Gottfried Kinkel im Kreise seiner Jugendfreunde: Nach einer begegebenen unbekannten Gedichtsammlung [Reprint 2020 ed.] 9783111653846, 9783111269832

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Gottfried Kinkel im Kreise seiner Jugendfreunde: Nach einer begegebenen unbekannten Gedichtsammlung [Reprint 2020 ed.]
 9783111653846, 9783111269832

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STUDIEN ZUR R H E I M S GESCHICHTE Herausgeber: Dr. jur. ALBERT AHN

Heft 1: Niederrheinisches Geistesieben im Spiegel klevischer Zeitschriften d e s achtzehnten Jahrhunderts. Von Dr. Paul Bensei. Preis M 6.—. Die Bensei sehe Arbeit führt die angekündigte Sammlung würdig ein. Sie gibt eine Darstellung der Entwicklung des klevischen Zeitschriftenwesens im 18. Jahrhundert. - Dem rührigen Verleger ist für dieses so erfreulich eingeleitete Unternehmen der Dank der literarischen Kreise des Rheinlandes gewiß. Kölnische Zeitung. In das noch wenig bekannte geistige Leben des Niederrheins gewährt das Werk einen trefflichen Einblick . . . Benseis fleißige Arbeit legt eine nicht unbedeutende Bresche in das bisher noch ziemlich geschlossene Gebiet des Geisteslebens in den alten Rheinlanden des 18. Jahrhunderts. Kölner Tageblatt. Das ganze Werk dürfte wohl geeignet sein, ein Licht auf jene Zeiten zu werfen und kann darum sehr empfohlen werden. Rheinisch-westf. Zeitung.

Heft 2: Die Rheinlande und die Preußische Verfassungsreform auf dem ersten Vereinigten Landtag (1847). Von Dr. E. Hemmerle. Preis M 6.—. In gewandter Darstellung versteht es Hemmerle, die Fülle der Aufgaben und die wechselvolle Reihe politischer Urteile vorzuführen, die der vereinigte Landtag im Rheinland und in den Rheinländern auslöst. Verzeichnisse der rheinischen Mitglieder und ihrer Abstimmungen bilden eine wertvolle Ergänzung. Literarisches Zentralblatt.

Heft 3: Preußens Verfassung und Verwaltung im Urteile rheinischer Achtundvierziger. Von Dr. phil. Helene Nathan. Preis M 3.60. Sie bemüht sich im allgemeinen mit Erfolg, streng gerecht zu urteilen und ihren eigenen politischen Standpunkt zurücktreten zu lassen. In diesem Streben nach Gerechtigkeit bedauert sie es am Schluß, d a ß das Thema ihr nicht gestattet habe, die zahlreichen Wohltaten, welche die preußische Regierung den Rheinlanden brachte, ausführlich zu behandeln, weil die rheinischen Politiker in ihrer Kampfesstellung begreiflicher^ weise mehr die Schatten- als die Lichtseiten der preußischen Verwaltung betont hätten. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins.

Heft 4: Die Rhein- und Moselzeitung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden. Von Dr. phil Friedrich Mönckmeier. Preis M 4.—. Mönckmeiers Arbeit zeigt, wie das Studium der Geschichte auch n u r eines einzelnen Preßorgans das Leben selbst, diesen eigentlichen Gegenstand der Geschichte, an seiner Wurzel packt und geeignet ist, nicht allein nüchterne Tatsachen und für Nichthistoriker bedeutungslose Daten festzustellen, sondern gleich ganze Systeme feiner und feinster Kulturzusainmenhänge aufzudecken. Katholische Kirchenzeituug. Fortsetzung auf der hinteren, inneren TJmschlagaeite

A. Marcus u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Alan) Bonn

STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE HERAUSGEBER: DR. JUR. A L B E R T A H N 9. Heft:

Gottfried Kinkel im Kreise seiner Kölner Jugendfreunde Nach einer beigegebenen unbekannten Gedichtsammlung von

Dr. Carl Enders

BONN A. MARCUS UND E. WEBERS VERLAG (Dr. ALBERT AHN) 1913

Vorwort. Die folgende Arbeit verdankt ihr Entstehen dem Besitz des Materials, auf dem sie aufgebaut ist. Das Manuskript dieses ersten handschriftlichen Gedichtbuches Gottfried Kinkels von 1839 (die „Gedichte" erschienen 1843), ist vom ersten bis zum letzten Buchstaben von Kinkel selbst geschrieben. Zum Überfluß wird das in einem vorgeklebten Schreiben (vom 15. Juli 1887) von dem Sohne, dem bekannten Philologen, bestätigt. Das Büchlein ist in dunkelrotem Pappband gebunden. Das Titel- und Widmungsblatt hat einige hastige Schnitte mit der Schere, als ob einmal in einer schnellen, sofort wieder unterbrochenen Aufwallung der Versuch gemacht worden wäre, das Blatt herauszuschneiden. Es ist, wie die folgende Darstellung ergeben wird, nicht unmöglich, daß dieser Versuch von Otto Mengelberg, dem Adressaten, selbst in einer späteren Zeit gemacht worden wäre. Das entsprechende Blatt am Ende der ersten Lage scheint nachträglich herausgenommen zu sein. Es enthielt als das letzte Blatt des ersten Abschnitts „Lyrisches" vielleicht ein persönliches Gedicht an Mengelberg, das dieser später als unlieben Zeugen seiner Gemeinschaft „im Glauben" mit dem bald darauf „Abtrünnigen" entfernt haben mag. Denn es ist auffällig, daß ein solches in der Sammlung fehlt, während doch der andere Freund Fay bedacht ist. Die erste Lage enthielt danach ursprünglich 14 Blätter, jetzt noch 13, die zweite enthielt 12, die dritte 10, die letzte 2 ; im ganzen sind es 37 Blätter. Die

IV zweite Lage beginnt mit den „Geistlichen

Gedichten",

die

ja d u r c h w e g älter sind als die meisten Gedichte der ersten Abteilung u n d sich im Geiste recht eigentlich an

Mengel-

berg wenden, während die v o r h e r g e h e n d e n z. T. schon m e h r zu dem weltlichen Fay hinweisen. Doch sind sie sicher auch erst nach der italienischen

Reise f ü r den Freund

übrigen aufgeschrieben, resp. abgeschrieben

mit den

worden:

denn

die zweite Lage geht inhaltlich in die dritte über, u n d diese bringt das „Mirakel vom Gottesfrevler", das in Lukka spielt. Auch die d u r c h g e h e n d e Gleichmäßigkeit von Schrift, Tinte u n d Papier bestätigt das (Wasserzeichen Unser

Gedichtbuch

wird

ergänzt

Nachlaß veröffentlichte Phantasie

JWhatman).

durch

die

aus

Kinkels

„Künstlers Kampf und Sieg 4 ,

Die Gegenwart, herausgegeben von A. Heilborn, 1908, S. 41 ff., 57 ff., 76 ff.

Inhalt Seite

Vorwort III Inhaltsverzeichnis und Gedichtanfänge . V 1. Die Voraussetzungen in Kinkels Entwicklung bis 1839 . . . . 1 2. Die Düsseldorfer Schule, der Kunstverein und Künstlervereinigungen 6 3. Otto Mengelberg 12 4. Josef Fay 21 5. Kinkel in Köln und Düsseldorf und seine gesellige A r t . . . . 31 6. Ausgewählte Gedichte 37 Lyrisches 38 Dürre Blätter des Südens 47 Geistliche Gedichte 49 Sprüche und Distichen 59 Sprüche 60 Distichen 64 Inschriften zu Antiken 65 Romanzen und Legenden 69 7. Anmerkungen und Erläuterungen 83

Anfänge der neugedruckten Gedichte Alle Blumen sind da Also wandelts sich schön Anadyomene, Bild aus kaltem Auf aller Erde ruht ein stiller Friede Beide sich zärtlich umarmend Der Tag ist schwül, es ruht die Herde Diese Nacht in deinen Armen Ei, was frag ich danach Entsetzlich lang, entsetzlich bang Erst sangen sie nur in alten Weisen Erzählenden Stoff, von der Sage gegeben Freiwerber trat hinein ins Haus Fürst Wilhelm von Nassau Furchtbar mahnet dein Los

65 65 66 50 65 78 75 41 56 61 61 72 60 66

VI Seite G a r m a n n i g f a c h ist w a h r e r D i c h t u n g F a r b e

39

G l o c k e n hallen

76

G r o ß e s hat Z e u s dir g e t a n

66

Hegst du wirkliche T r e u e Hin und tot!

. . .

L a u t j a u c h z e t das V o l k

.

. 6 7 .

H ö r e zu schleifen d o c h auf

.

.

67 60

I c h k a n n es n i c h t e r m e s s e n n o c h b e g r e i f e n

51

I c h n e n n ' ein N i c h t s d a s a r m e

44

I m S c h l o s s e zu D ü s s e l d o r f w i r b e l t d e r T a n z

70

In d e m S c h i l f des U n k e n t e i c h e s 1 )

73

In w e i b l i c h e n H e r z e n h a t l e i c h t e r ein S c h a t z

63

K a n n m a n ein n e c k i s c h e r B i l d

64

Keine kokettere B l u m e

64

K e u s c h e s t e G ö t t i n des H e r d s Lieblich klagendes Bild

.

. 6 6 .

64

M e i n F r e u n d , ich b i n s o d u m p f

42

Nennet nur mein Leben stürmisch

60

O H i m m e l s j u n g f r a u m i t den d e u t s c h e n S i t t e n

43

O , v o n d e r E r d e auf, n i c h t

52

trag ichs länger . . .

Schlafe reizender K n a b e

. 6 7

S e i stark, sei stark u n d stille

39

S o n s t w a r ein j e d e r s e n t i m e n t a l

. 6 1

S t o l z , w i e ein älteres M ä d c h e n

64

V i e l e s lehrtest d u sie

65

V i e l s c h r e i b s t du, w e n n L i e b c h e n bei dir ist

62

V o l l e n d e t ist des T a g e s M ü h e

53

W a r ein R ö s c h e n in v o l l e r Bliit

72

W a s das L e b e n m i r v e r w e h r t e

60

W e i l verstümmelt du kamst

65

W e n n die Azalia heiß

64

W i e oft, o H e i l a n d , h a b ich d i c h g e m i e d e n

51

W i e v i e l des S e g e n s h a b e ich g e n o s s e n

50

Willst W e i n du trinken

CO

Z u dir, o H e r r , will a u f m e i n H e r z sich r a n k e n

52

Z u L u k k a in Italia

74

*) N a c h t r ä g l i c h übergehend

schon

g a b e der G e d i c h t e 3, 3,4:

In die

f ü h r t die.

stellt sich h e r a u s ,

dass

diese „Froschromanze"

m i t g e t e i l t ist in d e r 3 . , v o n J o h a n n a von 1851, S . 4 5 f .

hohe Seele

6, 3 : selig

Abweichungen:

schneidet Ihm

koaxend.

das.

4 , 4:

besorgten, 2, 5 :

tapfer

der W u n d e .

vorAusalle. 5,4:

Inhalt Seite

Vorwort III Inhaltsverzeichnis und Gedichtanfänge . V 1. Die Voraussetzungen in Kinkels Entwicklung bis 1839 . . . . 1 2. Die Düsseldorfer Schule, der Kunstverein und Künstlervereinigungen 6 3. Otto Mengelberg 12 4. Josef Fay 21 5. Kinkel in Köln und Düsseldorf und seine gesellige A r t . . . . 31 6. Ausgewählte Gedichte 37 Lyrisches 38 Dürre Blätter des Südens 47 Geistliche Gedichte 49 Sprüche und Distichen 59 Sprüche 60 Distichen 64 Inschriften zu Antiken 65 Romanzen und Legenden 69 7. Anmerkungen und Erläuterungen 83

Anfänge der neugedruckten Gedichte Alle Blumen sind da Also wandelts sich schön Anadyomene, Bild aus kaltem Auf aller Erde ruht ein stiller Friede Beide sich zärtlich umarmend Der Tag ist schwül, es ruht die Herde Diese Nacht in deinen Armen Ei, was frag ich danach Entsetzlich lang, entsetzlich bang Erst sangen sie nur in alten Weisen Erzählenden Stoff, von der Sage gegeben Freiwerber trat hinein ins Haus Fürst Wilhelm von Nassau Furchtbar mahnet dein Los

65 65 66 50 65 78 75 41 56 61 61 72 60 66

1. Die Voraussetzungen In Kinkels Entwicklung bis 1839 Seit einiger Zeit besitze ich ein handschriftliches Gedichtbuch Gottfried Kinkels, das vorher im Besitz der Tochter Otto Mengelbergs war, f ü r den es geschrieben ist, ein Buch, das aus verschiedenen G r ü n d e n von literarhistorischem W e r t ist. Einmal weil hier eine autoritative S a m m l u n g des Dichters selbst vorliegt, die veranstaltet ist vor der ersten öffentlichen Ausgabe seiner Gedichte, welche bekanntlich 1843 bei Cotta in Stuttgart erschienen; dann, weil diese S a m m l u n g Beziehungen zur Kunst und zu Düsseldorfer Künstlern klarlegt, die sowohl f ü r die spätere S c h w e n k u n g Kinkels von der Theologie zur Kunstgeschichte als auch f ü r die allgemeinen Beziehungen dieser Art in den 30 er und 40 er Jahren im Rheinland von Interesse u n d B e d e u t u n g sind. Auch d a f ü r ist die S a m m l u n g ein neuer Beweis, daß S t r o d t m a n n s jugendlich-überschwänglich und r o m a n h a f t erzählte Kinkelbiographie in allem T a t s ä c h l i c h e n das wirklich ist, was sie pathetisch auf dem Titelblatt v e r k ü n d e t : W a h r h e i t o h n e Dichtung. Kinkel ist am 11. August 1815 in Oberkassel bei Bonn geboren u n d hat am 10. September 1831 das Bonner G y m nasium mit dem Reifezeugnis verlassen, also mit 16 Jahren. U n s e r e Gedichte stammen a u s der Zeit des S t u d i u m s bis z u m D a t u m der S a m m l u n g : Oktober 1839, aus einem Zeitr a u m von 6—7 J a h r e n ; die meisten aber a u s den letzten Jahren dieses Zeitraums, denn erst allmählich begann die Produktionskraft in dieser Epoche sich zu regen. Ü b e r seine Knaben- u n d Schuljahre hat Kinkel selbst berichtet in der Gartenlaube 1872/73. Über die folgende Zeit informiert am zuverlässigsten in seiner eben bezeichneten Art S t r o d t m a n n in seinen zwei B ä n d c h e n : Gottfried Kinkel, H a m b u r g 1850. E n d e r s , Kinkels Kölner Jugendfreunde.

