Grete Schickedanz : Vom Lehrmädchen zur Versandhauskönigin 3550069197

Grete Schickedanz (1911–I991), die »First Lady der deutschen Wirtschaft«, dirigierte ein verzweigtes Familienunternehmen

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Grete Schickedanz : Vom Lehrmädchen zur Versandhauskönigin
 3550069197

Table of contents :
Umschlag
Titel
Impressum
Inhalt
I. Abenteuer Versandhandel
II. Die wichtigste Kauffrau Europas
III. Anfänge in Fürth
IV. Heirat mit dem Chef - Die Quelle im »Dritten Reich«
V. Die Einkaufschefin: Wirtschaftswunder und Konsumwelle
VI. Aufbruch ins Ausland: Von Franken nach Hongkong
VII. Alltag im Versandgiganten
VIII. Die Quelle-Chefin: Gnädige Frau und letzte Instanz
IX. Machtübergabe
X. Eine Milliarde für Leipzig
XI. Das Vermächtnis
XII. Anmerkungen
XIII. Chronologie Grete Schickedanz
XIV. Literaturverzeichnis
Danksagung
Personenregister
Bildnachweis
Bidmaterial

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CHRISTIAN BÖHMER

Vom Lehrmädchen zur Versandhauskönigin

ULLSTEIN

Christian Böhmer • Grete Schickedanz

Christian Böhmer

GRETE SCHICKEDANZ Vom Lehrmädchen zur Versandhauskönigin

Ullstein

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Böhmer, Christian: Grete Schickedanz : vom Lehrmädchen zur Versandhauskönigin / Christian Böhmer. - Berlin ; Frankfurt/M ; Berlin : Ullstein, 1996 ISBN 3-550-06919-7

ISBN 3-550-06919-7

© 1996 by Verlag Ullstein GmbH, Berlin - Frankfurt/Main Alle Rechte vorbehalten Satz: Benens & Co., Berlin Druck und Bindung: Wiener Verlag, Himberg Printed in Austria 1996 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff

Inhalt

I. Abenteuer Versandhandel

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II. Die wichtigste Kauffrau Europas III. Anfänge in Fürth

13

27

IV. Heirat mit dem Chef - Die Quelle im »Dritten Reich« 37

V. Die Einkaufschefin: Wirtschaftswunder und Konsumwelle 52 VI. Aufbruch ins Ausland - Von Franken nach Hongkong 70 VII. Alltag im Versandgiganten 77 Mode für Millionen 77 Vom Fertighaus zum Rassehund Familie und Geschäft 96

86

VIII. Die Quelle-Chefin: Gnädige Frau und letzte Instanz 108 Goldene Zeiten 108 Aufbruch in Budapest 119 Krisenzeiten 131 5

IX. Machtübergabe

141

X. Eine Milliarde für Leipzig

XI. Das Vermächtnis XII. Anmerkungen

XIII. Chronologie

153

175

188 195

XIV. Literaturverzeichnis 202 Zeitungen und Zeitschriften Nachschlagewerke 203 Quellen 203 Darstellungen 203 Danksagung

206

Personenregister

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I. Abenteuer Versandhandel

Grete Schickedanz hat nie Zeit. Besucher erwischen sie allenfalls zwischen Tür und Angel: Sie ist damit beschäf­ tigt, Waren für das Versandhaus Quelle zu mustern, Kata­ logseiten im Layout zu kontrollieren oder mit Mitarbei­ tern über eine Einkaufsreise zu sprechen. Man kann sie minutenweise beobachten, schreibt die Journalistin und Autorin Ursula von Kardorff, doch nicht ungestört: »Denn sie fragt sofort: >Wie gefällt Ihnen das, was meinen Sie dazu?«*1 Schwierige Fragen kommen da selten auf. Die Kon­ zernherrin hat Charme, strahlende blaue Augen und einen untrüglichen Sinn für die Ware. Besucher, die in die Konzernzentrale ins fränkische Fürth kommen, faßt sie an Arm und Hand und läßt sie am Abenteuer Versandhan­ del teilnehmen. Ihre Domäne sind Textilien. Sie prüft den Stoff zwischen zwei Fingern: »Orange wird die Farbe«, bemerkt sie einmal. »Alles knitterfrei. Wasch- und pflege­ leicht. «2 Ein anderes Mal stehen 300 Schuhe auf weißen Tischen. Die Artikel sind aus einem Angebot von 12 000 Stück aus­ gewählt worden. Grete Schickedanz probiert Skistiefel und Sandalen. Dann moniert sie unförmige Plateauschuhe, die der Jugend gefallen sollen. Schließlich ruft sie den Ein­ käufern zu: »Kinder, wo sind denn die orchideenfarbenen Hausschuhe, die zu der Bettwäsche und dem Nachthemd passen sollten?«

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Grete Schickedanz lebt mit ihren Katalogartikeln. Ein­ mal pickt sie sich eine Tischdecke aus der Ware heraus und bemerkt zu einer Besucherin: »So eine haben mir ameri­ kanische Freunde mal geschenkt, die muß man nicht bügeln, die ist mordspraktisch.« Sie fügt hinzu: »Ich habe damals am Etikett gesehen, daß sie gar nicht aus Amerika kommt, sondern aus Portugal. Was, habe ich meinen Her­ ren gesagt, wir kaufen seit Jahren in Portugal ein, und so eine Tischdecke führen wir nicht, das muß sich än­ dern ...« Wenn Kunden nicht zufrieden sind und sich beschwe­ ren, kümmert sie sich persönlich darum. Briefe wie dieser gelangen täglich auf ihren Schreibtisch: »Meine Groß­ mutter hat schon bei Ihnen gekauft, meine Mutter hat bei Ihnen gekauft, ich kaufe bei Ihnen, aber mit den Hosen, die ich vor zwei Jahren erworben habe, bin ich nicht zu­ frieden, sie fusseln.« Grete Schickedanz veranlaßt, daß dem Mann eine neue Hose geschickt wird. Dann fragt sie ihren langjährigen Einkaufschef Herbert Bittlinger: »Herr Bittlinger, Sie sagen immer, Sie tragen QuelleHosen, wie ist das mit den Fusseln?«3 Rastlos geht es weiter, jeden Tag bis zum späten Abend, oft auch am Wochenende. Die Katalogmaschinerie kennt keine Pause, auch nicht für die Chefin. Sie läßt sich die Katalogseiten im Entwurf zeigen. Manchmal hat sie fünf Mitarbeiter dabei, die ihr letztes Wort erwarten: »Was soll ich denn mit dieser Farbe machen, dieser blauen Soße?« ruft sie einmal ärgerlich, nachdem sie ihre Brille aufge­ setzt hat. »Die Struktur des Anzugs verschwindet ja dabei, die Hose dort bitte einen Zentimeter verschieben, dann kommt sie weg vom Bruch. Die Hand könnt ihr schneiden, sonst ist es a Pfusch«, bemerkt sie im fränki­ schen Tonfall. »Die Freizeitmode ist ausgezeichnet-muß der Text darüberlaufen? Dann ohne Balken bitte. Diese

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Bluse ist teuer, die müßt ihr a weng größer bringen«, lautet die Order der Chefin.4 Während im Versandgebäude die Etagen neonhell er­ leuchtet sind, gleicht ihr eigenes Büro an der Nürnberger Straße 91-95 in Fürth einem Salon. Auf einem kleinen Damenschreibtisch stehen Blumen und eingerahmte Fa­ milienfotos. Ein Lampenschirm ist mit Pergament be­ spannt, an den Wänden hängen Stilleben, unter Barock­ tischchen und Gobelinstühlen liegen Perserteppiche. Die vielbeschäftigte Frau ist hier zu Hause. Sie kommt mor­ gens um halb acht und geht abends oft als letzte. Einer Besucherin erzählt sie einmal: »Als neu gebaut wurde, hab ich gesagt: Ich will nimmer so einen nüchter­ nen Schreibtisch und so ein kahles Glasfenster. Immer haben wir alles in den Versand gesteckt, jetzt geben wir an in der Verwaltung. Für die restlichen Jahre will ich eine persönliche Atmosphäre haben bei der Arbeit.«5 In der ersten Etage eines umgebauten Lagerhauses, wo sie arbeitet, herrscht trotz der Stilmöbel keine Idylle. Oft ist das ganze Zimmer mit Entwürfen für neue QuelleModelle übersät. Besucher geben sich die Klinke in die Hand, das Telefon klingelt. Bis kurz vor seinem Tod 1977 sitzt Ehemann und Quelle-Gründer Gustav Schickedanz im Nachbarzimmer. Die Möbel wirken dort schwer, sie sind aus Eiche. Neben dem Schreibtisch thront die mittelalterliche Holzfigur eines Richters. Gustav Schickedanz kennt sich gut in Malerei, Skulptur und Literatur aus. Der gotischen Figur schreibt der Handelsherr einen gewissen Einfluß auf seine Entscheidungen zu: »Wenn ich etwas gemacht habe, dann habe ich das Gefühl, er sieht mich so merkwürdig an.«6 In diesen beiden Zimmern laufen jahrzehntelang die Fäden des Quelle-Imperiums zusammen. Aus kleinsten 9

Anfängen wächst das über Jahre größte Versandhaus Europas. Ihren Kunden sind beide über die Katalog-Vor­ worte bekannt. Besonders Grete Schickedanz prägt das millionenfach gedruckte Aushängeschild der Familien­ firma. In späteren Jahren sind die Fotos der Chefin retu­ schiert, Falten verschwinden. Doch das stört die Kunden nicht, denn auch sie werden älter. Die Zimmer mit den Nummern 143 und 146 in der Für­ ther Konzernzentrale sind heute verwaist. Grete Schicke­ danz starb am 23. Juli 1994. Die Räume werden weiterhin geputzt, Blumen und Fotos stehen auf den Tischen. Mit­ glieder der Schickedanz-Familie arbeiten und telefonieren hier gelegentlich. Der Trubel herrscht aber mittlerweile woanders. Als Grete Schickedanz noch lebte, war nie viel Zeit, über ihr Leben zu berichten. Bis Anfang der 90er Jahre war sie im Unternehmen aktiv, insgesamt diente sie der Quelle 65 Jahre lang. Wohl keine andere Frau war länger in einem deutschen Großunternehmen führend tätig. Sie war in der Öffentlichkeit bekannt und erhielt zahlreiche Ehrungen. Das Bild der ewig strahlenden Konzernchefin haben sie und ihre Umgebung bis zuletzt aufrechterhalten. Was sich dahinter verbarg, wissen bis heute nur Ver­ traute, enge Mitarbeiter und Familienangehörige. Sie ließ sich ungern in die Karten schauen und gab ihre Erfolgs­ geheimnisse selten preis. Man konnte wohl alles von ihr erwarten, bloß keine Schilderung ihrer Karriere. Rück­ wärtsblicken war nicht ihre Sache, auch wenn es das eigene Leben war. Einzelhandelskonzerne sind bis heute in vielen Fällen öffentlichkeitsscheu. Die Familie Schickedanz als Eigne­ rin der gleichnamigen Unternehmens gruppe mit dem Flaggschiff Quelle macht da keine Ausnahme. Die Gesell­ schaft firmiert bis heute als Personcngesellschaft. Anders 10

als eine Aktiengesellschaft muß sie nicht im jährlichen Geschäftsbericht ausweisen, was unter dem Strich als Gewinn (oder auch Verlust) übrigbleibt. Die Gruppe mit Versicherungen, Banken und Handelsgesellschaften im In- und Ausland ist auch für Insider ein schwer zu durch­ schauendes Geflecht. Auch die Quelle ist im Kern eine Personengesellschaft, obwohl sie sich in der Firmenbe­ zeichnung eine AG& Co. nennt. Der Reichtum der Familie ist schon lange legendär. Die Fürther Handelsdynastie gehört nach Expertenschätzun­ gen zu den vermögendsten Familien in Deutschland und wird (Mitte der 90er Jahre) auf fünf Milliarden Dollar (rund sieben Milliarden DM) taxiert. Reicher sind nach dieser Aufstellung des US-Wirtschaftsmagazins »Forbes« in Deutschland nur die Quandts mit etwa 7,3 Milliarden Dollar. Bei Einzelpersonen führten die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht mit 7,6 Milliarden und der Chef der Supermarktkette Tengelmann, Erivan Haub, mit 5,6 Mil­ liarden Dollar die Krösusliste an.7 Dieser Bericht will aus unabhängiger Sicht ein Bild von »Frau Quelle« zeichnen. Frühere Freunde, führende Mit­ arbeiter und Familienmitglieder haben dafür erstmals Auskunft gegeben. Die Firma hat zwar bereits eine Doku­ mentation zu Grete Schickedanz veröffentlicht, die jedoch nicht auf dem Markt zu haben ist. Im Mittelpunkt dieser Darstellung steht vor allem die Unternehmerin, die »wichtigste Kauffrau Europas«, wie sie einmal von einer Zeitung genannt wurde. Obwohl sie ein Leben lang hart gearbeitet hat, trägt die Karriere von Grete Schickedanz auch märchenhafte Züge: »Manchmal ist für mich noch alles ein Wunder«, meint sie einmal. Die Geschichte der Versandhauskönigin ist zugleich die Geschichte der Quelle, die Grete Schickedanz in

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Höhen und Tiefen begleitet und geformt hat. Der QuelleKatalog und die darin angebotenen Waren spiegeln in exemplarischer Weise Lebenskultur und Wünsche vieler Menschen in den vergangenen Jahrzehnten wider. Die Versandhauschefin hat diese Bedürfnisse früh erkannt. Ihr Gefühl für den Kunden hat ihr den Weg nach ganz oben geebnet. Zu diesem Erfolg hat das Gespür geführt, was bei den Kunden ankommt und was nicht. Wohl wenige haben den Geschmack der deutschen Nachkriegszeit so nachhaltig beeinflußt wie sie. Doch es gehörte noch mehr dazu, um zur mächtigsten Unternehmerin im Land aufzusteigen. Bevor hier ihre Karriere vom Lehrmädchen zur Konzernchefin verfolgt wird, betrachten wir zunächst, wie sie auf dem Gipfel der Macht agiert und mit welchen Problemen sie dort zu kämpfen hat.

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II. Die wichtigste Kauffrau Europas

»Suchen, suchen, suchen«, antwortet Grete Schickedanz Anfang der 80er Jahre, als sie um ein Resümee einer Ein­ kaufstour rund um die Welt gebeten wird.1 Sie beweist sich und ihrem Unternehmen, daß sie mit 70 Jahren stra­ paziöse Verhandlungen und Uberseeflüge durchsteht. Sie beweist, daß eine Frau, aus kleinsten Verhältnissen stam­ mend, ein Weltunternehmen führen kann. Sie will demon­ strieren, daß es geht, wenn man nur will. Grete Schickedanz steht zehn Jahre lang, von 1977 bis 1987, an der Spitze des Versandhauses Quelle. Sie weiß, daß ihre Stellung ungewöhnlich ist. Management ist immer noch eine Männerdomäne. »Ich denke, ich habe im Laufe der Jahre den Beweis er­ bracht, daß eine Frau an führender Stelle in der Wirtschaft stehen kann«, meint sie in einem ihrer raren Interviews kurz nach dem Tod ihres Mannes. »Eine Frau hat es schwer, sich durchzusetzen und sich zu behaupten, besonders in einer Führungsposition, das ist leider eine Tatsache. «2 Sie übernimmt das wohl funktionsfähigste Familien­ imperium in der Bundesrepublik, wie damalige Beobach­ ter meinen. Die Quelle-Handelsgruppe mit mehreren Tochtergesellschaften setzt zu dieser Zeit 6,6 Milliarden DM um, dazu kommt noch die Industriegruppe mit Brauereien und Papierfabriken (»Tempo«-Taschentücher) mit knapp einer Milliarde DM Umsatz. Die Firmenchefin hat es zuvor auf den Kommando-

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brücken der Familiengesellschaft mitunter nicht einfach gehabt. Doch an die Quelle-Spitze gelangt sie unange­ fochten. Wenn sie über benachteiligte Frauen klagt, trifft das auf sie selbst nur eingeschränkt zu. »Die Gleichbe­ rechtigung läßt sich nicht aufhalten«, weiß sie schon in den 60er Jahren, »aber man muß sehr diplomatisch sein als Frau. Nicht hart und verbissen. Mir kommt vielleicht zustatten, daß ich nicht so männlich bin. «3 Sie setzt an der Quelle-Spitze auf ihre jahrzehntelange Erfahrung im Einkauf, auf Menschenkenntnis und alte Vertraute. Einer ihrer engen Mitarbeiter ist Herbert Bittlinger (geb. 1925), langjähriges Mitglied in der QuelleGeschäftsleitung und zeitweise auch deren Chef. Er hebt ihr Einfühlungsvermögen für Kunden und Mitarbeiter hervor, das ihr beim Führen des Konzerns half: »Das war ihre Basis, daß sie auf die Menschen zuging. Sie war nicht so in den Zahlen verhaftet, das hat sie ein bißchen zur Seite geschoben«, erzählt der Quelle-Manager. Gerade die Verbindung von Geschäftstüchtigkeit und sozialem Gewissen macht Grete Schickedanz schon früh zu einem Aushängeschild im Unternehmenlager. »... sie war rasch als einer der Unternehmer angesehen, die den Deutschen nach der moralischen Katastrophe des Dritten Reiches ihre Selbstachtung Wiedergaben«, bemerkt die Londoner »Times«.4 Grete Schickedanz ist eine emanzipierte Frau, obwohl der Begriff nicht zu ihrem Wortschatz gehört. Sie kann es sich leisten, Zahlen und Bilanzen nicht so wichtig zu neh­ men, weil sie gute Mitarbeiter und im eigenen Haus keine Widersacher hat. Für die Frauen im Betrieb hat sie sich schon früh eingesetzt. Sie hat Kindergärten gegründet und Ende der 60er Jahre für die betriebliche Altersversor­ gung die Grenze für Frauen auf 60 Jahre herabgesetzt. Sie hat eine starke Position, denn sie vereinigt das

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Hauptkapital der Familiengesellschaft auf sich. »Ohne und gegen sie konnten wesentliche Entscheidungen nicht getroffen werden«, erinnert sich ein weiterer Freund und Vertrauter, der langjährige Quelle-Justitiar Alfred Ge­ bauer. »Sie war sich ihrer besonderen Stellung durchaus bewußt und hat sie gelegentlich auch genutzt.« Nach außen bleibt Grete Schickedanz stets natürlich und bescheiden. Im Hause ist sie darauf bedacht, daß ihr Wort zur Geltung kommt.5 Dabei ist sie für sachkundigen Rat offen. Sie ist mit einer enormen Machtfülle ausge­ stattet: Sie sitzt in allen maßgeblichen Gremien der weit­ verzweigten Unternehmensgruppe, auch in den Kontroll­ instanzen. So etwas geht nur in einer Familiengesellschaft, deren Vorzüge sie stets hevorhebt. »Es ist doch nicht so, als hätten Familien-Unternehmen nur Nachteile«, sagt sie einmal. »Ich bin der Meinung, daß ein gut geführtes Familienunternehmen, was Beweg­ lichkeit und Anpassung an das Marktgeschehen betrifft, gegenüber anderen Unternehmensformen wie etwa der Aktiengesellschaft eindeutig Vorteile bietet. Weil wir sozusagen unter uns sind, können wir, notfalls sonntags im engsten Kreis, blitzschnell Entscheidungen treffen.«6 Kritik an der Unternehmensorganisation, die ohnehin meist nur von außen kommt, weist sie zurück. In den Bei­ räten, die die Firmengruppe leiten, sitzen auch familien­ fremde Manager, kontert sie. Diese Beiräte orientierten sich an dem amerikanischen Board-System. »Man kann sicher nicht sagen, daß sich dieses System nicht bewährt hat. Immerhin werden die größten Gesellschaften der Welt, ob IBM, Esso oder Ford, um nur einige zu nennen, so geführt.« Im Board-System sind Vorstands- und Auf­ sichtsratskompetenzen miteinander verbunden und nicht getrennt, wie etwa bei der deutschen Aktiengesellschaft.7 Führung und Kontrolle gehen bei Schickedanz ineinan­ 15

der über. Doch das stört die Firmenchefin nicht. Warum auch? »Das hat bei uns funktioniert, weil es gewachsen war«, weiß Bittlinger, ein leiser, höflicher Herr, eher dem Typ eines Diplomaten entsprechend als dem eines Top­ managers. Und das Modell lief erfolgreich, denn es ging viele Jahre lang stets aufwärts. Und es sei schwer einzu­ sehen, meint Bittlinger, daß man etwas Erfolgreiches ändern muß. Die Dachgesellschaft, der die Quelle-Handelsgruppe und die Industrieunternehmen unterstellt sind, heißt seit 1980 Gustav und Grete Schickedanz Holding KG. Diese Firma ist eine Kommanditgesellschaft. Das ist-anders als eine GmbH oder eine AG - eine Personengesellschaft, bei der es zwei Gesellschaftertypen gibt. Da ist zunächst der Kommanditist, der nur in Höhe seiner Einlage für die Firma haftet, und dann der Komplementär, der auch mit seinem Privatvermögen für Schulden des Unternehmens geradesteht. Grete Schickedanz ist Komplementärin, also persönlich haftende Gesellschafterin dieser Dachgesell­ schaft. Seit Mitte der 70er Jahre ist auch Schwiegersohn Hans Dedi persönlich haftender Gesellschafter. Er ist Ehe­ mann von Gustav Schickedanz’ Tochter aus erster Ehe, Louise. Dedi (geb. 1918), der aus der Textilbranche kommt, führt von 1977 an zwölf Jahre lang die Dachge­ sellschaft Schickedanz-Holding. Die persönliche Verantwortung zählt für Grete Schicke­ danz mehr als der Druck bei einer Aktiengesellschaft, Di­ videnden für die Aktionäre zu erzielen: »Hans Dedi und ich stehen als persönlich haftende Gesellschafter in der vollen Verantwortung und Haftung. Mit meinem Haus bei Tarragona oder dem Anwesen in Dambach: Ich hafte mit allem, was ich besitze«, unterstreicht sie. »Ich kann Ihnen versichern, daß dies noch mehr Leistungsdruck auslöst als 16

ein Börsenkurs. «8 Im spanischen Tarragona hat die Familie eine Ferienvilla mit angeschlossener Kakteenzucht, im Fürther Stadtteil Dambach ein schloßähnliches Haus mit einem 70 000 Quadratmeter großen Park. Von Kritikern wird ihr Unternehmensführung nach Gutsherrenart vorgeworfen. So ist eine Personengesell­ schaft viel weniger von der Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmer betroffen, als sie bei einer AG gilt. Grete Schickedanz hebt dagegen ihr gutes Verhältnis zum Be­ triebsrat hervor. Zudem gibt es soziale Errungenschaften in den Betrieben, wie das Vorverlegen des Pensionsalters für die betriebliche Altersrente bei Frauen auf 60 Jahre. »Gefühlsmäßig« habe das Unternehmen schon vorher gewerkschaftliche Forderungen erfüllt, meint sie. Gerade mit diesen emotionalen Entscheidungen haben später von außen kommende Manager immer wieder Schwierigkeiten. Grete Schickedanz ist keine Karriere­ frau üblichen Zuschnitts. Vor wichtigen Entscheidungen muß stundenlang mit der Inhaberin diskutiert werden; sie behält sich dann vor, diesen Beschlüssen noch einen per­ sönlichen Stempel aufzudrücken. Für Führungskräfte, die aus internationalen Großkonzernen zur Quelle kommen, ist dieses Verfahren ungewohnt und schwer erlernbar. »Sie ist nicht so analytisch an die Dinge herangegangen, wie das heute im Management der Fall ist«, sagt ihr Neffe Robert Rieger, der von 1984 an ein knappes Jahrzehnt lang Geschäftsführer bei dem Tochter-Versandhaus Schöpflin war. »Sie war pragmatisch und ist praktisch an die Dinge herangegangen.« Gisela Barein, die als Pressechefin lange mit Grete Schickedanz zusammengearbeitet und sie zum Teil auf Reisen begleitet hat, kommt zu einem ähnlichen Resümee. Sie habe viel aus Intuition gehandelt, die heute vielen Unternehmern fehle. »Entscheidungen entstanden manch­ 17

mal sehr aus dem Gefühl heraus«, meint Frau Barein, »aber das war das gewisse Etwas, das die Mitarbeiter und die Umwelt mitriß. Frau Schickedanz war immer glaub­ würdig, in allem, was sie tat.« Die Versandhausprinzipalin wäre eine blendende Poli­ tikerin gewesen, findet die frühere Pressechefin. An ihrer charismatischen Persönlichkeit hätten sich jedoch auch oft die Geister geschieden: »Wer erträgt es schon, wenn akademische Planspiele einfach durch gesunden Men­ schenverstand ad absurdum geführt werden! In diesem Spannungsfeld blieben dann natürlich auch notwendige Entscheidungen auf der Strecke, was zu konservativem Handeln führte .. « Das sei jedoch nur die eine Seite ge­ wesen. Auf der anderen Seite sei es immer wieder zu sehr modernen, innovativen und visionären Planungen ge­ kommen. Die Mitarbeiter sind auf die Chefin eingeschworen, von der Packerin am Band bis zum Einkaufsdirektor. Grete Schickedanz spielt diesen speziellen »Quelle-Geist« nach außen hin aus, wohl wissend, wie anonym und mensch­ lich trist es in manchen Großkonzernen aussehen kann. »Sie können unseren Führungsstil so bezeichnen, wie Sie wollen«, antwortet sie einem Journalisten, »aber eines sei gesagt: Bei uns, einem Unternehmen, das immerhin acht Milliarden umsetzt, arbeiten keine Nummern, sondern Kollegen. Die Arbeit bei uns ist menschlicher, hier kann jeder mit jedem plaudern. Ich zum Beispiel kenne viele, viele der 40 000 Mitarbeiter ganz persönlich.« Quelle-Angehörige sind zu Grete Schickedanz’ besten Zeiten gut motiviert. Sie ist ein Vorbild. Sie trifft den rich­ tigen Ton, gerade in einem Wirtschaftsbereich, wo viele über die Praxis und nicht über die Universität in Füh­ rungspositionen kommen. Die Handelsfrau arbeitet mit 18

ihrer Belegschaft, nicht gegen sie. Außerdem geht es bis Mitte der 80er Jahre ständig aufwärts, die Quelle wächst und wächst. Genaue Kenntnis der Versand- und Einkaufsmaschine­ rie und der Mitarbeiter bedeutet auch Kontrolle: »Frau Schickedanz hatte zu jeder Zeit den Durchgriff zur Basis«, erinnert sich Bittlinger. »Sie hat Einkäufer oder Substitu­ ten rufen lassen. Das war für sie nie ein Hindernis. Sie hatte nie soviel dafür übrig, daß man über die Kästchen sprach.« Die »Kästchen«, das sind kunstvoll ausgearbeitete Organisationspläne mit vielen Hierarchiestufen. Quelle hat bereits Mitte der 70er Jahre über 70 Einkaufsabteilun­ gen mit über 500 Mitarbeitern, die Grete Schickedanz unterstanden. Etwa 20 Herren führen bei der Quelle den Titel »Direktor«, mit der zweiten Ebene haben insgesamt 90 Personen Führungsverantwortung. In diesem Raster kann sich auch die Chefin nicht frei bewegen. Sie hört auf den Rat anderer. »S'e hat nicht stur an etwas festgehalten«, erzählt Bitt­ linger. »Man konnte sie überzeugen.« Bittlinger hat bei ihr nach eigenem Bekunden einen besonderen Zugang; er ist geschickt, stellt sie nicht vor vollendete Tatsachen, son­ dern läßt sie an Entscheidungen teilhaben oder zwischen mehreren Lösungen auswählen. Auch andere, die den manchmal schwierigen Umgang mit ihr beherrschen, reüssieren bei Quelle. Etwa der Modeschöpfer Heinz Oestergaard, der 18 Jahre lang Modeberater in Fürth gewesen ist. Oestergaard (geb. 1916) berät Industriegrößen wie Bayer, Hoechst und Triumph International, gibt dann aber nach eigener Aus­ kunft alle Beraterverträge wegen Quelle ab. Er arbeitet jahrelang eng mit Grete Schickedanz zusam­ men. »Wenn wir anderer Meinung waren, mußten wir ihr 19

das schmackhaft machen«, berichtet er. »Das war aber zugleich ihre Größe, daß sie Meinungen anderer nach­ ging. Beim Vorstellen von Kollektionen konnte es schon passieren, daß sie sagte: >Das will ich nicht.< Das war ein längerer Prozeß, sie von dem Gegenteil zu überzeugen.« Oestergaard hebt ihre große Kenntnis von Mode und Textilien hervor: »Sie hatte ein großes Wissen über die Grundsystematik der Schnittführung und übte dadurch eine große Kontrolle aus.« Oestergaard bringt Schwung in das Sortiment, seine Skizzen laufen durch das Haus. »Wir haben Mode gemacht, die alle tragen können«, sagt er. Oestergaard ist Künstler, begründet seine Linie philo­ sophisch: »Wir müssen die Mode ans Volk führen.« Der Modeschöpfer hält mit seiner Bewunderung für die Versandhauschefin nicht hinter dem Berg: »Heute sind Versandhäuser akzeptiert als Trendsetter und modi­ sche Weltbühne. Für mich ist das absolut das große Ver­ dienst von Grete Schickedanz. Bei Quelle als Modeberater einzusteigen war für mich eine persönliche Herausforde­ rung. Ich stand beruflich und kreativ am Scheideweg. «9 Die Firmenchefin ist eine »Art Schutzschild« für Oester­ gaard. Er kommt eigentlich aus der Haute Couture, die edle Mode für die oberen Zehntausend fertigt. Grete Schickedanz gibt ihm Rückhalt gegenüber den Einkäu­ fern, die eine sehr starke Position haben. Trotz verschie­ dener Temperamente und Herkunft kommen sie gut mit­ einander aus. Oestergaard: »Sie war zu überzeugen, daß die Mode einem Wandel unterliegt und daß man diesen Wandel auch mitmachen muß.« Die auf Preise und Verkäuflichkeit achtende Händlerin und der kreative Überflieger bilden ein ungleiches, aber sehr erfolgreiches Paar in der Mode. »Frau Schickedanz hat die europäische Versandhausmode hoffähig gemacht«, meint Oestergaard. »Ich war nur ihr Inspirator.« 20

Andere gelangen mit der Grande Dame des Versand­ handels nicht auf eine harmonische Wellenlänge. Der zweite Ehemann der einzigen Tochter Madeleine, Wolf­ gang Bühler, ist seit 1976 im Unternehmen in leitenden Positionen tätig. Sein Wechsel vom Vorstand des Elektrokonzers AEG nach Fürth wird zunächst auch mit Skepsis begleitet.10 Der gutaussehende Manager kann weder mit seiner Schwiegermutter noch mit dem fest in der Familie verankerten Schwager Dedi ein enges menschliches Ver­ hältnis entwickeln. Mit dem älteren, gerne jovial auftretenden Dedi gibt es Reibereien: »Von Anfang an fehlte der persönliche Kon­ takt, daß man miteinander spricht«, berichtet ein frühe­ rer Mitarbeiter. Andere berichten, daß die Schwieger­ söhne zwar miteinander sprachen, daß sie jedoch nicht die »dicksten Freunde« waren. Dedis Position ist dabei nicht einfach. Bis er nach dem Tod von Gustav Schickedanz mit 58 Jahren das Steuer des Konzerns übernimmt, ist er zehn Jahre lang Kronprinz gewesen. Er hat dabei Erfahrungen gemacht, die viel­ leicht mit denen von Prinz Charles aus dem britischen Königshaus vergleichbar sind, denn Patriarch Schicke­ danz hält die Zügel bis ins hohe Alter in der Hand. Dieser sagt zwar bei seinem 60. Geburtstag nach Erinnerung eines Beteiligten: »Mein lieber Hans, du mußt nun mehr Verantwortung übernehmen«, doch der Quelle-Gründer hat bis ins hohe Alter das letzte Wort. Dedi bleibt deshalb die Chance verwehrt, sich schon zu Lebzeiten Gustavs als erster Mann auf der Kommando­ brücke des Handelskonzerns zu bewähren. Als er später an der Spitze der Holding steht, hat Witwe Grete Schicke­ danz stets ein Wort mitzureden. Dedi ist oft dabei, bei Einkaufsreisen und bei der Schwiegermutter zu Hause in Fürth-Dambach. Die Quelle-Chefin schätzt den Rat ihres 21

Schwiegersohnes. »Ihre Priorität war Herr Dedi und nicht Herr Bühler«, heißt es aus ihrer Umgebung. Bühler (geb. 1932), Sohn des früheren AEG-Vorstandschefs Hans Bühler, ist dagegen eher ein ehrgeiziger Ma­ cher. Konflikte in der Handelsfamilie sind deshalb vor­ programmiert. Kurz nach seinem Einstieg in Fürth wird er von Schwager Dedi zurückgepfiffen, denn er hat Inter­ esse am Vorsitz des Fußballclubs 1. FC Nürnberg gezeigt. Das paßt jedoch nicht zur Firma, findet Dedi, denn diese sitzt in Fürth, und Firmengründer Gustav Schickedanz hat die Spielvereinigung Fürth unterstützt. Fürth grenzt zwar direkt an Nürnberg, doch in Franken wird fein unterschieden. »Lieber Fünfter als Fürther«, sagt der Nürnberger Volksmund, umgekehrt sind die Weisheiten kaum freundlicher. 11 In der Holdinggesellschaft führt Bühler zunächst die Brauerei- und Papiersparte; bei der Quelle übernimmt er das Ressort Versand und Vertriebskoordination. Im Ver­ sandhaus baut er die Bestellagenturen aus und forciert das Sammelbestellersystem12. Der Sammelbesteller nimmt für das Versandhaus Orders einer Kundengruppe entgegen und gibt sie geschlossen weiter. An den Sammelbesteller, der eine Vergütung erhält, gehen auch die Warenlieferun­ gen, die er dann weitergibt. Die Schwiegersöhne gestehen Schwierigkeiten unter­ einander nie öffentlich ein: »Unser Verhältnis ist bestens, und es kann nur besser werden«, sagt Dedi einmal.13 Grete Schickedanz rutscht in eine undankbare Rolle. Sie muß gelegentlich zwischen den Schwiegersöhnen vermitteln, schlichten und die Gewichte zwischen ihnen austarieren. Als Familienoberhaupt versucht sie, die Menschen um sie herum zusammenzuhalten. Sie hat dabei das Vermächtnis ihres Mannes im Auge; bei rasch zu treffenden Einzelent­ scheidungen hilft das jedoch oft nicht weiter.

