechte, S. 51.

Heun, DK, Art. 3 Rn. 53. Zu den unterschiedlichen Folgen der Feststellung einer Verletzung der Eigentumsgewährleistung und des allgemeinen Gleichheitssatzes und ihrer Bedeutung: BVerfGE 74, 28-32/28 (abw. M. Katzenstein). 103

104

BVerfGE 82, 126-156/154; 85, 191-214/211 f.; 88, 87-103/101.

BVerfGE 75, 166-183/182; 84, 348-365/365; 85, 191-214/211 f.; 88, 5-17/17; 88, 87-103/101; 91, 389-405/404; 93, 121-149/148; 93, 165-179/178; 94, 241-267/265; 99, 165-185/184; 99, 280300/298; 99, 341-360/358; 100, 104-137/136; 102, 68-99/98. 105

106

BVerfGE 85, 191-214/211 f.; 88, 87-103/101.

107

BVerfGE 100, 104-137/136.

108

BVerfGE 92, 53-74/73; 103, 225-241/240; 103, 242-271/269 f.

109

BVerfGE 98, 365-403/402.

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

350

IV. Keine Besonderheit im Verhältnis zur Eigentumsgewährleistung Wie gesehen, begründet das Bundesverfassungsgericht die in einigen Entscheidungen vorgenommene Verknüpfung von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz mit einem allgemeinen Hinweis auf das Rechtsstaatsprinzip oder begründet sie gar nicht und bezeichnet es als „selbstverständlich“, dass jede gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung mit allen Verfassungsnormen, „insbesondere dem Gleichheitssatz“, in Einklang stehen muss.110 Unter dem Grundgesetz ist das angesichts der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 Fall 1 GG, also auch an den Gleichheitssatz, und an die (sonstige) verfassungsmäßige Ordnung nach Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG, beides Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips, in der Tat „selbstverständlich“. Es besagt aber nicht, dass jeder Verstoß gegen eine Verfassungsnorm, insbesondere gegen ein anderes Grundrecht, zu einer Verletzung gerade auch des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG führen muss. Das bestätigt ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu (anderen) Freiheitsrechten. Wenn das Bundesverfassungsgericht seit dem Elfes-Urteil111 in Art. 2 Abs. 1 GG ein „Grundrecht des Bürgers“112 sieht, „nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind“, 113 so bezieht das dem Wortlaut nach sämtliche Verfassungsnormen ein und ermöglicht es jedermann, sich unter Berufung auf seine allgemeine Handlungsfreiheit gegen Belastungen zu wehren, die nicht mit sämtlichen Verfassungsanforderungen im Einklang stehen. Bei Verstößen gegen eigenständig wehrfähige Verfassungsnormen, insbesondere also gegen andere Grundrechte, stellt das Bundesverfassungsgericht aber keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG, sondern gegen das jeweilige andere Grundrecht fest. Die mit der Elfes-Formel begonnene Ausweitung des Grundrechtsschutzes zielte nicht darauf, grundrechtliche Ge————— 110 BVerfGE 14, 263-288/278. Weitere Nachweise oben unter A.I. Noch weiter geht Kloepfer, Gleichheit, S. 51: „Beschränkungen der Nicht-Gleichheits-Grundrechte sind nur unter Beachtung des Gleichheitssatzes zulässig“. Erler, Maßnahmen, S. 138, begründet das Vorgehen des Gerichts mit der Anforderung eines legitimen Mittels: „Über die Verfassungslegitimität der eigentumsbeschränkenden ‚Mittel‘ fließen dabei die Maßstäbe des Art. 3 GG, des Rechtsstaatsprinzips und sonstiger objektiver Verfassungsgrundsätze in die Beurteilung ein“. 111 BVerfGE 6, 32-45/41 (Elfes-Urteil): „Jedermann kann im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, ein seine Handlungsfreiheit beschränkendes Gesetz gehöre nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil es (formell oder inhaltlich) gegen einzelne Verfassungsbestimmungen oder allgemeine Verfassungsgrundsätze verstoße; deshalb werde sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt“. 112

Die Beschränkung auf Bürger ist mit Blick auf die Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit als Jedermannsrecht im Gegensatz zu den ausdrücklich auf Bürger beschränkten Staatsbürgerrechten freilich zu eng. 113 BVerfGE 29, 402-413/408. Zuvor bezogen auf Steuern anstelle des allgemeineren Begriffs des Nachteils BVerfGE 9, 3-20/11; 19, 206-226/216; 19, 253-268/157; sämtlich angelehnt an die ElfesFormel in BVerfGE 6, 32-45/41.

B. Grundsatz der Eigenständigkeit der Gewährleistungen

351

währleistungen miteinander zu verbinden und Konkurrenzfragen damit überflüssig zu machen, sondern darauf, Verstöße gegen Kompetenznormen, Verfahrensvorgaben und andere dem Einzelnen nicht als subjektives Recht eingeräumte Verfassungsbestimmungen wehrfähig zu machen. Bei selbständig wehrfähigen Grundrechtspositionen bedarf es nicht eines „Umwegs“ über eine andere.114 Der Umstand, dass Inhaltsbestimmungen streng genommen die Eigentumsgewährleistung ausgestalten und nicht, wie Schrankenbestimmungen oder andere Eingriffe ein vorhandenes Recht beschränken, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch bei einer ausgestaltenden Norm ist es sinnvoll zu unterscheiden, ob sie den Anforderungen gerade aus der Eigentumsgewährleistung oder aus einem anderen Grundrecht, etwa aus dem Gleichheitssatz, nicht genügt. Eine solche Unterscheidung nimmt das Bundesverfassungsgericht auch bei Regelungen vor, die nicht das Eigentum, sondern die Berufsausübung ausgestalten. 115 Wenn gelegentlich die Wurzel der Enteignungsentschädigung im Gleichheitssatz gesehen wird,116 erfordert das jedenfalls für Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums kein anderes Vorgehen. Die besondere Nähe der Enteignungs- und Entschädigungsproblematik zu Gleichheitserwägungen, 117 wie sie im Begriff des Sonderopfers deutlich zum Ausdruck kommen, bezieht sich ausschließlich auf Art. 14 Abs. 3 GG. 118 Bei Inhalts- und Schrankenbestimmun-

————— 114 Darauf weist zu recht Geiger in seiner abweichenden Meinung (BVerfGE 42, 79-88/84) hin. Die entscheidende Stelle ist oben (Seite 339) in Fn. 21 wiedergegeben. 115 Einen Grenzfall bildet BVerfGE 25, 236-256/251: „Unabhängig davon, was im einzelnen Art. 12 Abs. 1 GG an solchen Regelungen erlaubt, können sie jedoch nur dann Bestand haben, wenn sie auch sonst in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sind …. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Berufsausübungsregelung … ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar“. Der nichtamtliche Leitsatz, der von einem Verstoß gegen „Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG“ spricht, trägt zwar der Gliederung der Entscheidung Rechnung, die Gleichheitserwägungen in einem Unterpunkt zur Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG anstellt, nicht aber dem Umstand, dass Begründung und Folgerungen des Verfassungsverstoßes ausschließlich auf Art. 3 Abs. 1 GG Bezug nehmen. Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, aus der Gleichheitswidrigkeit einer (berufs-)ausgestaltenden Regelung folge notwendig der Verstoß gegen das (Berufs-)Freiheitsrecht. Anders die Würdigung dieser Entscheidung bei Schwabe, Probleme, S. 392: „[A]uch Art. 12 I ist verletzt. Das resultiert jedoch allein aus der Gleichheitswidrigkeit der Maßnahme. Die Berufsfreiheit ist ja nur beschränkbar durch Gesetze, die in jeder Hinsicht, also auch am Maßstab des Gleichheitssatzes, verfassungsgemäß sind“. 116 Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 57, sieht im Anschluss an BGHZ 6, 270-295/280 – weitergehend – die Wurzel der Enteignung im Gleichheitssatz. Vgl. oben (Seite 341) zu und in Fn. 41-43.

Vgl. dazu Lerche, Übermaß, S. 181 ff., der diese Nähe feststellt, zugleich aber die geringe Steuerungsfähigkeit des Gleichheitsgedankens betont und sich deshalb für eine Stärkung von Erforderlichkeitserwägungen in diesem Bereich ausspricht. 117

118 Dass auch das nicht notwendig eine eigenständige Gleichheitsprüfung überflüssig macht, bestätigen die oben unter A.V. zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Enteignung und Gleichheitssatz.

352

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

gen ist eine vergleichbare besondere Nähe zu Gleichheitserwägungen nicht zu erkennen. Die Besonderheiten der Eigentumsgewährleistung gegenüber (anderen 119) Freiheitsrechten rechtfertigen es danach nicht, den Gleichheitssatz als Schranken-Schranke120 der Eigentumsgewährleistung anzusehen.121 Vielmehr bestehen auch für das Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und allgemeinem Gleichheitssatz die dargelegten Unterschiede in der Ausrichtung, bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen und bei den Folgen einer Unvereinbarkeit. Aus der Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt sich nichts für die Frage ihrer Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Eigentumsgewährleistung. Die gleichheitswidrige Bestimmung verstößt nicht aufgrund der Gleichheitswidrigkeit gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.

C. Zusammenwirken beim Gleichbehandlungsverbot Wird geprüft, ob eine Regelung deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, weil sie Verschiedenheiten zwischen Personen ausblendet, die zu berücksichtigen eine Freiheitsgewährleistung verlangt, wirken Freiheitsgewährleistung und Gleichheitssatz als Gleichbehandlungsverbot ausnahmsweise zusammen. Als Prüfungsmaßstab sollte Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Freiheitsgewährleistung benannt werden.122 So wird deutlich, dass keine der ————— 119 Lepsius, Besitz, S. 277, erkennt in der Rechtsprechung zu Art. 14 GG seit 1991 eine Akzentverschiebung dahingehend, „Art. 14 GG nicht mehr primär als Eigentumsgarantie zu verstehen, sondern als Freiheitsschutz für Rechtszuweisungen zu privater Nutzung und Verfügung“. Dass der „behauptete Unterschied zwischen der Handlungsfreiheit des Eigentümers und sonstiger, regelmäßig ebenfalls Entfaltungs- oder Integritätsinteressen Dritter berührender Handlungsfreiheit … allenfalls gradueller Natur“ ist und „nicht eine bereichsspezifische Preisgabe der in ihrer Rationalität als überlegen erkannten außentheoretischen grundrechtlichen Argumentationsstruktur“ rechtfertigt, hat jüngst Cornils, Ausgestaltung, S. 297, überzeugend begründet. Abweichend von der klassischen Verhältnismäßigkeitsprüfung folgt er allerdings einem „Modell der Prinzipienabwägung“. Gegen eine „Libertifizierung“ des Eigentums wendet sich Leisner, Freiheit, 135 ff., und betont die selbständige Bedeutung des Eigentums. Das entspricht der traditionellen Trennung von Eigentum und Freiheit, dazu Hösch, Eigentum, S. 164 ff., und Lerche, Übermaß, S. 239 f.

Stern, Grundrechte, S. 26, nennt K. G. Wernicke als Erfinder dieses Begriffs für die Begrenzungen, die der Verfassungsgeber den Grundrechtsschranken gezogen hat. 120

121 So aber Kloepfer, Gleichheit, S. 52: „Entscheidender ist, daß auch der Gleichheitssatz selbst als Schranken-Schranke der Beschränkungen von Freiheitsrechten gelten kann (und umgekehrt die Freiheitsrechte als Grenze des Gleichheitssatzes fungieren). … Jede normierende (Grundrechtsausgestaltung und) Grundrechtseinschränkung ist nur nach Maßgabe der Rechtsetzungsgleichheit möglich“. Ähnlich folgert Sieckmann, Modelle, S. 386, bei einem „ungleichen Eingriff[] in ein Eigentumsrecht … aus der Verletzung des Gleichheitssatzes und der daraus folgenden Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Eingriffsgrundlage“ auf eine „Verletzung der Eigentumsgarantie“. 122

Dazu im Zweiten Teil unter B.V., besonders 3. u. 4.

D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse

353

Gewährleistungen für sich allein die Verfassungswidrigkeit begründen kann. Art. 3 Abs. 1 GG nicht, weil ihm Maßstäbe dafür fehlen, welche Verschiedenheiten der Normgeber zu berücksichtigen hat. Die Freiheitsgewährleistung nicht, weil es für eine Prüfung an ihrem Maßstab auf die Behandlung anderer nicht ankommt. Es liegt nicht notwendig ein unzulässiger Eingriff in das Freiheitsrecht vor. Es kann sich um eine begünstigende Regelung handeln, die sich nicht als Eingriff in den Schutzbereich der Freiheitsgewährleistung erfassen lässt. Oder es kann eine belastende Regelung sein, die sich im Hinblick auf den verfolgten Zweck als verhältnismäßig erweist. Wird Art. 3 Abs. 1 GG an erster Stelle genannt, ist ersichtlich, dass eine Gleichheitsprüfung mit besonderen freiheitsrechtlichen Anforderungen erfolgt. Es besteht dann keine Verwechslungsgefahr mit der hier abgelehnten Verknüpfung, bei der der Gleichheitssatz als Schranken-Schranke einer Freiheitsgewährleistung dienen soll, die das Bundesverfassungsgericht gelegentlich durch eine Prüfung am Maßstab des Freiheitsrechts in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG kenntlich gemacht hat.

D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse Der Konkurrenz zwischen Art. 3 Abs. 1 GG und anderen Grundrechten „wird bemerkenswert wenig Aufmerksamkeit geschenkt“.123 Diese Feststellung Schwabes aus dem Jahr 1977 gilt auch heute noch. 124 I.

