Grabrede bei der Beerdigung des Herrn Carl Friedrich August Fritzsche [Reprint 2021 ed.] 9783112435748, 9783112435731

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Grabrede bei der Beerdigung des Herrn Carl Friedrich August Fritzsche [Reprint 2021 ed.]
 9783112435748, 9783112435731

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Grabrede bei der Beerdigung des Herrn

Carl Friedrich August Fritzsche, Doctors der Philosophie und der Theologie, ordentlichen Professors der letzteren an der Ludwigsuniversität zu Gießen u. s. w.,

am

8.

December

184 6

gehalten von

Dr. A. Knobel, ordentlichem Professor der Theologie.

Gießen, 1847.

I. Ricker'sche Buchhandlung.

Unerforschlich sind die Rathschlüsse Gottes und unbegreiflich seine Wege! Diese für den mensch­

lichen Geist oft so demüthigende Wahrheit, meine christliche Trauerversammtung, erprobt der Mensch

zwar jeden Tag und jede Stunde, wenn er Um­ schau hält im Leben und die zahlreichen Räthsel desselben

Auge faßt, bei denen er erfolglos

nach dem Grunde forscht

und vergeblich

nach

dem Zwecke frägt. Aber besonders ernst tritt sie

vor ihn,

wenn das Walten der Vorsehung ihn

selbst berührt und mit Unerwartetem ihn über­

rascht; besonders lebhaft wird er sie inne, wenn durch die höhere Fügung

Güter angetastet wer­

den, die seinem Herzen theuer sind;

besonders

schmerzlich wird er von ihr ergriffen, wenn die

4 Hand GotteS in die Kreise seiner Lieben greift

und ein theures Glied daraus entfernt, ehe es gewärtigte.

er

Ach dann ersaßt ihn wehmüthige

Verwunderung über die unergründlichen Rath­ schlüsse des Höchsten und daö gebrochene Herz

will sich nicht finden in die wunderbaren Schik-

kungen von oben; dann ist er fast nahe daran, dem Unmuthe zur Beute zu werden und möchte schier Unrecht aus den Pfaden Gottes erblicken.

Mit diesen Gefühlen,

werthe Amtsgenossen

und Freunde, vernahmen wir die Trauerkunde

vom Hintritt unsers theuren Freundes, unsers früh vollendeten Fritzsche, welcher den nahen

45sten

Geburtstag

nicht erleben,

nicht mehr

feiern sollte; mit diesen Gefühlen sind wir auch heute um sein Grab versammelt und erheben Klage ob des herben Verlustes, den unsre Hoch­

schule abermals erfahren, unsre Freundschaft aber­ mals erlitten hat. Ach wie nahe legt sich uns an

diesem Grabe die Frage, warum die Vorsehung auch

noch diesen Amtsgenossen von uns genommen habe, den vierten in einem und demselben Jahre, welches auch ohne diesen neuen Schlag schon als düstres Trauerjahr in die Geschichte der Hochschule ein­ getragen war?

Wie nahe legt sich uns hier

5 die Frage, warum die Vorsehung einen Mann

dem Leben entrückt habe, welcher noch in rüstiger Manneskrast blühte, noch im vollen Siegesläufe fruchtbaren Wirkens und

Schaffens stand

und

noch weit entfernt war von den Jahren, die der

heilige Sänger als das Ziel des Menschenlebens bezeichnet hat?

Wie nahe legt sich die Frage,

warum die Vorsehung einen Mann von seinem Werke abberufen habe, welcher trefflich ausge­ stattet mit Geistesgaben und mit einem seltenen

an

Reichthum

Erkenntniß

nach

menschlichem

Denken und Meinen noch viel Ehre erwerben, noch viel Segen stiften und mit dem Ruhme

seines Namens noch lange Jahre unsre Hochschule

zieren sollte?

Wie nahe legt sich die Frage,

warum es doch so geordnet worden sey, daß der

greise Vater den frühen Tod des Sohnes trost­

los beweinen und nicht mit der Hoffnung aus dem Leben gehen soll, daß der Sohn seinem

Scheiden Thränen frommer Kindesliebe weihen werde?

Doch es ziemt sich nicht,

daß das bewegte

Herz den Vorwitz zu Fragen treibe, welche das

heilige Dunkel des göttlichen Waltens ergründen möchten;

es

frommt auch nicht, daß der be-

6

schränkte

Verstand

diesen

Fragen

nachhänge.