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Die Führungstroika blockiert sich, zumindest sieht es nach außen hin so aus. Bühler weiß, daß die Zeit dabei für ihn arbeitet, denn er ist fast 15 Jahre jünger als Dedi. Die Patriarchin, die auf den Zusammenhalt ihres Clans und schnelle Entscheidungen in ihrem Familienunternehmen schwört, muß einsehen, daß sich ihre Nachfolger nicht ver­ stehen. Das bedrückt sie vor allem in den letzten Jahren. Dazu kommt, daß Mitarbeiter versuchen, die Familien­ differenzen auszunutzen. Sie gehen zu dem einen, wenn es bei dem anderen nicht klappt. »Das wirkte lähmend«, erinnert sich ein früherer Mitarbeiter. In der Presse ist von einem »Familiengeschiebe« die Rede - nicht gerade förderlich für das Ansehen des Handelshauses. Die »gnädige Frau«, wie sie oft im Unternehmen ange­ redet wird, scheint deshalb unersetzbar zu sein. Sie ist eine Integrationsfigur, die über allem steht. Sie fährt dazwischen, wenn sich die Schwiegersöhne nicht einigen können. Ohne sie klappt es nicht, so ist der Eindruck auch außerhalb des Unternehmens. Die Quelle-Chefin entflieht mindestens zweimal im Jahr ihrem schwierigem Familienclan und widmet sich einer wirklichen Leidenschaft: dem Einkauf. In Hong­ kong oder Japan mustert sie Kinderkleider, Perlen oder Spielzeug. Sie ist nah an der Ware. »Wenn sie nervös oder ein bißchen aggressiv war, haben wir ihr schnell eine Kollektion gebracht, wo es ganz viele Ständer mit Blusen, Jacken oder Pullovern gab«, erzählt die langjährige Einkäuferin Marianne Ebersbach. »Sie stürzte sich auf die Ständer und schaute, was da drin war. Dann wurde sie ruhiger, und wir konnten mit ihr richtig gut Zusammenarbeiten. Das war wie eine Droge, sie mußte in der Ware wühlen.« Grete Schickedanz schuftet unermüdlich für das Unter­ nehmen. Doch als die Konjunktur Mitte der 80er Jahre 23

einknickt, geht der Umsatz erstmals in der Nachkriegs­ geschichte zurück. Die Quelle schreibt zwei Jahre lang sogar Verluste. Das Aushängeschild der SchickedanzGruppe steckt in einer Krise. In den Medien wird darüber räsoniert, ob die starke Position der Quelle-Chefin in solch einer schwierigen Branchensituation nicht ein Handikap sei.14 Sie sollte zu­ mindestens die Führung der Quelle hergeben, meinen Branchenkenner außerhalb des Unternehmens. Ihre Ämterliste ist tatsächlich lang: Sie ist persönlich haftende Gesellschafterin der Schickedanz-Holding und erste stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates der Gustav und Grete Schickedanz Stiftung. Diese 1979 ein­ gerichtete Stiftung bestimmt die Konzernstrategie und ist auch mit familienfremden Persönlichkeiten besetzt. Da­ neben ist sie im Holding-Vorstand erste stellvertretende Vorsitzende sowie Vorsitzende des Verwaltungsrates der operativen Firma Großversandhaus Quelle Gustav Schickedanz KG, deren Geschäftsführung sie ebenfalls vorsteht. Dazu ist sie zweite stellvertretende Vorsitzende des Ver­ waltungsrates der Vereinigten Papierwerke, Vorsitzende des Aufsichtsrates der österreichischen Tochter Quelle AG in Linz und Aufsichtsratsmitglied bei der PatrizierBräu AG, bei der französischen Tochter Quelle S. A. und bei Großversandhaus Schöpflin GmbH. Sie bleibt für den Familienclan in der schwierigen Lage unverzichtbar. Schwiegersohn Bühler lobt öffentlich ihre Intuition und unterstreicht: »Es wäre ganz falsch, die Einstellung von Frau Schickedanz oder gar ihr Alter mit dem negativen Trend der letzten Jahre in Zusammenhang zu bringen.«15 Sie nimmt angesichts der Krisensituation das Steuer fester in die Hand und sagt: »Das machen wir jetzt selber.« Der Quelle-Vorstand geht wieder stärker in den Einkauf. 24

So ist Vorstand Bittlinger gleichzeitig Direktor für den Einkauf der Damenoberbekleidung (DOB). Nachträglich führt dieser den Einbruch auf die Textilsparte zurück. »Wir sind preislich zu schnell nach oben gegangen, und das Angebot war verengt. Wir hatten einen höheren Ein­ kaufswert und damit einen höheren Werbeaufwand, dann stiegen Kosten und Preise.« In diesen Jahren ist Grete Schickedanz wieder voll ge­ fordert. Zugepackt mit Aufgaben und Problemen, verpaßt sie den Zeitpunkt des rechtzeitigen Abschiedes aus der Quelle. Auch als sie 1987 im Alter von 75 Jahren endgültig die Führung in die Hände des familienfremden Klaus Zumwinkel legt, bleibt sie weiterhin letzte Instanz in der Firma. »Sie hat sich voll identifiziert mit dem Unterneh­ men«, erzählt Vertrauter Bittlinger. »Das Unternehmen war ihr Hobby und ihre Pflicht.« Grete Schickedanz erkennt die Problematik ihres spä­ ten Rückzuges durchaus: »Eigentlich wollte ich mich ja schon mit 70 Jahren langsam zurückgezogen haben«, sagt sie in einem Interview. »Doch ich konnte das Unterneh­ men in den letzten Jahren nicht im Stich lassen. Nachdem es über Jahrzehnte immer wie eine Rakete hochgegangen war, erlebte es dann einen Knick, den es mit vereinten Kräften auszubügeln galt. Doch es wird wieder aufwärtsgehen. Wir werden neue Wege finden, so daß ich für die Zukunft des Hauses zu Recht optimistisch sein kann.«16 Dieses »Weitermachen« ist eng mit ihrem Naturell ver­ bunden. Sie kann sich nicht vorstellen, ohne die Firma zu leben. »Ich hatte den Eindruck, daß sie immer die Verant­ wortung gespürt hat«, meint ihr naher Verwandter Rieger. »Sie dachte bestimmt: >Ich kann doch nicht in Dambach sitzen und zuschauen, wie die Probleme nicht bewältigt werden können. Mensch, das ist schön, das bestellsteFrau Schickedanz, Sie müssen mit (nach vorne, C. B.) kommen, ich kann nicht alleine gehen.< Sie sagte dann nur: >Meine lieben Kunden, ich freue mich, daß Ihnen das gefallen hat.Was haben Sie denn an. Das Gelb erschreckt ja einen am Morgen. Was hat das denn gekostet?< Ich antwortete: >Das ist die neue Farbe von Claude Montana, eine wichtige Kombina­ tionsfarbe für die nächste Saison .. .< Als ich wenig später in die Herrenabteilung kam, wußte der Direktor schon Bescheid. >Die Chefin hat eben angerufen, ich soll mit Ihnen über das neue Gelb diskutierens« Grete Schickedanz bremst den Couturier gelegentlich: Als er einmal in einem modischen Leinenanzug im Knit­ terlook erscheint, fragt sie: »Waren Sie damit im Bett?« Ein anderes Mal sagt sie im größeren Kreis: »Ja, Herr­ schaften, wie sollen denn das unsere Kundinnen tragen, die haben doch bei weitem nicht die Idealfigur - und viel

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zu teuer ist das auch.« Für allzu Extravagantes bleibt der Katalog verschlossen, die Chefin setzt statt dessen auf einen Mode-Mix, der jedem etwas bietet. So werden die Coordinates zum Kombinieren geboren. Die Kunst muß oft klein beigeben. Oestergaard macht sich dann folgendermaßen Luft: »Schrecklich, diese Mu­ sterungen. Ich kann keine Klamotten mehr sehen. Stun­ denlang haben wir über eine Kappnaht diskutiert. Die soll an die Seniorinnen-Kleider. Wegen der Paßform, meint die Chefin. Dabei müssen die Linien doch fließend sein! Die Frau ohne Alter soll endlich ein schickes Kleid bei uns kaufen können.« Er fügt hinzu: »Ich bin ganz ver­ zweifelt! Und diese ewigen Preisdiskussionen!«5 Oestergaard kreiert den »Romantik-Look«, »Young Fashion« oder das »Maiglöckchen-Dessin«. Ersucht die Abwechslung und die Spannung. Der Katalog muß Par­ tien haben, die sich unterscheiden, sagt er, die sich von­ einander abheben. So könne man das Einkaufsbuch wie einen Roman lesen und bereits auf das nächste Kapitel gespannt sein. Oestergaard nimmt sich aller Typen und Altersgruppen an, von jung und schlank bis reif und mol­ lig. »Von den jungen Modeschöpfern denkt niemand über seine Zielgruppe hinaus, die machen Klamotten für junge Leute. Daß aber die Menschen älter werden, das interes­ siert sie gar nicht, mal Sachen zu machen für eine 35- bis 40jährige Frau, die nicht mehr wie ein Strich aussieht.« Im Katalog bekommt der Modeschöpfer ein eigenes Vorwort zugestanden. »Chic ist, was jung macht«, preist er im Herbst-Winter-Katalog 1968/69 seine neuen QuelleKreationen an. »Schnittführungen, die Mollige schlanker machen - pflegeleichte Gewebe von höchster Qualität und Vielseitigkeit - meisterhafte Verarbeitung - kühne Accessoires: Das alles ist die lebendig junge, herrlich ver­ jüngende Mode von heute!«

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Oestergaard weiß um die Begrenzung von Versand­ hausmode. »Ich mußte immer einen Schuß mehr an modischer Aktualität bieten«, erzählter, »damit wir dann einen guten Kompromiß, nicht zuletzt auch mit der Che­ fin, schließen konnten. Sie achtete rigoros auf die Ver­ käuflichkeit, sie sah bei den Preisen auf den Pfennig.«6 Der Modeschöpfer versucht oft zusammen mit Einkauf und Grafik-Abteilung, auch bei der Standardmode Hin­ tergründe mit aktuellen Farben oder schöne Accessoires unterzubringen. Daran hält er fest, auch wenn er bei ein­ zelnen Modellen klein beigeben muß. Wenn einmal Damenmäntel nicht gehen, heißt es, sie seien zu modernistisch. Ein Vorwurf, der Oestergaard trifft. »Dabei sind die Abbildungen einfach zu klein«, kontert der Modezar, »zuviel auf die Seite gequetscht. Hier kann doch keiner überhaupt noch etwas erkennen. Jetzt bin ich wieder der Sündenbock.« Während seiner bis 1985 dauernden Quelle-Zeit ent­ wirft Oestergaard »nebenher« zahlreiche Berufskleidun­ gen. Krankenschwestern, Gärtner, ADAC-Helfer und deutsche Polizisten tragen Uniformen, die auf Oestergaards Zeichenbrett entstanden sind. Einen neuen Talar für katholische Priester stattet Oestergaard mit einer Rückenfalte aus - die Geistlichen haben so mehr Bewe­ gungsfreiheit, wenn sie sich hinknien. Bei einer üblichen Soutane ist das nicht der Fall. Gut zehn Jahre später, Mitte der 90er Jahre, gewinnt Quelle den Pariser Mode­ schöpfer Karl Lagerfeld, der für den Fürther Katalog eine eigene Kollektion entwirft. Grete Schickedanz ist zwar keine Coco Chanel, doch sie prägt über die millionenfache Verbreitung der Katalog­ mode das Allgemeinbild auf Deutschlands Straßen. Die Einkaufskönigin, die wandert und schwimmt »wie ver­ rückt« (Oestergaard), setzt sich für eine sportliche Mode 83

ein. »Ihre Mode, das sind Sachen, in denen man sich bewegen kann, die praktisch sind - kein Firlefanz und gute Stoffe«, resümiert Oestergaard. Grete Schickedanz geht dabei nie über eine bestimmte modische Grenze hinaus. Sie hat selbst einen klassischen Geschmack, der ihr beim Auswählen der Katalogmode hilft. Manche der Einkäuferinnen und Einkäufer hätten es gerne ein bißchen fortschrittlicher und fescher. »Wenn man sich die Umsatzzahlen angeschaut hat, hat man sich alles wieder abgeschminkt«, meint die frühere Einkäuferin für Kinder- und Bademode, Marianne Ebersbach. Auch Oestergaard muß bei Quelle tragbare Mode ma­ chen. »Man schaute eher darauf, was die Masse will«, meint eine Mitarbeiterin aus der Textilsparte. »Man konnte nicht immer den eigenen Geschmack walten las­ sen. « Einkäufer fahren häufig in den Nürnberger Tier­ garten und beobachten, was die Menschen dort tragen. Quelle-Mitarbeiter gehen in Kindergärten und probieren dort neue Modelle für die Kleinen aus. Versandhausmode unterliegt strengen Regeln: Man darf auf keinen Fall Stoffe nehmen, die beim Auspacken ver­ knittert aussehen. Sie müssen Druck aushalten und dürfen nicht zu durchsichtig sein. Eine Faustregel Oestergaards lautet: »Kein Plunder, lieber ein Gramm schwerer.« Die Ware muß ein Wertgegenstand sein. Strickwaren eignen sich ideal zum Verschicken, Hüte dagegen überhaupt nicht. Andere Artikel werden nicht im Katalog angeboten, weil sie häufig von den Kunden mit Hinweis auf das Rückgaberecht zurückgeschickt wer­ den, etwa Hochzeitskleider. Als Quelle 1964 den Versen­ der Schöpflin übernimmt, wird festgestellt, daß dort vier Fünftel der Hochzeitskleider retourniert werden - am Hochzeitstag getragen und dann zurückgeschickt. Ähnlich sieht es mit Ball- und Faschingskleidung aus.

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Sexymoden waren bei Quelle tabu, weil es Beschwerden von moralisch eingestellten Kunden gab. »Es kamen so­ fort Briefe, wenn ein Ausschnitt zu tief war und man den Busen sehen konnte. Frau Schickedanz hat das sehr ernst genommen«, erzählt eine Mitarbeiterin. Später bleibt Quelle im Konkurrenzkampf mit dem stark wachsenden Hamburger Otto-Versand eher auf der konservativen Seite. Während die Hamburger mit Spezial­ katalogen stärker jüngere Kunden an sich binden wollen, setzt Quelle darauf, den bereits bestehenden Kunden­ stamm besser »auszuschöpfen«, das heißt mehr Bestellun­ gen von den bereits bekannten Adressen zu bekommen. Otto legt bereits 1968, dem Jahr der Studentenunruhen, einen ersten Spezialkatalog auf: Das »Post Shop Magazin« richtet sich gezielt an die Jugend. Trotz allen Bemühens um mehr Chic und Stil - beim Versand zählt vor allem der Preis: »Unser wichtigstes Ver­ kaufsargument war immer der Preis, verbunden mit Qualität und guter Sortimentsgestaltung«, meint Grete Schickedanz.7 Die Konkurrenz ist so stark, daß es darauf ankommt, die Nase möglichst weit vorne zu haben und auf veränderte Kaufwünsche sofort zu reagieren. »Es muß im Katalog für jedes Alter, für jede Figur und für jeden Anlaß etwas vorhanden sein.«8 Bei der Jugend, so die Quelle-Chefin, müsse schon das Neueste dabei­ sein. In den 70er Jahren spricht sie sich einmal gegen Hot pants aus; später stellt sich das als ein Fehler heraus, denn junge Kundinnen monierten die fehlenden »heißen Hös­ chen«.9 »Die meisten Menschen aber gehen nicht so schnell mit der Mode. Wenn wir hin und wieder zu weit vorangegangen sind, haben wir das in den Verkaufszahlen zu spüren bekommen.«

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Vom Fertighaus zum Rassehund Manchmal stöhnt auch die Chefin über zuviel Trubel. »Ich habe noch nie in meinem Leben so viel arbeiten müs­ sen wie jetzt«, klagt sie Mitte der 60er Jahre. »Früher war es nicht so aufregend. Aber in 16 Jahren auf zweieinhalb Milliarden Umsatz zu kommen, das hat schon Eigen­ dynamik. Das ist wie eine Dampfwalze. Man muß nach vorne, oder man steigt aus. Halbe Fahrt geht nicht. Manchmal denk’ ich, was haben wir uns da aufgebürdet, dieses riesige Schiff in Gang zu halten, mit 20 000 Ange­ stellten, das ist doch eine wahnsinnige Verantwortung.«11 Zu solchen Überlegungen kommt Grete Schickedanz wenig. Die Quelle brummt und wächst ständig. Jedes Jahr werden mehr Artikel im Katalog offeriert. Als erster Versender bringt Quelle 1962 ein Fertighaus auf den Markt. Ein Häuschen »einschließlich Ölheizung und Bad« beläuft sich auf 34 000 DM mit 51 Quadratmeter Nutzfläche. Für 79 Quadratmeter muß der Kunde 43 000 DM berappen. Fundament und Transportkosten sind bei diesem aufbauenden Angebot jedoch nicht mit inbe­ griffen.12 Es gibt fast keinen Lebensbereich, wo der Versender nicht aktiv ist. Er stellt sich auch auf die neue Automobili­ tät ein und baut ein Tankstellennetz auf. Anfang der 70er Jahre unterhält der Handelskonzern 24 Stationen an der Autobahn Nürnberg-Würzburg.13 1963 startet der Schmuckversand »Euroval«, der bald Millionenumsätze einfährt. Die dort angebotenen Perlen gehören zu den Lieblingsartikeln der Einkaufschefin man sieht sie selten ohne Perlenkette im Büro oder auf Reisen. 1967 werden bereits 10 000 Zuchtperlencolliers und 17 000 Trauringe verkauft. Mit der Übernahme des Schöpflin-Versandes kann sich Quelle 1964 das größte

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Versandhaus Europas nennen. »Ein Glück, daß es Quelle gibt«, postuliert der Katalog freudig. Bestellt werden können ab den 60er Jahren auch Kata­ logneuheiten wie Autoreifen, Jagd- und Sportwaffen, Tiefkühltruhen oder Swimmingpools. Quelle erinnert sich in den Boom-Jahren an den Leitspruch von Richard Warren Sears, dem Gründer des US-Waren- und Versand­ hauses Sears, Roebuck & Co. im 19 Jahrhundert: »Alles, was verpackt werden kann, können wir liefern.«14 Pünktlich zu den Studentenunruhen 1968 kommt der Herrenanzug aus Trevira 2000 mit dem Namen »Rebell« in die Kataloge. Der Name ist jedoch sicherlich nicht auf die demonstrierenden Studenten in Paris oder Berlin gemünzt, die übrigens auch andere Kleidung bevorzug­ ten. »Der Anzug knittert nicht, krumpelt nicht, die Jacke ist querelastisch und die Hose noch längselastisch«, be­ geistert sich eine Fachzeitschrift. Die Devise der Textilie, die für den damals stolzen Preis von 195 DM angeboten wird, lautet: »Waschen, Trocknen, Tragen«.15 Im gleichen Jahr wird auch der sogenannte Mao-Look für den Herrn im Katalog angeboten.16 Der Zwang, mit jedem Katalog etwas Neues anbieten zu müssen, treibt bizarre, heute kaum noch verständliche Blüten. 1970 zaubert der Versender »die Riesenüber­ raschung für alle Tierfreunde« aus dem Hut: »Lebens­ versicherte Rassehunde mit Ahnentafel«17 Ein Cocker­ spaniel ist in den Farben Rotbraun, Schwarz und Blau­ schimmel für 220 DM zu haben. Insgesamt werden sechs Hunderassen offeriert, vom Langhaardackel bis zum Kleinpudel. Der Transport der mit internationalem Impf­ zertifikat und Lebensversicherung ausgerüsteten Tiere kann auch vor den gestrengen Augen der Tierschutzvereine bestehen. Wegen des hohen Aufwandes wird das Lebendangebot

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sechs Jahre später wieder eingestellt. Zudem soll es Kun­ denpräferenzen für bestimmte Rassen gegeben haben, die Züchter konnten angeblich die Nachfrage nicht mehr bedienen. Schlagzeilen macht immer wieder die Konkurrenz der großen Versandhäuser: Anfang der 70er Jahre löst Quelle Neckermann mit dem Angebot tschechischer JawaMotorräder ab. Es ist vorher zu Meinungsverschieden ­ heiten zwischen dem Frankfurter Versender und der tschechischen Außenhandelsorganisation Motokov ge­ kommen. Der Grund ist offenbar, daß Neckermann in mehreren Hubraumklassen außer Jawa-CZ auch Maschi­ nen anderer Fabrikate im Angebot hat. Quelle übernimmt zunächst die exklusiven Vertriebsrechte für Modelle mit 50, 90, 125 und 175 Kubikzentimeter Hubraum. Die rasante technische Entwicklung und der Preiskampf im Handel machen Luxusartikel innerhalb weniger Jahre zur Massenware. Im Frühjahr 1971 kostet ein Taschen­ rechner mit acht Stellen noch 1250 DM, ein Jahr später sind es 598 DM. Im Herbst 1974 kostet ein vergleichbares Gerät gerade mal 65 DM, fünf Prozent des Ausgangs­ preises. Quelle führt in den 60er Jahren einige Produktions­ sparten noch in eigener Regie. Der Versender unterhält eine Reihe von Wäsche- und Kleiderfabriken, ein Werk für Berufskleidung, eine Stickerei, eine Bettfedernfabrik, eine Fahrräder- und eine Nähmaschinenfabrik und sogar eine Kaffeegroßrösterei in Hamburg.18 Trotz Automatisierung fehlen in den 60er Jahren im Versand immer wieder Arbeitskräfte. Mitte der 60er Jahre appelliert die Mitarbeiterzeitung »Der Quelle-Kreis« an ihre Leser, neue Kolleginnen und Kollegen zu werben; als Anreiz wird eine Verlosung aufgezogen, es winken Kameras und Reisen. »Bei vielen ist oft die Bereitschaft

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vorhanden, eine gutbezahlte und saubere Arbeit aufzu­ nehmen, es fehlt nur der erste Anstoß dazu«, weiß das Beschäftigtenblatt. Viele Frauen aus der fränkischen Region packen vor Weihnachten drei Monate lang Quelle-Päckchen. Manche fahren mit dem Quelle-Bus täglich 160 Kilometer. Die Bäuerin Maria Hofer aus Georgensgmünd kommt damals nach Fürth, weil ihr Anwesen abgebrannt ist: »Wir brau­ chen für unseren Neubau jeden Pfennig dringend«, meint sie. Andere Frauen haben Anschaffungen wie Möbel und Kleidung im Sinn, für die es dann noch einen Personal­ rabatt von zehn Prozent gibt. Um den direkten Kontakt mit den Kunden zu halten, werden seit Anfang der 60er Jahre Quelle-Kaufhäuser, das sogenannte stationäre Geschäft, eingerichtet. 1976 gibt es 25 Warenhäuser in ganz Deutschland. Im Laufe der Jahre entwickeln sie sich jedoch zu einem Problemfall und fahren hohe Verluste ein. Inmitten eines Wareneinkaufs mit Milliardendimensio­ nen steht Grete Schickedanz als eine zentrale Schaltstelle. Ihr Geschäft ist eine Generalstabsarbeit. Wenn ein Kata­ log entsteht, ist sie in Schlüsselmomenten dabei und trifft wichtige Entscheidungen. Es wird aber nicht nur für die kommende Saison ausgewählt und disponiert, sondern gleich für drei künftige Kataloge. So muß Importware teilweise bis zu eineinhalb Jahre im voraus bestellt wer­ den. Hier den Überblick zu behalten gleicht einer Sisyphus­ arbeit. Zunächst werden, je nach Erfolg in der Vorsaison, die Seiten für den Katalog eingeteilt. Die Einkaufschefin läßt sich auf dieser ersten Stufe bereits die Planungen zei­ gen. »Sie hat blutenden Herzens Seiten von ihrer DOB abgegeben, wenn etwas schlecht lief«, erinnert sich die Einkäuferin Marianne Ebersbach. Es wird diskutiert und

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gefeilscht, denn jeder Einkäufer will natürlich viel Platz für seine Ware im Einkaufsbuch haben. Dann wird, je nach Platzvorgabe im Katalog, das Sorti­ ment der einzelnen Sparten zusammengestellt. Oft fallen sie saisonal unterschiedlich aus; einzelne Sortimente wie die Bademode gibt es nur im Sommerkatalog. Einkäufer legen in Plänen fest, wo die Ware herkommt und ob Eigen­ produktion nötig ist. »Die Frage war: Wo bekomme ich den Artikel in einer bestimmten Qualität zum günstigsten Preis und in ausreichender Menge?« erzählt der ehemalige Einkaufsdirektor Ebersbach. Die Stückzahlen, die innerhalb eines halben Jahres be­ nötigt werden, können weit über 100 000 betragen. Wie oft die Kunden auch zum Telefon oder zur Bestellkarte greifen: Der Artikel muß über die gesamte Kataloglaufzeit verfügbar bleiben. »Im Versandgeschäft kann man nichts aus dem Schaufenster nehmen und den Kunden etwas anderes anbieten«, lautet eine alte Einzelhandelsweisheit. »Im Versandhandel spielt die pünktliche Lieferung der Hersteller eine besondere Rolle«, ergänzt Werner Otto, der Hamburger Quelle-Konkurrent. Die Schwierigkeit bestehe darin, meint Otto, daß man erst nach und nach erkennen könne, wie oft sich die angebotenen Waren ver­ kaufen. Otto schildert, wie er bemüht gewesen ist, auch die Vorlieferanten in seine Planung aufzunehmen, um immer lieferfähig zu bleiben. Als sich während der Ölkrise 1973/74 ölabhängige Pro­ dukte wie Kunstfasern verknappen und verteuern, wer­ den alte Lieferverträge nicht mehr eingehalten, Strick­ warenfabrikanten können wegen mangelnder Rohware nicht mehr produzieren. Otto verhandelt direkt mit der Faserindustrie und sichert für die Jahre 1974 und 1975 über 1000 Tonnen Poly­ acrylfasern. Damit ließen sich mehrere Millionen Teile 90

Strickwaren herstellen. Otto kann zu vorher festgelegten Preisen liefern. Gerade Modeartikel bereiten Versandhäusern immer wieder Kopfschmerzen. Wenn die Ware nicht läuft wie vorgesehen, bleiben Restbestände, bei »Rennern« muß hingegen nachdisponiert werden. Um sich gegen unlieb­ same Überraschungen zu wappnen, werden die Aufträge an die Lieferanten möglichst gestaffelt gegeben: eine fixierte Stückzahl und eine Option auf weitere Lieferun­ gen, wenn der Artikel bei den Kunden ankommt. In jün­ gerer Zeit gibt es auch Testkataloge, die einige Wochen vor dem offiziellen Start an einen bestimmten Kunden­ kreis verteilt werden. Aus dessen Bestellverhalten kann der Versender auf die Resonanz schließen und dement­ sprechend disponieren. Vor »Ausreißern« ist jedoch keiner sicher. Otto erzählt, daß sich 1977 der Trend zu handgestrickten Pullovern und Strickjacken verstärkte. Otto bot diese Artikel nun auch für Herren an, rechnete aber wegen der relativ hohen Preise nur mit 4000 zu verkaufenden Teilen. Doch das Bild war trügerisch. Die Nachfrage stieg, schließlich gin­ gen 14 000 Stück an die Kunden. Otto berichtet weiter: »Wir kamen in eine schwierige Situation. Handge­ strickte Artikel lassen sich nun einmal nicht kurzfristig in größeren Mengen herstellen. Um eine Jacke zu stricken, benötigt die Handstrickerin elf Stunden. Es ging jetzt darum, möglichst viele Handstricker für die Herstellung dieser Jacken, die in Heimarbeit angefertigt wurden, zu gewinnen. Unter Einschaltung unseres Mailänder Ein­ kaufsbüros wurde ein groß angelegter Akquisitionsein­ satz in den entlegenen Tälern der etruskischen Berge im Bereich von Pistoia unternommen, um ganze Dörfer für die Fertigung einzuspannen. «19 Otto griff mit dieser Aktion einem italienischen Strick­ 91