Keine „echte“ Konkurrenz und keine „Präponderanz der Freiheit“

Als Konkurrenzverhältnis im technischen Sinne lässt sich das Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen nicht fassen. Schon die unterschiedlichen Ausrichtungen sprechen dagegen, eine der Gewährleistungen als spezieller oder subsidiär zu bezeichnen oder durch die andere konsumiert zu sehen. 125 Auch kann aus Art. 3 Abs. 1 GG selbst kein inhaltlicher Maßstab entwickelt

————— Schwabe, Probleme, S. 392. Der Beitrag von Bleckmann/ Wiethoff „Zur Grundrechtskonkurrenz“ nennt zwar das Zusammentreffen einer Verletzung der Handlungsfreiheit mit einer Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes als Fall der „konkreten Grundrechtskonkurrenz“, geht aber bei der Entwicklung der dafür geltenden Regeln auf den Gleichheitssatz überhaupt nicht mehr ein, Bleckmann/ Wiethoff, DÖV 1991, 722-730/729 f. 123

124 Beispielsweise widmet die Dissertation zu den „Grundrechtskonkurrenzen“ von Heß aus dem Jahr 2000 dem Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen gerade einmal zwei Seiten (und weist eine Darstellung des Problems „in gebührendem Umfang“ im Rahmen seiner Arbeit als „vermessen“ zurück), Heß, Grundrechtskonkurrenzen, S. 247 f. 125 Schwabe, Probleme, S. 332 f., will Konkurrenzen im Staatsrecht von vornherein auf die Figur der Spezialität beschränken, die sich „eingebürgert“ habe, und auf die in ihrer Abgrenzung „außerordentlich umstrittenen“ strafrechtsdogmatischen Figuren der Konsumtion und Subsidiarität verzichten.

354

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

werden, der mit anderen Verfassungsbestimmungen konkurrieren könnte. 126 Schwabe bezeichnet deshalb „die für Art. 3 I stets gebotene Idealkonkurrenz“ als „unproblematisch“. 127 Wird unter Idealkonkurrenz mit Schwabe verstanden, dass „kein Grundrecht das andere ausschaltet, sondern alle beide rechtsfolgenbestimmend gelten“, und dass die Annahme von Idealkonkurrenz offen lässt, ob die verschiedenen Grundrechte unverbunden nebeneinander stehen oder zusammenwirken,128 ist dem zuzustimmen. Eine Formulierung Dürigs129 aufgreifend wird jedoch von einer „Präponderanz der Freiheit“ gesprochen. 130 Hintergrund dieser Überlegungen zum Überwiegen, zur Vorrangigkeit der einen oder anderen Gewährleistung131 ist die Annahme, rechtliche Freiheit und rechtliche Gleichheit stünden in einem Spannungsverhältnis.132 Legitimieren, wie im Voraussetzungsmodell, vorhandene Verschiedenheiten eine Ungleichbehandlung, führt der Gleichheitssatz nicht zu unterschiedsloser Egalisierung, Kollektivierung, Nivellierung und Schematisierung133 – und das nicht erst, wie von Dürig angenommen, aufgrund eines etwaigen Vorrangs der Freiheit.134 Gleichheit ist dann „nicht ein Gegenbegriff zur Freiheit, sondern zu Privilegierungen und Diskriminierungen“.135 Ein Spannungsverhältnis mag zwischen Freiheit einerseits, den Forderungen des Sozialstaatsprinzips und der freiheitsrechtlich begründeten Forderung nach Chancengleichheit andererseits bestehen. Das Verhältnis von Freiheitsgewährleistungen und der allgemeinen Gleichheitsgewährleistung des Art. 3 Abs. 1 GG zeichnet es nicht aus.

————— 126 So bereits Podlech, Gehalt, S. 137. Vgl. die Ablehnung der Eingriffsmodelle im Zweiten Teil unter B.I.3.b)(1).

Schwabe, Probleme, S. 436. Heß, Grundrechtskonkurrenzen, S. 248 m.w.N. in Fn. 362, nimmt ebenfalls Idealkonkurrenz an. 127

128

Schwabe, Probleme, S. 332 f.

129

Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 135.

Schoch, DVBl. 1988, 863-882/871 f., hält sie für „weithin akzeptiert“ und nennt einige Vertreter dieser Auffassung in Fn. 127 u. 136. 130

131 Osterloh, SK, Art. 3 Rn. 79, spricht von einem „Wertungsvorrang der jeweils spezielleren Regelung“. 132

Nachweise oben (Seite 345) in Fn. 87.

Robbers, DÖV 1988, 749-758/752: „Das Wort von der Gleichmacherei … trifft … nicht die Intention des Gleichheitssatzes“. Und S. 753: „Versteht man den Gleichheitssatz als Behandlung nach der Eigenart des Falles, besteht kein Gegensatz zwischen Freiheit und Gleichheit“. 133

134

Dürig, MD, Art. 3 Abs. 1 Rn. 135.

135

Kriele, Freiheit, S. 135; zustimmend Suhr, Freiheit, S. 7.

D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse

355

II. Freiheits- vor Gleichheitsprüfung bei Belastungen Die grundsätzliche Eigenständigkeit der Gewährleistungen136 verlangt nicht, jegliche Beeinflussung abzustreiten. 137 Besonders für belastende Maßnahmen, bei denen beide als Prüfungsmaßstab in Betracht kommen, ist zu überlegen, ob eine Prüfung die andere entbehrlich macht oder in der zweiten anzustellende Erwägungen vorwegnimmt. Beide Gewährleistungen sind hier in ihrer Funktion als Abwehrrechte angesprochen,138 die sich grundsätzlich ergänzen, ohne ineinander aufzugehen oder sich gegenseitig im Wege zu stehen. Der Betroffene wird zum Erreichen eines bestimmten Ziels belastet und auf Grund seiner Verschiedenheit von anderen schlechter behandelt als sie. Ob das grundrechtskonform ist, lässt sich durch Prüfungen anhand der Freiheitsrechte mit Ausrichtung auf das Ziel und anhand der Gleichheitsgewährleistungen mit Ausrichtung auf die Verschiedenheit feststellen. Das Ergebnis der Freiheitsprüfung kann sich aber darauf auswirken, ob und ggf. in welchem Umfang eine ergänzende Gleichheitsprüfung sinnvoll ist. Erweist sich die Belastung als freiheitswidrig, sollte auf eine nachfolgende Gleichheitsprüfung verzichtet werden, weil sie auf Koordinaten zu beziehen wäre, die zu verschieben der Freiheitsverstoß zwingend erfordert. Werden die Voraussetzungen der Belastung enger oder sonst anders gefasst, verändert das die Bildung der Vergleichspaare und mit ihr die maßgebenden Unterschiede. Wird die Belastung abgemildert, wirkt sich das auf die Prüfung aus, ob die Unterschiede das Ausmaß der unterschiedlichen Wirkungen legitimieren. Hält der belastende Hoheitsakt einer Prüfung am Maßstab eines Freiheitsrechts stand, folgt daraus nicht die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG, 139 beeinflusst aber die Gleichheitsprüfung. Für diejenigen Regelungs- oder Auslegungsvoraussetzungen, die zwingend aus dem verfolgten Ziel folgen, bedarf es lediglich einer reduzierten Gleichheitsprüfung, in der zu fragen ist, ob an die maßgebenden Unterschiede zwischen den sich im Hinblick auf die Voraussetzung unterscheidenden Person legitimerweise angeknüpft werden durfte. Ihr Sachbezug zum Regelungsziel ist unproblematisch. Art und Ausmaß der unterschiedlichen Wirkungen sind notwendig durch die Unterschiede legitimiert, die durch eine Voraussetzung und damit ein Unterscheidungsmerkmal in Bezug genommen sind, das notwendig aus dem Ziel folgt. Der Gesetzgeber hat dann keine über die Zielbestimmung hinausgehende Auswahlentscheidung getroffen, die es zu rechtfertigen gölte. ————— 136 Mit Schwabe, Probleme, S. 332 f., ließe sich das nach dem Vorstehenden als Idealkonkurrenz bezeichnen. 137

Lerche, Übermaß, S. XIV.

138

Nachweise oben (Seite 159) in Fn. 503.

139

Podlech, Gehalt, S. 137.

356

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

Umgekehrt hat die Gleichheitsprüfung keinen Einfluss auf die Freiheitsprüfung. Erweist sich eine Schlechterbehandlung bei der Rechtsetzung oder bei der Rechtsauslegung als gleichheitswidrig, kann der Hoheitsträger an der Belastung festhalten und lediglich ihre Voraussetzungen und mit ihnen die Unterscheidungsmerkmale und maßgebenden Unterschiede ändern. Auf das Verhältnis der Belastung zum Zweck der Regelung, das über die Vereinbarkeit mit einem Freiheitsrecht entscheidet, wirkt sich das nicht notwendig aus. Es macht diese Prüfung deshalb weder entbehrlich noch nimmt es ihr Ergebnis oder auch nur einzelne Erwägungen vorweg. Erweist sich eine Schlechterbehandlung als gleichheitskonform, hat das auf die Prüfung am Maßstab eines Freiheitsrechts überhaupt keinen Einfluss. Da mithin die Freiheitsprüfung die Gleichheitsprüfung beeinflusst, umgekehrt aber aus einer Gleichheitsprüfung nichts für die Freiheitsprüfung folgt, empfiehlt es sich, mit der Freiheitsprüfung zu beginnen,140 wenn Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen als Prüfungsmaßstab in Betracht kommen. III. Formeln zum Verhältnis von Freiheit und Gleichheit Angesichts der Bindung der Hoheitsgewalt an alle Grundrechte ist es selbstverständlich, dass eine Maßnahme, um verfassungsgemäß zu sein, freiheits- und gleichheitskonform sein muss. Die erste Formel lautet deshalb: „grundrechtskonform bedeutet freiheits- und gleichheitskonform“. Die zweite Formel gibt die gängige Praxis wieder, nach Feststellung eines Freiheitsverstoßes keine weitere Gleichheitsprüfung durchzuführen, weil sich ihre Koordinaten bei Beseitigung des Freiheitsverstoßes notwendig verschieben. Die Eigenständigkeit der Gewährleistungen zeigt sich darin, dass das Ergebnis der Gleichheitsprüfung keinen Einfluss auf den bereits festgestellten Grundrechtsverstoß haben kann.141 Eine unverhältnismäßig in ein Freiheitsrecht eingreifende Maßnahme wird nicht dadurch freiheitsgemäß, dass sie allen auferlegt wird. Ein Freiheitsverstoß wird nicht dadurch beseitigt, dass alle in gleicher ————— 140 Podlech, Gehalt, S. 138-141, hält es für zweckmäßig, zuerst die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung zu prüfen. Aus seinen Beispielen und Begründungen wird aber nicht klar, ob er das auch auf eine eigenständige Prüfung an einem Freiheitsrecht oder lediglich auf die hier unter der Bezeichnung des legitimen Anknüpfens an einen Unterschied diskutierten Verfassungsbestimmungen bezogen wissen will. Seine weite Formulierung („Gibt ein Sachverhalt Anlaß, sowohl die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung als auch die Vereinbarkeit der Regelung mit anderen Verfassungsbestimmungen zu prüfen“) legt ersteres nahe, seine Beispiele zum Verhältnis der Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG sprechen für die zweite Annahme. 141 Eschenbach, Schutz, S. 501, begründet das zutreffend damit, dass die „Bindung des Gesetzgebers an andere verfassungsrechtliche Prinzipien außerhalb des Grundrechts des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG … nur zu einer weiteren Verengung seines Gestaltungsspielraums über die Vorgaben aus der Eigentumsfreiheit hinaus, keinesfalls aber zu einer Erweiterung führen“ kann.

D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse

357

Weise belastet werden. Als Formel lässt sich festhalten: „freiheitswidrig bleibt freiheitswidrig, ob gleichheitskonform oder gleichheitswidrig“. Nicht in gleichem Maße selbstverständlich ist die dritte Formel. Sie ist der eigentliche Ausdruck der Eigenständigkeit. Sie folgt aus der Erkenntnis, dass eine gerechtfertigt in ein Freiheitsrecht eingreifende Maßnahme nicht dadurch freiheitswidrig wird, dass sie den Betroffenen mehr als andere belastet;142 dass Freiheit nicht dadurch verletzt wird, dass es anderen besser ergeht. Aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtung, Anforderungen und Folgen greift eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht notwendig unverhältnismäßig in ein Freiheitsrecht ein. Vielmehr gilt: „freiheitskonform und gleichheitswidrig bleibt freiheitskonform“.143 IV. Restprobleme für eine Gleichheitsprüfung Welche Restprobleme für die Prüfung einer Ungleichbehandlung am Maßstab des Gleichheitssatzes verbleiben, wenn die (stärkere) Belastung einer der Vergleichspersonen bereits einer Prüfung am Maßstab des oder der einschlägigen Freiheitsrechte standgehalten hat, ist kaum untersucht. Gelegentlich wird die eigenständige Bedeutung einer nachfolgenden Gleichheitsprüfung in Frage gestellt.144 Das übersieht, dass die Behandlung anderer bei der Freiheitsprüfung nicht in den Blick kommt, die Feststellung der Vereinbarkeit einer Belastung mit den Freiheitsrechten und namentlich mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für sich genommen nichts darüber besagt, ob die Belastung im Vergleich zur Behandlung anderer gleichheitsrechtlichen Anforderungen genügt. Einige Autoren sprechen von einer „Komplementärfunktion“145 oder „dienenden Funktion“146 des allgemeinen Gleichheitssatzes im Verhältnis zu den Freiheitsrechten. Wird darunter eine bloß unselbständige, von einem Eingriff in ————— 142

Zur Trennung von Freiheits- und Gleichheitsprüfung mit dem Ergebnis einer freiheitskonformen, aber gleichheitswidrigen Regelung, BVerfGE 80, 269-286/278 ff. 143 Für eine selbständige Prüfung der Vereinbarkeit eines Gesetzes mit Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen schon Leibholz, Gleichheit, S. 100. A.A. Hirschberg, Grundsatz, S. 127 Fn. 384: „zu sagen, eine Entscheidung sei verhältnismäßig und zugleich gleichheitswidrig (oder umgekehrt), hieße sagen, sie sei gerecht und ungerecht“. 144 Etwa von Volkmar Götz, Diskussionsbeitrag, S. 92-94/94, bei dem Göttinger Symposion zu Ehren von Gerhard Leibholz mit der an Christian Starck gerichteten Frage: „Folgen nicht Differenzierungsverbote im Bereich der Freiheitsrechte aus dem Inhalt dieser Freiheitsrechte und dem Verständnis der Schranken dieser Freiheitsrechte, wie wir es heute entwickelt haben auf dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, also schon eben aus diesen Rechten, so daß dann das Willkürverbot eine eigenständige Bedeutung nur in solchen Gebieten wie Sozialversicherungsrecht oder Streitigkeiten von Gemeinden im Zuge der Gebietsreform und ähnliches hätte?“. 145

Bleckmann, Struktur, S. 52.

