Grenzüberschreitende Lotterietätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft: Die Behinderung des Korrespondenzdienstleistungsverkehrs durch das deutsche Steuer- und Strafrecht [1 ed.] 9783428504343, 9783428104345

Der Lotteriemarkt der deutschen staatlich konzessionierten Lotterieunternehmer ist seit alters her für seine Abschottung

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Grenzüberschreitende Lotterietätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft: Die Behinderung des Korrespondenzdienstleistungsverkehrs durch das deutsche Steuer- und Strafrecht [1 ed.]
 9783428504343, 9783428104345

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HEINRICH Wll...MS

Grenzüberschreitende Lotterietätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 74

Grenzüberschreitende Lotterietätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft Die Behinderung des Korrespondenzdienstleistungsverkehrs durch das deutsche Steuer- und Strafrecht

Von Heinrich Wilms

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wilms, Heinrich:

Grenzüberschreitende Lotterietätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft : die Behinderung des Korrespondenzdienstleistungsverkehrs durch das deutsche Steuer- und Strafrecht I von Heinrich Wilms. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 74) ISBN 3-428-10434-X

Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2001

ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10434-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Die neuen Medien und besonders das Internet haben vielfältige Möglichkeiten eröffnet, grenzüberschreitend wirtschaftlich tätig zu sein. Der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen ist gegenwärtig in einem Maße und einer Geschwindigkeit möglich geworden, die man bisher nicht kannte. Die Möglichkeiten dieser modernen Medien als Folge der Einrichtung des Internet werden zunehmend auch von den Betreibern von Glücksspielen, insbesondere den Lotterien genutzt. Die grenzüberschreitende Lotterietätigkeit im europäischen Raum ist ein Betätigungsfeld, das zunehmend auch für Latteriebetreiber aus Staaten interessant wird, die bisher den nationalen Bereich aus Werbe- und Vertriebsgründen nicht verlassen haben. Der Lotteriemarkt der deutschen staatlich konzessionierten Lotterieunternehmer ist seit Alters her für seine Abschottungstendenzen bekannt. Es gelingt kaum einem ausländischen Lotteriebetreiber, in der Bundesrepublik Deutschland Fuß zu fassen. Die Gründe hierfür liegen vielfach in den rechtlichen Vorschriften, die in exzessiver Weise auf ausländische Latteriebetreiber Zugriff nehmen. So enthält das deutsche Rennwett- und Lotteriegesetz die Bestimmung einer besonderen Steuer, die in ihrer Höhe danach differenziert, ob der Lotteriebetreiber Deutscher oder Ausländer ist. Die Lotteriesteuer ist für ausländische Betreiber so bemessen, dass keine realistische Gewinnchance mehr verbleibt. Neben diese steuerrechtliche Vorschrift treten viele Regelungen des Strafrechts sowie landesrechtliche Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts, die eine liberale Gestaltung des Marktes für - insbesondere ausländische - Latteriebetreiber in Deutschland erschweren. Diese den Lotteriemarkt einschränkenden Normen sind häufig - aber nicht nur - vorkonstitutionelle Regelungen. Sie nehmen keine Rücksicht darauf, dass mittlerweile ein europäischer Binnenmarkt existiert, dessen Prämisse der Abbau von Handelshemmnissen ist. Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, inwiefern die deutschen Rechtsnormen, die den Markt für Latteriebetreiber insgesamt sowie für ausländische Latteriebetreiber in der Bundesrepublik Deutschland besonders einschränken, mit dem Europarecht sowie dem Verfassungsrecht in Einklang stehen. Die Untersuchung prognostiziert, dass die Strukturen, die bisher den deutschen Lotteriemarkt gegen ausländische Betreiber abgeschottet haben,

6

Vorwort

nicht mehr werden aufrechterhalten können und sich insbesondere die deutschen Klassenlotterien darauf werden einstellen müssen, in Zukunft einem erheblich höheren Konkurrenzdruck zu unterliegen. Heinrich Wilms

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Kapitel

Die Rechtsgebiete im Überblick A. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anwendbarkeit von § 21 Rennwett-und Lotteriegesetz auf ausländische, staatlich konzessioniene Lotterieunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen .. .. ....... . .. . . .. . . . . . . . 2. Öffentliche Lotterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einbringung ausländischer Lose oder Ausweise.................. . III. Begriffliche Voraussetzungen der Steuererhebung nach deutschem Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erzielung von Einkünften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine "erdrosselnde" Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz vor Erdrosselungssteuem auch bei Ausländern . ..... . . . 4. Grundrechtsschutz auch für möglicherweise rechtswidriges Handeln?.............. .. ................ . ............... . ...... . 5. Vorläufiges Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Mögliche Auswirkungen auf die Rechtslage.... . ........... ..... . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Strafbarkeit nicht genehmigter Lotterien nach dem Strafrechtsreformgesetz von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzeswonlaut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung.... . ... ... ............ .. ........... . .. . . ... ...... . a) Die Strafbarkeit der Veranstalter nach § 287 Abs. 1 StOB. . . . . . . aa) Veranstalten einer Lotterie ohne behördliche Erlaubnis . . . . . . bb) Anbieten von Spielverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Annahme von Spielverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Erfordernis der Identität zwischen Veranstalter und Anbieter von Losen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Tathandlungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 12 13 13 14 15 17 18 19 21 22 24 24 25 25 25 27 27 28 30 30 30 31 34 34 35 41

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Inhaltsverzeichnis b) Strafbarkeit der Werbenden nach § 287 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . aa) Objektiver Tatbestand.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begriff der Werbung ... .. . ..... . .... . . .... . . .... .. . . . (2) Akzessorietät von Abs. 2 in Bezug auf Abs. 1 . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subjektiver Tatbestand......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafbarkeit der Spieler nach § 287 Abs. 1 StGB. . .... . . . . . . . . . III. Ordnungswidrigkeiten im Recht der Bundesländer mit Bezug zu Lotterieveranstaltungen und Ausspielungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Die einzelnen Ordnungswidrigkeitstatbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkrete Anwendung der Regelungen........ . .... . ........... . . a) Die Zulässigkeit der bayerischen Sonderregelung. ....... . . . . . . . aa) Die Reichweite landesrechtlicher Regelungskompetenz. . . . . . bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Spielen in einer nach Landesrecht nicht genehmigten Lotterie. c) Die Bekanntgabe von Gewinnergebnissen nach dem Bayerischen und Schleswig-Holsteinischen Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gestaltungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Die Verlegung der Lotterieveranstaltung ins Ausland. . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung sonstiger Nebenhandlungen ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung....... .. ................................. . . ...

C. Europarecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verbot der Diskriminierung von Ausländern im Dienstleistungsbereich, Art. 49 f. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grundsätzliche Anwendbarkeit des EG-Vertrages auf Glücksspiele III. Die Lotterie als Dienstleistung i. S. d. Art. 60 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitender Charakter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 42 43 48 48 49 49 50 52 53 55 55 55 55 56 56 57 57 57 58 59 59 59 62 63 63 65

2. Kapitel Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage im Einzelnen

A. Die Übereinstimmung des § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz mit dem Europarecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die steuerrechtliehen Vorschriften, Art. 90 ff. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Indirekte Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung auf Waren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbar auch auf Dienstleistungen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 68 68 69

Inhaltsverzeichnis

9

Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die steuerrechtliehe Diskriminierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Offene Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbare Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit generell. . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezielle Ausschlussgründe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausübung öffentlicher Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höheres Allgemeininteresse....... . ............. . ............. . IV. Zusammenfassung.... . . .... . . . . .. . . . . . .. . ................. . ... . .

70 70 71 72 73 75 75 75 76

II.

B. Übereinstimmung der strafrechtlichen Regelungen mit dem Europarecht.. . I. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch strafrechtliches Verbot .............. .. .............................. . . . ....... . II. Kein Interesse als Rechtfertigungsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnismäßigkeit.. . . . . . .. . .. .. .. .. . .. . .. . . . . . . . . . .. . . . .. . .. . . . IV. Schutz vor Verdoppelung der Anforderungen...................... . V. Die Urteilsgründe im Fall Schindler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Analyse und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeininteresse deutscher Lotteriebeschränkungen . . . . . . . . . . . . . 2. Problem der Bedürfnisprüfung...... . ........ .. ................ . 3. Genehmigung von Lotterien in Deutschland... . . .......... . ..... . 4. Die Besonderheiten des Korrespondenzverkehrs in Deutschland . . . . VII. Zusammenfassung. ............... . .. . .............. . ........... .

76 76 77 78 78 79 80 81 82 83 84 85

3. Kapitel Ergebnisse

A. Vorliegen einer Erdrosselungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 B. Die Europarechtswidrigkeit des § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz....... . 86 C. Die fehlende Strafbarkeit bei dem Verkauf von Losen durch staatlich konzessionierte Lotterieveranstalter ausländischer Staatszugehörigkeit in der Europäischen Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Einleitung Nach dem Wortlaut des Deutschen Rennwett- und Lotteriegesetzes

i. V. m. § 37 Abs. 4 Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotte-

riegesetz unterliegen ausländische Lose und Ausweise einer Steuer in Höhe von DM 0,25 für jede Deutsche Mark vom planmäßigen Preis. Bei Deutschen beträgt die Steuer dagegen 20 v. H. des Preises sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer, das sind 16 2/3 v. H. des Verkaufpreises. 1 Eine Anwendung des Gesetzes auf ausländische Klassenlotterien würde im Ergebnis bedeuten, dass die in Deutschland zu entrichtende Steuer höher sein kann als der Provisionsgewinn, den ein Lotterieunternehmen macht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss ein solches Ergebnis bedenklich stimmen, kann diese Regelung doch schließlich ein faktisches Verbot des Verkaufs ausländischer Lose in Deutschland darstellen. Nicht auszuschließen ist zudem eine unzulässige Einschränkung der Freizügigkeit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union. Betrachtet man die einhergehende Fragestellung näher, so fallen verschiedene Gesichtspunkte mit möglichen rechtlichen Auswirkungen auf. Zweifel bestehen insoweit an: 1. der Anwendbarkeit des Rennwett- und Lotteriegesetzes auf eine staatlich

konzessionierte ausländische Klassenlotterie,

2. sofern diese zu bejahen ist, an der Frage, ob gegen das Gesetz verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, 3. daran, ob das Gesetz im Übrigen EU-rechtswidrig ist, sowie 4. daran, ob vertretungsberechtigte Organe ausländischer Klassenlotterien durch den Verkauf von Losen in Deutschland gegen § 287 StGB verstoßen.

1 Hicks, Steuerbare Tatbestände in derRennwett-und Lotteriesteuer, UVR 1991, 46, 49.

1. Kapitel

Die Rechtsgebiete im Überblick A. Steuerrecht I. Einführung

Das Rennwett- und Lotteriegesetz, 1 das auf eine bald achtzigjährige Geschichte zurtickblicken kann, hat im Wesentlichen einen Zweck: die Besteuerung solcher Rechtsgeschäfte, die "Gewinne aus dem Spieltrieb des Volkes ziehen"? Die darin enthaltenen Steuertatbestände der Rennwett- und der Lotteriesteuer werden im deutschen Steuerrechtssystem zu den Verkehrsteuern gezählt, da sie Vorgänge erfassen und weder einen Subjektnoch Objektbezug aufweisen. 3 Für die folgende Untersuchung soll die Rennwettsteuer (§§ 1-16 Rennwett- und LotterieG), die Wettumsätze aus Anlass öffentlicher Pferderennen erfasst, weitgehend außer Betracht bleiben. Das Augenmerk richtet sich vielmehr auf den zweiten Steuertatbestand des Rennwett- und Lotteriesteuergesetzes, auf die sog. Lotteriesteuer4 (§§ 17-23 Rennwett- und LotterieG); diese unterwirft die Veranstaltung öffentlicher Lotterien der Besteuerung durch den Staat. Von Bedeutung für die rechtliche Ausgestaltung der Lotteriesteuer sind neben dem Rennwett- und Lotteriegesetz auch die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz;5 sie bilden gemeinsam die ältesten noch geltenden Vorschriften im deutschen Verkehrsteuerrecht 6 Kennzeichnend für diese traditionsreichen Steuertatbestände ist das Verhältnis zum übrigen Steuerrecht, 1 Renn wett- und Lotteriegesetz (Rennwett- und LotterieG) v. 8. 4. 1922 (RGBI. S. 393), zuletzt geändert d. Gesetz v. 20. 12. 1993 (BGBI. I S. 2254). 2 Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuem, 4. Aufl., S. 412. 3 Heinz/Kopp/Mayer, a. a. 0., S. 20. 4 Neben die eigentliche Lotteriesteuer tritt in manchen Bundesländern auch die sog. Sportwettsteuer, die aber hier nicht näher behandelt werden soll. 5 Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz (Rennwett- und LotterieAB) v. 16.6. 1992 (Reichszentralblatt S. 351), zuletzt geändert d. Gesetz v. 16.12.1986 (BGBI. I S. 2441). 6 Ihre Fortgeltung ergibt sich aber aus Art. 123 und 125 GG, vgl. Heinz/Koppl Mayer, Verkehrsteuem, S. 412.

A. Steuerrecht

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insbesondere zum Umsatzsteuerrecht (vgl. §§ 4 Nr. 9 b UstG, 18 RennwLottG).7 Je nach Sachverhalt kann es zu einer gleichzeitigen Anwendung der in manchen Ländern erhobenen Vergnügungsteuer sowie regelmäßig der Gewerbe-, Einkommen- und Körperschaftsteuer kommen; 8 daneben bereitet in Einzelnillen die Abgrenzung gegenüber der sog. Spielbankabgabe Schwierigkeiten. Die Vorschriften über die Lotteriesteuer (§§ 17-23 RennwLottG) enthalten streng genommen zwei Steuertatbestände: die Besteuerung inländischer Lotterieveranstaltungen und Ausspielungen (§§ 17 ff. RennwLottG) sowie ein Tatbestand mit Auslandsbezug, wonach die Einbringung ausländischer Lotterielose oder -ausweise ebenfalls der Steuerpflicht unterliegen (§ 21 RennwLottG). 9 Für die Praxis mag schon alleine wegen der relativen Häufigkeit und Transparenz der steuerbaren Vorgänge der erstgenannte Tatbestand von größerer Bedeutung sein. Bislang zu wenig untersucht und - angesichts der fortschreitenden Integration mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen im europäischen Einigungsprozess - von besonderem Interesse dürfte aber gerade die Besteuerung ausländischer Lotterietätigkeit nach § 21 Rennwett- und LotterieG sein, deren Betrachtung Gegenstand der nachfolgenden Unterabschnitte sein wird. In einem ersten Teil werden die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen nach dem § 21 Rennwett- und LotterieG genannt und näher aufgeschlüsselt; daran schließt sich eine verfassungsrechtliche Bewertung dieser einfachgesetzlichen Steuervorschrift und der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen an.

II. Die Anwendbarkeit von § 21 Rennwett· und Lotteriegesetz auf ausländische, staatlich konzessionierte Lotterieunternehmen 1. Allgemeine Tatbestandsvoraussetzungen

Nach der Regelung des§ 21 Abs. 1 Rennwett-und Lotteriegesetz i. V.m. § 37 Abs. 4 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz sind ausländische Lose mit DM 0,25 für jede angefangene Mark vom planmäßigen Preis zu versteuern. Die Steuer von ausländischen Losen wird nach dem Nennwert des Loses berechnet. Grundlage der Besteuerung ist nicht der geleistete Einsatz, sondern der planmäßige Preis sämtlicher Lose. 7 Näher hierzu Heinz/Kopp!Mayer, Verkehrsteuern, S. 414; Hicks, Steuerbare Tatbestände in der Renn wett- und Lotteriesteuer, UVR 1991 , S. 46. 8 Einzeln aufgeführt und erläutert bei Hicks, a. a. 0. 9 Vereinzelt wird hier auch von "Haupt-" (§ 17 Rennwett- und LotterieG) und "Nebentatbestand" (§ 21 Rennwett- und LotterieG) gesprochen, vgl. Heinz/Kopp/ Mayer, Verkehrsteuern, S. 424.

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I. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

2. Öffentliche Lotterie

Lotterien und Ausspielungen sind Unterarten des Spiels oder, genauer ausgedrückt, des Glücksspiels. 10 Ihre rechtliche Ausgestaltung erhalten diese im sog. Spielvertrag, der für gewöhnlich - so § 762 BGB - keine Verbindlichkeit entfaltet, nach erfolgter staatlicher Genehmigung 11 allerdings die Vertragsparteien binden kann (§ 763 BGB). Der Spielvertrag für eine Lotterie kennzeichnet sich dadurch, dass jemand gegen Entgelt die Verpflichtung eingeht, nach einem festgelegten Plan beim Eintritt eines ungewissen Ereignisses anderen einen Geldgewinn zu gewähren.12 Der andere, also der Spielteilnehmer, hat dabei ohne weitere Bedingungen einen bestimmten Geldbetrag als Spieleinsatz zu leisten. 13 Bei der Ausspielung werden neben Geld auch oder ausschließlich Sachpreise als Gewinn in Aussicht gestellt. 14 Als typische Beispiele für Lotterien und Ausspielungen gelten etwa Klassenlotterien, Toto, Lotto, Tombolas, bestimmte Preisausschreiben und Verlosungen, Geldspielautomaten u. v. a. 15 Nach § 17 S. 1 kann die Lotteriesteuer nur bei öffentlich durchgeführten Lotterien und Ausspielung erhoben werden; insoweit kommt dem Begriff der Öffentlichkeit eine entscheidende Bedeutung zu. Diese ist stets dann gewährleistet, wenn die Lotterie oder Ausspielung der Genehmigungspflicht unterliegt (das ist der Regelfall, § 17 S. 2 Rennwett- und LotterieG) 16 und wenn der Teilnehmerkreis nicht von vornherein beschränkt ist. Eine Begrenzung des Teilnehmerkreises ändert dann nichts an der Öffentlichkeit, wenn dieser sich nicht aus einem durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis zusammensetzt. 17 Zu den öffentlichen Lotterien zählt man demnach bei-

10 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 284 Rdnrn. 3 ff.; Fischer, in: Tröndle/ Fischer, StGB, § 284 Rdnr. 8; Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuern, S. 425. 11 Geregelt in § 34 Rennwett- und LotterieGAB und Iandesrechtlichen Sondervorschriften sowie der Lotterieverordnung (LottV) v. 6.3.1937 (RGBI. S. 283); bei staatlichen Lotterien entfallt das Genehmigungsbedürfnis, vgl. Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuern, S. 425. 12 BFH, Urt. v. 20. 7. 1951, BStBI. III S. 166; näher hierzu Palandt, § 763 Rdnr. I a; vgl. zur Abgrenzung des Glücksspiels (einschl. der Lotterie und Ausspielung) vom sog. Geschicklichkeitsspiel: Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 56 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 284 Rdnr. 5; Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 284 Rdnr. 5; Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuern, S. 426 f. 13 Hicks, Steuerbare Tatbestände in derRennwett-und Lotteriesteuer, UVR 1991, s. 46. 14 Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuern, S. 426. 15 Vgl. die Aufführung bei Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuern, S. 425. 16 Vgl. den ausdr. Wortlaut des Gesetzes. 17 Hicks, Steuerbare Tatbestände in der Rennwett- und Lotteriesteuer, UVR 1991, s. 46, 47.

A. Steuerrecht

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spielsweise die Klassenlotterien und durchaus auch ausländische Klassenlotterien, sofern diese alle übrigen Merkmale einer Lotterie erfüllen. 3. Einbringung ausländischer Lose oder Ausweise

Damit das deutsche Rennwett- und LotterieG überhaupt auf ausländische Lotterieveranstaltungen anwendbar ist, müssen die fraglichen Lose oder Ausweise in das Inland eingebracht worden sein (§ 21 Abs. 3 Rennwettund LotterieG). Dabei genügt nach dem Gesetz auch die Verbringung sog. Spielerausweise in das Inland. Werden also die Lose nicht versandt, sondern sog. Depotpolicen angelegt und den Spielern übermittelt, ist fraglich, ob damit der Steuertatbestand bereits erfüllt ist. Aus dem Zusammenhang des § 27 Abs. 2 Rennwett- und LotterieGAB ist als Ausweis nämlich jeglicher Gegenstand zu sehen, den die Spielteilnehmer gegen Entrichtung des Einsatzes ausgehändigt erhalten, sofern diese Gegenstände in Verbindung mit anderen Tatumständen als Beweis für die Beteiligung am Spiele dienen und ihrer Beschaffenheit nach unmittelbar über Gewinn und Verlust entscheiden. Die Depotpolice erbringt den Nachweis über die Berechtigung, an der Ausspielung teilzunehmen. Es ist allerdings nicht die Police, die über Gewinn oder Verlust entscheidet, sondern weiterhin das Los. Problematisch ist daher, ob allein die Depotpolice als Spielerausweis angesehen werden kann. Wertet man die Police lediglich als Einzahlungsquittung für den Spieleinsatz, reicht dies noch nicht aus, um von einem Spielerausweis auszugehen. Stellt man dagegen darauf ab, dass bereits die Police den Nachweis über den möglichen Gewinn erbringt, ist die Police schon als Ausweis i. S. d. Gesetzes zu qualifizieren. Geht man aber nunmehr davon aus, dass die Police als Ausweis i. S. d. Gesetzes zu sehen ist, erhält die Definition des Einbringens wesentliche Bedeutung. Entscheidend ist, wann ein solches Los oder ein solcher Ausweis als "ins Inland eingebracht" gelten kann. Für die erforderliche Einbringung soll nach einer Auffassung bereits die tatsächliche Einfuhr der Lose genügen, wobei gleichgültig sei, ob die Lose· oder Ausweise gespielt und eingelöst werden oder nicht. 18 Der von dieser Auffassung vertretene Begriff der "Einfuhr" erinnert an den zollrechtliehen Begriff der Einfuhr. Nach zollrechtlichem Verständnis liegt eine Einfuhr nämlich schon dann vor, wenn eine Ware rein tatsächlich die Grenze vom Ausland in das Inland überschreitet, 19 wenn also ein Gegenstand aus einem Drittlandsgebiet in das 18 So etwa Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrsteuem, S. 433; Hicks, Steuerbare Tatbestände bei derRennwett-und Lotteriesteuer, in: UVR 1991, S. 46 (49). 19 Schaeberle, Deutsches Steuerlexikon, Stichwort: .,Einfuhr" S. I.

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I. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Inland verbracht wird. 20 Die hierbei in Erscheinung tretende Person, welche die Einfuhr vornimmt, ist dagegen unerheblich. Das Gesetz spricht aber gerade nicht von Einfuhr, sondern von einem "Verbringen ins Inland". Unzweifelhaft liegt nämlich kein Einbringen i. S. d. Gesetzes vor, wenn ein Spieler ein Los im Ausland erwirbt und mit nach Deutschland nimmt; denn es ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass Steuerschuldner nur derjenige sein kann, der die Lose als erster im Inland empfängt(§ 21 Abs. 3 2. Alt.). Ein im Ausland erworbenes Los kann aber einsichtigerweise nicht mehr im Inland empfangen werden. Es besteht ebenso Einigkeit, dass EG-Bürgern grundsätzlich möglich sein muss, im Nachbarland an den dort zugelassenen Glücksspielen teilzunehmen. 21 Hierdurch wird aber zugleich impliziert, dass keine Strafsteuer auf ein solches Tun erhoben werden darf. Der Begriff der "Einfuhr" nach der zollrechtliehen Definition greift demnach nicht, da es nach dem Gesetz personenabhängig ist, ob ein Einbringen vorliegt, es nach den zollrechtliehen Bestimmungen aber gerade keinen Unterschied macht, wer die Ware in das Land einführt oder ausführt. Der Begriff Verbringen i. S. d. Rennwett- und LotterieG zielt auf ein aktives Verhalten des Veranstalters ab. Es kommt also gerade auf die Person an, nicht nur auf ein tatsächliche Überschreiten der Grenze. Wenn das Los oder der "Spielerausweis" dem Kunden auf dessen Verlangen zugesendet wird, kann man deshalb nicht mehr von einem Einbringen ausgehen, denn ein solches Vorgehen gleicht dem Fall, in dem ein Kunde ein Los im Ausland erwirbt und mit nach Deutschland nimmt. Vernünftigerweise muss das Gesetz dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verbringen nur dann gegeben ist, wenn die Initiative der Übersendung der Lose auf den Veranstalter, nicht dagegen auf den Kunden zurückzuführen ist; nur dann bringt nämlich der Veranstalter das Los auch tatsächlich über die Grenze. Nimmt man entgegen der obigen Ansicht ein Einbringen bereits bei Übersendung auf Verlangen des Kunden an, gleicht man also das Verbringen dem zollrechtliehen Begriff der Einfuhr an, so ist freilich auch in diesen Fällen der fragliche Tatbestand erfüllt. Gern. § 21 Abs. 3 S. 2 Rennwett- und LotterieG kommt es weiterhin nicht darauf an, ob der Übersender im eigentlichen Sinn Veranstalter der Lotterie ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist Steuerschuldner bereits derjenige, der nur Lose oder Ausweise in das Inland verbringt. Wertet man die Versendung allein der Depotpolicen bereits als ein Verbringen ins Inland, betrachtet man also die Police als Ausweis i. S. d. Gesetzes und bejaht das "Verbringen" unabhängig von der hierfür verantwortlichen Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rdnr. 89. Vgl. Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838 (839), insbesondere Fn. 5. 20 21

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Person, eine Auffassung, die, wie bereits dargelegt wurde, mehr als bedenklich erscheint, so ist jedenfalls § 21 Rennwett- und Lotteriesteuer auf ausländische Lotterieunternehmen anwendbar. Verneint man aber schon die Ausweisqualität der Police, entfallt auch die Anwendbarkeit der erwähnten Norm. Das gleiche gilt, wenn man zwar die Depotpolice als Ausweis betrachtet, die Einfuhr aber nur bejaht, wenn sie auf Initiative des Lotterieunternehmens vorgenommen wird.