Warenfabrikanten unter die Arme. Dieser war jedoch noch zusätzlich belastet, denn er mußte die auf viele Dör­ fer verteilten Heimarbeiter genau auf die Qualität der gelieferten Ware überprüfen. Der Einkauf, meint Otto, sei der bedeutendste Geführungsbereich. Er setze wesentliche Akzente für den Aufbau und die Gestaltung der Kataloge. Der Einkauf bestimme sehr stark die Werbung und den Vertrieb. Otto hebt hervor, daß der Einkauf sowohl für die Einkaufs- als auch für die Verkaufspreise verantwortlich ist. »Durch die Erstellung des gesamten Sortiments wird eine der wich­ tigsten Verkaufsentscheidungen getroffen.«20 Das Textilangebot wird damals bei Quelle in mehreren Etappen zusammengestellt. Grete Schickedanz und Fach­ leute aus den Einkaufsabteilungen sortieren aus Kollek­ tionsmustern die engere Wahl aus. Wenn Pullover gemu­ stert werden, fragt sie Beteiligte: »Würden Sie das tragen, gefällt Ihnen das?« Keiner macht sich die Auswahl einfach. »Manchmal haben wir uns in die Haare bekommen«, erinnert sich eine Einkäuferin. In einem Einkaufsbüro in Japan oder Hongkong läuft diese Prozedur bei häufigen Reisen der Quelle-Prinzipalin dorthin nach dem gleichen Schema ab. Beteiligte bewundern noch heute ihre Energie und Aus­ dauer, mit der die Einkaufschefin bis tief in die Nacht hin­ ein musterte. Auf die Frage, ob Grete Schickedanz etwa die Hälfte der Quelle-Textilartikel selbst in den Händen gehabt hat, antwortet ihr damaliger Herrenkonfektions- und Textil­ einkäufer Ebersbach mit einem Ja. Auch bei der Endmu­ sterung begutachet sie viele Artikel und nimmt teilweise noch letzte Änderungen vor. Danach wird ein Layout für die künftige Katologseite angefertigt. In einem mehrstufigen Verfahren erstellt die

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Werbeabteilung sogenannte Tableaus mit Fotos und Texten, die auch wieder der Einkaufschefin vorgelegt wer­ den. Bei schlechten Bildern konnte sie gnadenlos sein, erinnert sich Modeberater Oestergaard. Dann sagte sie: »Nein, das doofe Gesicht gefällt mir nicht«, oder: »Wie die Frau dasteht, das will ich nicht haben.« Auch auf die Texte und Warenbeschreibungen hat sie ein Auge: »Ich streiche so viele Fremdwörter wie möglich aus unserem Katalog«, bemerkt sie einmal, »man kann das doch in Deutsch ausdrücken.« Die Einkäufer arbeiten währenddessen an der Kalkula­ tion. Die Preise werden als letztes in die Seitenentwürfe eingefügt. »Wir hatten immer Angst vor Spionage«, erin­ nert sich eine Mitarbeiterin. »In den Druckereien waren mitunter Leute, die Preise an die Konkurrenz Weitergaben. Auch unsere Leute kamen mit Konkurrenz-Preisen an.« Die Wettbewerber sind überall. Beim Auslandseinkauf beobachtet man sich genau: »Wenn wir in Taiwan waren, war der Otto in Hongkong. Manchmal waren wir auch am gleichen Ort. Wir sind morgens um sieben zum Liefe­ ranten gegangen, um den anderen eine Stunde zuvorzu­ kommen«, erzählt die Einkäuferin Marianne Ebersbach. »Wenn wir die Ringeltäubchen haben wollten, ging es nicht anders.« Grete Schickedanz läßt ihre Mitarbeiter früh neue Märkte »aufrollen«, um dort vorteilhafte Preise und Kon­ ditionen auszunutzen. Beispiel Brasilien. Einkäufer suchen dort die wichtigsten Firmen auf und verhandeln über Konditionen. »Wir haben auch unsere Ideen her­ übergebracht. Wenn wir einen Bademantel hatten, haben wir zu den Brasilianern gesagt: »Versucht, diesen Mantel zu machen. Zu welchem Preis können Sie das machen?objektivierem«, schreibt Hermann Bößenecker 1973 in der Wochenzeitung »Die Zeit«. »Die neue Rechtsform hätte als Vehikel einer Management-Reform mit dem Ziel einer allmählichen Wachablösung dienen können.«28 Im Hause Schickedanz wird statt dessen das BoardModell hochgehalten. Exekutive und Legislative sind hier nicht klar getrennt. In den Beschlußgremien der Gruppe, also im Holding-Beirat oder der Geschäftsführung von Quelle, sitzen mit gewissen Varianten immer die gleichen Leute. Sie sind »auf allen Stufen des Entscheidungspro ­ zesses dabei«, genehmigen aber immer auch die eigenen Objekte, wie Beobachter feststellen. Nach wenigen Jahren wird die ganze Konzernkon­ struktion wieder umgebaut. Als Führungsgesellschaft wird 1974 statt der Schickedanz International GmbH eine Gustav und Grete Schickedanz KG installiert, die ab 1980 den Zusatz Holding bekommt. Der Quelle-Gründer und seine Ehefrau sind persönlich haftende Gesellschafter, 1976 kommt Hans Dedi dazu. Mit dem Eintritt des Schwiegersohnes als persönlich haftender Gesellschafter sollte nach den Worten Grete Schickedanz’ die Kontinuität des Unternehmens gesichert werden, »nicht zuletzt, weil mein Mann und ich oft gemein­ sam flogen«. Die Angst vor Unfällen steckt ihr noch Jahr­ zehnte nach der Katastrophe von 1929 in den Gliedern.29

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Einen anderen Weg ist Werner Otto gegangen. Er öffnet schon früh seinen Otto-Versand für fremdes Kapital, auch wenn er nicht an die Börse geht. »Unsere Entwick­ lung wäre kaum möglich gewesen, wenn ich nicht immer die Bereitschaft zum Teilen gehabt hätte«, resümiert der Versandunternehmer später. Otto veräußert auch die Hälfte der Anteile seiner deutschen Shopping-CenterGruppe und investiert das Geld in den Aufbau seiner Gesellschaften in Übersee.30

Das Schickedanz-Imperium wird in den folgenden Jahren laufend um- und ausgebaut. 1972 verschmilzt Gustav Schickedanz seine Brauerei-Interessen mit denen der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank AG (Mün­ chen). Die aus sieben Brauereien geschmiedete »Patri­ zier-Bräu AG« in Nürnberg hat ein Aktienkapital von knapp 16 Millionen DM, an dem der Versandhauskönig rund 60 Prozent hält. Die fränkische Braugruppe mit einem Jahresausstoß von weit über einer Million Hektoliter kommt damals im klassischen Bierland Bayern direkt hinter der Münchener Löwenbräu-Gruppe. Von dem vielseitigen fränkischen Unternehmer ist die Losung überliefert: »Mit Bier kann man nicht untergehen.« 31 Ebenfalls 1972 steigt Schicke­ danz zusammen mit dem Warenhauskonzern Karstadt beim hannoverschen Touristikriesen TUI ein.32 Quelle und Karstadt sind schon zuvor gemeinsam im Reisesektor tätig, so über das Unternehmen Transeuropa Reise GmbH. Für die Touristik Union International (TUI) liegen die Vorteile auf der Hand: Die Erfolge der Necker­ mann-Reisetochter N-U-R und der Quelle haben gezeigt, daß Reisen nicht unbedingt im Reisebüro verkauft werden müssen. Es ist also günstig, auch über Waren- und Ver­ sandhäuser an Kunden zu kommen. 103

1973 übernimmt Quelle 33 Möbeleinrichtungshäuser der Hans Hess GmbH (Nürnberg).33 Der Gemischt­ warenladen vom Versandhaus bis hin zur Brauerei und Windelfabrik ist bei Schickdanzens kein Zufall. Die Fa­ milie setzt auf Risikostreuung, will sich nicht allein auf das Quelle-Handelsgeschäft verlassen. Im betriebswirt­ schaftlichen Fachjargon heißt das »gezielte Diversifika­ tion«. Als Konkurrent Neckermann Mitte der 70er Jahre an ehrgeizigen Plänen und einsamen Entschlüssen scheitert und das gleichnamige Versandhaus in eine Schieflage gerät, würde Quelle gerne zugreifen. »Natürlich hatten wir Interesse«, meint Grete Schickedanz nachträglich, »be­ sonders zu dem günstigen Preis, den Karstadt durchge­ drückt hat. Aber für uns war mit einer Zustimmung des Kartellamtes nicht zu rechnen.«34 Die Idee, Waren für den Versandbetrieb selber herzu­ stellen, wird im Laufe der Jahre unwichtiger. Gustav Schickedanz hatte gerne die ganze Textilproduktionskette im Hintergrund, um bei »Ausreißern« schnell in Eigen­ regie nachfertigen zu können. Später setzt sich jedoch die Linie durch, auch diese Artikel außerhalb einzukaufen. Am 27. März 1977 stirbt Schickedanz im Alter von 82 Jahren. Drei Tage zuvor hat er einen neuen Herzanfall gehabt, in den Jahren zuvor mußte er sich zwei schweren Hüftoperationen unterziehen. Anläßlich der Trauerfeier in St. Paul sind in Fürth Tausende Menschen auf der Straße. Kaum ein anderer - außer vielleicht der RundfunkgerätePionier Max Grundig - hat in der fränkischen Arbeiter­ stadt unternehmerisch so erfolgreich gewirkt wie er. Bis wenige Tage vor seinem Tod ist Schickedanz im Betrieb anzutreffen. Schon Jahre vorher hat er eingestan­ den: »Ich komme von der Quelle einfach nicht los.« Das fünfzigste Quelle-Jubiläum erlebt der Firmenpatriarch 104

nicht mehr, obwohl er ihm entgegenfiebert. Noch in sei­ nen letzten Wochen will er alles ganz genau wissen, und wenn ihm jemand wegen seines Gesundheitszustandes Einzelheiten vorenthält, kann er sehr ärgerlich werden auch gegenüber seiner Frau Grete. Der Wirtschaftsjournalist und Intimkenner der nord­ bayerischen Wirtschaftsszene Karl-Heinz Schmidt erin­ nert sich, daß Grete Schickedanz ihrem Mann zuletzt Verantwortung abgenommen hat. Das war dem QuelleGründer nicht immer lieb. »Schickedanz ging morgens ins Schwimmbad, Grete fuhr voraus ins Büro und stellte dort schon die ersten Weichen«, erzählt Schmidt. Schicke­ danz beklagt sich einmal: »Grete macht, was sie will, und fragt mich nicht mehr.« Der Versandhaustycoon hat Millionen gestiftet. Er konkurriert bei Spenden und sozialem Engagement mit dem anderen Fürther Vorzeigeunternehmer Max Grundig und gewinnt nach Einschätzung von Beobachtern diesen Wettbewerb - auch dank Ehefrau Grete, die mit viel Fin­ gerspitzengefühl agiert. Schickedanz’ besondere Vorliebe gehört dabei dem Sport. Zu seinem 70. Geburtstag hat er zudem die Idee für eine Stiftung, die begabten jungen Menschen helfen soll. Sie wird mit einem Vermögen von zwei Millionen DM ausgestattet, das in der Zukunft noch ansteigt. Den Impuls dazu gab ein Besuch eines Heims der Nürnberger Stadtmission für Kinder aus gestörten Fami­ lienverhältnissen. Schickedanz fragt sich: Da sind so viele nette Kinder dabei, was aus denen einmal wird? Der Unternehmer nimmt bei seinem Projekt die evangelische Landeskirche mit ins Boot, der jeweilige Landesbischof ist Vorsitzender des Kuratoriums. Obwohl er Milliardär ist, macht der Großunternehmer sich solche Entscheidungen nicht leicht. »Aber ich habe 105

mir gesagt, ich bin alt, und wollte das mit den Stiftungen noch erleben, nachdem ich es mir so lange vorgenommen habe.«35 Schickedanz blickt gerne über den Tellerrand: Er kann Rilke-Gedichte deklamieren und hat eine Sammlung hol­ ländischer Alt-Meister in seiner Villa. Er ist zeitlebens das Urbild des puritanischen Familienunternehmers. Besu­ chern sagt er: »Ich betätige mich nicht an der Börse. Außer den Aktien, die mir durch meine Betriebe gehören, habe ich kein Portefeuille.«36 Auf Reisen in Peru weigert er sich einmal, nach einer Fahrt durch Elendsgebiete in einem feudalen Klub Erfri­ schungen einzunehmen. Denn vorher hat er Baumwoll­ pflückerinnen gesehen, die ihre Mahlzeit aus alten Kon­ servendosen löffelten. »Ich konnte in diesem Hotel keinen Bissen essen.« Ein anderes Mal ärgert er sich bei einem Afrikaaufent­ halt: »Die haben mich doch glatt in ein Luxushotel gesteckt. Dabei wären mir unsere Urlaubsquartiere viel lieber gewesen.«37 Schickedanz legt seinen Erben ans Herz, die Dachgesell­ schaft und das Flaggschiff Quelle als Familiengesellschaft weiterzuführen. Diese müßten weiterhin selbständig und unabhängig bleiben. Die »Unternehmensphilosophie« sei es, »eine möglichst große Zahl zufriedener Stammkunden dadurch zu gewinnen, daß man ihnen Waren nur von bester Qualität zum günstigstmöglichen Preis liefert und so ihr beständiges Vertrauen gewinnt«. Das habe einen Trend zum Massengeschäft, zur Mas­ senverteilung und damit auch zu Größe und vollem Sorti­ ment zur Folge. Der Einkauf müsse mit besonders günsti­ gen Konditionen betrieben werden. In Zukunft sei zwar auch Umsatzwachstum zum Sichern des Gewinnes anzu-

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streben, doch ein Konsolidieren durch Kostensenken werde zunehmend wichtiger, schreibt der Firmengründer seinen Nachfolgern ins Stammbuch: »Da jedes Umsatz­ wachstum zusätzliche Finanzierungsprobleme aufwirft, wird zudem das Abschneiden nicht gewinnbringender Aktivitäten zu überdenken sein. «38 Grete Schickedanz ist nach dem Tod ihres Mannes allein. Sie übernimmt ein gut bestelltes Haus mit acht Milliarden DM Umsatz und 42 000 Mitarbeitern, das sie sich selbst mit aufgebaut hat und das sie bis in den letzten Winkel hinein kennt.

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VIII. Die Quelle-Chefin: Gnädige Frau und letzte Instanz

Goldene Zeiten Bei seiner ersten Pressekonferenz als Konzernchef gerät der sonst zurückhaltene Dedi ins Schwärmen: Selten sei ein Wechsel auf der Kommandobrücke eines vergleich­ baren Konzerns so reibungslos verlaufen wie bei der Quelle. Die mittlere und obere Führung des Hauses sei nicht frustriert. »Ein Familienunternehmen hat... wegen seiner schnel­ len, unkomplizierten Enscheidungsmöglichkeiten Vorteile. Einen Konzern in unserer Größe kann man nicht mit ein­ samen Entschlüssen regieren.« Der nach langem Warten gekürte Holding-Chef fügt hinzu: »Ich bin stolz darauf, ein dynamisches Topmanagement und ein in der familiä­ ren Atmosphäre geschultes Personal führen zu dürfen.«1 Dedi steht zwar nach dem Tod von Gustav Schickedanz an der Spitze der Holding mit zig Einzelgesellschaften, »aber sowohl Frau Grete als auch Bühler nutzen jede Chance zur Profilierung«, bemerkt ein damaliger QuelleInsider. Im Herbst-Winter-Katalog 1977 empfiehlt sie sich auf der inneren Umschlagseite mit Farbfoto. »Zum erstenmal fehlt unter dieser Katalogeinleitung die Unter­ schrift meines Mannes«, teilt »Frau Quelle« ihren Kun­ den mit. Sie ist scheinbar ganz selbstverständlich Nach­ folgerin ihres Mannes in der Visitenkarte des QuelleVersandes.2

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Grete Schickedanz rückt an die Spitze des Flaggschiffs Quelle. Sie ist zwar 65 Jahre alt, doch ein Rückzug aus dem Geschäft kommt für sie überhaupt nicht in Frage. Kurz vor dem Tod ihres Mannes meint sie einmal: »Einer­ seits möchte ich der jüngeren Generation allmählich einige Aufgaben überlassen. Dem steht jedoch der Wunsch meiner Mitarbeiter entgegen: Wir brauchen Sie noch, Sie müssen noch bleiben. Und hinzu kommt, wenn ich ehrlich bin, daß ich mich noch gar nicht zurückziehen möchte.« Sie fügt hinzu: »Ich fühle mich mit meinen Mit­ arbeitern und dem ganzen Unternehmen noch so verbun­ den, daß es mir viel mehr Freude macht, weiterzuschaf­ fen, als mich ins Privatleben zurückzuziehen. Dies hier ist meine Welt.« Der 930seitige Katalog zum 50sten, dem »goldenen Jubiläum« der Quelle quillt über von Waren. Das Sorti­ ment ist auf 80 000 Artikelpositionen angewachsen. Um stete Abrufbereitschaft zu garantieren, gibt es Vereinba­ rungen mit 12 000 Lieferanten im In- und Ausland. Deutschlands populäres Einkaufsbuch wird mittlerweile mit einer Auflage von 7,6 Millionen Stück verschickt. Wie agiert nun Grete Schickedanz an der Spitze des Handelsgiganten, wie behält sie den Überblick? Sie betont von Anfang an, daß sie das Amt nur in Teamarbeit und mit einem guten Mitarbeiterstab übernimmt. Vertraute Mitarbeiter bleiben in ihren Ämtern, auch die Gremien der verschachtelten Gruppe bleiben erhalten. »Insofern war es kein einschneidendes Ereignis, sondern die Stunde X war dann eben da«, berichtet Chefsyndikus Gebauer. Sie verhalte sich »überraschend kooperativ« und ordne sich dem Spitzenteam demokratisch ein, hört ein damali­ ger Beobachter aus der Quelle. Sie lasse den Mitarbeitern dort freie Hand und kümmere sich vor allem um ihre an­ gestammte Domäne, den Einkauf.3 109

Madeleine Schickedanz meint, daß ihre Mutter mit der neuen Verantwortung »sehr würdevoll« umgegangen ist. »Es war ihr bewußt, was sie geleistet hat. Sie ging aber nicht damit protzen. Sie hatte eine umkomplizierte, fröh­ liche Art, und jeder ist gerne auf sie zugekommen. Sie hatte einen unglaublichen Charme.« Privat ist die Fir­ menchefin oft alleine, und sie ist immer ungerne alleine gewesen. Ihr fehlt die Erfahrung ihres Mannes. Abends kommt sie aus einem geschäftigen Alltag in das abgeschie­ dene Dambacher Haus - ein großer, manchmal schwer zu überbrückender Kontrast. Sie ändert ihre Art nicht, auch als neue Aufgaben an der Spitze der Quelle-Gruppe auf sie zukommen. Sie sagt wie früher deutlich ihre Meinung. Ihre Vitalität frustriert und ängstigt mitunter zartbesaitete Gemüter in ihrer Umge­ bung. In ihrer spontanen Art teilt sie mitunter Rüffel zu Unrecht aus, kann aber solche Fehler später mit Charme wieder ausgleichen. Die Materie im Geschäft ist ihr nicht neu, denn sie ist schon lange in allen Gremien der Schickedanz-Gruppe präsent. Neu ist, daß sie Meinungen von Spitzenmanagern Zusammentragen und dann entscheiden muß. Wenn Per­ sonalfragen anstehen, beschäftigt sie sich gründlich mit den neuen Mitarbeitern. Zu dem engeren Team in den Jahren an der QuelleSpitze gehören Bittlinger, Dedi, Generalbevollmächtig­ ter Großbach, Finanzchef Hans-Joachim Werner und Marketing-Chef Harald Schroff. Bittlinger führt ihre Domäne Einkauf, Werbung und Sortiment weiter und bleibt einer der nächsten Vertrauten. Wenn sie eine drän­ gende Frage hat, klingelt die Chefin diese Mitarbeiter auch nachts um ein Uhr aus dem Bett. Grete Schickedanz übernimmt das Versandhaus, das seit 1953 die ausgestreckte »Freundeshand« (Jargon: »Im110

mer die Hand aufhalten«) als Erkennungszeichen führt, in einer kerngesunden Verfassung. 1977 übertrifft der Jubiläumsverkauf alle Erwartungen, berichtet sie stolz.4 Quelle bietet im Rahmen der »tausend Jubiläumsange­ bote« einen Radiorekorder in Jeansstofftasche für 138 Mark oder einen tragbaren Farbfernseher für 678 Mark. Anknüpfend an das legendäre Kompletteinkleidungsan­ gebot aus den Gründungstagen, statten die Fürther für 206 DM eine vierköpfige Familie aus. Anläßlich des Jubiläums erhalten sämtliche Kindergär­ ten in der Bundesrepublik von der Versandhauskönigin eine Kassette mit zwei Märchenschallplatten mit Themen aus 1001 Nacht. Dazu gibt es Puzzle mit entsprechenden Motiven. Bei Bedarf kann nachbestellt werden.5 Die eigenen Kindergärten der Fürther Firmengruppe liegen der Chefin besonders am Herzen. Die Quelle ist ein »Frauenbetrieb«, denn mehr als die Hälfte der Be­ schäftigten sind Frauen. Mitte der 70er Jahre besuchen insgesamt 400 Kinder fünf Kindertagesstätten des Unter­ nehmens in Nürnberg und Fürth. In den 80er Jahren widersetzt sich Grete Schickedanz dem Vorhaben, den Rotstift bei diesen Einrichtungen an­ zusetzen. Diese werden jedoch auch für Kinder von »außen« und damit auch für kommunale Zuschüsse ge­ öffnet. In einer Rede hebt der Gesamtbetriebsratsvorsit­ zende Peter Kalow einmal Grete Schickedanz’ Rolle her­ vor: »So traten Sie vor allem in der alles entscheidenden Sitzung engagiert für unseren Vorschlag ein, alle Kinder­ gärten durch die Bildung eines gemeinnützigen Vereins, mit vertretbaren Kosten für das Unternehmen, auch in Zukunft weiterzuführen.« An der Spitze eines Riesenkonzerns beschäftigt sich Grete Schickedanz immer wieder mit der Rolle von Frauen in der Wirtschaft. Sie weiß, daß es Vorurteile bei 111

den Männern gibt. Zur Zeit ihres Machtantritts bei der Quelle sind acht bis zehn Prozent der leitenden Mitarbei­ ter Frauen. Diese sind vor allem in der Textilsparte, aber auch in der Rechtsabteilung oder in der damals noch existierenden Wäschefabrik tätig. Gerade im Textilbereich, wo es auf modisches Gespür ankommt, seien Frauen im allgemeinen besser, weil sie sich mehr hineinfühlen kön­ nen, stellt die Quelle-Chefin fest. Insgesamt ist sie jedoch mit der »Frauenquote« nicht zufrieden: »Leider sind das viel zuwenig«, meint sie einmal. »Ich muß aber dazu sagen, daß es gar nicht so einfach ist, tüchtige Frauen in unserem Unternehmen zu finden, die bereit sind, sich einer schwierigen Führungs­ aufgabe zu stellen.« Sie ergänzt: »Viele haben eine Familie zu Hause, der Mann wartet am Abend auf sie, die Kinder brauchen die Mutter, und dann wollen sie nicht so hart und verbissen im Geschäft arbeiten, wie es Männer halt tun.« Die Quelle-Vorsteherin unterstreicht wiederholt, daß Frauen oft nicht bereit seien, den Beruf auf Dauer an die erste Stelle zu setzen. »Es handelt sich immer noch um Ausnahmen, wenn Frauen beides können - eine schwierige Führungsaufgabe zu erfüllen und gleichzeitig voll für Mann und Kinder dazusein.« Der Fürther Handelsgigant gibt sich seinen Mitarbei­ tern gegenüber sozial. Mitte der 70er Jahre zahlt die Handelsgruppe jährlich 106 Millionen DM freiwillige Personal- und Sozialleistungen. Diese fließen vor allem für die Altersversorgung, Jahreserfolgsprämien oder Zuschüsse für Kantinen und Wohnheim.6 Auf eine betriebliche Altersrente haben Mitarbeiterin­ nen und Mitarbeiter Anspruch, die mindestens 15 Jahre bei Quelle gearbeitet haben. Diese Extrarente kann bis zu 25 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens

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der letzten drei Arbeitsjahre betragen. Das macht etwa 600 bis 700 DM bei einem normalen Quelle-Gehalt von etwa 3000 DM. Später wird der Höchstsatz auf 22,5 Pro­ zent zurückgenommen. Das Fundament für diese Zusatzaufwendungen ist ein gut laufendes Geschäft. Das Jahr von Grete Schickedanz’ Antritt an der Quelle-Spitze beschert der Handelsgruppe den bisher größten Erfolg: Der Gewinn vor Steuern ver­ doppelt sich auf 109 Millionen DM. Die gesamte Handels­ gruppe setzt 1977 über sieben Milliarden DM um. Mit knapp fünf Milliarden DM entfällt der Löwenanteil auf den Versand.7

Die hohen Zuwachsraten im Versand dieser Jahre sind auch ein Verdienst von Schwiegersohn Bühler. Er hat sein Quelle-Ressort »fest im Griff« und baut das Sammelbe­ stellersystem aus, bemerken Unternehmenskenner da­ mals. Dazu führt er in der Holding die Brauerei- und Papiersparte. Der ehrgeizige »junge Mann« lockert das hierarchische Gefüge auf und treibt die Quelle-Bürokratie zu einer schnelleren Gangart. Bühler weiß, daß er warten muß, um an die Spitze des Konzerns zu gelangen. Aber es ist unübersehbar, daß er sich dabei nicht in das kooperative Führungssystem ein­ ordnen will. Das Verhältnis mit Dedi ist getrübt, das mit der Schwiegermutter ebenso. Bühler unternehme alles, »um heute schon zu demonstrieren, wer später einmal das Sagen haben soll«, schreibt damals »Die Zeit«.8 Bei einigen Mitarbeitern gilt er als »schwierig«. Einige entschuldigen das mit seiner Herkunft: Bei der AEG habe Bühlers Vater eine schützende Hand über ihn gehalten. Als Nachfolger seines Vaters Hans Bühler an der Spitze des Nürnberger AEG-Hausgerätewerkes habe er dort wie ein »kleiner König« regiert. 113

Obwohl der Jubiläums verkauf gut gelaufen ist, besteht Ende der 70er Jahre zum Jubeln kein Anlaß. Die Lage im gesamten Einzelhandel sieht damals eher trist aus, der Markt wird enger. »Die Bevölkerungszahl sinkt, die Grundbedürfnisse sind weitgehend befriedigt«, befindet die FAZ trocken.9 Dedi meint: »Die Verbrauchskonjunk­ tur fließt schnurstracks am Handel vorbei in die Reise­ büros, Autohäuser und in den Eigenheimbau.« Während bei Quelle der Versand brummt, stagniert das stationäre Geschäft mit den Warenhäusern weitgehend: 1976 gibt es dort nur ein geringes Plus von 0,3 Prozent. Neue Standorte werden nur noch wohlüberlegt erschlos­ sen, denn in dieser Sparte des Einzelhandels drücken die Uberkapazitäten auf das Geschäft. Die Konkurrenz schläft nicht. Ein Wettbewerber führt den Kauf auf Rechnung als gleichwertige Alternative zur Nachnahme ein. Quelle muß reagieren. Es gibt lange Dis­ kussionen beim Fürther Versender. Von Anfang 1979 an können die Kunden sich eine Rechnung im Paket mit­ schicken lassen.10 Vorstand Bittlinger nennt das nachträglich eine »Riesen­ entscheidung«. Zunächst gab es Befürchtungen, die Zah­ lungsausfälle könnten wegen des neuen Angebots zu groß sein. »Damals mußte man ins kalte Wasser springen.« Zunächst macht Grete Schickedanz Bedenken geltend, da sie generell gegen das Kreditgeben, das »Pumpen«, ist. Später befürwortet sie jedoch die Entscheidung, denn sie sorgt beim Quelle-Versand für ein erhebliches zusätzliches Wachstum. Ein Versandhaus muß stets mit der Zeit gehen und auf soziale Veränderungen reagieren. Bereits 1974 fügt es dem Frühjahr-Sommer-Katalog ein Schreiben bei: »Wenn sich Ihr Einkommen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit nennenswert verringern sollte, helfen wir Ihnen. Sie kön114

nen dann mit der Bezahlung so lange aussetzen, bis sich Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse normalisiert haben ohne zusätzliche Belastung.«11 Grete Schickedanz hat direkt ausgerechnet, was das Stunden kostet: bis zu zwei Millionen DM Zinsverluste. Sie weist in ihren Katalogvorworten oft darauf hin, daß der Katalog einen sechsmonatigen Preisstopp bedeutet. Die meisten ihrer Kunden können etwas damit anfangen, denn allein das Wort »Inflation« erinnert sie an schlimme Zeiten.12 Der Einfluß der Versandangebote auf das Preis- und Qualitätsbewußtsein der Verbraucher, sagt sie 1981 auf einer Unternehmerinnentagung in München, sei weit stärker, als dies der reine Quelle-Versandhausumsatz aus­ drücke. »Zwei Drittel aller bundesdeutschen Haushalte besitzen mindestens einen Katalog, der stark zur Über­ sichtlichkeit der Märkte und volkswirtschaftlich zur Stabilisierung des Preisniveaus beiträgt.«13 Die Quelle-Kataloge geben sich als ein Hort der Preis­ stabilität. Von 1978 an sind die Umschlagseiten der Haupt­ kataloge für mehrere Jahre lang golden gehalten, was sie in den Augen der Kunden noch wertvoller und dauer­ hafter machen soll. »Liebe Kundinnen und Kunden«, schreibt die QuelleChefin Anfang der 80er Jahre, »dieser Katalog, der vor Ihnen liegt, ist der größte in der Geschichte der Quelle, und ich meine, daß er für Sie auch der wertvollste ist. Denn angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage erfüllt er eine besonders wichtige Aufgabe: Sein umfassendes Ange­ bot, die typisch günstigen Quelle-Preise und die bekannt gute Quelle-Qualität machen ihn zu einem unentbehrli­ chen Einkaufsratgeber«.14 Insbesondere die Preisgaran­ tien, meint »Frau Quelle«, seien dabei von »entscheiden­ der Bedeutung«.

