»Goldene 50er« oder »Bleierne Zeit«?: Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehen der BRD, 1959-1989 [1. Aufl.] 9783839427354

Hardly any other decade of German post-war history plays a greater role in television today than the 1950s - but how did

203 56 24MB

German Pages 356 [361] Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

»Goldene 50er« oder »Bleierne Zeit«?: Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehen der BRD, 1959-1989 [1. Aufl.]
 9783839427354

Citation preview

Mark Rüdiger »Goldene 50er« oder »Bleierne Zeit«?

Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen History in Popular Cultures | Band 13

Editorial In der Reihe Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen | History in Popular Cultures erscheinen Studien, die populäre Geschichtsdarstellungen interdisziplinär oder aus der Perspektive einzelner Fachrichtungen (insbesondere der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Ethnologie und Soziologie) untersuchen. Im Blickpunkt stehen Inhalte, Medien, Genres und Funktionen heutiger ebenso wie vergangener Geschichtskulturen. Die Reihe wird herausgegeben von Barbara Korte und Sylvia Paletschek (geschäftsführend) sowie Hans-Joachim Gehrke, Wolfgang Hochbruck, Sven Kommer und Judith Schlehe.

Mark Rüdiger (Dr. phil.) hat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg promoviert und arbeitet für die Stiftung »Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Mark Rüdiger

»Goldene 50er« oder »Bleierne Zeit«? Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehen der BRD, 1959-1989

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2013 u.d.T.: Geschichtsbilder der 50er Jahre im bundesrepublikanischen Fernsehen 1949-1989

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Mark Rüdiger, Annika Laux Satz: Mark Rüdiger Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2735-0 PDF-ISBN 978-3-8394-2735-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 13 Einleitung | 15

I. P RODUKTIONSBEDINGUNGEN IM GESCHICHTSFERNSEHEN | 37 II. ARCHIVBILDER | 1. 2. 3. 4.

53

Nachrichtenfilme und -sendungen | 54 Kinofilme | 68 Fernsehsendungen | 78 Werbefilme und -sendungen | 84

III. 1959 BIS 1976 – FORMIERUNGEN | 93 1. ›Nachkriegszeit‹ und ›Ära Adenauer‹ zwischen Wiederaufbau und Restauration | 93 2. Die 50er Jahre zwischen Gegenwart und Geschichte | 97 3. Das Wirtschaftswunder und seine Gesellschaft | 110 4. Person und Ära Adenauer | 123 5. Von der Teilungs- zur Souveränitätsgeschichte | 132 6. Zwischenfazit | 143

IV. 1977 BIS 1989 – P OLARISIERUNGEN | 145 1. Geschichtskulturelle Konjunktur | 14 5 2. Die Suche nach den eigenen Erinnerungen. Generationelle Geschichtsbilder in fiktionalen Formen | 165

2.1 Kontexte | 165 2.2 »Restaurative Bürgerlichkeit« | 170 2.3 Authentizität in Details: Erinnerungsperspektiven | 197 2.4 Zwischenfazit | 213

3. Zwischen Nostalgie und Geschichtspolitik: Ausdifferenzierungen im non-fiktionalen Geschichtsfernsehen | 214

3.1 Das non-fiktionale Geschichtsfernsehen seit 1979 | 214 3.2 Mosaike der 50er Jahre: Gegenständlichkeit, Medialität und Zeitzeugen | 220 3.3 ›Klassische‹ dokumentarische Geschichtssendungen: Von der Politik- und Wirtschaftsgeschichte zu Kultur, Gesellschaft und Alltag der 50er Jahre | 242 3.4 Die 50er Jahre als Gründungs- und Aufbaujahrzehnt: der geschichtspolitische Diskurs | 256 3.5 Zwischenfazit | 287 Schlussbetrachtung | 289 Anhang | 303

Verzeichnis der deutschsprachigen Fernseh- und Kinoproduktionen über die 50er Jahre | 303 Weitere erwähnte Kinofilme und Fernsehsendungen | 327 Archivalien | 329 Interviews | 330 Filmografien, Jahrbücher, Nachschlagewerke | 330 Literatur | 331