111. Begrimiche Voraussetzungen der Steuererhebung nach deutschem Verfassungsrecht Das Abgabenrecht ist aufgrund seines Eingriffscharakters traditionell engen verfassungsrechtlichen Grenzen ausgesetzt. 22 Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Steuer darf daher das Verfassungsrecht nicht außer Betracht bleiben. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rennwett- und LotterieG könnten nämlich dann bestehen, wenn die zu zahlende Steuer über dem zu erzielenden Gewinn des Lotterieunternehmens liegt, da in diesem Fall nicht nur eine Besteuerung des Einkommens, sondern auch ein Eingriff in die Vermögenssubstanz vorliegt, der eine erdrosselnde und damit unzulässige Wirkung haben kann. 23 Beträgt die Provision, welche ein ausländisches Lotterieunternehmen für die Vermittlung von Losen der Klassenlotterie erhält, beispielsweise 20%, ergibt sich folgendes Bild: die Lotteriesteuer für Ausländer in Deutschland beträgt dann nicht wie bei Inländern 16 2/ 3 % des Nennwertes, sondern DM 0,25 je eine Deutsche Mark. Zwar gibt § 17 Abs. 3 Rennwett- und LotterieG an, dass die Steuer für Inländer 20 % des planmäßigen Preises sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer betragen soll. Da jedoch von dem Steueranteil des Lospreises keine Steuer erhoben wird, können bei der Berechnung nur 5 / 6 des Gesamtpreises zugrunde gelegt werden. 24 Die Steuer für Ausländer ist damit nicht nur erheblich höher als für Inländer, sondern übersteigt zudem die Provision, die das Lotterieunternehmen im Regelfall als Gewinn erzielen kann. Da die Steuer damit regelmäßig höher ausfallen wird als der Gewinn, drängt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des beschriebenen Steuertatbestandes auf. Das Grundgesetz geht zwar von der primären Finanzierung der Staatstätigkeit durch Steuern aus; es definiert jedoch nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Steuer vorliegt. Hierzu allgemein: Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105 Rdnm. 2 ff. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 12. 24 Vgl. Hicks, Steuerbare Tatbestände bei Rennwett- und Lotteriesteuer, in: UVR 1991, S. 46 (49). 22

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2 Wilms

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

1. Erzielung von Einkünften

Hauptbestandteil des Steuerbegriffs ist die Erzielung von Einnahmen durch die Steuererhebung zur Deckung des Finanzbedarfs des Staates.25 Nach § 3 Abs. 1 AO sind Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den die Leistungsfähigkeit knüpft. Zölle fallen darunter, nicht aber Beiträge und Gebühren für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung (Vorzugslasten). Da der Steuertatbestand nach dem Rennwett- und LotterieG entsteht, wenn ausländische Lose oder Ausweise in das Inland verbracht werden, liegt die Annahme nahe, dass es sich bei der Steuer um einen Zoll bzw. um eine zollgleiche Regelung handelt. Zölle sind Steuern, die nach Maßgabe des Zolltarifs an die Warenbewegung über die Grenze vom Ausland in das Inland geknüpft werden. 26 Damit werden Zölle ebenfalls als Steuern, und zwar als Sozialzwecksteuern angesehen, bei denen die Einnahmeerzielung des Staates lediglich als Nebenzweck dient. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Zweckbestimmung ist mittlerweile in § 3 Abs. 1 S. 2 AO geregelt, wonach die Erzielung von Einnahmen nicht mehr länger unbedingter Hauptzweck der Besteuerung sein muss; Sozialzwecke können also durchaus auch den legitimen Regelungszweck einer Steuer darstellen. Der Schutzzoll ist eine solche Sozialzwecksteuer, da er der Warenstromregulierung dient. Trotzdem ist er aber unbestritten eine Steuer, da die Erzielung von Einkünften des Staates weiterhin ein Teilzweck ist. Das Erfordernis einer aufwendigen Unterscheidung, ob im Einzelfall nun eine Steuer oder ein Zoll gegeben ist, entfallt daher. Entscheidend ist, dass der Staat mit der Erhebung der Steuern Lenkungszwecke verbinden kann. Diese Feststellung ist auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Lotteriesteuer nicht ohne Bedeutung: Nach der Entstehungsgeschichte des Rennwett- und LotterieG hatte das Gesetz zunächst zum Ziel, die Ausbreitung von Lotterien in Deutschland einzudämmen.28 Dies gilt in besonderem Maße für ausländische Lotterien.

Tipke/Lang, § 3 Rdnr. 16; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105 Rdnm. 3, 5. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, S. 1086. 27 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 10 f. 28 Klenk, Friedrich, Zur Entstehungsgeschichte und zum Charakter der Lotteriesteuer, in: DVR 1977, S. 18 f. 25

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2. Keine ,.erdrosselnde" Wirkung

Da nach dem oben beschriebenen Beispiel die anfallende Steuer den Gewinn des Unternehmers deutlich übersteigt, wirkt sich die Steuer prohibitiv aus. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Warenstromerdrosselungen durch prohibitive Schutzzölle genauso wie die übrigen Steuern am Verbot der sog. Erdrosselungssteuer oder, anders ausgedrückt, der ,,konfiskatorischen Steuer" zu messen sind.29 Die Terminologie wird insoweit nicht eindeutig verwandt. Das BVerfG sieht die Erdrosselungssteuer als Unterfall der konfiskatorischen Steuer an, wenn der Staat mit der Steuer keine Einnahmen erzielen, sondern das besteuerte Verhalten unterbinden will - selbst wenn das nicht offen geschieht, sondern durch eine Belastung mit unbezahlbaren Abgabenpflichten. Denn hierbei ist der Zweck und Hauptinhalt der Steuer, nämlich die Erzielung von Einkünften, nicht mehr gewährleistet, weil das besteuerte Verhalten unterbunden werden soll und letztendlich auch keine Steuereinnahmen abwerfen kann; wird das steuerpflichtige Verhalten nämlich aus dem dargelegten Grund ganz eingestellt, kann es auch nicht länger zur Erzielung von Steuereinnahmen herangezogen werden. 30 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts sind Steuergesetze in ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung zumindest auch an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit, und dort vor allem in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich eingreifen. Dies bedeute, dass ein Steuergesetz keine "erdrosselnde" Wirkung haben dürfe. Das geschützte Freiheitsrecht dürfe nur so weit beschränkt werden, dass dem Grundrechtsträger, also in diesem Fall dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibe.31 Der vom BVerfG damit geschützte Kernbestand des Vermögens und der Berufsfreiheit wurde in der Rechtslehre nach Fallgruppen näher ausdifferenziert. Denn fraglich bleibt, was den Kernbestand der Vermögensfreiheit ausmacht. Es muss daher zwischen einer noch zulässigen, selbst einer sehr (aber nicht zu!) hohen, und einer unzulässigen konfiskatorischen Besteuerung unterschieden werden. 32 Schwierigkeiten bereitet dabei weniger die 29 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht,§ 8 Rdnr. 53;§ 4 Rdnr. 213; Friauf, Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie in: Jura 1970, S. 299, 303; BVerfGE 87, 153, 169. 3o Vgl. BVerfGE 16, 147 ff., 161. 3 1 BVerfGE 87, 153, 169.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Feststellung, dass die konfiskatorische Steuer als solche verboten ist, sondern viel eher die Trennung zwischen zulässiger und unzulässiger Steuertatbestände. 33 Danach soll eine Erdrosselungssteuer zu bejahen sein, wenn 1.

die Steuer nur aus der Vermögenssubstanz gezahlt werden kann,

2. die Steuer den Vermögensertrag ganz oder fast aufzehrt, 3. die Steuer ein Unternehmen des Steuerpflichtigen unrentabel werden lässt und zum Erliegen bringt, 4. der Steuerpflichtige erbrechtlich rechtlos gestellt wird, 5. dem Steuerpflichtigen die Mittel für den Lebensbedarf entzogen werden. 34 Das BVerfG ist bei der Bejahung einer erdrosselnden Wirkung auf der Grundlage der schon beschriebenen Unrentabilität wirtschaftlicher Tätigkeit sehr zurückhaltend. Dies liegt darin, dass das BVerfG im Gegensatz zu vielen Stimmen in der Literatur35 den Standpunkt vertritt, Art 14 GG schütze nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten. Die Höhe einer Steuer sei eine politische, aber keine verfassungsrechtliche Frage. Nur in engen Grenzen sei daher eine Verletzung der durch Art. 14 GG garantierten Eigentumsgarantie denkbar, nämlich wenn der Steuereingriff den Pflichtigen übermäßig belaste und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt würden. 36 Allerdings soll diese restriktive Haltung des BVerfG im Hinblick auf die Überprüfung von steuerlichen Vorschriften seit einiger Zeit im Wandel begriffen sein?7 So habe das BVerfG zum einen durch den Richter Kirchhof das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung entwickelt. Eine langsame Trendwende des BVerfG wird auch in der Entscheidung über die Besteuerung des Existenzminimums38 sowie in den Entscheidungen zum Einheitswert39 gesehen.

32 So die Terminologie bei Mußgnug, Verfassungsrechtlicher Schutz und gesetzlicher Schutz vor konfiskatorischen Steuern, in: JZ 1991, S. 993. 33 Mußgnug, JZ 1991, S. 993 34 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, S. 464; Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2111 ; Friauj. in: DStJG. 1989, Bd. 12, S. 3, (19 ff.) zur Rechtsprechungsentwicklung; Mußgnug, JZ 1991 S. 993, 995. 3 ~ Friauf, Jura 1970, S. 299 ff.; Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, S. 2111; Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rdnr. 38; a.A. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 12. 36 Vgl. BVerfGE 93, 149 (154), abweichend Richter Böckenförde, der diese Wandelung in der Rechtsprechung kritisiert, Art. 14 GG gäbe nach Text und Entstehungsgeschichte keine solche unterschiedliche Behandlung her. 37 So Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 214. 38 Vgl. BVerfGE 87, 153 ff., 169, keine Besteuerung des Existenzminimums.

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Im Zusammenhang mit der Glücksspielproblematik hatte das BVerfG in einer zurückliegenden Entscheidung zu klären, ob eine nordrhein-westfälische Glücksspielsteuer, die jeden aufgestellten Glücksspielautomaten in Höhe von 30 DM belastete, erdrosselnde Wirkung habe. Das BVerfG wertete den Sachverhalt dahingehend, dass zwar der Gewinn der Automatenaufsteller stark gemindert sei, er aber nicht gänzlich aufgezehrt werde. Entscheidend soll nach der Rechtsprechung des BVerfG sein, ob dem Steuerpflichtigen überhaupt noch ein Restbetrag übrig bleibt, oder ob die Steuer den Gewinn völlig aufzehrt. Ebenso wurde vom Bundesverfassungsgericht die Werkverkehrsteuer trotz erdrosselnder Wirkung nicht als ungerechtfertigter Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG bewertet. Als Grund nannte man nämlich die Entlastung der Straße, die damit schließlich auch bewirkt würde; Art. 12 Abs. 1 GG sei nur insoweit betroffen gewesen, als die Arbeitsweise geändert werden musste. Dieser Eingriff sei aber durch das Ziel letztlich gerechtfertigt. 40 Das Verbot der erdrosselnden Steuer soll also nur äußerste Grenze sein. 41 Diese Ansicht vermag allerdings kaum zu überzeugen, da ein zwar noch verbleibender, aber völlig unrentabler Gewinn die gleichen Folgen hat, die auch ein völlig aufgezehrter Gewinn hat. Der Unternehmer wird bei verständiger Würdigung der Geschäftsaussichten jedenfalls seine Tätigkeiten einstellen müssen. Die Literatur hält daher eine Erdrosselung bereits dann für gegeben, wenn die Steuer die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers sinnlos macht, und stellt dafür auf den Einzelfall ab. 42 Ob das BVerfG eine solche restriktive Beurteilung heute ebenfalls vertreten würde, bleibt fraglich. Allerdings kann der Streit zwischen Rechtsprechung und Rechtslehre immer dahinstehen, wenn festgestellt werden kann, dass die Steuer tatsächlich den durch die Tätigkeit erzielten Gewinn des Unternehmens vollständig aufzehrt. Wie bereits ausgeführt wurde, bejaht auch das BVerfG in einem solchen Fall eine unzulässige Erdrosselungssteuer. 3. Der Schutz vor Erdrosselungssteuern auch bei Ausländern

Der Grundrechtsschutz gilt grundsätzlich auch gegenüber Ausländern.43 Jeder Ausländer und auch ausländische juristische Personen, soweit diese sich gern. Art. 19 GG auf Grundrechte berufen können, dürfen ohne weite39 Vgl. BVerfGE 93, 121 ff., 137 (Vermögenssteuer); BVerfGE 93, 165 ff., 174 f. (Erbschaftssteuer). 40 BVerfGE 16, 147, 163. 41 Mußgnug, JZ 1991, S. 993, 997. 42 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band I, S. 465 f. 43 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 19 Rdnr. 9.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

resdie Schutzgewährleistungen der Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG beanspruchen,44 so dass von daher der Grundrechtsschutz in gleicher Weise besteht. Der verfassungsrechtliche Schutz ist im Übrigen nicht dahingehend beschränkt, als Ausländer sich nicht unmittelbar auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können. 45 Gegen die Annahme einer Erdrosselungssteuer spricht daher nicht, dass § 21 Abs. 1 Rennwett- und LotterieG an die Ausländereigenschaft anknüpft. Zudem ist anerkannt, dass jedenfalls über die völkerrechtlichen Regeln das Verbot der Erdrosselungssteuer auch für Ausländer gilt: Konfiskatorische Steuern gelten als völkerrechtswidrig und werden als unzulässige Konfiskation oder Rechtsmissbrauch qualifiziert.46 4. Grundrechtsschutz auch für möglicherweise rechtswidriges Handeln?

Die Tätigkeit muss nicht notwendigerweise erlaubt sein, damit sich ein ausländisches Lotterieunternehmen auf die Grundrechte berufen darf.47 Wenn der Verkauf der Lose in Deutschland strafbar ist (vgl. die Erörterungen in Teil B), kann sich das betroffene Unternehmen einer ausländischen Klassenlotterie trotzdem auf Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte nämlich in den jüngsten Spielbankenentscheidungen zu Art. 12 Abs. 1 GG fest, dass es für die Zuordnung einer Erwerbstätigkeit zum Berufsbegriff i. S. d. Art. 12 GG unerheblich sei, ob dieselbe - wie das öffentliche Veranstalten von Glücksspielen in §§ 284, 287 StGB - unter Strafe gestellt ist. Unter der Bezeichnung "Beruf' falle jede auf Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit. Diese Voraussetzungen seien bei den in Rede stehenden Tätigkeiten wie Betrieb einer Spielbank, Veranstaltung von Sportwetten sowie Pferdewetten erfüllt. Inwieweit die Veranstaltung von Glücksspielen als schlechthin gemeinschaftsschädlich anzusehen sei und damit von vornherein außerhalb der Freiheitsverbürgung des Art. 12 GG stehe, bedürfe keiner grundsätzlichen Klärung, da in den entschiedenen Fällen von einer solchen Gemeinschaftsschädlichkeit nicht ausgegangen werden könne. Was nicht zum Berufsbegriff gehört, muss sich aus dem Grundgesetz ergeben und wird nicht durch den einfaJarass, in: Jarass!Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 9, Art. 14 Rdnr. 20. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gilt nach Art. 12 nur für Deutsche: ,,Jeder Deutsche hat das Recht ... ". 46 Vgl. Seidl-Hohenveldem, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht, 1952, S. 155; Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band I, S. 464; BVerfG 23, 288, 200: kontiskatarischer Zugriff auf das Vermögen ist völkerrechtswidrig. 47 So die Auffassung der Instanzgerichte in den Spielbankenurteilen, welche Gegenstand der Entscheidung des BVerfG waren, vgl. Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, VerwArch. 1996, S. 395, 407 ff. m. w.N. 44

4s

A. Steuerrecht

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eben Gesetzgeber festgelegt, da dieser sonst den Inhalt der Grundrechte bestimmen würde. 48 Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der festgestellt wurde, dass Lotterieunternehmen und Spielbanken nicht in den Regelungsbereich .,Wirtschaft" i. S. d. Art. 74 Nr. 11 GG fallen, 49 lässt sich nicht folgern, dass es sich dabei um keinen Beruf handelt.



Für den Betrieb von Spielbanken ergebe sich die mangelnde Gemeinschaftsschädlichkeit schon aus Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG, der einen solchen Betrieb voraussetze. Darüber hinaus gehe der Gesetzgeber in den einschlägigen Regelungen ebenfalls von der Erlaubnisfahigkeit der betreffenden Glücksspiele aus. 51 Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BVerfG seit der Elfes-Entscheidung folgt damit auch das BVerwG der Lehre von der weiten Schutzbereichsauslegung. In Zusammenhang mit der Berufsfreiheit stellt es fest, dass grundsätzlich jedes Verhalten auch unabhängig von seiner Erlaubtheil zum grundrechtlich geschützten Bereich zählt,52 weil sonst der einfache Gesetzgeber durch das Verbot eines Verhaltens über den Grundrechtsinhalt und die Weite des Schutzbereichs bestimmen könnte. Die Frage der Begrenzung des Grundrechts ist eine Frage der Grundrechtsschranken, nicht des Schutzbereichs. 53 Ob das Verhalten einer ausländischen Klassenlotterie dadurch rechtswidrig ist, dass es nur im Ausland zugelassen, im Inland aber nicht staatlich erlaubt wurde, ist für den Grundrechtsschutz also unerheblich. Grundsätzlich fällt jedes Handeln im Rahmen der Tätigkeit eines Lotterieunternehmens in den Schutzbereich des Grundgesetzes. Hinzu kommt, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der erhobenen Steuer von der Frage der möglichen Genehmigungspflicht einer Lotterie zu trennen ist. Eine an sich rechtswidrige Besteuerung wird nicht dadurch rechtmäßig, dass dem Besteuerten die erforderliche Genehmigung fehlt, er also selbst rechtswidrig handelt. Das Steuerrecht zeigt, dass die Betreibung ausländischer Lotterien nicht grundsätzlich verboten oder, wie es das BVerwG ausdrückt, nicht generell gemeinschaftsschädlich ist; schon alleine die Existenz des speziellen Besteuerungstatbestands für ausländische Lotterien BVerwGE 96, 293, 296. BVerfGE28,119,146. so BVerwGE 96, 293, 296 f. 51 BVerwGE 96, 293, 296 ff.- Sportwettuntemehmen; BVerwGE 96, 302, 307 ff. -Spielbank; BVerwGE 97, 12, 22 f.- Buchmacher. 52 Dazu auch Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Macht, in: VerwArch. 1996, 395, 409. S3 BVerwG 96, 293, 296. 48 49

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

bestätigt diese Folgerung. Aus diesem Grund kann sich aber auch gerade ein ausländisches Unternehmen der Klassenlotterie auf Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem daraus entwickelten Verbot der Erdrosselungssteuer berufen. Die Frage nach der Rechtswidrigkeit ~er Tätigkeit berührt also die Frage der Zulässigkeit der Steuer nicht. 5. Vorläufiges Ergebnis

Wenn der erzielte Gewinn einer ausländischen Klassenlotterie bei dem Losverkauf in Deutschland durch die Lotteriesteuer nach dem deutschen Rennwett- und LotterieG vollständig aufgezehrt wird, liegt eine Erdrosselungssteuer vor. Bei einer Steuer, die sich unabhängig vom Gewinn bemisst, ist ein Aufzehren regelmäßig gegeben, wenn die Provision des Unternehmens niedriger ist als die Steuer. Beträgt die Provision der Klassenlotterie beispielsweise 20 % des Lospreises, die Steuer dagegen bei Angabe in Prozent 25% vom Lospreis,54 dann ist die Steuer höher als der Gewinn, den das Unternehmen pro Los überhaupt erzielen kann. In einem solchen Fall liegt nicht nur eine Aufzehrung vor. Der Unternehmer muss noch eine Draufgabe zulegen, nämlich die Steuer aus seiner Vermögenssubstanz und nicht aus dem zusätzlichen Verdienst zahlen. Eine erdrosselnde Wirkung des Gesetzes ist dann unproblematisch gegeben. 6. Mögliche Auswirkungen auf die Rechtslage

Grundsätzlich sind Gesetze, welche gegen Grundrechte verstoßen, verfassungswidrig und infolge eines entsprechenden Uiteils des BVerfG unanwendbar.55 Eine andere Beurteilung verfassungswidriger Gesetze ist aber bei Steuergesetzen angebracht. Eine Anpassung der Steuer durch die Gerichte kann hier - etwa mit Hinweis auf eine grundsätzliche Besteuerung der inländischen Lotterien - nicht erfolgen. Denn eine solche Anpassung verstieße gegen den Grundsatz vom Gesetzesvorbehalt sowie gegen die vom BVerfG entwickelte Wesentlichkeitslehre. 56 Letztere besagt, dass die Einschränkung eines Gesetzes nur durch ein ermächtigendes Gesetz erfolgen darf, wobei wesentliche Entscheidungen der Gesetzgeber stets selbst vornehmen muss.57 Je stärker sich der Grundrechtseingriff durch das fragS4

Vgl. zur Berechnung Tipke/l..ang, Steuerrecht, § 15 Rdnr. 28.

ss Vgl. etwa § 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG: "Wird der Verfassungsbeschwerde gegen

ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären."; näher hierzu Lechner/Zuck, BVerfGG, § 95 Rdnm. 19 ff. 56 Zum Gesetzesvorbehalt Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnm. 28 a ff. m. w. N.; zur Wesentlichkeitslehre vgl. ders, Rdnr. 30. 57 BVerfGE 61, 260, 275; BVerfGE 49, 89, 126.

B. Strafrecht

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liehe Gesetz auswirkt, desto genauer müssen die Entscheidungen und Bestimmungen auch durch den Gesetzgeber getroffen werden. Eine Abwälzung auf die Verwaltung ist dabei grundsätzlich nicht zulässig. Bei Steuern ist eine solche Grundrechtsrelevanz ohne weiteres zu bejahen. Ein Auslegungsspielraum der Gerichte dahingehend, selbst eine Anpassung der Steuer vorzunehmen, besteht nicht. Das wäre zudem ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz,58 da die Judikative in einem solchen Fall legislativ tätig würde. Dazu fehlt ihr aber die Legitimation. Die Gerichte würden dem Gesetzgeber zugleich die Möglichkeit nehmen zu entscheiden, wie eine Korrektur des Gesetzes zu erfolgen hat. Diese wesentliche Frage der Art der Korrektur kann nur der Gesetzgeber selbst beantworten. 7.Zusanunenf~ung

Die Besteuerung der ausländischen Klassenlotterien nach § 21 Rennwettund LotterieG kann ohne Zweifel erdrosselnde Wirkung haben. Nach der Rechtsprechung des BVerfG als auch der übrigen Steuerrechtslehre ist eine solche Steuer als rechtswidriger Eingriff zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG zu sehen, da der Kernbestand der freiheitlichen Betätigung angetastet ist. Den Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG genießen grundsätzlich auch ausländische Grundrechtsträger. Die mögliche Rechtswidrigkeit des Verhaltens ändert an der Verfassungswidrigkeit der Steuer nichts, da das Verhalten nicht als von vomherein gemeinschaftsschädlich anzusehen ist. Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie muss die Rechtswidrigkeit durch den Gesetzgeber selbst geändert werden, eine Anpassung durch die Gerichte darf nicht erfolgen.

B. Strafrecht I. Einführung

Das Glücksspiel fand bereits recht früh auch Eingang in das deutsche Strafrecht. Gegenwärtig finden sich im fünfundzwanzigsten Abschnitt des Strafgesetzbuches vier Paragraphen (§§ 284-286 StGB), welche die Strafbarkeit der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (§ 284 StGB), der Teilnahme hieran (§ 285 StGB) sowie die Strafbarkeit der unerlaubten Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen (§ 287 StGB) regeln. Weitere Einzelheiten des Strafmaßes sind in § 286 StGB enthalten. 58 Dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rdnm. 15 ff.; Maun'l/Dürig/ Herzog, GG, Art. 20 Rdnr. 1: Verankerung des Gewaltenteilungsprinzips in Art. 20 Abs. 2 S. 2.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Zurückverfolgen lassen sich diese Vorschriften auf das sog. Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23.12.1919, mit dem der damalige Gesetzgeber den besonderen Gegebenheiten der Nachkriegszeit Rechnung tragen wollte. 59 Die verschiedentlich vorgebrachte Kritik60 am ehemaligen Rechtszustand führte im Jahre 1998 zu einer Reform auch des Glücksspielstrafrechts.61 Für die vorliegende Untersuchung ist insbesondere von Interesse, inwieweit die genannten Vorschriften auch Auswirkungen auf Glücksspielveranstaltungen mit Auslandsbezug haben; fraglich ist in diesem Zusammenhang vor allem die Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Die nachfolgende Darstellung soll hier Klarheit schaffen; das Ergebnis, zu dem man letztlich gelangen muss, kann aber an dieser Stelle schon vorweg genommen werden: das deutsche Glücksspielstrafrecht verbietet es dem Bürger nicht, an den im Nachbarland zugelassenen Glücksspielen teilzunehmen. Strafbar ist nämlich nicht die Betreibung von Lotterien oder Glücksspielen als solche, sondern die Veranstaltung solcher Spiele in Deutschland ohne behördliche Genehmigung. Die möglichen Besonderheiten im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts sollen zunächst bei diesen Überlegungen unberücksichtigt bleiben. Dass eine Teilnahme an Lotterien und Glücksspielen, welche ausschließlich im Ausland vorgenommen werden, jedenfalls nicht unter das deutsche Strafrecht fällt, wird einhellig vertreten.62 Ein Deutscher kann daher ohne weiteres während eines Urlaubs im Ausland Lotto spielen oder ein Kasino besuchen. Um es mit anderen Worten auszudrücken: die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens fällt nicht unter § 287 oder § 284 StGB, da es sich um reine Auslandstaten handelt - welche, wie schon erwähnt, von dem deutschen Strafrecht nicht erfasst werden.63 Bei sog. reinen Auslandstaten ti:Met das deu-tsche Recht jedenfalls m Bezug auf die strafbaren Glücksspieltatbestände also keine Anwendung. Nicht berücksichtigt werden sollen hier die europarechtlichen Auswirkungen auf die tatbestandliehen Voraussetzungen der behördlichen Erlaubnis nach § 287 StGB. Zwar ist nach Ansicht des Verfassers die Strafbarkeit der Geschäftstätigkeit ausländischer Lotterieunternehmen aus Gründen des EGRechts schon nicht gegeben.64 Zur Frage der steuerlichen Anwendbarkeit des Rennwett- und LotterieG wird noch darzulegen sein, dass nach den europarechtlichen Vorgaben eine erneute Genehmigung deutscher Behörden Beiz. Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 4. Einen Überblick gibt Beiz. a. a. 0 ., S. 1 f. 61 Einzelheiten hierzu unten, B. li. 62 So selbst die Kritiker des sog. Schindler-Urteils, vgl. Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 839 Fn. 5. 63 Vgl. 1. Kapitel 8 . li. 3. a) ee). 64 Siehe dazu unter C. 59

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B. Strafrecht

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bei entsprechender Vergleichbarkeit der ausländischen Genehmigungsverfahren für Lotterien nach dem sog. Herkunftslandprinzip des EuGH nicht erforderlich ist,65 so dass es sich bei dem Verkauf von Losen einer ausländischen Klassenlotterie in Deutschland um eine genehmigte Tätigkeit handelt, was die Strafbarkeit schon von daher entfallen lässt. Die Berufung auf EG-Recht kann sich allerdings für den Veranstalter der Klassenlotterie unmittelbar als nachteilhaft erweisen: zwar mag diese mit dem EG-Recht in Einklang stehen, doch steht zu befürchten, dass deutsche Behörden und Gerichte auf der Grundlage der deutschen Rechtsvorgaben die bisherige Auffassung weiterhin vertreten werden, dass Lotterien von EG-Mitgliedsstaaten in Deutschland genehmigungspflichtig sind und der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts somit grundsätzlich eröffnet ist. Diese Annahme wird durch das jüngste Strafrechtsänderungsgesetz verstärkt, wie ein Blick in die Gesetzesmaterialien bestätigen wird. 66 Schließlich hindert auch die Rechtswidrigkeit nach europäischem Gemeinschaftsrecht nichts an der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der damit stets verbundenen negativen Öffentlichkeitswirkung. Insofern erscheint für ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland Lose verbreiten will, die Erwägung einer Umgestaltung der tatsächlichen Spielabwicklung dergestalt sinnvoll, alle Anknüpfungspunkte, welche geeignet sind, einen Tatort in Deutschland zu begründen, möglichst zu vermeiden. II. Die Strafbarkeit nicht genehmigter Lotterien nach dem Strafrechtsreformgesetz von 1998 t. Gesetzeswortlaut Nach dem sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.199867 lautet der ehemalige § 286 nunmehr § 287 (unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung) und hat folgenden Inhalt: ( 1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien oder Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen veranstaltet, namentlich den Abschluß von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluß solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen (Absatz 1) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 65 66 67

Siehe unter 2. Kapitel B. IV. zum Herkunftslandprinzip. Vgl. die folgenden Ausführungen unter 1. Kapitel B. II. BGBI. I S. 164.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

§ 286 StGB a. F. lautete: (1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Frei-

heitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten. 2. Entstehungsgeschichte

Der Inhalt dieser veränderten Gesetzesfassung erschließt sich erst dann in seinem gesamten Umfang, wenn man neben dem Wortlaut und der systematischen Stellung der neuen Vorschrift auch ihren gesetzgebensehen Hintergrund berücksichtigt. Als wertvolle Quelle erweisen sich hierbei die Aufzeichnungen der parlamentarischen Beratungen, denen die im nachfolgenden wiedergegebene Begründung für die Ausweitung des gesetzlichen Tatbestandes entnommen ist. Es folgt das Protokoll der maßgeblichen Sitzung im Bundesrat, von dem auch die Initiative zur Aufnahme des Gesetzgebungsverfahrens ausging. Vorschlag des Bundesrates zur Änderung des § 286 StGB (712. Sitzung des Bundesrates am 16. Mai 1997 zu Protokoll gegeben (Plenarprotokoll 712, s. 203 f.)): "In Deutschland dürfen Glücksspiele nur mit behördlicher Erlaubnis öffentlich veranstaltet werden. Zweck dieser Regelung ist es 1. eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern,

2. durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielverlauf zu &ewährleisten, 3. eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebes zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindem und 4. einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25 %) zur Finanzierung gemeinnütziger Zwecke oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen. Gegenwärtig versuchen mit zunehmender Intensität insbesondere kommerzielle Anbieter aus dem Ausland, deren Angebote nach dem deutschen Glücksspielrecht nicht genehmigungsfähig wären, in Deutschland Spielteilnehmer für alle Arten von Glücksspiel zu gewinnen. Über Telefon, Telefax oder über das Internet ermöglichen sie die direkte Teilnahme an ihren Lotterien und Glücksspielen. Dabei werben sie z. T. mit wesentlich günstigeren Auszahlungsquoten (bis zu 75 %) als in Deutschland (bis zu 50%), weil sie an ihrem Geschäftssitz keinen vergleichbaren Zweckertragsregelungen und Abgabenbelastungen unterliegen wie Glücksspielveranstaltungen in Deutschland. Nach der bisherigen Fassung des § 286 StGB ist es strafbar, ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien (oder Ausspielungen) zu veranstalten. Dabei ist es fraglich, ab wann das Verkaufen von Losen an Teilnehmer in Deutschland dazu führt, daß eine ausländische Lotterie

B. Strafrecht

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auch als in Deutschland veranstaltet anzusehen ist. In der bisherigen strafgerichtliehen Rechtsprechung wurde die Einrichtung einer Agentur oder mehrerer Agenturen zum Zweck der Werbung von Spielern für ausländische Lotterie (RG, Urteil vom 18. Oktober 1909, RGSt 42, 430, 433 -Französische Spargesellschaften und das Übersenden von Spezialzahlkarten, mit denen unmittelbar die Beteiligung an einer Lotterie ermöglicht wurde (OLG Braunschweig, NJW 1994, S. 1777 und BGH, Urteil vom 28. Mai 1957, 1 StR 339/56- Berliner Lotto) als das Veranstalten einer ausländischen Lotterie im Inland angesehen. Bei den jetzt gegebenen technischen Möglichkeiten (insbesondere Telefon, Telefax, Zahlung per Kreditkarte) ist es für einen ausländischen Anbieter nicht mehr erforderlich, im Inland Einrichtungen wie z. B. eine Annahmestelle, Agentur o. ä. zu schaffen, um Einsätze von Spielteilnehmern aus Deutschland entgegenzunehmen. Von daher kann es fraglich sein, ob das Verhalten der Anbieter mit dem Begriff "veranstalten" richtig erfaßt wird. Absatz 1 der Neufassung faßt zunächst die bisherigen Absätze 1 und 2 (Lotterien und Ausspielungen) redaktionell zusammen und beschreibt dann im einzelnen die Handlungen, die zum Veranstalten von Ausspielungen oder Lotterien gehören. Wer diese Handlungen gegenüber einem Spielteilnehmer in Deutschland vornimmt, soll strafbar sein, weil er damit sein Vertriebsgebiet ohne behördliche Erlaubnis nach Deutschland ausweitet. Mit Absatz 2 der Neufassung wird bereits die Werbung für nicht behördlich erlaubte Ausspielungen unter Strafe gestellt. Da es in der Regel praktisch schwierig sein wird, die Strafvorschrift des Absatz 1 gegenüber dem Ausland befindlichen Anbieter durchzusetzen, soll Absatz 2 die Möglichkeit geben, jedenfalls deren werbliche Aktivitäten in Deutschland zu unterbinden. Es kann angenommen werden, daß in Deutschland erscheinende Publikationen in der Regel Werbung entgegen einer solchen klaren Strafvorschrift nicht veröffentlicht werden... "

Nach den Neuerungen ergeben sich daher folgende Erweiterungen: 68 1. Das Werben für nicht genehmigte Lotterien ist strafbar. 2. Die Annahme von Lotterieverträgen ist ausdrücklich genannt, so dass eine Strafbarkeit der Spieler in Betracht kommt. 3. Die Ausweitung des Begriffs "Veranstalten". Danach setzt ein Veranstalten mittlerweile nicht mehr die Schaffung eigener Einrichtungen durch den Anbieter im Inland voraus,69 wie die frühere Rechtsprechung anband des Wortlauts annahm, sondern das bloße Anbieten von Losen ohne behördliche Genehmigung.70 Die Tatbestandsvoraussetzungen sind infolge der Strafrechtsreform entsprechend weiter gefasst. 68 Näher hierzu Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 287 Rdnr. 2 ff.; Tröndle/ Fischer, § 287 Rdnr. 1 a ff. 69 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 287 Rdnr. 6. 70 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, Drucksache 13/8991.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

3. Auslegung

Das Augenmerk dieser Untersuchung richtet sich vornehmlich darauf festzustellen, ob die eingangs geschilderte Tätigkeit eines ausländischen Lotterieunternehmens den gesetzlichen Tatbestand des § 287 StGB erfüllt. Die Frage lautet also, ob sich ein Veranstalter bereits dadurch strafbar macht, dass er deutschen Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Ausspielungen im Ausland eröffnet. a) Die Strafbarkeit det Veranstalter nach § 287 Abs. 1 StGB

aa) Veranstalten einer Lotterie ohne behördliche Erlaubnis Der Tatbestand des § 287 Abs. 1 StGB schränkt den Kreis der strafbaren Handlungen ein: bestraft wird danach nicht jede Art von Lotterie oder Ausspielung, sondern nur solche, die öffentlich veranstaltet werden. Von dem bereits erläuterten Lotteriebegriff im Steuerrecht71 unterscheidet sich die strafrechtliche Begrifflichkeit nur unwesentlich. Auch hiernach handelt es sich bei einer Lotterie um eine besondere Art des Glücksspiels. Sie liegt vor, wenn eine Mehrzahl von Personen vertragsgemäß die Möglichkeit hat, nach einem bestimmten Lotterieplan gegen einen bestimmten Einsatz einen Geldgewinn zu erzielen, der allerdings den Mitspielern erkennbar vom Zufall abhängt. 72 Bei Klassenlotterien z.B. handelt es sich unproblematisch um eine öffentliche Lotterie i. S. d. Gesetzes, denn sie richten sich grundsätzlich an ein breites Publikum. Eine öffentliche Lotterie liegt vor, wenn der Teilnehmerkreis nicht von vornherein auf eine bestimmte, überschaubare Personengruppe beschränkt ist.73 Erforderlich ist zudem, dass die Lotterie ohne behördliche Erlaubnis veranstaltet wurde. Diese behördliche Erlaubnis soll von der "zuständigen Behörde" erteilt werden. 74 Da die Länder die Lotteriehoheit besitzen, ist für jedes Bundesland grundsätzlich eine gesonderte Genehmigung erforderlich. Da nach den Grundsätzen des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere nach dem Schindler-Urteil des EuGH75 eine erneute Genehmigung als Siehe oben, 1. Kapitel A. Il. 2. Vgl. zum strafrechtlichen Begriff der Lotterie statt vieler, Fischer, in: Tröndle/ Fischer, Kommentar zum StOB, § 287 Rdnr. 2. 73 Kühl, in: Lackner/Kühl, StOB, § 284 Rdnr. 10. 74 Wobei es sich nach Ossenbühl nicht um eine Ermessensentscheidung und ein repressives Verbot, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, s. Ossenbühl, Rechtsfragen der Genehmigung öffentlicher Lotterien, in: VerwArch. 1995, S. 187, 203, 205. 71 72

B. Strafrecht

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unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit angesehen werden müsste, ließe sich - zumindest dann, wenn das Genehmigungsverfahren im Herkunftsland mit den Anforderungen im Inland weitgehend vergleichbar ist - das Verlangen einer erneuten Genehmigung durch deutsche Behörden als europarechtswidrige Maßnahme einstufen. Insofern bestehen auch gegen die Annahme, es handele sich bei staatlich konzessionierten ausländischen Lotterien um keine genehmigte Lotterie i. S. d. § 287 Abs. 1 StGB, doch wenigstens erhebliche Zweifel. Da aber die einzelnen Bundesländer ein erhebliches finanzielles Interesse an der Nichtzulassung ausländischer Anbieter haben - dies zeigt die jüngste Strafrechtsverschärfung des § 287 StGB - kann, wie schon eingangs erwähnt wurde, von einer Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden: Die deutschen Behörden werden den wiederholt geäußerten Standpunkt vertreten, dass jede Lotterie in Deutschland genehmigungspflichtig ist. Aus diesem Grund soll die Problematik hier nicht weiter vertieft werden. Der Straftatbestand setzt weiterhin voraus, dass die Lotterie oder Ausspielung im Sinne der Vorschrift veranstaltet wird. Entgegen der früheren Fassung versteht man hierunter "namentlich das Anbieten des Abschlusses von Spielverträgen oder die Annahme von Spielverträgen", also die Möglichkeit zur Beteiligung am Spiel nach einem aufgestellten Spielplan. Auf den tatsächlichen Abschluss der Verträge kommt es nicht an. 76 bb) Anbieten von Spielverträgen Der Begriff des Anbietens ist zwar nicht näher gesetzlich bestimmt. Seine Auslegung bereitet aber keine ernsthaften Schwierigkeiten, da der Begriff des Anbietens im Zivilrecht hinreichend definiert ist. Ein Angebot liegt danach vor, wenn einem anderen die Begründung eines Vertrages so angetragen wird, dass das Zustandekommen dieses Vertrages nur noch vom Einverständnis des anderen ohne Änderungen und Zusätze abhängt. 77 Das setzt einen hinreichend konkretisierten und bestimmten Antrag sowie einen rechtlichen Bindungswillen des Antragenden voraus. 78 Von einem Angebot ist allerdings die sog. invitatio ad offerendum zu unterscheiden, welche lediglich die Aufforderung enthält, das eigentliche Angebot zu unterbreiten.79 Als eine bloße Mitteilung dieser Bereitschaft zum Vertragsschluss werden nach der Verkehrsauffassung das Versenden von Preislisten, KataloUrt. v. 24.3.1994, (Rs. C-275/92), S1g. 1994, I-1039. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 287 Rdnr. 6. 77 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, § 29 Rdnr. 15; Medicus, Allgemeiner Teil, Rdnr. 358. 78 Wolf, in: Soergel, Kommentar zum BGB, § 145 Rdnr. 5. 79 Larenz, a.a.O., § 19 Rdnr. 19. 7~

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

gen, Werbeprospekten oder Zeitungsanzeigen angesehen. 80 Dies liegt schon darin begründet, dass der Verkäufer nicht mit jedem, der etwa eine Zeitungsannonce liest, auch tatsächlich einen Vertrag abschließen kann. Er müsste ansonsten eine uneingeschränkte Zahl von Gütern zur Verfügung haben. Ein Rechtsbindungswille im Hinblick auf den konkreten Abschluss eines Geschäfts kann daher in solchen Fällen nicht unterstellt werden. 81 Sendet nun ein ausländisches Lotterieunternehmen an seine Kunden erstmalig Bestellscheine oder Teilnahmezertifikate zum Erwerb von Klassenlosen, wird man dies ebenso als eine bloße invitatio ad offerendum82 werten müssen, da erst der Kunde die einzelnen Vertragsmodalitäten durch sein Verhalten festlegt. 83 Er alleine trifft die Wahl der Losanteile und bestimmt die Anzahl der Lose sowie die Einzelheiten der Bezahlung. Der Kunde gibt daher i. d. R. ein Angebot zum Kauf von Losen ab, welches aber erst durch die spätere Einzahlung wirksam wird. In dem Zusenden von Bestellscheinen und Teilnahmezertifikaten kann also noch kein Anbieten von Losen erkannt werden. Dieses Verhalten entspricht vielmehr dem Zusenden von Prospekten oder Werbung in anderen Geschäftsbereichen, da das Lotterieunternehmen sich nach dem objektiven Empfängerhorizont durch sein Verhalten noch nicht endgültig binden will. In der Zusendung der darauffolgenden Depotpolice kann auch noch kein Angebot zum Abschluss eines Lotterievertrages erkannt werden. Ein ausländisches Lotterieunternehmen, das mit solchen Policen arbeitet, wird die Wirksamkeit des "Gewinnanspruchs" - genauer: des Anspruchs auf Teilnahme an den Lotterieausspielungen - davon abhängig machen, ob der Spieler seinen Spieleinsatz rechtzeitig einzahlt. Ein uneingeschränkter Rechtsbindungswille kann zu diesem Zeitpunkt also noch nicht unterstellt werden.84 Erst in der tatsächlichen Einzahlung des Spieleinsatzes durch den Spieler liegt ein wirksames Angebot, welches das ausländische Lotterieunternehmen nach seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen durch eine vorweggenommene Willenserklärung gleichzeitig annimmt. Angebot und Annahme fallen demnach rechtlich in einem einheitlichen Akt zusammen. Allerdings kann das Zusenden der Depotpolice schon als bedingtes Angebot

Vgl. Wolf, in: Soergel, Kommentar zum BGB, § 145 Rdnr. 7 m.w.N. Medicus, Allgemeiner Teil, Rdnr. 359. 82 Also als Aufforderung zur Abgabe von Angeboten, Palandt, § 145 Rdnr. 2. 83 Wobei es für die Unterscheidung zwischen Angebot und invitatio ad offerendum nicht auf den subjektiven Willen, sondern auf den objektiven Erklärungswert ankommt, Palandt, § 145 Rdnr. 2; im Zusenden der Bestellscheine ist nach verständiger Auslegung kein Angebot zu sehen, sondern nur eine invitatio ad offerendum. 84 Ohne Rechtsbindungswillen liegt allerdings kein Angebot vor, da damit ein Bestandteil der Willenserklärung fehlt, s. Soergel, BOB, § 145 Rdnr. 5. 80

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gewertet werden, das mit der aufschiebenden Bedingung der Bezahlung ergeht und mit Eintritt der Bedingung letztlich wirksam wird. 85 Erfolgt die Zahlung auf ein Konto in Deutschland, liegt auf der Seite des ausländischen Lotterieunternehmens ein Anbieten im Sinne des § 287 Abs. 1 StGB, und zwar in Deutschland, vor. Doch auch für den Fall, dass die Einzahlung des Spieleinsatzes auf ein ausländisches Konto des Lotterieunternehmens erfolgt, lässt sich eine strenge Gerichtspraxis zu Ungunsten der Lotterieveranstalter nicht ausschließen. In ihren Entscheidungen könnten die Gerichte den Sachverhalt nämlich dahingehend werten, dass in dem Zusenden der Depotpolice ein bedingtes Angebot gesehen wird, welches der Spieler dann durch die Einzahlung im Wege der sog. Annahmebetätigung86 annimmt. Dann kann auch im Sinne des Tatbestands wiederum ein Veranstalten in Deutschland angenommen werden, da das Angebot, wenn man richtigerweise auf den Zugang der Erklärung abstellt, seine Wirksamkeit beim Spieler in Deutschland erlangt. Auch in diesem Fall läge also ein Angebot i. S. d. § 287 Abs.l StGB in Deutschland vor. Werden dem Kunden bei bereits bestehenden Vertragsbeziehungen sog. Ersatzlose angeboten, stellt sich ebenfalls die Frage, ob hierin ein Angebot des Lotterieunternehmens und damit ein Anbieten zum Abschluss eines Lotterievertrages gesehen werden kann. Die Annahme eines Angebotes ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass ein Lotterieunternehmen in den eigenen Bestellscheinen über den Erwerb von Ersatzlosen seinerseits von einem Angebot spricht; insofern ist die Bezeichnung durch die Partei unbeachtlich. 87 In Betracht kommt allerdings eine Annahme dadurch, dass der Spieler unter den zuvor zustande gekommenen Vertragsbedingungen weiterspielt. Insoweit ist das Angebot bereits hinreichend bestimmt,88 so dass der Spieler lediglich mit Ja oder Nein antworten muss. Zwar wäre auch hier noch denkbar, dass nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Lotterieunternehmens der Anspruch auf Teilnahme am Spiel erst wirksam wird, wenn der Spieler seinen Einsatz gezahlt hat, da im Zeitpunkt des Erbietens - ungeachtet dessen, ob der Kunde weiterspielen will - entsprechend den obigen Ausführungen kein Rechtsbindungswille unterstellt werden kann. Doch selbst dann besteht die Möglichkeit, dass die Gerichte in ihren Entscheidungen die Aufforderung zur Bestellung von Ersatzlosen als bedingtes Angebot werten, welches durch die Zahlung des Spielers angenommen wird. Auch hier besteht also die 8S

86 87 88

Medicus, Allgemeiner Teil, Rdnr. 827. Zur Annahmebetätigung s. Larenz, § 30 Rdnr. 2. Vgl. Palandt, BOB, § 145 Rdnr. 2. Zur Bestimmtheit s. Larenz, § 29 Rdnr. 15 f.

3 Wilms

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l. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Gefahr, dass ein Angebot seitens des Lotterieunternehmens in Deutschland vorliegt, da die Willenserklärung dem Spieler in Deutschland gern. § 130 Abs. 1 BGB zugeht. 89 cc) Annahme von Spielverträgen Als Veranstalten gilt nunmehr auch die Annahme nicht genehmigter Spielverträge. Zahlt der Kunde auf ein Konto in Deutschland und hat das ausländische Lotterieunternehmen durch seine Geschäftsbedingungen zuvor bestimmt, dass der "Gewinnanspruch" bereits mit der Zahlung entsteht, nimmt es den Lotterievertrag, wenn auch antizipiert, an; von einem Rechtsbindungswillen ist nach erfolgter Zahlung ohne weiteres auszugehen. Die Strafbarkeit ist demnach auch nach dieser Tatbestandsalternative gegeben. dd) Erfordernis der Identität zwischen Veranstalter und Anbieter von Losen Die Strafbarkeit entfällt auch dann nicht, wenn das Lotterieunternehmen die Ausspielung gar nicht selbst vornimmt und lediglich als Vermittler von Lotterieverträgen einer anderen Lotteriegesellschaft auftritt. "Veranstalter" im Sinne des deutschen Strafrechts ist in diesem Fall nicht die Lotteriegesellschaft, welche die möglicherweise nicht genehmigte Ausspielung vornimmt, sondern das vermittelnde Lotterieunternehmen. Eine Einschränkung des Veranstalterbegriffs auf den tatsächlichen Ausspieler der Lotterie widerspräche den gesetzlichen Umschreibungen des "Anbietens", also dem Abschluss und der "Annahme" von Lotterieverträgen. Dabei mag zwar angemerkt werden, dass die Ausführungen des Bundestages zur Änderung von § 287 StGB in Abweichung zur Haltung des Bundesrates anregten, von einer Pönalisierung des Aufforderns oder Sicherbietens zur Vermittlung von Lotteriespielverträgen abzusehen. Der Entwurf des Bundesrates lautete nämlich: 90 (l) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien oder Ausspielungen

beweglicher oder unbeweglicher Sachen veranstaltet, zum Abschluß oder zur Vermittlung von Spielverträgen für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen auffordert oder sich erbietet oder Angebote zum Abschluß oder zur Vermittlung von solchen Spielverträgen entgegennimmt . . .

Damit ist aber nicht gemeint, dass die Vermittlung konkreter Angebote oder die Annahme von Lotterieverträgen straflos bleiben soll; bezweckt wird lediglich, entgegen dem Vorschlag des Bundesrates zumindest die Auf89 Zugang ist das Gelangen in den Machtbereich, so dass der Ernpfauger davon Kenntnis nehmen kann. Dieser liegt bei oben beschriebenem Vorgehen in Deutschland. Zum Zugang allgemein vgl. Soergel, § 130 Rdnr. 8. 90 Siehe Bundesratsdrucksache 164/2/97 S. 33.

B. Strafrecht

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forderung und das Sicherbieten zum Abschluss oder zur Annahme solcher Lotterieverträge von der Strafbarkeit auszunehmen. Der Vorschlag des Bundesrates wurde vom Bundestag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich in den Fällen des Aufforderns oder Sicherbietens zur Vermittlung um Vorgänge, die lediglich dem organisatorischen Innenbereich des anbietenden Unternehmens und damit - nach überkommener Interpretation des § 286 StGB - dem straflosen Vorfeld des Veranstaltens zuzurechnen seien.91 Von einem Bedürfnis für eine entsprechende Ausdehnung der Strafbarkeit sei derzeit nicht auszugehen. Dagegen sei der Bereich der rein innerorganisatorischen Vorbereitungshandlung mit dem in § 287 Abs. 2 StGB neu unter Strafe gestellten Werben für eine Lotterie oder Ausspielung verlassen. Hintergrund des Bundesratvorschlages war vermutlich die Absicht der Länder, in Deutschland ansässige Spielvermittler wie die Faber GmbH, die Jackpot System Lotto Spielgemeinschaft oder die Euro-Lotto Gemeinschaft zu beschränken.92 Diese werben für die Spielveranstaltung des Zahlenlottos bundesweit um Spielinteressenten und vermitteln im Namen der Mitglieder Spielverträge mit Lotterieveranstaltern. Über die Lottoannahmestellen der Lotterieveranstalter führen sie die Spielteilnahme durch und rechnen Einsätze und anteilige Gewinne gegenüber den jeweiligen Mitglieder der Spielgemeinschaft ab. Die konkrete Annahme eines Lotterievertrages durch ein Lotterieunternehmen ist nicht mehr ein Sicherbieten zur Vermittlung eines Lotterievertrages, sondern bereits eine Annahme eines Lotterievertrages.93 Der straflose Fall des Sicherbietens dürfte in der Praxis wohl kaum auftreten, da zumindest gewerbliche Spielvermittler in den seltensten Fällen ihrer Tätigkeit ohne Werbeeinsatz nachkommen können. ee) Tathandlungen in Deutschland Ein entscheidender Gesichtspunkt für die zukünftige Gestaltung von Lotterieverträgen dürfte indessen ein anderes Merkmal des § 287 Abs. 1 StGB sein. Nach dieser Vorschrift muss die Lotterie nämlich in der Weise vorgenommen werden, dass man sie als in Deutschland veranstaltet ansehen kann. 94 Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 287 Rdnr. 13 a. Vgl. den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 22.11.1995, in dem das Kartellamt feststellte, dass jedenfalls eine Beschränkung von gewerblichen Spielergemeinschaften durch den Lotto-Toto Block und nicht durch den Gesetzgeber eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstelle, BKartA, in: WuW 611996, S. 521 ; 529 f. 93 Nach objektivem Ernprangerhorizont liegt damit ein konkretes Angebot, nicht eine invitatio ad offerendum vor, Palandt, § 145 Rdnr. 2. 91

92

J•

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Dem Wortlaut der Vorschrift ist diese Voraussetzung der Strafbarkeit zwar nicht unmittelbar zu entnehmen; dass die strafbare Handlung auf deutschem Hoheitsgebiet vorgenommen werden muss, ergibt sich allerdings aus dem internationalen Strafrecht. Nach diesem bemisst sich nämlich die Frage, ob und inwieweit eine Handlung mit Auslandsbezug dem deutschen Strafrecht unterliegt. Da die hier betrachteten Fallkonstellationen regelmäßig einen solchen Auslandsbezug aufweisen - die Lotterie oder Ausspielung erfolgt im Ausland, etwa in Zusammenarbeit mit einem ausländischen Lotterieunternehmen - gewinnt diese Frage entscheidende Bedeutung. Das internationale Strafrecht befasst sich allgemein mit der Frage, ob ein Sachverhalt, der aufgrund der Staatsangehörigkeit des Täters oder des Verletzten oder wegen des im Ausland gelegenen Tatorts einen internationalen Einschlag aufweist, gleichwohl der eigenen Strafgewalt unterliegt. Im deutschen Recht ist das internationale Strafrecht in den §§ 3 ff. StGB geregelt. Trotz der irreführenden Bezeichnung handelt es sich dabei um innerstaatliches Recht, welches im Wege einseitiger Kollisionsnormen die oben genannte Aufgabe, also die Festlegung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts, wahrnimmt.95 Um eine ungewollte Ausdehnung der Strafgewalt eines Staates auf Taten mit Auslandsbezug zu unterbinden, enthält das internationale Strafrecht allerdings zahlreiche Einschränkungen. Insbesondere wird vorausgesetzt, dass die Tat einen konkreten Anknüpfungspunkt aufweist.96 Dementsprechend gilt das deutsche Strafrecht nach dem Grundsatz des § 3 StGB zunächst nur für Taten, die im Inland begangen werden.97 Dieses sog. Territorialprinzip wird allerdings durch weitere Grundsätze ergänzt, die eine Ausweitung des Geltungsbereichs bewirken. Hierzu gehören das aktive und das passive Personalitätsprinzip, das Schutzprinzip sowie der Weltrechtsgrundsatz.98 Doch auch diese Prinzipien gelten wiederum nur mit Einschränkungen. Unabhängig vom Tatort findet das deutsche Strafrecht dann Anwendung, wenn es sich um Taten handelt, die ausdrücklich in den §§ 5, 6 StGB genannt werden. In dem dort enthaltenen Straftatenkatalog sind vor allem Straftaten aufgeführt, die sich durch eine ausgeprägte Gefährlichkeit oder besondere Merkmale des Schutzgutes kennzeichnen, so etwa Völkermord, Menschenhandel, unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln, Verbreitung 94 Zum Begriff des Veranstaltens i. S. d. § 17 Renn wett- und LotterieG s. Möllinger, DVR 1977, S. 162 ff. 9' Hierzu Tröndle, in: Tröndle/Fischer, Vor § 3 Rdnr. 2. 96 Vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, § 18 Il. 97 Eser, in: Schönke/Schröder, vor§§ 3-7 Rdnr. 4; § 3 Rdnr. 1. 98 Vgl. die Darstellung bei Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, AT, § 18 ff.; Tröndle, in: Tröndle/Fischer, Vor§ 3 Rdnr. 3; Wessels, Strafrecht AT, § 2 III.