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Interessen und Nachfrage splittern sich zunehmend auf. Dahinter steht ein umfassender Wertewandel. Die Menschen wollen auch die angenehmen Seiten des Lebens kennenlernen, Komfort und Service sind gefragt. Quelle fächert das Angebot entsprechend auf und hat Ende der 70er Jahre bereits zehn Spezialkataloge im Pro­ gramm: Foto-Quelle, Garten-Quelle, Reise-Quelle, Quelle-Büchermarkt, Fertighaus-Information, Swim­ mingpools, Wohnwagen, Nachtstrom-Speicherheizungen, Saunas und den Madeleine-Katalog für edel-klassische Damenkonfektion.15 »Aus einer Repräsentativ-Befragung wissen wir«, sagt die Versandhauschefin damals, »daß über die Hälfte der Quelle-Kundinnen bereit ist, neuen Modetrends zu fol­ gen, sofern sie tragbar und preislich interessant sind. Unsere Antwort auf diese Entwicklung heißt Made­ leine.«16 Während sich die nach der Tochter benannte MadeleineMode in den kommenden Jahren zu einem Renner entwikkelt, erweisen sich andere Katalogspezialitäten als Flops, etwa die Bücher und die Fertighäuser. Bei der Quelle-Fer­ tighaustochter kann man damals sogar Bürogebäude, Kindergärten und Kirchen von der Stange kaufen. Letzt­ lich bleibt das Geschäft mit den Plattenbauten jedoch ein Zusatzgeschäft. Quelle überführt die schwierige Sparte in eine Kooperation: Seit dem Herbst-Winter-Katalog 1980/ 81 werden Quelle-Zenker-Fertighäuser an Bauherren offe­ riert. Hintergrund ist das Zusammengehen mit dem großen Fertighaus-Hersteller Zenker im April 1980.17 Die Spezialkataloge sind auch eine Antwort auf stärkere Konkurrenz auf dem Versandhausmarkt. Der Wettbewer­ ber Otto spricht mit diesen Extra-Warenbüchern schon früh spezielle Käuferschichten an. Daß hier Otto schnel­ ler ist, wird rückblickend auch in Fürth eingeräumt. 116

Quelle verlegt sich darauf, die bereits bekannten Adres­ sen, an die zweimal im Jahr 12 Millionen Kataloge heraus­ geschickt werden, besser »auszuschöpfen«. Mitte der 90er Jahre geben die Kunden »nur« 20-25 Prozent ihres Etats bei Quelle für Waren aus, die im Katalog zu haben sind. Ob Quelle auch in Zukunft betont auf einer familienbe­ wußten Seite bleiben wird, halten Insider für fraglich. So steigt der Anteil der Single-Haushalte ständig an, die einen modernen und rasch wechselnden Einrichtungs­ und Kleidungsstil vertreten. Die deutschen Versender machen Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre nicht den Fehler wie die großen US-Versender Montgomery Ward und Sears, Roebuck & Co., ihre Hauptkataloge in mehrere Einzelbücher zu zerlegen. Das spare Porto, denn für einen Kühlschrank brauche man nicht jedes halbe Jahr einen neuen Katalog zu machen, lautet die Argumentation jenseits des Atlan­ tiks. »Die haben sich selbst entfernt«, urteilt Bittlinger. Die deutschen Versandgiganten werden an die Weltspitze katapultiert: Dank weltweiten Zukäufen rangiert Otto bald auf Platz Nummer eins, Quelle dahinter auf Platz zwei. Quelle führt weiterhin in Deutschland. Hauptgrund für den Vorsprung ist der starke Technikanteil. Allmäh­ lich dringt der »Versender des kleinen Mannes« in neue Kundenkreise vor, in Beamten-, Ingenieurs- oder An­ waltshaushalte. Die meisten Versandhauskäufer sind weiblich, viele von ihnen berufstätig. Die 70er Jahre sind für die gesamte deutsche Versand­ branche eine Boomphase. In einer Zeit, als die Inflation die Kaufkraft aufzuzehren drohte, wächst die Branche im Durchschnitt acht Prozent, Jahr für Jahr.18 Von jeder Mark, die im Einzelhandel die Kasse klingeln läßt, ent­ fallen rund fünf Pfennig auf das Kataloggeschäft. Die 117

Branche profitiert von denjenigen, die weder ihr freies Wochenende noch den Feierabend für größere Einkäufe opfern wollen - das restriktive deutsche Ladenschluß­ gesetz erweist sich hier sogar als förderlich.

Grete Schickedanz und ihre Manager müssen sich darauf einstellen, daß sich die Kunden und deren Verhalten än­ dern. Anfang der 80er Jahre erkennen Strategen bei der Quelle: Der Kunde wird angesichts »Medienaufklärung« und starker Konkurrenz kritischer und selbstbewußter. Er verlangt höhere Qualität und bequeme Finanzierungs­ möglichkeiten. Bindungen werden lockerer, auch beim Einkäufen. Es gibt immer mehr unverheiratete Paare und »Singles«. Frauen versuchen, unabhängiger zu werden. Statistiken zeigen, daß sie in der damaligen Bundesrepu­ blik mehr Hosen als Röcke kaufen. Anders als in den Gründerjahren wohnen viele Bestel­ ler nun auch in Großstädten. Der Anteil der Kunden, die für eine Bestellung zum Telefonhörer greifen, nimmt zu. Im gesamten deutschen Sortimentsversandhandel wurde Anfang der 90er Jahre schon jede zweite Order telefo­ nisch aufgegeben. Der Kontakt zum Versandhaus per Datenleitung (Btx/ Minitel) kann sich jedoch in den 80er Jahren zunächst nicht durchsetzen. Grete Schickedanz begegnet der Euphorie, schon bald vom Wohnzimmer aus per Bild­ schirmtext bestellen zu können, eher skeptisch. Sie rät, an die notwendige technische Rationalisierung mit Augenmaß zu gehen.19 Anfang der 80er Jahre weiß die Versandhaus­ chefin aber schon, daß der Katalog in zehn Jahren als »Fernseh-Bildplatte« ins Haus kommen wird. Tatsächlich kann Mitte der 90er Jahre auch über die Datenscheibe CD-ROM und Computer in Fürth geordert werden. Das Bestellen per Btx führen die Fürther 1979 ein, doch 118

dem Medium fehlt, wie ein Marketing-Experte im Haus einmal sagt, der »Bratenduft«, um Kunden in Scharen an­ zuziehen. Auch Teleshopping-Programme im Fernsehen bringen zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Quelle stellt 1991 sein Programm in einem deutschen Privat­ sender wieder ein. Bei der lange diskutierten Frage, ob denn Einzel- oder Sammelbesteller für den Versender besser seien, stellt sie sich auf die Seite der Einzelbesteller. Der Sammelbestel­ ler, der für das Versandhaus Einzelaufträge koordiniert und zumeist das Inkasso übernimmt, wird für seine Dien­ ste mit einer Vergütung entschädigt - diese Extraausgaben gefallen der Chefin nicht. Die beiden Vertriebsschienen laufen - durchaus beab­ sichtigt - nebeneinanderher. Das führt mitunter jedoch zu unerwünschten Effekten, etwa wenn die besten Einzel­ kunden von Sammelbestellern »abgeworben« werden. Erfunden wurde der Sammelbesteller vom Konkurrenten Baur, Otto machte ihn zum Rückgrat seines Vertriebes. Anfang der 80er Jahre wird mit dem Slogan »Erst mal seh’n, was Quelle hat« geworben. Es darf mittlerweile auch das Besondere sein: Im Hauptkatalog gibt es Lama­ haarmäntel und eine »zweimanualige, vierchörige Heim­ orgel mit elektronischem Rotorsystem«. Die GartenQuelle bietet für 99 Mark japanische Bonsaikiefern an, 20 bis 25 Jahre alt, mit Echtheits- und Ursprungsurkunde. In der Kakteensparte sind der »Schwiegermuttersitz« oder das »Feuer von Granada« zu haben.20

Aufbruch in Budapest Nach Grete Schickedanz’ Antritt an der Quelle-Spitze wird in Fürth wieder einmal eine Vorhut formiert. Das Ziel lautet nun China. Die Chefin ist 1979 selbst dabei, 119

als es darum geht, Lieferanten im kommunistischen Reich der Mitte zu finden. Die Vorabdelegation trägt Waren zusammen, die Chefin besichtigt sie vor Ort. Sie läßt sich auch Produktionsbetriebe zeigen. In Peking kauft Quelle zuerst Berufsbekleidung ein - aus Köperstoff, wie er in China für den damaligen »Mao-Look« verwendet wurde. Vorangegangen ist ein jäher Kurswechsel in der Wirt­ schaftspolitik der Chinesen. »Der Wandel in ihrer Einstel­ lung zum Welthandel kam für uns absolut überraschend«, sagt Konzernchef Dedi damals. Zuvor hatten die Einkäufer der Quelle größte Schwierig­ keiten, überhaupt Einreisevisa zu bekommen. Auf einmal wird Handelsunternehmen das Einrichten von eigenen Büros in Peking gestattet. Dedi wundert sich: »Noch vor Monaten bekamen wir deren Produkte vorgesetzt und die Preise diktiert nach dem Motto, >Entweder du nimmst oder nicht. < Jetzt aber fragen sie mich, was wir brauchen könnten. Selbst nach unseren Schnittmustern würden sie schneidern oder auf das Etikett >Made in China< verzich­ ten.«21 Zunächst reicht die Qualität nicht für China-Artikel im Quelle-Katalog. »Schon bei der Erfüllung des chinesi­ schen Wunsches, statt Rohmaterialien wie Leder oder Daunen gleich veredelte Produkte, beispielsweise Schuhe oder Steppdecken, zu liefern, müssen wir vorerstpassen«, resümiert Dedi. Die Waren paßten nicht in die westliche Warenlandschaft. Außerdem bezweifelt der Schwieger­ sohn von Grete Schickedanz, daß die Chinesen flexibel genug sind, »... wenn ich mir die totale Gleichmacherei dort ansehe. Da wiebelt’s und wabelt’s von Menschen im blauen Einheitsdreß mit Mao-Look, alle auf den gleichen Fahrrädern, ob Männlein oder Weiblein.«

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Wenn Grete Schickedanz mit den Lieferanten persönlich verhandelt, dauert das oft stundenlang. Es wird zäh ge­ feilscht wie im Bazar, das ist ihre Leidenschaft. Einmal handelt sie mit einem italienischen Strickwarenhersteller. Das Gespräch wurde für den ZDF-Fernsehfilm aus der Reihe »action« im Jahre 1986 aufgezeichnet. Grete Schickedanz: »Kein Mensch kauft jetzt Pullover, bei dem schlechten Geschäft. Wir geben Ihnen Arbeit für die ruhigen Monate ...« In einer weiteren Runde läßt sie wissen, daß sie 20000 Stück bestellen will - weil sie Geburtstag hat. Nun bleibt noch der Preis. Die italienische Quelle-Mit­ arbeiterin und Dolmetscherin bemerkt, daß der Verhand­ lungspartner Signore Attioli bereits am Vortag eine Mark »heruntergetan« habe. Dieser beharrt jetzt auf 21,50 DM pro Stück, gibt dann aber auf 21,30 DM nach. Die QuelleChefin ist jedoch damit noch nicht zufrieden. Grete Schickedanz: »Ich würde einen geraden Preis machen, 21 Mark. Auch ein Geburtstagsgeschenk.« Attioli: »Wo denken Sie hin, Signora, der deutsche Pfennig ist zu teuer, um so einen Abschlag zu machen, oder ich bin ruiniert.« Grete Schickedanz: »Das Geschäft ist bitterhart in Deutschland. Alle Konzerne bringen diesen Pullover um 39 Mark. Dann bräuchte ich wirklich den Preis. Es wäre schön«, sagt sie, zu der Mailänder Quelle-Mitarbeiterin gewandt, »wenn er da etwas tun könnte.« »Unmöglich«, entgegnet der Fabrikant. Doch später in der Nacht wird er sich mit seiner größten Kundin einig.22 Ein anderes Mal verhandelt sie mit Produzenten aus der damaligen DDR. Es geht um Dreiteiler für Damen. Als sie hört, daß 48 Mark verlangt werden, entgegnet sie: »48 Mark? Na, das ist ja ein ganz schöner Preis. Da meine ich, das müßten wir unter 100 Mark verkaufen.« Ein wenig 121

später fügt sie hinzu: »Da müßt ihr euch mal ein bißchen anstrengen. Das ist lOOprozentig richtig, aber das müssen wir bestimmt für 99 Mark verkaufen, sonst ist da nicht die Stückzahl dahinter.« Bei den Zanussi-Werken im italienischen Pordenone geht es darum, Waschmaschinen nachzubestellen. Das Problem: es ist nur noch ein Gerät verfügbar, das deutlich teurer im Einkauf ist als das im Katalog angebotene. Bei 8000 Waschmaschinen macht der Unterschied für die Quelle 1,2 Millionen DM aus. Das ist für die Grande Dame des Versandhandels Anlaß genug, sich mit ihren Managern ins Firmenflugzeug zu setzen und nach Nord­ italien zu fliegen, um einen günstigeren Aufpreis auszu­ handeln. Umsteigestation ist Venedig. In dem ZDF-Film ist die Quelle-Chefin am Fenster des Jets zu sehen - sie blickt sehnsüchtig auf die sonnenüberflutete Lagunenstadt. Für einen Stadtbummel ist, wie oft, keine Zeit. Vor Ort dauert es dann lange, Werkschef Dr. Rossignolo für das Vorhaben der Fürther zu gewinnen. Grete Schickedanz: »Der Preis 150 Mark mehr ... das sind 1,2 Millionen Mark, und deshalb bin ich hier, um mit Ihnen zu sprechen, daß Sie uns helfen, einen Weg zu fin­ den, um diese Schwierigkeit zu überwinden. Denn wir haben nicht die Möglichkeit, daß wir diesen Betrag alleine tragen können. Das ist jetzt der Wunsch, daß Sie uns hel­ fen. Vielleicht können Sie uns da einen guten Vorschlag machen.« Rossignolo: »Ich möchte darauf hinweisen, daß Sie nicht verlangen können, daß alle Belastungen von unserer Gesellschaft getragen werden. Ich schätze zwar ungemein Ihre Geschäftsführung und Ihren persönlichen Charme, aber Sie sollten auch davon überzeugt sein, daß Sie nicht Opfer verlangen können, die nur von uns zu tragen sind. 122

In der Hoffnung, eine Lösung zu finden, sind wir bereit, dieses Problem mit Ihnen zu diskutieren.« Grete Schickedanz: »Ich hoffe, daß wir nicht lange dis­ kutieren müssen. Bei dem Umsatz und dem Volumen, was wir miteinander machen, ist das ja ein seltener Fall. Wir kommen net (nicht C. B.) alle Jahre, sondern dies ist eine Ausnahme ... Ich würde sehr darum bitten, wenn wir schon persönlich darüber sprechen. Sie sind der Größere, und wir wollen den Umsatz stär­ ken, und für die Kunden und für unsere beiden Unterneh­ men ist es wichtig, daß wir etwas Besseres liefern und daß der Kunde nicht zu kurz kommt.« Rossignolo: »Wir wollen auf jeden Fall, daß Sie Kunde Nummer eins bleiben. Indessen kann das Problem nicht dadurch gelöst werden, daß wir Sie mit Priorität behan­ deln. Es geht nämlich um zwei Komplexe: Zum einem um die Zusatzmenge und damit um Wartezeiten für andere Kunden, zum anderen um einen niedrigeren Preis als den Marktpreis. Das ist ein doppeltes Opfer, das von uns ver­ langt wird.« Grete Schickedanz gibt jedoch nicht klein bei. Sie unter­ streicht, daß das Geschäft in Deutschland alles andere als einfach ist: »Das ist doch ein ganz hartes, schwieriges Jahr. Es wird immer noch viel härter. Wir müssen ringen um den Umsatz, glauben Sie mir ... Wir brauchen das. Ich habe ja auch 40 000 Menschen, die wollen auch be­ schäftigt sein. Darum bin ich persönlich gekommen.« So geht es stundenlang weiter. Schließlich treffen sich Grete Schickedanz und Rossignolo in der Mitte. Statt 1,2 Millionen DM betragen die Zusatzkosten für Quelle noch 600 000 DM. Die Chefin und ihre Mannschaft kehren noch am gleichen Abend nach Deutschland zurück, die fast 75jährige Quelle-Prinzipalin ist sichtlich erschöpft.23

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1982 macht Quelle einen spektakulären Schritt in den damaligen Ostblock. Vorreiter ist Foto-Chef Lothar Schmechtig. Ende Juni eröffnet als erstes deutsches Han­ delsunternehmen ein Laden der Foto-Quelle-Gruppe in den Budapester Parizsi Utca, mitten in der Innenstadt, an einem Gründerzeitboulevard. Im Schaufenster locken Foto- und Brillenartikel. Die ersten »Revue«-Filme kauft interessanterweise ein Ehepaar aus Dresden. Das ist kein Geschäft für Diplomaten und Devisenbe­ sitzer, denn es kann in der heimischen Währung Forint bezahlt werden. Auf die Preisgestaltung hat Quelle jedoch keinen Einfluß. Ein deutscher Zeitungskorrespondent bemerkt, daß eine Kamera, die zu Hause für 299 Mark an­ geboten wird, in Ungarn bis zu 700 Mark kostet. Das sei das Mehrfache eines durchschnittlichen Monatslohns.24 Das Arrangement ist ebenso kompliziert wie weg­ weisend. Um in Ungarn verkaufen zu können, muß Quelle von dort Waren beziehen, etwa Taschen oder Bril­ lengestelle. Bereits eingefahrene langjährige Einkaufs­ beziehungen in dem Land kommen der Quelle dabei zugute, importiert werden beispielsweise Daunen für Bettdecken, Textilien oder Pelze.25 Der Generaldirektor der staatlichen Foto- und Optik­ kette Ofotert, Janos Szilagyi, betont, daß viele Wider­ stände im eigenen Lager überwunden wurden. »Wir müssen auch künftig verhindern«, sagt er durchaus pro­ phetisch, »daß die, denen nie im Leben etwas einfällt, Einfluß ausüben können.« Ofotert ist der damalige Kooperationspartner der Foto-Quelle in Ungarn. Grete Schickedanz, die vor allem an die klassische Ver­ sandsparte denkt, nutzt die geöffneten Türen in Ungarn. Am 1. Mai 1985 schließt sie mit der Generaldirektorin der ungarischen Außenhandelsgesellschaft Hungarotex, Eva Czabo, offiziell einen Kooperationsvertrag ab. Der sieht 124

vor, daß einheimische Konsumenten bei der HungarotexTochter Forras (ungarisch für Quelle) in Budapest und weiteren Orten Quelle-Ware gegen Forint bestellen kön­ nen. Die von Hungarotex festgelegten Preise sollen keine Luxuspreise sein, wird versichert. »In Ungarn waren wir Vorreiter«, weiß Bittlinger. »Wenn so etwas war, daß hat dann Frau Schickedanz, wie sie es sagte, gebitzelt. Sie sagte: >Warum der Schmechtig, da müssen wir doch zuerst sein.< Sie war sehr Quelle-Versand-orientiert.« Grete Schickedanz’ Manager, unter ihnen Bittlinger, haben dafür komplizierte Vorarbeit geleistet. Der Vertrag beruht wieder auf Kompensation: Quelle muß die l,3fache Menge der bestellten Katalogware vorher in Ungarn be­ stellt haben. Es kann also nur so viel Ware gegen Forint ver­ kauft werden, wie auf einem Guthabenkonto steht. 1984 kaufte das Fürther Versandhaus für rund 20 Millionen DM in Ungarn ein. Bittlinger erinnert sich, daß sich seine damalige Chefin weniger für Details dieser Verträge als für die Ware interessierte, die bei Forras zu haben war, und welche Preise dort galten. Die Versandhauschefin warnt damals im ungarischen Rundfunk vor überzogener Euphorie und zu hohen Er­ wartungen: »Wir müssen langsame Schritte machen«, legt sie ihren Zuhörern ans Herz.26 Heute ist kaum noch vor­ stellbar, welches Prestige westliche Konsumführer im Osten in den Zeiten des Eisernen Vorhangs genossen. Der Quelle-Katalog ist damals ein heimlicher Bestseller und kostet in Polen 30 DM oder einen entsprechenden Betrag in der Landeswährung auf dem Schwarzmarkt, in der DDR sind es 20 DM. Schon der frühere US-Präsident Franklin Delano Roosevelt empfahl einmal, Kataloge des amerikanischen Versandgiganten Sears über der Sowjetunion aus der Luft 125

abzuwerfen, um die Menschen von den Segnungen des Kapitalismus zu überzeugen.27 Quelle wirft zwar keine Einkaufsbücher aus Flugzeugen ab, ist aber schon früh in der damaligen UdSSR präsent. Mitte der 70er Jahre kommt es zu einem Arrangement mit den sogenannten Berjoska-Läden in der Sowjetunion. Für fünf Dollar (damals rund zwölf Mark) ist dort für Ausländer und Deviseninhaber der Quelle-Katalog zu haben.28 Dazu ist ein Vertrag mit der sowjetischen Außenhan­ delsorganisation nötig. Seit 1981 gibt es zudem »DDRSonderbestellscheine« ; Verwandte und Freunde aus dem Westen können Sendungen in das andere Deutschland über den Fürther Versender abwickeln. Im Inland orientiert sich die Gruppe in diesen Jahren verstärkt in Richtung Dienstleistungen. Mit dem 1979 eingeführten Kauf auf Rechnung muß die gesamte Finan­ zierung im Kundengeschäft ausgebaut werden - der Händler wird zum Kreditgeber. Obwohl Grete Schickedanz vom »Pumpen« nicht begeistert ist, fördert sie diesen Aufbau. Neue Quellen sprudeln. Anfang 1985 wird die Noris Verbraucherbank in Nürnberg gegründet. Sie setzt sich zusammen aus der schon älteren Quelle-eigenen Noris Bank GmbH und der hinzugekauften Verbraucherbank AG in Hamburg. Während die Noris Bank 57 Filialen in Süd- und Westdeutschland unterhält, bringt die Verbrau­ cherbank 15 Filialen ein. Die Bankwurzeln der Quelle reichen bis in die 50er Jahre hinein, als mit der Noris Kaufhilfe eine Teilzahlungsmöglichkeit eingerichtet wurde.29 Quelle hat 35 Millionen DM für die Verbraucherbank ausgegeben, deren 100000 Kunden ihre Geldgeschäfte bereits umfassend mit dem Computer abwickeln. Die 126

fusionierte Bank macht damit Furore, bei Girokonten keine Kontoführungsgebühren zu erheben.30 Gemeinsam mit der Deutschen Beamten-Versicherung (DBV) schnürt sich Quelle ein Versicherungs-Dienstlei ­ stungspaket. Die neuformierte Quelle + Partner Lebens­ versicherung AG will vor allem die guten Kontakte der Quelle zu weiblichen Kunden nutzen und bietet deswegen einen besonderen »Frauentarif« in der Lebensversicherung an. Auf einen eigenen Kundendienst wird verzichtet.31 Diese wichtigen Expansionsschritte Anfang der 80er Jahre beschreitet die Familiengruppe aus eigener Kraft. »Was man verdient hatte, blieb im Unternehmen«, berich­ tet ein Manager. Anfang 1984 wird bekanntgegeben, daß die im Textilbereich tätige Dedi-Gruppe, die der Schwie­ gersohn Hans Dedi von seiner Familie geerbt hat, unter das Schickedanz-Dach gekommen ist. Zu dem damaligen Umsatz von 145 Millionen DM tragen die Gold-ZackWerke den Löwenanteil bei. Berater des Familien-Konzerns raten immer wieder da­ zu, die Quelle in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln, um sie auch fremdem Geld zu öffnen. Doch diese Pläne werden nie umgesetzt. Die Firmenchefin ist schon instinktiv dagegen, denn eine Umwandlung hätte ihren Einfluß nur mindern kön­ nen. »Für sie war Führung und Kapital immer eins. Für sie war das Unternehmen immer eine Einheit«, erläutert Herbert Bittlinger. Sie hätte sich für neue Gremien wie Vorstand oder Auf­ sichtsrat entscheiden müssen - ein heikles Thema, wie sich damalige Mitarbeiter erinnern. Grete Schickedanz hält dagegen den Vorteil hoch, schnell entscheiden zu können. Das sei etwas patriarchalisch gewesen, meint ein Quelle-Lenker rückblickend, aber für ihn und andere Manager überwogen die positiven Seiten.

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Einer, der es wissen muß, der Vorstand der Deutschen Bank AG, Rolf-Ernst Breuer, macht in der deutschen Wirtschaft generell eine Scheu vor der Kapitalgesellschaft aus. Unternehmen würden am liebsten als Personenge­ sellschaft geführt: »Man bleibt lieber unter sich.« Eine mangelnde Aktienkultur in Deutschand wird ja schon länger beklagt; das trifft genauso die Anleger, die ihr Kapital lieber in Versicherungen oder anderen Wertpapie­ ren anlegen als in Aktien. 1979 wird das verzweigte Familienkonglomerat um einen wichtigen Baustein erweitert. Eine Gustav und Grete Schickedanz Stiftung wird neu formiert. Die Stif­ tung wird von den drei Eignerfamilien kontrolliert und legt die Konzernpolitik fest. Der Stiftungsrat steht nun ganz oben in der Konzernhierarchie. Dieses Gremium entwirft Strategien, wahrt die Familieninteressen und ver­ waltet die Gesamtgruppe.32 Anders als beispielsweise beim Stuttgarter Autoaus­ rüster und Elektronikkonzern Bosch hält die Stiftung jedoch keine Unternehmensanteile, deshalb fließt ihr auch kein Ertrag zu. »Es ist ein interessantes Modell«, kommentiert die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« da­ mals, »das den Bedürfnissen eines großen und wachsen­ den Familienunternehmens gut angepaßt ist und viel­ leicht sogar Schule machen könnte.«33 Mit der Stiftung geht eine weitreichende Neuorganisa­ tion einher. In die Vorstände der Einzelfirmen wie der Quelle dürfen künftig Mitglieder des Schickedanz-Clans, die im Stiftungsvorstand sitzen, nicht mehr einrücken. Management und Aufsicht werden strikt getrennt. Aus­ nahme ist Grete Schickedanz, die weiterhin an der Quelle-Spitze steht. In den Verwaltungsräten sollen, meint Konzernchef Dedi, »nicht nur wir drinsitzen, son­ dern auch Bankiers und namhafte Industrielle«.34

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Es bedurfte stundenlanger Abendsitzungen in Dambach, weiß »Der Spiegel« damals, bis »Deutschlands mächtigste Unternehmerin« ihre elfköpfige Großfamilie von dem notwendigen Verzicht auf angestammte Rechte überzeugt hat. Damit soll ausgeschlossen werden, daß in späteren Generationen inkompetente Verwandte die Alleinherrschaft an sich reißen und den Konzern mit sei­ nen über 40 000 Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen, findet die Versandhauschefin. Verantwortung und Interesse für die Beschäftigten spielen für die Quelle-Chefin immer eine herausgehobene Rolle. »... wenn es um die Mitarbeiter ging, dann wußte man, daß man sich am besten an sie wendet«, erzählt Bayerns SPD-Chefin Renate Schmidt, die 19 Jahre lang bei Quelle gearbeitet hat. 1972 ist sie in den Betriebsrat der Quelle gewählt worden, von 1975 an bis zu ihrer Wahl in den Deutschen Bundestag 1980 saß sie im Gesamtbe­ triebsrat. Grete Schickedanz ließ es sich nicht nehmen, bei Jubilar­ ehrungen dabeizusein, erzählt Renate Schmidt. Gesamt­ betriebsratsvorsitzender Kalow weiß, daß die QuelleInhaberin gerne zu den jährlichen Betriebsratskonferenzen kam, wo sich 300 bis 400 Betriebsräte versammelten. Sie ging von Tisch zu Tisch und erfuhr von den Arbeitneh­ mervertretern ungeschminkt, wie es vor Ort aussah. Insbesondere wenn es um Fragen der Altersversorgung und um die Belange der Textilarbeiterinnen geht, ist die Quelle-Chefin ansprechbar. Früher existierte neben dem Versand noch die textile Eigenfertigung, die es heute nicht mehr gibt. Renate Schmidt kann sich aus ihren acht Jah­ ren Betriebsratszeit an keinen Konflikt mit der Chefin erinnern: »Es gab natürlich Konflikte mit der Geschäfts­ leitung. Wir waren kein Betriebsrat, der zu allem ja und amen sagte. Sie hat nach Ausgleich und Kompromissen 129

gesucht. Wir haben aber versucht, das nicht überzustra­ pazieren, denn das war nicht ihre Rolle.« Anlässe für Auseinandersetzungen sind damals Kündi­ gungen, Jahreserfolgsprämie oder Weihnachtsgeld. Grete Schickedanz stellt sich in diesen Punkten oft hinter die Mitarbeiter und versucht, Leistungen zu erhalten. Der Quelle-Vorstand versichert sich mitunter beim Betriebs­ rat, ob eine vorgeschlagene Jahreserfolgsprämie ausreiche oder ob dieser vorhabe, bei Frau Schickedanz für eine höhere Zahlung zu plädieren. Renate Schmidt erinnert sich an ein sehr herzliches Ver­ hältnis zur Firmenchefin. Bei einem Treffen mit Betriebs­ ratsmitgliedern in Dambach schenkt die Quelle-Chefin ihr einen riesigen Amethyst, weil sie weiß, daß auch die Betriebsrätin Steine sammelt. Die Tarife im Versand waren an den Einzelhandel ange­ lehnt; es gab damals sehr niedrige Löhne, erzählt Renate Schmidt, inbesondere bei Frauen sei es »skandalös« ge­ wesen. Dort, wo Männer arbeiteten, gab es mehr Geld, ohne daß dies immer einsichtig gewesen sei. Quelle hat wegen des Fehlens eines Versandhandelstarifes einen eigenen Haustarifvertrag gehabt. Die Ferti­ gungsbetriebe unterlagen dem Tarif von Textilbekleidung. Dort hat das Unternehmen die Beiträge für die Gewerk­ schaft direkt vom Lohn eingezogen und an die Gewerk­ schaft abgeführt. »So etwas gab es nirgendwo in der ganzen Republik«, meint Renate Schmidt. Wenn Grete Schickedanz bei der Tochter Schöpflin im Badischen ist, geht sie auch unangemeldet in das Lörra­ cher Kaufhaus und spricht mit den Mitarbeitern. Verkäu­ ferinnen kommen auf sie zugelaufen und sagen: »Das ist schön, das Sie einmal zu uns kommen.« Als die Quelle-Chefin zu einem solchen Tochterunter­ nehmen kommt, ist sie nicht von einem großen Gefolge

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umgeben. Sie bringt ein Butterbrot mit und sagt: »Ich brauche nichts, ich habe etwas dabei.« Sie hilft bei Mode und Einkauf. Die Einkäufer sind damit zufrieden und fühlen sich nicht bevormundet. »Man wußte, wenn sie etwas sagt, dann steckt etwas dahinter. Sie war will­ kommen und akzeptiert«, erzählt der frühere SchöpflinGeschäftsführer Rieger. Der kleinere Schöpflin, der im Schatten der großen Quelle steht, wird von ihr unterstützt: »Wir haben sehr gekämpft für Investitionen«, meint Rieger. Einmal geht es um eine Logistikgroßinvestition. Sie sagt: »Es ist gut, daß mal etwas passiert. Wir haben zehn Jahre lang nichts gemacht. Ein modernes Versandunter­ nehmen kann doch nicht so weitermachen wie vor 30 Jah­ ren. Ihr bekommt die 200 Millionen.« Als sie nach Fürth zurückkommt, bekommt sie zu hören: »Frau Schickedanz, das können Sie doch nicht machen.« Quelle ist verwöhnt von den boomenden 70er Jahren. Doch Anfang der 80er Jahre läßt das Konsumklima zu­ nehmend zu wünschen übrig. Im Winter 1982/83 steigt in der Bundesrepublik die Arbeitslosenzahl dramatisch an. Im Februar 1983 sind 2,53 Millionen Menschen bei den Arbeitsämtern registriert, gut jeder zehnte ist ohne Job.35 Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit schla­ gen auf den Einzel- und Versandhandel in voller Wucht durch. Nach Jahren des Wachstums schrumpft das Ge­ schäft.