1

Bis Oktober 1834 studierte Kinkel in Bonn, vom Oktober 1834 bis August 1835 in Berlin, wo sich die ersten Gedichte in engerem Kreis hervorwagten, von 1835 bis Herbst 1837 finden wir ihn wieder in Bonn, eifrig mit seinen Fachstudien beschäftigt. Damals mag der größte Teil seiner jugendlichen, noch sehr frommen geistlichen Gedichte entstanden sein, die wir z. T. zuerst bekannt machen. Diese Epoche schloß ab mit dem Lizentiatenexamen 1836 und der Habilitation von 1837. Oktober 1837 bis März 1838 macht Kinkel seine Reise durch Südfrankreich und Italien. Auch sie hat in unserer Sammlung einige Gedichte und vielerlei Anregungen in anderen beigesteuert. In die Zeit unmittelbar vor der Reise fällt das Doppelverhältnis zu der schwindsüchtigen Freundin Minna und der an der Leiche des Freundes in so romantischer Weise anverlobten Braut Elise. Strodtmann schildert es höchst emphatisch, ebenso wie den Tod der einen und die Untreue der anderen. Alles Licht fällt auf die reine und schmählich mißhandelte, zärtliche Seele des vergötterten Freundes. Diese Beleuchtung ist sicher einseitig und tendenziös. Was aber auch die letzten G r ü n d e sein mögen, Kinkel kehrt jedenfalls schwer bedrückt in die Heimat zurück. Und die Lebensstimmung von 1838/39 bestimmt unsere Sammlung und zugleich die Auswahl aus dem, was er besaß. Entscheidend war auch, wie wir gleich sehen werden, die Persönlichkeit des Empfängers. Die äußere Lage des jungen Dichters und Gelehrten war damals nicht glänzend. Er war ganz auf eine schnelle Erfüllung der an die Habilitation geknüpften Hoffnungen angewiesen. Das in die Ehe eingebrachte Vermögen beider Eltern war schon in der Gymnasialzeit eingeschmolzen. Das Erbe der Juffrouw Grietje, einer Verwandten der Mutter,, einige tausend Gulden, war sehr willkommen gewesen. 1 ) Der Rest desselben wurde für die Reise verwendet. Die Honorare für seine unterrichtliche und dann auch seelsorgerische Nebentätigkeit zusammen mit einer ersten und dann mehrfach wiederholten Remuneration für seine Dozententätigkeit

!) Gartenlaube 1873, S. 180.



3

-

mußte ihn über die Wartezeit auf eine Professur (anfänglich auch auf eine Pfarrei) hinwegbringen. Die literarischen Anregungen, welche unserer Zeit vorangingen, oder in sie hineinragen, hat Kinkel selbst eingehend geschildert. Schon auf der Schule begnügte er sich nicht mit der offiziellen Lektüre der alten Schriftsteller, sondern las etwa den Vellejus Paterculus, „den seltsamen Lobredner eines Tiberius". 1 ) Frühe war dem Knaben S c h i l l e r nahegetreten, in dessen „hohe Gedankenwelt" er sich durch Ramlers Mythologie leiten ließ! Er erhielt „von diesem Dichter die ersten Eindrücke einer edlen und erhabenen Poesie. Seine Balladen wußte ich bald auswendig, aber auch seine philosophischen Gedichte übten mein Denken schon frühe". L e i d e n s c h a f t im Drama lernte er zuerst aus Körners Rosamunde kennen (mit acht Jahren). Das ist die Brücke, über die er nach der Enge des Vaterhauses „in die Bühnenwelt Schillers und dann zu den begeisternden Jugendstücken Goethes fortstürmte". 2 ) Goethes Romane wurden sehr viel später gelesen. Von den großen Dramatikern der Weltliteratur kamen ihm bald Shakespeare und Calderón näher. Im Büchelerschen Hause hatte der Gymnasiast eine gute Bibliothek zur Verfügung. Klopstocks Messias las er ganz, wenn auch „pflichtmäßig". Wielands sämtliche Schriften waren zur Hand. Aber nur „Oberon", die „Abderiten" und „Geron der Adliche" machten ihm wahrhaft Freude. „Tiefer las ich mich in diesen bändereichen Schriftsteller nicht hinein, denn ich verlangte damals g r o ß e G e d a n k e n , s t a r k e u n d s c h w ä r m e r i s c h e G e f ü h l e . " Er sträubte sich besonders gegen die Moral des „Hexameron von Rosenhain", während die „Wasserkufe" mit Vergnügen genossen wurde. Eine besondere Vorliebe hätte er f ü r Seume, insbesondere für den „Spaziergang nach Syrakus". Über die Anregungen der jüngsten literarischen Vergangenheit gibt Kinkel interessante Auskunft. In Bonn bestand während seiner Schulzeit eine gute Bühne unter Ringelhardts Direktion, wo sogar Eßlair mit seinem berühmten Lear als Gast auf') Gartenlaube 1873, S. 45. 2 ) Gartenlaube 1872, S. 52.



4



trat. Das Theater war ihm aber vom Vater und von der Schule verboten. Arndt lebte allverehrt in Bonn, schwieg aber. „Aug. Wilh. Schlegel war damals schon für uns Gymnasiasten eine komische Figur." Immermann, Heine und Platen waren noch nicht durchgedrungen. U h l a n d w a r am b e k a n n t e s t e n und beliebtesten. „Erst der Juli 1830 hat den Gesang bei uns wieder geweckt." D a s ist ein Tendenzwort des späteren Parteimanns, das bei ihm am wenigsten zutrifft. Mit Energie wird die Bedeutung des historischen R o m a n s für das Wiedererwachen des politischen Lebens betont. Die Tatsache jedenfalls ist interessant und für das epische Element auch in unserer Sammlung zu beachten, daß Walter Scott und Cooper auf die Gymnasiastengeneration, in der er aufwuchs, einen so starken Eindruck machten. Ivanhoe lernte er durch einen lesewütigen Mitschüler kennen. Er will etwa 12 Scottsche Romane, einiges von Cooper und fast alles von Irving gelesen haben, bei dem ihn das belehrende und fremdartige Milieu anzog. „ U n t e r den Deutschen," meint er noch so viel später, „wird an Reichtum der Erfindung und Kraft der Spannung wohl keiner Spindlern überbieten". In Unterprima wurde in einem Lesewutanfall der „ganze van der Velden durchgeackert". Auch Hauff fand den vollsten Beifall der ganzen Generation. Der „Lichtenstein" wurde so leidenschaftlich in Lieferungen begehrt, daß man nahm, was man eben bekam, und Kinkel, da ihm die letzten Lieferungen zuerst in die Hände fielen, den Roman richtig von hinten nach vorn las. 1 ) Die Gegenwart machte sich dann in unserem Zeitraum wesentlich geltend in den durch persönliche Bekanntschaft ihm verbundenen Mitstrebenden: Geibel, Freiligrath, Simrock, Matzerath, W o l f g a n g Müller von Königswinter. Besonders stark wirkte Immermann, dessen „Merlin" er zur Zeit seiner Habilitation mit großer Teilnahme las. 2 ) Zu eigener künstlerischer Gestaltung konnte die Träumernatur des Jünglings erst gelangen, als er zu beobachten begann und zu fester !) Gartenlaube 1873, S. 1 7 8 ff. a

) Strodtmann I, S. 99.

dann auch 1842 in

Dieser Dichtung Immermanns widmete er

den von Ferd. Freiligrath herausgegebenen

der Erinnerung" einen Beitrag.

„Blätter

Formung seiner zerfließenden Gebilde mit Bewußtsein hindrängte. Der älteste Sohn seines Hauswirts in Bonn, Joseph Bücheler, scheint hier den entscheidenden und sehr plötzlich wirkenden Einfluß ausgeübt zu haben. 1 ) Die äußere Form scheint ihm dabei nie Schwierigkeiten gemacht zu haben. Er erzählt selbst, daß „schon die Versübungen des Vaters, der gar keine dichterische Phantasie besaß, in Maß und Reim überaus korrekt waren", obwohl er niemals Metrik getrieben habe. „Und hier könnte wohl ein Einfluß von ihm auf mich übergegangen sein; denn schon meine frühesten ganz unbewußt niedergeschriebenen Verse sind ohne allen Fehler in der Fußzahl gewesen; in einem noch so langen Gedicht, das Jemand vorliest, höre ich jeden metrischen Fehler sofort heraus und habe oft zur Verwunderung meiner Freunde ihnen in ihren Sachen einen Fuß zu viel oder zu wenig nachgewiesen. Auch würde ich nie, wenn ich in so schönen Armen wie Goethe geruht, nötig gehabt haben, des Hexameters Maß auf Faustinens Rücken zu zählen, indem mir niemals siebenfüßige Hexameter oder, wie in der „Braut von Messina" unserem Altvater geschehen, Reimverse mit einem Überbein entschlüpft sind." 2 ) Wenn auch unser Jugendbändchen im allgemeinen diese Ausführungen bestätigt, so gibt es doch auch schlechtgebaute Verse, wie in Nr. 43. Unsere Sammlung spiegelt die absolut älteste Periode seines Dichtens. Die außerordentliche Rezeptivität der Schuljahre schildern die Jugenderinnerungen. 3 ) „Dagegen fand zu poetischem Schaffen sich keine Anregung. Zum Verlieben war ich zu jung, kein politischer oder moralischer Stoff entzündete mich. Ein Versuch, die Weinlese, wie ich sie von Oberkassel her kannte, in Hexametern zu schildern, deutet vielleicht schon auf meine späteren idyllischen Skizzen und Erzählungen hin; außerdem erinnere ich mich' unter Manchem noch eines mit 14 Jahren geschriebenen Geburtstagsgedichtes an meine Schwester, das in ganz richtiger Sonettform abgefaßt war." 1831 verließ er das Gymnasium. 1832 ist unser Gedicht Nr. 6 geschrieben. Er be') Gartenlaube 1873, S. 99. ) Gartenlaube 1872, S. 471. s ) Gartenlaube 1873, S. 178 ff.

2

absichtigte zum ersten Male im Jahre 1836, seine frühesten Jugendgedichte herauszugeben, aber er legte sie dann auf den Rat seines Freundes Ferd. Weiß vorläufig zurück und „befand sich dabei viel glücklicher". Denn es stiegen in diesen Jahren mehrfach Zweifel an seiner Begabung in ihm auf, weil Chamisso und Knapp ihm für die Musenalmanache eingesandte Gedichte zurückschickten, was ihn übrigens sehr kränkte. 1 )

2. Die Düsseldorfer Schule, der Kunstverein und Künstlerverelnfgungen In Düsseldorf als der Residenz der kunstsinnigen bergischen Herzöge wurde schon 1767 eine Kunstschule gegründet und eine Galerie gesammelt. Als 1805 Berg mit Bayern vereinigt und die Residenz nach München verlegt wurde, kam auch die Galerie dorthin. Unter der preußischen Regierung wurde dann durch Altenstein auf die Anregung Niebuhrs die Düsseldorfer Kunstschule neu belebt und organisiert. Cornelius wurde berufen und er führte die nach dem Muster des Cinquecento neugeschaffene Ausbildungsweise ein, nach der die Schüler mit dem Meister zusammen an großen Werken arbeiten und so viel intensiver ausgebildet und zur Selbständigkeit erzogen werden, da sie bald im Rahmen des Ganzen ihre eigene Begabung zur Geltung bringen können. 2 ) Bis heute bekannte Werke solcher gegemeinsamer Arbeit sind z. B. der Assisensaal in Koblenz, die Ausmalung des Schlosses Heitorf bei Düsseldorf, die Universitätsaula in Bonn, spätere: die Fresken der Apollinariskapelle in Remagen und im Schloß Stolzenfels. 3 ) Der Nachfolger von Cornelius, W. Schadow, begründete die „Düssel») Strodtmann I, S. 99. f ) Zu der neuen Methode und ihrer Variation durch Schadow vgl. Uechtritz, Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben, 1839, Bd. I, S. 122 ff., 129 f. ') Vergl. Ruhnke, Zur Feier des 60 jährigen Bestehens des Kunstvereins für Rheinland und Westfalen, Düsseldorf 1879, und Fr. Schaarschmidt, Geschichte der Düsseldorfer Kunst, Düsseldorf 1900.

absichtigte zum ersten Male im Jahre 1836, seine frühesten Jugendgedichte herauszugeben, aber er legte sie dann auf den Rat seines Freundes Ferd. Weiß vorläufig zurück und „befand sich dabei viel glücklicher". Denn es stiegen in diesen Jahren mehrfach Zweifel an seiner Begabung in ihm auf, weil Chamisso und Knapp ihm für die Musenalmanache eingesandte Gedichte zurückschickten, was ihn übrigens sehr kränkte. 1 )

2. Die Düsseldorfer Schule, der Kunstverein und Künstlerverelnfgungen In Düsseldorf als der Residenz der kunstsinnigen bergischen Herzöge wurde schon 1767 eine Kunstschule gegründet und eine Galerie gesammelt. Als 1805 Berg mit Bayern vereinigt und die Residenz nach München verlegt wurde, kam auch die Galerie dorthin. Unter der preußischen Regierung wurde dann durch Altenstein auf die Anregung Niebuhrs die Düsseldorfer Kunstschule neu belebt und organisiert. Cornelius wurde berufen und er führte die nach dem Muster des Cinquecento neugeschaffene Ausbildungsweise ein, nach der die Schüler mit dem Meister zusammen an großen Werken arbeiten und so viel intensiver ausgebildet und zur Selbständigkeit erzogen werden, da sie bald im Rahmen des Ganzen ihre eigene Begabung zur Geltung bringen können. 2 ) Bis heute bekannte Werke solcher gegemeinsamer Arbeit sind z. B. der Assisensaal in Koblenz, die Ausmalung des Schlosses Heitorf bei Düsseldorf, die Universitätsaula in Bonn, spätere: die Fresken der Apollinariskapelle in Remagen und im Schloß Stolzenfels. 3 ) Der Nachfolger von Cornelius, W. Schadow, begründete die „Düssel») Strodtmann I, S. 99. f ) Zu der neuen Methode und ihrer Variation durch Schadow vgl. Uechtritz, Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben, 1839, Bd. I, S. 122 ff., 129 f. ') Vergl. Ruhnke, Zur Feier des 60 jährigen Bestehens des Kunstvereins für Rheinland und Westfalen, Düsseldorf 1879, und Fr. Schaarschmidt, Geschichte der Düsseldorfer Kunst, Düsseldorf 1900.

dorfer Schule" durch das Statut von 1831. Die Schüler, welche er von Berlin als Mitleiter mitbrachte, waren Hübner, Hildebrandt, Lessing und Sohn. 1 ) Im ersten Halbjahr 1834, das uns weiter unten besonders interessieren wird, fungieren als Leiter: Schadow, Hildebrandt, Sohn, Schirmer. Hildebrandt und Sohn insbesondere haben die Anfänger. Einem mitstrebenden Zeitgenossen ist schon 1845 ein historischer Rückblick möglich, in dem er zwei Seiten der Düsseldorfer Schule unterscheidet, eine weltliche und eine kirchliche. „Beide hielten sich so ziemlich die Balance . . . . Der Stifter der Schule, der Direktor von Schadow, bekannte sich, wie noch heute, zur religiösen Malerei. Mit ihm waren Deger, Ittenbach, die Brüder Karl und Andreas Müller, Gotting und einige andere. Die Darstellungen religiöser Gegenstände scheinen ihm die würdigsten und die höchsten Aufgaben der Kunst. 2 ) In dieser Beziehung tritt er mit den zeitgemäß modifizierten Kunstanschauungen in Konflikt, welche — wenigstens was die streng kirchliche Tendenz solcher Bilder angeht — dies Gebiet durch frühere Kunstepochen hinlänglich ausgebeutet erachten." Daneben wurde in diesen ersten Jahren eine zwar auch biblisch-historische, aber mehr geschichtsphilosophisch bestimmte Richtung mächtig, die Bendemanns und Hühners. „Ihnen kommt es weniger auf das dargestellte Faktum an, als auf die religiös-symbolische Stimmung." Dabei war Bendemann gar nicht problematisch, wie Immermann. „Das subjektive und seelische Leben thront bei ihm als ruhige 'Herrscherin und lenkt, bestimmt und beschränkt, so mild und anspruchslos es ist, die Reflexionen desselben." 3 ) l

) Über die Wirkung dieser Zuziehung schon künstlerisch ausgebildeter Ostländer vgl. Uechtritz a. a. O. I S. 49, 153,157. Die Opposition der rheinischen jüngeren Künstler machte sich besonders bei den Landschaftern geltend. Die stärkste Explosion stellt die noch zu nennende Schrift von Fahne dar. *) Schadow selbst tritt bei Anerkennung aller wahren Talente in allen Richtungen mit Energie für die seine als die notwendigerweise allgemeine ein in seinem Aufsatz „Die Düsseldorfer Malerschule" im Correspondenzblatt des Kunstvereins I, 1845, S. 57 ff. ») Uechtritz, a. a. O. II, S. 74.