146

Suhr, Freiheit, S. 7.

358

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

eine anderweit begründete subjektive Rechtsposition abhängige subjektive Rechtsposition verstanden,147 wird die Eigenständigkeit der Gleichheitsgewährleistung148 verkannt. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist nicht nur dann anzunehmen, wenn „der Staatsakt in die Freiheiten und sozialen Grundrechte des Klägers eingreift“.149 Wird das Komplementäre hingegen in dem Sinne verstanden, dass es einer ergänzenden Gleichheitsprüfung bedarf, um die Grundrechtskonformität der Belastung Einzelner klären zu können, trifft die Rede von der „Komplementärfunktion“ des allgemeinen Gleichheitssatzes zu. Denn Grundrechtskonformität meint nach der vorstehend formulierten ersten Formel Vereinbarkeit mit Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen. Das soll am Beispiel belastender Regelungen verdeutlicht werden. Rechtsetzung lässt sich als Auswahl- und Zuordnungsentscheidung beschreiben. Der Normgeber wählt ein Ziel und ordnet ihm ein Mittel zu, mit dem das Ziel erreicht werden soll. Belastet das Mittel einen Grundrechtsträger, kann die Zuordnungsentscheidung am Maßstab eines oder mehrerer Freiheitsrechte überprüft werden. Häufig belässt es der Normgeber jedoch nicht bei einer einfachen Zuordnung, sondern knüpft den Einsatz des Mittels an weitere Voraussetzungen, durch die er den Kreis belasteter Personen einschränkt. Unter denen, die als Adressaten der durch Ziel und Mittel definierten Regelung in Betracht kommen, wählt er einige aus. Diese Auswahlentscheidungen kommen bei der Freiheitsprüfung nicht in den Blick: die Erforderlichkeitsprüfung bricht vorher ab; sie entscheidet nicht, welche von mehreren unterschiedliche Grundrechtsträger belastenden Maßnahmen zu ergreifen sind oder ob auf die Allgemeinheit zurückgegriffen wird;150 die Erforderlichkeitsprüfung kann nicht zu Ende geführt werden, wenn nicht vorher der Betroffene oder der Kreis der Betroffenen festgelegt ist;151 die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne prüft mit Blick auf den Zweck des gewählten Vorgehens, nicht im Hinblick auf den Grund der Auswahl. Das gilt selbst dann, wenn die Regelung ohne die Ausnahme einiger Personen oder ohne weitere Voraussetzungen, die Personen in bestimmter Sachlage ausnehmen, unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte eingriffe oder mit sozialstaatlichen Forderungen nicht vereinbar wäre. Hat der Normgeber sie ausgenommen, ist allein die getroffene Regelung mit „ausgewähltem“ Adressatenkreis Gegenstand verfassungsrechtlicher Kontrolle. Ob die Auswahlentschei-

————— 147

So Bleckmann, Struktur, S. 56.

148

Dazu ausführlich oben unter B.

149

So aber Bleckmann, Struktur, S. 65.

Hirschberg, Grundsatz, S. 69-73. Er erwägt, dass sich insofern Grenzen aus der Bindung an den Gleichheitssatz ergäben, ohne sie näher auszuführen. 150

151

Hirschberg, Grundsatz, S. 66 ff. u. 75.

D. Konkurrenz und gegenseitige Einflüsse

359

dung durch Unterschiede zwischen den belasteten und den ausgenommenen Personen legitimiert ist, lässt sich erst durch eine Gleichheitsprüfung feststellen. Für das Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsprüfung bedeutet das: Beschränkt sich eine Regelung auf die Zuordnung eines belastenden Mittels zu einem Ziel, kann auf die Gleichheitsprüfung der Ungleichbehandlungen aufgrund von Voraussetzungen, die lediglich den Kreis der für das gewählte Mittel in Betracht kommenden Personen umfassend bezeichnen, verzichtet werden. Regelt die Straßenverkehrsordnung das Fahren von Fahrzeugen ohne weitere Differenzierungen,152 so bewirkt die Voraussetzung Fahrzeugführer keine Unterscheidung. Andere Personen als Fahrzeugführer fahren kein Fahrzeug. Die Voraussetzung Fahrzeugführer bedarf bei dieser Regelung keiner gleichheitsrechtlichen Legitimation. Gleiches gilt für das gern zitierte Beispiel von Anatole France.153 Das Verbot zu stehlen, zu betteln und unter Brücken zu schlafen trifft keine über die Zuordnung des Verbotsmittels zu einem Ziel hinausgehende Auswahl. Der belastete Kreis umfasst alle, bei denen die gewählte Belastung tatsächlich in Frage kommt. Die Verhältnismäßigkeit der Belastung kann abschließend in einer Freiheitsprüfung geklärt werden. Wird hingegen die Pflicht, Gefahren abzuwehren, die von einem Gegenstand im Verkehr ausgehen, an das Eigentum an diesem Gegenstand geknüpft, ist Raum für eine ergänzende Gleichheitsprüfung, weil der Normgeber unter denen, die Gefahrenabwehrmaßnahmen vornehmen können (z. B. auch Nutzer, Passanten etc.), durch eine bestimmte Voraussetzung definierte Personen ausgewählt hat. Unerheblich ist, dass jeder an bestimmten Gegenständen Eigentum hat und es sich in diesem Sinne um eine Jedermannspflicht handelt.154 Das Vornehmen einer Abwehrmaßnahme setzt das Bestehen von Eigentum nicht voraus. Die Einschränkung des Kreises auf Eigentümer ist deshalb eine echte Auswahlentscheidung, deren Legitimation nur und erst durch eine Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes festgestellt werden kann.

————— 152

§ 3 Abs. 1 S. 1 StVO: „1Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, daß er sein Fahrzeug ständig beherrscht“. Differenzierungen ergeben sich erst aus den eigenständigen Regelungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, die – wie im Zweiten Teil unter B.I.3.c)(5) u. (6) gesehen – einer Gleichheitsprüfung zugänglich sind. Anatole France: „Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet Armen wie Reichen, zu stehlen, zu betteln und unter Brücken zu schlafen“; zitiert nach Schneider, VVDStRL 47 (1989), 106-107/106. 153

154 Vgl. bereits Leibholz, Gleichheit, S. 106 f.: „Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß ein an die überwiegende Mehrheit des Volkes adressiertes Gesetz … dem Satz der Gleichheit vor dem Gesetz widerspricht“. Siehe auch oben im Zweiten Teil unter A.III.2.

360

3. Teil: Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und Gleichheitssatz

E. Ergebnis und Folgerungen für die Zustandsverantwortlichkeit Der Gleichheitssatz hat keinen Einfluss auf die Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte. Umgekehrt macht die Feststellung eines Freiheitsverstoßes eine Gleichheitsprüfung entbehrlich, weil er weitergehende Folgen hat und seine Beseitigung die Koordinaten der Gleichheitsprüfung notwendig verändert. Erweist sich eine belastende Maßnahme hingegen als freiheitskonform, bleibt Raum für eine Gleichheitsprüfung, wenn bei Rechtsetzung oder Rechtsanwendung eine über die bloße Zuordnung von Zweck und Mittel hinausgehende Auswahl getroffen wurde, die die Belastung an Gegebenheiten knüpft, die nicht bereits aus dem Zweck folgen und in denen sich Personen unterscheiden. Der Gleichheitssatz ist dann keine Schranken-Schranke der Freiheitsrechte, sondern selbständiger Maßstab für die Schlechterbehandlung des einen gegenüber besserer Behandlung eines anderen. 155 Für die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit bedeutet das: Die mit gleichheitsrechtlichen Erwägungen begründeten Grenzen lassen die freiheitsrechtliche Würdigung unberührt. Das teilweise Legitimationsdefizit begründet keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber ist deshalb frei und nicht durch die Eigentumsgewährleistung gehindert, eine unbeschränkte Kostenlast dadurch zu ermöglichen, dass er die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit ergänzt oder ändert.

————— 155 Der Hinweis von Robbers, DÖV 1988, 749-758/753 f., auf den „Gesamtbezug“ aller Verfassungsnormen trägt zur Erkenntnis darüber, gegen welche für sich zu betrachtende Norm ein Hoheitsakt mit welchen Folgen verstößt, nichts bei.

Vierter Teil

Ergebnis und abschließende Würdigung Die Jahrzehnte währende Diskussion über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verantwortlichkeit weist darauf hin, dass die Fragen der zur Gefahrenabwehr, besonders zur Altlastensanierung, verpflichteten Zustandsverantwortlichen, „warum gerade ich?“ und „geht das unbeschränkt?“, verfassungsrechtlich fundierte Antworten erfordern. Die Reaktionen auf den Altlastenbeschluss zeigen, dass diese Antworten bislang nicht zufriedenstellend gegeben wurden. Bedenken bestehen weniger an der Entscheidungsformel oder am Ergebnis des Altlastenbeschlusses, als an der Möglichkeit, seine Erkenntnisse systematisch in die Eigentums- und Verhältnismäßigkeitsdogmatik einzuordnen und zu verallgemeinern. Die vorliegende verfassungsdogmatische Untersuchung versucht, einen Beitrag zur Bewältigung der fortbestehenden dogmatischen und praktischen Aufgabe zu leisten (Befund C.).

A. Erkenntnisse für die Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsdogmatik I.

Eigentumsdogmatik und Verhältnismäßigkeit (Erster Teil)

An Art. 14 GG sind Pflichten, die unmittelbar weder den Eigentumsgegenstand selbst noch die Zuordnung zum Eigentümer ändern oder seine Befugnisse mindern, dann zu messen, wenn sie tatbestandlich an das Eigentum anknüpfen und inhaltlich im Zusammenhang mit dem Eigentum stehen, etwa weil sie einen bestimmten Umgang mit dem Eigentumsgegenstand fordern (A.IV.). Die Unverhältnismäßigkeit eines Eingriffs in ein Freiheitsrecht kann nur im Hinblick auf den Regelungszweck festgestellt werden. Der Zweck ist durch Auslegung zu ermitteln. Das zur Verfolgung des Zwecks eingesetzte Mittel und der in die Pflicht Genommene dürfen in die Beschreibung des Zwecks nicht aufgenommen werden, soll die Leistungsfähigkeit der Verhältnismäßigkeitskontrolle erhalten bleiben (B.IV.1.a)). Mit dem Grund einer Regelung kann Unterschiedliches bezeichnet sein: 1. ihr Zweck bzw. die dahinterstehenden Interessen oder 2. besondere Umstände bei den Belasteten. Die Funktion der Gründe der ersten Art in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in der juristischen Dogmatik geklärt: auf sie ist die Zweck-Mittel-Relation ausgerichtet. Erwägungen zu Gründen der zweiten Art

362

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

haben allenfalls dienende Funktion zur Begründung der Geeignetheit, Erforderlichkeit oder Angemessenheit. Sie können aber nicht selbständig Grenzen von Eigentumsbeschränkungen begründen (B.IV.1.b)). Für die Rechtsauslegung und -anwendung bestimmen die gesetzlichen Vorgaben und die verfassungsrechtlichen Bindungen, welche Belange die Verwaltung in die Abwägungsentscheidung einstellen darf und einzustellen hat. Andere Belange einzustellen, ist sie nicht ermächtigt (B.IV.2.). Die Feststellung, das Gemeinwohlinteresse überwiege das Interesse des Eingriffsadressaten, setzt voraus, Art und Ausmaß der belastenden Wirkungen zu bestimmen (B.IV.2.a)). Da der besondere Schutz zur Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen den Eigentümerinteressen im Vergleich zum gewöhnlichen Schutz größeres Gewicht gibt, hat die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer Einfluss auf die Intensität der Belastung und ist damit von Verfassungs wegen abwägungserheblich (B.IV.2.b)(1)). Abgesehen von Art. 18 S. 1 GG enthält die Verfassung keine Anhaltspunkte für Konsequenzen eines Grundrechtsmissbrauchs. Ebensowenig lassen sich der Verfassung Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Privateigentum je nach den Umständen des Erwerbs mehr oder weniger schutzwürdig ist. Erwägungen, die den verfassungsrechtlichen Schutz nach Umständen abstufen wollen, die vor der eigentlichen Belastung liegen, lassen sich daher verfassungsrechtlich nicht begründen (B.IV.2.b)(1)(a)). Der vielgesichtige Einsatz des Zumutbarkeitskriteriums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann leicht den Eindruck vermitteln, es fehle an einem einheitlichen Begriff der Zumutbarkeit (C.I. bis C.VI.). Bei einer Gesamtschau verbleiben Unsicherheiten, ob das Bundesverfassungsgericht allein einen sprachlichen oder auch einen sachlichen Unterschied zwischen Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit machen will. Diese Unsicherheiten lassen sich dadurch eingrenzen, dass die Entscheidungen Fallgruppen zugeordnet werden: Grundrechtsschutz durch Verfahren, Vertrauensschutz, Verpflichtung zur (Nutzungs-) Überlassung und sonstige Fälle. Unter den sonstigen Fällen ist der Denkmalschutzbeschluss die einzige Entscheidung, die die Belastungsgrenze zweckunabhängig begründet. Treffender ist die in ihr festgestellte Grenze aber mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Kernbereichsschutz zu begründen. Ein eigener, zweckunabhängiger Gehalt der Zumutbarkeit lässt sich den Entscheidungen in der Gruppe der sonstigen Fälle nicht entnehmen (C.VII.). Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Zumutbarkeit im Sinne zweckunabhängiger Grenzen ist auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht anzuerkennen. Verfassungsrechtliche Belastungsgrenzen sind am Maßstab der Freiheitsrechte aus dem (zweckabhängigen) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Schutz des Wesensgehalts oder eines freiheitsrechtsspezifischen Kernbereichs oder am