Denn eS gibt auf sie nur die Eine Antwort,

daß Gottes Rathschlüffe unersorschlich und seine Wege unbegreiflich sind und es gilt für sie nur die Eine Weisung, daß der Mensch im Staube

sich mit Ergebung den Schickungen des Höch­

sten unterwerfen und mit frommer Demuth sie verehren soll.

Wohl aber ziemt es sich, dem

scheidenden Amtsgenossen und Freunde ein Wort des Abschieds nachzurufen und so dem zu genü­ gen, was Liebe und Freundschaft wollen; wohl

frommt es auch, den schönen Eigenschaften des

Heimgegangenen ein Wort der Erinnerung zu widmen, damit wir ein freundliches Bild mit

hinwegnehmen von dieser Stätte der Trauer und die Unruhe des Schmerzes dem Frieden stiller

Wehmuth weiche.

Carl Friedrich August Fritzsche wurde geboren am 16. December 1801 zu Stein­

bach bei Borna im Königreiche Sachsen, woselbst sein Vater, später Superintendent in Dobrilugk

und seit 1827 ordentlicher Professor der Theologie

zu Halle, damals Prediger

war.

Von diesem

in den alten Sprachen gründlich unterrichtet und

für das Gymnasium wohl vorbereitet, begab er

7

sich Ostern 1814 nach Leipzig aus die ThomaS-

schule, welche so viele ausgezeichnete Männer der deutschen Gelehrtenwett vorgebildet hat. Nach

6 Jahren sorgfältiger, hauptsächlich aus die alten Sprachen gerichteter Schulstudien bezog er Ostern

1820 die Universität zu Leipzig und widmete sich der Theologie in Verbindung mit der Phi­ lologie.

Bei seinen tüchtigen Kenntnissen, seiner

Liebe zur Gelehrsamkeit und seiner ausgezeich­

neten Lehrbefähigung konnte es nicht fehlen, daß

hier die Neigung in ihm erwachte, die akade­ mische Laufbahn zu betreten.

Fritzsche folgte

dem innern Rufe, in welchem er richtig seine

Zukunft erkannte.

Schon im Frühjahr 1823

erwarb er die philosophische Doktorwürde und

noch in demselben Jahre trat er als Lehrer an der Leipziger Hochschule aus.

Seine der Erklär

rung der heiligen Schrift gewidmeten Vorträge fanden ungeteilten Beifall und seine Leistungen wurden auch von seiner obersten Behörde 1825 durch Beförderung zum außerordentlichen Professor

bei der philosophischen Fakultät anerkannt.

Aber

schon einige Wochen daraus erging von Rostock

an den damals noch nicht 25 jährigen jungen Mann ein ehrenvoller Ruf zu einer ordentlichen

8 Professur der Theologie,

besten Aussichten folgte.

welchem

er mit den

In Rostock hat er eine

lange Reihe von Jahren erfolgreich gewirkt, bis

im Jahre 1841 ein Ruf von hier ihn an unsre Ludwigsuniversität

herüberführte.

Niemals

hat

er bereut, der Unsrige geworden zu sein. - Denn

als es sich vor einigen Jahren um seine Beru­ fung nach Jena handelte, war er doch nicht ge­ neigt,

uns zu verlassen und er würde dies auch

nicht gethan haben, wenn der Ruf nach Heidel­

berg,

von welchem in diesen Tagen die Kunde

zu uns kam,

an ihn

gelangt wäre.

Denn er

kannte und würdigte die vielen Gründe vollkom­

men, die ihn zum Hierbleiben bestimmen mußten. DaS Vertrauen seiner Behörden, die Liebe und

Achtung aller Amtsgenossen, welche ihn kannten, und die Zuneigung seiner Zuhörer,

von denen

viele ihm noch in seinen letzten Tagen rührende Beweise der Anhänglichkeit gegeben haben, mach­ ten ihm seinen hiesigen Wirkungskreis angenehm

und lieb

und er dachte nicht an einen Wechsel

desselben.