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1-3: Presenter in non-fiktionalen Sendungen (v.l.n.r.): Fritz René Allemann, Thilo Koch und Karl-Heinz Janßen | 101 Abb. 4-6: Orte des Wirtschaftswunders: Büro und Fabrik | 114 Abb. 7-12: Kontrastmontage zur restaurativen Verdrängung der Vergangenheit | 117 Abb. 13-18: Visualisierungen des Wirtschaftswunders in non-fiktionalen Sendungen | 121 Abb. 19-24: Nachstellen der Wochenschauaufnahmen zur Währungsreform | 122 Abb. 25-26: Kleidung als Signum restaurativer Tendenzen | 131 Abb. 27-28: Provisorium als Endstation | 134 Tab. 1: Thematische Gliederung von DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 2: JAHRE DES AUFBAUS (ZDF 1974) | 138 Tab. 2: Thematische Gliederung von DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 3: JAHRE DER UNSICHERHEIT (ZDF 1974) | 138 Abb. 29-34: Konrad Adenauer als souveräner Vertreter deutscher Interessen | 141 Abb. 35-37: Mischung von Archivbildmaterial und fiktionalen Einstellungen in KALTE HEIMAT (ARD 1981): Einstiegssequenz | 177 Abb. 38-43: Mischung von Archivbildmaterial und fiktionalen Einstellungen in KALTE HEIMAT (ARD 1981): Schlusssequenz | 177 Abb. 44-45: Die Musicbox als Projektion von Wünschen | 185 Abb. 46-47: Konsumkritische Perspektive: Materialistischer Reichtum und zwischenmenschliche Kargheit | 187 Abb. 48-50: Akim-Comic als Zeitmarker und Erinnerungsanreiz | 192 Abb. 51-56: Verbindung verschiedener Zeitebenen in DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3 /West3/N3 1989) | 194 Abb. 57-62: Wiederbewaffnung und KPD-Verbot in HUNGERJAHRE (ZDF 1980) | 195 Abb. 63-64: Wohnungseinrichtung als Zeitmarker | 202 Abb. 65-67: Objekte als Generationsmarker | 203 Abb. 68-69: Details in den Kulissen: ›im Wannenbad einlaufende Jeans‹ und Inszenierung von Tulpenlampen. | 205

8 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Abb. 70-72: Orte der Jugend: Jazzkeller, Dachboden und Tanzschuppen | 207 Abb. 73-78: Überstilisierung von Zeitmarkern in PETTICOAT (ARD 1989) | 210 Abb. 79-81: Fotografien im Intro von BRAUSEPULVER (ZDF 1989) | 212 Abb. 82-84: Showelemente in Mosaiksendungen | 225 Abb. 85-86: Aufzeigen historischer Distanz: Mühen des Wäschewaschens in den 50er Jahren | 226 Abb. 87-88: Aufzeigen historischer Distanz: »Man hat also doch das Meiste schon davon« | 227 Abb. 89-90: Kuriose Erfindungen zur Erzeugung nostalgischer Zeitbilder: ›Schnupfenbestrahler‹ und ›Verjüngungstonne‹ | 228 Abb. 91-94: Inneneinrichtungen der 50er Jahre: Studiokulissen und Archivbilder | 230 Abb. 95-100: Kurznachrichten in JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982) | 233 Abb. 101-103: Stars der 50er Jahre in FRÜHE FERNSEHJAHRE (ZDF 1988): Peter Alexander, Catherina Valente und Vicco Torriani | 236 Abb. 104-106: Fernsehshows der 50er Jahre in FRÜHE FERNSEHJAHRE (ARD 1988): TOI, TOI, TOI, WAS BIN ICH? und Fernsehkoch Clemens Wilmenrodt | 237 Abb. 107-108: Stars der 50er Jahre als Moderatoren: Hans Rosenthal und Peter Kraus | 240 Abb. 109-110: Zeitzeugen in Gesprächssituationen im Studio | 241 Tab. 3: Sendungsübersicht mit thematischem Bezug 50er Jahre innerhalb der Reihen DIE EIGENE GESCHICHTE, KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE und RÜCKSICHTEN | 245 Abb. 111-113: Zeitzeugen als Kontrast offiziöser Archivbilder | 250 Abb. 114-116: Kontrastmontage: Traum und Realität von Wohnverhältnissen | 252 Abb. 117-119: Montage im Stil der Mosaiksendungen in EIN TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988) | 253 Abb. 120-125: Intro von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) | 257 Abb. 126-131: Montagesequenz zur Westbindung in DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981) | 263 Tab. 4: Folgenübersicht zu ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) | 266 Tab. 5: Folgenübersicht zu SO FING ES AN (ZDF 1983) | 267 Abb. 132-134: Visuelle Gegenüberstellung von BRD- und DDR-Gründung | 269 Abb. 135-140: Wochenschauen als historisches Abbild: Politische Normalität bei der Gründung | 272 Tab. 6: Thematische Gliederung von DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER. AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN (ZDF 1986) | 275 Abb. 141-143: Bildikonen des wirtschaftlichen Aufstiegs: Trümmerlandschaften, volle Schaufenster, Erhard mit Zigarre | 277 Abb. 144-145: Bauchbinden zur Kennzeichnung des ›Normalbürgers‹ | 278 Tab. 7: Thematische Gliederung von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, FOLGE 2: STAAT AUF BEFEHL (ARD 1983) | 279