A. Erkenntnisse für die Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsdogmatik

363

Maßstab des Gleichheitssatzes zu begründen. Darüber hinausgehende Begrenzungen durch Zumutbarkeitserwägungen müssen ausdrücklich im einfachen Recht vorgeschrieben sein (C.VIII.). Der Schutz des Wesensgehalts der Eigentumsgewährleistung und der Institutsgarantie hilft nicht, Belastungsgrenzen für einzelne Eigentümerpflichten zu begründen. Ein nicht auf die drei Elemente der Bestandsgarantie – den Erhalt der Substanz, der grundsätzlichen Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse und der Zuordnungsverhältnisse – bezogenes Privatnützigkeitskriterium lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen. Soweit Eigentümer durch die Anwendung in hohem Maße wirtschaftlich-faktisch betroffen sind, ist das bei der Gewichtung der Intensität der Belastung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Eine verhältnismäßigkeitsunabhängige strikte Grenze wird dadurch nicht überschritten. Eine auf die Kriterien Arbeit und Leistung abstellende Mindestposition lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen und führt zu befremdenden Ergebnissen. Das Verhältnis der Vor- und Nachteile für den belasteten Grundrechtsträger ist nur dann für die freiheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit bedeutsam, wenn der Zweck der Belastung gerade in der Abschöpfung der Vorteile oder Umlegung der Kosten der vorteilbringenden Maßnahme liegt. Eine (eigentumsrechtliche) Begründung dafür, dass auch in anderen Fällen Nutzen und Lasten eines Rechts oder Rechtsinstituts von Verfassungs wegen miteinander korrespondieren müssten, steht noch aus (D.). II. Gleichheitsdogmatik (Zweiter Teil) Legt der Gesetzgeber Pflichten auf und trifft durch die Wahl der Voraussetzungen der Pflicht eine über die Wahl des zu regelnden Verhaltens hinausgehende Zuordnungsentscheidung, verbleiben nach einer Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte Restprobleme. Der allgemeine Gleichheitssatz ist der richtige dogmatische Ansatz, um Grenzen aus den Umständen zu begründen, die mit den Voraussetzungen einer Regelung in Bezug genommenen sind (A.). Das hier entwickelte Gleichheitsmodell versucht, die Gleichheitsprüfung an den Entscheidungen des Gesetzgebers auszurichten. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen der Prüfung vorliegen, kann – anders als in den Vergleichsmodellen – ohne Wertungen nach Wesentlichkeitsgesichtspunkten und – anders als beispielsweise im Eingriffsmodell von Huster – ohne Vorgriff auf Rechtfertigungserwägungen festgestellt werden. Die Vergleichspaare werden – anders als im Klassenbaummodell Podlechs – unmittelbar anhand der Voraussetzungen der Regelung gebildet. Unterscheidungsmerkmal ist grundsätzlich eine Voraussetzung, in deren Vor- oder Nichtvorliegen sich die Personen unterscheiden. Aneinander anknüpfende und alternative Voraussetzungen sowie abgestufte Ungleichbehandlungen sind besonders zu berücksichtigen (B.I.). Die ungleichen Wirkungen, die durch das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen ausgelöst werden, müssen durch Unterschiede legitimiert sein.

364

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

Maßgebende Unterschiede sind die durch die Voraussetzungen in Bezug genommenen Umstände, die Personen, die sämtliche Voraussetzungen erfüllen, von solchen Personen unterscheiden, bei denen (mindestens) eine Voraussetzung nicht vorliegt (B.III.3.a)). Die Unterschiede müssen zumindest typischerweise festgestellt werden können (B.III.3.d)). Die Art der Voraussetzungen und die Intensität der Wirkungen beeinflussen die Kontrolldichte (B.III.3.c)). Die Unterschiede müssen einen sachlichen Bezug zu dem Regelungsbereich und den Regelungszielen aufweisen (Unterschied-Zweck-Relation; A.II.1.). Das Anknüpfen an die Unterschiede muss legitim sein (B.III.3.b)). Art und Tragweite der Unterschiede müssen die ungleichen Wirkungen nach Art und Ausmaß rechtfertigen können (Unterschied-Wirkungs-Relation; A.II.2.). Gelingt das nicht (wenigstens im typischen Anwendungsfall; B.III.3.d)) und scheitert eine einschränkende oder sonst verfassungskonforme Auslegung, ist die Regelung (zumeist) insoweit für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz zu erklären. Das hat regelmäßig zur Folge, dass sie in diesem Umfang nicht anzuwenden ist (B.IV.5.). Der Gesetzgeber ist aufgrund des Gleichheitssatzes nicht gehalten, bestimmte Unterschiede zu berücksichtigen. Gleichbehandlung ist ihm nur dann verboten, wenn sich aus einer anderen Verfassungsnorm ergibt, dass bestimmte Umstände im Falle einer Regelung zu berücksichtigen sind (B.V.). III. Verhältnis von Eigentums- und Gleichheitsgewährleistung (Dritter Teil) Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen binden die Träger hoheitlicher Gewalt mit je eigener Zielrichtung und durch je eigene verfassungsrechtliche Anforderungen. Die verschiedenen Wirkungen zugunsten der Grundrechtsträger zeitigen verschiedene Folgen eines Verfassungsverstoßes. Für das Verhältnis von Eigentums- und Gleichheitsgewährleistung gilt insofern nichts Besonderes gegenüber dem (anderer) Freiheitsrechte zum allgemeinen Gleichheitssatz (B.). Lediglich beim Gleichbehandlungsverbot wirken sie zusammen, indem der allgemeine Gleichheitssatz zur Abwehr befugt oder das Einbeziehungsbegehren stützt und die Freiheitsrechte vorgeben, welche Umstände zu berücksichtigen sind, sofern geregelt wird (C.). Der Gleichheitssatz hat keinen Einfluss auf die Prüfung am Maßstab der Freiheitsrechte. Umgekehrt macht die Feststellung eines Freiheitsverstoßes eine Gleichheitsprüfung entbehrlich, weil er weitergehende Folgen hat und seine Beseitigung die Koordinaten der Gleichheitsprüfung notwendig verändert. Erweist sich eine belastende Maßnahme hingegen als freiheitskonform, bleibt Raum für eine Gleichheitsprüfung, wenn bei Rechtsetzung oder Rechtsanwendung eine über die bloße Zuordnung von Zweck und Mittel hinausgehende Auswahl getroffen wurde, die die Belastung an Gegebenheiten knüpft, die nicht bereits aus dem Zweck folgen und in denen sich Personen unterscheiden (D.).

B. Erkenntnisse über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit

365

Der Gleichheitssatz ist dann keine Schranken-Schranke der Freiheitsrechte, sondern selbständiger Maßstab für die Schlechterbehandlung des einen gegenüber besserer Behandlung eines anderen (D.).

B. Erkenntnisse über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit I.

Eigentumsdogmatisch begründet (Erster Teil)

Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers muss den Anforderungen aus Art. 14 GG genügen, weil sie tatbestandlich an das Eigentum anknüpft und einen bestimmten Umgang mit der Sache fordert, an der das Eigentum besteht (A.IV.). Die Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte beim Zweck, Gefahren abzuwehren, ansetzen. Wie und durch wen dieser Zweck erreicht werden soll, ist nicht Bestandteil des der Prüfung zugrunde zu legenden Zwecks. Dann, und nur dann, können die weiteren Schritte der Verhältnismäßigkeitsprüfung – Geeignetheit, Erforderlichkeit und ggf. Angemessenheit – Auskunft darüber geben, ob die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Eigentümers und sonstiger Sachherren den Zweck der Gefahrenabwehr so schonend wie möglich fördert und angesichts dieses Zwecks angemessen ist (B.IV.1.a)). Unabhängig vom Ausmaß der belastenden Wirkungen lässt sich keine Interessenabwägung vornehmen, um die Verfassungsmäßigkeit der Zustandsverantwortlichkeit als solcher und deren von den gefahrbegründenden Umständen und der subjektiven Haltung des Eigentümers unabhängige Auslegung zu begründen (B.IV.2.a)). Die Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer ist von Verfassungs wegen abwägungserheblich (B.IV.2.b)(1)(a)). Die im Altlastenbeschluss daneben geforderte unterschiedliche Gewichtung der Eigentümerinteressen je nach gefahrbegründenden Umständen und subjektiver Haltung des Eigentümers lässt sich dagegen weder aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (B.IV.2.b)(1)(a)) noch mit einfachgesetzlichen Vorgaben begründen (B.IV.2.b)(1)(b)). Die Auslegung der Regelungen der Zustandsverantwortlichkeit unter Einbeziehung ihrer Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Anwendung in der Rechtspraxis ergibt, dass die Umstände der Gefahrentstehung und die subjektive Haltung des tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrn für die Begründung und die Grenzen der Verantwortlichkeit unerheblich sind (B.IV.2.b)(1)(b)). Eine Ausnahme bildet insofern die bodenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers, die nach dem Gesetzeswortlaut von subjektiv formulierten Voraussetzungen abhängt (B.IV.2.b)(1)(c)).

366

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

Der historische Befund ergibt, dass die Zustandsverantwortlichkeit von ihren richterrechtlichen Anfängen in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Sie gibt dem Herrn über eine Sache, von der eine Gefahr ausgeht, auf, diese Sache entsprechend den behördlichen Anordnungen zur Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung umzugestalten. Entwickelt wurde die Verantwortlichkeit in Bezug auf Grundstücke. Bereits in den ersten gesetzlichen Regelungen wurde sie – wie zuvor ohne weitere Problematisierung im Schrifttum – auch auf bewegliche Sachen bezogen. Ausgehend von der Verantwortlichkeit des Eigentümers weitete die Rechtsprechung die Polizeipflichtigkeit früh auf andere Personen aus. Anfangs forderte sie kumulativ tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft. Seit der ersten gesetzlichen Regelung wurden diese Merkmale alternativ formuliert und wurde die Verantwortlichkeit aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft verselbständigt. Die Ausweitung auf andere Sachherren neben dem Eigentümer wurde ausschließlich mit praktischen Erfordernissen begründet (B.IV.2.b)(1)(b)()(), (), () u. ()). Verfassungsrechtlich argumentierte das PrOVG mit der – heute kaum noch vertretenen und im Altlastenbeschluss ausdrücklich abgelehnten – Figur schutzbereichsimmanenter Schranken der Rechte anderer und grenzte so bereits beim Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung Rechtssphären voneinander ab. Zur Herleitung und Begründung der Verantwortlichkeit des Sachherrn stellte es allein auf seine Beziehung zur Sache (Zuordnungsgesichtspunkte) und praktische Notwendigkeiten (Beherrschungsgesichtspunkte) ab: er vertrete die Sache auch sonst nach außen, er setze sich bereits durch den Besitz der schädigenden Sache mit dem Gemeinwohl in Kollision, ohne seine Pflichtigkeit könne eine geordnete menschliche Gemeinschaft schlechterdings nicht bestehen. Beim vierten, später nicht wieder aufgegriffenen Begründungsansatz unterlag es einem Zirkelschluss: der Sachherr habe sich gefahrbegründender Handlungen zu enthalten, Dritte zu kontrollieren und seine Sache zu überwachen; entstehe gleichwohl eine Gefahr, habe er eine dieser Primärpflichten verletzt und deshalb die Gefahr zu beseitigen – die Gefahrenabwehrpflicht wird hier mit einer Gefahrverhinderungspflicht begründet, die ihrerseits einer Begründung bedürfte (B.IV.2.b)(1)(b)()(), () u. ()). Begründung und Grenzen der Verantwortlichkeit wurden ganz überwiegend ohne Rücksicht auf die Umstände der Gefahrentstehung und unabhängig von der subjektiven Haltung des Sachherrn bestimmt. Für die Begründung der Verantwortlichkeit spielte die Entstehung der Gefahr keine Rolle; nach anfänglichen Zweifeln in Fällen von Natureinwirkungen als Gefahrursachen hat sich das Verständnis durchgesetzt, wonach die Verantwortlichkeit ungeachtet der Ursachen der Gefahr oder Störung besteht (B.IV.2.b)(1)(b)()() u. ()). Mehrere Gerichte entschieden in diesem Sinne auch bei Kriegsschäden; einige stellten auf die außergewöhnliche Situation des Krieges oder einen allgemeinen Treuegedanken ab, und hielten die Verantwortlichkeitsregelungen deshalb