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pornographischer Schriften oder Subventionsbetrug. Die unbefugte Veranstaltung von Lotterien oder anderer Glücksspiele ist nicht genannt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass dem Veranstalten von Lotterien kaum ein eigener materieller Unrechtsgehalt zugebilligt wird. 99 Der gesetzgebensehe Grund kann - neben den ebenfalls vorhandenen fiskalischen Interessen des Staates - allenfalls im Schutz des Menschen vor sich selbst gesehen werden. Es handelt sich überdies um ein sog. verwaltungsakzessorisches Delikt, d. h. die Strafbarkeit wird davon abhängig gemacht, ob dem Täter eine behördliche Genehmigung fehlt. 100 Bei Vorlage einer entsprechenden Genehmigung entfallt bereits der Tatbestand, nicht etwa nur die Rechtswidrigkeit. 101 Der Grund hierfür dürfte vornehmlich darin liegen, dass der deutsche Staat selbst in großem Umfang Lotterien betreibt. Berücksichtigt man dann aber die Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Grundrechtsträgern, so lässt sich nur folgern, dass der Staat selber keine verbotenen oder schädigenden Handlungen vornehmen darf. Aufgabe und Pflicht des Staates ist es vielmehr, sich schützend vor eben diese Grundrechte zu stellen. Würde man Lotterien oder andere Formen des Glücksspiels nun aber tatsächlich als Unrecht werten, müsste der Staat sie konsequent verbieten und dürfte sie erst recht nicht selbst veranstalten. Mangels Unrechtsgehalts kann § 287 StGB daher den Katalogtaten in §§ 5, 6 StGB nicht zugeordnet werden. Eine weitere Möglichkeit, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Taten mit Auslandsbezug zu erstrecken, enthält § 7 StGB. Diese Vorschrift setzt allerdings voraus, dass die betreffende Tat auch im Ausland mit Strafe bedroht ist; erst dann kann das deutsche Strafrecht bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen zur Anwendung kommen. Durch diese Regelung werden andere Sachverhalte erfasst, als es bei §§ 5 und 6 StGB der Fall ist: (I) Danach gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter 99 Vgl. die ausführliche Darstellung der h. M. in Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 15. 100 Dazu sind öffentlich-rechtliche Vorschriften einschlägig, Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 31. 101 So wohl die h.M.: Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB § 285 Rdnr. 3; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 284 Rdnr. 12; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB § 284 Rdnr. 18; a. A. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, der bei Glücksspielen lediglich die Rechtswidrigkeit entfallen lassen will, § 33 VI I.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick 1. zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder 2. zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

Sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 setzen voraus, dass die Tat im Ausland selbst mit Strafe bedroht ist. Dabei kommt es nicht nur auf Verbots- und Gebotsnormen, sondern auch auf Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe an. Es reicht also auch, wenn eine Genehmigung nur die Rechtswidrigkeit einer Tat entfallen lässt. 102 Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach § 7 scheidet also immer dann aus, wenn die Tat im Ausland selbst nicht mit Strafe bedroht wird. Auf ausländische Lotterien ist das deutsche Strafrecht folglich nur dann anwendbar, wenn diese im Ausland unzulässig und strafbar sind. Soweit dem Lotterieunternehmen aber für die Lotterie eine Genehmigung erteilt wurde, entfällt eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gern. § 7 StGB. Das ist zumindest immer dann der Fall, wenn das ausländische Lotterieunternehmen ein staatlich konzessioniertes Klassenlotterieunternehmen ist. Für die Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz grenzüberschreitender Lotterieveranstaltungen und Ausspielungen ergibt sich also folgendes Bild: Soweit ein Lotterieunternehmen selber im Ausland nicht strafbar ist, kann - wie eben dargelegt wurde - das Anbieten von Losen eines ausländischen Lotterieunternehmens nicht nach Maßgabe von § 7 StGB dem deutschen Strafrecht unterfallen. Da das fragliche Verhalten aber ebenso wenig unter §§ 5 und 6 StGB fällt, lässt sich eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts und damit des § 284 StGB allenfalls noch aus den allgemeinen Grundsätzen des § 3 StGB ableiten. Dazu muss es sich bei der Ermöglichung der Teilnahme an der ausländischen Klassenlotterie um eine Inlandstat103 handeln. Über die Bestimmung des Tatortes gibt § 9 StGB nähere Auskunft: (1) Danach ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat

oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

Das deutsche Strafrecht folgt hiermit dem sog. Ubiquitätsprinzip. 104 Danach kann der Begehungsort sowohl durch den Ort der Handlung als auch durch den Ort des tatbestandliehen Erfolges begründet sein. 105 Wenn Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 7 Rdnr. 2. Der Begriff des Inlands ist hier ein funktioneller, nämlich Inland als das Gebiet, auf dem deutsches Strafrecht aufgrund hoheitlicher Staatsgewalt seine Ordnungsfunktion geltend macht, Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, vor§§ 3-7, Rdnr. 4. 104 Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 9 Rdnr. 1. 102

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das Angebot eines ausländischen Lotterieunternehmens zum Kauf von Losen in Deutschland abgegeben wird, liegt auch eine tatbestandliehe Handlung in Deutschland vor: die neueste Fassung des Gesetzes setzt das Anbieten von Losen dem Veranstalten einer Lotterie gleich. Bietet ein Lotterieunternehmen diese Lose auf dem Postweg an, so erfüllt es ebenfalls den Tatbestand. Da es bei Willenserklärungen unter Abwesenden 106 für die Wirksamkeit der Willenserklärung auf den Zugang der Willenserklärung 107 ankommt (§ 130 Abs. 1 BGB), wird man folgerichtig darauf abstellen müssen, an welchem Ort die Willenserklärung des ausländischen Unternehmens zugeht. Im Falle einer Vertragsgestaltung, deren Zustandekommen von der Zahlung des Einsatzes durch den Spieler abhängt, ist der Tatort in Deutschland gelegen. Damit ist der Anwendungsbereich des § 287 StGB grundsätzlich eröffnet. Soweit die Zahlung in Deutschland erfolgt, wird man also den Standpunkt vertreten müssen, dass damit auch die Annahme in Deutschland erfolgt sei. Aber auch bei Anweisung des Einsatzbetrages auf ein ausländisches Konto des Lotterieunternehmens kann man, wenn man nicht erst auf den Zugang der Willenserklärung abstellt, in der Anweisung des Spielers an seine in Deutschland gelegene Bank eine Annahme in Deutschland sehen. Um einer Strafbarkeit zu entgehen, müsste ein ausländisches Lotterieunternehmen die Bestellung der Lose also dergestalt durchführen, dass das Angebot im Ausland abgegeben wird. Die Zusendung von Bestellscheinen und Teilnahmezertifikaten ist hingegen noch kein Anbieten im Sinne des Abs. I, da das Werben für Lotterien jedenfalls im Inland selbständig unter Strafe gestellt wurde. Neben der eigentlichen Tathandlung - das Veranstalten der Lotterie kann auch der tatbestandliehe Erfolg (§ 9 Abs. 1, 3. Alt) für die Bestimmung des Tatortes von Bedeutung sein. Der Gesetzeswortlaut spricht insoweit von dem zum Tatbestand gehörenden Erfolg. Strittig ist dabei, ob der Anwendungsbereich nach § 9 Abs. 1, 3. Alt. StGB auch bei reinen Tätigkeitsdelikten und abstrakten Gefahrdungsdelikten überhaupt eröffnet sein kann, da deren gesetzlicher Tatbestand einen bestimmten Taterfolg nicht kennt, also die Verletzung oder konkrete Gefährdung eines geschützten Handlungsobjekts nicht voraussetzt. Die Diskussion wurde in jüngster Zeit ws Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 9 Rdnr. 2. Die Willenserklärung erfolgt unter Abwesenden, wenn ein zeitgleicher Verständigungskontakt zwischen Erklärendem und Empflinger fehlt, Larenz. § 26 Rdnr. 12. 107 Das setzt ein Gelangen der Erklärung in den Machtbereich des Empflingers mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch diesen voraus, Medicus, Allgemeiner Teil, Rdnr. 274. 106

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach der Strafbarkeit im Internet erneut entfacht. Die wohl herrschende Ansicht hält eine Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1, 3. Alt. StGB bei reinen Tätigkeitsdelikten für ausgeschlossen. 108 Begründet wird diese Haltung damit, dass das Gesetz nicht pauschal von irgend einem Erfolg, sondern vom tatbestandliehen Erfolg spricht. Daraus folge, dass als Anknüpfungspunkt für § 9 Abs. 1, 3. Alt. StGB nur der im jeweiligen Tatbestand umschriebene Erfolg in Frage kommt, nicht dagegen weitere schädliche Auswirkungen einer tatbestandsmäßigen Handlung. Eine Ausnahme soll nur gelten bei konkreten Gefährdungsdelikten und bei der Verwirklichung einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit, 109 da letztere im weitesten Sinne noch als tatbestandlieber Erfolg verstanden werden können. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist dagegen eine konkret eingetretene Gefahr kein tatbestandsmäßiger Erfolg. 110 Dem ist zuzustimmen, da jede Handlung unendlich viele Voraussetzungen und Folgen haben kann und es nicht Sinn und Zweck des Gesetzes ist, sämtliche Erfolge tatortbegründend wirken zu lassen. Die Gegenauffassung, die lediglich auf die empirisch feststellbaren Wirkungen einer Tat in der Außenwelt abstellt, lässt die Entscheidung des Gesetzgebers für das Territorialitätsprinzip leerlaufen. Sie hat allerdings dann zur Folge, dass das deutsche Strafrecht letztlich auf jede Tat im Ausland anzuwenden wäre. Der Grundgedanke des Territorialgrundsatzes stützt sich aber gerade darauf, dass der eigene Staatsbürger grundsätzlich - mit wenigen Ausnahmen - frei sein soll, nach dem Recht des Aufenthaltsstaates zu leben. 111 Eine Tatortbegründung nach § 9 Abs. 1, 3. Alt. StGB ist für Tätigkeitsdelikte und abstrakte Gefährdungsdelikte also abzulehnen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auch für die Strafbarkeit von grenzüberschreitenden Lotterieveranstaltungen. Da bei der Veranstaltung einer Lotterie ein Tätigkeitsdelikt vorliegt, kann der Tatort nur über die Tathandlung, nicht aber über den Erfolg begründet werden. Ein Erfolg in dem Sinne kann bei einem Tätigkeitsdelikt gar nicht 108 Vgl. BGHSt 20, 45 (51); Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 9 Rdnr. 3; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rdnr. 2; Eser in: Schönke/Schröder, StGB, § 9 Rdnr. 6; speziell zur Internet-Problematik: Hitgendorf in NJW 1997, S. 1873, (1875); a. A. dagegen OLG Koblenz, wistra 1984, 79 (80); Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, AT, § 18 IV 2 b. 109 Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 9 Rdnr. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 9 Rdnr. 7. 110 Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, S. 1873 (1875), Tröndle/Fischer, § 9 Rdnr. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, § 9 Rdnr. 6. 111 Vgl. zur Entstehung des § 9 StGB, Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, AT, § 18 III 1.

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eintreten, wenn sich der Unrechtsgehalt schon in der Handlung erschöpft. Damit scheidet zugleich auch eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach § 9 Abs. 1, 3. Alt. StGB aus. ff) Zusammenfassung Bei dem Straftatbestand des § 287 StGB handelt es sich um ein Tätigkeitsdelikt, da sich der "Unrechtsgehalt" - das Veranstalten einer Lotterie in der Handlung des Täters erschöpft, ohne dass ein Erfolg im Sinne einer raum-zeitlich unterscheidbaren Außenwirkung eingetreten sein müsste.112 Da das Gesetz als Tathandlung das Veranstalten einer Lotterie nennt und als Teil des Veranstaltens nunmehr das Anbieten und die Annahme von Lotterieverträgen ansieht, ist die Strafbarkeit gegeben, solange nicht Angebot wie auch Annahme im Ausland stattfinden. Nur durch eine Verlegung der Tathandlungen in das Ausland kann einer Strafbarkeit entgangen werden. Die übrigen Folgen, die mit der Veranstaltung zusammenhängen, dürften nach der hier vertretenen Ansicht nicht ausreichen, um den Tatort in Deutschland zu begründen. Ist die Zahlung des Einsatzes von der Annahme des Lotterievertrages losgelöst, dürfte der Ort der Zahlung daher nicht mehr inlandstatbegründend sein. Liegt dagegen eine oben beschriebene Vertragsgestaltung vor, nach der das Zustandekommen des Lotterievertrages von der tatsächlichen Einzahlung abhängt, so ist die Zahlung durch den Spieler ein Teil der Angebotserklärung 113 oder, je nach Betrachtungsweise, der Annahmeerklärung. 114 Da der Zahlungsverkehr in Deutschland abgewickelt wird, ist der Tatort Deutschland ohne weiteres eröffnet, da als Konsequenz der Vertragsgestaltung entweder das Angebot oder die Annahme des ausländischen Veranstalters im Inland vorgenommen wird. Doch selbst bei der direkten Einzahlung des Spieleinsatzes auf ein Konto des ausländischen Lotterieunternehmens hängt die Frage nach der Begründung des deutschen Tatortes davon ab, ob man auf den Anweisungsvorgang des Spielers an seine Bank in Deutschland abstellt oder aber auf das Wirksamwerden der Zahlung, die im Ausland erfolgt. Die Begründung des deutschen Tatortes ist jedenfalls nicht gegeben, wenn der Spieler seinen Einsatz zunächst auf ein eigenes Konto im Ausland einzahlt und dann erst die Überweisung vom eigenen Konto auf das Konto des ausländischen Lotterieunternehmens veranlasst: 115 soweit der Anbieter im Ausland handelt, 112 Vgl. zur Unterscheidung des Tätigkeitsdelikts vom Erfolgsdelikt, Jescheckl Weigend, Strafrecht, AT, § 18 III I. 113 Bei Betrachtung der Versendung der Depotpolice als invitatio ad offerendum. 114 Bei einem durch die Zahlung bedingten Angebot, vgl. oben, I. Kapitel B. 3. a) aa) ff. 115 Vgl. unten, I. Kapitel B. IV. I.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

kann man von einer dem deutschen Strafrecht unterfallenden Tat nicht mehr sprechen. 116 Die Benachrichtigung der Spieler, dass sie gewonnen haben, und auch sonstige Informationen nach Abschluss des Lotterievertrages können keinen Tatort in Deutschland begründen. b) Strafbarkeit der Werbenden nach§ 287 Abs. 2 StGB

Das Zusenden von Bestellscheinen der oben geschilderten Art kann jedoch unter den neu eingeführten Tatbestand des § 287 Abs. 2 StGB fallen, wonach bereits das Werben für nicht genehmigte Lotterien (Verweis auf Abs. 1) strafbar ist. aa) Objektiver Tatbestand (1) Begriff der Werbung

Der Begriff der Werbung ist in § 287 Abs. 2 StGB nicht näher definiert. Im deutschen Wettbewerbsrecht erfahrt er allerdings eine recht genaue Prägung, die - entsprechend dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung auch in anderen Rechtsgebieten berücksichtigt werden muss. Nach dem weiten Werbebegriff des UWG 117 fallt jede absatzfördernde Handlung unter den Begriff der Werbung. 118 Werbung soll den Kunden ebenso aufmerksam machen wie auch informieren. Der Gesetzgeber hatte diesen weiten Werbebegriff wohl auch im Hinblick auf den Straftatbestand des § 287 Abs. 2 StGB im Auge. Zwar wird in den Gesetzesmaterialien nur die Werbung durch Publikationen ausdrücklich angesprochen, da, so ist anzunehmen, diese einen besonders weiten Verbreitungsgrad genießen; daraus den Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber einen engeren Werbebegriff als im UWG beabsichtigt hat, ist jedoch verfehlt. 119 Da die Gerichte bislang noch keine Möglichkeit zur geziehen Klärung des Begriffs der Werbung hatten, muss man zunächst von einem Werbebegriff ausgehen, der durch die übrige Rechtsprechung vorgeprägt ist. Danach ist die Zusendung von Informationsmaterial an Neukunden einschließlich der Bestellscheine als Werbung zu qualifizieren, weil deren Interesse hierdurch geweckt und Fischer, in: Tröndle/Fischer, StOB, § 284 Rdnr. 11. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7.6. 1909 (RGBI. S. 499). 118 Vgl. Baumbach!Hefermehl, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, vor §§ 3-8 UWG, Rdnr. 1, danach fällt sowohl die Aufmerksamkeits- als auch die Informationswerbung unter den Begriff der Werbung. 119 Kühl, in: Lackner/Kühl, StOB, § 284 Rdnr. 15: Werbung ist Propaganda, Gewinnung von Teilnehmern an Glücksspielen durch Anpreisung und Ankündigung, wobei bloßes darauf Hinweisen nicht genügt. 116 117

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auf den Kunden eingewirkt wird. 120 Bei Altkunden muss unterschieden werden, ob lediglich Informationen über die Ausspielung versendet werden, oder ob die Informationen unmittelbar auf den Abschluss neuer Lotterieverträge gerichtet sind. Im ersteren Fall liegt keine Werbung vor, da die Mitteilungen und Informationen nicht mehr der Absatzförderung dienen, sondern vertragliche Nebenpflichten darstellen; im letzteren Fall muss vom Vorliegen des Werbetatbestandes ausgegangen werden, da durch die Informationen wiederum Interesse geweckt wird und das Versenden der Absatzförderung dienen soll. (2) Akzessorietät von Abs. 2 in Bezug auf Abs. 1

Durch den Verweis des Abs. 2 auf den Abs. l wird allerdings deutlich, dass ein tatbestandlieber Zusammenhang zwischen der Haupthandlung "Verbreitung von Lotterien" und dem "Werben" für Lotterien bezweckt ist. Das bedeutet, dass die Strafbarkeit nach Abs. 2 nur dann eingreifen kann, wenn für eine Handlung geworben wird, die in Deutschland selbst strafbar ist. Denn rechtsdogmatisch handelt es sich bei der Werbung für Lotterien um ein Vorbereitungsstadium, das auf die Stufe der eigenständigen Strafbarkeit angehoben wurde. 121 Das bedeutet aber auch, dass die möglicherweise folgende eigentliche Tathandlung, also das Veranstalten einer Lotterie, auch in Deutschland strafbar sein muss. 122 Gerade bei Spielen im Ausland oder dem Veranstalten von Lotterien ist das aber nicht der Fall. Ein solches Ergebnis läge nur dann vor, wenn der Gesetzgeber das Veranstalten von Lotterien im Ausland ohne deutsche Genehmigung jedenfalls für deutsche Staatsangehörige unter Strafe gestellt hätte. Dazu wäre eine Aufnahme des § 287 StGB in die Katalogtaten der §§ 5, 6 StGB erforderlich gewesen, wovon der Gesetzgeber jedoch auch nach der Gesetzesänderung keinen Gebrauch gemacht hat. Unklar und noch nicht entschieden ist bislang, ob mit der Gesetzesänderung auch die Werbung für das Veranstalten von Lotterien im Ausland unter Strafe gestellt werden sollte, oder ob das Werbeverbot nur für hierzulande nicht genehmigte Lotterien gilt. Auch unabhängig von dem Wertungswiderspruch, der hierbei in Erscheinung treten würde, weil die Haupttat - das Baumbach/Hefermehl, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, vor §§ 3-8 Rdnr. 2. Das Vorbereitungsstadium an sich ist grundsätzlich straflos; nur in besonderen Fällen werden solche Tätigkeiten zur selbständigen Tat erhoben, ·Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 22 Rdnr. 3; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, vor § 22 Rdnr. 3. 122 Auf die europarechtliche Problematik der entfallenden Strafbarkeit, wenn ein ausländisches Lotterieunternehmen bereits im eigenen Land eine Genehmigung besitzt, welche mit den Genehmigungsvoraussetzungen in Deutschland vergleichbar ist und damit nach dem Herkunftslandsprinzip des EuGH eine erneute Genehmigung entbehrlich macht, wird weiter unten hingewiesen, 2. Kapitel B. IV. 120 121

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I. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Veranstalten von Spielen im Ausland - straflos bliebe, das Werben für ein solches Verhalten allerdings zu einer Strafbarkeit führen würde, hätte eine weite Auslegung folgende Wirkung: wegen der Gesetzesänderung würde sich plötzlich eine Fülle von Straftatbeständen ergeben, gegen die die Staatsanwaltschaft, die an das Legalitätsprinzip 123 gebunden ist, stets und in jedem Einzelfall einschreiten müsste. So dürften etwa Reiseveranstalter künftig nicht mehr die übliche Werbung für eine Reise an das Mittelmeer einschließlich Besuch im Casino von Monaco anbringen (vgl. die identische Regelung in § 284 Abs. 4 StGB), und auch die Werbung für Flugreisen in das "Spielerparadies" Las Vegas erscheint unter dem Gesichtspunkt des § 284 Abs. 4 StGB bedenklich. Es stellt sich daher tatsächlich die Frage, ob der Gesetzgeber ein derartig weites Werbeverbot gewollt hat. Gegen eine solche weite Auslegung spricht der schon angesprochene Widerspruch, der sich ergibt, wenn ein Werbeverbot für eine straflose Haupttat ausgesprochen wird: bei einer im Ausland vorgenommenen Lotterie oder Ausspielung entfällt die Strafbarkeit sowohl für den Veranstalter als auch für die teilnehmenden Spieler. Auch vor dem Hintergrund der deutschen Strafrechtssystematik erscheint eine weite Auslegung bedenklich, weil Vorbereitungshandlungen grundsätzlich straflos bleiben und nur ausnahmsweise, etwa aus besonderen kriminalpolitischen Erwägungen heraus, der Bestrafung unterliegen. 124 Die wenig einleuchtende Folge einer so weiten Auslegung wäre, dass die Werbung für ausländische oder deutsche Lotterien und eine Spielteilnahme im Ausland strafbar wäre, obwohl das eigentliche Spielen und Veranstalten nach dem Willen des Gesetzgebers nicht strafbar ist. Es wird schnell deutlich, dass hierin ein erheblicher Wertungswiderspruch verborgen liegt, der mit der deutschen Strafrechtsdogmatik im Übrigen kaum vereinbar sein dürfte. Insoweit ist fraglich, ob die Gerichte eine derart weite Auslegung befürworten werden. Man kann dagegen einwenden, dass die Veranstaltung von Lotterien im Ausland zwar unmittelbar keinen Inlandsbezug herstelle, auch wenn es sich um einen deutschen Lotterieveranstalter handelt, dass aber der erforderliche Inlandsbezug und somit eine mögliche Strafbarkeit durch den Straftatbestand der verbotenen Werbung wieder hergestellt würde. Die Auslandstat werde also durch die Werbung zur Inlandstat

123 Das Legalitätsprinzip ist ein notwendiges Korrelat zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft und begründet einen Verfolgungszwang gegen jeden Verdächtigen, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnr. 2. 124 Jescheck/Weigend, Strafrecht, AT, § 49 VI 2; Tröndle, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 22 Rdnr. 3; Wessels, Strafrecht AT, Rdnrn. 590 ff.

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Diese Auslegung würde jedoch den Verweisungszusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 2 missachten. § 287 Abs. 2 StGB verweist ausdrücklich auf Abs. 1, so dass man nach herkömmlicher Auslegungsmethode davon ausgehen muss, dass die Vorbereitungshandlung, also das Werben für Lotterien im Ausland, nur strafbar sein kann, wenn die darauffolgende Handlung, das Veranstalten von Lotterien im Ausland, selbst strafbar ist. 125 Das ist aber gerade nicht der Fall, da der Gesetzgeber das Veranstalten von Lotterien nicht in die Katalogtaten der §§ 5, 6 StGB aufgenommen hat. Diese Nichtaufnahme der Glücksspieltatbestände in die Katalogtaten der internationalen Strafbarkeit spricht eindeutig gegen einen solchen gesetzgebensehen Willen, auch das Werben für Veranstaltungen im Ausland unter Strafe zu stellen, obgleich die Veranstaltungen selbst nicht strafbar sind. Ob eine Aufnahme von verwaltungsakzessorischen Delikten in den Katalog der tatortunabhängigen Straftaten überhaupt sinnvoll erscheint, soll hier dahinstehen - obgleich die Zweckmäßigkeit einer solchen Aufnahme bezweifelt werden muss, da die behördliche Genehmigung stets ortsbezogen ist. 126 Der Gesetzgeber hat jedenfalls vorerst davon Abstand genommen. Gegen eine Strafbarkeit von Werbung, die eine Teilnahme an ausländischen Lotterieveranstaltungen fördern soll, spricht zudem folgende Überlegung: Auch unabhängig von der darauffolgenden Haupttat vermag alleine die im Inland vorgenommene Werbung keinen überzeugenden Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Straftatbestandes außerhalb Deutschlands zu bieten. Jeder hätte Zweifel, ob eine Werbung für den legalen Besitz von Waffen in Amerika die Strafbarkeit in Deutschland begründen könnte. Ein Blick in die Gesetzesmaterialien zum 6. Strafrechtsreformgesetz beweist, dass eine Verschärfung des Lotterietatbestandes nicht den Grund in einer überkommenen Bewertung des Unrechtstatbestandes hat, sondern ausschließlich dem Zweck dienen soll, ausländische Anbieter, die teilweise über günstigere Ausspielungsmodalitäten verfügen, vom deutschen Markt fernzuhalten. Der Schutz des Spielers vor einer wirtschaftlichen Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft 127 wird in den Materialien nicht näher genannt. Er liegt ohnehin fern, da die natürliche Spielleidenschaft auch ausgebeutet wird, wenn der Spieler an einer staatlich konzessionierten Veranstaltung teilnimmt. Solange es staatlich erlaubte Lotterien und Glücksspiele gibt, kann sich der Staat nicht auf dieses Schutzgut berufen; denn 12S für eine Strafbarkeit nach Abs. 2 nur bei erfülltem Abs. 1 auch Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 287 Rdnr. 13 a. 126 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 287 Rdnr. 7: Die Erlaubnis ist immer landesbezogen. 127 Eine Ablehnung des Schutzgutes "tätereigenes Vermögen" vertritt auch Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 37 f.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

eine staatliche Veranstaltung bricht mit diesem Schutzgut ebenso wie eine nicht zugelassene. In den Gesetzesmaterialien wird der Zweck dahingehend formuliert, dass wer das Veranstalten von Lotterien gegenüber einem Spielteilnehmer in Deutschland vornimmt, strafbar sein soll, da er damit sein Vertriebsgebiet ohne behördliche Erlaubnis nach Deutschland ausweitet.

Ein Veranstalten von Lotterien gegenüber einem Spielteilnehmer in Deutschland liegt daher nur vor, wenn die Lotterie in Deutschland veranstaltet wird. Denn die Ausweitung des Vertriebsgebietes ohne behördliche Erlaubnis setzt zunächst voraus, dass der Veranstalter überhaupt der Erlaubnispflicht unterliegt. Konsequenterweise muss das dann auch für den Werbetatbestand gelten, so dass auch von daher ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Begründung der Inlandsstrafbarkeit kaum ersichtlich ist. Dass im Zeitalter der europäischen Freizügigkeit entgegen den Erwartungen der Europäischen Kommission der Glücksspielsektor nicht entsprechend den vertraglichen Vorgaben harmonisiert und damit auch für europäische Anbieter geöffnet wird, hängt unbestritten mit den wirtschaftlichen Interessen eines jeden Staates im Bereich des Glücksspiels zusammen. 128 Die meisten Staaten betreiben Glücksspiele und insbesondere Lotterien ausschließlich selbst oder durch Vergabe staatlicher Konzessionen. Das führt unweigerlich zu einer monopolartige Stellung des Staates im gesamten Glücksspielsektor. Nach Angaben des Bundeskartellamtes erzielte der Deutsche Lotto-Toto-Block alleine im Jahre 1994 Umsatzerlöse von 12,73 Mrd. DM. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Praxis befallen mittlerweile auch staatlichen Stellen. Die Unzulässigkeit des Missbrauchs dieser monopolartigen Stellung des Staates im Sinne einer Abschottung des eigenen Vertriebsgebietes mit rechtlichen Mitteln, hier etwa des Strafrechts, hat in jüngster Zeit selbst das Bundeskartellamt festgestellt. 129 Es stellte fest, dass der Deutsche Lotto- und Totoblock unabhängig von der Rechtsform seiner Gesellschafter eine Vereinigung von Unternehmen sei. Ob diese auch hoheitliche Aufgaben wahrnähmen, sei für den betroffenen Geschäftsverkehr mit Lotteriespielverträgen unerheblich. Die Lotteriehoheit der Bundesländer schließe daher eine Anwendung des § 1 GWB 130 auf Beschlüsse des Deutschen Lotto- und Totoblocks nicht aus. 128 Nach Ansicht des EuGH sollen freilich nur Ziele etwa der Sozialpolitik oder des Allgemeinwohls eine Einschränkung der Grundfreiheiten beim Glücksspiel erlauben, vgl. jüngst EuGH, Urt. v. 21.10.1999 (Rs. C-67/98), Slg. 1999, 1-7289; Un. v. 21.9.1999 (Rs. C-124/97), Slg. 1999, 1-6067; an der politischen Realität dürfte diese Ansicht allerdings in den meisten Fällen vorbeigehen. 129 BKartA, in: WuW 1996, S. 521, 529. 130 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 26. 8. 1998 (BGBI. I s. 1435).