A BBILDUNGS-

UND

T ABELLENVERZEICHNIS

|9

Tab. 8: Thematische Gliederung von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, FOLGE 3: WIR SIND WIEDER WER (ARD 1983) | 279 Abb. 146-148: Bildikone ›volle Schaufenster‹ und kritisches fiktionales Gegenbild | 281 Abb. 149-154: Bilder von Modernisierung und Restauration in SO FING ES AN (ZDF 1983) | 284 Abb. 155-157: Inszenierung von Kirchentagen als Signum der Restauration | 285

Abkürzungsverzeichnis

ARD BFS3 BR BRD DDR DRA DVD EDV FAZ FS GEMA HA HR MAZ N3 NATO NDF NDW NWRV NDR NWDR Orig.i.F. RAF RB RBB RIAS SDR SFB

Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschland Bayerisches Fernsehen, 3. Programm Bayerischer Rundfunk Bundesrepublik Deutschland Deutsche Demokratische Republik Deutsches Rundfunkarchiv Digital Versatile Disc Elektronische Datenverarbeitung Film-Aufzeichnung Fernsehen Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Hauptabteilung Hessischer Rundfunk Magnet-Aufzeichnung Nord3, Norddeutscher Rundfunk, 3. Programm North Atlantic Treaty Organization Neuer Deutscher Film Neue Deutsche Wochenschau Nord- und Westdeutscher Rundfunkverband Norddeutscher Rundfunk Nordwestdeutscher Rundfunk Original(e) in Farbe Rote Armee Fraktion Radio Bremen Rundfunk Berlin-Brandenburg Rundfunk im amerikanischen Sektor Süddeutscher Rundfunk Sender Freies Berlin

12 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

SR SW3 SWF SWR WDF WDR West3 WiB WiF ZDF

Saarländischer Rundfunk Südwestfunk, 3. Programm Südwestfunk Südwestrundfunk Westdeutsches Fernsehen Westdeutscher Rundfunk Westdeutscher Rundfunk, 3. Programm Welt im Bild Welt im Film Zweites Deutsches Fernsehen