B. Erkenntnisse über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit

367

für nicht anwendbar (B.IV.2.b)(1)(b)()()). Der Überblick über die Entstehung der Verantwortlichkeitsvorschriften bestätigt, dass die subjektive Haltung des Verantwortlichen zum Risiko der Gefahrentstehung oder zu den Eigenschaften der Sache unerheblich ist. Entscheidend ist allein die tatsächliche oder rechtliche Beziehung zur Sache. Als Grenzen anerkannt sind allein die tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Durchführung der aufgegebenen Maßnahme, wobei rechtliche Hindernisse gegebenenfalls durch Duldungsverfügungen beseitigt werden können. Sofern ausnahmsweise unter Rückgriff auf Treu und Glauben die Unzumutbarkeit einer Inanspruchnahme des Eigentümers erwogen wurde, stellte das Gericht ausschließlich auf die wirtschaftliche Situation des Eigentümers ab (B.IV.2.b)(1)(b)). Das Bundesverfassungsgericht bestimmt im Altlastenbeschluss die Intensität der Belastung (zutreffend unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundstücks für den Eigentümer und unzutreffend unter Berücksichtigung der Umstände der Gefahrentstehung und der subjektiven Haltung des Eigentümers), stellt dem aber nicht die Bedeutung und Dringlichkeit der Gemeinwohlinteressen gegenüber. Es gibt vor abzuwägen, bestimmt die Grenze aber losgelöst vom Zweck der Belastung und den dahinterstehenden Interessen, unabhängig von Gewicht und Grad der Betroffenheit der Gemeinwohlinteressen. Die Unverhältnismäßigkeit einer Belastung kann aber nur im Hinblick auf den Regelungszweck festgestellt werden (B.IV.2.b)(2)). Der Umgang mit der Zumutbarkeitsgrenze im Altlastenbeschluss lässt sich nicht durch Einordnung in die bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erklären (C.). Die Belastungsgrenzen lassen sich nicht aus verhältnismäßigkeitsunabhängigen Grenzen herleiten. Ließe sich eine verhältnismäßigkeitsunabhängige Belastungsgrenze unmittelbar aus Art. 14 GG begründen, müsste sie in jedem Fall gelten. Diese notwendige Konsequenz wollen aber weder der Altlastenbeschluss noch andere Entscheidungen oder Ansätze im Schrifttum ziehen (D.). II. Gleichheitsdogmatisch begründet (Zweiter Teil) Die Unterschiede zwischen Sachherren und Nicht-Verantwortlichen in der Einwirkungsmöglichkeit oder Einwirkungsbefugnis, der Nutzungsmöglichkeit oder Nutzungsbefugnis und der tatsächlichen oder rechtlichen Repräsentation stehen sämtlich im sachlichen Zusammenhang mit den Zielen der Gefahrenabwehr und der Beseitigung von Bodenverunreinigungen. Gleiches gilt für die Unterschiede zwischen verschiedenen früheren Eigentümern im Handeln unter verschieden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den Möglichkeiten des Einkalkulierens bestehender Verunreinigungen bei der Eigentumsübertragung oder sogar bereits beim Erwerb, einschließlich der Folgen für die Allgemeinheit (B.IV.2.). Das Anknüpfen an diese Unterschiede ist legitim (B.IV.3.). Die durch sie ausgelösten ungleichen Wirkungen sind ihrer Art nach vollständig gerecht-

368

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

fertigt, in ihrem Ausmaß aber nur zum Teil (B.IV.4.). Die Unterschiede in der Einwirkungsmöglichkeit oder -befugnis legitimieren die erleichterten Voraussetzungen einer polizei- und ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme gegenüber erschwerter Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher sowie die bodenschutzrechtliche materielle Handlungspflicht aktueller Sachherren gegenüber fehlender Pflichtenstellung. Die Pflichtenstellung früherer Eigentümer lässt sich dagegen nur über den Umweg des Einflusses auf die Kostenentstehung und nur insoweit rechtfertigen, als die Kostenauferlegung selbst gerechtfertigt ist (B.IV.4.a)). Die Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit oder -befugnis legitimieren die Belastung der aktuellen Sachherren mit Kosten der Gefahrenabwehr bzw. Bodensanierung nur insoweit, als die Möglichkeit reicht, aufgrund der Herrschaftsstellung Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr zu ziehen (B.IV.4.b)). Im Polizei- und Ordnungsrecht ist eine darüber hinausgehende, unbeschränkte Auferlegung von Kosten im Regelfall durch Gesichtspunkte der Repräsentation, das Einstehen für die äußere Gefährlichkeitsbilanz der Sache, gerechtfertigt. Davon auszugehen, dass im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts im Regelfall nach Eintritt einer Gefahr, deren Beseitigung vorteilsübersteigende Kosten erzeugt, kein Eigentümerwechsel stattfindet, hält sich im Rahmen zulässiger Typisierung. Sollte sich abzeichnen, dass in einem bestimmten Bereich Sachherrschaftswechsel und vorteilsübersteigende Kostenlast regelmäßig zusammenfallen, hat die Gesetzgebung ggf. mit einer Sonderregelung zu reagieren, wie für die Altlastenfälle mit dem BBodSchG geschehen. Soweit bei den im Anwendungsbereich der Polizei- und Ordnungsgesetze verbleibenden Fällen, besonders Alt-Altlastenfällen, ausnahmsweise Sachherrenauswechslung und vorteilsübersteigende Kostenlast zusammenfallen und eine unbeschränkte Inanspruchnahme zu persönlichen Härten führen würde, genügt es, wenn die Rechtsanwender dem bei der Ermessensausübung Rechnung tragen (B.IV.4.c)). Im Ergebnis ist eine unbeschränkte Kostenlast durch bestehende Unterschiede stets legitimiert, wenn die Gefahren im Zeitraum der Berechtigung entstanden sind. Wurde die Sachherrschaft nach Gefahrentstehung begründet und übersteigen die Beseitigungskosten die möglichen wirtschaftlichen Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr, ist persönlichen Härten bei der Ermessensausübung Rechnung zu tragen. (B.IV.4.g)(1)). Im Unterschied dazu kann im Bodenschutzrecht nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass der Sachherr nach der Verunreinigung nicht wechselt. Vielmehr durchzieht das Problem des kumulativen Auftretens von Eigentümer-/Sachherrschaftswechseln und vorteilsübersteigender Kostenlast das gesamte Anwendungsfeld der bodenschutzrechtlichen Sanierungsverpflichtungen. Die Wirkungen der Verantwortlichkeit lassen sich daher nicht durch den typisierten Umstand der Repräsentation der Sache zur Zeit der Verunreinigung legitimieren (B.IV.4.c)).

B. Erkenntnisse über die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit

369

Somit ist es allein der Unterschied in der Vorteilsziehungsmöglichkeit, der die ungleichen Wirkungen für die Eigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt einerseits, und für die Nicht-Verantwortlichen andererseits legitimiert und zugleich begrenzt. Eine Kostenlast, die mögliche Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr überschreitet, ist daher nicht gerechtfertigt (B.IV.4.g)(2)). Für die im BBodSchG verantwortlich gemachten früheren Eigentümer rechtfertigen Unterschiede gegenüber anderen früheren Eigentümern in der Möglichkeit des Einkalkulierens einer bestehenden Verunreinigung, sie mit Kosten zu belasten und insoweit auch handlungspflichtig zu machen, soweit die Kostenlast vor Eigentumsübertragung gerechtfertigt war, d.h. lediglich bis zur Grenze der ehemaligen Vorteilsziehungsmöglichkeit (B.IV.4.d)-f)). Der Umstand, dass im Polizei- und Ordnungsrecht das Legitimationsdefizit nur in einer speziellen Gruppe von Fällen auftritt, für die die Gesetzgeber inzwischen Spezialregelung getroffen haben, und somit lediglich Altfälle im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts verbleiben, ermöglicht eine Lösung im Wege einschränkender Auslegung. Sofern ausnahmsweise ein Wechsel in der Rolle des Eigentümers, Berechtigten oder Inhabers der tatsächlichen Gewalt nach Gefahrentstehung stattgefunden hat und die Kosten der Gefahrbeseitigung mögliche Vorteile aus der Sache oder dem Umgang mit ihr übersteigen, ist persönlichen Härten im Rahmen der Ermessensausübung Rechnung zu tragen (B.IV.5.a)). Der Weg verfassungskonformer Auslegung ist im BBodSchG durch das Scheitern entsprechender Begrenzungsversuche im Gesetzgebungsverfahren und das Bemühen versperrt, eine Spezialregelung gerade für eine Gruppe von Problemfällen zu treffen. Soweit hier ein Legitimationsdefizit besteht, sind die Regelungen für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz zu erklären. Um nicht in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen, kann dabei nicht nach Umständen differenziert werden, die im Gesetz nicht in Bezug genommen sind. Bodenschutzrechtliche Anordnungen gegen Zustandsverantwortliche sind daher bei der derzeitigen Differenzierung im BBodSchG von Verfassungs wegen generell nur bis zur Höhe der möglichen Vorteile aus dem Grundstück oder dem Umgang mit ihm erlaubt. Für den Immobilieneigentümer ist der Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung tauglicher Anhaltspunkt, für den Inhaber der tatsächlichen Gewalt der konkrete Nutzwert (B.IV.5.b)). Weder verbietet der allgemeine Gleichheitssatz, den Grad der Vorwerfbarkeit der subjektiven Haltung zum Risiko unberücksichtigt zu lassen, noch gebietet eine andere Verfassungsnorm, diesen Umstand zu berücksichtigen. Die Gesetzgeber könnten für die Zustandsverantwortlichkeit nach diesen oder anderen Umständen differenzieren. Von Verfassungs wegen müssen sie das aber nicht (B.V.5.).

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

370

III. Verhältnis von I. und II. (Dritter Teil) Die mit gleichheitsrechtlichen Erwägungen begründeten Grenzen lassen die freiheitsrechtliche Würdigung unberührt. Das teilweise Legitimationsdefizit begründet keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber ist deshalb frei und nicht durch die Eigentumsgewährleistung gehindert, eine unbeschränkte Kostenlast dadurch zu ermöglichen, dass er die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit ergänzt oder ändert (E.). IV. Folgerungen für die Verwaltungspraxis Das Bundesverfassungsgericht hat im Altlastenbeschluss der Verwaltung überantwortet, im Falle fehlender Zumutbarkeit über die Begrenzung der Kostenbelastung des Zustandsverantwortlichen zu entscheiden. Sofern der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit im Zeitpunkt der Sanierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt seien, sei die Sanierungsverfügung „mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden“.1 Diese Möglichkeit gestufter Entscheidung wurde im Schrifttum kritisiert. Sie lasse für den Betroffenen zu viel ungeklärt und könne zudem zu Ermessensfehlern bei der Auswahl unter mehreren Verantwortlichen führen.2 Sie lasse zudem Ausführungen dazu vermissen, inwieweit die verwaltungsverfahrensrechtliche Seite dem Ermessen der Verwaltung überlassen werden könne oder eine striktere gesetzliche Bindung erfordere.3 Falls eine gesonderte Entscheidung über die Kostenlast vorbehalten wird, wurde bereits dazu geraten, mit den Sanierungsmaßnahmen abzuwarten, bis die Entscheidung getroffen ist.4 Bei den gleichheitsdogmatisch begründeten Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit ist ein Interesse der Verwaltung an gestufter Entscheidung nicht anzuerkennen. Dass das Bundesverfassungsgericht im Altlastenbeschluss ein derartiges Bedürfnis annahm, gründete darin, dass es verlangte, bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nach dem Altlastenbeschluss vielfältige objektive und subjektive, mit Umständen der Gefahrentstehung und derzeitigen Situation des Verpflichteten zusammenhängende Kriterien zu berücksichtigen. Nach den vorstehenden Erkenntnissen sind hingegen nur wenige, unabhängig von langwierigen Ermittlungen feststellbare Faktoren maßgeblich. Im Bodenschutzrecht ist dies allein die Höhe der möglichen Vorteile aus dem Grundstück oder dem Umgang mit ihm. Zwar wird die Verwaltung häufig nicht in der Lage sein, diese Grenze bereits zur Zeit der Anordnung von Sanierungsmaßnahmen in Zahlen ————— 1

BVerfGE 102, 1-25/24.

2

Ginzky, DVBl. 2003, 169-178/173.

3

Klüppel, Jura 2001, 26-29/29.

4

Spieth/ von Oppen, PHi 2002, 10-18/13; dies., ZUR 2002, 257-265/261.

C. Folgerungen für künftige Grenzen

371

festzusetzen. Durch Festlegung der maßgeblichen Determinanten, etwa des maßgeblichen Zeitpunkts (beispielsweise nach Sanierung) und des anzuwendenden Bewertungsverfahrens, lässt sich die Grenze aber hinreichend bestimmt bezeichnen. Im Polizei- und Ordnungsrecht kommt es zusätzlich darauf an, ob der Verpflichtete die Herrschaft über die Sache erst erlangt hat, nachdem von dieser bereits Gefahren ausgingen. Das mag in den Altlastenfällen einigen Ermittlungsaufwand erfordern, weil der Zeitpunkt der Gefahrentstehung nicht immer auf Anhieb zu bestimmen ist. Ob insofern ein gestuftes Vorgehen erlaubt sein sollte, kann dahinstehen, weil allein Alt-Altlastenfälle im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts verbleiben, in denen die Anordnungen ohne Aufspaltung in Gefahrenabwehr- und Kostenentscheidung bereits ergangen sind. In sonstigen Fällen werden die Ermittlungen, in welcher zeitlichen Reihenfolge Herrschaftsbegründung und Gefahrentstehung stehen, keinen Aufwand erfordern, der es rechtfertigen könnte, die Anordnung von Gefahrenabwehrmaßnahmen unter Vorbehalt zu treffen und die Bestimmung der Kostengrenze aufzuschieben.