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Die Wettbewerbsbeschränkung durch die Vereinbarung eines Teilnahmeausschlusses für gewerbliche Lottospielgemeinschaften falle auch nicht deswegen aus dem Anwendungsbereich des § 1 GWB heraus, weil es sich bei der Tätigkeit der gewerblichen Spielvermittler um eine nach § 286 StGB oder landesrechtliche Vorschriften verbotene Lotterieveranstaltung handeln könnte. In der Begründung heißt es ferner, dass die Strafbarkeit der gewerblichen Spielvermittlung 131 für zugelassene Lotterien und Sportwettveranstaltungen keinesfalls offensichtlich, sondern erheblichen Zweifeln ausgesetzt sei. 132

Die Lotterie gilt weithin als das mit Abstand harmloseste Glücksspiel, weil ein Anheizen des Spieltriebes durch gruppendynamische Prozesse und auch die bei anderen Glücksspielen beobachteten Suchterscheinungen nahezu ausgeschlossen sind. 133 Als gesetzgebenscher Zweck für eine Verschärfung der Lotteriestrafbarkeit wird man daher festhalten müssen, dass allein der Schutz des Staates vor eigenen fiskalischen Interessen nicht ausreichend ist. Letzteres widerspricht den Grundsätzen unserer freiheitlichen Grundordnung, nachdem Strafgesetze konkrete Individualrechtsgüter schützen und ausnahmsweise das Funktionieren der Rechtsordnung zum Gegenstand haben dürfen. Die Einnahmen des Staates werden dagegen nach den finanzrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes ausschließlich durch Steuern erzielt. 134 Es ist von daher unzulässig, wenn der Staat Monopole zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen halten darf, weil er sonst mit diesem Argument der Einnahmeerzielung durch Betätigungen außerhalb der Steuer jeden Gewerbezweig an sich ziehen könnte. 135 Die vorangegangenen Argumente sprechen allesamt in erheblichem Maße für eine restriktive Auslegung des Werbeverbotes in § 287 Abs. 2 StGB. Von einer Akzessorietät ist letztendlich auszugehen, da sich Abs. 2 auf Abs. l bezieht und das Werbeverbot wegen der ansonsten vorliegenden Widersprüchlichkeit, dass die nur ausnahmsweise strafbare Vortat zur Bestrafung führen soll und die Haupttat aber straflos bleibt, nicht mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbar ist.

131 Gemeint waren die gewerblichen Spielergemeinschaften wie z. B. Faber, Eurolotto usw. 132 BKartA in: WuW 1996, S. 521, 529. 133 Die Gefahren und Wirkungen von Glücksspielen im Einzelnen erläutert Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 101 ff., insb. 118 ff.; jüngst auch, wenngleich nur am Rande, der EuGH, Urt. v. 21.9.1999 (Rs. C-124/97), Slg. 1999,1-6067. 134 Hauptzweck der Steuer ist die Erzielung von Einnahmen, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rdnr. 10 135 Beiz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 43.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

(3) Zwischenergebnis

Insbesondere aus dem Gesetzeszusammenhang ergibt sich folgende Auslegung: Wirbt ein Unternehmen in Deutschland dafür, dass Deutsche im Ausland Lose für die ausländische Lotterie im jeweiligen Land erwerben, liegt kein strafbarer Werbetatbestand nach Abs. 2 vor. Wirbt das Unternehmen dagegen dafür, Lose für die ausländische Lotterie in Deutschland zu erwerben, ist dies strafbar, da der Losverkauf nach Abs. 1 in Deutschland strafbar wäre. Dies stellt auch keine Umgehung des Straftatbestandes im eigentlichen Sinne dar, wenn die Besonderheit besteht, dass zum einen die Handlung im Ausland straflos ist und zum anderen die Strafbarkeit von einer ortsbezogenen Genehmigung abhängt, die im Ausland gerade erteilt wurde. Von dem Erschleichen einer Genehmigung oder der Umgehung einer Genehmigung kann dann nicht die Rede sein. Die Unklarheit der Strafbarkeit geht grundsätzlich nicht zu Lasten des Täters; das folgt aus einer analogen Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo". 136 Eine Ausweitung des Werbetatbestandes auf jegliches Werben für ausländische Glücksspiele ist jedenfalls im Hinblick auf das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat zum Zeitpunkt der Tatbegehung hinreichend bestimmt sein muss, 137 nicht vereinbar. Ob der deutsche Gesetzgeber ein solches generelles Werbeverbot überhaupt aussprechen dürfte, erscheint zumindest fraglich, da die Strafbarkeit nach § 287 StGB verwaltungsakzessorisch ist, d. h.: sie hängt von einer behördlichen Genehmigung ab. Das wiederum könnte aber Auswirkungen auf die Strafgewalt haben, weil die Strafbarkeit indirekt durch die Genehmigung oder deren Verweigerung bestimmt wird und letztlich einem Eingriff der Exekutive in das Tätigkeitsfeld der Legislative gleichkommt. bb) Subjektiver Tatbestand Für den Fall, dass die Gerichte eine Strafbarkeit der Werbung für Veranstaltungen im Ausland aus § 287 Abs. 2 StGB ableiten wollen, wovon nach Ansicht des Verfassers kaum ausgegangen werden kann, muss das geschäftsführende Organ des betroffenen Lotterieunternehmens auch vorsätzlich138 handeln; andernfalls lägen die Voraussetzungen des objektiven und subjektiven Tatbestandes von § 287 Abs. 2 nicht vor.

136 Zu diesem Grundsatz allgemein: Kleinknecht!Meyer-Goßner, StPO, § 261 Rdnm. 26 ff. · 137 Baumann!Weber/Mitsch, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 9 Rdnm. 94, 99. 138 Zum Vorsatz Kühl, in: Lackner/Kühl, StOB,§ 15 Rdnr. 3 ff.; Rdnr. 19: voluntatives Element; Rdnr. 21: kognitives Element.

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cc) Rechtswidrigkeit Die Feststellung der Rechtswidrigkeit wirft keine Schwierigkeiten auf. Sie ist immer dann anzunehmen, wenn der Tatbestand erfüllt ist und keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind. 139 dd) Schuld Die Strafbarkeit nach § 287 Abs. 2 StGB setzt stets auch voraus, dass der Täter, also das ausländische Lotterieuntemehmen, schuldhaft gehandelt hat. Ein Ausschluss der Strafbarkeit könnte sich in den genannten Fällen allerdings aus § 17 StGB ergeben, wenn nämlich der Täter einem Verbotsirrtum unterlegen ist. Nach dieser Vorschrift handelt ohne Schuld, wem bei Begehung der Tat die erforderliche Einsicht fehlt, Unrecht zu tun; der Irrtum darf jedoch nicht vermeidbar sein. Da sich ein Unrechtsbewusstsein in den fraglichen Fällen nicht schon aus der Handlung selbst ergibt, weil das Veranstalten von Lotterien keinen eigenen Unrechtstatbestand begründet und nur das Veranstalten ohne die erforderliche Genehmigung zur Bestrafung führen kann, kommt es bei der Frage nach der Schuld einzig auf den Wissenshorizont des Handelnden an: war diesem tatsächlich bewusst, dass sein Verhalten, welches nach dem jeweiligen ausländischen Recht wohlgemerkt straflos ist, in Deutschland unter Strafe steht? Noch schärfer formuliert: Konnte er das überhaupt wissen? Mit den oben dargelegten Gründen konnte aufgezeigt werden, dass die Strafbarkeit nach § 287 Abs. 2 StGB in den hier berührten Fallbeispielen auch dem deutschen Rechtsexperten keinesfalls eindeutig erscheinen kann~ Das muss in verstärktem Maße für einen ausländischen Glücksspielveranstalter gelten, der vermutlich schon im Recht des Heimatlandes nur das Wissen eines Durchschnittsbürgers vorweist und schon gar nicht schwierige dogmatische Problemstellungen einer ausländischen Rechtsordnung kennen kann. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Garantiefunktion des deutschen Strafrechts 140 kann bei dieser Frage nur davon ausgegangen werden, dass der Täter keine positive Kenntnis hat und damit auch nicht über ausreichendes Wissen verfügt. Hat andererseits der Täter auf der Grundlage einer verlässlichen Rechtsauskunft gehandelt, wird es regelmäßig schon am Unrechtszweifel fehlen, der für das Vorliegen des Unrechtsbewusstseins bereits genügt. 141 Zudem kann sich der Geschäftsführer eines Unternehmens meist darauf berufen, dass er in Kenntnis der europarechtlichen 139 140 141

4 Wilms

Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, § 31 I 2. Hierzu allgemein Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rdnrn. 44 ff. Kühl, in: Lackner!Kühl, StGB, § 17 Rdnr. 4.

1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

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Rechtslage 142 davon ausgegangen ist, er müsse seine Tätigkeit in Deutschland nicht erneut genehmigen lassen. Es stellt sich allerdings die weitere Frage, ob der Irrtum hätte vermieden werden können. Wenn der Lotterieveranstalter indes entsprechende Erkundigungen eingeholt hat, auf die er sich laut Rechtsprechung, jedenfalls was die Strafbarkeit anbelangt, verlassen kann, 143 muss diese Frage wohl verneint werden. Da die Gerichte zu den Neuerungen des § 287 Abs. 2 StGB bislang keine Stellung bezogen haben, muss gemäß dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG davon ausgegangen werden, dass nur die Werbung für nicht genehmigte Lotterien bei Veranstalten im Inland strafbar ist - ein Fall also, bei dem auch die Haupttat strafbar ist. Auch hierbei wird eine Strafbarkeit letztlich immer an der Schuld scheitern, da das Werbeverbot ebenfalls nur für nicht genehmigte Lotterien gilt. Ein angeklagtes Lotterieunternehmen wird sich jedenfalls genauso darauf berufen können, dass nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft der Täter davon ausging, eine erneute Genehmigung sei nicht erforderlich. c) Strafbarkeit der Spieler nach§ 287 Abs. 1 StGB

Auch nach der Änderung des § 287 StGB macht sich der Spieler nicht nach Abs. I dieser Vorschrift strafbar, wenn er das Angebot einer nicht genehmigten Lotterie in Deutschland annimmt. 144 Nach der früheren Rechtslage war der Spieler grundsätzlich nach § 284 a wegen Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel strafbar, 145 die Beteiligung an einer Lotterien blieb dagegen straffrei. 146 Eine entsprechende Strafvorschrift fehlte. Der rechtspolitische Grund für die Straffreiheit wurde darin gesehen, dass die Beteiligung an Lotterien für den Spieler weniger gefährlich sei, als bei anderen Glücksspielen, da die Ausspielung stets einer erheblichen Verzögerung unterliege. Zudem könne der Spieler kaum feststellen, ob der Veranstalter die erforderliche Genehmigung besitzt. Der Nachweis des Vorsatzes gelang auch bei § 284 a StGB nur schwer. Allerdings ging man wegen des öffentlichen Erscheinungsbildes bei illega-

Siehe dazu unten I. Kapitel C. Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, Kommentar zum StGB, § 17 Rdnr. 7 m.w.N. 144 Die ,,Annahme" im Gesetzestext bezieht sich auf jene des Veranstalters, Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 287 Rdnr. 6. 145 Tröndle, § 284 a Rdnr. I (48. Auf!.). 146 BGHSt 34, 171, 179; Tröndle, Kommentar zum StGB. § 286 Rdnr. I (48. Auf!.). 142 143

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len Spielbanken eher davon aus, dass die fehlende Genehmigung nach außen hin zutage treten würde. Mit der Einfügung einer Stelle, wonach die Strafbarkeit sich auch auf die Annahme von ,.auf den Abschluss solcher Spielverträge gerichtete[n] Angebote[n]" erstreckt, werden dem Wortlaut nach nunmehr auch alle Spieler bestraft, wenn sie einen Lotterievertrag einer nicht genehmigten Lotterie annehmen. Ein Blick in die Gesetzesmaterialien und die ausreichende Würdigung des systematischen Zusammenhangs von Veranstalten und den im Gesetz nachfolgend aufgezählten Handlungsvarianten (,.Veranstalten, namentlich den Abschluss von Spielverträgen anbietet ... oder annimmt ...) zeigt jedoch zweifelsfrei, dass eine Pönalisierung der Spieler nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gewollt ist. Die erwähnte Aufzählung dient vielmehr der näheren Umschreibung von Begehungsformen des .,Veranstaltens". So heißt es in dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zur Änderung von § 287 StGB: § 287 Abs. 1 neu fasst die bisherigen Absätze l (Lotterien) und 2 (Ausspielungen) redaktionell zusammen und hebt typische Begehungsfonnen des Veranstaltens hervor. Die Schaffung eigener Einrichtungen durch den Anbieter ist keine zwingende Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung. Es wird davon ausgegangen, daß der sachliche Anwendungsbereich der Strafvorschrift durch die Textänderung lediglich klargestellt, nicht aber verändert wird. Insbesondere wird es für eine Strafbarkeit nach dieser Bestimmung auch künftig darauf ankommen, dass dem Publikum durch die Aktivitäten des Anbieters die Möglichkeit der Beteiligung an der Lotterie bzw. Ausspielung gewährt wird; (siehe zum geltenden Recht Eser in: Schönke/Schröder, a. a. 0 .• § 286 Rn. 15; erst wenn der Unternehmer alles hierzu Erforderliche getan hat, ist das Stadium strafloser Vorbereitung verlassen.

Auch im weiteren Verlauf der Ausführungen wird an keiner Stelle angedeutet, dass der Spieler nunmehr durch die Beteiligung an einer nicht genehmigten Lotterie strafbar sein soll. 147 Dahingehende Ausführungen fehlen auch im Gesetzesentwurf selbst sowie in den Änderungsvorschlägen des Bundesrates und in den Änderungsentwürfen. Da es sich bei der Pönalisierung des Spielers um eine qualitative Änderung handelt, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dies deutlich hervorgehoben bzw. diskutiert hätte. Tatsächlich betont wird hingegen nur, dass der Gesetzgeber nicht auf eine qualitative Änderung des Begriffs .,Veranstalten" abzielt, sondern vielmehr eine Klarstellung des Begriffs im Hinblick auf die Entbehrlichkeit von Einrichtungen bezweckt. Dies entspricht auch der systematischen Auslegung, da unter dem Begriff Veranstalten, 147 Wie es im Gegensatz dazu für das Glücksspiel in § 285 StGB n. F. ausdrücklich dargelegt ist.

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I. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

namentlich dem Angebot und dessen Annahme, nicht auch sogleich das Spielen subsumiert werden kann. 148 Überdies hätte der Gesetzgeber entsprechend dem neu gefassten § 285 StGB die Beteiligung des Spielers, also die Teilnahme an der Möglichkeit von Gewinn und Verlust, 149 durch die Schaffung eines eigenen Tatbestandes herausgestellt. Es kann daher ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beteiligung des Spielers an einer nicht genehmigten Lotterie nicht unter den Tatbestand des § 287 Abs. I StGB fällt. Der Spieler bleibt nach dem StGB straflos. Allerdings sehen einige Bundesländer besondere Ordnungswidrigkeitstatbestände im Zusammenhang mit Lotterien vor. Erkennbar zeigt sich dabei ein Bemühen der Länder, Spieler nicht in andere Bundesländer abwandern zu lassen. Aufgrund der nach allgemeiner Ansicht bestehenden Lotteriehoheit der Länder sind diese in der Lage, eigene Ordnungswidrigkeitstatbestände zu schaffen. Da die Vomahme eines ordnungswidrigen Verhaltens im Interesse der Spieler ebenfalls vermieden werden soll, schon alleine wegen des zu erwartenden negativen Images für das Spielen in ausländischen Lotterien, ist an dieser Stelle zu untersuchen, inwieweit durch die Geschäftstätigkeit ausländischer Lotterieunternehmen landesrechtliche Vorschriften berührt werden.

III. Ordnungswidrigkeiten im Recht der Bundesländer mit Bezug zu Lotterieveranstaltungen und Ausspielungen Vermutlich weniger aufsehenerregend als die bereits erläuterten Straftatbestände, aber von erheblicher praktischer Bedeutung können landesrechtliehe Vorschriften sein, die bestimmte Verhaltensweisen auf dem Gebiet des Glücksspiels mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts sanktionieren. Da das Spielverhalten potentieller und tatsächlicher Teilnehmer erfahrungsgemäß leicht zu beeinflussen ist, kann die Androhung eines Bußgeldes einschneidende und für die Lotterieveranstalter möglicherweise auch erdrückende Folgen haben. Der folgende Abschnitt soll daher helfen, einen kurzen Überblick über die einzelnen landesrechtliehen Ordnungswidrigkeitsvorschriften mit Auswirkungen auf das Lotterie- und Ausspielungswesen zu geben.

148 So auch Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, § 287 Rdnr. 11, wonach durch das "namentlich" verdeutlicht werden soll, dass nur der Begriff "Veranstalten" näher erläutert wird; ebenso Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 287 Rdnr. 6, der davon ausgeht, dass der Charakter der Vorschrift nicht geändert werden sollte. 149 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 285 Rdnr. 1.

B. Strafrecht

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1. Die einzelnen Ordnungswidrigkeilstatbestände

Die weitreichendsten Ordnungswidrigkeitstatbestände besitzen Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg. Nach dem sächsischen Lotteriegesetz handelt ordnungswidrig, ( 1) wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 5 Abs. 1150 Kinder zum Losverkauf heranzieht,

2. den Reinertrag der Veranstaltung ganz oder teilweise einem anderen als dem erlaubten oder den in den Fällen des § 6 dem von der Behörde genehmigten oder festgelegten Zweck zuführt, 3. dem nach § 7 bestellten Treuhänder die Spielunterlagen oder das Einspielergebnis ganz oder teilweise vorenthält oder entzieht, 4. die Anzeigepflicht auf Grund des § 8 Abs. 4 Halbsatz 2 nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt oder 5. eine Bestimmung der Erlaubnis oder einer vollziehbaren Auflage nach § 9 Abs. 1 zuwiderhandelt. (2) Ordnungswidrig handelt ferner, wer

1. in einer Lotterie spielt, die im Freistaat Sachsen nicht genehmigt ist,

2. gewerbsmäßig ein Los oder einen Losabschnitt einer im Freistaat Sachsen nicht genehmigten oder zugelassenen Lotterie veräußen, zur Veräußerung bereithält oder zum Erwerb anbietet. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Deutsche Mark geahndet werden. (4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Behörde, die für den Vollzug der verletzten Vorschrift zuständig ist . ..

Nach dem LOWiG (Landesordnungswidrigkeitsgesetz) in Baden-Württem-

berg und dem Landesgesetz über Ordnungswidrigkeiten im Lotteriewesen

in Rheinland-Pfalzhandelt ordnungswidrig, 151

(1) wer

1. in einer Lotterie spielt, die in Baden-Wümemberg nicht genehmigt oder zugelassen ist, 2. gewerbsmäßig ein Los oder einen Losabschnitt einer in Baden-Württemberg nicht genehmigten oder zugelassenen Lotterie veräußert, zur Veräußerung bereithält oder zum Erwerb anbietet, 3. gewerbsmäßig ohne Ermächtigung der Direktion der Süddeutschen Klassenlotterie Lose oder Losabschnitte dieser Lotterie oder Urkunden, durch ISO ISI

Jeweils sächs. LotterieG; Anm. v. Verf. Vgl. den nahezu identischen Wortlaut.

1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

54

welche Anteile an solchen Losen oder Losabschnitten zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert, zur Veräußerung bereithält oder zum Erwerb anbietet. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.

Nach dem LottoG Hessen, dem Niedersächsischen LottoG sowie dem Berliner Gesetz über die Deutsche Klassenlotterie besteht folgender eigener Straftatbestand: 152 Mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird, soweit die Tat nicht schon nach § 286 StGB mit Strafe bedroht ist, bestraft, wer ohne Genehmigung des Landes Hessen für eine im Lande Hessen (Niedersachsen, Berlin) nicht zugelassene oder genehmigte Zahlenlotterie 1. zum Abschluß oder zur Vermittlung von Spielverträgen auffordert oder sich erbietet, 2. Angebote zum Abschluß oder zur Vermittlung von Spielverträgen entgegennimmt.

Nach dem hessischen LottoG besteht zusätzlich folgender Ordnungswidrigkeitstatbestand (§ 3 a): (l) Ordnungswidrig handelt, wer an einer im Lande Hessen nicht zugelassenen oder

nicht genehmigten Zahlenlotterie als Spieler teilnimmt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße geahndet werden.

Die Länder Niedersachsen und Berlin haben von ihrer Befugnis zum Erlass einer vergleichbaren Regelung keinen Gebrauch gemacht. In Schleswig-Holstein und Bayern handelt schließlich ordnungswidrig, (l) wer

1. in öffentlichen Lotterien spielt, die im Land nicht erlaubt sind,

2. deren Lose, Losabschnitte, oder Losanteile vertreibt, feilhält oder anderen überlässt, 3. hierfür öffentlich wirbt oder 4. Gewinnergebnisse der in Nummer I bezeichneten Lotterien öffentlich bekanntgibt. (2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. I Nr. I kann mit einer Geldbuße bis zu tausend Deutsche Mark, die Ordnungswidrigkeit nach Abs. l Nr. 2-4 bis fünftausend Mark geahndet werden.

Entsprechend handelt auch in Bayern ordnungswidrig, wer 3. Gewinnergebnisse einer in Bayern nicht zugelassenen Lotterie . .. durch Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, bekannt gibt, in einer in Bayern erscheinenden Zeitung veröffentlicht oder öffentlich auslegt oder aushängt. 152

Vgl. den identischen Wortlaut der Strafvorschriften.

B. Strafrecht

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(2) Absatz l (Spielen in einer nicht genehmigten Lotterie) findet auch Anwendung auf Ausspielungen, die außerhalb Bayerns öffentlich veranstaltet werden.

Lediglich die Länder Nordrhein- Wesifalen, Brandenburg, das Saarland sowie Mecklenburg- Vorpommern verfügen entweder über keine Regelungen zu derartigen Lotterieordnungswidrigkeiten oder nur über spezifische Ordnungswidrigkeiten bei Zweckentfremdung der Mittel. Sie sehen jedoch keine Beschränkung des Spielens auf ihr eigenes Ländergebiet vor. 2. Zwischenergebnis

Nahezu alle Länder bis auf Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, das Saarland sowie Mecklenburg-Vorpommern enthalten Vorschriften, denen zufolge jemand ordnungswidrig handelt, wenn er an einer in dem jeweiligen Bundesland nicht genehmigten Lotterie teilnimmt. Entgegen der strafrechtlichen Regelung des Bundes sehen daher alle Bundesländer eine Pönalisierung des Spielers vor. Bayern und Schleswig-Holstein verbieten darüber hinaus die Mitteilung von Gewinnen durch Veröffentlichungen der im jeweiligen Bundesland nicht genehmigten Lotterien und verbieten damit typische Begleiterscheinungen von Lotterien. Am weitesten geht die Regelung Bayerns, wonach gemäß Abs. 2 ein Abwandern der Spieler in andere Bundesländer und in das Ausland verboten werden soll. 3. Konkrete Anwendung der Regelungen

Für den Spieler sind die jeweiligen Ordnungswidrigkeitsbestimmungen allerdings nur dann von Bedeutung, wenn er an einer Lotterie im betreffenden Bundesland teilnimmt, welche in diesem Bundesland nicht genehmigt ist. Findet die Lotterie dagegen im Ausland statt, liegt kein Fall des Spielens im Hoheitsgebiet des Bundeslandes vor. Lediglich Bayern will diesem Umstand entgegenwirken, indem es festlegt, dass nach Art. 1 Abs. 2 LottG ein rechtswidriges Spielen auch dann vorliegt, wenn der Täter in einem anderen Bundesland oder gar im Ausland "spielt".

a) Die Zulässigkeil der bayerischen Sonderregelung aa) Die Reichweite landesrechtlicher Regelungskompetenz Gegen die landesrechtliche Kompetenz einer solchen Regelung sprechen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die sich aus dem Verhältnis des Bundes und der Länder nach dem Grundgesetz ergeben. Diese organisationsrechtlichen Bedenken haben die meisten Länder wohl erkannt und mit Rücksicht darauf eine entsprechende Regelung von vornherein unterlassen.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Unabhängig von der Frage, wie weit die Regelungskompetenz eines Bundeslandes im Verhältnis zu einem anderen Bundesland reicht (fraglich wäre beispielsweise, ob eine landesrechtliche Vorschrift die Teilnahme an Lotterien in anderen Bundesländern verbieten darf), lässt sich jedenfalls für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern feststellen: Ein Bundesland darf keine Regelungen erlassen, die Angelegenheiten der auswärtigen Gewalt betreffen, da nach Art. 73 Nr. 1 GG die Frage der auswärtigen Gewalt in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt.153 Inhalt der bayerischen Sonderregelung ist die Zulässigkeil des Spielens im Ausland, also eine Frage der auswärtigen Gewalt. Die Regelung bzw. Pönalisierung eines solchen Verhaltens ist demnach Angelegenheit des Bundes, der wiederum aber keine derart weitreichenden Verbote erlassen hat. Bei Gegenständen der ausschließlichen Gesetzgebung führt das allerdings nicht etwa zu einer Überlassung der Regelungskompetenz an die Länder. Eine solche entsteht vielmehr erst, wenn und soweit die Länder ausdrücklich zur Regelung in diesem Bereich durch Bundesgesetz ermächtigt werden. 154 bb) Zwischenergebnis Insoweit ist Art. 1 Abs. 1 des bayerischen LottG, jedenfalls was das Spielen im Ausland betrifft, verfassungswidrig und damit ohne weiteres nichtig. b) Das Spielen in einer nach Landesrecht nicht genehmigten Lotterie

Nach den Grundsätzen des Strafrechts kommt die Regelung über den Ordnungswidrigkeilstatbestand nur dann zum Tragen, wenn der Spieler in einer nicht genehmigten Lotterie innerhalb des jeweiligen Landes spielt. Spielt er dagegen in einem anderen Bundesland bzw. im Ausland, ist für die Ordnungswidrigkeit kein Raum mehr. Wann eine Ordnungswidrigkeit daher den Tatort des Landes begründet, hängt ebenfalls von den im Strafrecht entwickelten Grundsätzen ab. 155 Es kommt demnach darauf an, ob die zur Ordnungswidrigkeit führenden gesetzlich definierten Handlungen im jeweiligen Bundesland oder anderswo vorgenommen wurden.

tsl Damit sind die Länder von der Gesetzgebung von vornherein ausgeschlossen, Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 71 Rdnr. 1. 154 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl., Art. 71 Rdnr. 3. tss Vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 18.