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Man könnte die historische Richtung mehr neben die religiöse Erzählung und Legende, die andere neben die religiöse Lyrik setzen, die die überlieferten Symbole reichlich verwendet. 1 ) „Übrigens übte diese von Bendemann angeregte Kunstrichtung zwar einen großen, aber nicht unbedingt günstigen Einfluß auf die jüngeren Künstler. Nicht selten begegnen wir um diese Zeit einer unbestimmten, großartig sein sollenden Auffassung und in den Linien aufgeblasenen Kompositionen, besonders, wenn man einen Blick in die Mappen tut. Erst nachdem Bendemann 1838 vom Könige von Sachsen nach Dresden berufen wurde, um dort die Säle des Kgl. Schlosses auszumalen und Hübner ebenfalls nach Dresden übersiedelte, bildete sich eine mehr reale Kunstrichtung als Spitze der Düsseldorfer Schule, und dem Idealen begegnen wir seitdem nur hin und wieder in christlichen Bildern. Besonders gestalten sich unsere historischen Bilder mehr dramatisch." 2) Nach Clasen war dieser Einfluß so stark, daß man hätte fürchten müssen, unter Bendemanns Einfluß wäre die Schule „gänzlich einer symbolischen Kunst- und Weltanschauung verfallen". Die nach Beseitigung seines Einflusses aufkommende realistische Richtung charakterisiert Ruhnke 3 ): „Als gegen Ende der dreißiger Jahre die zersetzende Kritik der unter dem Namen Jung-Deutschland bekannten Geister sich in Literatur, Philosophie, Politik und Kunst Bahn zu brechen begann, als hier in Düsseldorf Männer wie Immermann, Mendelssohn, Schnaase, v. Uechtritz u. a. Ideen in das öffentliche Leben wieder einführten, wie sie der kritische Genius eines Lessing seiner Nation vorgezeichnet hat, da begann sich auch in der Malerzunft ein anderer Geist zu regen. Man stürzte sich in den Strudel der Meinungskämpfe, die gemütliche Abgeschlossenheit des früheren Künstlerlebens hatte ein Ende, die ästhetische Vgl. auch Uechtritz, a. a. O. II, S. 79. Bendemann und Hübner werden als auch theoretisch im Gespräch anregende Künstler charakterisiert S. 151. 2 ) Lorenz Clasen, »Der Kunstverein für Rheinland und Westfalen" Correspondenzblatt I, 1845. 3 ) S. 13.



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Polemik wies auf die Malweise des Auslandes hin, unsere Künstler fingen an, größere Studienreisen zu unternehmen und die Linienschönheit der Natur und das Leben des Volkes in seiner Ursprünglichkeit, wie es sich an Seegestaden und auf Hochgebirgen erhalten hat, an der Quelle zu studieren. Seit jener Zeit wurde die Richtung der Schule eine vielseitigere, man lernte von unseren französischen und niederländischen Nachbarn eine treuere Behandlung der natürlichen Darstellungsformen, und es bildete sich seitdem eine gesunde Realistik, welche auf Landschaft, Genre, ja selbst auf die seitdem entstandenen Werke der Monumentalmalerei von glücklichstem Einflüsse geworden ist." Sowohl für die Verbreitung des Kunstinteresses, als auch für die innere und äußere Lage der Künstler aus der Düsseldorfer Schule war von entscheidender Bedeutung geworden die Begründung des K u n s t V e r e i n s für Rheinland und Westfalen im Jahre 1829. Lorenz Clasen stellt 1 ) den Aufschwung zahlenmäßig fest: „Im Jahre 1833 wachsen die Kunstvereine in ganz Deutschland. Unser Verein nimmt einen gewaltigen Aufschwung . . . In den Jahren 1833, 36, 37 und 38 traten jedesmal fast 500, ja, im Jahre 1837 über 500, und in den dazwischenliegenden Jahren jedesmal zwischen 100 und 2 0 0 Mitglieder dem Verein bei, so daß die Zahl der Aktien im Jahre 1840 die Höhe von 3748 Nummern erreicht, also sich eine Einnahme von 18 740 Talern ergibt. Der vermehrten Einnahme entsprechend steigt die Summe, welche für zur Verlosung bestimmte Bilder verausgabt wurde, von 5065 Talern im Jahr 1835 auf 7028 Taler, im" Jahr 1838 auf 9634 Taler und so allmählich bis zum Jahr 1841 auf 11 434 Taler. Die Anzahl dieser Bilder beläuft sich durchschnittlich auf 41 bis 50." Welche außerordentliche Förderungs- und Unterstützungstätigkeit der Verein entfaltet hat, zeigt am besten die Liste der Stiftungen in der Schaarschmidtschen Geschichte der Düsseldorfer Kunst. 2 ) Der Verein bewog im Jahre 1837 die Kunstdruckerei von Schulgen-Bettendorf zur Übersiedlung von Bonn nach Düsseldorf. A. a. O. S. 20. *) S. 68 f.



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Die Ausstellungen fanden bis 1872, wo ein Brand den größten Teil des Akademiegebäudes in Asche legte, alljährlich im großen Saale der Akademie statt, auch dadurch die enge Beziehung zur letzteren dokumentierend. Bedeutsam für die Beziehungen der Künstler unter sich und ihre gegenseitige Anregung waren die K ü n s t l e r v e r e i n e . Im Anschluß an die aus der erwähnten Opposition erwachsene Schrift von A. Fahne 1 ) läßt sich Clasen über die Künstlervereine aus: „Mit den Künstlervereinigungen ist es wahrlich eine eigene Sache. Ich habe verschiedenen Vereinen angehört, welche den Zweck gegenseitiger Anregung und Belehrung hatten. Solange dies mit jugendlicher Begeisterung geschah, solange wir alle an die Zukunft unsere Wünsche adressierten und die Gegenwart ein Feengarten war, in welchem jeder nach Herzenslust seinen Träumen, seinem Treiben und Schaffen nachgehen konnte, sich einen beliebigen Baum pflanzte, von welchem er künftig zu pflücken dachte, — so lange trübte kein Argwohn unseren wunderbar poetischen Frieden. Sobald sich aber eine einzelne Kraft überwiegend geltend machte und außer unserem Kreise Anerkennung fand, trat eine veränderte Stimmung ein Außerhalb unseres Kreises winkte ihm die Anerkennung vieler anderer als eine schöne stolze Palme, unter deren Schatten es sich weit sicherer ruhen ließ Unsere jungen Vereine standen von vornherein zu den älteren in untergeordneter Beziehung." Die jüngere Generation hatte 1830 einen ersten Kompositionsverein unter Friderici. „Spätere Vereine, von denen der sogenannte Reinicksche am längsten Bestand hielt, waren mehr künstlich organisiert und hielten nur mühsam zusammen. Die Elemente waren zu verschiedener Art und zu verschiedenen Alters. Leute von 30 und von 70 Jahren harmonieren leichter, als Leute von 20 und 30 Jahren." Der hier genannte Reinicksche Verein wurde am 8. Nov. 1835 als „Familienverein Düsseldorfer Künstler" .begründet. Er ist der eigentliche Vorläufer des später (im August 1848) begründeten und bis heute lebendigen „Mal„Die Düsseldorfer Malerschule in den Jahren 1834, 1835 1836, eine Schrift voll flüchtiger Gedanken«, Düsseldorf 1837.

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kastens". In dem Familienverein konzentrierte sich alles, was „sich zu jener Zeit an Koryphäen bedeutender Geister um die Düsseldorfer Akademie gruppierte. Es blühte die Romantik und Robert Reinick war ihr begeisterter Sänger. Das Protokollbuch wurde zugleich als Karikaturenalbum benutzt und zeigt namentlich aus den 40 er Jahren ergötzliche Erfindungen von Camphausen und Sonderland. Gegen Mitte des Jahrzehnts verschwindet aber wieder die glanzvolle Spur dieses Vereins". 1 ) Im Familienverein wurde 1838 im Karneval auch das große Fest gefeiert, bei dem unter Immermanns bewunderter Regie Wallensteins Lager aufgeführt wurde. 8 ) Die schönsten Zeiten der „Düsseldorfer Anfänge" Immermanns waren damals schon vorüber. 3 ) Die Zeit der großen allgemeinen Feste brach freilich erst mit dem Jahr 1837 an>) 1837 gründete auch Immermann seine zwecklose Gesellschaft. 5 ) Im Anschluß an ihn erfuhr auch der Familien^ verein eine Erneuerung. 6 ) Von großen Festen wird schon 1835 das Jubiläum der Marianischen Junggesellensodalität genannt, 7 ) das Fest zu Ehren des alten Schadow aus Berlin und das Dürerfest mit Immermanns bekanntem Festspiel. Früher finden wir nur ganz vereinzelte, wie das auch von Immermann redigierte Fest zur Anwesenheit des Kronprinzen im September 1833.8) Unsere Sammlung führt uns noch in das im ganzen stillere Gemeinschaftsleben, das Uechtritz für die Jahre vor 1837 schildert. 9 ) Aus der Geschichte des Kunstvereins Malkasten. Zur Jubelfeier seines 50 jährigen Bestehens. 1848—1898, S. 9. s ) Immermanns Memorabilien, 3. Bd., S. 173 ff., 179, Uechtritz a. a. O. I, S. 91. 3 ) Sie füllen die Jahre 1827—1830 und sind geschildert a. a. O. S. 247, 249, 251. *) Uechtritz I, S. 91. 5 ) Putlitz 2, S. 201 f., W. Müller von Königswinter, Karl Imraermann und sein Kreis, S. 308 ff. mit dem Abdruck des Statuts. Uechtritz I, S. 89. •) S. 90. ') Memorabilien Bd. 3, S. 256 f., Putlitz Bd. 2, S. 21, Uechtritz I,

S. 91. 8

) Memorabilien Bd. 2, S. 189 ff. •) A. a. O. I, S. 51, 54 f., Maskenscherze S. 58 f.



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3. Otto Mengelberg Der E m p f ä n g e r unseres Gedichtbuches, Otto Mengelberg, stammt a u s einer Kölner Künstlerfamilie, die sich bis heute einen durch die Generationen bewahrten Ruf erhalten hat. Sein Vater Egidius Mengelberg hat sich ein unvergeßliches Verdienst erworben um die H e b u n g des breitesten Geschmacks und die F ö r d e r u n g des Kunsthandwerks. Er ist 1770 in Köln geboren, w o er auch am 26. Oktober 1849 gestorben ist. Er besuchte in f r ü h e r J u g e n d die oben genannte kurpfälzische Akademie in Düsseldorf, die er nach drei Jahren wieder verließ, im Jahre 1786. Er g r ü n d e t e n u n in Köln eine Zeichenschule, geriet aber dadurch in Schwierigkeiten mit der Malerzunft und mußte sich wohl oder übel 1787 bei ihr als Meister einschreiben lassen. Die Beziehung zu Düsseldorf hielt er d a d u r c h aufrecht, daß er in den 90 er Jahren b e r ü h m t e Gemälde der alten Galerie f ü r einen englischen Kupferstecher u n d Kunstverleger (Valentin Green) kopierte. 1800—1806 lebte er in Elberfeld, dann wieder in Köln, wo er als älterer Mann 1822 seine bald b e r ü h m t e Sonntagsschule f ü r H a n d w e r k e r gründete. „In den ersten 16 Jahren zählte die Schulmatrikel bereits 1694 Lehrlinge und Gesellen." Er w u r d e schließlich von der Regierung zum Professor e r n a n n t u n d die Stadt Köln ehrte ihn noch in seinem T o d e s j a h r durch eine Pension. Als Bildnismaler war er geschätzt. Zwei seiner Bilder w u r d e n sehr bekannt, das des Erzbischofs Ferdinand August in ganzer Gestalt und „Wallrafs lebensvolles u n d sehr ähnliches Bild" im städtischen M u s e u m in Köln. Das letztere ist auch von Steifensand f ü r E n n e n s Zeitbilder 1857 in Kupfer gestochen worden. 1 ) Otto Mengelberg w u r d e 1817 in Düsseldorf geboren (es scheint, daß sich der Vater also auch einige Jahre dort aufgehalten hat, wenn es nicht v o r ü b e r g e h e n d zu einer A . D . B . XXI, 347 f. (J. J. Merlo), vergl. auch Müller-Singer, S. 173. 1831 wurde auf der Ausstellung des Kunstvereins ein Bild von Mengelberg »Das Innere einer Kirche" für 120 Taler verkauft. A. Fahnes Verteidigungsschrift: „Meine Schrift, die Düsseldorfer Malerschule und ihre Gegner", Düsseldorf 1837, S. 26.



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Kopierarbeit der Fall war, oder daß nur die Mutter sich zur Zeit dort befand). Jedenfalls kam er schon in frühester J u g e n d nach Köln, w o er das Gymnasium absolvierte u n d auch die ersten Kunststudien, offenbar unter der Leitung des Vaters, trieb. 1834 bezog er die Akademie in Düsseldorf und kam in der Vorbereitungsklasse mit dem Fach Geschichte unter die Leitung Sohns. Er w u r d e baldigst in die erste Klasse versetzt, und die Bilder, die uns hier b e s o n d e r s interessieren, sind in dieser gemalt worden. Z u r A n f e r t i g u n g seiner Mitarbeit an den Kartons zu der großen Elberfelder A r b e i t von der wir noch hören, b e g a b er sich, kurz nachdem er unser Gedichtbuch von Kinkel erhalten hatte, nach München, erkrankte dort aber und mußte mit Verzicht auf diese große Arbeit zurückkehren. Er ist immer kränklich geblieben und konnte sich deshalb nie. nach W u n s c h an monumentalen Arbeiten beteiligen. 1842 verließ er die Akademie, er lebte d a n n bis 1848 in Köln und von diesem Jahr bis zu seinem T o d e am 28. Mai 1890 in Düsseldorf. 1 ) O b w o h l M e n g e l b e r g katholisch geboren und erzogen w u r d e u n d er gerade f ü r katholische Kirchen mehrfach Bilder gemalt hat, ist er in reiferem Alter zur protestantischen Kirche übergetreten, nicht etwa a u s religiösem Indifferentismus, sondern aus Ü b e r z e u g u n g . Das beweisen seine sowohl von W i e g m a n n wie von der Tochter mir brieflich bezeugten eing e h e n d e n theologischen Studien. Sowohl der Verkehr mit Kinkel und der stark religiöse Charakter unserer Sammlung, wie der Verkehr mit dem Pfarrer Bögehold, Kinkels orthodox-protestantischem Schwager, der, wie mir ebenfalls die Tochter mitteilte, das ganze Leben hindurch festgehalten w u r d e , lassen es sehr wahrscheinlich erscheinen, daß gerade hier schon in f r ü h e r J u g e n d die Quellen des Ges i n n u n g s w a n d e l s zu suchen sind. Die Freundschaft mit Kinkel hielt denn auch n u r bis zu dessen „Abfall" an. Die Tochter schrieb mir 1907: „Er w a r in der J u g e n d mit Kinkel sehr befreundet, doch zweigten sich ihre W e g e damals, als Kinkel sich 48 als .Freiheitskämpfer und -Dichter' einer Partei R. Wiegmann, Die Kgl. Kunstakademie in Düsseldorf, dorf 1856, S. 196 ff., Zeitschr. für bild. Kunst, N. F. 1890.