C. Folgerungen für künftige Grenzen Anders als bei einer freiheitsrechtlichen Begründung verbieten die Grenzen aus dem Gleichheitssatz eine weitergehende Belastung mit Kosten nur, wenn der Gesetzgeber an der derzeitigen Differenzierung festhält. Knüpft er die Handlungspflicht und Kostenlast an andere Voraussetzungen und fügt er somit neue Unterscheidungen ein, kann eine weitergehende Belastung gerechtfertigt sein. Die Begründung der Grenzen aus dem Gleichheitssatz wahrt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Will er die bisherigen Zustandsverantwortlichen möglichst weitgehend am tatsächlichen Aufwand und den finanziellen Aufwendungen der Altlastensanierung beteiligen, ohne (weitere) systemfremde subjektive Kriterien einzufügen, empfiehlt sich eine Abänderung des § 4 Abs. 3 u. Abs. 6 BBodSchG dahingehend, dass künftig zusätzlich danach unterschieden wird, ob die verantwortlichkeitsbegründende Herrschaftsposition während der Verunreinigung bestand oder erst danach begründet wurde. Das kann beispielsweise durch folgende Regelung erreicht werden: „Nach § 24 Abs. 1 BBodSchG ist als neuer Absatz 2 einzufügen: 1

Wurde in den Fällen des § 4 Abs. 3 S. 1, Abs. 3 S. 4 oder Abs. 6 das Eigentum an oder die tatsächliche Gewalt über das Grundstück erst nach der Zeit begründet, in der die schädliche Bodenveränderung oder Altlast verursacht wurde, trägt der Grundstückseigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt, derjenige, der das Eigentum an dem Grundstück aufgegeben hat, oder ein anderer früherer Eigentümer im Falle seiner Verpflichtung zur Durchführung die Kosten der angeordneten Maßnahmen nur insoweit als sie die im üblichen Geschäftsverkehr zu erlangenden wirtschaftlichen

372

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

Vorteile aus der Nutzung oder Veräußerung des Grundstücks nicht übersteigen. 2 Anhaltspunkte für die im üblichen Geschäftsverkehr zu erlangenden wirtschaftlichen Vorteile sind beim Eigentümer und früheren Eigentümer der Verkehrswert des Grundstücks (§ 194 des Baugesetzbuches) unter Berücksichtigung der durchzuführenden oder bereits durchgeführten Maßnahmen, beim Inhaber der tatsächlichen Gewalt der konkrete Nutzwert. Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.“

Der allgemeine Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber aber auch die Freiheit, die Verantwortlichkeit an andere (zusätzliche) Voraussetzungen, also etwa die im Altlastenbeschluss genannten subjektiven Kriterien oder die ebenfalls dort genannten Umstände der Gefahrentstehung zu knüpfen.

D. Abschließende Würdigung Die Untersuchung bestätigt grundsätzlich, dass die mit der Zustandsverantwortlichkeit verbundene Kostenlast von Verfassungs wegen nicht in allen Fällen unbeschränkt sein darf. Gegenüber den Grenzen im Altlastenbeschluss sind drei wesentliche Verschiebungen festzustellen: –

In den im Anwendungsbereich des Polizei- und Ordnungsrechts verbleibenden Alt-Altlastenfällen ist eine Begrenzung der Kostenlast nur dann geboten, wenn die Sache vom aktuellen Sachherrn (Eigentümer, Berechtigten oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt) bereits in gefährlichem Zustand übernommen wurde, die Kosten die wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung der Sache oder ihrer Veräußerung übersteigen und eine unbeschränkte Kostenlast zu einer persönlichen Härte führen würde. Insofern sind die Grenzen im Altlastenbeschluss strikter.



Im Anwendungsbereich des BBodSchG darf die Kostenlast generell die wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung der Sache oder ihrer Veräußerung nicht übersteigen. Das gilt jedenfalls solange, wie der Gesetzgeber nicht danach unterscheidet, ob der zur Durchführung Verpflichtete bereits Eigentum an oder tatsächliche Gewalt über die Sache hatte, als die Verunreinigung verursacht wurde, oder erst danach erlangte. Die Grenzen sind insofern strikter als im Altlastenbeschluss.



Auf die Umstände der Gefahrentstehung sowie die subjektive Haltung des Sachherrn zur Gefahr kommt es, anders als nach dem Altlastenbeschluss, nach dem derzeitigen Recht (mit Ausnahme der Regelung über die Verantwortlichkeit früherer Eigentümer im BBodSchG) nicht an.

Der größere Gewinn der Arbeit liegt aber darin, verfassungsrechtliche Grenzen systematisch erklären zu können und damit Verallgemeinerung zu ermögli-

D. Abschließende Würdigung

373

chen. Sie gibt eine Antwort auf die nach dem Altlastenbeschluss offenen Fragen.5 Hervorzuheben sind drei Vorteile gegenüber der Begründung der Grenzen im Altlastenbeschluss: –

Während die eigentumsdogmatische Begründung der Grenzen im Altlastenbeschluss zweifeln ließ, welche Bedeutung die Entscheidung für andere Verantwortliche hat, etwa für den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Sache, von der eine Gefahr ausgeht, für den früheren Eigentümer als neuem Verantwortlichen nach § 4 Abs. 6 BBodSchG oder für Verhaltens- und Zusatzverantwortliche, für den Betreiber einer Anlage oder Letztbetreiber eines stillgelegten Bergwerks, hängt die gleichheitsrechtliche Erklärung nicht am Bestehen einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition. Umgekehrt lässt sie je nach Voraussetzungen und Wirkungen einer Regelung differenzierte Ergebnisse zu und kommt damit nicht in Erklärungsnot bei anderen an das Eigentum anknüpfenden Pflichten. Die gleichheitsrechtliche Erklärung ist verallgemeinerungsfähig.



Die gleichheitsrechtliche Erklärung der Grenzen vermeidet den Bruch mit bisheriger Eigentums- und Verhältnismäßigkeitsdogmatik. Sie erfordert weder eine Neudefinition des Schutzguts der Eigentumsgewährleistung noch die Einführung einer bislang unbekannten verhältnismäßigkeitsunabhängigen Zumutbarkeitsschranke. Sie schreibt vielmehr die Entwicklung der Gleichheitsdogmatik zu einer nach Art und Ausmaß differenzierenden Prüfung fort. Sie ermöglicht, Grenzen aus den „Gründen“ der Pflichtigkeit zu erklären, d.h. den Umständen bei den Verantwortlichen, die sie von anderen unterscheidet und an die die gesetzliche Regelung anknüpft. Die Erklärung kommt ohne Entscheidung der Frage aus, ob die Intensität der (insbesondere finanziellen) Belastung der Verantwortlichen Schwere und Grad der Gefährdung der öffentlichen (Umwelt- und Gesundheits-) Interessen überwiegt, wie sie eine freiheitsrechtliche Angemessenheitsprüfung erfordert.



Indem sich die gleichheitsrechtliche Erklärung strikt an den Entscheidungen des Gesetzgebers, seinen Differenzierungen und den mit den Regelungsvoraussetzungen in Bezug genommenen Umständen orientiert, wahrt sie den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für Änderungen der Voraussetzungen bisheriger Verantwortlichkeit oder eine künftige gesetzliche Bestimmung neuer Verantwortlicher. Anders als der Altlastenbeschluss ist sie nicht darauf angewiesen, einerseits verfassungsrechtlich feststehende Grenzen zu behaupten, diese aber andererseits selbst dadurch wieder aufzuwei-

————— 5

Dazu der Befund am Beginn der Arbeit unter C.

374

4. Teil: Ergebnis und abschließende Würdigung

chen, dass sie auf Umstände abstellt, deren Berücksichtigung weder verfassungsrechtlich geboten noch einfachrechtlich gefordert ist.

Anhänge

Anhänge

377

Anhang I: Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder BadenWürttemberg Bayern

BaWü PolG Bay PAG

Bay LStVG

Berlin

Bln ASOG

Brandenburg

Bbg OBG

Bbg PolG

Polizeigesetz (PolG) i.d.F. v. 13.01.1992 (GBl. S. 1), zul. geänd. d.G.v. 01.07.2004 (GBl. S. 469) Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) i.d.F.d.B.v. 14.09.1990 (GVBl. S. 397), zul. geänd. d.G.v. 24.12.2005 (GVBl. S. 641) Gesetz über das Landesstrafrecht und Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) i.d.F.d.B.v. 13.12.1982 (GVBl. S. 1098), zul. geänd. d.G.v. 27.12.2004 (GVBl. S. 540) Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln) i.d.F.d.B.v. 11.10.2006 (GVBl. S. 930), zul. geänd. d.G.v. 14.11.2006 (GVBl. S. 1045) Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) i.d.F.d.B.v. 21.08.1996 (GVBl. I S. 266), zul. geänd. d.G.v. 18.12.2006 (GVBl. I S. 188) Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz – BbgPolG) vom 19.03.1996 (GVBl. I S. 74), zul. geänd. d.G.v. 11.05.2007 (GVBl. I S. 97)

Bremen

Brem PolG

Hamburg

HH SOG

Hessen

Hess SOG

MecklenburgVorpommern

MV SOG

Niedersachsen

Nds SOG

Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) i.d.F.v. 19.01.2005 (GVBl. S. 9), zul. geänd. d. Urteil des BVerfG v. 27.07.2005 (BGBl. I S. 2566)

NordrheinWestfalen

NW OBG

Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG) – i.d.F.d.B.v. 13.05.1980 (GV S. 528), zul. geänd. d.G.v. 05.04.2005 (GV S. 274) Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NW) i.d.F.d.B.v. 25.07.2003 (GV S. 441), zul. geänd. d.G.v. 05.04.2005 (GV S. 408) Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) i.d.F.v. 10.11.1993 (GVBl. S. 595), zul. geänd. d.G.v. 25.07.2005 (GVBl. S. 320)

NW PolG

Bremisches Polizeigesetz (BremPolG) vom 18.12.2001 (GBl. S. 73), zul. geänd. d.G.v. 28.02.2006 (GBl. S. 592) Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14.03.1966 (GVBl. S. 77), zul. geänd. d.G.v. 26.01.2006 (GVBl. S. 37) Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) i.d.F.v. 14.01.2005 (GVBl. I S. 14), zul. geänd. d.G.v. 17.10.2005 (GVBl. I S. 674) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in MecklenburgVorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) i.d.F.d.B.v. 25.03.1998 (GVOBl. S. 335), zul. geänd. d.G.v. 10.07.2006 (GVOBl. S. 551)

RheinlandPfalz

RhPf POG

Saarland

Saarl PolG

Sachsen

Sächs PolG

SachsenAnhalt

LSA SOG

SchleswigHolstein

SchlH LVwG

Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG –) i.d.F.d.B.v. 02.06.1992 (GVOBl. S. 243, ber. S. 534), zul. geänd. d.G.v. 13.04.2007 (GVOBl. S. 234)

Thüringen

Thür OBG

Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) vom 18.06.1993 (GVBl. S. 323), zul. geänd. d.G.v. 20.6.2002 (GVBl. S. 247) Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) vom 04.06.1992 (GVBl. S. 199), zul. geänd. d.G.v. 25.11.2004 (GVBl. S. 853)

Thür PAG

Saarländisches Polizeigesetz (SPolG) vom 08.11.1989 (Amtsbl. S. 1750) i.d.F.d.B.v. 26.03.2001 (Amtsbl. S. 1074), zul. geänd. d.G.v. 15.02.2006 (Amtsbl. S. 474) Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) i.d.F.d.B.v. 13.08.1999 (GVBl. S. 466), zul. geänd. d.G.v. 05.05.2004 (GVBl. S. 148) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt (SOG LSA) i.d.F.d.B.v. 23.09.2003 (GVBl. S. 215)

Anhänge

378

Anhang II: Synopse der landesrechtlichen Vorschriften Geschäftsherr einer Verrich tung

Inhaber tatsächlicher Gewalte)

§ 4 II

§ 4 III

§5I

§6I

§ 6 II

§ 6 III

§7 Alt. 2

Art. 5 I

Art. 7 I

Art. 7 II

Art. 7 III

Art. 8 I

Art. 8

Art. 7 II u. III

Art. 9 I1

Art. 9 I 2 u. 3

Art. 9 I4

Art. 9 II 1

§ 17 I

§ 11

§ 12 I

§ 13 I

§ 13 II

§ 13 III

Bbg OBG Bbg PolG

§ 13 I

§ 14

§ 15

§ 16 I

§ 16 II

§ 16 III

§ 10 I

§3

§4I

§5I

§ 5 II

Brem PolG HH SOG Hess SOG MV SOG

§ 10 I 1a) §3I

§3

§4I

§5I

§4

§3I

§ 11 I

§4

§ 13

Nds SOG NW OBG NW PolG

Generalklausel

Verhältnismäßigkeit

Ermessen

anderer Berechtigter

Ausschluss bei tats. Gewalt ohne Willen

ME PolG BaWü PolG

§8I

§2

§3I

§4I

§ 5 II Alt. 1 §7 Alt. 1

§ 5 II Alt. 2 ./.

§ 5 II 2

§3

§5

§3

Bay PAG

Art. 11 I

Art. 4

Art. 8 II 1 Alt. 1 Art. 9 II 2 Alt. 1

Art. 8 II 1 Alt. 2 Art. 9 II 2 Alt. 2b)

Art. 8 II 2

Bay Art. 7 LStVG II u. III Bln ASOG

§ 14 I

§ 14 III 1 Alt. 1

§ 14 III 1 Alt. 2

§ 14 III 2

§ 17 I 1

./.

§ 5 III

§ 17 II 1 §6I1

§ 6 II 1 Alt. 1

§ 6 II 1 Alt. 2

§ 17 II 2c) § 6 II 2

§ 5 II

§ 5 III

§6I

§8I

§ 8 II

§ 8 III

§ 6 II 1 Alt. 2 ./.

§5I

§6I

§ 6 II

§ 6 III

§9I3 Alt. 1 §7I1

§ 6 II 1 Alt. 1 §9I1

§ 15

§ 14 I

§ 69 I

§ 69 II

§ 69 III

§ 70 II 1

§ 7 II 1 Alt. 1 § 70 I

§ 7 II 1 Alt. 2 ./.

§7 II 2 § 70 II 2

§ 11a)

§4

§5I

§6I

§ 6 II

§ 6 III

§7I1

§ 15

§ 16

§ 17 I

§ 17 II

§ 17 III

§ 8 Ia)

§2

§3I

§4I

§ 4 II

§ 4 III

§ 18 II 1 §5I1

§ 7 II 1 Alt. 2 ./.