Vorwort

Schon bald nach Beginn der Beschäftigung mit dem Thema im Jahr 2007 wurde mir bewusst, dass es nach wie vor ein schwieriges Unterfangen ist, Fernsehgeschichtsschreibung zu betreiben. An vielen Punkten meiner Recherchen war ich auf die engagierte Hilfe anderer angewiesen. Daher gilt mein besonderer Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Rundarchiven, bei den Mitschnittdiensten und Mediatheken, die Mittel und Wege fanden, mir die notwendigen Recherchemittel, Unterlagen und Sendungen zugänglich zu machen. Sylvia Paletschek betreute meine Arbeit von Beginn an mit großer Offenheit und außerordentlichem Engagement. Ihre konstruktiven Hinweise und Ratschläge sowie ihre Begeisterung für das Thema waren mir in allen Phasen des Projekts von großem Wert. Die Kolleginnen und Kollegen in der DFG-Forschergruppe 875 Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen der Gegenwart schufen eine anregende und motivierende Atmosphäre und ließen mich das Thema immer wieder aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Hierfür danke ich Barbara Korte, Wolfgang Hochbruck, Judith Schlehe, Sven Kommer insbesondere aber meinen Kolleginnen und Kollegen der Nachwuchsgruppe, Ulrike Pirker, Carolyn Oesterle, Michiko UikeBormann, Miriam Sénécheau, Thorsten Leiendecker, Christa Klein und Melanie Fritscher. Viele Menschen leisteten bewusst oder unbewusst wichtige Beiträge zu dieser Arbeit, zu ihnen gehörten Frank Bösch, Christoph Classen, Thomas Fischer, Maria Grever, Gerolf Karwarth, Judith Keilbach, Edgar Lersch, Kerstin Lohr, Kees Ribbens, Matthias Steinle, John Storey und Gabriele Trost. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kolloquien danke ich für ihre Bereitschaft sich auf das Thema einzulassen und intensiv zu diskutieren. Cornelia Brink danke ich für die umsichtigen und wertvollen Hinweise bei der Bewertung der Arbeit. Die FAZIT-Stiftung förderte die Fertigstellung der Arbeit mit einem Abschlussstipendium, der DFG danke ich für die Förderung und Bereitstellung eines Druckkostenzuschusses.

14 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Meinen Eltern Sigrid und Arnfried Rüdiger danke ich für ihren fortwährenden Zuspruch und ihre Unterstützung. Annika Laux möchte ich einfach zurufen: „Es ist vollbracht!“ Ohne ihre unglaubliche Geduld und Einfühlung sowie ihr sorgfältiges und ausdauerndes Lektorat wäre diese Arbeit nicht entstanden.

Einleitung »Die Studenten gingen 1968 auf die Straße, um diese Gesellschaft, die sich in den fünfziger Jahren gebildet hatte, abzuschaffen. Das gelang ihnen nicht, aber ihre Revolte bewirkte, daß sich seit der Zeit so vieles geändert hat, daß die Fünfziger heute wirken wie ein merkwürdiger Karneval: Heinz Ehrhard im Petticoat auf dem Nierentisch begleitet von den Caprifischern. Das alles ist ziemlich bunt. In Wirklichkeit aber war es eine Zeit voll von Verdrängung, Unterdrückung und schlechtem Gewissen.« JUTTA BRÜCKNER1

Die Studentenbewegung veränderte zwar die Gesellschaft, gegen die dominanten, nostalgisch verbrämten Geschichtsbilder der 50er Jahre allerdings sei sie machtlos gewesen, so die ambivalente Bilanz, die Jutta Brückner in den 1990er Jahren zog. Mit HUNGERJAHRE – IN EINEM REICHEN LAND (ZDF 1980) hatte sie ihren eigenen filmischen Beitrag zur Deutung der 50er Jahre geleistet. An Brückners Zitat zeigen sich verschiedene Aspekte des Umgangs mit den 50er Jahren in der Geschichtskultur: Generationelle Selbstzuschreibungen und Deutungen prägten in erheblichem Maße die Geschichtsbilder der 50er Jahre, die zudem lange von polarisierenden Deutungen geprägt waren. Das Zitat verdeutlicht weiter, welche immense Bedeutung Chiffren, Schlagworte sowie Bilder gerade für die Konstruktion des 50er Jahre Geschichtsbildes hatten. Die Bedeutung von Bildern für die Geschichtskultur scheint heute kaum noch überschätzt werden zu können. Schon der individuelle Prozess des Erinnerns besteht aus Bildern und Symbolen: Zwar gebe es »Bilder ohne Geschichte, aber keine

1

Zit. n.: Martin Wiebel (Hg.): Deutschland auf der Mattscheibe. Die Geschichte der Bundesrepublik im Fernsehspiel, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 1999, S. 293.