B. Strafrecht

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Insofern gilt für die Ordnungswidrigkeitstatbestände nichts anderes als im Strafrecht. Sobald der Spieler eine tatbestandliehe Handlung im jeweiligen Bundesland vornimmt, unterfallt er dem Ordnungswidrigkeitstatbestand. Um diesem zu entgehen, müssen alle Handlungen, die als "Spielen" qualifizierbar sind, im Ausland vorgenommen werden, da die meisten Bundesländer das "Spielen" als ordnungswidrige Handlung aufgenommen haben. Zum Spielen wird man ungünstigstenfalls alle Handlungen zählen, die von Seiten des Spielers erforderlich sind, sich an einem Lotteriespiel zu beteiligen, insbesondere die Willenserklärung über Annahme oder Angebot des Lotterievertrages, die Zahlung des Einsatzes und der Erhalt des Gewinns. Um der Ordnungswidrigkeit zu entgehen, sollten diese Handlungen so ausgestaltet werden, dass sie als im Ausland vorgenommen angesehen werden müssen. c) Die Bekanntgabe von Gewinnergebnissen nach dem Bayerischen und Schleswig-Holsteinischen Landesrecht

Nach den Vorschriften beider Länder handelt derjenige ordnungswidrig, der Gewinnergebnisse im Land ohne behördliche Genehmigung mitteilt. Der Ordnungswidrigkeitstatbestand greift aber nicht ein, wenn im Ausland gespielt wurde. Denn selbst wenn die Gewinnergebnisse schriftlich mitgeteilt werden, etwa indem die Spieler individuell oder durch Zusendung allgemeiner Gewinnlisten benachrichtigt werden, liegt bei Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs der Normen eine Ordnungswidrigkeit nur dann vor, wenn zuvor in einer von dem betreffenden Bundesland selbst nicht genehmigten Lotterie gespielt wurde (insoweit ist ähnlich wie bei der Werbung in § 287 Abs. 2 die Ordnungswidrigkeit abhängig von der Ordnungswidrigkeit der Haupttat). IV. Gestaltungsvorschläge 1. Die Verlegung der Lotterieveranstaltung ins Ausland

Eine Strafbarkeit nach § 287 StGB kann vermieden werden, wenn alle rechtsgeschäftliehen Akte des Spielervertrages, die zum Veranstalten von Lotterien gehören, nicht in Deutschland, sondern im Ausland stattfinden. Dann gibt es keinen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit in Deutschland und die Handlungen unterfallen dem ausländischen Strafrecht, sofern dieses eine Strafbarkeit vorsieht. In das Ausland verlagert werden müssen folgende Handlungen: (1) das Angebot zum Abschluss des Lotterievertrages

(2) die Annahme zum Abschluss des Spielvertrages (3) die Erfüllungshandlung in Folge der Einzahlung des Spieleinsatzes.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Finden diese Handlungen ausschließlich im Ausland statt, entfallt auch die Strafbarkeit der Werbung für unerlaubtes Veranstalten von Lotterien, da der Tatort der Haupthandlung nicht in Deutschland begründet wurde und der Werbestraftatbestand sich an der Unerlaubtheit des Glücksspiels i. S. d. Erfassung des StGB, d. h. i. S. d. unerlaubten Veranstaltung in Deutschland orientiert. 156 Die potentiellen Spieler dürfen durchaus von dem ausländischen Lotterieunternehmen informiert werden. Die einzelnen rechtsgeschäftliehen Handlungen (Angebot und Annahme) müssen jedoch im Ausland stattfinden. Idealerweise würde dies dadurch verwirklicht, dass ein Spieler einen bestimmten Betrag auf ein ihm selbst gehörendes Konto, das im Ausland geführt wird, von seinem deutschen Konto aus überweist und er dann in einem nächsten Schritt von diesem Konto auf das Konto des Lotterieunternehmens überweist. Damit läge die rechtsgeschäftliche Handlung, also das Angebot und die Annahme des Lotterievertrages ausschließlich im Ausland vor, da die Überweisung auf ein dem Spieler selbst gehörendes Konto rechtlich neutral ist und damit vom deutschen Strafgesetzbuch nicht erfasst wird. Dies muss rein technisch nicht mit Hilfe eines Bankhauses erfolgen, sondern kann auch anders gestaltet werden, z. B. durch die Gründung einer weiteren Firma des jeweiligen Lotterieunternehmens. Dadurch werden die rechtserheblichen Willenserklärungen in das Ausland verlagert und der Tatort Deutschland und damit die Strafbarkeit nach § 287 Abs. I StGB sowie die Strafbarkeit für Werbung nach Abs. 2 entfallen. 2. Verlegung sonstiger Nebenhandlungen ins Ausland

In derselben Art und Weise sollte auch die Auszahlung etwaiger Gewinne in einer doppelten Stufung abgewickelt werden, da nach einigen Ordnungswidrigkeitstatbeständen der Länder auch das Spielen in nicht genehmigten Lotterien ordnungswidrig ist; das Strafgesetz bestraft hingegen nur den Latteriebetreiber und nicht den Spieler. Da zum Begriff des "Spielens" wohl auch der Erhalt des etwaigen Gewinns zählt (insofern ist der Begriff relativ weit gefasst), sollte auch die Ausschüttung der Gewinne im Ausland erfolgen.

156 Nach der hier vertretenen Ansicht, weil Abs. 2 auf Abs. I verweist, also nach teleologischer Auslegung eine Strafbarkeit des Werbens nur bei Werbung für unerlaubte Lotterien vorliegen soll.

C. Europarecht

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V. Zusammenfassung Wegen der Besonderheiten des untersuchten Delikts, die im Wesentlichen von seinem Auslandsbezug und der Verwaltungsakzessorietät ausgehen, ist es in der Tat möglich, durch eine rechtliche Umgestaltung der Lotterieverträge den Tatort in das Ausland zu verlegen und somit der deutschen Strafbarkeit zu entgehen. Ein solches Vorgehen kann auch nicht als Umgehung des § 287 StGB angesehen werden, denn hier liegt eine Besonderheit des Straftatbestandes: ein Spielen und damit auch ein nicht genehmigtes Veranstalten von Lotterien im Ausland werden grundsätzlich als erlaubt angesehen. Es macht keinen Unterschied, ob der Spieler sich physisch ins Ausland begibt, oder aber ob er Handlungen im Ausland vornimmt. Soweit Angebot und Annahme im Ausland vorgenommen werden, entfällt eine Strafbarkeit für das Lotterieuntemehmen, das vom Ausland her auch deutsche Spieler teilhaben lässt. Ebenso entfällt nach der hier vertretenen Ansicht die Strafbarkeit gern. § 287 Abs. 2 StGB, wenn die Lotterie, für die geworben wird, selbst straflos ist. Eine Strafbarkeit der Spieler nach § 287 Abs. l StGB wird nicht begründet. Lediglich ein Verstoß gegen Ordnungswidrigkeitentatbestände der einzelnen Länder ist bei der Teilnahme an einer nicht genehmigten Lotterie möglich. Das kann wiederum verhindert werden, wenn alle Handlungen, die den Tatbestand erfüllen würden, in das Ausland verlegt werden.

C. Europarecht I. Das Verbot der Diskriminierung von Ausländern im Dienstleistungsbereich, Art. 49 f. EGV Wie eingangs bereits festgestellt, ist die Vereinbarkeit des § 21 Rennwett- und LotterieG mit Art. 49 f. EGV 157 nicht unproblematisch. Da Ausländer für die gleiche Tätigkeit einer höheren Besteuerung unterliegen als Inländer, und das in einer Weise, dass die Steuer letztlich einem Verbot gleichkommt, 158 scheint ein Verstoß gegen Art. 49 f. EGV möglich zu sein. Bei der höheren Besteuerung wird an die Ausländereigenschaft angeknüpft. Gerade solche Diskriminierungen sollen aber durch die Grundfreiheiten des EGV verhindert werden.

157 Art. 59 f. in der Maastrichter Fassung des EGV (ex-Art. 59 f. EGV); alle weiteren Angaben beziehen sich nur noch auf die konsolidierte Amsterdamer Fassung. 158 Siehe hierzu bereits oben, I. Kapitel, A. li. 1. ff.

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I. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Gern. Art. 2 EGV ist ein Ziel der Europäischen Gemeinschaft die Errichtung eines gemeinsamen Marktes. Ein gemeinsamer Markt setzt die Beseitigung aller Hemmnisse 159 im innergemeinschaftlichen Handel voraus, mit dem Ziel, die nationalen Märkte zu einem einheitlichen Binnenmarkt zusammenzuführen. 160 Die wesentlichen Eckpfeiler, die für die Errichtung eines solchen Binnenmarktes erforderlich sind, bilden die im EGV garantierten Grundfreiheiten, nämlich: I. der freie Warenverkehr (Art. 23-31 EGV),

2. die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39-42 EGV), 3. die Niederlassungsfreiheit (Art. 43-48 EGV), 4. die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49-55 EGV), 5. die Kapital- u. Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV). 161 Obwohl sich diese Grundfreiheiten zunächst an die Mitgliedstaaten richten, ist anerkannt, dass sich der Gemeinschaftsbürger unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar auf sie berufen kann. 162 Der Bürger kann sich also vor nationalen Gerichten auf Gemeinschaftsrecht berufen, welche dann gegebenenfalls den EuGH zur Vorabentscheidung anrufen können. 163 Für die Dienstleistungsfreiheit gelten die Art. 49 Abs. 1 und Art. 50 EGV in den Ausprägungen, die das Verbot von Diskriminierungen und sonstigen Beschränkungen betreffen, nach Ablauf der Übergangszeit (31. 12. 1989) unmittelbar und können daher als selbständige Rechtsgrundlage herangezogen werden. 164 Hintergrund der vier Grundfreiheiten ist das Verbot der Diskriminierung. 165 Kein Ausländer soll gegenüber einem Inländer von staatlicher Seite diskriminiert werden. Der EG-Vertrag enthält allgemeine Diskriminierungsverbote, so z. B. Art. 12 Abs. 1 EGV, wonach unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages (EG-Vertrages) jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, 166 sowie spezielle DiskrimiGeiger, EGV, Art. 2 Rdnr. 6. Lenz. EG-Vertrag Kommentar, Art. 2 Rdnr. 5; zur Herstellung des Binnenmarktes allgemein Herdegen, Europarecht, Rdnm. 272 ff. 161 Zu den Grundfreiheiten ganz allgemein Bleckmann, Europarecht, Rdnm. 1470 ff.; Herdegen, Europarecht, Rdnm. 281 ff. 162 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1963, (Rs. 26/62), Slg. 1963, 1, 25 f. 163 Herdegen, Europarecht, Rdnr. 220. 164 Vgl. Lenz, EG-Vertrag Kommentar, Art. 60, Rdnr. 35 mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH; Art. 49/50 (n. F.), Rdnr. 28, i. d. 2. Aufl. 1999. 16s Zu diesem Gesichtspunkt Herdegen, Europarecht, Rdnr. 282. 166 Kort, Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, s. 132, 135. 1S9

160

C. Europarecht

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nierungsverbote in den besonderen Vorschriften. Hintergrund der Vorschriften ist die Beseitigung jeder auf Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung. 167 Wenn ausländische Lotterieunternehmer im Gegensatz zu inländischen derart hoch besteuert werden, dass eine Ausübung der Tätigkeit unter wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr möglich ist, ist ein Verstoß gegen Art. 49, 50 EGV gegeben; diese Art von Diskriminierung auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit soll durch die Grundfreiheiten nämlich gerade verhindert werden. Art. 49 EGV besagt: Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsemprangers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Nach Art. 50 EGV sind Dienstleistungen im Sinne des EG-Vertrages alle Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere: a) gewerbliche Tätigkeiten b) kaufmännische Tätigkeiten c) handwerkliche Tätigkeiten d) freiberufliche Tätigkeiten. Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Einbringung seiner Leistung seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.

Seit dem lokrafttreten der Amsterdamer Vertragsfassung sind die Art. 49 f. EGV unmittelbar anwendbar geworden. Die Aufzählung des Art. 50 EGV über den Inhalt der Dienstleistung ist übrigens nicht abschließend; bekanntlich geht der EGV nämlich von einem weiten Dienstleistungsbegriff aus. 168 Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Dienstleistende vor allen Beschränkungen, die ihm aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit 167 Daneben gibt es noch die völkerrechtlichen Abkommen über das Verbot von Doppelbesteuerung. Zum Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zu den Doppelbesteuerungsabkommen: Lehner, Auswirkungen der Steuerharrnonisierung auf das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in: Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, S. 18, 20 ff., 26. 168 Kort, JZ 1996, S. 132, 134.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

oder wegen seiner Ansässigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auferlegt werden, grundsätzlich geschützt bleibt. 169 II. Die Grundsätzliche Anwendbarkeit des EG-Vertrages auf Glücksspiele Die Lotterie muss zunächst einmal dem EG-Vertrag unterfallen, damit das Verbot der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit überhaupt zur Anwendung kommt. In diesem Zusammenhang war ursprünglich nicht unbestritten, ob eine grundsätzliche Harmonisierung der Märkte auch für den Glücksspielsektor von den Mitgliedstaaten angestrebt wird. Teilweise wurde von den Regierungen der Mitgliedstaaten, so etwa der belgischen, deutschen, irischen und portugiesischen Regierung vorgetragen, dass Lotterieveranstaltungen nicht zum "Wirtschaftsleben" im Sinne des EG-Vertrages gehören. Lotterien seien in den Mitgliedstaaten herkömmlicherweise verboten oder würden ausschließlich aus Gründen des Allgemeininteresses unmittelbar vom Staat und unter seiner Kontrolle veranstaltet. Den Lotterien liege kein wirtschaftliches Leistungsverhältnis zugrunde, da sie auf Zufall beruhten. Lotterien seien Erholung oder Spiel und keine wirtschaftliche Tätigkeit. 170 Dagegen vertraten die Europäische Kommission sowie die Regierungen Frankreichs, Spaniens und Englands die Ansicht, Lotterien seien Dienstleistungen i. S. d. EG-Vertrages. Das Betreiben einer Lotterie sei eine Leistung, die den Teilnehmern an der Lotterie in der Regel gegen Entgelt erbracht würde. In dem Verfahren Schindler (C 275/92) aus dem Jahre 1994 hat sich der EuGH für eine Anwendbarkeit des EG-Vertrages und damit auch für eine Harmonisierung der Märkte auf diesem Gebiet ausgesprochen. 171 Zwar sei der Glücksspielmarkt kein herkömmlicher Markt, da er in den meisten Mitgliedstaaten einer besonders strengen Regelung und einer genauen behördlichen Kontrolle unterliege. Lotterien seien jedoch in den Mitgliedstaaten nicht völlig verboten, 172 sondern würden im Gegenteil

169 Vgl. ausfUhrlieh zur Rechtsprechung des EuGH: Randelzhafer, in: Grabitz:/ Hilf, Kommentar zur Europäischen Union - alt - , Art. 59 Rdnr. 9 ff. 170 So auch Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, 838 ff.,

der damit argumentiert, dass zur Dienstleistung auch die Gegenleistung gehört, die aber bei Losen fehle (was sich zumindest bei einer Niete herausstelle). Zudem sei die staatliche Veranstaltung von Glücksspielen eine hoheitliche, aber keine wirtschaftliche Tätigkeit (S. 840). Das Glücksspiel sei daher insgesamt dem Ordnungsrecht zuzuordnen, weil weniger der wirtschaftliche Aspekt, als vielmehr ordnungspolitische Zwecke im Vordergrund stünden. 171 Siehe dazu Vaßkuhle, VerwArch. 1996, S. 395, 415; Sura, Die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung eines Lotterieverbots, NJW 1995, S. 1470, 1471. 172 Vaßkuhle, VerwArch. 1996, S. 395, 414.

C. Europarecht

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in großem Umfang betrieben. Der Gesamtumsatz für legale Spiele wird auf mehr als 45 Milliarden ECU geschätzt. Nach einem von der Kommission veröffentlichten Bericht stellt der Glücksspielmarkt eine der wichtigsten Einnahmequellen der Staaten dar.173 Im Ergebnis jedenfalls findet der EGVertrag nach der Rechtsprechung des EuGH auf Glücksspiele Anwendung.

111. Die Lotterie als Dienstleistung i. S. d. Art. 60 EGV 1. Dienstleistung

Aus Art. 49 EGV ergibt sich, dass es sich bei den Vorschriften der Freizügigkeit im Dienstleistungsverkehr um einen Auffangtatbestand 174 handelt. Die Vorschriften über den freien Warenverkehr einschließlich der zollrechtliehen Bestimmungen i. S. d. Art. 30 EGV finden vorrangig Anwendung. Die Art. 28 ff. EGV (ex-Art. 30 ff. EGV) verlangen das Vorliegen einer Ware. Lotterielose sind aber keine Ware in diesem Sinne. 175 Denn Waren sind körperliche Gegenstände, denen aber auch ein wirtschaftlicher Wert zukommen muss. 176 Hier wird man einwenden wollen, dass Lotterielose schließlich auch körperliche Gegenstände seien und einer Anwendbarkeit von Art. 28 ff. EGV daher nichts in Weg zu stehen scheint. Da den Losen selbst aber kein wirtschaftlicher Wert zukommt - das dürfte sich spätestens bei einer "Niete" herausstellen -, sind Lotterielose keine Ware. 177 Der Erwerber erhält gegen Zahlung eines Entgeltes lediglich das Recht, am Spiel teilzunehmen und somit eine Gewinnchance wahrzunehmen, er erhält aber keinen Eigenwert aus dem Los selbst. Die Art. 28 ff. EGV sind auf Lotterien nicht anwendbar, die Art. 49 ff. EGV damit bei Lotterien nicht durch die Vorschriften über den freien Warenverkehr ausgeschlossen. Ebenso scheidet die Anwendung der Vorschriften über das Verbot von Zöllen und zollgleichen Abgaben gern. Art. 23 (ex-Art. 9), 25 (exArt. 12 ff.) EGV in Bezug auf § 21 Rennwett- und LotterieG aus, da sich auch diese Vorschriften nach einhelliger Meinung nur auf Waren, nicht aber auf Dienstleistungen beziehen. 173 Siehe auch Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 839. 174 Hakenberg, in: Lenz. EGV, Art. 60 Rdnr. 8; Art. 49/50 (n.F.) Rdnr. 8; Geiger, EGV, Art. 49 Rdnr. l. m Stein, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 24.03.1994 (Rs. C-275/92), in: EuZW 1994, S. 315. 176 Zum Begriff der Ware vgl. Voß, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 23 Rdnr. 12; Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 20 Rdnr. 14. 177 Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 839.

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

Die Vorschriften über Zölle und Abgaben zollgleicher Wirkung knüpfen nämlich an die Einfuhr der Ware an, betreffen also nur eingeführte Erzeugnisse, nicht jedoch einheimische Waren. Zwischen Abgaben zollgleicher Wirkung und inländischen Abgaben besteht ein Ausschlussverhältnis. 178 Daran, dass an die Einfuhr von Waren geknüpft wird, zeigt sich, dass die Vorschriften nicht auf Dienstleistungen anwendbar sind. Der EuGH 179 hat in dem oben genannten Urteil Schindler ./. Her Majesty's Customs and Exercise erwogen, ob nicht wenigstens die Versendung und Verteilung von Werbeprospekten oder Losen als Versendung von Waren i. S. d. Art. 30 EGV angesehen muss. Dem Fall Schindler liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Brüder Schindler hatten für die Süddeutsche Klassenlotterie Werbematerial und Teilnahmeformulare nach England versandt, um englische Kunden für die in Deutschland stattfindenden Ausspielungen zu gewinnen. Die Postsendungen wurden jedoch von den britischen Behörden bei der Einfuhr gestoppt und beschlagnahmt. Die Beschlagnahme wurde mit dem in Großbritannien geltenden Lotterieverbot begründet. In England ist die Einfuhr von Werbematerial oder die Mitteilung über die beabsichtigte Ziehung einer Lotterie verboten. Die Brüder Schindler klagten daraufhin gegen die Beschlagnahme. Der zuständige High Court of Justice legte dem EuGH den Rechtsstreit im Vorabentscheidungsverfahren vor. Dabei entschied sich das Gericht gegen eine Behandlung der Lose als Waren. Zwar handele es sich um körperliche Gegenstände, die Versendung von Losmaterial könne jedoch nicht losgelöst von der Lotterie betrachtet werden, auf welche sich die Einfuhr .der Lose beziehe. Die Einfuhr und Verteilung von Gegenständen seien kein Selbstzweck, sondern sollen den Personen, die im Inland wohnen, die Teilnahme an der Lotterie ermöglichen. Der EuGH kam daher zu dem Ergebnis, dass es sich bei Lotterien um Dienstleistungen i. S. d. Art. 60 EGV handeln müsse. Der Katalog des Art. 60 EGV enthalte keine abschließende Regelung. Vielmehr sei jede Tätigkeit, die im Interesse und für einen Dritten erbracht werde, als Dienstleistung anzusehen. Den Teilnehmern, die ein Los erworben hätten, werde eine Gewinnchance eingeräumt. Die Süddeutsche Klassenlotterie übernehme die Einziehung der Einsätze und die Durchführung der Ziehungen und zahle schließlich einen etwaigen Gewinn an den Teilnehmer aus. Die Veranstaltung stelle daher grundsätzlich die Erbringung einer Leistung dar.lso 178 Schroer-Schallenberg, in: Birk (Hrsg.) Handbuch des Europäischen Steuer und Abgabenrechts, § 16 Rdnr. 11. 179 Urt. v. 24.3.1994 (Rs. C-275/92), Slg. 1994, 1-1039.

C. Europarecht

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Da damit die Veranstaltung von Lotterien als Dienstleistung gewertet wurde und die Verteilung von Werbematerial sowie der Verkauf von Losen nur als untergeordnete Tätigkeit, die am Dienstleistungscharakter nichts ändert, ist der Verkauf von Lotterielosen ausländischer Klassenlotterien in Deutschland ebenfalls als Dienstleistung i. S. d. Art. 60 EGV anzusehen. In Ermangelung einer Wareneigenschaft der Spielscheine handelt es sich bei Lotterien um Dienstleistungen, auf welche die Art. 49 f. EGV anwendbar sind. 2. Grenzüberschreitender Charakter

Gern. Art. 50 muss die Dienstleistung einer ausländischen Klassenlotterie grenzüberschreitenden Charakter haben. Unter den Begriff der Dienstleistung fallen auch sog. Korrespondenzdienstleistungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass Leistungserbringer und Leistungsempfänger in ihren Heimatstaaten bleiben und nur die Dienstleistung als solche die Grenze überschreitet (z. B. bei Rundfunk- und Fernsehleistungen oder Bankdienstleistungen). 181 Gerade beim Glücksspiel und der Lotterie kommt eine solche Dienstleistung im Korrespondenzverkehr in Betracht, nämlich durch Angebot per Post, Telefon oder elektronische Medien. 182 Durch die Zunahme der Telekommunikation und anderer moderner Formen des Informationsflusses hat die Korrespondenzleistung sich sogar zunehmend in den Mittelpunkt der Dienstleistungsfreiheit gestellt. 183 Wenn allerdings die Ausspielung, also die eigentliche Leistungserbringung, ausschließlich im Ausland erfolgt, spricht viel dafür, anzunehmen~ dass auch die Dienstleistung nur im Ausland erfolgt. Eine solche Betrachtung hat den Vorzug, dass insoweit die Beachtung deutscher Rechtsvorschriften, z. B. in Bezug auf eine erforderliche Genehmigung der Lotterie im Inland, schon deshalb nicht notwendig ist. Damit treffen den Veranstalter der Lotterie auch etwaige Vorschriften über Pflichtabgaben für gemeinnützige Zwecke nicht, da die Umsätze im Heimatstaat getätigt werden. Regeln, die für die inländischen Glücksspielveranstalter gelten, treffen den ausländischen Anbieter nur begrenzt. 184 Ebenso würde den Veranstalter dann auch keine Strafbarkeit für nicht genehmigte Lotterien treffen. DageVgl. EuGH, Urt. v. 24.3.1994 (Rs. C-275/92),Sig. 1994, 1-1039. Vgl. zum Charakter der sog. Korrespondenzdienstleistungen: Schöne, Dieostleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 69 f. 182 Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 842. 183 Kort, Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, s. 132, 134. 184 Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 842. 180 181

5 Wilms

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1. Kap.: Die Rechtsgebiete im Überblick

gen wird jedoch eingewandt, dass nach § 287 Abs. 1 StGB i. V. m. den landesrechtliehen Lotterieverordnungen bereits das Veranstalten einer Lotterie im Korrespondenzwege an die Erlaubnis der zuständigen Behörde geknüpft sei. 185 Diese Auseinandersetzung soll aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Der EuGH hat ebenfalls ohne nähere Problematisierung eine Korrespondenzdienstleistung im Fall Schindler bejaht. Dem wird man nur zustimmen können, wenn man das Versenden der Lose oder aber die Übermittlung der Depotpolicen als Teil der Dienstleistung, also des Angebots zum Abschluss eines Lotterievertrages wertet. Diese Auffassung dürfte auch der herrschenden Meinung entsprechen. 186 Folgt man dieser herrschenden Auffassung, liegt eine grenzüberschreitende Dienstleistung vor, sobald die Lose versandt werden, auch wenn die Ausspielung ausschließlich im Ausland stattfindet. Mit der herrschenden Meinung ist auf diese Fälle Art. 49 EGV anzuwenden. Dieser wird im Einzelfall jedoch verdrängt, wenn die Art. 90 ff. EGV (ex-Art. 95 ff. EGV) anwendbar sind.

tss Vgl. Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 70; Bubnojf. in: Leipziger Kommentar, § 286, Rdnr. 14. 186 Vgl. Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 69 f. m.w.N.

2. Kapitel

Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage im Einzelnen A. Die Übereinstimmung des § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz mit dem Europarecht I. Die steuerrechtliehen Vorschriften, Art. 90 tT. EGV

Sind die Art. 90 ff. EGV (ex-Art. 95 ff. EGV) auf einen konkreten Fall anwendbar, dann sind die Art. 49, 50 EGV subsidiär. Die Art. 90 ff. EGV enthalten eine spezielle steuerrechtliche Ausprägung des Diskriminierungsverbotes nach Art. 12 EGV (ex-Art. 6 EGV) 1 und sollen bewirken, dass der steuerliche Grenzausgleich nicht dazu missbraucht wird, die Wareneinfurnl zu behindern. Es sollen vielmehr in abgabenrechtlicher Hinsicht normale Wettbewerbsbedingungen für eingeführte Erzeugnisse bestehen. 3 Die Art. 9{}-93 EGV (ex-Art. 95-99 EGV) tragen diesem Erfordernis Rechnung, indem die Normen alle nationalen steuerlichen Praktiken verbieten, die eingeführte Waren diskriminieren oder bestimmte nationale Produk~ tionen schützen. Art. 90 Abs. 1 EGV gilt ebenfalls unmittelbar zugunsten der Bürger. Auf Vorlage der deutschen Finanzgerichte hat der EuGH festgestellt, dass Art. 90 EGV zu seiner Wirksamkeit keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane mehr bedürfe. Diese Wirkung schließt nach dem EuGH die Anwendbarkeit aller mit dieser Vorschrift unvereinbaren innerstaatlichen Maßnahmen aus.4

Voß, in: Grabitz/Hilf- alt-. Art. 95 Rdnm. 2, 61 (Stand Oktober 1999). Zum Begriff der Ware s. Voß in Grabitz!Hilf- alt -, Art. 23 Rdnr. 12 (Stand Oktober 1999). 3 Vgl. Voß, in: Grabitz/Hilf- alt-, Art. 95, Rdnr. 3 f (Stand Oktober 1999), der von "Wettbewerbsneutralität" spricht. 4 Vgl. Voß, in: Grabitz/Hilf- alt-. a.a.O. Rdnr. 56 ff. m. w.N. zur Rechtsprechung. 1

2

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

1. Indirekte Steuer

Der EGV differenziert grundsätzlich zwischen sog. indirekten Steuern und direkten Steuern. Die Art. 90 bis 93 EGV gelten nur für indirekte Steuern.5 Direkte Steuern, hauptsächlich die Einkommen- und Vermögensteuer werden vom Vertrag eher ignoriert. Üblicherweise werden indirekte und direkte Steuern danach unterschieden, wer die eigentliche Steuerlast trägt. Bei direkten Steuern sind Steuerschuldner und Steuerträger identisch. Indirekte Steuern werden vom Steuerschuldner auf einen anderen, den Steuerträger übergewälzt, so z. B. bei Umsatz-, Verbrauch- und Verkehrsteuern, bei denen die Steuer im Preis der umsatz-, verbrauch-, und verkehrsteuerbelasteten Waren enthalten ist.6 Es besteht allerdings Einigkeit, dass diese Differenzierung teilweise unglücklich ist, da es indirekte Steuern gibt, bei denen es keine Überwälzung gibt. Andererseits gibt es wieder direkte Steuern, bei denen eine Überwälzung faktisch besteht. 7 Bei der Lotteriesteuer nach dem Rennwett- und LotterieG handelt es sich um eine indirekte Steuer, eine sog. Verkehrssteuer, welche aus der früheren Stempelsteuer entstanden ist. 8 Insoweit greift das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 90 EGV, welches verbietet, "Waren aus anderen Mitgliedsstaaten gegenüber Erzeugnissen des Einfuhrlandes zu benachteiligen, die im Hoheitsgebiet dieses Landes auf den Markt gelangen".9 2. Beschränkung auf Waren?