§ 7 II 2

§ 14 I

§ 7 II 1 Alt. 1 § 18 I 1 § 5 II 1 Alt. 1

§ 5 II 1 Alt. 2

RhPf POG Saarl PolG Sächs PolG

§9I1

§2

§3I

§4I

§ 4 II

§ 4 III

§5I1

§8I

§2

§3I

§4I

§ 4 II

§ 4 III

§5I1

§3I

§ 3 II u. III

§ 3 II

§4I

§ 4 II

§ 4 III

§5 Alt. 2

§ 5 II 1 Alt. 1 § 5 II 1 Alt. 1 §5 Alt. 1

§ 5 II 1 Alt. 2 § 5 II 1 Alt. 2 ./.

LSA SOG SchlH LVwG Thür OBG

§ 13

§5

§6I

§7I

§ 7 II

§ 7 III

§8I1

§ 174a)

§ 174

§ 174

§ 218 I

§ 218 II

§6

§7I

§ 10 I

§ 10 II

§ 219 II 1 § 11 I

§ 8 II 1 Alt. 2 ./.

§5I

§ 218 III § 10 III

§ 8 II 1 Alt. 1 § 219 I § 11 II 1 Alt. 1

§ 11 II 1 Alt. 2

Thür PAG

§ 12 I

§4

§5I

§7I

§ 7 II

§ 7 III

§8I

§ 8 II 1 Alt. 1

§ 8 II 1 Alt. 2

Verursacher

Aufsichtspflichtiger

Eigentümer

./.

Art. 9 II 2

§ 6 II 2 § 9 II

§ 18 II 2c) § 5 II 2 § 5 II 2 § 5 II 2 ./. § 8 II 2 § 219 II 2 Nr. 1c) § 11 II 2 § 8 II 2

Anhänge

Derelinquent

Nichtverantwortlicher

Ausgleichsanspruch Nichtverantwortlicher

Kosten bei unmittelbarer Ausführung

379

Anmerkungen: a) b)

Unter Auslassung der öffentlichen Ordnung. Beschränkt auf die „sonst dinglich Verfü-

gungsberechtigten“. c) Nach § 17 Abs. 2 S. 2 Bbg OBG und § 18 Abs. 2 S. 2 NW OBG muss die Ordnungsbehörde

ME PolG

§ 5 III

§6I

§ 45 I 1

§ 5a II 1

BaWü PolG Bay PAG Bay LStVG Bln ASOG

./.

§9I

§ 55 I 1

§ 8 II 1

Art. 8 III ./.

Art. 70 I Art. 11 I1 § 59 I Nr. 1

Art. 9 II ./.

[In § 18 Abs. 2 S. 2 NW OBG heißt es Sinn

§ 14 IV

Art. 10 I Art. 9 III § 16 I

§ 15 II 1

Bbg OBG Bbg PolG Brem PolG

§ 17 III

§ 18 I

./.

§ 6 III

§7I

§ 38 I lit. a § 70

behörde als allein verantwortlich anerkannt worden ist“. Nach § 219 Abs. 2 S. 2 Nr. 2

./.

SchlH LVwG ist eine Person, die die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, auch dann „an

§ 6 III

§7I

§ 56 I 1

./.

Stelle der Eigentümerin oder des Eigentümers verantwortlich, wenn sie … auf einen im Einver-

HH SOG Hess SOG MV SOG Nds SOG NW OBG NW PolG

§ 9 I 2d)

§ 10 I

§ 10 III

§ 7 III

§9I

§ 64 I 1

§ 70 III

§ 71 I

§ 72 I

§7 III 1 §8 II 1 § 70a II

§ 7 III

§8I

§ 80 I 1

§ 85 I 1

§ 18 III

§ 19 I

./.

§ 5 III

§6I

§ 39 I lit. a § 67

./.

RhPf POG Saarl PolG Sächs PolG

§ 5 III

§7I

§ 68 I 1

§ 6 II 1

§ 5 III

§6I

§ 68 I 1

./.

./.

§7I

§ 52 I 1

§ 6 II

LSA SOG

§ 8 III

§ 10 I

§69 I 1

§ 9 II 1

Berechtigte

SchlH LVwG Thür OBG

§ 219 III § 11 III

§ 220 I

§ 221 I

./.

Eigentümer an erster Stelle, vgl. § 7 BaWü PolG, § 17 Bbg OBG § 9 HH SOG, § 70 MV SOG, § 18

§ 13 I

§ 52

§ 12 II 1

Thür PAG

§ 8 III

§ 10 I

§ 68 I 1

§ 9 II 1

ihre Maßnahme auch dann „gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt richten, wenn er … auf einen entstellend „auf einem“.] im Einverständnis mit dem Eigentümer schriftlich oder protokollarisch gestellten Antrag von der zuständigen Ordnungs-

ständnis mit der Eigentümerin oder dem Eigentümer schriftlich oder zur Niederschrift gestellten Antrag von der zuständigen Behörde als allein verantwortlich anerkannt worden ist“. d) Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 HH SOG „darf sich [die Maßnahme] auch gegen denjenigen

richten, … der sein Eigentum nach den §§ 946 bis 950 BGB verloren hat“. e)

Unter den Zustandsverantwortlichen steht der

Inhaber der tatsächlichen Gewalt an erster Stelle in § 5 ME PolG, Art. 8 Bay PAG, Art. 9 Abs. 2 Bay LStVG, § 14 Bln ASOG, § 6 Bbg PolG, § 6 Brem PolG, § 7 Hess SOG, § 7 Nds SOG, § 5 NW PolG, § 5 RhPf POG, § 5 Saarl PolG, § 8 LSA SOG, § 11 Thür OBG und § 8 Thür PAG. Die Gesetze, die keine Regelung über sonstige enthalten,

nennen hingegen den

NW OBG, § 5Sächs PolG, § 219 SchlH LVwG.

Anhänge

380

Anhang III: Spezialgesetze und Spezialregelungen zur Sanierung von Altlasten in den Landesgesetzen der späten 80er und frühen 90er Jahre (zum Teil – zumindest auszugsweise – abgedruckt bei Brandt, Bodenschutzrecht) BaWü LAbfG

Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen und die Behandlung von Altlasten in Baden-Württemberg (Landesabfallgesetz – LAbfG) vom 8. Januar 1990 (GBl. S. 1) (§§ 22-27)

BaWü BodSchG

Gesetz zum Schutz des Bodens (Bodenschutzgesetz – BodSchG) vom 24. Juni 1991 (GBl. S. 434)

Bayern

BayAbfALG

Berlin

BlnBodSchG

Brandenburg

Bbg LAbfVG

Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und sonstigen Entsorgung von Abfällen und zur Erfassung und Überwachung von Altlasten in Bayern (Bayerisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz – BayAbfALG) vom 27. Februar 1991 (GVBl. S. 64) (Art. 26-28) Gesetz zur Vermeidung und Sanierung von Bodenverunreinigungen (Berliner Bodenschutzgesetz – BlnBodSchG) vom 10. Oktober 1995 (GVBl. S. 646) Vorschaltgesetz zum Abfallgesetz für das Land Brandenburg (Landesabfallvorschaltgesetz – LAbfVG) vom 20. Januar 1992 (GVBl. S. 16) (§§ 25-31)

BadenWürttemberg

Bbg AbfG

Brandenburgisches Abfallgesetz (Bbg AbfG) vom 6. Juni 1997 (GVBl. I S. 40) (§§ 29-39) Bremisches Ausführungsgesetz zum Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (BremAGAbfG) vom 15. September 1988 (GBl. S. 241) (§ 13)

Bremen

BremAGAbfG

Hamburg

HAbfG

Hessen

HAltlastG

MecklenburgVorpommern

MV AbfAlG

Niedersachsen

NAbfG

NordrheinWestfalen

NW LAbfG

Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesabfallgesetz – LAbfG) vom 21. Juni 1988 (GV S. 250) (§§ 28-33)

Rheinland-Pfalz

RhPf LAbfWAG

Landesabfallwirtschafts- und Altlastengesetz (LAbfWAG) i.d.F.d.B.v. 30. April 1991 (GVBl. S. 251) (§§ 24-32)

Saarland

SAbfG

Saarländisches Abfallgesetz (SAbfG) vom 3. Juni 1987 (ABl. S. 849), geänd. d.G.v. 1. Juni 1994 (ABl. S. 982) (§§ 16-16d)

Sachsen

Sächs EGAB

Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen (EGAB) vom 12. August 1991 (GVBl. S. 306) (§§ 7-10)

Sachsen-Anhalt

LSA AbfG

Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (AbfG LSA) vom 14. November 1991 (GVBl. S. 422) (§§ 29-31)

SchleswigHolstein

SchlH LAbfWG

Thüringen

ThAbfAG

Abfallwirtschaftsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesabfallwirtschaftsgesetz – LAbfWG) vom 6. Dezember 1991 (GVBl. S. 640) (§ 21) Gesetz über die Vermeidung, Verminderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und die Sanierung von Altlasten (Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz – ThAbfAG) vom 31. Juli 1991 (GVBl. S. 273) (§§ 16-22)

Abfallwirtschaftsgesetz (HAbfG) vom 1. Dezember 1992 (GVBl. S. 251) (§ 16) Gesetz über die Erkundung, Sicherung und Sanierung von Altlasten (Hessisches Altlastengesetz – HAltlastG) vom 20. Dezember 1994 (GVBl. I S. 764) Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz für Mecklenburg-Vorpommern (Abfallwirtschaftsgesetz – AbfAlG M-V) vom 4. August 1992 (GVOBl. S. 450) (§§ 22-25) Niedersächsisches Abfallgesetz (NAbfG) i.d.F.d.B.v. 14. Oktober 1994 (GVBl. S. 467) (§§ 31-39)

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Sachwortregister Abfallbesitzer 34, 38 Abgestufte Ungleichbehandlung 227 Abschleppfall 309 Abwehrrecht 159, 348, 355 Adressat 68, 76, 90, 119, 169, 174, 201, 230, 237, 239, 285, 301, 358 Alkoholeinfluss 183, 219, 229 Allgemeine Handlungsfreiheit 58, 69, 234, 262, 265, 284, 342, 344, 350 Allgemeines Landrecht 94, 95 Allgemeinheit 22, 65, 72, 78, 79, 105, 108, 117, 118, 119, 124, 127, 143, 148, 165, 166, 190, 192, 195, 196, 286, 294, 296, 297, 298, 300, 301, 307, 312, 313, 314, 358 Allgemeinlast 195 Alternative Voraussetzungen 228, 229, 230, 244, 245, 250 Altlast (Definition) 26, 248 Altlastenbeschluss – nachfolgende Entscheidungen 33 Altlastenbeschluss – Reaktionen 37 Altlastensanierung 19, 22, 24, 26, 30, 44, 52, 64, 319, 380 Altlastverdachtsflächen 40 Angemessenheit 18, 73, 79, 80, 82, 85, 116, 120, 125, 131, 188, 254, 261, 267 Angestellte 178, 228 Anknüpfende Voraussetzungen 223, 224, 244 Anwartschaft 132, 226, 328, 331 Anwendungsverbot 349 Apotheken-Urteil 121, 147, 326 Arbeiter 178, 228 Arbeitslosengeld 77, 186

Art und Ausmaß 73, 85, 187, 248, 253, 254, 260, 261, 268, 283, 284, 334, 355 Auslandszuschlag 181 Auslegungskriterien 89, 92 Auslegungsvoraussetzung 277 Auslegungsvoraussetzungen 235 Ausweispflicht 221, 222 BAföG 186 Bahnhofsapotheke 326 Baumschutzverordnung 229 Beamtenstatus 224, 276 Begünstigung 174, 188, 204, 205, 223, 225, 226, 227, 233, 236, 258, 259, 260, 264, 279, 325 Belastungsgrenzen 18, 29, 56, 65, 85, 116, 117, 118, 140, 146, 149, 151, 152, 159, 160, 161, 163, 167, 332 Belastungsintensität 79, 84, 118, 123, 125 Bergwerkseigentümer 34, 38 Beschäftigungszeiten 176 Besitz 95, 98, 101, 110, 292, 306, 307, 340 Besoldung 176, 181 Bestandsgarantie 149, 150, 153, 154, 156, 157, 167 Bewegliche Sachen 40, 104, 109, 308, 309 Billigkeitserwägungen 30, 106, 107, 151 Blutalkoholkonzentration 219, 229 Bodenschutzbericht 41 Bodenschutzrechtlich Verantwortliche 22

Sachwortregister Bundes-Bodenschutzgesetz-Entwürfe 23 Bundesverfassungsgerichtspositivismus 37 Cannabis 182 Casum sentit dominus 40, 290 Chancengleichheit 275, 343, 354 Denkmalschutz 59, 130, 140, 151, 159 Denkmalschutzbeschluss 33, 140, 151 Dereliktion 246 Derelinquent 22, 23, 38, 246, 247, 249, 251, 252, 293, 296, 297, 300, 313, 314, 379 Differenzierungskriterium 255, 256, 259 Differenzierungsziel 255, 259, 262 Drittwirkung 198 Durchgangseigentümer 294, 313 Einfacher Gesetzesvorbehalt 70 Eingriffsdogmatik 212 Eingriffsmodell 47, 196, 209, 210, 211, 212, 264 Eingriffsnormen 81 Einwirkungsbefugnis 289, 292, 301, 304, 334 Einwirkungsmöglichkeit 63, 76, 79, 80, 288, 289, 292, 301, 303, 304, 315, 334 Elfes-Urteil 350 Enteignung 48, 49, 53, 153, 161, 182, 341, 342, 351 Entgeltfortzahlungspflicht 176 Erbschaft 88 Erdrosselnde Wirkung 56 Erforderlichkeit 68, 72, 73, 79, 80, 82, 122, 135, 137, 138, 139, 161, 169, 260, 261, 267, 358 Ermessensnorm 81 Erschließungsbeitrag 56, 58, 165, 338 Ersteigerungsfall 32 Existenzminimum 265