16 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Geschichte ohne Bilder«,2 konstatierte Harald Welzer. Walter Benjamin ging mit seinem Diktum, Geschichte zerfalle in Bilder, nicht in Geschichten, noch einen Schritt weiter.3 Visuelle Repräsentationen stellen einen konstituierenden Bestandteil von Erinnerungsprozessen dar. Insbesondere die im 20. Jahrhundert neu entstandenen audiovisuellen Massenmedien veränderten dabei die Wahrnehmung. Das Fernsehen produzierte und reproduzierte in fiktionalen und non-fiktionalen Geschichtssendungen ständig Bilder der Vergangenheit, die vorhandene Geschichtsbilder aufgriffen, umschrieben oder neu konstituierten. Erst im Zusammenspiel von Produktionskontexten und den Geschichtsbildern der Rezipienten, wurden die audiovisuellen Bilder zu »Ressourcen für die Imagination von Vergangenheiten«.4 Das Fernsehen, seit den 1960er Jahren Leitmedium der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit, transportierte beständig eine Flut von Geschichtsbildern, die – mit wenigen Ausnahmen – in der akademischen Forschung bisher kaum Beachtung gefunden haben. ›50er Jahre‹ – der zentrale geschichtskulturelle Begriff dieser Arbeit eröffnet ein vielgestaltiges Assoziationsfeld und Arsenal weiterer Begriffbildungen: ›1950er‹ – ›Fünfziger‹ – ›Fuffziger‹ – ›die goldenen Fünfziger‹ – ›die Ära Adenauer‹ – ›die langen Fünfziger‹ – ›die kurzen Fünfziger‹ – ›eine bleierne Zeit‹ – ›Gründungsjahrzehnt‹ – ›Aufbaujahre‹ … Diese unterschiedlichen Begriffe wurden sowohl mit unterschiedlichen Periodisierungen verbunden, als auch inhaltlich mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen. Eine zeitliche Fixierung ›50er Jahre‹ über die klassische Dekadeneinteilung, d.h. als Zeit zwischen 1949/50 und 1959, ist dabei insofern schwierig, als diese weder mit den Erfahrungen der Zeitgenossen noch mit den gängigen geschichtswissenschaftlichen Periodisierungen übereinstimmt. Der chronologische Begriff ›50er Jahre‹ muss also von dem Zuschreibungsbegriff unterschieden werden, der im Zentrum dieser Arbeit steht. In diesem Sinne werden im Folgenden mit den 50er Jahren – auch bewusst in dieser Schreibweise als Begrifflichkeit – die Geschichtsbilder einer abgeschlossenen Epoche bezeichnet, die in etwa mit der chronologischen Dekade der 1950er übereinstimmt, mit dieser aber nicht automatisch deckungsgleich ist.5 2

Harald Welzer: »Das Gedächtnis der Bilder. Eine Einleitung«, in: Ders. (Hg.), Das Gedächtnis der Bilder. Ästhetik und Nationalsozialismus, Tübingen: edition diskord 1995, S. 7-14, hier S. 8.

3

Walter Benjamin/Rolf Tiedemann: Das Passagen-Werk, Bd. 1, Frankfurt am Main: Suhr-

4

Astrid Erll: »Medien und Gedächtnis. Aspekte interdisziplinärer Forschung«, in: Michael

kamp 1983, S. 596. C. Frank/Gabriele Rippl/Aleida Assmann (Hg.), Arbeit am Gedächtnis – Für Aleida Assmann, Paderborn/München: Fink 2007, S. 87-98, hier S. 90f. 5

Vgl. Daniel Marcus: Happy Days and Wonder Years. The Fifties and the Sixties in Contemporary Cultural Politics, New Brunswick/London: Rutgers University Press 2004,