Krisenzeiten Als die CDU/CSU und die FDP bei den Bundestagswah­ len am 6. März 1983 eine massive Regierungsmehrheit erzielen, enthält sich Grete Schickedanz einer politischen 131

Bewertung - zumindest nach außen hin. Sie erklärt, daß die Mehrheit der Bevölkerung glaube und erwarte, daß die Regierung einen wirtschaftlichen Aufschwung herbei­ führen könne. Sie erhofft sich vor allem ein besseres Geschäft: »Mehr Optimismus an der Spitze weckt beim Verbraucher eine stärkere Kaufbereitschaft. Er spart nicht mehr soviel.«36 Doch auch die Regierung in Bonn kann Einbrüche im Handel nicht aufhalten. Bereits 1981 ist für die Fürther eines der schwierigsten Jahre seit der Währungsreform gewesen, meint Konzernchef Dedi damals. Im Folgejahr wird es dann noch härter. Allein im Versand bröckeln die Umsätze um 4,8 Prozent auf unter fünf Milliarden DM ab. Auch der Hamburger Konkurrent Otto muß in diesem Jahr Federn lassen und Einbußen in ähnlicher Größen­ ordnung einstecken. 37 Quelle, größter Kunde der Deut­ schen Bundespost, muß zudem 40 Millionen DM Gebüh­ renerhöhungen der gelben Post verdauen.38 Minuszahlen - das ist etwas Neues bei den erfolgs­ gewohnten Franken. »Das tut sehr weh«, klagt die Ver­ sandhauschefin publicitywirksam schon Mitte 1982, als sich erst ein winziger Rückgang von knapp einem Prozent abzeichnet. Diese Worte dürften durchaus ihre damalige Gefühls­ lage treffen; für sie durfte es keine Niederlagen geben. Sie vertrug es nicht, daß etwas schlecht lief, heißt es aus ihrer Umgebung. »Sie konnte es nicht verwinden, daß man ihr irgend etwas vorwerfen konnte, was sie hätte besser machen können«, fügt Alfred Gebauer hinzu. Die Minusserie reißt nicht ab. Auch 1983 gehen die Umsätze zurück, während Otto wieder zulegt. Der Quelle-Clan ist in der Defensive und führt den Erfolg der Hamburger auf das starke Ausweiten des Angebots zurück.

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»Wären wir ähnlich vorgegangen und hätten wir unser Katalogangebot beispielsweise um zwanzig Prozent er­ höht, so hätten wir auch zehn Prozent mehr umsetzen können«, erläutert Schwiegersohn Bühler, setzt dann aber hinzu: »Aber die hohen Kosten wären dabei nicht wieder hereingekommen, wir hätten vielmehr weniger verdient. «39 Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit setzen gerade Quelle-Kunden zu. »Die Schicht, die wir ansprechen, ist vermutlich stärker als andere Verbrauchergruppen von den Flaute getroffen worden«, räsoniert Bühler. Die Zei­ ten hoher Zuwachsraten, erkennt seine Schwiegermutter, dürften endgültig der Vergangenheit angehören.40 »Der Bedarf in Deutschland ist gedeckt, die jungen Leute tra­ gen nur noch Jeans und Turnschuhe«, bemerkt sie einmal. Doch die Krise bei Quelle ist auch hausgemacht, urtei­ len Beobachter von außen. Es »dränge sich die Frage auf«, schreibt Hermann Bößenecker in der »Zeit«, »ob nicht die starke Position von Frau Schickedanz ... sich in solchen prekären Branchensituationen als Handikap erweist. «41 Bößenecker führt die Amterfülle der Versandhauschefin an. Immerhin leite sie gleichzeitig das operative QuelleGeschäft, sei nach Dedi stellvertretende Holding-Chefin und zudem noch persönlich haftende Gesellschafterin der Holding. Dedi sei jedoch nicht der Mann, der eine rasche Klä­ rung durchsetzen könne. »Während der langen Wartezeit unter dem großen Gustav hat er wohl jene Härte und Ent­ scheidungsfreudigkeit verloren, die für die Leitung eines Großunternehmens unerläßlich sind«, urteilt Bößenecker. Die bekannten Spannungen zwischen den Schwiegersöh­ nen seien zudem bei florierendem Geschäft nicht so aufge­ fallen, nun kämen Zweifel an der Führungsstruktur auf. 133

Grete Schickedanz wird in der Öffentlichkeit Entschei­ dungsschwäche und zu große Ehrfurcht vor dem Erbe ihres Mannes vorgeworfen. Quelle habe zu lange an bewährten Mustern festgehalten, während der Rivale Otto durch den Einstieg beim US-Versender Spiegel sein Geschäft erfolgreich internationalisieren konnte. Erste Krisenzeichen seien nicht ernstgenommen wor­ den, heißt es. Das Gespür für den Markt habe gelitten, Phantasie und Kreativität seien erlahmt. Entscheidungen sind immer wieder hinausgezögert worden. Und: »Die Mitglieder der Führungstroika ... schienen sich immer wieder gegenseitig zu blockieren. «42 Die Grande Dame des Versandhandels und die Manager im Quelle-Vorstand hinken bei der Katalogaufmachung hinterher, finden Kritiker. Der Otto-Katalog sei »journalhafter und großzügiger gestaltet«, lautet ein gängiger Vor­ wurf damals. Zu einem grundlegenden Kurswechsel von einer möglichst breiten Bedarfsdeckung hin zur Bedarfs­ weckung (mit entsprechender Gestaltung) scheint bei den Quelle-Lenkern jedoch der Mut zu fehlen: »Wir möchten uns vor dem Fehler hüten«, sagt Marketingvorstand Schroff, »unsere angestammten Kunden zu verprellen. «43 In dem Familienimperium kriselt es plötzlich an jeder Ecke: Bei dem Hygienepapier-Hersteller Vereinigte Papierwerke (VP), bei der Möbelhauskette Hess oder bei der mehrheitlich gehaltenen Patrizier-Bräu, die schon seit Jahren keine Dividenden mehr ausschüttet. Grete Schickedanz schlägt in dieser Situation Alarm und reißt das Ruder herum. Sie holt die Unternehmens­ beratung McKinsey ins Haus, beruft Sonderkommissio­ nen mit Führungskräften ein und läßt Strategieprogramme ausarbeiten. Spektakulärster Fall des Konzernumbaus ist zunächst die VP-Gruppe, seit den 30er Jahren im Quelle-Verbund. 134

Verwöhnt von Erfolgen mit den Erfolgsmarken »Tempo«, »Camelia« und »Moltex«-Windeln, versäumten es die VP, rechtzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Massi­ ves Vordringen von anonymer Massenware und eine ver­ stärkte internationale Konkurrenz machen dem lange Jahre von dem selbstbewußten Wolfgang Doberauer ge­ leiteten Unternehmen schwer zu schaffen. Dazu kommt der steigende Dollarkurs - der trifft den Papierhersteller ins Mark, denn Zellstoff muß auf dem Weltmarkt in der US-Währung bezahlt werden. Im Aus­ land haben die VP ebenfalls Probleme. Gustav Schickedanz willigte 1977 - zehn Tage vor seinem Tod - zum Kauf der konkursreifen Sanys S. A. (Paris) ein. »Die heutige Tempo Sanys S. A. mit ihren drei im Norden Frankreichs gelegenen veralteten Fabriken und den kostspieligen Transportwegen in den Süden des Landes erweist sich indes als Faß ohne Boden«, urteilt das »manager magazin« streng.44 Die McKinsey-Berater ziehen zunächst bei VP ein und schlagen das vor, wofür sie bekannt und gefürchtet sind: Personalabbau. Im Februar 1985 kündigt der Hersteller an, daß zwei Monate später 800 Mitarbeiter entlassen werden, davon 500 im Stammland Bayern.45 Massenentlassungen, auch das ist ein Novum bei Schickedanz. Der Landesvorsitzende der IG Druck und Papier, Willi Baumann, empört sich deshalb über den Stellenabbau, der schon im Vorjahr von der Unterneh­ mensführung als unumgänglich dargestellt wurde. »Es zeugt von Menschenverachtung, daß die Unternehmens­ leitung die geplanten Struktur- und Rationalisierungs­ maßnahmen allein auf dem Rücken der Arbeitnehmer austragen will«, entrüstet sich der Gewerkschafter. Es sei geradezu skandalös, schimpft der Gewerkschaftschef, daß sich die Besitzer der Schickedanz-Gruppe bei den

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defizitären Papierwerken aus der Verantwortung stehlen wollten, während bei den anderen Standbeinen wie der Quelle die Gewinne »nur so sprudelten«. 46 Die Proteste bleiben jedoch fruchtlos. Bis Ende Januar 1987 wird das Personal bei den VP von 4040 auf 2845 Men­ schen abgebaut, davon im Ausland von 1269 auf 997.47 1986 wechselt die Gesellschaft die Unternehmsform: Sie firmiert fortan als Aktiengesellschaft. Jedoch verbinden die Familiengesellschafter nicht damit das Ziel, das Unter­ nehmen an die Börse zu bringen, es zu einer Publikums­ gesellschaft zu machen. Die VP besitzen seit 1929 eine der erfolgreichsten Mar­ ken überhaupt: »Tempo« ist zum Synonym für Papier­ taschentücher geworden. Der Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung beträgt fast 100 Prozent, ein Kapital, was nicht zu bezahlen ist. Zwar vereinigt der Hersteller nicht mehr wie in früheren Jahren zwei Drittel des Marktes auf sich, hält aber immer noch eine führende Position. Die Unternehmensberater absolvieren in Franken eine für sie erfolgreiche Arbeit; für einen von ihnen bedeutet das sogar eine neue Aufgabe. Im März 1985 bestätigt Büh­ ler gegenüber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, daß der McKinsey-Direktor Klaus Zumwinkel zum 1. Juli in den Quelle-Vorstand eintreten wird. Eine folgen­ schwere Entscheidung, von der später noch ausführlich die Rede sein wird. Zum Zeitpunkt der Ankündigung ist McKinsey etwa ein halbes Jahr bei Quelle gewesen.48 Verglichen mit den kleineren Papierwerken schlägt der Unternehmensumbau bei der Quelle zunächst nicht so hart auf die Beschäftigung durch. Die Zahl der Beschäftig­ ten der Handelsgruppe geht 1985 um 600 auf 32 600 Men­ schen zurück, Entlassungen werden jedoch vermieden. Grete Schickedanz setzt sich hier gegen die McKinseyBerater durch, die eine schnellere Gangart vorschlagen.49 136

Dem Handelsriesen geht es nicht gut, er schreibt rote Zahlen. Das gestehen Grete Schickedanz und ihre Füh­ rungscrew aber zunächst nicht ein. Bei einer QuellePressekonferenz im Juli 1985 machen sie keine Angaben mehr zur Ertragssituation ihres Hauses. Wegen der Ent­ lassungen bei VP und der Möbelkette Hess sei die Schickedanz-Führung nicht nur von Gewerkschaften, sondern auch von kommunaler und kirchlicher Seite mit Hinweis auf die Quelle-Gewinne in einer Weise attackiert worden, daß man sich dem nicht weiter aussetzen wolle. »Es war wirklich nicht sehr schön«, beschwert sich »Frau Quelle«.50 Besonders getroffen hat es sie, daß sie von Kritikern als »reiche Frau Schickedanz« abgestempelt wurde. Bei Möbel-Hess sollen nun neun von 13 kleineren Häu­ sern geschlossen werden, kündigt Grete Schickedanz an. Das Thema »Kosten« soll in Zusammenarbeit mit McKin­ sey noch im laufenden Jahr erledigt werden, sagt sie. Kritiker von außen bemängeln damals, daß sich die Quelle-Chefin angesichts härterer Zeiten zu lange gegen Strukturmaßnahmen und Änderungen der Marketing­ strategie gestemmt habe.51 Während andere Handelshäu­ ser ihr Personal verringerten, blieb in Fürth - auch zur Freude der Betriebsräte - lange alles beim alten, merkt »Der Spiegel« an.52 Das »bitterharte Rennen um den knappen Markt in Europa«, wie Grete Schickedanz sich einmal ausdrückt, hält an. Ein Jahr später müssen sie und ihr Vorstand ein­ räumen, daß die Quelle 1985 einen Verlust von 29 Millio­ nen DM eingefahren hat. Im Jahr davor waren es bereits 18 Millionen DM rote Zahlen. Insgesamt fiel 1984/85 also ein Verlust von fast 50 Millionen DM an. Das Manage­ ment setzt sich gegen Spekulationen zur Wehr, daß die Verluste noch viel höher ausgefallen seien. »Die Firma 137

selbst hatte den Gerüchten freilich insofern Nahrung gegeben, als sie zwei Jahre lang ihre Ergebnisse nicht ver­ öffentlicht hatte«, merkt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« süffisant an.53 Das kriselnde stationäre Geschäft wird umgebaut, kün­ digt die Quelle-Chefin vor der Presse an. Quelle will seine 17 in der ganzen Bundesrepublik verteilten Super­ märkte mit Flächen von jeweils bis zu 8000 Quadratmetern an Edeka, Tengelmann und andere Ketten vermieten. In den 30 Warenhäusern sollen nicht mehr vollständige Sor­ timente, vergleichbar mit dem Versandangebot, geführt werden, sondern nur noch Auswahlsortimente. Die Käufhäuser werden sich künftig auf die Säulen Bekleidung, Elektronik, Technik und Dienstleistungen wie etwa Reisen stützen. Auch die Foto-Quelle, deren Super-8-Kameras kaum noch gefragt sind, wird in diesen Umbau miteinbezogen. Technische und elektronische Waren sollen fortan unter einem Dach verkauft werden. Noch unter der Ägide Schmechtigs fuhr die Foto-Quelle 1982 einen 10-Millionen-DM-Verlust ein. Schmechtig hat 1983 das Unternehmen verlassen; das »Ausscheiden geschieht aber offensichtlich nicht auf den Wunsch von Schmechtig«, merkt die »Frankfurter Allgemeine Zei­ tung« damals an.54 Firmeninsider wissen zu berichten, daß ihm die Annahme des Amts eines Honorarkonsuls für die Republik Zaire bei der Schickedanz-Familie in Mißkredit brachte. Offenbar war die Chefetage der Mei­ nung, daß ein Konsultitel im Hause genüge. Seit 1960 ist Gustav Schickedanz griechischer Wahlkonsul in Nürn­ berg gewesen, eine Aufgabe, die später seine Frau weiter­ geführt hat.55 Vom 1. Oktober 1986 an wird die Quelle-Gruppe in 20 Profitcentern geführt; das sind Unternehmenssparten, die selbst für ihre Erträge verantwortlich sind. Alle

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Handelsaktivitäten der Schickedanz-Gruppe werden im Quelle-Konzern gebündelt. Dedi kündigt im gleichen Jahr zuversichtlich an: »Das Unternehmen wird in Zu­ kunft schlanker und dynamischer sein.«56 Grete Schickedanz ist in diesen Krisenjahren bereits Mitte 70, in einem Alter also, wo sich viele andere bereits zur Ruhe gesetzt haben. Ihr Tagesablauf sieht meist so aus: Sie steht um sechs Uhr auf, ist um halb acht im Büro und sieht die Post durch. Dann prüft sie die eingegangenen Bestellungen und die Umsätze der Warenhäuser. Es folgen Besprechungen, den ganzen Tag lang. Wenn sie um acht oder neun Uhr abends das Geschäft verläßt, nimmt sie noch zwei oder drei Postmappen mit nach Hause, die ihr die Sekretärin zusammengepackt hat. In ihrer praktischen Art versucht sie, das Quelle-Schiff wieder flottzubekom­ men, was auch gelingt - 1986 werden wieder schwarze Zahlen geschrieben. Obwohl sie in geschäftlichen Dingen knallhart und robust sein kann, nehmen sie der Unternehmensumbau und die damit verbundenen Schwierigkeiten mit. In dem anläßlich ihres 75. Geburtstages im Herbst 1986 ausge­ strahlten TV-Film von Max H. Rehbein wird das sehr deutlich. »Ich bin ein Leben lang in dem Unternehmen«, sagt sie dort, »und jetzt gehen wir einen ganz anderen Weg. Aber für unser ganzes Haus, für unsere ganze Zu­ kunft ist es meines Erachtens absolut notwendig.« Vor Vertrauten fließen Tränen, wenn sie darüber spricht, sich von langjährigen Mitarbeitern trennen zu müssen. Kurze Zeit später, als sie vor mehreren hundert Füh­ rungskräften die neue Spartenorganisation erläuert, hat sie sich wieder in der Gewalt. Sie kündigt an, daß Personalund Sachkosten in beträchtlicher Höhe eingespart wer­ den. »Ich weiß auch«, fügt sie hinzu, »wie schmerzlich

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viele der Eingriffe sind, die wir bei dieser umfassenden Neuordnung vollziehen. Aber wir dürfen nicht an dem festhalten, was uns in der Vergangenheit so erfolgreich gemacht hat.« Sie ergänzt: »Wir müssen vorwärtsgehen, denn es zählt letztlich der Erfolg von heute und der von morgen.«57 Die Quelle-Chefin sagt in dieser schwierigen Zeit ein­ mal, daß sie stets versucht, menschlich zu bleiben und den geraden Weg zu gehen. »Meine Stärke ist vielleicht auch, Dinge zu entkomplizieren. «58 Mitte der 80er Jahre häufen sich die Probleme wie nie zuvor, und es wird auch für die intuitive und stets agile Frau Schickedanz schwieri­ ger, den richtigen Weg zu finden. Als die Weichen für ihre Nachfolge gestellt werden, kommt es zu folgenschweren Vorfällen, die letztlich dafür sorgen, daß das Unternehmen für Jahre nicht zur Ruhe kommt.

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IX. Machtübergabe

Im Herbst 1984 ereilt Herbert Bittlinger ein gesundheit­ liches Malheur, das schwerwiegende Folgen für ihn und das ganze Unternehmen haben soll. Auf dem Weg zu einem Empfang von Bundespräsident Richard von Weizsäcker erleidet der Quelle-Manager am Hotel Kempinski auf dem Berliner Kurfürstendamm einen Schwächeanfall und fällt um. Bittlinger ist vorher aus Leipzig von der Herbst­ messe gekommen und hat sich in West-Berlin mit Grete Schickedanz und Dedi anläßlich der Ubersee-Messe »Partner des Fortschritts« getroffen. Bittlinger ist nach eigener Erinnerung vier bis fünf Wochen in der Klinik in Fürth. Dann wechselt er in eine Rehabilitationsklinik am Starnberger See. Danach ist er genesen, doch zu Hause sind die Weichen längst gestellt. Mitglieder im Stiftungsrat haben inzwischen davon abge­ raten, den 59 Jahre alten Bittlinger als Nachfolger von Grete Schickedanz an der Quelle-Spitze zu designieren. »Wenn man 59 ist, dann denken die Leute, der kommt nicht mehr«, meint Bittlinger rückblickend. Die Wahl fällt auf einen Jüngeren: den damals 40jährigen McKinsey-Direktor Zumwinkel, der mit seinem Team die Schickedanz-Gruppe durchforstet und Verlustlöcher aufspürt. Grete Schickedanz läßt sich in dieser Zeit offen­ bar besonders von einigen Mitgliedern des Stiftungsrates drängen - ihre Präferenz liegt zuletzt bei Bittlinger, be­ richten Vertraute. 141

Persönlich hat sie sich die Entscheidung schwergemacht. Einen Freund nimmt sie Ende dieses Jahres bei einem Spaziergang an die Seite und sagt: »Ich muß mal etwas loswerden, ich habe noch mit keinem darüber gespro­ chen. « Sie erzählt ihm, daß sie zugestimmt hat, Zumwin­ kel die Aufgaben des Vorstandschefs zu übertragen. Auf die Entgegnung: »Haben Sie denn mit Herrn Bittlinger schon darüber geredet?« antwortet sie: »Nein, das ist es ja eben.« Später spricht sie zwar mit Bittlinger, aber er muß sich mit der neuen Situation abfinden. Sie sei nicht mit der gefundenen Lösung glücklich gewesen, meinen Freunde. Sie habe Zumwinkel geschätzt, doch Bittlinger sei ihr ver­ trauter gewesen. »Sie hatte ein schlechtes Gewissen, daß sie Bittlinger damals nicht stärker in Schutz genommen hat.« Zumwinkel tritt im Juli 1985 in den Quelle-Vorstand ein - mit der festen Zusage, eineinhalb Jahre später Quelle-Chef zu werden. Am 1. Februar 1986 wird er in dem siebenköpfigen Spitzengremium stellvertretender Vorstandschef und damit zweiter Mann nach Grete Schickedanz. Sie erklärt damals, genau ein Jahr später zurücktreten zu wollen. Am 1. Februar 1987 übernimmt Zumwinkel die Macht aus den Händen der »gnädigen Frau«. Diese bleibt einflußreich als Vorsitzende des Verwaltungsrates der Quelle und Vizechefin der Holding und - selbstverständ­ lich - persönlich haftende Gesellschafterin der Schicke­ danz Holding. »Auch wenn ich demnächst nicht mehr bis zu 14 Stunden täglich am Schreibtisch sitze«, sagt sie damals, »bin ich weitgehend ausgebucht. « Vor der Presse tritt sie am 17. Fe­ bruar 1987 zum letztenmal als Quelle-Chefin auf. Kurz vor 11 Uhr betritt sie den Raum, grüßt freundlich und

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wechselt mit einigen Journalisten persönliche Worte. Sie geht ans Rednerpult und berichtet mit klarer Stimme über das erfreuliche Versandjahr 1986. Zum erstenmal ist das Modesortiment deutlich zielgruppenorientiert angeboten worden. Später dankt sie den Journalisten für Fairneß und Sachlichkeit in den Jahren der Zusammenarbeit. Sie gesteht, daß es ihr nicht ganz leicht fällt, sich vom Tages­ geschäft zu lösen.1 »Dr. Z.«, wie ihr Nachfolger intern öfters genannt wird, hat die Ertragswende erreicht. Seit 1986 schreibt die Quelle wieder schwarze Zahlen; zunächst sind es 35 Mil­ lionen DM, 1987 dann 80 Millionen DM. Zumwinkel gibt sich ein eher ehrgeiziges und kühles Image. Er joggt bereits morgens um halb sieben im Fürther Stadtwald und regiert bei der Quelle in aller Stille. Der frische Wind bei Quelle wird gerade in Wirtschafts­ magazinen in den höchsten Tönen gepriesen. »McKinsey hat den konservativ-verschlafenen und bisher eher nach Gefühl und Wellenschlag geführten Versender gründlich auf Trab gebracht«, jubelt »capital«.2 »Die Quelle rotiert.« Bittlinger wird mit den Worten zitiert: »Alle Mitarbeiter spüren, hier bewegt sich was.« Fast zehn Jahre später kommentiert er süffisant: »Man hielt die Quelle für so antiquiert, daß sie aus dem Staub nicht mehr heraus­ kommt. « Plötzlich, so will es eine Zeitschrift nach dem Eintritt Zumwinkels in den Quelle-Vorstand erfahren haben, ste­ hen im Vorstand Rangeleien um die Gunst der Vorstands­ chefin hintenan. Unter Führung von Grete Schickedanz entwickele sich das Leitungsgremium zu einem »in etwa gleichberechtigt diskutierenden Entscheidungsteam«. Gelegentlich werde auch leise Widerspruch geäußert und sogar akzeptiert. Zu dem Sanierungsprogramm des Sparkommissars mit

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Kostensenkungen in dreistelliger Millionenhöhe gehört ein aufwendiges Prüfen des Sortiments. Experten gehen Preise und Mengen, Chancen und Risiken von etwa 50 000 Artikeln durch. »Nun können wir Schwächen im Sorti­ ment ausmerzen und Stärken fördern - und das nicht wie bisher nach Fingerspitzengefühl, sondern ganz gezielt«, äußert sich Einkaufschef Bittlinger damals.3 Die echte oder vermeintliche Euphorie an der QuelleSpitze währt jedoch nicht lange. Die Kaufhäuser werden zwar schrittweise auf das neue Fachmarkt-Konzept um­ gestellt - statt des herkömmlichen Sortiments gibt es nun einen »modemarkt« für Bekleidung oder eine »Quelle­ technorama«-Abteilung -, doch diese Idee geht nicht auf, Kunden nehmen das neue Konzept nicht an. Im Hause wird Zumwinkel verübelt, dabei teilweise den Erfolgs­ und Traditionsnamen Quelle aufgegeben zu haben. Bereits Anfang 1988, also ein rundes Jahr nach Übergabe des Zepters von Grete Schickedanz, wird die Strategie still wieder geändert.4 Der Quelle-Vorstand stoppt das Umbau­ programm. Der teilweise getrennte Einkauf für Katalog und Warenhäuser wird wieder zusammengeführt, einige Katalogsortimente kommen in die Kaufhäuser zurück. In den Gremien herrscht Unzufriedenheit, denn die Warenhäuser verursachen Riesenverluste, berichtet Bitt­ linger später. »Da die Ergebnisse nicht stimmten, kam der Druck zuerst vom Ergebnis.« Er übernimmt - wie er heute berichtet - auf Bitten von Zumwinkel zusätzlich zum Universalversand auch noch die Warenhäuser. Manch einer in Fürth beneidet in dieser Zeit den Ham­ burger Versandunternehmer Otto, der seineWarenhäuser schon früh abgegeben hat. Die Verluste bei den QuelleWarenhäusern werden nicht beziffert. Die Bemühungen, von ihnen »herunterzukommen«, stuft Grete Schickedanz in diesen Jahren als »harte Arbeit« ein.5

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Selbst wenn Quelle-Manager nach Dambach ziehen, um Grete Schickedanz zum Geburtstag zu gratulieren, bleibt das Dauerthema Kaufhäuser nicht ausgespart. Ein­ mal dichten die Mitarbeiter: »Der Universalversand läuft gut, die Zahlen machen wieder Mut. Doch Kaufhäuser - so kann man sagen -, die liegen Ihnen noch im Magen. Ihr Vorstand Herbert Bittlinger der sorgt sich da mit Ihnen sehr, Brächt’ er den Umsatz wieder hoch und schaffte viele Jahre noch. Würd’ dann die Kaufhaus-Quelle sprudeln, wär’ das ein echter Grund zum Jubeln.«6 Am 4. Februar 1987 gehört die Nürnberger Meister­ singer-Halle dem Quelle-Clan und 1000 Gästen. Grete Schickedanz feiert ihren 75. Geburtstag nach, zudem begeht sie ihr 60. Betriebsjubiläum. Obwohl sonst Auf­ tritte in der Society nicht zu ihrem Tagesprogramm gehö­ ren, ist allerhand Prominenz vertreten, von Alt-Bundes­ präsident Walter Scheel bis zum Vizepräsidenten des österreichischen Bundesrates, Professor Schambeck.7 In der mit gelben Frühjahrsblumen geschmückten Halle hält auch die Jubilarin eine Ansprache und sagt: »Die sechs Jahrzehnte engagierten Schaffens bedeuten für mich die Erfüllung meines Lebens.« Sie habe die Pflicht immer als Kür betrachtet, fügt sie hinzu.8 Viele in ihrer Umgebung freuen sich, daß sie wieder auf den Beinen ist. Im September 1986 hat sie in Spanien einen Herzinfarkt erlitten. Sie kommt auf die Intensiv­ station einer Klinik in Tarragona. Mit einigem Glück gelingt es, ein Flugzeug für die Reise nach Deutschland zu bekommen. Eine Ärztin sagt, daß es trotz des Risikos

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besser sei, die Quelle-Chefin zurückzubringen. In Fürth kommt Grete Schickedanz ins dortige Krankenhaus. Die Probleme ihrer Firmen in diesen Jahren und die Anstrengungen der Einkaufsreisen sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Ihr Arzt hat ihr nach dem Infarkt höchstens acht Stunden Arbeit pro Tag erlaubt, aber »Bild« vertraut sie einige Jahre später an: »Ich weiß schon selber, was für mich gut ist.«9 Schon vor dem Abschied von der Quelle-Spitze kündigt sie an, sich nicht aufs Altenteil zurückziehen zu wollen. »In meiner Eigenschaft als persönlich haftende Gesell­ schafterin der Unternehmensgruppe und Vorsitzende des Verwaltungsrates (der Quelle, C. B.) werde ich Gelegen­ heit haben, den weiteren Weg der Quelle zu begleiten und im Grundsätzlichen mitzugestalten.« Ein anderes Mal bemerkt sie: »Ich kann doch daheim sitzen und lesen, und alleine verreisen - auch wenn ich davon träume — macht auch keinen Spaß. «10 Sie ist weiterhin Tag für Tag im Geschäft, kommt aber morgens später. Sie ist nach wie vor in der ganzen Welt unterwegs, um Kontakte mit Geschäftspartnern zu halten. »Gute Verbindungen zu ausländischen Lieferanten sind sehr wichtig, denn heute kommt ja jeder rüber. Deshalb trete ich heute noch persönlich in Asien oder Südamerika für die Quelle ein«, sagt sie 1988. »Beim 25jährigen Jubi­ läum der Quelle Far East habe ich in meinem knappen Englisch noch eine kleine Ansprache hergebracht.«11

Die Briefe zu ihrem 75. Geburtstag sind aus aller Welt gekommen, formuliert in Chefetagen, Politikerbüros und KundenWohnzimmern. »Sie sind eine der wenige Frauen, die in der Verantwortung für ein großes und bedeutendes Unternehmen das wirtschaftliche Leben in unserem Land mitgestalten«, schreibt Bundeskanzler Helmut Kohl aus 146