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anschloß, die gegen die Religion und das Gewissen meines Vaters war, der ein sehr ernster evangelischer Christ war." Sie teilt auch mit, daß Mengelberg selbst viel gedichtet habe und daß die Briefe an ihre Mutter voll von Gedichten seien. Bögehold und seine Frau, die Schwester Kinkels, Johanna, deren Bekehrungstrieb ja von Strodtmann immer wieder hervorgehoben wird, scheinen an diesem Übertritt hervorragend beteiligt. Auch die innere Beziehung zu der Gruppe Bendemann-Hübner spielt hier mit. Wurde doch der Gegensatz der Schadowschen Richtung und der Bendemann-Hübnerschen geradezu von den Beteiligten selbst als katholisch und protestantisch empfunden. Schadow, führt Uechtritz aus, 1 ) „hat schon längst die Überzeugung erlangen müssen, daß die katholisch-kirchliche Richtung der Kunst, die er mit entschiedener Vorliebe gefördert, n u r in einem katholischen Lande und mit den daraus entsprossenen Künstlern einen festen Boden gewinnen könne. Bei der Mehrzahl der älteren, meistens protestantischen Künstler findet er in dieser Beziehung entweder gar keinen oder nur geringen Anklang. Selbst diejenigen, die, wie Hübner und Bendemann, bis auf einen gewissen Grad seine Kunstansichten teilen, fühlt er doch dem tiefsten Prinzipe nach durch eine große Kluft von sich geschieden. Die Auffassung religiöser Gegenstände von Seiten Hübners wird er, so sehr er die Arbeiten des Freundes anerkennt, doch immer als eine .protestantische' und daher in seinem Sinne ungenügende bezeichnen." Um so interessanter ist es, zu sehen, wie der Neffe Otto Mengelbergs, Wilhelm, der Sohn seines Bruders Edmund, der Drechslermeister und dann Zeichner und Lehrer an des Vaters Sonntagsschule war, sich zu einer Stütze der neueren katholischen kirchlichen Kunst entwickelt. Dieser, Bildhauer und Holzschnitzer, ist am 11. Oktober 1837 geboren, war zuerst Schuler seines Großvaters in der Handwerkerschule und des Dombauwerkmeisters F. Schmidt und ist später von F. Bock beeinflußt. Er arbeitete viel mit seinem Bruder Otto. Von ihm stammen z. B. der Kreuzaltar in Münster, der St. Stephansaltar in M.-Gladbach, der erzbischöfliche Thron A. a. O. I, S. 160 f.



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für die Kathedrale in Utrecht, Kirchenmöbel in Aachen, die ganze Ausstattung der St. Albanskirche in Köln, ebenso die Broncetüren des Nordportals am Kölner Dom, für deren Entwurf er den ersten Preis erhielt. Auch für den Entwurf der Broncetüren des Westportals erhielt er eine Prämie von 2000 Mk.1) Neuerdings hat verschiedentlich A. Schnütgen auf seine Arbeiten aufmerksam gemacht. 2 ) Von den Bildern, welche Otto Mengelberg als Freund Kinkels in unseren Jahren malte, ist zuerst „Der Tod Mosis" zu nennen, das 1836 in Lebensgröße entstand und sofort der Kritik auffiel, 3 ) so daß es der Kunstverein zur Verlosung ankaufte (für 200 Taler). Es kam unter Nr. 2348 an Herrn Kaufmann Lehmann in Halle a. S. Moses erblickt, auf der Anhöhe von Nebo stehend, das gelobte Land und sinkt, von zwei Engeln unterstützt, sterbend zurück. Wenn nach dem Bericht der Berliner Nachrichten von 1836, Nr. 224, der Künstler hier seine Aufgabe noch nicht ganz gelöst hat, so war der Kritiker um so zufriedener mit dem nächsten großen Bild, der „Judith" von 1837. Das Bild ist fast lebensgroß. Judith tritt aus dem Zelte, in dem im dunklen Hintergrunde der Rumpf des ermordeten Holofernes sichtbar ist. Mit der Linken schlägt sie den Vorhang zurück, während sie in der Rechten das blutbefleckte Schwert hält. „Diese Judith ist ein schlankes reizendes Mädchen mit sanften Zügen und blühendem Teint; das Auge ist zum Himmel gerichtet, um Verzeihung ihrer Taten zu erflehen." 4) Welch himmelweiter Unterschied also von der Problematik, die uns durch Hebbel vertraut ist! Aber auch innerhalb der rein kirchlichen Auffassung gab es ja noch verschiedene Möglichkeiten. Das blasse Schönheitsideal gewann hier den Sieg über eine zeitgenössische Auffassung, wie sie etwa H. Vernet vertrat, der seine Heldin fanatisch, in medusenartiger Schönheit dargestellt hat. Auch Hildebrandt hat damals eine Judith gemalt. Der >) Müller-Singer S. 173. ) Zeitschrift für christl. Kunst XVIII, Sp. 19/20: Kanzel in der Marienkirche zu Bonn, ebenda XIX, 1906, Sp. 161/4, XX, 1907, Sp. 19/26. 8 ) Vergl. Scotti, Die Düsseldorfer Malerschule, 1837, S. 135. 4 ) Nagler, Neues allgemeines Künstlerlexikon, 9. Bd., München 1840, S. 102. 2



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Kunstverein kaufte 1838 auch dieses Bild (für 400 Taler) zur Verlosung an. Es fiel unter Nr. 3393 an Herrn W. Werle in Barmen. Für den König von Hannover wurde das Bild wiederholt, und danach ist eine Lithographie als Vereinsblatt des Hannoverschen Kunstvereins erschienen. 1837 malte Mengelberg noch die halblebensgroße Figur einer sich schmückenden jungen Griechin. 1838 entstand auch schon der Karton der lebensgroßen Ausführung des dann 1839 vollendeten Gemäldes „Der Erzengel Michael, den Satan stürzend", das vom Kunstverein für die Apostelkirche in Köln als Altarbild gestiftet wurde. Der Verein zahlte 600 Taler an den Künstler und erhielt vom Kirchenvorstand 200 Taler zurück. 1 ) Heute hat das Bild dem neuen kostbaren Altar in St. Aposteln weichen müssen und ist in das linke Querschiff beim Haupteingang gewandert, wo es nur dürftig beleuchtet ist. Die Auffassung ist ebenso göttlich heiter und ohne Bedacht auf individuelle Charakteristik, wie die der Judith. Der heilige Michael achtet weniger auf den dekorativ unter seine Füße gelagerten Wurm, als daß er in Anbetung zum Himmel blickt. Es scheint beinahe, als ob die Auffassung dieses Bildes bestimmt sei durch die große Szene des dritten Aktes des wundertätigen Magus von Calderon, die allen künstlerisch interessierten Menschen in diesen Jahren unvergeßlich eingeprägt wurde durch die berühmte Aufführung, welche Immermann am 21. November 1836 auf seiner Reformbühne in Düsseldorf herausbrachte. Jmmermann berichtet selbst darüber in seinen „Memorabilien 2 ): „ N u n gingen die letzten Szenen ihren Gang. Justinens Heiligkeit verfehlte nicht zu rühren, aber noch stand meinem Publikum das Köstlichste bevor. Denn als "die beiden Märtyrer nun den Tod gelitten hatten, und das Gewitter das Haus des bösen Heiden mit seinen Schlägen erschütterte, erhob sich der hintere Vorhang und man sah das Schaffot, auf dem die Leichname der Enthaupteten lagen. Rings um das Blutgerüst hatte sich ein ungeheurer Drache gelagert. Diese wie alle übrigen derartigen Mitteilungen stammen aus den „Verhandlungen des Kunstvereins etc." aus den betreffenden Jahren. 2 ) Hamburg 1843 Bd. 2, S. 221.



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Über dem Drachen und der Schlange den Kopf zertretend, schwebte in goldner Rüstung mit großen Cherubimflügeln, die goldene Lanze zum Todesstoß hinabsenkend, der Erzengel Michael in der Stellung des Rafaelischen Bildes, das im Pariser Museum i s t . " A u c h das nächste Bild, eins seiner besten, hat er dem Kunstverein zu danken. 1839/40 gab dieser für den Römer in Frankfurt a. M. die drei noch übrigen Bilder der Kaiser aus dem fränkischen Hause in Bestellung, und zwar Konrad II. dem oben mehrfach genannten Maler Lorenz G a s e n , Heinrich IV. Mengelberg und Heinrich V. Kiederich. 2 ) Dieses Bild malte Mengelberg während seines einjährigen Militärjahres. Der Kunstverein schoß für das ganzfigurige lebensgroße Gemälde 250 Taler zu. Abgeliefert wurde es im nächsten Jahr. Inzwischen hatte der junge Künstler wieder einen neuen ehrenvollen Auftrag erhalten: „Nachdem in Köln durch mehrfache Bemühungen vieler Kunstfreunde die Wiederherstellung der im J a h r 1830 halb eingestürzten alten St. Kunibertskirche mittels Zutritts des Stadtärars und namhafter Subskriptionen ins Leben getreten, hat man insbesondere auch die Herstellung der an den drei Hauptfenstern der Chorrundung befindlichen Glasgemälde versucht, welche zu den ältesten und durch ihren Farbenreichtum ausgezeichnetsten Glasmalereien des Rheinlandes zu zählen sind. Die durch die Zeit verloren gegangenen Stücke sind demnach durch die Herren Fay und Mengelberg gezeichnet, das Brennen derselben den Glasmalern Graß und Zimmermann in Köln, sodann die gänzliche Restauration der beschädigten Fenster dem durch das Putzen und Wiederherstellen der Domfenster bewährten Glasermeister Düssel daselbst anvertraut worden. Da durch die Kosten des Wiederaufbaus der Kirche die vorhandenen Mittel schon sehr in Anspruch genommen waren, so ist zu den auf 600 Talern veranschlagten Kosten der Restauration der Glasmalereien ein Zuschuß von 2 0 0 Talern auf die öffentlichen Fonds unseres Vereins übernommen worden." 3 ) Der Kunstverein hat !) Vergl. auch »Immermann» von Putlitz, Bd. 2, S. 167. *) Verhandlungen XI, S. 7. *) Verhandlungen des Kunstvereins X, 1839, S. 5 ; vergl. auch Verhandlungen XI, S. 17. E n d e r s , Kinkels Kölner Jugendfreunde. ^



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dann später noch große Werke Mengelbergs gekauft u n d gestiftet: In die evangelische Kirche zu Hirschberg in Schlesien einen „Christus am Ölberge", in die neue evangelische Kirche zu Herzkamp, Diözese Hattingen in Westfalen, ein Altarbild „Ecce homo" und in die evangelische Kirche zu Gütersloh „Die Auferstehung des Heilandes und die vier Evangelisten". Ein Bild „Der verlorene Sohn" wurde noch 1848 vom Kunstverein angekauft. Ein anderes „Die Buße Petri" von 1851 fand auch die Anerkennung des sonst gegen ihn kühlen Wolfgang Müller von Königswinter. 1 ) Es ist f ü r den Kölner Kunstverein gemalt. Ich nenne noch „Vor der Ernte" von 1843, die vom König von Preußen gekaufte „Loreley" von 1848 und eine „Heilige Familie" von 1881. Als die besten seiner monumentalen Werke werden verschiedentlich gerühmt der oben genannte „Christus am Ölberge" und vor allem „Christus und die Jünger in Emmaus" von 1866.2) Und das ist gewiß nicht zufällig. Hier konnte der Maler seine innige Frömmigkeit am schönsten auswirken lassen. Eine Kritik in einem der „gelesensten Blätter Berlins" gibt ersichtlich seine Intentionen wieder und wird daher von dem Düsseldorfer Anzeiger vom 12. Mai 1866, der ihm offenbar nahestand, abgedruckt, „da wir ganz derselben Meinung sind": Es heißt da bei Gelegenheit einer Ausstellung im Schulteschen Kunstsalon: „Der Eindruck des großartigen Kunstwerkes auf alle empfänglichen Beschauer war ein tiefer und nachhaltiger. Es ist ein Bild von großen Dimensionen mit mehr als lebensgroßen Figuren. In der Mitte sitzt der auferstandene Heiland, das Brot brechend, umgeben von einer Strahlenglorie, eine Erscheinung voller Liebe und Majestät. Zu beiden Seiten sind die Jünger im Momente des Erkennens dargestellt; rechts der Jüngere, ein schöner, frischer Jüngling, in dessen Zügen sich der Ausdruck innigsten, freudigsten Erstaunens und Entzückens über das Wiedersehen des geliebten Meisters mit anbetender Hingebung auf das Lebendigste verbindet; links der Ältere, eine *) Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren, Leipzig 1854, S. 40. 2 ) z. B. Zeitschr. für bild. Kunst 4, Beibl. 61 und 149.