E INLEITUNG

| 17

Die 50er Jahre sind schon lange zu einer populären Chiffre geworden, zu einem Containerbegriff, der Ensembles von Schlagwörtern und Narrativen bündelt. Schlagwörter, wie beispielsweise Adenauer, Wiederbewaffnung, Wirtschaftswunder, Italienurlaub oder Fresswelle, aber auch Design- und Stil-Artefakte, wie der Nierentisch, die Tütenlampe, die Musikbox, der Petticoat oder die Perlonstrümpfe werden mit den 50er Jahren assoziiert. Der Heimatfilm wird ebenso mit den 50er Jahren verbunden wie der Skandal um Rosemarie Nitribitt, der Rock’n’Roll von Bill Haley bis Peter Kraus genauso wie die Schlager von Caterina Valente bis Vico Torriani. Als Narrative lassen sich die 50er Jahre als Zeit des Aufbaus, als Gründungsjahrzehnt oder als Phase der Restauration erzählen. Die 50er Jahre können Folie für nostalgische Erinnerungen an eine gute alte Zeit sein, aber auch in einer kritischen Lesart als Ursprung vieler zeitgenössischer Probleme angesehen werden. Über seine Containerfunktion hinaus enthält der Begriff der 50er Jahre Gesamtdeutungen der Epoche. Diese können mittels des in der Geschichtsdidaktik methodisch-analytisch konzeptionalisierten Begriffs des ›Geschichtsbildes‹ benannt und analysiert werden. Im Zuge der Erinnerungskulturforschung, die sich verstärkt audiovisuellen Erinnerungsprozessen zuwandte, hat der Begriff des Geschichtsbildes in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt. Dabei sind allerdings seine geschichtsdidaktischen Konkretisierungen und Konzeptionalisierungen in anderen Disziplinen häufig unbeachtet geblieben. Entweder wurde der Begriff gar nicht definiert und den freien Assoziationen der Rezipienten überlassen oder in seiner metaphorischen Doppeldeutigkeit als Bildbegriff verwendet. In dieser Arbeit wird in Anlehnung an Felix Phillip Lutz unter einem Geschichtsbild »ein geschlossenes Deutungsmuster, ein fertiges Bild verstanden, das eine Person oder eine Gruppe über ein spezifisches historisches Sujet, eine Epoche oder ein Ereignis hat. […] [Es] vereinigt unterschiedliche inhaltliche und bewertende Dimensionen zu einem spezifischen Themenbereich oder Stichwort. Es bildet eine subjektive Gesamtvorstellung, in welcher die tatsächlichen Fakten und Gegebenheiten teilweise eine nur noch untergeordnete Rolle spielen.«6

Jörn Rüsens Modell folgend werden die 50er Jahre als »narrative Abbreviatur«7 verstanden, als Konstruktionsprozess, bei dem Imaginationen oder Bilder bestimmS. 207; Axel Schildt: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und ›Zeitgeist‹ in der Bundesrepublik der 50er Jahre, Hamburg: Dietz 1995, S. 451, FN 1. 6

Felix Philipp Lutz: Das Geschichtsbewußtsein der Deutschen. Grundlagen der politischen

7

Jörn Rüsen: Historische Orientierung. Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in

Kultur in Ost und West, Köln: Böhlau 2000, S. 37. der Zeit zurechtzufinden, Köln: Böhlau 1994, S. 216.