Bonn. Nachahmenswert sei auch, fügt der CDU-Politiker hinzu, daß die Unternehmerin im harten Geschäft Mitge­ fühl, Verständnis und persönlichen Charme beibehalten habe.12 Bayerns damaliger Regierungschef Franz Josef Strauß rühmt, sie habe die Entwicklung der Quelle »vom Rinn­ sal zum Strom« begleitet. »Dieser ist unter Ihrer und Ihres Mannes Leitung zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bewässerungssystem für die bayerische Wirtschaft ge­ worden«, schreibt Strauß bildreich. In einem separaten Brief - diesmal in seiner Funktion als CSU-Vorsitzender - dankt Strauß »für die tatkräftige Unterstützung unserer gemeinsamen politischen Sache«. Der frühere Konkurrent Josef Neckermann, dessen Unternehmen 1976 mehrheitlich von der Karstadt AG übernommen worden war, schickt Grüße aus Frankfurt. »Sie haben immer das Letzte von sich gefordert und bewiesen, daß man in großen Aufgaben wachsen kann.« Aus Berlin (Ost) meldet sich ein guter Lieferant: »Die jahrzehntelangen Geschäftsbeziehungen zwischen den Außenhandelsbetrieben und Kombinaten der Deutschen Demokratischen Republik und dem Großversandhaus Quelle sind auf das engste mit Ihrem persönlichen Wirken verbunden«, betont der stellvertretende Außenhandels­ minister Wilhelm Bastian auf Briefpapier des DDR-Mini­ sterrates. »Unter Ihrer maßgeblichen Leitung konnten sich Lieferungen und Bezüge der DDR in den letzten Jahren erfreulich entwickeln. Vor allem Ihr aktiver per­ sönlicher Beitrag zu spürbaren Fortschritten in den Han­ dels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten findet hohe Wertschätzung.« Quelle hat immer sehr enge Einkaufsbeziehungen zur DDR unterhalten; in der Spitze kaufte der Fürther Ver­ sender jährlich mit einem Volumen von 250 bis 300 Mil­

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lionen DM dort ein. Nach Erinnerung eines früheren Einkaufsverantwortlichen war es ein »ungeschriebenes Gesetz«, den anderen deutschen Staat mit Aufträgen zu bedenken, der in Fürth weiterhin als ein Teil Deutsch­ lands und nicht als Ausland angesehen wurde. Zum Geburtstag meldet sich auch der Leiter der han­ delspolitischen Abteilung der Ständigen DDR-Vetretung in Bonn, Schmidt. Er stellt fest, daß die Beziehungen zwischen Quelle und den DDR-Betrieben zu einem »wichtigen Faktor« im innerdeutschen Handel geworden sind. Grete Schickedanz habe einen »hohen persönlichen Anteil« daran, daß sich die Kontakte zwischen dem Ver­ sender und den DDR-Unternehmen so gut entwickelten. Aus Leipzig kommt Post vom volkseigenen Außenhan­ delsbetrieb Interpelz, aus Berlin vom Außenhandels­ betrieb Textilcommerz. Aus den Wirtschaftszentren des Westens gratuliert fast der komplette Finanz- und Industriegotha, vom langjäh­ rigen Deutsche-Bank-Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann J. Abs über VW-Chef Carl H. Hahn und den Textilunter­ nehmer Klaus Steilmann bis hin zu Bertelsmann-Chef Mark Wössner. Aber nicht nur Politiker und Wirtschaftsführer wün­ schen der Quelle-Patriarchin alles Gute, sondern auch viele Kunden. Rolf und Karen Berke aus Lauenburg schreiben: »Wir sind schon lange Jahre Sammelbesteller bei der Firma Quelle und haben eigentlich noch nie Grund zur Klage gehabt, denn alles, was wir bei Quelle gekauft haben, oder auch unsere Mitbesteller, ist zu unserer Zu­ friedenheit ausgefallen.« Das Lokalblatt »Fürther Nachrichten« lobt das Enga­ gement der Unternehmerin für ihre Heimatstadt. Millio­ nen der Schickedanz-Familie flössen für Sportförderung, eine Sporthalle im Hardenberg-Gymnasium oder Aus­ 148

Zeichnungen für Abiturienten mit besonderen Leistungen des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums.13 Ein fein gezeichnetes Porträt veröffentlicht der langjäh­ rige Präsident des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie, Gerd Somberg (geb. 1922). »Ihre Faszination macht aus, daß sie schon gewonnen hat, bevor sie die jeweilige Szene betritt«, bemerkt Somberg, der auch die Quelle beraten hat. »Sie hat dabei mit ihrer verblüffenden Logik und ihrer selektiven Begabung ein Gespür für die jeweilige Atmosphäre.« Somberg schildert ein Hinundhergerissensein im täglichen Geschäft: »Grete Schickedanz kann impulsiv und innerlich erregt sein, sich mit ihrem Gegen­ über schnell versöhnen. Sie löst sich ungerne von Emotio­ nen.« Wenn die Sache es erfordere, entscheide sie jedoch mit dem Verstand gegen das Gefühl.14

Grete Schickedanz hat mit der Wahl ihres Nachfolgers an der Quelle-Spitze kein Glück. Zumwinkel, der später Chef der »gelben Post« wird, nimmt zum 30. Juni 1989 seinen Hut. Eine offizielle Begründung für den abrupten und überraschenden Abgang nach nur vier Jahren im Quelle-Vorstand gibt es nicht. Er sei selbst mit der Situa­ tion nicht glücklich gewesen, heißt es später in Fürth. Der Nachfolger an der Quelle-Spitze heißt diesmal Herbert Bittlinger, der den Kurswechsel bei den Warenhäusern umsetzt. Der Satz von Hans Dedi: »In unserem Geschäft dürfen Sie nichts schnell ändern, sonst liegen Sie noch schneller daneben« erweist sich in Zusammenhang mit dem Experi­ mentieren bei den Kaufhäusern als durchaus passend. Ob Zumwinkel nicht mittragen wollte, das Rad wieder zu­ rückzudrehen, oder ob Grete Schickedanz und die Familie ihn nicht mehr unterstützten, bleibt später offen.15 Es wird aber noch über andere, wahrscheinlichere

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Gründe spekuliert. Diese Vormutungen hängen mit Schwiegersohn Bühler zusammen, der Ende Januar 1989 das Konzern-Zepter von seinem Schwager Dedi über­ nommen hat. Bühler habe »offensichtlich andere Vorstel­ lungen von der Konzernführung«, merkt die »Süddeut­ sche Zeitung« an.16 Der neue Holding-Chef habe den Ver­ antwortlichen erklärt, daß die Finanzdienstleistungen, so die Noris Verbraucherbank, aus dem Quelle-Verbund unter das Dach der - von Bühler geführten - Holding wechseln sollen. »So blieb denjenigen, die an vorderster Stelle für die Anbindung dieses Sektors an die Quelle plä­ dierten, nur noch der Rückzug aus dem Unternehmen.« Zumwinkel, Schroff und Vorstand Ulrich Kiel sollen sich schriftlich zu dem Wechsel der Finanzdienstleistungen geäußert haben, was ihnen wohl übelgenommen wird. Kiel und Schroff bleiben aber bei der Quelle. Der Chef der Noris-Verbraucherbank, Norbert Massfeller, verläßt hingegen den Familienkonzern und geht zu Volkswagen.17 Der loyale Bittlinger gilt in der Branche teilweise als Ubergangslösung. Der Eindruck drängt sich auf, daß die Familie die von Zumwinkel erreichte Ertragswende ge­ schätzt hat, ansonsten Strategien und Ausrichtung des Unternehmens lieber selbst bestimmen möchte. Die Querelen an der Quelle-Spitze lassen leicht verges­ sen, daß Quelle trotz zwischenzeitlicher Verluste und Rezession kerngesund und liquide ist. In der zweiten Hälfte des 80er Jahre faßt der Versandgigant wieder Tritt und kauft sich kräftig im Textileinzelhandel ein. Der erste Coup ist die Winterbacher Peter-HahnGruppe, die Grete Schickedanz und ihre Manager von der Düsseldorfer Horten AG übernehmen. Von 27 PeterHahn-Modehäusern sollen nur einige weiterbetrieben werden, kündigt Quelle an, doch der auf Mode aus Natur­ fasern spezialisierte Versand wird ausgebaut.18 150

Der zweite Schlag folgt kurz darauf. Quelle steigt mit einer Mehrheit beim Kölner Textilfilialisten Sinn AG ein. Dazu übernehmen die Fürther Anteile der Gründerfami­ lien, die dem Börsenhandel entzogen sind.19 Sinn ist kein Kleinbetrieb, 1988 beträgt der Umsatz der Handelskette knapp 700 Millionen DM. Dank Sinn überspringt die Quelle-Gruppe dann die 10-Milliarden-Umsatzmarke. Im September 1989 gibt das Berliner Bundeskartellamt grünes Licht für die dritte Großakquisition auf dem Modesektor: den Mehrheitseinstieg bei dem mittelständi­ schen Textileinzelhändler Leffers in Bielefeld.20 Leffers unterhält zu dieser Zeit im Westen der Bundes­ republik sieben Textilhäuser. Quelle ist Ende der 80er Jahre nach C&A Brenninkmeyer und Karstadt zwar der drittgrößte Textileinzelhändler in der Bundesrepublik, eine marktbeherrschende Stellung entstehe jedoch nicht, meinen die Wettbewerbshüter. 1989 kam auch der kleine, aber feine Modeversender Elegance in Aachen hinzu, der Damenkleidung in mehreren europäischen Ländern und in Japan verschickt.21 Die Vitalität von Grete Schickedanz in diesen Jahren scheint ungebrochen. Sie führt weiterhin die Regie in der Quelle-Mode. Die Funktion der Chefin gibt sie im Grunde nie auf, obwohl andere offiziell das Sagen haben. Für Außenstehende ist das schwierig, deshalb hat Bittlinger das Quelle-Ruder übernommen. Er hält sie nachträg­ lich für die »alles überstrahlende Figur«, der Erfolg in vollem Umfange zugeschrieben wurde, obwohl die Tages­ arbeit vieler anderer still im Hintergrund erledigt wurde. Der langjährige Quelle-Manager zieht es vor, sie über wichtige Entscheidungen vorher zu informieren. »Das war bei bedeutenden Führungspositionen so oder bei der Streichung eines Teilsortiments.« So wurde ein Bücher­ katalog eingestellt, weil er nicht lief. Die Quelle-Inhaberin 151

sei kein Mensch gewesen, der Schwierigkeiten bei solchen Entscheidungen geschaffen habe. »Sie wollte es wissen«, meint Bittlinger. Der »getreue Ekkehard« liest der QuelleInhaberin die Worte von den Lippen ab, weiß ein damals Beteiligter. Er stehe als »ruhender Pol« für Solidität, auf die man sich verlassen konnte. Der Generationenwechsel bei der Quelle ist zwar mit dem Abschied Zumwinkels zunächst gescheitert, in der Schickedanz-Holding verläuft die Machtübergabe von dem mittlerweile 70jährigen Dedi zu Bühler hingegen reibungslos. Dedi verbleibt im Stiftungsrat, Bühlers bis­ herige Aufgabe im Holding-Vorstand - die Industrie­ sparte - wird von Gottfried Beecker wahrgenommen, dem bisherigen Chef der Vereinigten Papierwerke. Beecker vertritt Firmeninsidern zufolge im Vorstand der Dach­ gesellschaft die Interessen der Dedi-Familie, die mit dem Ausscheiden von Hans Dedi dort selbst nicht mehr vertre­ ten ist. Der Industriesektor ist in den 80er Jahren ebenfalls kräftig expandiert: von Henkel wird das Tampon-Geschäft übernommen, die Patrizier-Bräu baut ihre Nicht-Alkohol­ sparte aus und hält die zweitgrößte Coca-Cola-Konzes ­ sion in der Bundesrepublik.22

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X. Eine Milliarde für Leipzig

Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer. Menschen aus Eisenach, Leipzig oder Gera strömen in den Westen und kaufen - bei Quelle. Am ersten Wochenende nach Öffnung der Grenze macht Quelle in ihren Verkaufshäu­ sern einige 100000 DM zusätzlichen Umsatz.1 Im ober­ fränkischen Hof steigt der Umsatz sogar auf das Fünf­ fache. Kunden zahlen teilweise auch mit Ost-Mark. Gefragt sind vor allem kleine technische Artikel wie Radios. Für Grete Schickedanz ist die offene Grenze noch ein­ mal eine große Herausforderung. Zu der Entwicklung in der DDR sagt sie am 16. November, also wenige Tage nach der Öffnung der Grenzen: »Wir werden unsere Akti­ vitäten den schnellen Drehungen des Marktes anpassen.« Sie hält es für faszinierend, »diese Phase der Neuorientie­ rung mitzugestalten«. Beobachter interpretieren ihre Worte so, daß die Schickedanz-Gruppe die Organisation eines Versandhan­ dels in der DDR erwägt. Schwiegersohn und HoldingChef Bühler gibt jedoch zu bedenken, daß sich erst die Tore von Ost nach West, aber nicht umgekehrt, geöffnet haben: »Wir müsssen mit den Herstellern direkt sprechen können, das ist nicht der Fall.« Die DDR gehörte vor dem Mauerfall schon zu den wichtigsten Lieferländern der Quelle.2 Quelle hat schon zuvor die Entwicklung in den mittel­

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und osteuropäischen Ländern sehr genau beobachtet und dort Chancen wahrgenommen. Im Oktober 1989 gelingt Grete Schickedanz und der Quelle - noch vor dem Fall der Mauer - der Einstieg auf dem russischen Markt. Ge­ meinsam mit zwei Partnern, der sowjetischen Außenhan­ delsvereinigung Vneshposyltorg und dem Exekutivkomi­ tee des Stadtbezirks Kujbyschew der Stadt Moskau, wird das Gemeinschaftsunternehmen Intermoda in der Haupt­ stadt Moskau ins Leben gerufen.3 Quelle ist damit das erste westliche Handelsunterneh­ men, das einen eigenständigen Versand in der UdSSR unterhält. Grete Schickedanz nennt das Projekt »einen neuen Meilenstein in den Handelsbeziehungen zu unseren östlichen Partnern«. Von 1990 an können Besitzer frei konvertierbarer Wäh­ rungen aus einem Quelle-Textilkatalog in russischer Sprache auswählen. Der einfache Mann auf der Straße geht dabei aber leer aus, denn in Rubel kann zunächst nicht bezahlt werden. Die Waren werden von Deutsch­ land mit Lastwagen nach Moskau gefahren und dort von Intermoda verteilt. Auch in anderen Ländern des soge­ nannten Ostblocks ist Quelle schon aktiv: Menschen können in Bulgarien und in Jugoslawien Quelle-Produkte gegen Devisen kaufen. Nur in Ungarn kann in der Lan­ deswährung bezahlt werden. Quelle nutzt die Öffnung der bisher regulierten Märkte im Osten Deutschlands. In Fürth wird wieder einmal eine Vorhut formiert, diesmal ist Logistikvorstand Kiel an der Reihe. Das Management fliegt laufend in die frühere DDR, um Standorte für eine neue, große Versandzentrale der Quelle zu untersuchen. 1990 sind zuletzt Magdeburg und Leipzig in der Endauswahl.« »Dann sind wir mit Frau Schickedanz hingefahren und haben beides angeschaut«, erzählt Herbert Bittlinger. 154

»Auf dem alten Tower des Agrarflughafens in LeipzigMockau hat sie oben die Entscheidung getroffen.« Ein anderer Beteiligter erinnert sich: »Sie sagte: >Das ist das richtige Grundstück für uns.Ich bin reich, weil ich gesund bin oder schaffen kann.< Das waren ihre Antworten. Sie war keine Frau, die ihre Reichtümer angesammelt hat. Sie war dazu viel zu beschäftigt. Sie kam abends nach ihren Musterungen nach Hause und war todmüde. Sie war keine Frau der Gesellschaft. Nach Bayreuth (zu den Festspielen, C.B.) ist sie gefahren, weil sie das genossen hat, nicht weil man das muß.« Ähnliches berichten frühere Mitarbeiter. Sie erinnern sich, daß Grete Schickedanz gerne mal ein Brot aß mit der Bemerkung: »Das schmeckt mir genausogut.« Bei Tisch gibt es keine Nouvelle Cuisine, sondern deutsche Küche, immer mit drei Gängen, immer mit einer Suppe vorweg. Zum Braten darf es auch Sauerkraut geben. Sie steht gerne im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, und es tut ihr gut, wenn die Leute sie bei öffentlichen Anlässen wiedererkennen. Als die Menschen bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele klatschen, gefällt ihr das. »Die Leute sehen mich, aber für sie bin ich nicht die Wagner­ oder Karajan-Verehrerin, für sie bin ich Frau Schickedanz von der Quelle.«18 An diesen Einschätzungen ist sie jedoch selbst nicht ganz unschuldig. »Sie hat durch das Geschäftliche das Private übertüncht«, weiß ein Fürther Bekannter. Wenn sie sich persönlichen Luxus leistet, dann richtig. Ohne Perlen sieht man sie selten. Sie trägt gerne einen Ring, eine Perlenkette und ein klassisches Kostüm - aber nie Ohrringe. Die Perlen, die sie trägt, sind immer echt, 164

mit all dem Risiko, das damit verbunden ist. Vertraute berichten, daß ihr bei einer Kirchen-Wiedereröffnung im Fränkischen auf einmal ein Armband im Wert von fast 200 000 DM gefehlt hat - offenbar hatte sich der Ver­ schluß gelockert. Das teure Stück blieb verschwunden. Grete Schickedanz ist abseits dieser Luxusartikel alles Überladene und dick Aufgetragene fremd. Sie schminkt sich nur sparsam. Sie hat immer zu tun mit ihrer Kon­ fektionsgröße, denn sie ist unter 1,60 Meter groß. Im Haus hat sie auf alles ein Auge und korrigiert Kleinig­ keiten, die sie stören. Dazu gehört auch ein übergroßer Blumenstrauß auf ihrem Schreibtisch in der Bibliothek oder eine unpassende Tischdekoration. Für ihre engere Umgebung ist das nicht einfach, denn es stellt sich heraus, daß ihre bis ins kleinste Detail gehende Kritik meist be­ rechtigt ist. Auf Reisen ist sie mit einem kleinen Koffer unterwegs, manch einer wundert sich, wie sie da alles unterbringt. Sie ist gut organisiert und findet sogar noch Zeit, für ihre Mitreisenden Butterbrote mitzunehmen. Sie fliegt auch im Alter viel. Angst vorm Fliegen hat sie nicht. Wenn es in der Privatmaschine einmal schaukelt, etwa in Spanien, sagt sie: »Ich habe doch noch nicht alles gerichtet, wenn jetzt etwas passiert.« Die Stieftochter Louise Dedi erscheint so gut wie gar nicht in der Öffentlichkeit. Sie ist Kommanditistin der Schickedanz-Holding und hält lange die Hälfte des Kommanditvermögens. Anfang der 90er Jahre gibt sie größere Anteile an zwei ihrer drei Kinder weiter. Ihre Tochter, die Betriebswirtin Margarete Riedel, hat zeitweilig im Quelle-Einkauf gearbeitet; sie und auch ihre Kinder hal­ ten Anteile an der Schickedanz-Holding. Martin Dedi ist im Forstbereich tätig und gehört eben­ falls zu den Gesellschaftern des Familienunternehmens.

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Der ältere Bruder Roland Dedi ist offenbar vorher ausge­ zahlt worden, denn sein Name erscheint nicht in den ent­ sprechenden Registern. Auch in der Familie von Madeleine Schickedanz wer­ den - wenn auch kleinere - Anteile an die junge Genera­ tion weitergegeben. Hans-Peter und Daniela Mangold sowie Matthias (geb. 1975) und Caroline (geb. 1977) Bühler sind seit 1992 Gesellschafter der SchickedanzDachgesellschaft. Die Kinder können jedoch mit diesen Anteilen nicht machen, was sie wollen. Die beiden Gesellschaftergruppen Bühler und Dedi-Riedel haben ihre Beteiligungen jeweils gepoolt. Laut Wolfgang Bühler ist über das Jahr 2000 hinaus geregelt, daß keiner der Familienstämme das Unternehmen verlassen kann.19 Bis zuletzt ist Grete Schickedanz entscheidende Instanz in der Familie. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr ist sie im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte. Sie schwimmt viel und ernährt sich gesund. Von Medikamen­ ten hält sie sich fern - »das war Gift in ihren Augen«, berichtet ein Freund. Gerade vor diesem Hintergrund ist es erschütternd für ihre Umgebung, zu sehen, wie sie zunehmend Dinge ver­ gißt, Menschen und Ereignisse nicht mehr einordnen kann. Bei öffentlichen Anlässen bemerken Gäste: »Das ist nicht mehr die alte Frau Schickedanz.« In ihren letzten Lebensjahren tritt sie kaum noch öffentlich auf. Sie leidet an Alzheimer-Symptomen, die im Alter auch bei ihren Schwestern Betty und Maria auftraten. In ihren letzten Jahren wird die Quelle-Inhaberin zu­ nehmend von der Außenwelt abgeschirmt. Der Freundes­ kreis wird enger. Leute, die sich zuvor bei ihr gesonnt haben, kommen nicht mehr. Nach ihrem 80. Geburtstag, 1991, werden die öffentlichen Auftritte rar. Am 30. Sep­ tember 1992 ist sie noch beim Richtfest in Leipzig dabei. 166

Am 10. Dezember 1992 bekommt sie für ihr Engagement in den neuen Bundesländern den Medienpreis »Bambi« in Köln verliehen. Der Fernsehmoderator Wolfgang Lippert geleitet sie zur Übergabe des Gold-Rehs. Ausgezeichnet werden auch die Showmasterin Margarethe Schreine­ makers und die Schwimm-Olympiasiegerin Franziska van Almsick. Manch einer in der Fürther Firma sagt, daß man der Quelle-Inhaberin diesen anstrengenden Auftritt vor 600 Menschen im Maritim-Hotel eigentlich hätte ersparen können. Das Hauspersonal in Dambach, das die Firmenchefin wie eine Mutter verehrt, macht seinen Dienst, ohne zu murren. Bei der Quelle versucht der neu angetretene Vorstands­ chef Mangold in diesen Jahren, dem Versender neue Perspektiven in einem veränderten Europa zu geben. Der neue Mann guckt in seiner Anfangszeit gerne bei einer der 6500 Bestellagenturen in Deutschland vorbei und erkundigt sich, wie das Geschäft läuft. Wenn er in Verdacht gerät, für den Hamburger Konkurrenten Otto zu spionieren, legitimiert er sich durch seineVisitenkarte. Eine Wirtschaftszeitschrift vergleicht ihn mit dem Kalifen Harun al Raschid, der in der Menge untertaucht und un­ gefiltert hört, was seine Untertanen denken.20 Der erste Konflikt mit der Inhaberin läßt nicht lange auf sich warten und betrifft das Dauerproblem Waren­ häuser. Die Manager diskutieren stundenlang mit Grete Schickedanz, um zu einer Entscheidung zu kommen. »Ohne ihr Plazet wäre das nicht gegangen«, meint Man­ gold. Die Inhaberin setzt durch, daß ein Sozialplan abge­ schlossen wird und die Mitarbeiter der Kaufhäuser abge­ sichert werden. Quelle hat sogar die Altersversorgungs­ ansprüche der Mitarbeiter mit den künftigen Zuwächsen

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garantiert, was auf Grete Schickedanz zurückgeht und in der Branche wohl einmalig ist. Sie macht sich Entscheidungen schwer und stimmt dann schweren Herzens zu. Sie kennt in den einzelnen Häusern viele Menschen persönlich. »Ich bin überzeugt, wenn Frau Schickedanz zum Zeitpunkt der Entscheidung fünf Jahre jünger gewesen wäre, hätten wir anders entschie­ den«, meint Herbert Bittlinger. Die Umsätze der Kauf­ häuser haben später gefehlt, rechnet er vor. »Das tat uns weh.« Der Umsatzausfall beträgt etwa 700 Millionen DM. Viele Branchenkenner inner- und außerhalb des Unter­ nehmens erkennen jedoch an, daß Mangold Quelle von einer Dauermalaise befreit hat. Im Herbst 1992 kündigt Quelle dann offiziell an, daß 14 der 20 Warenhäuser verkauft werden. Allein zehn Häuser gehen an den Frankfurter Warenhauskonzern Hertie.21 Beobachter haben ausgerechnet, daß sich die Verluste in dieser Sparte über ein Jahrzehnt auf 800 Millionen DM summiert haben sollen.22 Pro Jahr waren es bis zu 100 Millionen DM. In der Ara Mangold kommt es nach einiger Zeit zu Ab­ gängen altgedienter Quelle-Spitzenmanager. »Zerwürfnis im Quelle-Vorstand«, titelt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«.23 Anfang 1992 scheidet Logistikvorstand Kiel wegen Unstimmigkeiten mit dem neuen Vorstandschef aus. Als ein Aufsichtsrat der »gelben Post« plädiert Kiel ohne Wenn und Aber dafür, Postkunde zu bleiben. Man­ gold macht hingegen aus seinem Ärger über die Post kei­ nen Hehl und droht mit einer eigenen »Quelle-Post«.24 Zudem trennen Mangold und Kiel unterschiedliche Vor­ stellungen zum Leipziger Neubau. Mitte 1992 gibt Mangold Pläne für einen eigenen Paket­ dienst jedoch erst einmal auf. Grund ist das neue Fracht­ konzept, mit dem die »gelbe Post« ihre Kunden schneller

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bedienen will. Quelle hat ein großes Gewicht in die Wagschale zu werfen: mit mehr als 500 Millionen DM Postgebühren im Jahr ist der Fürther Versender größter Kunde der Post.25 Anfang 1993 wirft dann Norbert Lorentz das Hand­ tuch. Der damals 54jährige Quelle-Manager ist seit 1986 Finanzchef. Er begründet seinen Abschied mit Mangolds Führungsstil. Dieser sei vom Kollegialprinzip des Vor­ stands abgewichen und habe Entscheidungen getroffen, die nach bisherigem Verständnis Angelegenheit des Ge­ samtvorstandes gewesen seien.26 Ebenfalls wegen unterschiedlicher Ansichten über den Führungsstil wechselt Vorstand Schroff, damals 59 Jahre alt, in den Ruhestand. Er war 19 Jahre in der QuelleGeschäftsleitung gewesen, zuletzt führte er den Spezial­ versand und das Versandgeschäft im Ausland. Mangold übernimmt das Finanz- und Controllingressort vorüber­ gehend selbst. Mangold wird damals in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« so zitiert: »Ein Unternehmen ist keine demo­ kratische Veranstaltung. Es muß zwar mit höchstem Kon­ sens geführt werden, bei unterschiedlichen Ansichten zur Geschäftspolitik hat der Vorstandsvorsitzende aber den Spielraum wahrzunehmen, den ihm die Geschäftsord­ nung läßt. «27 Entscheidend sei jedoch nicht etwa eine Abkehr vom Kollegialprinzip gewesen, sondern allein ein Dissens, etwa zum längerfristigen Geschäftsaufbau in West- und Osteuropa. In seiner offenen Art sagt er auch, daß er die Personalveränderungen »auf meine Kappe« nehme. Er steht auch später dazu, daß ein Vorstandsvorsitzender die Möglichkeit haben müsse, personelle Weichen zu stellen. Das dürfe jedoch nicht in Hektik geschehen. Mangold, der aus einem internationalen Großunter­ 169

nehmen kommt, will den Auslandsanteil der QuelleGruppe ausbauen. Unausgesprochenes Vorbild in Fürth ist der zum Weltmarktführer aufgestiegene Konkurrent Otto, der Mitte der 90er Jahre dank internationaler Betei­ ligungen bereits jede zweite Mark im Ausland umsetzt. Mangolds Blick schweift jedoch nicht nach Übersee, son­ dern nach Europa. Gute Gelegenheiten winken, etwa in Frankreich. Dort wäre die Kaufhausgruppe Printemps zu haben, die damals inklusive des Versenders Redoute knapp 30 Milliarden Franc umsetzt.28 Mangold verfolgt ein Konzept, die Warenhausgruppe abzusplitten und weiterzuverkaufen. Die Gesellschafter in Fürth sind jedoch nicht bereit, über ein bestimmtes Investitionslimit hinauszugehen. Der Deal kommt nicht zustande. »Eine historische Chance konnte nicht wahrge­ nommen werden«, meint ein Insider. Quelle hätte mit einem Schlag sein europäisches Geschäft deutlich aus­ weiten und ihre Vormachtstellung auf dem Kontinent stärken können. Im Frühjahr 1992 wird dann bekannt, daß die Über­ nahme der Versandhausaktivitäten der britischen Littlewoods-Gruppe in Liverpool gescheitert sind.29 Die Ge­ spräche sind bereits unter der Ägide von Bittlinger begonnen worden. Littlewoods hätte der bis dahin nicht in England tätigen Quelle drei Milliarden DM zusätz­ lichen Umsatz gebracht. Mangold betont damals, daß es unterschiedliche Vorstellungen nicht nur über den Kauf­ preis gab, sondern auch über die künftige Markenpolitik oder die gemeinsame Führung des Unternehmens in der Anfangszeit. Bei Quelle waren Engagements jenseits der Grenzen oft problematisch, weil viele Auslandsgesellschaften Geld verloren haben. Vor diesem Hintergrund wird die kritische oder abwartende Haltung der Schickedanz-Familie ver-

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ständlicher. So gab es Verluste in Frankreich oder der Schweiz. In Österreich verbesserte sich die Gewinnsitua­ tion, nachdem dort die Warenhäuser mehrheitlich an Woolworth verkauft wurden. Das zunächst von Deutsch­ land geführte Spaniengeschäft wurde an Frankreich ange­ bunden und läuft seitdem wesentlich erfolgreicher. Obwohl Quelle in zahlreichen europäischen Ländern mit eigenen Gesellschaften präsent ist, hat der Versender nie einen konsequenten Internationalisierungskurs ein­ geschlagen. Für Großakquisitionen, wie sie Otto oft unternommen hat, fehlt dem Management das Geld. Wenn Projekte anstehen, gibt es immer wieder Diskussionen in den Spitzengremien des Versenders. Nach dem Fall der Berliner Mauer geht Quelle in Mit­ tel- und Osteuropa den langsamen Weg eines Aufbaus von eigenen Gesellschaften. Vorbild ist der Aufbau des Geschäfts in der ehemaligen DDR, der sehr erfolgreich verlief. Während der Start in der Tschechischen Republik gut gelingt und Quelle den Markt besetzen kann, geht es in Ungarn langsamer, nicht zuletzt deshalb, weil Otto dort das bereits bestehende Unternehmen Margareta übernommen hat. Das schon länger existierende Gemein­ schaftsunternehmen von Quelle, Forras, war weniger ein Versandunternehmen, sondern eher ein Stationärgeschäft. Die große Euphorie im Ostgeschäft ist mittlerweile ge­ wichen, denn die Kaufkraft entwickelt sich in diesen Ländern weniger stark als zunächst angenommen. In der lange diskutierten Frage der Öffnung der Quelle zu einer Publikumsgesellschaft kann Mangold erste Wei­ chen stellen. 1992 wird die Quelle rechtlich in eine AG&Co. KG umgewandelt, eine ungewöhnliche und recht komplizierte Unternehmensform. Grete Schickedanz ist an diesem Schritt noch beteiligt. Die Familie bleibt weiterhin Eigentümerin. Das Unter171

nehmen ist in der Substanz eine Kommanditgesellschaft, die jedoch von einer Aktiengesellschaft geführt wird. Aufsichtsratsvorsitzende ist Grete Schickedanz, stellver­ tretender Vorsitzender Schwiegersohn Bühler, Chef der gesamten Schickedanz-Gruppe.30 Die Quelle könne nun leichter in eine »richtige AG« umgewandelt werden, heißt es damals. Dazu müßte auch das Vermögen von rund drei Milliarden DM der Quelle neu bewertet werden. Mangold sagt, daß »die Türen aufge­ stoßen werden für eine weitere Expansion der Gruppe«.31 Ein Gang an die Börse ist aber weiterhin vorerst nicht geplant. Dafür macht Bühler Gründe geltend: Bei einer AG falle zweimal Vermögensteuer an, einmal bei der Gesellschaft und dann bei der Inhaberfamilie. Bei der Kommanditgesellschaft als einer Personengesellschaft, falle nur eine Zahlung an.32 Auch die Erbschaftsteuer für das Weitergeben des Unternehmens an die nächste Gene­ ration sei wesentlich höher, wenn die Quelle als Aktien­ gesellschaft firmiere. Mangold plädiert hingegen ohne Abstriche dafür, daß die Quelle an den Kapitalmarkt geht und dadurch ihre künftige Expansion finanziert. Bühler sieht das anders, und es kommt deshalb immer wieder zu Grundsatzdis­ kussionen. Die Familie will nicht von ihrem Einfluß lassen. Fürther Insider berichten, daß sie selbst beim Titelbild des Kataloges ein gewichtiges Wort mitzureden hat.