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charaktervolle Männergestalt, deren Haltung die Überraschung noch stärker und energischer hervortreten läßt; man fühlt ihm ab, daß er einen gewaltigen Übergang, den Ü b e r g a n g v o m Z w e i f e l z u m G l a u b e n , siegreich vollzogen hat. Die Gruppe befindet sich in einer offenen Halle, zwischen deren Pfeilern man in die Landschaft blickt, worüber sich eben die Schatten der Dämmerung gelagert haben und mit ihren dunklen Tönen einen tiefen farbigen Hintergrund f ü r die Figuren bilden. Die Komposition, eben so würdig als einfach, ist hierdurch gerade von mächtiger Wirkung. Der Künstler hat es verstanden, den stilgemäßen Charakter zugleich mit einer, s o w e i t e s b e i s o l c h e n B i l d e r n ü b e r h a u p t g u t i s t , naturwahren Darstellung zu vereinigen. Und das ist unseres Erachtens kein.geringer Vorzug des Bildes. Scheint es doch zu den schwierigsten Problemen der Malerei zu gehören, daß man die richtige Weise finde, in welcher religiös-historische Bilder, besonders als Ölgemälde, ausgeführt werden müssen." Man sieht also, daß Mengelberg noch im Jahre 1866 nur die notwendigsten Konzessionen an den damals schon lange durchgedrungenen Realismus in Leben und Kunst zu machen bereit ist. „Bei einigen großen Malern," heißt es in der von Mengelberg sorgfältig aufbewahrten und mir von seiner Tochter überlassenen Kritik weiter, „treffen wir hier ein Schwanken nach der Seite eines Naturalismus, der sich für die Hoheit und Heiligkeit des Gegenstandes durchaus nicht eignet; denn es gilt auch in Bezug auf die Kunst der Satz, daß geistliche Dinge geistlich gerichtet werd e n w o l l e n . Bei anderen Meistern dagegen begegnet uns zwar eine treffliche Komposition, jedoch ein solches Zurückbleiben hinter den Mitteln der Ölmalerei, daß erstere, die Komposition, fast ungenießbar wird. Bei Mengelbergs Bild scheint uns die rechte Mitte gehalten zu sein, auch in Beziehung auf die Abwege der archaistisch-traditionellen Auffassung wie des modernen Subjektivismus. Das Kolorit ist harmonisch, tief und doch leuchtend, die Gewandung durchaus stilvoll, die Zeichnung korrekt und die ganze Ausf ü h r u n g höchst sorgfältig." Diese Sorgfalt in der technischen Durcharbeitung rühmt auch Wiegmann. „Alle seine Arbeiten

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sind in hohem Grade ausgeführt, in der Zeichnung wie in der Modellierung und Farbe, und zeugen von der Liebe und dem unermüdlichen Studium, die er denselben gewidmet." Und Raczynski schreibt schon in seinem 1836 erschienenen Buch von dem Düsseldorfer Schüler den dann oft nachgeschriebenen Satz 1 ): „Seine Seiden- und Sammtstoffe werden nicht leicht besser gemalt." Auch diese Beherrschung der äußeren Technik paßt zu Kinkels entsprechender Beherrschung von Rhythmus und Reim. Wolfgang Müller ist mit seiner Farbe meist nicht zufrieden. Er findet sie von Titian unzulänglich abstrahiert. Darüber wundert man sich nicht bei einem Künstler, der so offenbar ein fleißiger Schüler sein Leben lang gewesen ist, ein autoritätsgläubiger Nachempfinder, keine selbständige und originale künstlerische Persönlichkeit, aber ein ebenso gewissenhafter Künstler wie Mensch, der alles immer strebend und sich bemühend aus sich gemacht hat, was zu machen war. Der den „Studien" so geneigte Mann w u ß t e mehr von der Kunst und hatte größere I d e e n , als er ausführen konnte. Das bedrängt sein Schaffen und macht ihn zu einem der Künstler, die Lorenz durch Bendemanns Einfluß in Gefahr geraten sah, verstiegen zu werden. Uechtritz, 2 ) der auch von diesem Gegensatz der Entwürfe und der Ausführung spricht, nennt ausdrücklich Mengelberg unter den Künstlern, auf die er zielt, neben L. Clasen, Haach und Heubel. „Die Bilder dieses Künstlers," sagt in diesem Sinne Müller von Königswinter, „sind geistreicher gedacht wie vollendet dargestellt". Es fehlt ihnen „nicht an guten Gedanken, wohl aber an natürlicher unbefangener Auffassung, ohne die jedes Kunstwerk selten einen erquicklichen Eindruck macht. Der Eklektizismus ist zu sehr auf die Spitze getrieben. Hier sollen die Darstellungen genial sein und sind es deshalb um so weniger. Man fühlt wohl aus diesen Dingen heraus, daß der Künstler viel denkt, aber zugleich, daß ihn seine Mittel *) Graf A. Raczynski, Geschichte der neueren deutschen Kunst. Übersetzt von F. H. v. d. Hagen, I. Band, Düsseldorf und das Rheinland, Berlin 1836, S. 278. *) A. a. O. Bd. 2, S. 168 ff.



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im Stich lassen." Aber dieser Z u g seines Wesens war es auch', der ihn als kritischen Freund so wertvoll machte, wie für die zünftigen Freunde, so auch für den Jünger der verwandten Kunst, in der er sich' ja selbst häufig übte. Auch Müller gibt das z u : „Am bedeutendsten war Mengelberg ohne Zweifel dadurch, daß sein denkender Geist nicht ohne Einfluß auf jüngere Genossen blieb. Durch seine Ideen hat er vortrefflich angeregt und gewirkt." Und dasselbe betont W i e g m a n n : „Mengelbergs Talent ist wesentlich ein kritisches und wird mehr von einem scharfen Verstände, als von einer reichen und lebendigen Phantasie getragen. Durch sein geistvolles Urteil und die ihm eigene Gabe, dasselbe einleuchtend zu begründen und zu entwickeln, hat er auf einen gewissen Kreis der jüngeren Künstler einen sehr anregenden Einfluß ausgeübt." U n d ist es nun nicht ein Gesetz, daß die Dichter solchen wohlwollenden und doch kritischen Freunden mit Vorliebe ihre Gedichte unterbreiten? Dieser Charakter Mengelbergs und die ruhig-sichere Religiosität des jungen Malers mußte ihn gerade in diesen Jahren der zweifelvollen Entwicklung seines religiösen Menschen und des Künstlers zu dem Freunde innigst hinziehen. Es ist nicht verwunderlich, daß Mengelberg mit diesen Eigenschaften sich in späterer Zeit größerer menschlicher Reife zu einem respektablen P o r t r ä t m a l e r entwickeln mußte. Hier gehört das Bildnis Alfred Krupps zu seinen bekanntesten und besten. Auch ein Bild Melanchthons soll sehr ausdrucksvoll sein. Aus einem Brief des Grafen v. d. Groeben vom 15. Dezember 1869 entnehme ich', daß er in den 60 er Jahren sehr gute Preise dafür erhielt.

4. Josef Fay Der zweite Maler, der in unserem Büchlein eine Rolle spielt, Joseph Fay, ist ein Freund und Studiengenosse Mengelbergs gewesen. Er ist am 10. August 1813 in Köln geboren, scheint schon in Köln in Verbindung mit Mengelberg gelebt und gestrebt zu haben, besuchte jedenfalls mit ihm zusammen die Akademie und suchte in der Folge offenbar jede Gelegenheit, mit dem anregenden Freunde zusammen-



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im Stich lassen." Aber dieser Z u g seines Wesens war es auch', der ihn als kritischen Freund so wertvoll machte, wie für die zünftigen Freunde, so auch für den Jünger der verwandten Kunst, in der er sich' ja selbst häufig übte. Auch Müller gibt das z u : „Am bedeutendsten war Mengelberg ohne Zweifel dadurch, daß sein denkender Geist nicht ohne Einfluß auf jüngere Genossen blieb. Durch seine Ideen hat er vortrefflich angeregt und gewirkt." Und dasselbe betont W i e g m a n n : „Mengelbergs Talent ist wesentlich ein kritisches und wird mehr von einem scharfen Verstände, als von einer reichen und lebendigen Phantasie getragen. Durch sein geistvolles Urteil und die ihm eigene Gabe, dasselbe einleuchtend zu begründen und zu entwickeln, hat er auf einen gewissen Kreis der jüngeren Künstler einen sehr anregenden Einfluß ausgeübt." U n d ist es nun nicht ein Gesetz, daß die Dichter solchen wohlwollenden und doch kritischen Freunden mit Vorliebe ihre Gedichte unterbreiten? Dieser Charakter Mengelbergs und die ruhig-sichere Religiosität des jungen Malers mußte ihn gerade in diesen Jahren der zweifelvollen Entwicklung seines religiösen Menschen und des Künstlers zu dem Freunde innigst hinziehen. Es ist nicht verwunderlich, daß Mengelberg mit diesen Eigenschaften sich in späterer Zeit größerer menschlicher Reife zu einem respektablen P o r t r ä t m a l e r entwickeln mußte. Hier gehört das Bildnis Alfred Krupps zu seinen bekanntesten und besten. Auch ein Bild Melanchthons soll sehr ausdrucksvoll sein. Aus einem Brief des Grafen v. d. Groeben vom 15. Dezember 1869 entnehme ich', daß er in den 60 er Jahren sehr gute Preise dafür erhielt.

4. Josef Fay Der zweite Maler, der in unserem Büchlein eine Rolle spielt, Joseph Fay, ist ein Freund und Studiengenosse Mengelbergs gewesen. Er ist am 10. August 1813 in Köln geboren, scheint schon in Köln in Verbindung mit Mengelberg gelebt und gestrebt zu haben, besuchte jedenfalls mit ihm zusammen die Akademie und suchte in der Folge offenbar jede Gelegenheit, mit dem anregenden Freunde zusammen-



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zuarbeiten, obwohl er fraglos vier größere Könner war. Die Akademie besuchte er von 1833 bis 1841. Im ersten Halbjahr 1834 finden wir ihn unter der Leitung Hildebrandts in dem Fache Bildnis 1 ) zusammen z. B. mit Kiederich und Ittenbach. Nach dem gleich zu erwähnenden Aufenthalt in München mit Mengelberg, begab er sich nach Vollendung des Hauptwerkes seiner ersten Periode zur weiteren Ausbildung nach Paris, darin den Anregungen der neuen Generation folgend. Er studierte dort zwei Jahre lang, 1845—1846, als Schüler Delaroches, einer neuromantischen Richtung folgend. Es ist hier wie später ersichtlich, daß der ideelle Gehalt ihm nie das erste war, daß er darin leicht empfänglich den Anregungen seiner Umgebung folgte, während ihn im tiefsten die rein malerischen Probleme beschäftigten. Und darin hat er eine deutliche und immer zum Vollkommeneren fortschreitende Entwicklung durchgemacht. Nach Düsseldorf zurückgekehrt wandte er sich jedenfalls alsbald dem dort herrschend werdenden Realismus und dem Genrebild zu. Er bildete sich eine Spezialität italienischer Motive aus, die ihn auch in seinem letzten Lebensjahr noch einmal zu Studien-' zwecken nach Italien führte. Er starb am 27. Juli 1875 in Düsseldorf. Dort war er von Anfang an und bis in sein spätes Alter wegen seiner heiteren Liebenswürdigkeit und seiner großen geselligen Talente ein bekannter und beliebter Freund aller. So wundern wir uns nicht, ihm in unserem Büchlein in so heiterem Milieu zu begegnen. In den von „impulsivem Künstlersinn und edelstem Dilettantismus getragenen Gelegenheitsaufführungen und Maskenscherzen" Immermanns 2 ) wirkte er mit. Auch war er einer der Begründer des „Malkastens", unter dessen ersten „gestrengen praeceptores" er neben Lentze, Hübner, Hasenclever, Jordan (an dessen Stelle bald Andreas Achenbach trat), Hildebrandt und Weber figuriert. Welche Rolle er spielte, zeigt der Umstand, daß man ihn mit dem ihm besonders nahestehenden Weber in der Generalversammlung vom 30. Juni 1849 beauftragte, „bei dem ') Raczynski a. a. O. S. 116. 2 ) Immermanns Werke, h. v. Harry Maync I, S. 30*.



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General Chlebus einen Erlaubnisschein zu freiem und unbeschränktem geselligem Verkehr der Gesellschaft bis zu spätester Abendstunde für die Dauer des Belagerungszustandes zu erwirken, damit Belästigungen von seiten der Militärpatrouillen, wie sie bereits vorgekommen, für die Folge vermieden würden." Es ist die einzige Notiz im Protokollbuch, welche den Ernst der politischen Ereignisse andeutet. 2 ) Erst in den letzten Jahren nötigte ihn zunehmende Kränklichkeit, sich mehr und mehr zurückzuziehen. Wie in unseren Jahren an Mengelberg, so lehnte er sich, was seine Motive angeht, auch in späteren Jahren an andere an. Er heiratete die Schwester des Landschaftsmalers Albert Arnz. Dadurch kam er in den Umkreis Oswald Achenbachs, des jüngeren, aber stärkeren Meisters. 3 ) Dieser hatte sich seinen Ruf durch seine süditalienischen Bilder erworben, und seine beiden Schwäger und Schüler Arnz 4 ) und Albert F l a m m 5 ) zeigen am stärksten den Einfluß O. Achenbachs in den italienischen Motiven und in der Malweise. Diese dreifache Einwirkung wurde wesentlich bestimmend für Fays Entwicklung. Auch die bis zur Zusammenarbeit gehende Beziehung zu August Weber gehört dahin. Zu seinen nächsten Freunden gehörte Knaus, der ihn in vorzüglicher Weise porträtiert hat.") Von den Bildern, welche in unserer Zeit entstehen, ist zunächst zu nennen der 1836 gemalte „Brunnen des heiligen Gangolf", der mit lebhaftestem Beifall aufgenommen wurde. Der Kunstverein kaufte ihn 1837 für 200 Taler zur Verlosung. Er kam unter Nr. 1643 an den Bürgermeister Diek in Burg. 7 ) Es kann sich in unserem Gedicht Nr. 12 wohl um nichts anderes handeln, als um eine Feier dieses Erfolges. Die nächsten Bilder zeigen in überraschender Weise die immer ) Aus der Geschichte des Kunstvereins Malkasten a. a. O. S. 18. ) Die Gleichgültigkeit der Düsseldorfer Maler in politischen Dingen hebt auch Uechtritz hervor a. a. O. I, S. 86. *) O. Achenbach ist 1827 geboren, vergl. Schaarschmidt a. a. O. S . 209 ff. 4 ) Geboren 1832 in Düsseldorf. 5 ) Geboren 1823 in Köln, s. Schaarschmidt a. a. O. S. 212. «) Blanckarts in der A. D. B., Bd. 6, 1877, S. 590 f. ') Vergl. auch Scotti a . a . O . S. 117. 1

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bewährte koloristische Begabung des jungen Malers und zugleich1 die unmittelbare Empfänglichkeit nach außen, was die Motive angeht. 1837 war von ihm ausgestellt ein „Gretchen vor dem Madonnenbilde". Damals führte Immermann, f ü r dessen dramaturgische Tätigkeit er sich ja so sehr interessierte, den Faust auf seiner Reformbühne auf und fand den Beifall der Besten für seine Regie.1) Ferner ein Mädchenkopf im Efeukranz und ein Mädchenkopf in mittelalterlicher Tracht, von Püttmann unter der Rubrik „Kostümiertes und Porträtgenre" untergebracht. 2 ) Die Anregungen stammen gewiß von den oben genannten dramatischen Dilettantenaufführungen und Maskenspielen unter Immermanns Leitung. Das Jahr 1838 zeigt ihn in der Ausstellung über koloristischen Problemen. Da gab es von ihm ein Bild „Die alte Spinnerin und ihre Katze", von dem Püttmann die grelle Beleuchtung hervorhebt (Lebensgröße), dann ein „Mädchen mit brennender Lampe" und ein weibliches und zwei männliche Brustbilder. 3 ) Es unterliegt danach keinem Zweifel, daß unser Gedicht Nr. 13 an diesen Farbenzauberer gerichtet ist.4) Man sieht, wie die Anlage zum Genre in diesem temperamentvollen Rheinländer, der die Seite des Kölners, die dem bigotten Mengelberg abging, um so lebendiger verkörpert, Mühe hat, sich mit der herrschenden Richtung zu befreunden: auch' in den Motiven, welche ein Zugeständnis an diese bedeuten, drängt das Genre sich durch. So erscheint von ihm 1838 eine Genoveva, 1839 „Simson und Delila". Simson hat eben durch die Schere der Dtelila sein Haupthaar und damit seine Kraft verloren und will sich aufraffen, während ihn seine Feinde binden. Wolfgang Müller findet die Komposition äüßerst frisch und lebendig und die Ausführung J

) Der Faust wurde aufgeführt in den Spielzeiten 1833/34 und 1834/35. S. Qoedekes Grundriss, 2. Aufl. 1905, Bd. 8, S. 607, s. auch W. Wüller, K. Immermann und sein Kreis, Leipzig 1861, S. 105. 2 ) H. Püttmann, Die Düsseldorfer Malerschule, Leipzig 1889, S. 175 und 190. 3 ) Püttmann a. a. O. S. 175, 190, 235. *) Es handelt sich hier um einen ähnlichen Austausch der Künste, wie in Immermanns Frühzeit zwischen ihm und der Schadowschule, s. Memorabilien, a . s . O . Bd. 3, S. 251.