Für die Anwendung der Art. 90 ff. EGV müssen allerdings Waren 10 vorliegen. Sie beziehen sich nämlich unmittelbar auf den freien Warenverkehr11 und finden daher auf bloße Dienstleistung keine Anwendung. Bei den oben als Dienstleistung qualifizierten Lotterien handelt es sich, jedenfalls nach Ansicht des EuGH, aber gerade nicht um Waren. 12 Vertretbar ' Voß, in: Grabitz/Hilf- alt -, Art. 95 Rdnr. 18 ff., wonach sich die Anwendung nur auf indirekte Steuern zwar nicht aus dem Wonlaut ergibt, dafür aber aus An. 92 EGV (ex-An. 98 EGV), der die Einbeziehung direkter Steuern als im Regelfall unzulässig bezeichnet. 6 V gl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rdnr. 20. 7 V gl. Birk, Steuerrecht I, § 6 Rdnr. 2. 8 Klenk, Zur Entstehungsgeschichte und zum Charakter der Lotteriesteuer, in: DVR 1917, S. 18 (18). 9 Siehe EuGH, Rs. 34/67. 10 Vgl. zum Warenbegriff des Art. 90: Reicherts in: v. d. Groeben/Thiesingl Ehlermann, EWGV (4. Aufl.), An. 95 Rdnr. 33 ff. 11 Voß, in: Grabitz/Hilf- alt-, An. 95 Rdnr. 7.

A. § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz und Europarecht

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erscheint allerdings eine analoge Anwendung der Vorschriften. In letzter Zeit ist sowohl in der Rechtslehre als auch in der Rechtsprechung eine produktbezogenere Auslegung der Dienstleistungsfreiheit zu beobachten, da die Dienstleistungsfreiheit eine starke Parallele zum Warenverkehr aufzeige; 13 insofern erscheint es naheliegend, jedenfalls dann eine analoge Anwendung des Art. 90 EGV zu befürworten, wenn der Steueranknüpfungspunkt - wie vorliegend - gerade die Überschreitung eines körperlichen Gegenstandes, nämlich der Lose ins Inland, ist. 14 Folgt man dieser Überlegung, stellt eine erhöhte Abgabe von ausländischen Lotterien im Vergleich zu inländischen Lotterien wegen Art. 90 Abs. 1 EGV einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar. Hält man dagegen die steuerlichen Vorschriften des EGV in solchen Lotteriefallen nicht für anwendbar, da man die Lose mit dem EuGH nicht als Ware betrachtet, muss auf die Art. 49, 50 EGV zurückgegriffen werden. 3. Anwendbar auch auf Dienstleistungen?

Die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit werden nicht dadurch vom Anwendungsbereich verdrängt, dass das Rennwett- und LotterieG anders als im Fall Schindler nicht ein Verbot der Lotterie, sondern eine ausländerdiskriminierende Steuer mit erdrosselnder Wirkung enthält. In Deutschland gibt es nicht nur eine höhere Verkehrsteuer für ausländische Lotterien; diese Steuer kann im Einzelfall vielmehr sogar eine erdrosselnde Wirkung haben. Wenn eine solche Wirkung eintritt, kommt die Steuer ohne weiteres einem Verbot gleich. Für den Steuerschuldner besteht dann kein Unterschied, ob ein Land ein Verbot ausspricht oder eine Steuer so erhebt, dass sie von seiner Wirkung einem Verbot gleichkommt. Wenn durch die Steuer eine erdrosselnde Wirkung eintritt, ist der Fall also dem gleichzusetzen, dass ein ausdrückliches Verbot der Lotterie besteht. Das aber bedeutet wiederum, dass die Sachverhaltskonstellation derjenigen im Falle Schindler So auch Voßkuhle, VerwArch. 1996, 395, 416. Vgl. Troberg, in: v. d. Groebenffhiesing/Ehlermann, EWGV (4. Aufl.), Art. 59 Rdnm. 6, 22 f., der eine produktbezogene Betrachtung befürwortet; Kort, Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, S. 132, 133, 136, der eine Parallele zwischen Warenverkehrsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit zieht und die Schranken der Warenverkehrsfreiheit auf die Dienstleistungsfreiheit anwenden will. A. A. Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, I. I. Rdnr. 12, der davon ausgeht, mit Dienstleistung seien nur Unternehmerische Leistungen gemeint, keine Waren; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 12: Dienstleistungen seien gerade keine Ware. 14 Vgl. Troberg, a.a. O., Art. 59 Rdnr. 6, 22; a.A. Schroeder, der den Schwerpunkt bei der Dienstleistung sieht und die Werbung/Lose nur als Hilfstätigkeit, in: EuGRZ 1994, S. 373, 375. 12 13

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

deutlich ähnelt. Dann ist auch nicht länger ersichtlich, wieso die Art. 49, 50 EGV nicht anwendbar sein sollen, zumindest wenn man nicht der obigen Meinung folgt und bereits Art. 90 ff. EGV für anwendbar hält. Der Bundesfinanzhof hat in Zusammenhang mit direkten Steuern in einer neueren Vorlageentscheidung die Frage aufgeworfen, ob die Freizügigkeitsrechte des EG-Vertrages überhaupt für Steuern gelten, was er für direkte Steuern im Ergebnis verneinen will. 15 Nach Ansicht des EuGH gilt das Harmonisierungsgebot sowohl für indirekte (so ausdrücklich der EGV) als auch für direkte Steuern. Der Streit wirkt sich jedoch nicht aus, da der BFH diese Frage nur in Zusammenhang mit direkten Steuern diskutiert. In Bezug auf indirekte Steuern gilt entsprechend einer Zusammenschau der Art. 93, Art. 49 und Art. 12 EGV, dass eine Steuer jedenfalls nicht unmittelbar aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminierend sein darf, wodurch die Vereitelung der bereits erreichten Liberalisierung des Warenhandels durch steuerliche Praktiken verhindert werden soll. 16 Art. 12 EGV verbietet nämlich, unbeschadet besonderer Bestimmungen des EU-Vertrages, in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Deshalb dürfen sowohl indirekte als auch direkte Steuern nicht allein aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu einer unterschiedlichen Besteuerung führen. II. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die steuerrechtliche Diskriminierung 1. Offene Diskriminierung Art. 49 i. V. m. Art. 60 EGV begründet zunächst ein offenes Diskriminierungsverbot Jede offene Diskriminierung stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Vorschrift dar. 17 Von einer offenen Diskriminierung ist nach der Rechtsprechung des EuGH auszugehen, wenn an den Dienstleistungserbringer aufgrund seiner Staatsangehörigkeit besondere Anforderungen gestellt werden. 18 Im Fall Schindler hatte der EuGH die Annahme einer offenen Diskriminierung deshalb verneint, da zum damaligen Zeitpunkt das Veranstalten von Lotterien in Großbritannien für jeden, also auch für Inländer, verboten war. Vgl. EuZW 1993, S. 581. Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - alt - , Art. 95 Rdnr. I. 17 Hakenberg, in: Lenz. EGV, Art. 49/50 (n.F.) Rdnr. 19. 18 Dazu v. d. Groebentrhiesing/Ehlermann, EWGV (4. Aufl.), Art. 59 Rdnr. 7; Hakenberg, a. a. 0., Rdnr. 21. I$

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A. § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz und Europarecht

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Von einer offenen Diskriminierung konnte daher in jenem Fall nicht ausgegangen werden, da von dem Verbot alle erfasst wurden, Inländer wie Ausländer. In Betracht kam höchstens das Vorliegen einer indirekten Diskriminierung, bei der die verbotene ausländische Tätigkeit einer erlaubten inländischen ähnlich ist. 19 Bei der Einfuhr von Lotterielosen nach Deutschland verhält es sich jedoch anders. In Deutschland sind Lotterien nicht schlechthin verboten, wie sich aus der Möglichkeit der Erlaubnis von Lotterien durch die Länder ergibt. 20 Lotterien unterliegen zwar strengen Genehmigungsvoraussetzungen sowie einer Bedürfnisprüfung, die in den Regelungsbereich der Länder fallen. Mangels grundsätzlichen Lotterieverbotes - so im Fall Schindler - kann der Diskriminierungstatbestand immer erfüllt sein, wenn ausländischen Lotterieunternehmen das Betreiben der Lotterie in Deutschland verboten wird, weil dann zur Unterscheidung an die Ausländereigenschaft angeknüpft wird. Evident diskriminierend ist der Umstand, dass ausländische Lotterien höher als inländische besteuert werden.21 Während Inländer einer Lotteriesteuer von 16 2/ 3 % unterliegen, beträgt die Steuer bei Ausländern 25 %. Hinzu kann die Problematik der erdrosselnden Wirkung kommen. Dies stellt einen offenen Diskriminierungstatbestand dar. 2. Mittelbare Diskriminierungen

Ebenso schützt Art. 49 EGV vor versteckten Diskriminierungen.22 Eine solche liegt vor, wenn die Schlechterstellung zwar nicht ausdrücklich, aber faktisch zu einer Schlechterstellung aufgrund der Staatsangehörigkeit führt. 23 Das ist meist dann der Fall, wenn Inländer typischerweise die Anforderungen einer staatlichen Norm erfüllen, inhaltlich also im Ergebnis fast nur die ausländischen Anbieter betroffen sind, selbst wenn die Normen formell alle betreffen. 24 Das Rennwett- und LotterieG stellt neben der offenen Diskriminierung eine mittelbare Diskriminierung dar, da das Gesetz nicht berücksichtigt, dass der Lotterieveranstalter bereits in seinem Heimatland die üblicherweise mit Lotterien verbundene Steuer abgeführt hat. Die Gefahr einer möglichen Dazu eingehender Voßkuhle, VerwArch. 1995, S. 395, 481. Die Strafbarkeit besteht nur bei Betreiben "ohne Genehmigung", vgl. § 287 StGB. 21 Zur offenen Diskriminierung: v. d. Groebenflhiesing!Ehlennann, Art. 59 Rdnr. 8. 22 Thommes, in: Lenz, EG-Handbuch Recht, S. 611 zur Unterscheidung. 23 Vgl. EuGH, Urt. v. 3.12.1974, (Rs. 33174), van Binsbergen/Bdrifsvereinigung Metaalnijverheid, Slg. 1974, 1299, 1308 f. 24 Schroeder, Kein Glücksspiel ohne Grenzen, EuGRZ 1994, S. 373 (376). 19

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

Kumulativsteuer liegt auf der Hand. Auch wenn ausnahmsweise nicht die Lose, sondern die Spielereinsätze besteuert werden, ändert sich daran nichts. Inwieweit der Prozess der Harmonisierung der indirekten Steuern vorangeschritten ist, kann hier nur oberflächlich untersucht werden. 25 Jedenfalls kann festgehalten werden, dass der Veranstalter eine erhebliche Abgabe für die Veranstaltung der Lotterie bereits entrichtet hat. Das beinhaltet m. E. ebenfalls einen versteckten Diskriminierungstatbestand, da eine Unterscheidung und Diskriminierung nicht offen vorgenommen wird und In- und Ausländer die gleiche Steuer zahlen. Indem jedoch die ausländischen Unternehmen bereits eine Abgabe entrichtet haben, müssen sie letztendlich zweimal Steuern und Abgaben abführen. 26 3. Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit generell

Die Rechtsprechung des EuGH sowie die herrschende Lehre ist relativ früh dazu übergegangen, unter den Beschränkungsbegriff der Art. 49, 50 EGV auch nicht-diskriminierende Maßnahmen zu rechnen. 27 Der Wortlaut des Art. 50 Abs. 3 EGV erschöpft sich zwar im Gebot der Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern in Bezug auf die rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen für die Erbringung und Entgegennahme von Dienstleistungen. Nach Ansicht des EuGH können aber auch Bestimmungen, die fremde Staatsangehörige zwar nicht schlechter stellen, aber den Dienstleistungsverkehr behindern, unzulässige Beschränkungen sein.28 Die Verwirkiichung eines gemeinsamen Binnenmarktes verlange die Aufhebung 25 Vgl. dazu das Urteil des EuGH v. 26.6.1997 (Rs. C-370/95), Slg. 1997, 1-3721, bei dem es um die Frage ging, ob die spanische Glücksspielsteuer als Umsatzsteuer angesehen werden kann und ob sie dann gegen Art. 33 der 6. EG-Richtlinie verstößt. Der EuGH entschied, dass diese Steuer den Charakter einer Umsatzsteuer durchaus haben kann; für diese Untersuchung hat das Urteil allerdings insofern keine Bedeutung, als in Deutschland keine speziellen Glücksspielsteuern erhoben werden. Glücksspiele sind in Deutschland entweder allgemein mit der Umsatzsteuer belastet oder Gegenstand besonderer Lotteriesteuern. Für letztere ließe sich jedoch vorstellen, dass die Urteilsgründe in entsprechender Anwendung auch einen Verstoß der deutschen Lotteriesteuer gegen Art. 33 der 6. EG-Richtlinie begründen könnte; dagegen spricht aber, dass die Lotteriesteuer auf eine kleine Gruppe beschränkt ist. Zur Harmonisierung der indirekten Steuer s. Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, S. 52 ff. (Podiumsdiskussion). 26 Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung, die darin ihre Ursache hat, dass sich die Rechtsordnungen der einzelnen Staaten überschneiden, s. Kluge, Das deutsche Internationale Steuerrecht, § 3, 2 b). Daher sind auch im Herkunftsland zu entrichtende Abgaben zu berücksichtigen, so Geiger, EGV, Art. 90 Rdnr. 14. 27 Vgl. zur umfangreichen Rechtsprechung des EuGH Troberg, in: v. d. Groeben/ Thiesing/Ehlermann, EWGV (4. Aufl.), Art. 59 Rdnr. 7 ff., mit einer Differenzierung nach den Beschränkungsarten.

A. § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz und Europarecht

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aller Beschränkungen, die geeignet seien, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindem.29 Solche Beschränkungen können aber, wie noch im Folgenden auszuführen sein wird, ausnahmsweise durch ein objektives Allgemeininteresse gerechtfertigt sein?0 Diese Entwicklung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Dienstleistungsverkehr dem Warenverkehr angeglichen ist, die Entwicklungen für Beschränkungen des Warenverkehrs also auch auf den Dienstleistungsverkehr anzuwenden sind.31 Der EuGH hatte im Fall Schindler ebenfalls zu prüfen, ob das Verbot von Lotterien in Großbritannien eine unzulässige Beschränkung des Diensileistungsverkehrs darstellt. Zwar kam das Gericht zu der Auffassung, dass eine Beschränkung vorlag, diese jedoch durch ein überwiegendes Allgememmteresse gerechtfertigt sei. 32 Ein Allgemeininteresse für eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs liegt vor, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses zugrunde liegen, diesen Gründen nicht bereits durch Vorschriften des Herkunftsstaates Rechnung getragen wird (sog. Herkunftslandprinzip) und die Beschränkung im Übrigen verhältnismäßig ist. 33 Als Erfordernis eines solchen Allgemeininteresses ist bislang anerkannt:34 - der Schutz der Verbraucher; - der Schutz der Bevölkerung im Hinblick auf freiberufliche Leistungen, vermittelt durch Berufsregelungen, die bestimmte Fertigkeiten verlangen und Berufspflichten auferlegen; 28 Wesentlich dazu ist die Entscheidung des EuGH van Binsbergen (Urt. v. 3.12. 1974, (Rs. 33174), Slg. 1974, 1299). Dort hielt der EuGH die Residenzpflicht eines Rechtsbeistandes für eine unzulässige Beschränkung der Dienst1eistungsfreiheit, da ein Allgemeininteresse für eine solche Pflicht insoweit nicht erkennbar war; s. auch Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 128. 29 v. d. Groebenffhiesing/Ehlermann, EWGV (4. Aufl), Art. 59, Rdnr. 38; Voßkuhle, VerwArch. 1996, S. 395, 417; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, s. 103. 30 Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 121; Voßkuhle, VerwArch. 1996, S. 395, 417; Hakenberg, in: Lenz, EGV, Art. 49/50 (n.F.) Rdnr. 26. 31 Kon, Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, s. 132, 136. 32 Zur Darstellung der Urteilsgründe s. o. C I 3 a). 33 So EuGH, Urteil vom 4.12.1986 (Rs. 204/84), Slg. 1986, S. 3755- Versicherung; EuGH Slg. 1991, 1-4221 - Säger; Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 119 m. w. N. 34 Vgl. die Übersicht bei Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 119.

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

- der Schutz bei der Stellenvennittlung; - Gründe kulturpolitischer Art (kulturelles Erbe); - Schutz des geistigen Eigentums; - soziale Belange; - steuerliche Belange (Kohärenz einer Steuerregelung). Liegt eine Beschränkung vor, welche dem Allgemeininteresse dient, ist nach der Rechtsprechung des EuGH weiter zu prüfen, ob die Bestimmung geeignet und erforderlich ist, das schützenswerte Allgemeininteresse zu verfolgen. Es dürfen keine Maßnahmen zur Verfügung stehen, die den zwischenstaatlichen Dienstleistungsverkehr weniger einschränken. 35 Nach der Ansicht des EuGH erweist sich eine Regelung des Tätigkeitsbzw. Empfangsstaates nur dann als notwendig, wenn dem Allgemeininteresse nicht schon durch Rechtsvorschriften, Maßnahmen usw. ausreichend Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistungserbringer in dem Staat seiner Ansässigkeit unterliegt (Herkunftslandprinzip).36 Dabei ist eine Verdoppelung einer Beaufsichtigung wie auch von Nachweisen und Sicherheiten zu vermeiden, da auch sie zur allgemeinen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit führen können. 4. Zusammenfassung

Eine unterschiedliche Besteuerung von Ausländern bzw. ausländischen juristischen Personen allein aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wie es das Rennwett- und LotterieG vorsieht, stellt einen Diskriminierungstatbestand gern. Art. 49, 50, i. V.m. 90 EUV dar.l7 Die Dienstleistungsfreiheit wird nicht nur durch Diskriminierung, sondern auch durch sonstige Beschränkungen betroffen. 38 Diese sind nur zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dienen und zudem noch verhältnismäßig sind. 39 Keinesfalls darf aber eine Verdoppelung der Anforderungen dergestalt stattfinden, dass nochmals Qualifikationen zu erfüllen sind, die denselben Allgemeinbedürfnissen Schutz bieten sollen, denen schon durch Regelungen im Heimatstaat Rechnung getragen wird (Herkunftslandprinzip). Eine Beschränkung s Lenz, EGV-Kommentar, Art. 49/50 Rdnr. 121 ff.

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Kort, JZ 1996, S. 132, 139. Geiger, Art. 90 Rdnr. 14. 38 Lenz, EGV-Kommentar, Art. 49/50 Rdnr. 23. 39 So jüngst wieder der EuGH in Bestätigung der Schindler-Entscheidung, Urt. v. 21.9.1999 (Rs. C-124/97), Slg. 1999, 1-6067- Beschränkung von Geldspielautomaten, und Urt. v. 21.10.1999 (Rs. C-67/98), Slg. 1999, 1-7289- Beschränkung der Annahme von Sportwetten. 36

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A. § 21 Rennwett- und Lotteriegesetz und Europarecht

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liegt vor, wenn neben der Konzession für ein Lotterieunternehmen, die es im eigenen Land erfüllt, nochmals eine Erlaubnis verlangt wird. Auf die Frage nach der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit soll im Zusammenhang mit der Frage nach der Strafbarkeit der Tätigkeit ausländischer Lotterieunternehmen in Deutschland noch näher eingegangen werden. 40 111. Spezielle Ausschlussgründe 1. Die Ausübung öffentlicher Gewalt

Gern. Art. 55 (ex-Art. 66) i. V. m. Art. 45 (ex-Art. 55) EGV finden die Vorschriften der Dienstleistungsfreiheit keine Anwendung, wenn die Tätigkeit eines Gemeinschaftsbürgers im jeweiligen Mitgliedstaat mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. Ein Ausschluss nach Art. 55, 45 EGV greift aber bei der Veranstaltung von Lotterien nicht ein, da Lotterien keine hoheitliche Aufgabe darstellen. 41 2. Höheres Allgemeininteresse

Die Dienstleistungsfreiheit kann schließlich gern. Art. 55, 45 EGV aus Gründen des zwingenden Interesses am Allgemeinwohl beschränkt sein. Dabei reicht - im Unterschied zu dem oben geschilderten Fall der reinen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit - nicht jedes Allgemeinwohlinteresse aus, sondern nur solche, die in Art. 55, 45 bis 48 EGV ausdrücklich genannt sind. Nach Art. 55 i. V. m. Art. 45 EGV sind Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit möglich. Aus Gründen der öffentlichen Ordnung42 kann grundsätzlich die Beschränkung der Zulassung ausländischer Lotterieveranstalter zulässig sein.43 Eine unterschiedliche Besteuerung kann aber nicht aus ordnungspolitischen Gründen begründet werden, denn dieser Besteuerung liegen keine Siehe unten 2. Kapitel B. Vgl. Randelzhofer, in: Grabitt/Hi/f. EUV/EGV- alt-, Art. 55 Rdnr. 3 f. mit einer Definition des Begriffs der öffentlichen Gewalt. A. A. Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838 (840). 42 Bei der Definition der Begriffe besteht ein Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten; dazu muss hier eine schwere Gefährdung der Grundinteressen der Gesellschaft vorliegen, Randelzhofer, in: Grabitt/Hilf, EUV/EGV - alt -, Art. 59 Rdnr. 2 f. 43 Diese Regelungen sind eng auszulegen, da sie eine Ausnahme zu den grundsätzlich immer bestehenden Freiheiten begründen, vgl. Scheuer, in: Lenz, EGV, Art. 46 (n. F.) Rdnr. 1. 40 41

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

schwer gefahrdeten Grundinteressen der Gesellschaft zugrunde. Die unterschiedliche Besteuerung von In- und Ausländern in Bezug auf die gleiche Tätigkeit im Rahmen einer indirekten Steuer ist nicht zulässig, denn das Rennwett- und LotterieG geht von der grundsätzlichen Möglichkeit der legalen Betätigung von Lotterien - genehmigten Lotterien - sowohl für ausländische als auch für inländische Lotterien aus. Wenn aber grundsätzlich eine legale Lotterie möglich ist, kann die Besteuerung nicht dem Schutz schwerwiegender Grundinteressen der Gesellschaft dienen, da im Falle ihrer Gefahrdung überhaupt keine Lotterien mehr stattfinden dürften. Für den Fall, dass keine Genehmigung vorliegt, prüft das zuständige Finanzamt selbst, ob die Lotterie öffentlich und damit genehmigungsbedürftig ist oder nicht. 44 Will man die Tätigkeit ausländischer Lotterien verhindern, bleibt rechtsdogmatisch nur die Möglichkeit des Verbots. IV. Zusammenfassung Lose als Ware zu betrachten, verstößt § 21 Renn- LotterieG schon wegen Art. 90 Abs. 1 EGV gegen das Gemeinschaftsrecht Die Ungleichbehand-

lung zwischen ausländischen und inländischen Losen stellt eine offene Diskriminierung dar. Auch die Tatsache, dass das Gesetz nicht berücksichtigt, dass der Lotterieveranstalter die Steuer bereits in seinem Heimatland entrichtet hat, spricht für eine mittelbare Diskriminierung. Die Frage der Harmonisierung der Verkehrsteuern im EU-Recht soll hier nicht abschließend geklärt werden. Betrachtet man die Lose nicht als Waren, liegt ein Verstoß gegen Art. 49, 50 EGV vor. Durch die ungleiche Besteuerung werden ausländische Lotterieunternehmen diskriminiert. Indem die Lotterieunternehmen aus dem Ausland eine weitere Genehmigung benötigen, werden sie benachteiligt. Eine Rechtfertigung für die Beschränkung ist nicht gegeben.

B. Übereinstimmung der strafrechtlichen Regelungen mit dem Europarecht I. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch strafrechtliches Verbot Wie bereits im 1. Kapitel ausgeführt, wertete der EuGH in dem viel beachteten Schindler-Urteil die Betreibung von Lotterien als Dienstleistun44 Vgl. Weißmann, Zur Lotteriesteuerpflicht öffentlicher Lotterien und Ausspielungen in: DVR 1978, S. 136.

B. Strafrechtliche Regelungen und Europarecht

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gen, die trotz der Besonderheiten des Marktes in den Schutzbereich des EG-Vertrages fallen. Da zum Zeitpunkt des Urteils in England noch keine Lotterien veranstaltet wurden und der EuGH die in England in großem Maße betriebenen Glücksspiele wie Bingo und Renn- und Sportwetten als nicht vergleichbar ansah,45 hatte er sich mit der Frage zu befassen, ob ein generelles Verbot von Lotterien in einem Mitgliedstaat geeignet ist, die Dienstleistungsfreiheit in unzulässiger Weise zu beschränken. Denn wie bereits angesprochen, werden die Vorschriften über die Freiheit des Dieostleistungsverkehrs in Art. 49 ff. EGV vom EuGH sowie der ihm folgenden Literatur weit über den Wortsinn der Vorschrift nicht nur als Diskriminierungs-, sondern als allgemeines Beschränkungsverbot ausgelegt. 46 Ein generelles Verbot, das In- wie Ausländer betrifft, beinhaltet aber keine Diskriminierung oder Beschränkung, denn eine unterschiedliche Behandlung ist dann nicht gegeben.

II. Kein Interesse als Rechtfertigungsgrund Ein Verbot oder eine Einschränkung des Dienstleistungsverkehrs, das ausländische Dienstleistende mittelbar oder unmittelbar in ihrer Tätigkeit beschränkt, muss aufgrund objektiv zwingender Allgemeinwohlinteressen bestehen, um eine mit dem EU-Vertrag vereinbare Beschränkung darzustellen. Damit knüpft der EuGH an objektive Gesichtspunkte an, welche er bereits für den Warenverkehr entwickelt hat (sog. Cassis de Dijon-Rechtsprechung).47 Bei der Bestimmung des Allgemeininteresses muss im Einzelfall eine Güterahwägung zwischen Freihandel auf der einen Seite und den innerstaatlichen Regelungszielen vorgenommen werden. Protektionistische, willkürliche oder schlicht überflüssige staatliche Maßnahmen können ein objektives Allgemeininteresse nicht rechtfertigen. Auch eine Dämpfung des Wettbewerbsdrucks, der sich nach einer Öffnung der Grenzen für den Dienstleistungsverkehr erhöhen kann, darf nicht allein schon als Allgemeininteresse des einzelnen Staates verstanden werden.48

4s Kritisch dazu Schroeder, Keine Glücksspiele ohne Grenzen, EuGRZ 1994, S. 373 (376), der anmerkt, dass die in Großbritannien veranstalteten Glücksspiele mit den Lotterien ohne weiteres vergleichbar seien und es den Engländern nur um eine Abschottung des Marktes ging, welches sich darin zeigt, dass sie bereits im Zeitpunkt des Urteilserlasses eine eigene staatliche Lotterie gegründet haben. 46 Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 117. 47 Dazu Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG, S. 117 ff. 48 Vgl. Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 118 ff. m.w.N.