Nur unfreiwillig schied er von uns,

nachdem wir ihn bloß 5 Jahre besessen hatten. Aus dem angedeuteten Bildungsgänge unsers

scheidenden

Freundes

erklärt

sich

sein

ganzes

9 Schaffen und Leisten.

Schon in früher Jugend

von dem gelehrten Vater zu den edlen Geistern Athens und Rom's

geführt, von da an lebend

und webend in der Wissenschaft der alten Spra­ chen und als Mann ausgerüstet mit einer um­ fassenden und tiefen Sprachgelehrsamkeit, mußte

Fritzsche als Theolog sich vornämlich zur Schrift­ auslegung hingezogen fühlen und sie ist auch das

Gebiet, aus welchem er so Treffliches geleistet und mit so großem Erfolge gewirkt hat; sie ist

das Gebiet, wo

sein Name

glänzt und noch glänzen wird, beine

sich

bloß

wenn seine Ge­

mit der Erde

werden ver­

Diesen Ruhm hat

er sich nicht

längst

mischt haben.

unter den ersten

gestiftet in dem bestochenen Munde

des

Freundes ; ihn erkennen alle Kundigen einstimmig

an und auch die Widersacher leugnen ihn nicht. Mit dieser gründlichen Sprachgelehrsamkeit aber

vereinigte Fritzsche einen reichen Schatz ander­

weitiger, vornämlich theologischer Kenntnisse und sie waren bei ihm ein wohlverarbeitetes und kla­ res Ganzes,

welches verbunden mit Gedanken­

reichthum ihn zu einem ausgezeichneten Gottes­

gelehrten machte.

10 Vermöge jenes Bildungsganges und dieser

unausgesetzten Forschung in der heiligen Schrift konnte Fritzsche nur zu der theologischen An­

sichtsweise und

Richtung gelangen,

würdig und fruchtbringend wurde;

von

welche so

ihm vertreten

er konnte nur ein Theolog des Fort­

schritts im besten Sinne des Wortes sein.

Und

er hat dieser hochheiligen Gerechtsame der Mensch­

heit als Schriftsteller wie als akademischer Lebrer mit unwandelbarer Treue gedient, so lange er

gewirkt hat.

Er schloß sich nicht ab gegen das

Neue, wie es jede Zeit aus ihrem Schooße ge­ biert,

sondern war ihm zugänglich und immer

bereit, es mit dem Alten zu vertauschen, wenn es sich als besser erwies und sich bewährte;

er

blieb als ein ächter Vertheidiger des Lichts immer

in Einklang mit der unaufhaltsam fortschreitenden Zeit und half redlich mitarbeiten an der religiös­

sittlichen Weiterführung der Menschheit.

Aber

es galt ihm freilich nicht Jedes als Fortschritt,

was

als solchen sich angibt und geltend macht

und eö war ihm nicht alles Neue auch Besseres; es galt ihm nicht als Fortschritt zum Besseren,

wenn auch die zuverlässigsten Wahrheiten, die so lange gelten werden, als es Menschen geben

11 wird,

in Zweifel gestellt

sollten;

und beseitigt werden

vielmehr was der unverworrene Men­

schengeist als wahr und recht anerkennt und was

jedem gesunden Menschenherzen gewiß und heilig ist, das war auch in seinem Innern ein unan­ tastbares, ein unerschütterliches Heiligthum, wel­

ches kein Wind der Zeit fortzuwehen und keine Kunst der Rede wegzureden vermochte.

Er war

ein Mann des Fortschrittes, welcher in der Ge­

diegenheit der Kenntnisse und in der

Festigkeit

des Innern einen sichern Grund hat und sich

darum nicht in's Bodenlose verirrt. Wie groß aber- der Verlust auch ist, den die

theologische Wissenschaft und damit unsre Kirche

durch diesen Tod erleidet : größer noch ist der

Verlust, der

unsre Hochschule trifft;

liert in

einen

ihrer vorzüglichsten Lehrer

eine Lücke

erhalten, von welcher sich

und

hat

ihm

nicht absehen werden soll.

läßt, Denn

wie sie

sie ver­

wieder ausgefüllt

Fritzsche besaß nicht nur

einen reichen Schatz gelehrter Kenntnisse, sondern

er hatte auch in seltenem Grade die Gabe, des

umfassenden Stoffes immer Meister zu bleiben, die Gabe, in dem weiten Umfange des Stoffes bei seiner Behandlung nicht vom Wege abzu-

12 irren und

nicht von der Masse überwältigt zu

werden, sondern das Gewußte scharf auseinander zu setzen und klar darzutegen,

die Gabe,

Gegenstand immer sicher zu beherrschen,

umfangreich er auch war.