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im Verhältnis zu einem Erstlingswerke kräftig und voll Energie. 1 ) Wir müssen dieses Urteil vor dem überlebensgroßen Bilde im Richartz-Walraff-Museum in Köln immerhin historisch verstehen. Derselbe Trieb nach leidenschaftlicher Aktion bekundet sich in der Zeichnung des Bethlehemitischen Kindermordes. Ins Jahr 1839 fällt auch seine Beteiligung an den Kartons zu den Glasfenstern der St. Kunibertskirche in Köln, die er mit dem Freunde Mengelberg zusammen entwarf. Mit diesem begann er auch die Arbeit, die ihn für einige Zeit an die Seite der größten Meister der Zeit führen sollte. Schon beim Beginn der Erbauung des neuen Rathauses in Elberfeld im Jahre 1829 wurde eine Ausmalung des großen Saales beschlossen, und der Kunstverein interessierte sich sofort für diesen Plan. 1841 war der Bau so weit gediehen, daß die Absicht verwirklicht werden konnte. Der Kunstverein erklärte sich bereit, zwei Drittel der Kosten zu bezahlen, wenn diese Summe 5000 Taler nicht überschritte. Die unter ziemlich detaillierten Vorschriften gemachten Ausschreibungen brachten die ganze jüngere Düsseldorfer Künstlerschaft in Bewegung. Es wurden Entwürfe eingereicht und danach die Arbeit den Malern Fay, Mücke, Plüddemann und Lorenz Clasen übertragen. Die Zeichnungen wurden in der Akademie ausgestellt, die Kontrakte geschlossen und die Kartons begonnen. Es gab verschiedene Meinungen in der Kommission, ob historische oder allegorische Darstellungen angebracht wären. Schnaase läßt sich darüber genauer aus in den ausführlichen offiziellen Berichten im Korrespondenzblatt des Kunstvereins. 2 ) Der Verwaltungsrat wählte die historischen. In dem Zirkular, das zur Konkurrenz auffordert, wurden für die erste lange (Fenster-)Wand folgende Richtpunkte fixiert: „Urgeschichte Germaniens. Der patriarchalische Zustand unserer Vorältern, ihre Freiheitsliebe, ihre einfache Sitte und Lebensweise, ihr Götzendienst ist hier zunächst zu schildern. Ein altdeutsches Gehöft, Ackerbau und Viehzucht, Jagd, viel!) a.a.O. S. 71. s ) I, 1845, Nr. 1, S. 3 ff.



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leicht Kampfspiele (Tac. Germ. 24), ihr Götterdienst im heiligen Haine, vielleicht mit Rücksicht auf die den Frauen beigelegte G a b e der Weissagung mögen dazu dienen. Der Einfall der Römer, die Hermannsschlacht bilden deh Beschluß dieser Wand." U m sich für die Ausführung der Kartons a u f s beste zu rüsten, ging Fay mit Mengelberg nach München, wo er die geeigneten Kunstwerke (vor allem Kaulbach und Cornelius) in reichstem Maße und vollendetster Darstellung vor Augen hatte. Auch die Ausführung an Ort und Stelle stellten neue Anforderungen an ihn, da er ebenso wie Clasen in der Technik des Freskomalens noch ganz ungeübt war. Hier hat ihm Jul. Schräder hilfreich zur Seite gestanden. Der Erfolg war über die Maßen befriedigend. Wie sich der Künstler mit den Wünschen des Ausschreibens abgefunden hat, zeigt die Schilderung des Frieses von Wolfg a n g Müller 1 ): „Man erinnert sich an die Schilderung des Tacitus. Vor dem Blicke des Beschauers entwickelt sich altdeutsche Kraft, indem der Maler uns in verschiedenen Gruppen die Lebensweise, die Beschäftigungen und Sitten unserer Ahnen vorführt. Die erste G r u p p e zeigt uns ein friedliches Bild. Ein Greis lehrt einen Knaben einen Bogen binden. Nebenbei ringen kräftige Buben. Fernhin sieht der Blick eine alte Frau, die eine Ochsenkeule am Feuer röstet. Im Hintergrunde weiden Viehherden. Eine andere G r u p p e zeigt uns den Schwertertanz. Es sind prächtige nackte Jugendgestalten, die mit dem wilden Feuer und kühnen Mute, der zu den größten Taten reift, zwischen diesen scharfen, aus dem Boden ragenden Messern hirispringen, um die jungen Kräfte zu üben. Die Männer und Greise, welche als Schiedsrichter zusehen, erscheinen nicht minder markig und ernst. Ebenso ausgezeichnet sind die Weiber, die ihre Kinder säugen und spinnen, und die fernen Würfelspieler, welche das Bild abrunden und ergänzen. In der dritten G r u p p e gibt der Künstler ein Bild der J a g d , wie unsere Vorfahren sie pflegten. Ein Auerochse stürzt hervor, ein Knabe, der dem Stoße des gewaltigen Tieres ausgesetzt war, wirft sich zur E r d e ; aber schon drohen rechts und links Keulen und a.a.O. S. 72.



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Speere. Weiterhin sehen wir einen altdeutschen Gottesdienst. Ein Pferd, das auf einem Scheiterhaufen liegt, wird als Opfer gebracht. Der greise, langbärtige Priester schaut mit ernster Miene auf die Menge, die ihn umgibt. Nicht fern davon sitzt eine Wahrsagerin. In einer Nebengruppe pflegen Frauen einen wahrscheinlich in der Schlacht verwundeten Krieger. Der Zyklus schließt mit der Teutoburger Schlacht. Hier steht Hermann der Cherusker mit dem stolzen Ausdruck des Siegers; weiterhin gibt Varus sich selbst den Tod. Ringsum das Getümmel der siegenden Deutschen und der fliehenden Römer." Das Werk war 1844 vollendet. Wiegmann rühmt ihm eine „bewunderungswürdige Auffassung des dunklen Stoffes, reiche Phantasie und gewaltige Kraft in der Gestaltung desselben" nach. Wolfgang Müller stellt Fay mit diesem Fries neben Rethel. „Hat er auch nicht des letzteren vielseitig gebildeten historischen Sinn, so zeichnet er sich doch jedenfalls durch eine größere Natürlichkeit aus." Nach ihm „liegt sicherlich ein Werk vor, auf welches die deutsche Kunst stolz sein darf. Hier ist neben dem Ideenreichtum eine mächtige Ausführung entwickelt. Hier ist die Fülle mit dem Maß, die Kraft mit der Schönheit geeint. Was aber besonders an diesen Darstellungen wohltuend und erquicklich wirkt, das ist die Gesundheit und Unbefangenheit, welche aus jedem Pinselstriche des Künstlers spricht". Die noch vorhandenen Kartons, nach denen man das Werk vielleicht wieder einem größeren Kreis zugänglich machen könnte, gehören nach Blankarts 1 ) zu den hervorragendsten Werken historischen Stils, die aus der Düsseldorfer Schule hervorgegangen sind. Sie wurden denn auch 1846 auf der großen Ausstellung in Paris mit der goldenen Medaille ausgezeichnet und ernteten auch in München und noch 1861 in Brüssel und Antwerpen hohe Anerkennung. Wir müssen uns jetzt schon an die Kartons halten, weil die Originale ebenso wie die Arbeiten von Cläsen, Plüddemann und Mücke durch eine geradezu schmähliche Vernachlässigung zu Grunde gegangen sind. In den fünfziger Jahren hat die Frau des Schließers die Fresken

!) A. D. B. a. a. O. S. 590.



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mit einem in Wasser getauchten Besen beim Reinigen des Saals zerstört. Die Restauration wurde unterlassen, ja, der Saal, der eine in allen Reisehandbüchern verzeichnete Sehenswürdigkeit der Stadt gewesen war, wurde 1867 in einen Korridor mit anliegenden Räumen verwandelt! 1 ) 1841 malte Fay eine Kleopatra, wie sie sich die Schlange zum tödlichen Biß an die Brust legt, ein Bild „von noch energischerer Farbenwirkung" 2 ) als „Simson und Delila". „Es war ein stolzes, üppiges Weib, in dessen Gliedern und Zügen eine kräftige Sinnlichkeit blühte und das sich vorzugsweise durch sein Kolorit auszeichnete." s ) Die Pariser Bilder von 1846, die Kerkerszene des „Faust" und „Romeo und Julia" sind weniger neu durch die Motive, zu denen er ja schon Anregungen von Düsseldorf mitbrachte, sie zeigen vielmehr wiederum, „daß er Experimente gemacht hat, um sich ein besseres Kolorit, als in Düsseldorf gelehrt wurde, anzueignen". 4 ) Müller klagt von seinem Standpunkte, daß dies leider auf Kosten der Idee geschehen sei, die früher so entschieden bei ihm hervortrat. Die italienischen Bilder erscheinen sofort nach seiner Rückkehr nach Düsseldorf. Da haben wir z. B. ein „Mädchen an der Fontaine" von 1848 und im gleichen Jahre „Italienische Volkssänger", durch den rheinisch-westfälischen Kunstverein in den Besitz des Herrn Dr. von Halle in H a m b u r g gelangt. Damit beginnt seine Bekanntschaft und Beliebtheit auch im weiteren Reich. 1848 wird noch ein Bild „Gruppe von Tanzenden" genannt. 1849 erscheinen dann seine „Badenden Italienerinnen", ein Motiv, das er, weil es zu koloristischen Wirkungen besonders geeignet war, noch häufiger wiederholte. So hat die Bremer Kunsthalle ein Bild von ihm „Badende Römerinnen". 1850 brachte er drei Bilder heraus, die in diese Rubrik des italienischen Genrebildes fallen: „Italienische Mädchen", „ItaJ ) Vergl. M., »Ein Akt des Vandalismus", Zeitschr. für bildende Kunst 4, 1869, Beiblatt S. 40 f., vergl. auch noch M. Blanckarts, Düsseldorfer Künstler, Nekrologe aus den letzten zehn Jahren, Stuttgart 1877, S. 90 ff. 2 ) Blanckarts a. a. O. S. 90. 3 ) Müller a. a. O. S. 71. «) W. Müller a . a . O . S. 73.



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lienischer Brunnen" und „Heimliche Liebe", durch den Kunstverein an Herrn H. D. Doli in Bilk bei Düsseldorf gekommen. Aus dem Jahre 1851 haben wir „Italiener am Brunnen". 1 ) Dasselbe Bild oder eine Wiederholung des Motivs wird in einem Kunstbericht aus Berlin genannt. 2 ) Im Museum in Hannover findet sich ein „Mönch von einem Bettler um ein Almosen angesprochen" von 1862, in der Hamburger Kunsthalle eine „Christnacht", im städtischen Museum in Stettin eine „Ernte in der römischen Campagna". In dem Jahre nach seinem Tode wird in einem Bericht über die Ausstellung des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart ein Bild von ihm „Italienische Fischer" hervorgehoben. 3 ) In allen diesen Bildern ging er auf die Erzielung einer einheitlichen Stimm u n g aus, die er ebenso durch seine eigenartigen koloristischen Mittel wie durch genrehafte Erfindungen zu schaffen suchte. Deshalb wurde ihm die landschaftliche und architektonische Umgebung so wichtig, daß er sich wohl auch einmal landschaftliche Partien von seinem intimen Freunde August Weber in seine Bilder hineinmalen ließ. Dieser hatte sich durch seine stimmungsvollen Landschaften (besonders Mondscheins- und Abendlandschaften) einen besonderen Ruf erworben. 4 ) Fay hatte von jeher zu den Fortschrittlern auf der Akademie gehört, und für diese war das brennendste Problem schon im Anfang die Farbe gewesen. Das wird uns bestätigt durch Immermanns „Düsseldorfer Anfänge", welche 1840 zuerst in der „Deutschen Pandora" erschienen und 1838 verfaßt sind. In den „Maskengesprächen" dieser Schrift führt der blaue Domino aus: „Die Farbe fehlt noch der Düsseldorfer Schule; die eigene selbständig gefundene Farbe. Die Farbe ist dem Maler, was das Wort dem Dichter; er denkt, fühlt, phantasiert in ihr. Sie ist aber nicht das Rot und Blau, das da klebrig auf der Palette steht, sondern die Verwandlung, welche Zinnober und Ultramarin im Geiste des Künstlers erleiden. Das ist eine so wunderbare Meta1

) Wiegmann a. a. O. S. 304. ) Zeitschr. für bild. Kunst I, Beiblatt S. 128. 3 ) Zeitschr. für bild. Kunst XIII, Beiblatt S. 339. 4 ) Fr. Schaarschmidt a . a . O . S. 192 und 203, Blanckarts, dorfer Künstler S. 67ff., vergl. auch Wiegmann a . a . O . S. 303. 2

Düssel-



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morphose, wie die von Gemüse und Fleisch in Blut und Nervengeist. Nicht die Farbe, wie sie in der Natur ist, kann der Maler brauchen, sondern ein begünstigter Genius operiert jene Metamorphose in sich, und die Geister zweiten Ranges empfangen die Farbe von Mustern. Die Kunst empfängt von der Kunst. Weil der Schule ein großes schaffendes Vorbild fehlte, suchte sie in ihrer Ratlosigkeit nach einem Halt, und den sollte ihr die beliebte Natürlichkeit des Kolorits oder das Kolorit nach der Natur bieten. Aber eine Farbe kann so unnatürlich wie möglich und dennoch völlig kunstwahr sein. Seht Tizians Venus in der Nähe, es ist ein etwas Graurötliches da auf die Leinwand gestrichen; tretet zurück und das lebendigste Fleisch wallt euch1 entgegen. Ich habe spanische Bilder gesehen. Dicht vor der Tafel sah ich nur schwarze und weiße und blutrote Striche, vier Schritte davon entzückten mich Magdalenengesichter, büßend im Ausdruck der tiefsten Reue. Die Farbe ist eine große Entdeckung. Unzählige Versuche müssen dieser vorhergehen. Zwei Jahrhunderte lang und länger war sie aller Orten abhanden gekommen: sollen 15 Jahre hingereicht haben, sie wiederzufinden? Es gab alte Meister, die so eifersüchtig auf diesen Punkt hielten, daß sie das Geheimnis, wie sie ihre Palette ausrüsteten, mit in das Grab nahmen. Ich glaube aber, daß die echte malerische Farbe auch hier noch entdeckt werden wird, denn so viele und so bedeutende Kräfte können sich nicht wie durch ein W u n der zusammengefunden haben, ohne zuletzt ein Endziel zu erreichen." Einen der wichtigsten der „unzähligen Versuche", die der Entdeckung vorangehen müssen, schiidert Friedrich von Uechtritz 2 ): „Hierzu kam eine durch den Maler Sohn angestellte Koloritprobe. Dieser versuchte es vor einigen Monaten, ein Bild, statt wie früher in den Lokalfarben, bloß mit Grau in Grau zu untermalen. Der Versuch wurde mit dem besten Sukzesse gekrönt und hatte eine vollständige Revolution in der Art zu malen auf der ganzen

Immermanns Memorabilien, Hamburg 1843, 3. Teil, S. 368 f. ) Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben, Düsseldorf 1839, 1. Band, S. 173 f. 2



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hiesigen Akademie zur Folge. Auch Schadow wurde von der allgemeinen Strömung ergriffen. Die Malerei, das Kolorit, die Farbe scheint dadurch auch für ihn wie für alle, zur Hauptfrage geworden, und die Komposition, der Gegenstand und Inhalt des Bildes in den Hintergrund getreten zu sein." Das war jedoch ein vorübergehender Rausch. Uechtritz hatte im Februar 1839 so geschrieben. Schon im April muß er aber mitteilen : „Die Begeisterung f ü r das Untermalen in Grau hat wieder etwas nachgelassen. Einige der hiesigen Künstler sind ganz, andere zum Teil, zu der früheren Art der Untermalung zurückgekehrt. Doch scheint sich, soviel das Antlitz und überhaupt die nackten Partien angeht, die neue Weise als Regel erhalten zu wollen. Auch behandelt man da, wo man sich zu der Untermalung in den Lokalfarben zurückgewandt hat, die letzteren grauer und kälter, als es früher der Fall war." Dieses innerste malerische Problem der Schule war also auch das, was Fay ganz und gar erfüllte, und er nahm wie wenige mit aller Energie an den Farbenexperimenten teil. Die beiden Gedichte unserer Sammlung treffen also die beiden wesentlichen Punkte seiner Persönlichkeit und Wirksamkeit.