18 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ter Ereignisse, Personen und Schlagworte in Erzählstrukturen verbunden werden, die wiederum innerhalb größerer, zeitgleich existierender Narrative analysiert werden können. Als Geschichtsbilder können diese Narrative sowohl einzelne Ereignisse, z.B. den ›Mauerfall‹, als auch transnationale, epochenübergreifende Entwicklungen wie ›Modernisierung‹ beschreiben. Selbst die Chiffre der 50er Jahre kann als Kennzeichnung eines Geschichtsbildes verstanden werden und durchlief in dieser Funktion seit den 1960er Jahren verschiedene Deutungskonjunkturen in der Geschichtskultur der Bundesrepublik. Das Fernsehen begleitete als audiovisuelles Leitmedium diese Entwicklungen und produzierte und reproduzierte kontinuierlich Geschichtsbilder der 50er Jahre in seinen Geschichtssendungen. Die Leitfrage der vorliegenden Arbeit ist daher: Welche Geschichtsbilder der 50er Jahre präsentierten Geschichtssendungen im bundesrepublikanischen Fernsehen zwischen 1959 und 1989 und wie veränderten sich diese? Die Eingrenzung des Untersuchungszeitraums resultiert zunächst aus folgenden Überlegungen heraus: Zum Jahrzehntwechsel 1959/1960 entstanden sowohl erste Fernsehrückblicke8 als auch Zeitungsartikel,9 die das Jahrzehnt Revue passieren ließen. Sie bildeten damit die ersten Versuche, die 50er Jahre retrospektiv zu bilanzieren. Den Endpunkt der Untersuchung auf das Jahr 1989 zu legen, erscheint aus den Überlegungen einer deutsch-deutschen Mediengeschichte sinnvoll. Mit der Wiedervereinigung wurden zwei bis dato separate Fernsehsysteme zusammengeführt. In diesem Kontext wäre gesondert danach zu fragen, welche Geschichtsbilder der 50er Jahre nach 1989 aus der Geschichtskultur der DDR tradiert wurden.10 Hinzu kamen die Veränderungen im dualen Rundfunksystem – einmal durch die Integration des DDR-Fernsehens in das System öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, andererseits durch den zunehmenden kommerziellen Erfolg privater Rundfunkanbieter.11 Zudem scheint die geschichtskulturelle Konjunktur der 50er Jahre Ende 8 9

ERLEDIGT – PAPIERKORB. EINE 10-JAHRES-BILANZ MIT KLEINEN FEHLERN (ARD 1959). Ferdinand Fried: »Die goldenen Fünfziger«, in: Die Welt, 18.04., 22.04., 25.04., 29.04.1959; Otto Beer: »Nachrede auf die Fünfziger Jahre«, in: Die Zeit, 01.01.1960, S. 2.

10 Zur staatlich kontrollierte Geschichts- und Erinnerungskultur der DDR vgl. u.a.: Martin Sabrow (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR (= Zeithistorische Studien; 14), Köln: Böhlau 2000, speziell zu Geschichtssendungen im DDR-Fernsehen: Ulrike Schwab: Fiktionale Geschichtssendungen im DDRFernsehen, Leipzig: Leipziger Universitäts-Verlag 2007 sowie allgemein zum DDRFernsehen: Rüdiger Steinmetz/Reinhold Viehoff (Hg.): Deutsches Fernsehen Ost. Eine Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. 11 Zwar datiert die Einführung des dualen Rundfunksystems auf das Jahr 1984, gerade in den ersten Jahren entwickelte sich für die Redaktionen des Geschichtsfernsehens hieraus