Schon seit Mitte der 80er Jahre hat die Quelle äußerlich Merkmale einer Aktiengesellschaft angenommen, die Geschäftsleitung heißt beispielsweise Vorstand. Zunächst zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrates sitzen im Aufsichts- und Verwaltungsrat, obwohl auch die neue Gesellschafsform nicht der Mitbestimmung unterliegt.

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Die Quelle sprudelt nach der Öffnung der Grenzen wie selten zuvor. Es gibt wieder zweistellige Zuwachs­ raten wie in den 50er Jahren. »Mit den Aktivitäten in den neuen Bundesländern hat Quelle bewiesen, daß vor­ nehmlich der Versandhandel in der Lage ist, bei schlech­ ter Infrastruktur in kurzer Frist die über Jahrzehnte ange­ stauten Wünsche der Menschen zu erfüllen«, bemerkt der Geschäftsbericht für das Jahr 1991 stolz. 98 von 100 Deutschen kennen den Namen Quelle wenn die Konsumenten genügend Geld im Portemonnaie haben, läuft der Laden. Jeder zweite Haushalt hat Kon­ takt mit dem Katalog, heißt es freudig. Besonders im Aus­ land hat der Katalog mit über 1000 Seiten eine wichtige Orientierungsfunktion. Der ukrainische Zoll bedient sich des Fürther Einkaufsbuches, wenn es den Wert von zoll­ pflichtigen Waren zu bestimmen gilt. In St. Petersburg kostete die 20minütige Einsicht in einen Katalog seiner­ zeit umgerechnet sieben Pfennige »Lese«-Gebühr.33 Innerhalb von zwei Jahren weitet die Quelle-Gruppe ihren Umsatz um 38 Prozent auf knapp 15 Milliarden DM aus.34 Ein Riesenkonzern, zu dem die Auslandsgesell­ schaften, die Spezialversender Schöpflin, Peter Hahn, Madeleine und Elegance sowie das »stationäre Geschäft« mit Sinn, Leffers, Apollo-Optik und der Möbel-HessGruppe gehören. Beschäftigt sind über 42 000 Menschen. In der neuen Gründerzeit gibt es neue Auflagenrekorde in den Katalogdruckereien. Alle halbe Jahre wird der Katalog zwölf Millionen Mal gedruckt. Ein Exemplar des Hauptkataloges schlägt bei Quelle mit Kosten von statt­ lichen 18 DM zu Buche. Ein Reporter der »Süddeutschen Zeitung« hat ausge­ rechnet, daß die aneinandergelegten Kataloge eine Strecke von 3600 Kilometern ergeben würden. Der Versender hat an die 30 Millionen Adressen in seinen elektronischen 173

Datenspeichern, täglich gehen eine Million Briefe, haupt­ sächlich Informationsmaterial, und bis zu 200 000 Pakete zur Post. Der Versender hat in Nürnberg einen eigenen Paketbahnhof, wo im Jahr knapp 20 000 Waggons postfer­ tig gemacht werden.35 Quelle ist immer für einen Rekord gut. Die Fürther verkaufen nach eigenen Angaben in Deutschland mit ihrer Hausmarke »Privileg« die meisten Kühlschränke, Waschmaschinen, Nähmaschinen und Mikrowellengeräte. Bei Gefriergeräten und Wäschetrocknern liegt Quelle auf Platz zwei, bei Elektroherden und Elektrorasierern auf Platz drei, bei Geschirrspülern und Farbfernsehern (»Universum«) auf Platz fünf. Das Quelle-»Institut für Warenprüfung und Umwelt«, dessen Vorläufer in die 50er Jahre zurückreichen, ist mit 250 Mitarbeitern die größte Warenprüforganisation des Handels in Deutschland. Beim Umsatz kommen nur noch 40 von 100 DM aus der Textilsparte. Den Löwenanteil machen mittlerweile die sogenannten Hartwaren aus, zu denen auch alle techni­ schen Geräte gehören. Grete Schickedanz hat den Aufbruch nach dem Fall der Mauer noch mitprägen können. Bis zuletzt war sie bei wichtigen Entscheidungen dabei. Von ihren Mitarbeite­ rinnen und Mitarbeitern wurde sie bis zum Schluß ver­ ehrt. Doch auch ihre Vitalität und Ausdauer konnten nicht ewig dauern. Manch einer hatte das im Laufe der Jahre vielleicht vergessen.

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XL Das Vermächtnis

Der 28. Juli 1994 ist ein heißer Sommertag. Nach 10.00 Uhr fahren vor der Fürther Kirche St. Paul laufend Limou­ sinen vor, schwarz gekleidete Menschen steigen aus. Sie versammeln sich in dem neugotischen Gotteshaus zur Trauerfeier für Grete Schickedanz. Sie ist fünf Tage zuvor gestorben. Die Flaggen der Stadt wehen auf Halbmast. Der Windsbacher Knabenchor singt und musiziert aus der h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Auf den Holzbänken sitzen die Familien Bühler und Dedi. Louise Dedi ist jedoch erkrankt und fehlt. Hinter der Familie reiht sich Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur in Trauerkleidung. Darunter sind Bertelsmann-Chef Mark Wössner, Karstadt-Vorstandschef Walter Deuss, Bayerns Innenminister Günther Beckstein und die damalige Bun­ destagsvizepräsidentin Renate Schmidt (SPD). Die 650 Plätze in der Kirche sind restlos belegt. Der Sarg ist mit Margeriten und Kornblumen ge­ schmückt; statt Kränzen waren Spenden für das GreteSchickedanz-Altenpflegeheim erbeten. Der frühere baye­ rische Landesbischof Johannes Hanselmann erinnert an den Trauspruch der Verstorbenen: Einer trage des ande­ ren Last. Ihr Leben sei das »vorbildhafte Zeichen eines weiten Spannungsbogens zwischen Energie und Güte« gewesen, sagt der Geistliche, der lange Vorsitzende der Gustav-Schickedanz-Stiftung zum Fördern begabter jun­ ger Menschen gewesen ist.1 175

Ihre Energie investierte Grete Schickedanz unermüd­ lich in die Firma, unterstreicht Hanselmann, und Güte bedeutete ihr hohes Maß an menschlicher Hilfsbereitschaft und christlicher Nächstenliebe auf vielen Gebieten. »Auch die mit einer solchen Spannung zwischen Energie und Güte verbundene Last hat sie in bewundernswerter Weise getragen.« In der Kirche ist es auf einmal sehr still. Ein Blitzlichtgewitter bleibt aus, denn Fotografen sind nicht zugelassen. Der Politiker Beckstein erinnert daran, daß sie die Kul­ tur förderte: »Sie war eine große Mäzenatin.« Er hebt besonders ihr Engagement für den Windsbacher Knaben­ chor und das Germanische Nationalmuseum hervor. Der Fürther Oberbürgermeister Uwe Lichtenberg, der seine goldene Amtskette trägt, betont, daß Grete Schickedanz viel für die mittelfränkische Stadt getan hat. Er dankt für Spenden, die in Kindergärten, Schulen, Sporthallen, Altersheime, für junge und alte Menschen flössen. »Nie werde ich vergessen«, sagt das Stadtoberhaupt, »wie sie mit mir zusammen in Fürth angekommene DDR-Flücht­ linge in deren Unterkünften besuchte, wie sie jeden ein­ zelnen begrüßte und ein Willkommensgeschenk über­ reichte.« Redner aus dem Unternehmen weisen auf das geschäft­ liche Geschick und die Intuition der früheren Chefin hin. Hans-Joachim Werner, der damalige Vorsitzende des Stif­ tungsrates der Schickedanz-Gruppe, nennt ihren Blick für das Wesentliche und die Fähigkeit, Kompliziertes zu vereinfachen. »Da sie, wie überall, zu sagen pflegte, was sie dachte, und ihr Rat manchmal unbequem war, sorgte sie oftmals für lebendige Diskussionen. Ihr Gerechtig­ keitssinn und ihr Streben nach versöhnlichem Ausgleich ließen uns begreifen, daß die Logik allein nicht immer zu den besten Resultaten führt.« 176

Werner erinnert sich, daß sie Mitarbeiter gelegentlich mit Krawatten bedachte. Der Vorsitzende des QuelleGesamtbetriebsrats, Peter Kalow, sagt, daß sich selbst hartgesottene Gewerkschafter sich ihrer Ausstrahlung nicht entziehen konnten. »Jede Form von Gegnerbezug war ihr fremd.« Auch ein Lieferant der Quelle spricht: Michael Braun, Inhaber des Miederwarenherstellers Triumph Internatio­ nal. Die Versandhauschefin ist nach seinen Worten die »zentrale Ansprechpartnerin nahezu der gesamten deut­ schen Konsumgüterindustrie« gewesen. »Grete Schickedanz sah sich als echte Mittlerin zwischen einer leistungs­ fähigen und flexiblen Industrie und den Wünschen der breiten Bevölkerung - eine Rolle, für die sie ihr absolutes Gefühl für den Konsumenten, ihr sicherer Geschmack und ihre oft bis in die technischen Feinheiten hineinreichenden Detailkenntnisse prädestinierten und legitimierten.«2 Vor der Kirche harren etwa 200 Menschen in sengender Sonne aus. Eine Frau, die 25 Jahre lang bei Quelle am Paketband stand, sagt: »Die Chefin hatte immer ein offe­ nes Ohr für uns.« Bei Gustav Schickedanz’ Tod seien 20000 Menschen in Fürth auf den Beinen gewesen, erin­ nert sich ein älterer Mann. Nach der Trauerfeier wird die Verstorbene im engsten Familienkreis auf dem Fürther Friedhof beigesetzt. Außer Renate Schmidt sind keine Bonner Spitzenpoli­ tiker nach Fürth gekommen; sie haben aber der Tochter geschrieben. Bundeskanzler Kohl betont, das Wirken von Grete Schickedanz werde Vorbild bleiben. Der Kanzler nennt sie »eine der herausragenden Frauen der Nach­ kriegszeit«. Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil spricht von einer der »ganz großen Frauenpersönlichkeiten der Wirtschaft« und hebt ihr soziales Engagement und ihr

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Mäzenatentum hervor. Grete Schickedanz war Förderin der österreichisch-deutschen Kulturgesellschaft.3 Der deutsche Bundespräsident Roman Herzog schreibt: »Ihr eindrucksvoller Lebensweg vom kaufmännischen Lehrling zur Chefin eines der größten und traditionsreich­ sten deutschen Unternehmen zeigt, was Leistung und Liebe zum Beruf vermögen. Ihre Mutter verband die Aufge­ schlossenheit und das Geschick ihrer fränkischen Heimat mit der Vision einer global denkenden Unternehmerin.« Herzogs Amtsvorgänger Richard von Weizsäcker ge­ lingt eine knappe und sehr treffende Einschätzung: »Sie paarte Energie mit Wärme; sie verband die Anforderung nach einer verantwortungsvollen Leistung mit menschen­ freundlicher Zuneigung. Sie forderte viel, aber stets am meisten von sich selbst.« Altbundespräsident Walter Scheel, der lange mit Grete Schickedanz im Verwaltungsrat des Germanischen Natio­ nalmuseums gesessen hat, meint, daß sie mehr für die Stellung der Frau in der Gesellschaft getan hat, als es die meisten Frauenrechtlerinnen vermögen. Die frühere Betriebsrätin Renate Schmidt weiß, daß sie jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin als eine Herzens­ sache begriffen hat. »Ich bin stolz, Grete Schickedanz in meiner politischen Verantwortung bei intensiven Gesprä­ chen als anregende, nachdenkliche, entgegenkommende und liebenswürdige Persönlichkeit kennengelernt zu haben.« CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel weist auf das Engagement der Unternehmerin in den neuen Bundesländern hin: »Die mutige Entscheidung zugunsten eines neuen Versandzentrums in Leipzig schafft nicht nur Existenzsicherung und Wohlstand in der dortigen Region, sondern trägt auch zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands bei.«

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Die vielen Schreiben von Staats- und Wirtschaftsreprä­ sentanten lassen ein wenig vergessen, daß es in ihren letz­ ten Jahren recht still um sie geworden ist. Sie sieht nur noch Vertraute und Familienmitglieder. Als sie einmal mit Oberbürgermeister Lichtenberg das nach ihr benannte Altenpflegeheim besucht, sagt sie nach dessen Erinnerung: »Hoffentlich bleibt mir so ein Schicksal einmal erspart.« Sie hat Glück und kann ihre letzten Jahre zu Hause ver­ bringen. Sie wird von ihrer Haushälterin Frau Werner und einem geduldigen Personal betreut. Zuletzt leidet Grete Schickedanz bei schwül-warmem Wetter unter Herz- und Kreislaufschwäche. Am 23. Juli, einem Samstag nachmittag, bleibt ihr Herz stehen. Die Tochter sitzt bis zuletzt an ihrem Bett. Die Quelle-Inha­ berin wird 82 Jahre alt. Erst im Alter von 81 Jahren hat sie im Mai 1993 alle ver­ bliebenen Ämter in Führungs- und Aufsichtsgremien der Gruppe niedergelegt. Viele Menschen im Unternehmen haben in der Zeit davor gesehen, daß sie sich zunehmend schwer tat. Einem Manager vertraut sie in einem ruhigen Moment an, daß sie selbst wisse, daß sie nicht mehr so agieren könne wie früher. Bühler, damals 60, übernimmt ihre Schlüsselressorts. Sie bleibt weiterhin Ehrenvorsitzende des Stiftungsrates der Gruppe sowie des Aufsichts- und Verwaltungsrates der Quelle Schickedanz AG & Co. Bis zu ihrem Tod bleibt sie persönlich haftende Gesellschafterin der Schickedanz-Dachgesellschaft. Die Stiftung bleibt nach ihrem Tod allein haftende Gesellschafterin der Gruppe. Bereits zwei Monate nach Grete Schickedanz’ Tod trauert die Familie wieder. Louise Dedi stirbt am 15. Sep­ tember im Alter von 69 Jahren. Bis zuletzt hat Grete Schickedanz auf der inneren Umschlagseite des Quelle-Hauptkataloges ihre »lieben 179

Kundinnen und liebe Kunden« persönlich mit einer Kolumne angesprochen. Der Herbst/Winterkatalog 1994/95 wird noch mit ihrem Konterfei ausgeliefert, da der Druck vor ihrem Tod begonnen hat. Sie schreibt dort, daß die preiswerten Einkaufsmöglichkeiten bei Quelle wichtig bleiben. »Deshalb haben wir im neuen QuelleKatalog allergrößten Wert auf ein überzeugendes Verhält­ nis von Preis und Leistung gelegt.« Sie fügt hinzu: »Uber eines freue ich mich besonders: Quelle hat die umfangrei­ chen Service-Leistungen für Sie erweitert. Viele Artikel sind auf Wunsch nun schon in 48 Stunden bei Ihnen. Bei Bedarf ist jetzt auch der Technische Kundendienst mit dem neuen Blitzreparatur-Service für Elektrogroßgeräte noch schneller zur Stelle.« Unmittelbar vor ihrem Tod kann sie die Firmengeschicke nur noch eingeschränkt beeinflussen. Nach der Abgabe der Warenhäuser in Deutschland setzt in der Schickedanz-Gruppe eine regelrechte Verkaufswelle ein: Ende 1993 wird die Abgabe der Vereinigten Papierwerke mit 3800 Beschäftigten und 1,5 Milliarden DM Umsatz ange­ kündigt. Die VP gehen zum größten Teil zum US-Konzern Procter & Gamble. Die von Bühler geführte Gruppe nimmt in diesen Jahren eine »Konzentration auf das Kerngeschäft« vor, und da paßt der »Tempo«-Taschen­ tuchhersteller nicht mehr hinein - trotz des nach wie vor ungeheuer zugkräftigen Namens. Die Abgabe der VP ist der Firmenpatriarchin sicherlich nicht leichtgefallen. Ähnliches dürfte für die PatrizierBrauerei gelten, die ebenfalls abgegeben wird. Firmen­ insider meinen, daß sie diese Entscheidungen im innersten Herzen nicht mitgetragen, aber bewußt mitbekommen hat. Vielleicht habe sie sich auch zu lange gegen eine sinn­ 180

volle Lösung gestemmt. Eine wichtige Rolle spielt in die­ ser Zeit Schwiegersohn Dedi, der sie mit einem »Wir machen das schon« beruhigt. Insgesamt dürfte der Rückzug aus der Industriesparte fast eine Milliarde DM in die Kassen der SchickedanzGruppe gebracht haben. Quelle trennt sich auch von den Filialen der Möbel-Hess-Gruppe. Nach dem Tod der Inhaberin werden später zusätzlich zu den deutschen Warenhäusern auch die in Österreich größtenteils abge­ geben. Das als vorbildlich angesehene Altersversorgungs­ werk wird vom 1. September 1993 an für neu zur Quelle kommende Mitarbeiter geschlossen. »Das war eine tolle Sache, aber nicht mehr zu finanzieren«, meint Gesamt­ betriebsratschef Kalow. Die Schickedanz-Holding baut in diesen Jahren ihre Banken- und Versicherungssparte aus. So wird seit 1990 eine Quelle-Bank ohne eigenes Filialnetz eingerichtet. Neben der Coca-Cola-Konzession und den Beteiligun­ gen an dem Touristikkonzern TUI und der Nürnberger Großdruckerei Maul-Belser setzt die Gruppe jetzt ganz auf das Versand- und Einzelhandelsgeschäft. Gefragt ist das, was sich über die mehrere Millionen Adressen umfas­ sende Quelle-Kundenkartei vermarkten läßt.4 Wie Grete Schickedanz den maßgeblich von Bühler betriebenen neuen Kurs des Konzerns wirklich sah, muß offen bleiben. Ihr Tod fällt in eine Umbruchsphase, die vor allem die Quelle nachhaltig erschüttert. Wenige Monate vor ihrem Tod kündigt die Quelle an, daß in Nürnberg 1000 von 2500 Stellen im Versand wegfallen werden. Grund ist der Neubau in Leipzig. Einen Perso­ nalabbau in dieser Größenordnung hat es bei Quelle bis­ her nicht gegeben. Die Wirtschaftskrise läßt auch den Versender nicht ver­ schont: Umsätze gehen zurück, Gewinne schmelzen. Nur 181

wenige Monate nach dem Tod von Grete Schickedanz wechselt Mangold nach nur gut drei Jahren an der QuelleSpitze in die Vorstandsetage des Daimler-Benz-Konzerns. Dort führt er fortan die Dienstleistungstochter DaimlerBenz InterServices AG (debis) in Berlin. Die Familie wollte Mangold langfristig an der QuelleSpitze halten; zumindest sagt das Bühler, nachdem Man­ golds Abschiedswunsch publik geworden ist. Der Wechsel hat die Familie offenkundig unerwartet getroffen.5 Als Ersatz springt - wieder einmal - der damals 69jährige Bittlinger ein. Die tiefere Ursache für Mangolds Ausscheiden waren Querelen mit der Familie - nicht jedoch mit Grete Schickedanz. Als Bühler das Projekt verfolgt, die renta­ blen Mehrheits-Beteiligungen an den Textil-Kaufhausketten Sinn und Leffers aus der Quelle herauszulösen und unter das Dach - der von ihm geführten - Holding zu holen, protestieren Mangold und der gesamte QuelleVorstand. Die Quelle-Manager argumentieren, daß bei der Her­ ausnahme von Sinn und Leffers die modischen Impulse, die sie mit der Quelle verbinden, verlorengehen. Vorher hatte es auch Versuche gegeben, im Einkauf zusammen­ zuarbeiten. Für Mangold fällt ein »Synergiepotential par excellence« weg. Das Umsatzvolumen der in die Holding überführten Sparten beträgt rund zwei Milliarden DM. Nach dem Tod der Quelle-Inhaberin fehlt nach Beob­ achtung von Firmenkennern ein wichtiges Regulativ. Obwohl sie oft emotional entschieden hat, ließ sie dem Management einen großen Freiheitsspielraum. Später treffen unterschiedliche Interessen aufeinander, ohne daß Möglichkeiten eines Ausgleichs wahrgenommen werden. Die Verlagerung der Beteiligungen in die Dachgesell­ schaft ist offenbar in der Konzernräson begründet. Sinn

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und Leffers kommen Anfang 1995 in das Ressort von Ingo Riedel, dem Ehemann von Grete Schickedanz’ Enkelin Margarete. Mit Riedel betritt die dritte Genera­ tion bei Schickedanz die Kommandobrücke. Der promo­ vierte Jurist sitzt seit Anfang 1994 im Holding-Vorstand und vertritt dort den Familienstamm Dedi. Mangold hat bei der Quelle weitere Rückschläge ein­ stecken müssen. Seine Expansionsambitionen in Mittel­ und Osteuropa bringen - gemessen am deutschen Umsatz - zunächst nur wenig ein. Ein Ableger in Italien muß wegen roter Zahlen wieder geschlossen werden. Alles in allem verliert die Quelle jedoch mit Mangold einen Mana­ ger, der auch in französisch und spanisch verhandeln kann und einen internationalen Horizont nach Fürth gebracht hat, der dort nicht unbedingt selbstverständlich ist. Nach Mangolds Weggang werden zwar einige Räder wieder zurückgedreht, die Expansion im Osten wird jedoch trotz dortiger Management- und Transportpro­ bleme nicht aufgegeben. Das Projekt einer neuen Haupt­ verwaltung in Fürth, die die über 30 Quelle-Standorte in dem Ballungsraum in einem Haus bündeln soll, wird auf Eis gelegt. Auch dem Vorhaben einer eigenen Quelle-Post für Massendrucksachen - nicht für Pakete - wird der Wind aus dem Segeln genommen. Bühler bemerkt einmal trocken, daß jetzt wieder mehr am Katalog gearbeitet werde.6 Sowohl Zumwinkel wie auch Mangold wollten bei Quelle eigene Wege gehen, doch die Eigner waren dafür nicht immer aufgeschlossen. Die Gruppe bleibt nach Grete Schickedanz’ Tod fest in Familienhand. Die Um­ wandlung der Quelle in eine »richtige« Aktiengesell­ schaft, wo sich Mangold Tempo gewünscht hat, wird weiterhin hinausgeschoben. Bühler ist in dieser Zeit vor

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allem bestrebt, nach außen Familieneinigkeit zu demon­ strieren. Es gebe keinen Dissens, betont er. Es sei ein­ stimmig beschlossen worden, »daß wir uns aus dem industriellen Bereich verabschieden«.7 Gemeint ist der Verkauf der Papierwerke und der Brauerei. Bühler bekräftigt, das Unternehmen auch weiterhin als Familiengesellschaft erhalten zu wollen. »Es hat kein Mensch an Realteilung gedacht.« Er fügt hinzu: »Wir wollen die Gruppe als Familienunternehmen erhalten.« In der Schickedanz-Gruppe ist in entsprechenden Verträgen bis über das Jahr 2000 geregelt, daß kein Familienstamm das Unternehmen verlassen kann.8 Unternehmenskenner wissen zu berichten, daß sich die beiden Familienlinien langfristig arrangiert haben. Der Konzernchef versucht dem Eindruck entgegenzutreten, daß es mit den Führungskräften Schwierigkeiten gebe was jedoch nach dem überraschenden Ausscheiden Man­ golds nicht ganz einfach fällt. Bühler räumt ein, daß man­ chem Vorstand »eine größere Breite von Gesellschaftern« hin und wieder lieber wäre9. Die Familie gibt langjährigen Vertrauten in den Gre­ mien den Vorzug, etwa dem Vorstandschef der Linde AG, Hans Meinhardt, der zum Vorsitzenden des Schickedanz-Stifungsrates berufen wird. Meinhardt (geb. 1931) hat sein ganzes Leben in den Dienst des Unternehmens gestellt, das mit der Kältetechnik berühmt wurde. Er ist zwar in der breiteren Öffentlichkeit wenig bekannt, gilt jedoch in Wirtschaftskreisen als erfahrener Unternehmer alten Schlages, der sich nicht nur den Aktionären, son­ dern auch den Mitarbeitern verpflichtet fühlt.10 Jeder der beiden Schickedanz-Familienstämme hat das Recht, zwei Mitglieder für den elfköpfigen Stiftungsrat vorzuschlagen. Dieses Gremium hat zusammen mit den Gesellschaftern oberste Entscheidungsbefugnis. Daneben 184

dürfen die Familien Bühler und Riedel/Dedi jeweils ein Mitglied des Holdingvorstandes der Schickedanz-Gruppe vorschlagen. Im Tagesgeschäft, etwa bei der Quelle, will die Familie jedoch nicht mehr aktiv werden. Trotz der fast demonstrativ beschworenen Kontinuität brodelt und gärt es nach Grete Schickedanz’ Tod auf der Schickedanz-Kommandobrücke. Im Frühling 1995 verläßt der Finanzvorstand der Schickedanz-Holding, Ingold Knaup, kurzfristig das Unternehmen. Ähnlich wie Man­ gold war er gut drei Jahre bei Schickedanz gewesen. Mit der Trennung von Knaup setze sich die auffallende Häu­ fung personeller Veränderungen in Führungsfunktionen der Schickedanz-Gruppe fort, heißt es kühl in der Presse. Eine weitere Neuigkeit ist in Fürth Stadtgespräch: Madeleine Bühler trennt sich von ihrem Ehemann. Das wäre eine reine Privatangelegenheit, wenn Bühler nicht Konzernchef wäre. Die Tochter von Grete Schickedanz verläßt das gemeinsame Haus. Bühler wird mit den Wor­ ten zitiert: »Wir haben uns auseinandergelebt.« 11 Am 18. Mai 1995 wird in Anwesenheit vom Bundes­ kanzler das neue Versandzentrum im Leipzig eingeweiht. Bühler und seine Frau sitzen bei der Festveranstaltung in einer Reihe, zwischen ihnen ist der Kanzler plaziert. Die­ ser spricht über die Erfolge des Wirtschaftsaufbaus in Ostdeutschland, das Wachstumsregion Nummer eins in Europa ist. Kohl und Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf schreiben dem Projekt eine Signalwirkung zu. Der Kanz­ ler hebt hervor, daß die Arbeitslosenquote in Leipzig mittlerweile deutlich niedriger als die mancher westdeut­ scher Großstädte sei. Er fordert bei dieser Gelegenheit die Wirtschaft zu mehr Engagement in den neuen Ländern auf: »Jede Mark, die wir jetzt hier investieren, ist eine Abschlagszahlung für unsere gemeinsame Zukunft.« 185

Versandzentrum, dessen Gelände die Fläche von 130 Fußballfeldern einnimmt, ist die größte Einzelinvestition des deutschen Einzelhandels in den neuen Ländern. Bei voller Kapazität können von Leipzig jährlich 25 Millio­ nen Pakete verschickt werden. Insgesamt verschickt Quelle Mitte der 90er Jahre rund 35 Millionen blaue Päck­ chen; Nürnberg wird also weiter gebraucht, wenn auch mit verringerter Kapazität. Der Doppelbetrieb von zwei Versandzentren belastet das Unternehmen; es werden hohe Rückstellungen dafür gebildet, die kräftig auf den Gewinn schlagen. Zudem spart die Einzelhandelsflaute Quelle nicht aus. Der Grup­ penumsatz schrumpft unter 15 Milliarden DM. Für die damals 1000 Leipziger Beschäftigten ist mit der Gewerkschaft ein neues Arbeitszeitmodell ausgehandelt worden. Durchschnittlich arbeiten sie 31 Stunden in der Woche, Änderungen sind jedoch je nach Arbeitsanfall möglich. Biedenkopf bezeichnet die Regelung als vor­ bildlich. Später sollen in Leipzig bis zu 3000 Menschen arbeiten. Ein Jahr nach dem Tod von Grete Schickedanz macht das Unternehmen - trotz der Milliardeninvestition in Leipzig - keine gute Figur. In Osteuropa, dem großen Hoffnungsgebiet der vorangegangenen Jahre, werden im Jahr gerade einmal 130 Millionen DM umgesetzt. Das entspricht einem 7-Tage-Umsatz des Kerngeschäfts Ver­ sand Deutschland. Ein spektakulärer Einstieg in Zu­ kunftsmärkte jenseits der Grenzen ist bis dahin nicht gelungen. Branchenprimus Otto nimmt derweil jede zweite D-Mark im Ausland ein. Wie bei allen großen Familiendynastien stellt sich bei Schickedanz die Frage, ob das Erbe nicht zu groß und zu belastend für die Nachkommen ist. Der bekannte Satz »Die erste Generation baut auf, die zweite aus, die dritte 186

ab« bewahrheitet sich in allzu vielen Familienunternehmen. Die sich über Jahre hinziehenden Schwierigkeiten, einen geeigneten Quelle-Chef zu finden, weisen darauf hin, daß die erste Generation - aus welchen Gründen auch immer - die Zügel nicht frühzeitig genug in jüngere Hände übergeben hat. Auch im Haus fragt sich manch ein Manager, ob es nicht besser wäre, wenn sich die Familie auf Aufsichts- und Kontrollaufgaben im Stiftungsrat zu­ rückziehen und dem Management uneingeschränkte Ver­ antwortung zugestehen sollte. Quelle stellt sich der Zukunft, etwa mit dreistelligen Millionenbeträgen für den Aufbau eines Interaktiven Einkaufsfernsehens. Das Unternehmen ist trotz Konjunktureinbußen und hohen Investitionen gesund. Wie der Handelskonzern mit zwei Standorten - Fürth und Leipzig - auf Dauer zurecht­ kommt, bleibt aber zunächst offen. Grete Schickedanz’ Tochter versucht als Gesellschafte­ rin und Mitglied des Stiftungsrates der Dachgesellschaft, mit gesundem Menschenverstand auf die Unternehmens­ politik einzuwirken und das Erbe ihrer Eltern zu wahren. Eine Managerin ist sie nicht. Sie will die Gruppe als Fami­ lienunternehmen weiterführen, soweit das möglich ist. Die Frauen in der Familie haben offenbar einen besseren Kontakt untereinander als die Männer. Madeleine Schicke­ danz ist auch sozial tätig, sie gründete eine Stiftung für krebskranke Kinder. Das Haus in Dambach wird gepflegt, einige Räume werden für private Essen oder Zusammenkünfte des Stif­ tungsrates genutzt. »Wir lassen bewußt alles so, wie es ist«, sagt Schwiegersohn Bühler einmal.12 Auch in der Nürnberger Straße wird weiterhin Grete Schickedanz’ Büro geputzt. Frische Blumen stehen auf dem Tisch, neben einem Foto von ihr im Silberrahmen. Ein Ersatz für sie ist noch nicht in Sicht.