5. Kinkel in Köln und Düsseldorf und seine gesellige Art Von dem besonderen Interesse Kinkels für die neue Kunstbewegung im Rheinland erhielten wir bisher eine erste Andeutung durch Strodtmann. 1 ) In der Zeit der seelischen Kämpfe um tylinna fährt er mit Bögehold und Keßler nach Köln, „um die Lyversbergsche Gemäldesammlung noch vor dem bevorstehenden Verkauf derselben zu sehen". Das ist im Herbst 1837, also reichlich ein Jahr nach dem Besuch in Düsseldorf zu der Ehrung Fays, den wir aus unserer Sammlung kennen lernen. Aus den Listen des Kunstvereins ergibt sich, daß Kinkel seit 1837 auch Mitglied war. Er wird von diesem Termin an als cand. theol. in Bonn geführt, erst ») S. 125.



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hiesigen Akademie zur Folge. Auch Schadow wurde von der allgemeinen Strömung ergriffen. Die Malerei, das Kolorit, die Farbe scheint dadurch auch für ihn wie für alle, zur Hauptfrage geworden, und die Komposition, der Gegenstand und Inhalt des Bildes in den Hintergrund getreten zu sein." Das war jedoch ein vorübergehender Rausch. Uechtritz hatte im Februar 1839 so geschrieben. Schon im April muß er aber mitteilen : „Die Begeisterung f ü r das Untermalen in Grau hat wieder etwas nachgelassen. Einige der hiesigen Künstler sind ganz, andere zum Teil, zu der früheren Art der Untermalung zurückgekehrt. Doch scheint sich, soviel das Antlitz und überhaupt die nackten Partien angeht, die neue Weise als Regel erhalten zu wollen. Auch behandelt man da, wo man sich zu der Untermalung in den Lokalfarben zurückgewandt hat, die letzteren grauer und kälter, als es früher der Fall war." Dieses innerste malerische Problem der Schule war also auch das, was Fay ganz und gar erfüllte, und er nahm wie wenige mit aller Energie an den Farbenexperimenten teil. Die beiden Gedichte unserer Sammlung treffen also die beiden wesentlichen Punkte seiner Persönlichkeit und Wirksamkeit.

5. Kinkel in Köln und Düsseldorf und seine gesellige Art Von dem besonderen Interesse Kinkels für die neue Kunstbewegung im Rheinland erhielten wir bisher eine erste Andeutung durch Strodtmann. 1 ) In der Zeit der seelischen Kämpfe um tylinna fährt er mit Bögehold und Keßler nach Köln, „um die Lyversbergsche Gemäldesammlung noch vor dem bevorstehenden Verkauf derselben zu sehen". Das ist im Herbst 1837, also reichlich ein Jahr nach dem Besuch in Düsseldorf zu der Ehrung Fays, den wir aus unserer Sammlung kennen lernen. Aus den Listen des Kunstvereins ergibt sich, daß Kinkel seit 1837 auch Mitglied war. Er wird von diesem Termin an als cand. theol. in Bonn geführt, erst ») S. 125.



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von 1847 ab gleich als Professor. 1848 ist er schon nicht mehr da. Diese Daten zeigen uns, daß die Beziehungen zu der Düsseldorfer Kunst herbeigeführt werden durch die persönlichen Beziehungen zu Mengelberg und Fay. In der Tat nennt denn auch der Brief von Mengelbergs Tochter in dem Kölner Kreise als eng verbunden Mengelberg, Fay, Bögehold und Kinkel. Es ist für unseren Zusammenhang auch von Interesse festzustellen, daß Kinkel sich für die Kunst Karl Friedrich1 L e s s i n g s besonders interessiert hat. Das zeigt sein späteres Gedicht „Zu Lessings Hochzeit". 1 ) Er nimmt in diesem Gedicht Bezug auf den „Klosterhof" von 1830, die Bilder aus dem Räuberleben aus den 30 er Jahren, auf den „Ezzelino im Kerker" von 1838. Und schließlich auf das berühmte Bild „Huß vor dem Konzil" von 1842. Dieses Bild aber war es gerade, das den, wie wir sahen, auch für unseren Kreis bedeutsamen Streit zwischen den „Protestanten" und „Katholiken" zum offenen Ausbruch brachte, obwohl die großzügige und rein künstlerisch interessierte Natur Lessings am wenigsten daran dachte, hier absichtlich Partei zu ergreifen. Ihn interessierten diese Gegensätze um ihres inneren Lebens willen, aus demselben Grunde, aus dem die Geniezeit und insbesondere den jungen Goethe die Reformationszeit so fesselte. Gerade wegen der Stärke des ausbrechenden Individualismus sahen die „Katholiken" hier eine sieghafte und verletzende Ostentation der „Protestanten", der sie aus Mangel an augenblicklichen künstlerischen durch persönliche Ostentationen begegnen mußten. Schadow betrat auf Jahre nicht mehr das Atelier Lessings, und Veit trat von der Direktion des Städelschen Museums zurück, als das Bild von der Kommission für dieses angekauft wurde. 2 ) Schon von Jugend ö.uf hatte Kinkel Beziehungen izu ¡Köln. Dort wohnte sein Pate, der häufiger, wahrscheinlich doch auch auf längere Zeit, besucht wurde. 3 ) Dann lernte die *) Er war verheiratet mit Ida Heuser aus Gummersbach. dicht findet sich in den „Gedichten« S. 203 ff. 2 ) S. auch oben S. 14. s ) Jugenderinnerungen, Gartenlaube 1872, S. 472.

Das Ge-



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Schwester noch als halbes Kind in einem der ersten Gasthöfe der Stadt nach damaligem Brauch kochen und dort wie in Bonn feinere Näh- und Stickarbeiten. Dabei hat sie vielerlei Freundschaften geschlossen, ist vielleicht auch damals schon dem späteren Gatten Bögehold nähergetreten. 1 ) In der Zeit der Niederschrift unserer Saimmlung, im Jahr 1839, war die Beziehung zu Köln und dem dortigen Freundeskreise eine sehr nahe geworden, denn der junge Bonner Dozent waf mehrfach als aushelfender Prediger in Köln tätig gewesen. In seinem Gesuch vom 28. Mai 1840 um feste Übertragung der Hilfspredigerstelle in Köln spricht er davon, daß ein Teil der Kölner Gemeinde seine „früheren jeweiligen Aushilfen und kleineren Dienste in stellvertretenten Predigten mit unverdientem Wohlwollen" aufgenommen habe. 2 ) Zudem war Köln der Durchgangsort nach dem Niederrhein, zu dem man in der Kinkelschen Familie Beziehungen hatte. Der Vater, ein geborener Nassauer aus Herborn, war Hauslehrer in der Familie von Cloet in der Nähe von Mörs gewesen, dann Regens der lateinischen Schule in Solingen und später in Elberfeld. In erster Ehe war er mit einer vermögenden Kaufmannstochter aus Mülheim am Rhein, also .ganz nahe bei Köln, verheiratet gewesen. Daß Kinkel diese Kölner Beziehungen auch in der Zeit seines Bonner Studiums und seiner Bonner Dozentur besonders pflegte, lag sicher z. T. auch daran, daß er im Umkreis des akademischen Lebens nicht die gesuchte Befriedigung seiner literarischen und künstlerischen Bedürfnisse fand. Er hält sich in seinen Erinnerungen darüber auf, daß man Ramler und Gleim als politische Dichter ausführlich in der Schule behandelte, dagegen von Herwegh, Freiligrath und Geibel nichts erfuhr. Und doch wöge ein Kapitel aus Heines Wintermärchen sämtliche Bände von Rabeners Satiren auf und Mörikes Bodenseeidylle auf anderem Gebiet alles, was Geßner gelaicht habe. Die Schuld lag nach seiner Meinung an dem stagnierenden Universitätsbetrieb. „Die gebräunten Gartenlaube 1873, S. 181. a

) P. W .

Rotscheid,

Gottfried

Kinkel

als Hilfsprediger

in

Köln.

T h e o ! . Arbeiten aus dem rhein. wiss. Predigerverein 1907, 9. Heft, S. 127. E n d e r s , Kinkels Kölner Jugendfreunde.

3



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Kollegienhefte unserer Universitätsprofessoren tragen auf der letzten Seite die Namen der Gebrüder Schlegel. So geht es freilich unseren Gelehrten in allen anderen Artikeln auch, und dies ist schuld daran, daß das Leben der Gebildeten und des Volkes längst über unser Universitätsniveau hinausgewachsen ist. Wenn man ästhetische und literarische Roheit aufsuchen will, braucht man in Bonn keine Laterne anzuzünden." Wenn diese Ausfälle auch schon mitbestimmt sind durch spätere schlechte Erfahrungen im Kollegenkreise, so erklären sie doch, so berechtigt sie z. T. auch für die damaligen Zustände waren, umgekehrt wieder diese späteren Erfahrungen. Strodtmann meldet in Übereinstimmung mit diesen Ausführungen, daß er vor allem mit der Familie des Freundes Bögehold in Mülheim a. Rh. und mit den beiden Privatdozenten Sommer und Krafft verkehrt habe. 2 ) Bezeichnend für seine Oppositionsstellung ist es auch, daß er zu einer Zeit, da diese Interessenkoalition noch nicht selbstverständlich geworden war, zu einem Privatdozentenverein „Chamöcia" gehörte (1838), aus „dem das energische Zusammenhalten der jüngeren Universitätslehrer gegen die Übergriffe der älteren Professoren erwuchs". 3 ) Außer ihm waren in dem Verein die Dozenten Lersch, Sommer, Vogel und Budde. Aber auch schon vor der italienischen Reise, zur Zeit seiner Habilitation, gehörte er einem Verein „Teutonia" an, der den Zweck hatte, den Mitgliedern gegenseitig das Verständnis der deutschen Geschichte und Literatur zu erschließen. 4 ) Er hieß in diesem Verein Heinrich von Ofterdingen, wohl als der werdende Dichter des Kreises. Es handelt sich hier also um einen Vorläufer des Maikäferbundes von mehr rezeptivem Charakter. Was Kinkel dieses Vereinsleben zum Bedürfnis machte, war seine gesellige Art, die sich immer lebhafter entwickelte, je mehr es ihm gelang, die Nachwirkungen seiner orthodoxpietistischen Erziehung auszugleichen. Der Verkehr mit !) ) 3 ) 4 ) 2

Gartenlaube 1873, S. 98. S. 168. Strodtmann I, S. 182. Strodtmann I, S. 126.



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Mengelberg war auf diesem W e g e ein retardierendes Moment, der mit Fay ein förderliches. Außerdem war Kinkel eine rhetorisch-pathetische Natur, die stets ein Publikum brauchte, sich voll auszugeben. Und er selbst wurde im Reden erst, was er war. Ein Dokument dieses Bedürfnisses ist unser Ehrengedicht für Fay. Schon bei dem Knaben machte sich der rhetorische D r a n g und der Sinn für feierliche Momente geltend. S o hielt er bei der Grundsteinlegung eines neuen Schulsaals in Oberkassel ganz unvermutet, nachdem der Vater den Akt vollzogen hatte, eine Rede an die Versammelten. „Schriften, die mir gefielen, namentlich begeisternde und klangvolle Gedichte, las ich von Jugend auf mir gerne laut vor." *) Dann mußte er später beim Abschied von der Schule als der Geeignetste die Schlußrede halten. „ Ü b e r den Vortrag war nur eine Stimme und namentlich ein katholischer Geistlicher erkannte schon damals bei mir den künftigen Herrscher des Worts." Aus viel späterer Zeit stammt der Bericht von A. K(laar),-) aber er schildert doch nur die höchste Ausbildung der Gabe, die auch schon dem jungen Bonner Dozenten und dem Freunde Fays zur Verfügung stand. „Sehr charakteristisch für den Redekünstler," erzählt Klaar, „war mit Gottfried Kinkel, den ich vor einem Vierteljahrhundert in einem engeren Kreise über William JHogarth sprechen hörte. Er sprach frei in den allerverwickeltsten Satzbildungen, die längsten Einschaltungen kamen mit der Präzision, wie sie im Buche steht, die schwierigsten syntaktischen Formen mit einer peinlichen Genauigkeit, als läse er sie aus einem Buche a b ; zum Schluß gab der alte Herr, dem noch immer das Feuer aus den Augen des Graukopfes sprühte, eine merkwürdige Temperamentprobe. Er ereiferte sich gegen die angeblichen Brutalitäten der deutschen Karikatur, denen er die Scherzbilder des englischen Punch als seiner Meinung nach zartere Muster entgegensetzte. Dabei stampfte er mit dem Fuße und legte eine solche Leidenschaft in die Aufforderung, eine Besserung

Gartenlaube 1873, S. 211. ) Vossische Zeitung 1902, Nr. 229, Morgenausgabe »Feurige Zungen." 2

vom 18. Mai:





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nach dieser Seite zu erzielen, daß alle Anwesenden unter dem Eindruck dieser Erregung standen. Als man sich später besann, um was es sich eigentlich handelte, konnte man sich eines Lächelns nicht erwehren; das gerügte Übel war und ist ja höchst zweifelhaft, und ein Notstand, wie ihn der Redner durch Bewegung, Blick und Ton markierte, war gewiß nicht gegeben. Mir aber blieb der Eindruck höchst entwickelter rhetorischer Kunst und ihrer Bedingungen. Auf der einen Seite eine Vorbereitung, bei der das Gedächtnis eine bedeutende Rolle spielt, und auf der anderen die Gabe, sich in die längst zurechtgelegte Gedankenfolge neu einzuleben, so daß man gleichsam in eine redliche Täuschung gerät und die Erregung der ersten Konzeption wiederfindet." Anderen ist ja seine Rhetorik viel äußerlicher vorgekommen. Auf unsere Rheinländer, die hier überhaupt einen allgemeinen Zug ihrer Volksart spüren, hat er ganz gewiß so mitreißend gewirkt, wie auf Klaar und jene Abendgesellschaft.