den

wie

Hielt er bei manchen

Dingen mit kurzen Entscheidungen mehr an sich,

als die schnelle Wißbegierde und Raschheit des jugendlichen Geistes wohl wünschen mochte,

so

war der Grund davon die Ansicht, daß der Leh­

rende nicht maßgebend seyn soll für den Lernen­ den;

ihm lag vor allem daran,

mit der Sache

nach ihren verschiedenen Seiten sorgfältig und

genau bekannt zu machen und er verlangte dann, daß auf Grund gewonnener

Sachkenntniß

jeder selbstständig seine Ansicht bildete

und

sich ge­

Schon jene herrliche Gabe der Geistes­

staltete.

klarheit sicherte ihm einen hohen Ehrenplatz unter

den Lehrern unsrer Hochschule.

Mit ihr aber

verband er noch die Lebendigkeit des Geistes und

das rege Interesse an der Sache,

welches seine

Vorträge ansprechend machte und für ihre Ge­

genstände weckte.

in den Lernbegierigen Lust und Liebe

Fürwahr, das

Scheiden

eines solchen

Lehrers ist ein harter Verlust, der die Jünger der Wissenschaft an unsrer Hochschule trifft.

13 Gleich viel aber verlieren wir, theure Amts-

genossen, und

Entschlafene

denen der

Freund war.

bloß den

näher stand

Wir beklagen

heute

nicht

Verlust des ruhmbedeckten Gelehrten

und ausgezeichneten Lehrers, wir beklagen auch, was mehr ist, den Verlust eines edlen Menschen,

nahe stand, den Verlust eines guten

der uns

Amtsgenossen,

unser

der

Fritzsche, war

ein

Freund

guter und

war.

Ja,

edler Mensch!

Wie scharf und schonungslos er sich vernehmen

ließ, wenn es galt, einem Verdunkler des LichtS entgegen zu treten oder die Ungründlichkeit und

Oberflächlichkeit, der er von Herzen abhold war,

auszudecken :

im Umgänge konnte man in dem

zuvorkommenden,

freundlichen

und

gefälligen

Manne, in dem Manne feiner Sitte, nicht jenen Schriftsteller erkennen,

welcher es sich zur Auf­

gabe gesetzt hatte, das entschieden und scharf zu bestreiten, derblich

was er als falsch, verkehrt und ver­

erkannt hatte.

man dies,

Noch weniger konnte

wenn man ihm näher trat und in

die Tiefen seines Herzens und Sinnes blickte;

da erkannte man in ihm bald den Mann der

ehrenhaftesten Gesinnung zensgute und bald

und der reinsten Her­

war man durch das Band

14 der Achtung und Liebe an ihn gefesselt,

ein

Band, welches immer fester wurde, je mehr er

durch freundliche Theilnahme, Verträglichkeit und

Friedfertigkeit bewies, wie hoch er Zuneigung

und Freundschaft zu halten wisse und wie lebhaft und innig er sich bewußt sei, daß unter Amtsgenossen, welche das Evangelium der Liebe und

deS Friedens zu lehren haben,

Friede herrschen soll.

auch Liebe und

Ja, er war ein GotteS-

gelehrter, welcher nicht bloß Gottes Willen kannte und lehrte, sondern ihn auch befolgte und so,

waS die Hauptsache ist, seine Wissenschaft im Leben bewährte.

Darum brauchte er auch, wie

er ein Mann deS Lichtes war, mit seinem Thun

das Licht nicht zu scheuen; denn seine Werke waren in Gott gethan.

Mit diesem Bewußtsein

beschloß er auch sein Leben.

Als ob

er noch

eine aus ihn passende Grabschrift sich auswählen

und bestimmen wollte, war sein letztes Werk aus

dieser Erde die Erklärung der schönen Stelle im Johannesevangelium :

Wer die Wahrheit

thut, der kommt an das Licht, daß seine Werke offenbar werden;

in Gott gethan.

denn sie sind

Mit der Erfassung dieser evangelischen Stelle ist der Theure nun entschlafen und hinüberge­

gangen in das Land des Lichtes und der Wahr­

heit, um vor Gottes Richterstuhl zu treten und,

wir hoffen es, den Ausspruch zu vernehmen, daß auch seine Werke in Gott gethan waren.

Wir

aber rufen Friede über seinem Grabe und gelo­ ben , daß

uns das Andenken dieses Gerechten

theuer und heilig sein soll, bis auch wir hinüber­

gehen in die Wohnungen des Friedens.