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

01. Verhältnismäßigkeit Neben einem beschränkenden Grund, das Allgemeininteresse des Staates, muss die beschränkende Maßnahme selbst verhältnismäßig sein.49 Der EuGH prüft daher, ob das Allgemeininteresse nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewahrt werden kann, als diejenigen, die ein Mitgliedstaat im Einzelfall getroffen hat. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips steht noch am Anfang. Der EuGH stellte z. B. im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips fest, dass ein Niederlassungs- bzw. Wohnsitzerfordernis zwar nicht als eine nach der Staatsangehörigkeit diskriminierende Regelung gesehen werden könnte, sie aber praktisch auf die Negation der Dienstleistungsfreiheit hinauslaufe.50 Daher müsste eine solche Niederlassungsvoraussetzung sich als unerlässliche Voraussetzung des verfolgten Zwecks erweisen. Im deutschen Versicherungsurteil hat er das Bestehen zwingender Gründe des Allgemeininteresses eingehend überprüft und dabei angedeutet, zu einer vom Mitgliedstaat abweichenden Einschätzung des Allgemeininteresses (Versicherungsschutz bei kommerziellen Risiken) gelangen zu können. 51

IV. Schutz vor Verdoppelung der Anforderungen Darüber hinaus hat der EuGH den Grundsatz des Schutzes vor Verdoppelung der Anforderungen aufgestellt. Falls ein Dienstleistender in seinem Heimatland bereits Voraussetzungen erfüllen muss, welche mit denen des Gastlandes vergleichbar sind, würde die erneute Überprüfung als die Wiederholung einer bereits im Herkunftsland erfüllten Anforderung erscheinen. Dies liefe auf eine Verdoppelung hinaus, welche wegen der Doppelbelastung als eine ungerechtfertigte Beschränkung angesehen werden müsse. Danach sind Regelungen des Tätigkeits- bzw. Empfängerstaates nach Ansicht des EuGH nur dann als notwendig anzusehen, wenn dem Allgemeininteresse nicht schon durch Rechtsvorschriften, Maßnahmen etc. ausreichend Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistungserbringer in dem Staat seiner Ansässigkeit unterliegt. Mit diesem Prüfungsansatz geht der EuGH - wie schon bei Art. 30 EGV - auf das Herkunftslandprinzip52 über. Im Herkunftsstaat rechtmäßig auf den Markt gebrachte Leistungen müssen prinzipiell auch in den anderen Mitgliedstaaten verRoth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 122 f. EuGH, Urt. v. 4. 12. 1986 (Rs. 205/84), Slg. 1986, 3755 (3809 f.). 51 Vgl. EuGH, Urt. v. 4. 12.1986 (Rs. 205/84), Slg. 1986, 3755 (3809). 52 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7. 1991 (Rs. 288/89), Slg. 1991, 1-4007, 4040 f.; Versicherungen: EuGH, Urt. v. 4.12.1986 (Rs. 205/84), S1g. 1986, 3755, 3804; van Wesenmael: EuGH, Urt. v. 18. 1.1979 (Rs. I 10 u. 111178), Slg. 1979, 35, 52. 49

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B. Strafrechtliche Regelungen und Europarecht

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marktbar sein,53 da aufgrundder Herkunft eines Dienstleistenden keine Diskriminierung stattfinden darf. 54 V. Die Urteilsgründe im Fall Schindler Zu den Besonderheiten des Falles Schindler gehört, dass im Zeitpunkt der Beschlagnahme des Werbematerials und der Lose in Dover Lotterien in England sowohl für In- als auch Ausländer verboten waren. Von einer diskriminierenden Bestimmung i. S. d. Art. 49 EGV konnte daher nicht ausgegangen werden, wenn man der Ansicht des Gerichts folgt, dass andere Glücksspiele wie Bingo oder Sportwetten nicht mit Lotterien vergleichbar seien. Insoweit stand in Rede, ob das Verbot von Lotterien als solches gegen Art. 49 EGV verstößt. Nachdem der EuGH in Übereinstimmung mit der Europäischen Kommission und entgegen der Ansicht der meisten Mitgliedsstaaten den Anwendungsbereich des EGV auch für Lotterien als eröffnet ansieht, musste das Gericht nach den oben aufgestellten Kriterien prüfen, ob das Verbot der Lotterien in Großbritannien durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt erscheint. Großbritannien trug vor, dass der Zweck der Beschränkung - auch der 1993 eingeführten Staatslotterie - darin liege, Straftaten zu verhindern, die Spieler gerechter zu behandeln und eine übermäßi~e Nachfrage des Glücksspiels mit sozialschädlichen Folgen zu vermeiden. 5 Die Kommission trug dazu vor, dass dieses ordnungspolitische Ziel mit weniger einschneidenden Mitteln erreichbar und daher unverhältnismäßig sei. Der Beklagte Schindler zweifelte das ordnungspolitische Allgemeininteresse an, da für andere britische Glücksspiele, die in großem Umfang betrieben würden, kein solches Verbot bestehe. Der EuGH hielt ein nachgewiesenes Allgemeininteresse für das Verbot gegeben. Angesichts der besonderen Natur der Lotterien, die von vielen Mitgliedstaaten betont worden seien, wären die geltend gemachten Gründe geeignet, Beschränkungen bis hin zum Verbot von Lotterien im Gebiet eines Mitgliedstaates im Hinblick auf Art. 49 EGV zu rechtfertigen. Das Gericht führte im Einzelnen aus, dass die sittlichen, religiösen oder kultu53 Roth, in: Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rdnr. 121; Kon, Schranken der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Recht, JZ 1996, S. 132, 139; EuGH EuZW 1991, S. 542, 543. 54 EuGH, Urt. v. 4.12.1986 (Rs. 205/84), Slg. 1986, 3755 (3802 f.); EuGH, Urt. v. 18. 1.1979 (Rs. 110 u. lll/78), Slg. 1979,35 (52 f.); EuGH, Urt. v. 18.3.1980 (Rs. 52179), Slg. 1980, 833 (856); EuGH, Urt. v. 17. 12.1981 (Rs. 279/80), Slg. 1981, 3305 (3325). 55 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.3. 1994 (Rs. C-275/92), Slg. 1994, 1-1039, vgl. Schlussanträge Gulmann.

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

rellen Erwägungen, die in allen Mitgliedstaaten zu Lotterien angestellt werden, nicht außer Betracht bleiben dürften. Sie seien allgemein darauf ausgerichtet, die Ausübung von Glücksspielen zu begrenzen. Auch sei, was allerdings nicht allein als Rechtfertigung dienen könnte, nicht ohne Bedeutung, dass Lotterien in erheblichem Maße zur Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten wie sozialer oder karitativer Werke, des Sports und der Kultur beitragen könnten. Diese Besonderheiten rechtfertigten es, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügten, um festzulegen, welche Erfordernisse sich bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien, der Höhe der Einsätze sowie der Verwendung der dabei erzielten Gewinne aus dem Schutz der Spieler und allgemeiner nach Maßgabe der soziokulturellen Besonderheiten jedes Mitgliedstaates aus dem Schutz der Sozialordnung ergäben. Somit komme den Staaten nicht nur die Beurteilung der Frage zu, ob eine Beschränkung der Tätigkeiten im Lotteriewesen erforderlich ist, sondern auch die Befugnis, diese zu verbieten, sofern die Beschränkungen nicht diskriminierend seien. 56 Da die Einfuhr der Lose für alle Staatsangehörigen verboten ist, sei der freie Dienstleistungsverkehr nicht verletzt.

VI. Analyse und Schlussfolgerungen Der EuGH erlaubt danach Beschränkungen der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt, die Beschränkungen sind nicht diskriminierend, d. h. die Beschränkungen gelten für in- und ausländische Lotterien in gleichem Maße. Damit ist klar, dass Ausländer in Mitgliedstaaten ebenfalls zugelassen werden müssen, wenn dort inländische Lotterien bestehen. Im Schrifttum hat das Urteil erhebliche Resonanz erfahren,57 vor allem auch deshalb, weil der EuGH wegen der Besonderheit der Fallkonstellation auf wesentliche Fragen nicht eingehen musste oder wollte. Wie schon ausgeführt, bestand im Zeitpunkt der Beschlagnahme ein grundsätzliches Verbot von Lotterien. Fraglich bleibt daher nach wie vor: - ob ausländische Lotterien auch dann zugelassen werden müssen, wenn die Lotterien ausschließlich durch den Staat betrieben werden, jedenfalls dann wenn der Staat das Angebot an Glücksspielen und Lotterien selbst zunehmend ausweitet; - ob ausländischen Lotterien ohne weiteres wegen des Erfordernis der Bedürfnisprüfung (vgl. die deutschen Lotterieverordnungen) abgelehnt werden können; Vgl. EuGH, Urt. v. 24. 3. 1994 (Rs. C-275/92), Slg. 1994, 1-1039 (1097). Vgl. Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, in: VerwArch. 1996, S. 395 ff., der einen umfassenden Überblick der Literatur bietet. 56 57

B. Strafrechtliche Regelungen und Europarecht

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- welche Anforderungen an die Zulassung von ausländischen Lotterien bestehen; - ob die zulässigen Beschränkungen auch für den Korrespondenzdienstleistungsverkehr gelten. Wendet man die für die Dienstleistungsfreiheit entwickelten Grundsätze des EuGH auch auf das Lotteriewesen an, und dafür spricht einiges,58 da der EuGH die Anwendbarkeit des EGV auch für Lotterien grundsätzlich eröffnet hat, 59 ergibt sich folgendes: 1. Allgemeininteresse deutscher Lotteriebeschränkungen

Werden Lotterien in einem Mitgliedstaat ausschließlich von staatlichen Lotterien betrieben, sind andere Lotterien jedenfalls dann zuzulassen, wenn ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass der Staat das ordnungspolitische Ziel des Schutzes des Spielers vor Vermögensverlust durch ungezügelte Spielleidenschaft weiterhin verfolgt. Für das Mitgliedsland Deutschland kann von diesem Ziel nicht mehr ernsthaft ausgegangen werden. 60 Wie bereits oben geschildert, wurde der Glücksspielmarkt auch gerade im Hinblick auf die Lotterien von Jahr zu Jahr zunehmend ausgebaut. Allein der zur Verfügung gestellte Werbeetat spricht gegen die weitere Verfolgung des Schutzes des Spielers vor sich selbst.61 Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass insbesondere die deutsche Klassenlotterie versucht, ihre Marktpräsenz auf das EG-Ausland auszuweiten, wie der Bericht der Kommission im Fall Schindler zeigt. Zur Zeit sollen danach Lose auf dem Korrespondenzwege nach Belgien, den Niederlanden, nach Luxemburg sowie Dänemark verkauft werden. Ein Verbot anderer ausländischer Klassenlotterien, das gleiche auf deutschem Boden zu versuchen, wäre ein venire contra factum proprium, wenn es sich dabei ebenfalls um staatlich konzessionierte Lotterieunternehmen handelt. Dann kann auch kein ordnungspolitischer Einwand mehr greifen, wenn man ss So Schroeder, Kein Glücksspiel ohne Grenzen, in: EuGRZ 1994, S. 373 (377 ff.); Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, a.a.O., S. 395 (414 ff.); allgemeiner Gassner, Glücksspiel und Berufsfreiheit, NVwZ 1995, S. 449 (450); kritisch Stein, Glücksspiel im europäischen Binnenmarkt, in: RIW 1993, S. 838 ff. S9 Zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vgl. Bargmann-Huber, Europa und Telekommunikation fordern Konsequenzen im Glücksspielrecht, in: BayVBl 1996, s. 165 ff., 167. 60 Kritisch auch Sura, Die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung eines Lotterieverbotes, in: NJW 1995, S. 1470 (1471). 61 So auch Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, a.a.O., S. 395 (426 f.); Bargmann-Huber, Europa und die Telekommunikation fordern Konsequenzen im Glücksspielrecht, S. 165 (167). 6 Wilms

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

unterstellt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen sowie der staatliche finanzielle Nutzen für Lotterien im betroffenen Ausland mit den Deutschen im Wesentlichen vergleichbar wären. Der EuGH hob in der Schindler-Entscheidung ausdrücklich hervor, dass das Ziel der Staaten, Einnahmequellen für gemeinnützige Zwecke zu sichern, nicht allein ausreiche, um ein zwingendes Allgemeinwohlinteresse zu rechtfertigen. Zum einen fließt ein erheblicher Teil der Gewinne der Lotterieveranstalter ohnehin dem Haushalt der Staaten ohne Zweckbindung zu. Letzteres wird als der eigentliche Grund gesehen, warum die Mitgliedstaaten bestrebt sind, die Marktanteile der von ihnen konzessionierten oder betriebenen Glücksspiele durch gesetzliche Maßnahmen gegen ausländischen "Warenbetreiber" abzusichern. Ein solches Ansinnen ist jedoch mit den Einschränkungen der Freizügigkeitsregeln nicht zu vereinbaren. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, dass in Deutschland neben den Fernsehlotterien auch kleinere regionale Lotterien durch Landesrecht zugelassen wurden. Die Nichtzulassung ausländischer Lotterien wäre dann nach Ansicht des EuGH diskriminierend und damit vertragsrechtswidrig. 2. Problem der Bedürfnisprüfung

Die jeweiligen Bedürfnisprüfungen der Länder sind nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar,62 denn mit Bedürfnisprüfungen kann das Ziel der Freizügigkeit des Dienstleistungsverkehrs nicht einfach umgangen werden. Sie sind nur unter engsten Voraussetzungen zulässig, da die Grundfreiheiten gerade einen Binnenmarkt herstellen sollen. Zur Abschottung des Marktes eines Mitgliedstaates kann dieser also nicht Maßnahmen ergreifen und das fehlende Bedürfnis gegenüber den Grundfreiheiten geltend machen. Deshalb müssen solche Bedürfnisprüfungen im Zweifel unzulässig sein.63 Die Bedürfnisprüfung stellt - anders als subjektive Zulassungsvoraussetzungen - auf die konkrete Marktstruktur des Bestimmungsstaates ab und kann daher niemals durch die Zulassung und Kontrolle im Herkunftsstaat ersetzt werden. Sie ist grundsätzlich nicht diskriminierend, da sie für in- und ausländische Bewerber gleichermaßen gilt. 64 So wurde auch im Fall Schindler vorgetragen, für das Angebot einer Lotterie bestehe in England wegen des bereits übersättigten Glücksspielmarktes kein Raum. Um so verwunder62 Vgl. generell zur Problematik der Bedürfnisprüfung im Glücksspielbereich, Ossenbühl, Rechtsfragen der Genehmigung öffentlicher Lotterien, in: VerwArch. 1995, s. 187 (206 ff). 63 Vgl. Schroeder, Kein Glücksspiel ohne Grenzen, in: EuGRZ 1994, S. 373, 378. 64 Stein, Glücksspiel im Europäischen Binnenmarkt, RIW 1993, S. 838, 841 .

B. Strafrechtliche Regelungen und Europarecht

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lieber, dass noch während des Verfahrens eine große staatliche Lotterie gegründet wurde. Dass England demnach versuchte, den Lotteriemarkt für sich selbst, insbesondere für den Staat, fruchtbar zu machen, wird daher heute kaum mehr bestritten. Der EuGH lässt sog. Bedürfnisprüfungen der Mitgliedstaaten, die der Sache nach objektive Zulassungsbeschränkungen darstellen, nur unter engsten Voraussetzungen zu, nämlich wenn sie unerlässliche Voraussetzung für die Erreichung des verfolgten Zwecks sind. 65 Im Zusammenhang mit Zweigniederlassungen von Rechtsanwälten hat der EuGH die Verhältnismäßigkeit einer Bedürfnisprüfung verneint, da staatliche Vorschriften die tatsächliche Ausübung einer durch den Vertrag gewährleisteten Freiheit nicht verhindem dürften. 66 Dies gelte auch für den Dienstleistungsbereich. Dass gerade die Rechtspflege geeignet ist, unter einem Überangebot von Anwälten zu leiden, ist evident. Wenn der EuGH selbst in diesem Fall keine Bedürfnisprüfung erlaubt, könnte dies auch auf dem Gebiet der Lotterien gelten. Im Zweifel ist daher, jedenfalls wenn sich die Tätigkeit des Lotterieanbieters lediglich auf den Korrespondenzverkehr beschränkt und sich der Verkauf von Losen nach Deutschland in einem vertretbaren Rahmen hält, eine Bedürfnisprüfung unzulässig. 67 3. Genehmigung von Lotterien in Deutschland

Im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen für die Betreibung von Lotterien ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des EuGH daran festzuhalten, dass eine erneute Zulassung im Inland nur dann erforderlich ist, wenn die Genehmigung im Herkunftsland des Dienstleistenden im Wesentlichen mit der im Empfangerland nicht vergleichbar ist. Denn nach Ansicht des EuGH können Vorschriften des Bestimmungsstaates, die ein vergleichbares Schutzniveau zu Bestimmungen des Herkunftsstaates aufweisen, Beschränkungen im Bereich der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich nicht rechtfertigen, da Art. 49 EGV auch den Schutz vor wiederholten Zulassungsverfahren beinhalte.68 Unterstellt man einmal, die Anforderungen an Latteriebetreiber in einem betroffenen ausländischen Staat seien im Wesentlichen mit den Deutschen vergleichbar - dies muss auch im 65 EuGH, Urt. v. 4.12. 1986 (Rs. 205/84), Slg. 1986, 3755 (3809 f.), wo das Erfordernis einer Niederlassung des Dienstleistenden im Empfangsstaat als praktische Negation der Dienstleistungsfreiheit bezeichnet wird. 66 EuGH, Urt. v. l2. 7.1984 (Rs. 107/83), Slg. 1984, 2971 (2990). 67 So auch Schroeder, Kein Glücksspiel ohne Grenzen, in: EuGRZ 1994, S. 373, 378. 68 So EuGH, Urt. v. 4.12.1986 (Rs. 205/84), Slg. 1986, 3755 Rdnr. 47 - Versicherung.

6•

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2. Kap.: Die Europarechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage

Hinblick auf den finanziellen Nutzen der Lotterien gelten -, wäre ein erneutes Zulassungsverfahren in Deutschland nicht zulässig (Verbot der Doppelkontrolle). Aus dem mangelnden Erfordernis einer erneuten Genehmigung des Latteriebetreibers ergibt sich auch, dass eine Strafbarkeit nach § 287 StGB entfallen muss. 4. Die Besonderheiten des Korrespondenzverkehrs in Deutschland

Eine strafrechtliche Erstreckung auf Ausspielungen, welche rechtmäßig im Herkunftsland veranstaltet wurden, erscheint als nicht unproblematisch, ist aber anzunehmen. Eine wohl überwiegende Ansicht will das Erfordernis der Erlaubnis der zuständigen Behörde des § 287 StGB i. V. m. den landesrechtlichen Lotterieverordnungen schon auf den Korrespondenzverkehr erstrecken,69 denn eine Lotterie oder Auslosung gilt nach dem Reichsgericht auch dann als im Inlande veranstaltet, wenn dem Publikum dort die Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen angeboten wird. 70 Diese Annahme dürfte sich durch das neue Strafrechtsänderungsgesetz noch verstärkt haben. Dagegen spricht zwar, dass der Erfolgsort der Leistung gern. § 9 StGB zu bestimmen ist. Danach ist eine Tat an jenem Ort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder wo der tatbestandliehe Erfolg eintritt. Für die Strafbarkeit nach deutschem Recht ist daher entscheidend, wie der Tatort bestimmt werden kann. Läge der Tat- bzw. Erfolgsort ausschließlich im Ausland, würde eine Strafbarkeit entfallen. Erfolgsort ist dort, wo die Ausspielung bzw. die Annahme oder das Angebot durch den Lotterieunternehmer stattfindet. Je nachdem wo diese liegen, ist die Strafbarkeit gegeben. Diese sind, wie bereits oben festgestellt, bei einer antizipierten Annahme des Lotterieunternehmens bei Einzahlung durch den Spieler, bzw. bei einem bedingten Angebot, dessen Bedingung bei Einzahlung eintreten, in Deutschland gelegen. Der Erfolg an sich, nämlich die Ausspielung, ist nicht maßgebend, da es sich bei dem Delikt um ein Tätigkeitsdelikt handelt, also allein die Handlung tatortbegründend ist.71 Der Erfolgsort liegt nach anderer Ansicht jedoch dort, wo der jeweilige Spieler die konkrete Spielhandlung vornimmt (Einsatz, Aussage über den Spielablauf).72 Nimmt der Spieler die Handlung 69 Vgl. Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, Rdnr. 271 m. w. N. zum Korrespondenzverkehr als Kernbestand der Dienstleistungsfreiheit 70 Vgl. RGSt 42, 430 (433); dazu Bubnoff, in: Leipziger Kommentar, § 286 Rdnr. 14. 71 Siehe zum Erfolgsort bereits 1. Kapitel B. II. 3. a) ee).

B. Strafrechtliche Regelungen und Europarecht

85

allerdings per Internet oder per Telefon vor, ist die Bestimmung des Erfolgsortes problematisch und weitgehend ungeklärt.73 Kommt es darauf an, wo der Internetserver steht oder wo der Spieler den Befehl eingibt? Hier erscheint eine Strafbarkeit dann bedenklich. Eine Strafbarkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn alle Handlungen, die den Tatort begründen können, ins Ausland verlegt werden. VII. Zusammenfassung Eine Strafbarkeit gern. § 287 StGB kann insbesondere, wenn man den Schutzzweck der Norm berücksichtigt, nicht angenommen werden, wenn die Ausspielung tatsächlich im Ausland stattfindet, denn dann liegt nach der hier vertretenen Meinung der Erfolgsort auch im Ausland und das deutsehe StGB ist nicht anwendbar. Ebenfalls stehen die europarechtlichen Vorgaben einer Strafbarkeit bei staatlich konzessionierten Anbietern unter der Voraussetzung der Vergleichbarkeit der Genehmigungsverfahren entgegen, denn eine Verdoppelung der Anforderungen an ein ausländisches Lotterieunternehmen lägen vor, wenn im Ausspielungsland eine Genehmigung vorliegt und in Deutschland eine weitere gefordert würde, damit eine Strafbarkeit entfällt. In einer solchen Forderung liegt eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit

72 Vgl. Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, in: VerwArch. 1996, S. 395 (430), der sich allerdings auf die alte Rechtslage und § 284 bezieht, wonach der Spieler bei Betätigung vom Glücksspiel strafbar ist - es geht also um die Strafbarkeit des Spielers, die nach § 287 gar nicht gegeben ist. Maßgebend muss für § 287 StOB die Handlung des Lotterieunternehmens sein, s. eingehend oben, I. Kapitel B. II. 73 Vgl. Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, in VerwArch. 1996, S. 395 (429), der ebenfalls darauf hinweist, dass die Firma EuroBet Sports (England) europaweit Sportwetten per Internet anbietet. Vgl. auch Hilgendorf, Überlegungen zur strafrechtlichen Interpretation des Ubiquitätsprinzips im Zeitalter des Internet, in: NJW 1997, S. 1873 ff.

3. Kapitel

Ergebnisse A. Vorliegen einer Erdrosselungssteuer Die Anwendung des § 21 Rennwett- und LotterieG kann im konkreten Fall erdrosselnde Wirkung haben, wenn der dem Veranstalter oder Vermittler verbleibende Gewinn in ganzer Höhe durch die Steuer aufgezehrt wird. Eine solche Steuer ist nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungswidrig. Ausländer sowie ausländische juristische Personen können den Schutz des Grundgesetzes beanspruchen, da auch ein ausländischer Lotteriebetreiber sich grundsätzlich auf Art. 14 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann. Nach der gängigen Auffassung der Verwaltungsgerichte kann der Schutzbereich des Grundrechts nicht mit dem Hinweis verwehrt werden, dass die ausgeübte Tätigkeit möglicherweise sozialschädlich oder strafbar ist. Da nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts Glücksspiele in Deutschland nicht grundsätzlich verboten sind oder als gemeinschaftsschädlich angesehen werden können, handelt es sich jedenfalls um Tätigkeiten, die den Schutzbereich der Grundrechte eröffnen. Die Rechtsfolge einer erdrosselnden Steuer muss dann zur Nichtigkeit führen, da nach dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes i. V. m. der Wesentlichkeitslehre nur der Gesetzgeber eine Korrektur vornehmen kann und eine Anpassung durch die Gerichte unzulässig ist.

B. Die Europarechtswidrigkeit des § 21 Rennwett-und Lotteriegesetz Die Anwendung des § 21 Rennwett- und LotterieG widerspricht auch dem EG-Vertrag, da nach dem Rennwett- und LotterieG Ausländer für dieselbe Tätigkeit ausdrücklich höher besteuert werden als Inländer. Dies stellt eine offene Diskriminierung dar, die entweder schon nach Art. 90 EGV vertragswidrig ist oder, falls man eine entsprechende Anwendung im Rahmen des Art. 90 EGV für den Dienstleistungsverkehr verneint, jedenfalls gegen Art. 49, 50 EGV verstößt. Eine prohibitive Wirkung der Steuer nach § 21 Rennwett- und LotterieG kann durchaus mit dem SchindlerUrteil des EuGH im Zusammenhang mit der Zulassung EU-angehöriger

C. Fehlende Strafbarkeit bei dem Verkauf von Losen

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Latteriebetreiber verglichen werden. Von § 21 Rennwett- und LotterieG geht gleichzeitig auch eine mittelbare Diskriminierung aus, da das Gesetz nicht berücksichtigt, dass der Latteriebetreiber im Inland bereits eine vergleichbare Abgabe geleistet hat. Da bei der Besteuerung von Lotterien nach allgemeiner Ansicht keine direkte Steuer gegeben ist, wäre ebenfalls der Weg über Art. 90 EGV eröffnet oder, falls man dieser Auffassung nicht folgt, die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung nach Art. 49 EGV möglich. Ausschlussgründe, die eine unterschiedliche Besteuerung von Ausländern und Inländern rechtfertigen, liegen bei Lotterien nicht vor.

C. Die fehlende Strafbarkeit bei dem Verkauf von Losen durch staatlich konzessionierte Lotterieveranstalter ausländischer Staatszugehörigkeit in der Europäischen ·Gemeinschaft Es sprechen wesentliche Gründe dafür, den Verkauf von Losen durch ausländische Klassenlotterien nicht nach § 287 StGB unter Strafe zu stellen, da der Schutzzweck der Norm erfüllt ist, wenn das ausländische Klassenlotterieunternehmen ebenfalls staatlicher Konzessionsnehmer ist und eine Genehmigung vom jeweiligen Staat vorweisen kann, die hinreichend Gewähr dafür bietet, dass ein ordnungsgemäßer Spielbetrieb gewährleistet ist. Da die Strafbarkeit nach § 287 lediglich davon abhängt, ob die erforderliche Genehmigung der zuständigen Behörde vorliegt, ist immer zu prüfen, ob das EU-Recht Anlass zu der Annahme gibt, dass eine staatliche Lotteriegenehmigung eines Mitgliedstaates der EG als ausreichend angesehen werden muss, sich die Zuständigkeit demnach in das Herkunftsland verlagert. Dies führt zu der problematischen und auch vom EuGH noch nicht abschließend geklärten Frage, inwieweit Mitgliedstaaten ausländische Lotterien beschränken dürfen. Der EuGH hat im Schindler-Urteil ausgeführt, dass ausländische Anbieter jedenfalls dann nicht benachteiligt werden dürften, wenn Inländer grundsätzlich zur Lotteriebetreibung zugelassen werden. Nach Anwendung der Rechtsgrundsätze des EuGH in Bezug auf Lotterien muss man zu dem Ergebnis gelangen, dass, falls das Genehmigungsverfahren im betroffenen Ausland mit dem Deutschen im Wesentlichen vergleichbar ist, eine doppelte Zulassungsprüfung nach EU-Recht nicht zulässig ist. Nach Ansicht der EG-Kommission sind die Zulassungsvoraussetzungen jedoch in den meisten EU-Staaten vergleichbar. Unterstellt man nun, das Verfahren im Ausland würde den deutschen Anforderungen im Wesentlichen entsprechen, ist das Verlangen einer nochmaligen Genehmigung nicht zulässig. Damit die deutschen Behörden jedoch die Möglichkeit haben, die Vergleichbarkeit der Anforderungen zu prüfen, muss man von der grundsätzlichen Anzeigepflichtigkeit des Österreichischen Betreibers ausgehen. (vgl. z. B. § 11 LosG Ba-Württ, § 35 Rennwett- LottGAB). Inwieweit die

88

3. Kap.: Ergebnisse

deutschen Behörden eine Bedürfnisprüfung auch bei ausländischen staatlich konzessionierten Lotterien vornehmen müssen, ist strittig. Nach der hier vertretenen Ansicht verstoßen Bedürfnisprüfungen als objektive Zulassungsvoraussetzungen gegen Art. 49, 50 EGV, wenn die Tätigkeit des Dienstleistenden sich in einem überschaubaren und begrenzten Rahmen hält und er lediglich im Korrespondenzdienstleistungsverkehr tätig wird. Auch nach EU-Recht ist das Erfordernis einer nochmaligen Genehmigung der ausländischen Klassenlotterie in Deutschland bei vergleichbarer Genehmigungslage unzulässig. Insoweit erscheint eine Strafbarkeit auch aus diesem Grund abwegig. Zudem muss stets berücksichtigt werden, dass die deutsche Klassenlotterie, welche immerhin ein ausschließlich staatliches Unternehmen ist, nach Berichten der Kommission ebenfalls eigene Lose in der EG (festgestellt in Dänemark, Luxemburg, Niederlande und Belgien) veräußert. Die Verweisung des ausländischen Anbieters auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ist dann auch unter dem Rechtsgedanken des venire contra factum proprium völkerrechtswidrig.

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