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Ausgewählte Gedichte1 Seinem in Glauben und Streben verbundenen Freunde O. Mengelberg

Der Verfasser. 18. Oktober 1839

l

) 3 8 Blätter.



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Lyrisches*)

„Frisch, fromm, frei, f r o h ! "

l)

beginnt

2 6 Seiten. der Text

Die 2. und 4. Seite sind frei. dieser Abteilung,

Mit der fünften Seite

22 Seiten lang.

nicht wie in der folgenden Abschrift nummeriert.

Die Gedichte sind



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-

1. Zum Eingang G a r mannigfach ist echter Dichtung Farbe. Der Eine wirft ins Leben sich hinein, U n d dessen Bilder faßt er feurig a u f ; Es spiegelt sich dfe Welt in seinem Liede. Ein andrer offenbart den eignen Geist, Das eigne H e r z ; was er erkannt, gefühlt, Sich selber webt er in der Dichtung Teppich. Natur auch lockt in voller Herrlichkeit; Als Hierofant dient jener ihrem Tempel, U n d spricht ihr wonnig tief verhüllt Geheimnis Mit Priestermunde voll Begeistrung aus. Mir aber steht auf meinem Lebenswege D a s dunkle Kreuz an allen Enden d a ; Mir ist's das höchste Ziel, die blutigen Rosen Mit Liederrosen liebend zu umhüllen.

2. Schmerzlicher Trost Sei stark, sei stark und stille, Zerrißnes Jünglingsherz! Denn nur aus deiner F ü l l e Kommt dir dein reicher Schmerz. Wärst eitel du und nichtig, Wärst kalt und matt und schwach ; Wie jagtest du dann flüchtig Dem Schein der Freude n a c h ? Doch du warst groß, zu fassen Der S c h ö p f u n g W o n n e m e e r ; N u n bleibe auch gelassen, Hörst du sie seufzen schwer. Einst hast du stolz geschlagen, Sprach man von Menschenwert; Wie darfst du jetzt denn klagen, Da anders du belehrt?



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O Herz, du hast genossen Des G l a u b e n s Seligkeit: N u n sei auch unverdrossen, W e n n dir ein Z w e i f e l d r ä u t ! D u hast vermocht zu lieben, Du liebtest o h n e M a ß : Es darf dich nicht betrüben, Daß Liebchen dein vergaß. D r u m stark, mein Herz u n d stille! U n d fällt die Blüte a b : N o c h bleibt ein fester Wille Auf dunkelm Pfad dein Stab. 1 ) 3. Frohe Aussicht G e d r u c k t : Gedichte, II. Sammlung, Stuttgart 1868. Ein Strauß aus dem Jugendgarten S. 198, mit der Ü b e r s c h r i f t : „Neuer Pfad." 1 , 1 : a u s des Jünglings. 1 , 3 : wo a l l e Freuden. 1 , 4 : t r t t g r i s c h . 5 , 3 : f ü r w a h r , du wirst. 6,1: U n d sieh', es nahet dir ein Weggeselle. 6 , 3 : b a l d zur Stelle. 7,2: i h r b l e i b t . 8 , 4 : den Freund und deine Braut.

4. Einsames Naturleben G e d r u c k t an derselben Stelle wie Nr. 3, Seite 195 f. mit der Überschrift: „ D a s Kind der Natur", o h n e die erste Strophe: W o h l mancher meiner F r e u n d e s p r i c h t : Will ich genießen die Natur, M a g ich allein sie schauen nicht, Am Arme eines F r e u n d e s n u r . 2 , 1 : D o c h geh. 2, 4: aus K e i m e n . 3,2: Dann w i r f . 5 , 3 : verweh'n i n w u n d e r s ü ß e m Glück. 5, 4: Oleich einem Abendwölkchen rot. 6 , 1 : i m Mutterschoß. Bei Strodtmann I, S. 102 f. fehlt die 4. Strophe. Str. 5, Z. 1: hast d u . . . Z. 4 : d e r Zweifel. . . Str. 6, Z. 2 : U n d liebtest . . Z. 3 : W i e d ü r f t e s d i c h . . . Str. 7, Z. 1: o Herz. . . Z. 3: ein f e s t e r . . . Z. 4: dunklem.



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Str. 3 ff. auch Strodtmann I, 101 mit denselben Varianten mit Ausnahme 5, Zeile 4 ; auch zu früh datiert. 5. Erneuter Weltschmerz Gedruckt an derselben Stelle wie Nr. 3, S. 201, mit der Überschrift: „Morgenunschuld." 1,1:

steiget

und T r a u m . jetzo. 7,2:

6,2:

4,3:

herauf. und

auf

und

1,4:

glaubt.

sich

selber.

5,3: 6,3:

zwitschert.

4,1:

versendet. Da

U n d wandelt in Frieden die hohe Bahn.

ist

in

Schlaf

6,1:

wenn

verschwunden.

7,4:

Glück

zerrann.

6. Nachts Gedruckt in den Gedichten I. Bd., 7. Aufl., Stuttg. 1872, Kleinigkeiten, Sinnviolen Nr. 1, S. 273, mit der Überschrift: „Mit siebzehn Jahren." 1 , 1 : Schlafe s c h r e c k t. schwarz und g ö t t l i c h

1, 3 : mich w e c k t.

2,1\

teuflisch

rein.

7. Was ist besser? Gedruckt an derselben Stelle wie Nr. 3, S. der Überschrift: „In früher Krankheit." \,4:

vermodern.

2,1:

197, mit

durchwandle.

8. Der Vergänglichkeit Trotz Ei was frag' ich danach, ei was frag' ich danach, Wenn die Jugendgewalt mir die Muskeln schwellt, Daß der mächtige Leib auch so jämmerlich schwach In den Staub einst und Moder des Grabes zerfällt? Noch freut's mich, wenn fechtend im Schwertertanz Die Sehne den Hieb auf den Gegner fällt, Wenn vom stählernen Arme geschwungen der Glanz Der Klinge die Lüfte hellpfeifend durchspällt. Ei was kömmert es mich, ei was kümmert es mich, Daß die Lippe, die voll sich entgegen mir neigt, Einen Schädel umhüllt, der so schauderlich Dereinst hohl starret und grinset und schweigt?



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Da noch wohnt in dem Schädel des Liebchens Geist, Da noch Liebchens Herz auf die Lippe steigt, Die warm noch und schwellend mich froh sein heißt, Und gern sich zum üppigen Kusse mir reicht. Mag fallen die Form! Mein freudiger Geist, Du erneust die Gestalt mit unsterblicher Kraft, Wie die Erde, vom Wintertuche umeist, Nur kräftiger Leben in sich erschafft. Denn mein Lieben ist ewig, mein Liebchen auch, Das wird von dem Tode nicht hingerafft; Einst schwellet ihr Mund von noch süßerem Hauch, Und mein stärkerer Arm hält sie liebend in Haft. 9. Auf dem Wolsberg bei Siegburg

Gedruckt an derselben Stelle wie Nr. 6, S. 81, unter der Überschrift: „Im Vaterlande." 1, 3: du hemmst nicht den Flug. 1, 7: frischer wehend der Berge Luft. 1,9: weitschauenden G i p f e l . 2,3: T h r o n s i t z. 2,6: rolle zur Fußbank dich her 1 2,9: Bergesthrone. 3 , 2 : klaren W a s s e r n. 3, 3: gedehnt fehlt. 3 , 4 : F e r n a b . 3, 6: grüßen t r a u l i c h in sinkender F e r n e. 3 , 8 : v e r w i r r t . 5,4: Zunge i n s . 5 , 7 : weißflüglichten. 5 , 1 2 : sog ich s t ö c h a d i s c h e Würzedüfte. 5,13: der M u n d mir. 5,15: n e i n , w i e h e u t e , n i r g e n d s . 5,16: denn d a s Land. 5,17: b l a u . 6,1: i n säligen. 6 , 5 : h e r a u f . 1,1: U n d wie. 1,2: d e n H i m m e l . 7 , 3 : schaue. 7 , 8 : i m Waldesrauschen. 1,10. S i k a m b r e r n . 8,1: U n d so hörst du, m e i n . 8, 7: schwill dir h o c h. 8, 8: B e r g e s throne. 10. An Wilhelm Boegehold, bei seiner Pfarrweihe am 10. November 1838

Mein Freund, ich bin so dumpf und matt, Die Prosa fällt mir schwer; Drum sag ich, was ich denke heut, In Versen ungefähr. Ich bin umpanzert bang und kalt Mit viel Gelehrsamkeit ; Ein' holde Braut ist Wissenschaft, Doch bringt sie oft auch Leid.

— Viel Das Die Zur

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schöner ist die traute Maid, Leben morgenschön, du, mein starker Jugendfreund, Herrin dir ersehn.

Was ich erwerb' an Witz und Kunst, Ist oft ein totes Gut, Es macht mich krank, es macht mich Wie schweres schwarzes Blut.

trüb,

Des Denkens Frucht, die du gewinnst, Du gibst sie freudig hin, Das schnellbenutzte Pfund dem Herrn Bringt eiligen Gewinn. Wohl ist es schön, der Weisheit Wort Zu säen in Jugendbrust — Doch ach, sie nehmen's oft nur halb, U n d stets mit halber Lust. Viel schöner, Freund, erscheint fürwahr Dein hohes Zeugenamt; Im Namen Gottes nimmt man's hin, Wenn dich der Geist durchflammt. So gib die H a n d ! Was ich gewann, Dir geb' ich's gerne preis, Und gibst du's der Gemeine dann, Bin ich kein dürres Reis. 11. ? O Himmelsjungfrau mit den deutschen Sitten, So klar und mild, so keusch und ehrenhaft, Um die geworben Deutschlands Ritterschaft, Du wurdest nicht auf Erden mehr gelitten! O ihr Gestalten, die ihr weiland mitten In Lasternacht ein helles Licht geschafft, Die keusch und redlich wahrten ihre Kraft, Ihr seid mit jener hohen weggeschritten!



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Wie hat das junge Deutschland sich verändert! Seitdem es Ehr' und Keuschheit von sich stieß, Verschwand der Ernst, er wich dem schalen Witze; Und üppig nackt, dreifarbig buntbebändert, Sitzt auf der deutschen Freiheit Ehrensitze Die große Metze Babylons, Paris! 12. Im Kreise der Düsseldorfer Maler, gesprochen bei Josef Fays Ehrentag 1836 Ich' nenn' ein Nichts das arme nackte Leben, Das an die Erde bindet einen Geist, War' ihm nicht von der ewigen Huld gegeben Ein Schwesterpaar, das ihn nach oben weist, Das ohne Ablaß stets zu neuem Streben Die wegemüde Seele mit sich reißt, Das Kräfte bietet zu dem schweren Ringen, In dem sich kämpfend Mensch und Welt umschlingen. Die eine Schwester, ernst und strenge schauend, Eröffnet deinem Blick der Zeiten Lauf, Ein fest Gebäu des Wissens dir erbauend Vom Erdkern bis zum Sirius hinauf. Ergib dich ihrer Lehre froh vertrauend; Sie legt in deine 'Hand des Schwertes Knauf, Mit dem du, was die Welt, was du verrichtest, Das hell erkennest, und was falsch vernichtest. Die ältre aber, leicht zum Tanz geschürzet, Hält dir vors Aug des Zauberspiegels Licht; Was lang im Leben, schauest du verkürzet In hellerm Schein, und doch verfälscht sie nicht. Viel Großes wäre schon ins Nichts gestürzet, Doch jene hält noch, was zu Trümmern bricht, Und führt uns scherzend, doch im Ernst der Wahrheit, Zu unsres eignen Anschauns heller Klarheit. O wähne nicht, weil sie so milde schenket, Es seien ihre Gaben eitel Dunst! Weil überreich sie nie ans Darben denket, Ist sie so milde ja mit ihrer Gunst,

— Denn gibt sie viel, Denn wisse: Diese Die unerschöpflich Den Strom ergießt,

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sie wird um nichts gekränket, Jungfrau ist die Kunst, aus dem Lebensbronnen der niemals ist verronnen.

U n d wie nun beide Schwestern sich umfangen, Die Kunst und Wissenschaft in treuem B u n d : So, deucht mir, müßten das auch die erlangen, Die beider Jünger sind, mit Herz und Mund Geliebt und liebend aneinander hangen, Und täten so der kalten Welt es k u n d : Daß sie auch, wie sie sind Geschwistersöhne, Ein Band umschlingt der Farben, Lieder, Töne. So kamen wir, der Wissenschaft ergeben, Zu euch, und warm und voll war unser Herz; Wir traten ein in euer blühend Leben, W o tausend Keime schwellen himmelwärts; Wir wollten nach dem ernsten Tun und Streben U n s laben an der heitern Künste Scherz; Es sollte in der Forschung finstre Hallen Ein Schein uns aus dem Paradiese fallen. Ihr aber nahmt uns auf mit freier Seele, Eröffnetet uns euern schönen Kreis! W a s frommt's, daß alles Frohe ich erzähle, So sehr das Lied sich drängt zu euerm Preis? Dies eine Wort genüge: sonder Hehle Gabt ihr das Beste, euer Herz, uns preis; Ihr ehrtet uns gleich langerbetnen Gästen, Ihr gäbet Teil uns gern an euern Festen. Am Tag des Abschieds, der vor allen teuer Durch süße Wehmut, treibt's mich, euch zu danken; An unsres Freundes froher Ehrenfeier Soll einmal noch sich Freund und Freund umranken! Das Herze schwillt, die Brust wird frei und freier, Im Lustgefühle schwinden die Gedanken. Lebt wohl! Mag jeder seine Bahn durchschreiten, Die Geister sind vereint durch alle Zeiten!



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13. Einem Maler Der T a g erwacht! Da glühen alle Farben Aus dunkelm Blau mit einemmale, Entzündet von der Sonne lichtem Strahle, Sobald sie ausgießt ihre Feuergarben. Da Die Aus Die

kam die N a c h t ! Die Lichter alle starben ; hehre goß aus duftiger Mondesschale, Sternenleiern Töne in die Tale, wehmutsvoll und wonnig mich umwarben.

D u bist die Sonne, die die Farben wecket! O glühe fort, und was dir lebt im Herzen, Das f ö r d r e bildend zu dem hellen T a g e ! W e n n aber dann dein Werk die Nacht verdecket, Dann klingt mein Lied dir, sei's in leichten Scherzen, Sei's in der Mannesbrust gewaltiger Klage!



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Dürre Blumen des Südens 14. Gruß dem Süden, bei Avignon, Herbst