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Fehlende Erforderlichkeit 83, 138, 261 Felskopf-Urteil 99, 100 Felssicherungsmaßnahmen 35 Fiskusprivileg 78, 122 Früherer Eigentümer 23, 38, 112, 113, 115, 172, 230, 247, 248, 249, 250, 252, 284, 297, 298, 300, 302, 303, 310, 311, 312, 313, 314, 316, 334, 335 Funkenfall 98 Funktionale Einheit 65 Gebundene Normen 81 Geburtsnamen 208 Geeignetheit 68, 73, 79, 80, 82, 122, 139, 161, 169, 177, 195, 258, 260, 261, 267 Gefahr 21, 243, 245, 301 Gefährdungshaftung 40 Gefahrenbereich 106, 287 Gefahrentstehung 65, 85, 89, 90, 91, 108, 110, 111, 112, 113, 115, 118, 120, 166, 253, 288, 289, 290, 291, 302, 304, 308, 310, 311, 316, 318, 319, 320, 334 Gefährlichkeitsbilanz 307, 315, 334 Geldleistungspflicht 52, 55, 58, 190 Gemeinwohl 52, 61, 67, 75, 83, 88, 95, 110, 123, 125, 126, 127, 130, 132, 322 Gemeinwohlinteressen 64, 84, 91, 118, 120, 124, 140, 165, 167 Gemeinwohlverträglichkeit 88, 152 Generalisierung 271, 300 Genese 92 Gerechtigkeitsgefühl 37, 171 Gerechtigkeitsmaßstäbe 210, 264, 267, 330, 331 Gesamtrechtsnachfolger 22, 45, 249, 310 Gesetzesbegründung 67, 70 Gestaltungsraum 211, 226, 235 Gestörte Privatnützigkeit 158 Gesundheitsschutz 76, 118, 261

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Sachwortregister

Gewohnheitsrecht 107 Gleichbehandlungsgebot 192, 209 Gleichbehandlungsverbot 297, 323, 324, 325, 327, 330, 332, 352 Gleichheitsdogmatik 45, 46, 282 Gleichheitsmodell 45, 46, 170, 196, 197, 200, 220 Gleichheitsprüfung 284 Gleichheitsprüfung ohne Ungleichbehandlung 322 Grund und Grenze 17, 18, 61, 62, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 121, 164, 187, 287 Grundrechtsbindung 62 Grundrechtsschutz durch Verfahren 135, 141 Grundsteuer 59, 306 Hafengebühr 58 Haftungsgrund 74 Handlungspflicht 52, 55, 56, 57, 58, 60, 171, 239, 311, 315, 334 Handwerksrolle 223 Hecksche Formel 81, 89 Hochschullehrer 327, 331 Höchstgeschwindigkeit 228, 262 Hoheitsaktsdreieck 174, 205, 258, 262 Höhere Gewalt 100, 106 Idealkonkurrenz 354 Innerer Vorbehalt der Gesetze 106 Innerer Zusammenhang 58, 176, 181, 269, 270 Institutsgarantie 149, 167 Interessenabwägung 64, 80, 83, 84, 86, 89, 108, 116, 123, 129, 135, 140, 145, 166, 187 Interne Zwecke 211, 265, 266 Jedermannspflicht 190, 192, 359 Jugendschutz 69 Kampfmittelräumung 27

Kernbereich 130, 140, 146, 148, 149, 150, 152, 154, 156 Kirchensteuer 142 Klassenbaummodell 209, 217, 225 Kleingartenpacht 127, 128, 136, 138 Komplementärfunktion 357 Konfiskatorische Wirkung 56 Konkrete Gefahr 242, 244 Konkurrenz 344, 351, 353 Konnexitätsprinzip 239 Kontrolldichte 281, 284 Korrelationsgrundsatz 74, 164 Korrespondenzverhältnis 66, 80, 85, 163, 164, 165, 187 Kostenlast 28, 35, 36, 55, 56, 93, 113, 114, 115, 195, 238, 239, 243, 302, 304, 310, 314, 315, 316, 319, 320, 335, 360 Krankenversicherung 175, 185 KrW-/AbfG 34 Kündigungsfristen 228 Kündigungsschutz 78, 128, 136 Ladenschlussgesetz 326 Lastenverteilung 171, 172, 190, 191, 259, 286 Legitimationszusammenhang 177, 181, 303 Legitimes Ziel 67, 82, 121, 131, 139 Legitimierender Grund 63, 64, 66, 74, 75, 123, 168, 254 Legitimitätserfordernis 278, 279, 280, 301 Leistungsanspruch 198, 211 Maßgebende Unterschiede 276, 286, 287, 288, 289, 292, 293, 333 Maßstabsabhängigkeit 205, 206, 207 Materielle Gefahrenabwehrpflicht 239 Materielle Polizeipflicht 74, 240 Materielles Grundrechtsverständnis 70 Meinungsfreiheit 69, 280 Meldepflicht 221, 222 Menschenwürde 148

Sachwortregister Mieter 101, 129, 306, 340 Milderes Mittel 72, 137 Mindestposition 140, 147, 161, 163 Missbrauchsvorbehalt 86 Nachsorgepflichten 41, 266 Nachtarbeit 179, 183 Nachtarbeitsverbot 179 Nachwirkende Zustandsverantwortlichkeit 285 Nassauskiesungsbeschluss 53, 125, 149, 341 Naturkatastrophe 106 Naturkräfte 98, 99 Neue Formel 180, 268, 271 Nichtigkeitsfolge 317, 349 Nießbraucher 101, 103 Normprägung 177, 273, 347 Nudum jus Quiritium 155 Nutzungsbefugnis 125, 140, 156, 157, 158, 167, 289, 301, 304, 321, 334 Nutzungsmöglichkeit 50, 57, 63, 157, 174, 292, 301, 302, 304, 305, 311, 334 Nutzungsüberlassung 56 Nutzwert 321 Offene Normen 81 Öffentliche Aufgabe 49 Öffentliche Ordnung 91 Öffentlich-rechtliche Pflichten 190 Opfergrenze 27, 167, 320 Opferlehre 27 Opferposition 27, 91, 115, 160 Pächter 103, 127, 306 Paternalismus 50, 53 Pauschalisierung 271 Personenbezogenes Unterscheidungsmerkmal 281, 284 Personengruppen 180, 201 Persönliche Arbeit 161 Persönliche Ehre 69 Pflegeversicherung 185, 328, 331

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Pflichtexemplar 56, 79, 126, 127, 138 Pflichtverteidiger 216 Politische Betätigung 224 Polizeigesetz-Musterentwurf 21, 90, 109, 379 Polizeipflichtige 18 Polizeiverwaltungsgesetz 104 Positivistisches Grundrechtsverständnis 70 Praktische Konkordanz 137 Präponderanz der Freiheit 354 Preußische Verfassung 25, 97 Preußisches Oberverwaltungsgericht 24, 93, 94, 240, 290 Privatnützigkeit 48, 50, 60, 130, 149, 150, 151, 156, 157, 161, 166 Qualifizierter Gesetzesvorbehalt 69 Rechtfertigungserfordernis 231, 284 Rechtliche Unmöglichkeit 100, 102, 110 Rechtsanwendung 237 Rechtsauslegung 235 Rechtsetzung 203 Rechtsfolgenanordnung 224 Rechtsnachfolger 39, 41 Rechtssicherheit 135, 317, 321 Rechtsstaatsprinzip 18, 136, 144, 274, 350 Regelungsbereich 176, 177, 180, 184, 185, 254, 268, 275, 333, 347 Regelungsgrund 78 Regelungsvoraussetzung 277 Regelungswirkungen 17, 187, 258, 323, 373 Regelungszweck 17, 62, 66, 75, 78, 91, 176 Renaissance des Polizeirechts 26 Rentner 175, 179 Repräsentation 291, 292, 301, 302, 305, 308, 309, 310, 315, 316, 334 Restprobleme 72, 73, 142, 333, 357 Risikosphäre 26, 287, 290

408

Sachwortregister

Ruhegeld 183, 265 Sachbereich 61, 77, 132, 161, 174, 175, 177, 179, 181, 189, 205, 264, 267, 270, 278, 284, 285, 301, 329, 330, 331 Sachbezug 179, 275, 283, 284 Sachdienlichkeit 177 Sachenrechtsmoratorium 127, 128, 138, 210 Sachgerechtigkeit 178, 323 Sachherrschaft 39, 64, 76, 80, 89, 90, 103, 174, 288 Sachlichkeitsgebot 175, 177, 181, 258, 267 Sachverhaltsgruppen 201 Sanktion 91 Schädliche Bodenveränderung 248 Schuldgrundsatz 91, 265 Schuldrechtsanpassung 127, 128, 136 Schutzbereich 47, 53, 156, 172, 197, 209, 210, 212 Schutzbereichsimmanente Schranke 52, 110 Schutzwürdigkeitserwägungen 86 Sonderabgaben 190 Sonderopfer 341, 342, 351 Sozialbindung 28, 51, 114, 161, 339 Soziale Adäquanz 54 Soziale Pflegeversicherung 328 Sozialpflichtigkeit 61 Sozialstaatsprinzip 274 Spekulationsgeschäft 88, 298, 300 Stichtagsregelung 271, 272, 315 Stilllegungspflichten 42 Störer 18 Störerauswahl 35, 172 Systematik 90 Tankwagenunfall 108 Tatsächliche Gewalt 105 Tatsächliche Unmöglichkeit 100 Tatsächlicher Nutzen 50 Teilhabeansprüche 198, 279

Tertium comparationis 215 Testamentserrichtung 184 Tollwutverdacht 51, 337 Treu und Glauben 107, 110, 145 Trümmergrundstücke 105 Typisierung 182, 271, 282, 310, 315, 334 Überlassungspflichten 136 Übermaßverbot 17, 18, 91, 92, 117, 121, 342, 347, 348 Umlegung 68, 165 Umweltbundesamt 41 Umweltgesetze 25, 41 Umwelthaftungsrichtlinie 42 Umweltrahmengesetz 29 Umweltschutz 76, 118, 119 Umweltschutzdebatte 25 Ungeeignetheit 82, 131 Ungleichbehandlung (Definition) 174, 205 Ungleichbehandlungsgebot 323 Unlösbarer Zusammenhang 58 Unmittelbarkeitserfordernis 35 Unterscheidungsmerkmal (Definition) 175, 276, 277 Unterschiede (Definition) 277 Unterschied-Wirkungs-Relation 180, 187, 188, 189, 267, 275, 284, 302 Unterschied-Zweck-Relation 175, 275, 284 Unvereinbarkeitserklärung 317, 349 Urheberrecht 77, 123, 136, 162 Urzustand 273 Verallgemeinerungsfähigkeit 40 Verantwortungsbereich 287, 290 Verfassungsdogmatik 36, 37, 43, 45, 134 Verfassungskonforme Auslegung 111, 317, 318, 319, 334 Verfügungsbefugnis 48, 158 Verfügungsrecht 97, 136, 137 Vergleichbarkeit 215, 216, 227

Sachwortregister Vergleichsmodelle 209, 225 Vergleichspaare 218, 220, 243, 244, 249, 252, 253 Verhaltensbezogenes Unterscheidungsmerkmal 281 Verhaltensverantwortlicher 27, 39, 90, 304 Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 18, 79, 83, 117, 119, 137, 139, 140, 166, 358 Verhältnismäßigkeitserfordernisse (Gleichheitssatz) 18, 254, 258, 267, 285, 347 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 17, 20, 28, 30, 40, 61, 62, 67, 73, 75, 83, 117, 119, 120, 121, 122, 124, 127, 128, 132, 143, 144, 145, 146, 148, 149, 155, 188, 212, 238, 336, 347, 348 Verkehrswert 45, 64, 65, 114, 115, 117, 151, 160, 320 Vernünftiger Grund 269 Verordnungsgeber 200 Verpachtungsfall 32 Versammlungsfreiheit 86 Versicherungsmöglichkeit 290, 306 Vertrauensschutz 18, 135, 136, 139, 141 Verursacher 22, 31, 41, 45, 63, 90, 107, 113, 114, 195, 290, 378 Verursacherprinzip 259, 265 Verursachungsbeitrag 41, 90 Verwaltungspraktikabilität 271 Verwertungsrecht 136, 138

409

Von-Nutzen-Sein 50, 157, 160 Voraussetzungsmodell 220, 234, 271 Vorhersehbarkeit 54, 288 Vorsorgepflicht 25 Vorteilsabschöpfung 80, 165, 166 Vorwerfbarkeit 65, 85, 86, 89, 91, 113, 115, 120, 166, 174, 253, 333 Wehrpflicht 219, 229 Weimarer Reichsverfassung 153 Wesensgehalt 126, 145, 147, 148, 150, 161 Wesentliche Gleichheit 209, 212, 213, 214, 215 Wiedergutmachung 182 Willkürprüfung 237, 263, 267 Willkürverbot 173, 214 Wirklichkeitsausschnitt 54, 210, 212 Wirtschaftliche Unmöglichkeit 107 Wirtschaftlicher Nutzen 50 Wissenschaftliche Theorie 40 Zufall 93, 97, 100, 106, 290, 307, 323 Zumutbarkeitsschwellen 65 Zurechenbarkeit 54 Zurechnung 291 Zusatzverantwortliche 39, 45, 90, 108, 244, 373 Zustandsstörer 18 Zweckentfremdungsabgabe 57, 131 Zweck-Mittel-Verhältnis 19, 66, 70, 71, 76, 78, 79, 80, 85, 119, 120, 135, 137, 169, 193, 194, 257, 347