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XII. Anmerkungen

Kapitel I 1 2 3 4 5 6 7

zeitmagazin 22/1973. stern 2/1967. Welt am Sonntag, 18.7.1982 zeitmagazin a.a.O.. stern a.a.O.. Der Spiegel 40/1966. Forbes laut Stuttgarter Zeitung v. 6. 7. 1995.

Kapitel II 1 2 3 4 5 6 7 8 ’ 10 11 12 13 14 15 16

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 20. 2. 1981. Der Spiegel, 6. 6. 1977. stern a.a.O. The Times, 3. 8. 1994. Die Zeit 1.4. 1977 Spiegel a.a.O.. ebd.. ebd.. mitgeteilt von Gisela Barein. Zeit a.a.O.. (Apr. 77). Die Zeit, 30. 12. 1977. Die Zeit, 20. 4. 1984. ebd.. ebd.. ebd.. zit. nach Nürnberger Zeitung, 20. 10. 1986.

Kapitel III 1 Meyers Konversationslexikon, Leipzig/Wien, 5. Aufl. 1894, Bd. VI, S. 1014. 2 Film des Bayerischen Rundfunks (BR) zum 100. Geburtstag von Gustav Schickedanz, 5. 3. 1995. 3 Textilwirtschaft, 10. 6. 1989. 4 Reubel-Ciani, Theo: Der Katalog, Konsumkultur, Zeitgeist und Zeitgeschichte im Spiegel der Quelle-Kataloge 1927-1991, Dokumentation zum 80. Geburtstag von Frau Grete Schickedanz, Fürth 20. Oktober 1991, Fürth 1991, S. 83. (Reubel-Ciani 1991). 5 Interview Madeleine Schickedanz 26. 1. 1995. 6 Großversandhaus Quelle Gustav Schickedanz KG Fürth (Hrsg.): Grete Schicke­ danz, Ein Leben für die Quelle, Firmendokumentation zum 75. Geburtstag der Unternehmerin, Fürth 20. Oktober 1986, Fürth 1986, S. 35. (Quelle 1986).

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7 BR-Film. 8 Reubel-Ciani, Theo: Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert, Zum 100. Geburts­ tag des Quelle-Gründers, Dokumentation und Handelsgeschichte, Fürth 1995, S. 101f. (Reubel-Ciani 1995). ’ Stern, a.a.O. 10 Reubel-Ciani (1995), S. 313ff. Bundesverband des Deutschen Versandhandels (Hrsg.): Versandhandel in Deutschland, Eine Informationsschrift, Frankfurt/Main 3. Aufl. 1993, S. 14. ” BR-Film. 12 Reubel-Ciani (1995), S. 113. 13 Quick 49/1963. 14 Reubel-Ciani (1995), S. 106. '5 BR-Film. 16 Stern a.a.O. 17 Reubel-Ciani (1995), S. 108f. 18 Stern a.a.O.. 19 Reubel-Ciani (1991), S. 92. 20 Quelle (1986), S. 225. 21 Reubel-Ciani (1995), S. 115. 22 Reubel-Ciani (1991), S. 94. 23 ebd., S. 96.

Kapitel IV 1 2 3 4 5 8 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

18 19 20 21 22 23 24 25

28

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Kapitel V 1 2 3 4 5 6 7 8 ’ 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

21 22 23 24 25 26 27 28

29

Quelle (1986), S. lOlff. ebd.,S. 106. ebd.,S. 111. Reubel-Ciani (1995), S. 144. ebd., S. 146f. ebd., S. 149f. Reubel-Ciani (1991), S. 147. ebd., S. 151. Reubel-Ciani (1995), S. 153. Reubel-Ciani (1991), S. 160. BR-Film. Reubel-Ciani (1995), S. 20. BR-Film. FAZ, 26. 3. 1956. Quick, 49/1963. FAZ, 26. 3. 1956. Neckermann, a.a.O., S. 243. FAZ, 1. 3. 1955. Reubel-Ciani (1991), S. 180. Bögeholz, Hartwig: Die Deutschen nach dem Krieg, Eine Chronik, Befreit, geteilt, geeint: Deutschland 1945 bis 1995, Reinbek 1995, S. 156. Reubel-Ciani (1991), S. 175 ff. ebd., S. 212. ebd.,S. 199. Bögeholz, a.a.O., S. 154. Reubel-Ciani (1991), S. 215. Frankfurter Rundschau, 23. 1. 1965. Otto, Werner: Die Otto-Gruppe, Der Weg zum Großunternehmen, Düsseldorf/ Wien 1983, S. 75f. Schul- und Kulturreferat der Stadt Nürnberg Centrum Industriekultur (Hrsg.): Die Fürther Straße, Ein Gang durch ihre Geschichte, Nürnberg 1985, S. 114. Sterna.a.O..

Kapitel VI 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Reubel-Ciani (1991), S. 220. Quelle (1986), S. 214f. ebd., S. 209. Reubel-Ciani (1991), S. 220. FAZ, 13. 8. 1966. Die Zeit, 27. 3. 1970. capital, 11. 11. 1972. Reubel-Ciani (1991), S. 209. ebd., S. 216f. FAZ, 11. 1. 1968.

190

Kapitel VII 1 FAZ, 11. 8. 1967; Loschek, Ingrid: Mode im 20. Jahrhundert, Eine Kulturge­ schichte unserer Zeit, München 4. Aufl. 1990, S. 209. 2 BR-Film 3 ebd. 4 Boleslaw Barlog, Ich bin ein Oestergaardist, in: Vogel, Magrit (Hrsg.): Stoff zum Träumen. Wie Heinz Oestergaard Mode machte, Berlin 1996, S. 27. 5 Gisela Barein, Kein Tag wie jeder andere!, in: Vogel, a.a.O., S. 176. 6 ebd., S. 175. 7 Quick, 19. 5. 1983. 8 ebd.. 9 zeitmagazin a. a. O.. “ Quick, 19. 5. 1983. " stern a.a.O.. 12 FAZ, 28. 7. 1962 13 FAZ, 24. 10. 1972 14 Bundesverband des Deutschen Versandhandels, a.a.O., S. 3. 15 Textilwirtschaft, 22. 2. 1968. 16 FAZ, 16. 8. 1968. 17 Reubel-Ciani (1991), S. 232. 18 FAZ, 24. 1. 1962. 19 Otto, a.a.O., S. 110f. 20 Otto, a.a.O., S. 105f. 21 Die Zeit, 13. 4. 1973 22 Fürther Nachrichten, 5. 6. 1973. 23 Die Zeit, 13. 4. 1973. 24 ebd. 25 Quick 49/1963. 26 Spiegel 40/1966. 27 FAZ, 10. 2. 1967. 28 Die Zeit, 13. 4. 1973. 29 Spiegel, 6. 6. 1977. 30 Otto, a.a.O., S. 28. 31 FAZ, 6. 2. 1972/Spiegel 6. 7. 1971. 32 FAZ, 27. 1. 1972 33 FAZ, 20. 11. 1972. 34 Spiegel, 6. 6. 1977. 35 Spiegel 38/1966 38 Quick 49/1963. 37 Abendzeitung, 29. 3. 1977. 38 aus »Vorstudie zur Vertriebskonzeption Quelle« der Unternehmensberatung Roland Berger und Partner GmbH, April 1976, zit. nach: manager magazin 5/1984.

Kapitel VIII 1 2 3 4 5 8 7 8

Die Zeit, 30. 12. 1977. ebd. ebd. FAZ 22. 7. 1977. Fürther Nachrichten, 9. 9. 1977. 1927-1977, 50 Jahre Quelle, Fürth o.O.o.J. (Fürth 1977), S. 189. FAZ, 22. 7. 1978; Textilwirtschaft, 19. 7. 1979. Die Zeit, 30. 12. 1977.

191

’ 10 11 12 15 14 's 16 17 18 19 20 21 22

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54 55 “ 37 58

FAZ, 22. 7. 1977. Süddeutsche Zeitung (SZ), 16. 2. 1979. FAZ, 22. 2. 1974 Süddeutsche Zeitung, 22. 2. 1974 Oktober 1981, zit. nach Textilwirtschaft, 21. 10. 1991 (Extrablatt). Herbst-Winter-Katalog 1981/82. Reubel-Ciani (1991), S. 253. textilreport April 1978, zit. nach Textilwirtschaft 21. 10. 1991 (Extrablatt). Reubel-Ciani (1991), S. 266. Versandhandelsverband, a.a.O., S. 9. Textilwirtschaft, 23. 10. 1981. FAZ, 5. 9. 1979/9. 10. 1981. Spiegel 41/1978. ZDF-Film »action - Der Pfennig ist die Seele der Milliarde« von Max H. Rehbein, Oktober 1986. ebd. Die Zeit, 2. 7. 1982. Spiegel, 18. 11. 1985. ebd. Katz, Donald R.: The Big Store, Inside the Crisis and Revolution at Sears, New York 1987, S. 13f. FAZ, 9. 9. 1975. FAZ, 8. 1. 85/23. 2. 1984. manager magazin 5/1984: FAZ 14. 10. 1986; SZ 20. 7. 1984 SZ20. 7.1984. Eintrag Handelsregister Fürth 30. 07. 1979 FAZ, 13. 7. 1979. Spiegel, 21. 1. 1980. Bögeholz, a.a.O., S. 564. Quick, 19. 5. 1983. Die Zeit, 20. 4. 1984. FAZ, 16. 7. 1982 Zeit, 20. 4. 1984. FAZ, 25. 2. 1983. Zeit, 20. 4. 1984. Zeit, 28. 2. 1986. Zeit, 20. 4. 1984. manager magazin, 5/1984. FAZ, 22. 2. 1985. ebd. FAZ, 16. 9. 1987. FAZ, 13. 3. 1985. FAZ, 21. 2. 1986. FAZ, 31. 7. 1985. Die Zeit, 28. 2. 1986. Spiegel, 10. 3. 1986. Die Schickedanz-Geschäftsjahre haben den Stichtag 31. Januar. Der Einfachheit halber wird die Bezeichnung des Kalenderjahres benutzt, also: 1985 statt Geschäfts­ jahr 1985/86 (31. Januar). FAZ 25. 9. 1986. FAZ, 1. 6. 1983. Reubel-Ciani (1995), S. 181. FAZ, 21. 2. 1986. ZDF-Film 1986. Quick, 19. 5. 1983.

192

Kapitel IX 1 2 3 4 3 6 7 8 ’ 10 11 12 13 14 15 i‘ 17 >8 >’ 20 21 22

Textilwirtschaft 21. 10. 1991. capital, 12/1985. ebd.. manager magazin 8/1989. FAZ, 23. 11. 1988 Geburtstag 1988, mitgeteilt von Arthur Ebersbach. Abendzeitung, 5. 2. 1987. SZ, 5. 2. 1987. Bild, 26. 1. 1989. Abendzeitung, 20. 2. 1986/Die Welt 7. 2. 1986. Textilwirtschaft 9. 6. 1988. (Schickedanz, Grete) Gratulationen zum 20. Oktober 1986, o.O. o.J. (Fürth 1986). Fürther Nachrichten 20. 10. 1986 (Schickedanz, Grete), Gratulationen, a. a. O. FAZ, 4. 7. 1989. SZ, 21. 7. 1989. manager magazin 8/1989. FAZ, 24. 12. 1986. FAZ, 1. 9. 1987. FAZ, 27. 9. 1989. Wirtschaftswoche, 1. 9. 1989 Handelsblatt, 23. 11. 1989.

Kapitel X FAZ, 16. 11. 1989. ebd./Handelsblatt 15. 11. 1989. FAZ, 28. 10. 1989. FAZ, 1. 10. 1992. Quelle-Geschäftsbericht 1989/90. ebd.. Unterlage zur Quelle-Pressekonferenz 24. 7. 1990. FAZ, 4. 8. 1990. ebd. ebd. Nürnberger Nachrichten, 21. 6. 1990. Bild, 26. 1. 1989. Nürnberger Nachrichten, 19. 7. 1991. Fürther Nachrichten, 19. und 22. 10. 1991. zit. nach Fürther Nachrichten, 5. 2. 1990. The Times, 21. 9. 1987. 17 Stuttgarter Zeitung, 6. 7. 1995. i« Quelle (1986), S. 206. » FAZ, 4. 4. 1995. 20 manager magazin 5/1992. 21 FAZ, 16. 9. 1992. 22 FAZ, 25. 7. 1992. 23 FAZ, 22. 1. 1993. 24 ebd./manager magazin 5/1992. 25 FAZ, 13. 7. 1992. 23 FAZ, 22. 1. 1993. 27 ebd.

1 2 3 4 5 6 7 8 ’ 10 11 12 13 14 15

193

28 29 30 31 32 33 38 35

manager magazin 5/92. FAZ, 13. 4. 1992. SZ, 29. 10. 1992. FAZ 7. 2. und 29. 10. 1992. FAZ, 7. 2. 1992. Wirtschaftswoche 14/94. Quelle-Geschäftsbericht 1991 SZ, 26. 2. 1993.

Kapitel XI 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Grete Schickedanz, *23. 10. 1911|23. 7. 1994, o.O. o.J. ebd. ebd. SZ, 26. 7. 1994 FAZ, 8. 12. 1994. Schickedanz-Pressekonferenz München, 8. 2. 1995. ebd. FAZ, 4. 4. 1995. ebd. Handelsblatt, 11. 5. 1996. Bild, 30. 5. 1995. Abendzeitung, 1. 2. 1995.

194

XIII. Chronologie Grete Schickedanz

20. 10. 1911 Geburt in Fürth als Tochter von Heinrich und Käthe Lachner. 5. 4. 1925 Konfirmation in Fürth. 1927 Eintritt in die Firma Schickedanz.

26.10.1927 Gründung der Quelle.

13. 7. 1929 Autounfall, Anna Schickedanz und ihr Sohn sterben. 1936 Quelle hat über eine Million Kunden.

8. 6. 1942 Heirat mit Gustav Schickedanz in Fürth.

11. 8. 1943 Betrieb in der Fürther Artilleriestraße zu 90 Prozent zer­ stört. 195

1946 Grete Schickedanz gründet ein Textilgeschäft in Hers­ bruck. 1948 Neugründung der Quelle. 1952 Über eine Million Kunden.

6. 9. 1952 Heirat Louise Schickedanz mit Hans Dedi. 1953 Quelle-Kindertagesstätten gegründet.

1954 Generalbevollmächtigte, Mitglied des Konzernbeirates. Der Katalog hat eine Laufzeit von sechs Monaten. 1956 Inbetriebnahme des neuen Versandgebäudes. 1958 Schwiegersohn Dedi tritt als Prokurist bei der Quelle ein. 1959 Über drei Millionen Kunden in der Bundesrepublik.

1961 Quelle-Foto- und Filmdienst gegründet, die spätere Foto-Quelle. Erstes Einkaufsbüro im Ausland in Hong­ kong eröffnet. 196

1962 Dedi Generalbevollmächtigter. Quelle-Fertighaustochter gegründet. Quelle-Reisen starten.

1964 Einstieg beim Versender Schöpflin. Quelle ist das größte Versandhaus Europas. 4. 9. 1965 Heirat Madeleine Schickedanz mit Hans-Georg Man­ gold.

1966 Familienverein Schickedanz gegründet.

1967 Schickedanz International Holding gegründet. Heinz Oestergaard kommt als Modeberater zur Quelle. 1972 Verschmelzung von sieben Brauereien zur Patrizier-Bräu AG.

31. 3. 1973 Hans-Georg Mangold scheidet als Generalbevollmäch­ tigter aus. Juni 1973 Hochzeit Madeleine Mangold mit Wolfgang Bühler.

1974 Über zehn Millionen Quelle-Kunden.

197

19. 12. 1974 Neu: Führungsgesellschaft Gustav und Grete Schickedanz KG mit 50 Millionen DM Kapital. Grete Schickedanz und Dedi treten als persönlich haftende Gesellschafter in die Firmengruppe mit 41900 Mitarbeitern ein. 1976 Wolfgang Bühler kommt als Generalbevollmächtigter zur Gustav und Grete Schickedanz KG.

27. 3. 1977 Tod von Gustav Schickedanz im Alter von 82 Jahren.

5. 4. 1977 Dedi neuer Konzernchef. Grete Schickedanz übernimmt die Quelle. 7. 12. 1977 Ernennung zum griechischen Honorarkonsul.

1977 50stes Firmenjubiläum. Quelle führt den Hängeversand ein. 1978 Einführung der Sonderkollektion »Madeleine«.

28. 4. 1978 Ehrensenatorin der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. 11. 7. 1979 Die Gustav und Grete Schickedanz Stiftung wird gegrün­ det. Die Führungsstiftung ist neben Grete Schickedanz persönlich haftende Gesellschafterin der Holding.

198

24. 2. 1981 Verleihung eines Professorentitels durch den österreichi­ schen Präsidenten Kirchschläger. 20. 10. 1981 Ehrenbürgerin von Fürth und Hersbruck. Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern. Juni 1982 Erster Foto-Quelle-Laden in Budapest.

1. 6. 1983 Ankündigung: Foto-Quelle-Chef Schmechtig steigt zum Jahresende aus.

1984 Erwerb der Verbraucherbank AG Hamburg. Gründung der Quelle und Partner Lebensversicherung AG und Quelle und Partner Versicherungs AG. 1. 1. 1985 Noris Verbraucherbank GmbH aus Verbraucherbank und Noris Bank formiert. 1. 5. 1985 Vertrag Quelle-Hungarotex über Versandhaus Forras in Ungarn ab 1986. 1984 und 1985 Verluste der Quelle von insgesamt 47 Millionen DM.

1. 7. 1985 McKinsey-Berater Klaus Zumwinkel tritt in den QuelleVorstand ein. 199

Februar 1986 Ankündigung von Grete Schickedanz’ Rückzug von der Quelle-Spitze. 1. 2. 1986 Zumwinkel stellvertretender Vorstandschef der Quelle.

1. 10. 1986 Neue Holdingstruktur mit Handelsgruppe, Industrie­ gruppe und Finanzdienstleistungen. Herbst 1986 Leichter Herzinfarkt. 31. 1. 1987 Rückzug vom Quelle-Vorstandsvorsitz.

1. 2. 1987 Zumwinkel neuer Quelle-Chef.

4. 2. 1987 Abschiedsfeier in Nürnberg (60 Jahre bei Quelle, Nach­ feier zum 75. Geburtstag). 1987/88 Kauf der Beteiligungen Sinn und Leffers.

1. 2. 1989 Bühler neuer Chef der Schickedanz-Holding. 30. 6. 1989 Zumwinkel scheidet aus.

1. 7. 1989 Bittlinger neuer Quelle-Chef. 200

27. 10. 1989 Grete Schickedanz unterschreibt in Moskau Vertrag zur Gründung von Intermoda. Januar 1990 Papst-Audienz im Vatikan.

1. 1. 1991 Klaus Mangold stellvertretender Quelle-Vorstandschef.

18. Juli 1991 Erster Spatenstich für das neue Versandzentrum Leipzig. 1. 8. 1991 Mangold löst Bittlinger an der Quelle-Spitze ab.

10. 12. 1992 Bambi-Verleihung in Köln. 1. 3. 1993 Quelle trennt sich von 14 der ingesamt 20 deutschen Warenhäuser.

Anfang 1993 Verkauf der Möbel-Hess-Kette. Ende Mai 1993 Rückzug aus allen Aufsichts- und Führungsgremien. Bleibt persönlich haftende Gesellschafterin der Holding.

23. 7. 1994 Tod in Fürth. 15. 9. 1994 Tod von Louise Dedi im Alter von 69 Jahren. 201

XIV. Literaturverzeichnis

Verwendete Zeitungen und Zeitschriften Abendzeitung Bild capital Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Fürther Nachrichten Handelsblatt Nürnberger Nachrichten Nürnberger Zeitung manager magazin Quick Der Spiegel Stern Süddeutsche Zeitung Stuttgarter Zeitung die tageszeitung (taz) The Times Textilwirtschaft Die Welt Welt am Sonntag Wirtschaftswoche Die Zeit zeitmagazin 202

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Ders., Axel Gloger und Hilmar Knoerzer (Hrsg.): 99 Top-Unternehmen mit den besten Zukunftsperspekti­ ven, Stuttgart 1995. Bundesverband des Deutschen Versandhandels (Hrsg.): Versandhandel in Deutschland, Eine Informations­ schrift, Frankfurt/Main 3. Aufl. 1993.

Eglau, Hans Otto: Die Kasse muß Stimmern, So hatten sie Erfolg im Handel, Von der Kleiderdynastie Brenninkmeyer über die Discountbrüder Albrecht bis zur Sexver­ senderin Beate Uhse, Düsseldorf/Wien 1972.

Gall, Lothar, Gerald D. Feldman, Harold James, CarlLudwig Holtfrerich, Hans E. Büschgen: Die Deutsche Bank 1870-1995, München 1995. Großversandhaus Quelle Gustav Schickedanz KG Fürth (Hrsg.): Grete Schickedanz, Ein Leben für die Quelle, Firmendokumentation zum 75. Geburtstag der Unter­ nehmerin, Fürth 20. Oktober 1986, Fürth 1986.

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Schul- und Kulturreferat der Stadt Nürnberg Centrum Industriekultur (Hrsg.): Die Fürther Straße, Ein Gang durch ihre Geschichte, Nürnberg 1985.

Uhlig, Heinrich: Die Warenhäuser im Dritten Reich, Köln/Opladen 1956. Vogel, Magrit (Hrsg.): Stoff zum Träumen, Wie Heinz Oestergaard Mode machte, Berlin 1996.

205

Danksagung

Dank gilt zunächst den beiden wohl engsten Mitarbeitern von Grete Schickedanz, Herbert Bittlinger und Alfred Gebauer. Der frühere Quelle-Vorstandschef Bittlinger und der langjährige Quelle-Chefsyndikus Gebauer haben in Gesprächen von ihrer früheren Chefin erzählt und offen auf alle Fragen geantwortet. Nachfolgende Perso­ nen haben sich Zeit für Interviews genommen, Hinweise und Anregungen gegeben oder mich bei der Recherche unterstützt: Gisela Barein, Marianne und Arthur Ebers­ bach, Dr. Georg Giersberg, Erich Jeske, Peter Kalow, Rainer Knubben, Marianne Kreß, Dr. Klaus Mangold, Marion M. Nobbe, Prof. Heinz Oestergaard, Friedrich Reichert, Theo Reubel-Ciani, Robert Rieger, Madeleine Schickedanz, Alexander Schmidt, Karl-Heinz Schmidt, Renate Schmidt und Gwenaéle Vincent-Böhmer. Die Mitarbeiter des Fürther Stadtarchivs und des Nürnberger Staatsarchivs haben ebenfalls geholfen.

Straßburg, den 30. Juni 1996 Christian Böhmer

207

Personenregister

Abs, Hermann Josef 148 Albrecht, Karl 11, 163 Albrecht, Theo 11, 163 Almsick, Franziska van 167 Attioli 121 Bach, Johann Sebastian 175 Balmain, Pierre 95 Barein, Gisela 17f., 81 Bastian, Wilhelm 147 Baumann, Willi 135 Beatrix, Königin der Niederlande 163 Beecker, Gottfried 152 Beckstein, Günther 175 f. Berke, Karen und Rolf 148 Biedenkopf, Kurt 162, 185 f. Bittlinger, Herbert 8, 14, 16, 19, 25, 70, 110, 114, 117, 125, 127, 141-145, 149-152, 154-158, 168, 182 f.

Bößenecker, Hermann 102,133 Braun, Michael 177 Breuer, Rolf-Ernst 128 Bühler, Caroline 166 Bühler, Hans 22, 113 Bühler, Madeleine (siehe Schickedanz) Bühler, Matthias 166 Bühler, Wolfgang 21-24, 98, 108, 113, 133, 136, 150, 152 f., 166, 172, 175,179-185, 187

Chanel, Coco 83 Charles, Prinz von Wales 21 Czabo, Eva 124

Dedi, Hans 16, 21 ff., 68f.,97ff., 102, 108, HO, 113 f., 120, 127f., 132f„ 139, 141, 149f., 152, 175, 179, 181, 183, 185 209

Dedi, Louise (geb. Schickedanz) 16, 33,1., 68f.,99, 175 Dedi, Margarete 100,165, 175 Dedi, Martin 100, 165, 175 Dedi, Roland 99,166,175 Deuss, Walter 175 Doberauer, Wolfgang 102, 135 Ebersbach, Arthur 73, 90, 94 Ebersbach, Marianne 23, 84, 89, 93 Elisabeth II., Königin von England 63, 163 Erhard, Ludwig 58 Gebauer, Alfred 15, 55, 109, 132,160 Göring, Hermann 44 Großbach, Franz 101, 110 Grundig, Max 104 f. Haas, Gerhard 102 Hahn, Carl H. 148 Hahn, Peter 150 Haniel, Familie 163 Hanselmann, Johannes 175f. Haub, Erivan 11, 163 Herzog, Roman 178

Herzog, Rudolf 65 Hess, Hans 104 Hitler, Adolf 42, 44, 48f. Hofer, Maria 89 Jakob, Franz 42, 45 Joel, Carl 47, 60 Jüngling, Hanns 101 Kalow, Peter 111,129,177, 181 Kardorff, Ursula von 7 Karg, Georg 47 Kiel, Ulrich 150, 168 Kießling, Daniel 43 Kießling, Liesl 34, 38, 54 Kissinger, Henry 51 Klestil, Thomas 177 Knaup, Ingold 185 Kohl, Helmut 146, 177 Kuboschok, Egon 60 f.

Lachner, Betty 27f., 166 Lachner, Grete (siehe Schickedanz) Lachner, Hans 27 Lachner, Heinrich 27 Lachner, Karl 27 Lachner, Maria 27f., 166 Lagerfeld, Karl 83 Lascher, Willi 101 Leander, Zarah 77 Lehmann-Grube, Hinrich 162 210

Lichtenberg, Uwe 162, 176, 179 Lippert, Wolfgang 167 Lorentz, Norbert 169

Ponto, Jürgen 160 Porsche, Familie 163

Mangold, Daniela 97, 100,166 Mangold, Hans-Georg 96 ff., 100f. Mangold, Hans-Peter 97, 100,166 Mangold, Klaus 26, 157 f., 167-172, 182-185 Mangold, Madeleine (siehe Schickedanz) Martin, Benno 50 Massfeiler, Norbert 150 Mayer, Ignaz 45 Meinhardt, Hans 184 Merck, Familie 163 Mihara, Hiroshi 95

Reinicke, Georg 57 Rehbein, Max H. 139 Riedel, Ingo 100, 183 Riedel, Margarete (siehe Dedi, Margarete) Rieger, Josef 38f. Rieger, Maria (geb. Lachner) 38 Rieger, Robert 17, 25, 38, 67, 131 Roiger (Landrat) 52 Roosevelt, Franklin Delano 125 Rosenfelder 43 Rossignolo, Dr. 122 f. Ruschkewitz, Siegmund 47

Quandt, Johanna 163

Neckermann, Josef 47 ff., 59ff., 104, 147

Schambeck, Professor 145 Scheel, Mildred 162 Scheel, Walter 145, 178 Schickedanz, Anna (geb. Zehnder) 28ff., 33, 34 Schickedanz, Grete (geb. Lachner) 7f., 10f., 1325, 27-30, 32, 34-37,48, 52, 54f.,62ff.,66f.,7073, 75f., 78-81, 83-86, 89, 92-98,100-105,

Oestergaard, Heinz 19f., 26, 77-84, 93,160 Oetker, Familie 163 Otto, Werner 64f., 9093, 103, 116, 132, 134, 167, 170 f., 186 Otto, Michael 163

211

107-111,113ff., 118-124, 126-131, 133-137, 139146, 148f., 151 f., 154 f., 157-165,168f., 171-175, 178 f., 181 ff., 186f., (passim) Schickedanz, Gustav 9, 21f., 32f., 35, 37—40, 42f., 45, 47, 50f., 56-61, 68, 73, 78, 94f.,98f., 101-104, 106, 108,133, 138, 159,175 Schickedanz, Leo 33, 34 Schickedanz, Leo (senior) 34 Schickedanz, Louise (siehe Dedi, Louise) Schickedanz, Madeleine 21, 37 ff., 49, 53, 56, 64, 67f., 110, 116, 164, 185, 187 Schmechtig, Lothar 73 f., 124 f., 138 Schmidt, Alexander 50f. Schmidt, Karl-Heinz 105 Schmidt, Renate 129f., 175, 177f. Schneider, Ronny 77 Schönlein, Peter 162

Schreinemakers, Marga­ rethe 167 Schroff, Harald HO, 134, 150, 169 Schülein, Wilhelm 44 Sears, Richard Warren 30, 87, 117, 125 Somberg, Gerd 149 Steilmann, Klaus 148 Strauß, Franz Josef 147 Streibl, Max 162 Strobl, Otto 44 Stukenbrok, August 31 Szilagyi, Janos 124

Tietz, Hermann 41, 45 Tietz, Leonhard 41

Waigel, Theo 178 Weizsäcker, Richard von 141, 178 Werner, Hans-Joachim 101, 110, 176ff. Wiesner, Werner 74 Witt, Josef 31 Wössner, Mark 148, 175 Zumwinkel, Klaus 25, 136,141-144,149f., 152, 157, 183

212

Bildnachweis

Ullstein Bilderdienst: 11 (unten), 12, 15 (unten), 16 Gottfried Brauner: 14 (unten) Karin Knobloch: 15 (oben)

Die übrigen Abbildungen erscheinen mit freundlicher Genehmigung der Schickedanz Holding-Stiftung & Co. KG.

213

Grete Lachner, Anfang 1920.

Grete Lachner (l. i. Bild) beim Beladen des Reichs­ post-Paketautos, 1932.

Am Quelle-Telefon.

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