E INLEITUNG

| 19

der 1980er/Anfang der 1990er Jahre mit der Wiedervereinigung einen vorläufigen Endpunkt erreicht zu haben. Fernsehen und Geschichtskultur Die mentalen Geschichtsbilder zu den 50er Jahren sind untrennbar mit ihren Visualisierungen in den Medien verbunden.12 Massenmedien nehmen, wie erinnerungskulturelle Arbeiten immer wieder betont haben, bei der Verhandlung, Vermittlung, Formierung und Transformation kollektiver Mentalitäten eine zentrale Stellung ein. Sie üben Zirkulations- und Synchronisationsfunktionen für »große Erinnerungsgemeinschaften, in denen face-to-face Kommunikation nicht mehr möglich ist«13 aus. Dabei prägt das Medium die Erinnerungsinhalte und ihre Form durch seine jeweilige Beschaffenheit.14 Die Produktion und Ausstrahlung von Fernsehsendungen mit historischen Inhalten wurde mit Beginn der offiziellen, regelmäßigen Ausstrahlung des deutschen Fernsehprogramms 1952 in den einzelnen Redaktionsbereichen der Rundfunkanstalten nach und nach institutionalisiert. Dokumentarische Sendungen verwendeten audiovisuelles historisches Archivmaterial, um die textuelle Darstellung anschaulich zu machen, fiktionale Fernsehspiele versuchten das Zeitkolorit wiederzugeben, indem sie ›zeitgetreue‹ Kulissen und Ausstattungen als Hintergrundfolie verwendeten und ›zeittypische‹ Problemlagen, Erzählungen und Mentalitäten in ihre Geschichten einbauten. In Dokumentationen und Erinnerungsshows erzählten Zeitzeugen von ihren Erlebnissen. Das Fernsehens trägt als Massenmedium wesentlich zur Herstellung von Öffentlichkeit bei. In der ›Öffentlichkeit‹, verstanden als das »Medium der Selbstreferenz einer Gesellschaft« (Christina von Hodenberg),15 werden Themen der gesellschaftlichen Diskussionen ausgewählt und geformt, Werte und Normen verhandelt und Konflikte ausgetragen.16 ›Öffentlichkeit‹ wiederum findet nicht nur auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene statt, sondern auch in kleineren Einheiten, in ›Teilöffentlichkeiten‹, die je ein spezielles Publikum erreichen. Das Fernsehen bildet daaber kaum Konkurrenz, die zu einem signifikanten Druck und so zu Veränderungen führte. Vgl. auch Knut Hickethier: Die Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart: Metzler 1998, S. 448f. 12 Andrea Brockmann: Erinnerungsarbeit im Fernsehen. Das Beispiel des 17. Juni 1953 (= Beiträge zur Geschichtskultur; 30), Köln: Böhlau 2006, S. 24f. 13 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart: Metzler 2005, S. 137. 14 Ebd., S. 124. 15 Hodenberg: Konsens, S. 17. 16 Ebd., S. 17f.

20 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

bei in besonders hohem Maße verschiedene Öffentlichkeiten ab: Diese besondere Spannweite der durch das Fernsehen aufgegriffenen und bedienten Diskurse zeigt sich in der Breite des Programmangebots, das fiktionale und non-fiktionale Formen umfasst, das sowohl tagesaktuelle politische Berichterstattung als auch gesellschaftliche Diskussionen aufgreift, das populäre Unterhaltung ebenso bietet wie zielgruppenspezifische Programme. So schafft das Fernsehen unter Berücksichtigung seiner medialen Voraussetzungen Öffentlichkeit, bündelt Teilöffentlichkeiten und vermittelt nationale Narrative. Deshalb ist das Fernsehen als »das gesellschaftliche Uhrwerk«17 und als »kulturelles Forum«18 bezeichnet worden, das gesellschaftliche Diskurse formt und Diskursräume bietet. Aufgrund seiner hohen Zuschauerreichweite und des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten waren dies vor allem die großen nationalen Erzählungen, die auf ein möglichst großes Publikum abzielten.19 Dennoch bildete das Fernsehen diese gesellschaftlichen Diskurse nicht ähnlich einem Spiegel voraussetzungsfrei ab. Vielmehr kann das Fernsehen als Dispositiv verstanden werden, das geprägt ist durch die technischen Voraussetzungen und Entwicklungen, die institutionell gewachsenen Strukturen, wie z.B. die Einteilung der Redaktionen innerhalb der Sendeanstalten, die individuellen Rezeptions- und Gebrauchsgewohnheiten des Fernsehkonsums, das sich wandelnde Selbstverständnis von Fernsehmachern20 sowie die Erwartungen der Fernsehkritiker und Fernsehkonsumenten.21

17 Michèle Lagny: »Historischer Film und Geschichtsdarstellungen im Fernsehen«, in: Eva Hohenberger/Judith Keilbach (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit. Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte, Berlin: Vorwerk 8 2003, S. 115-128, hier S. 115. 18 Horace Newcomb/Paul Hirsch: »Fernsehen als kulturelles Forum. Neue Perspektiven für die Medienforschung«, in: Rundfunk und Fernsehen 2.34 (1986), S. 177-190. 19 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 3f. 20 Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form mitgemeint. 21 Vgl. Knut Hickethier: »Dispositiv Fernsehen. Skizze eines Modells«, in: montage/av 4.1 (1995), S. 63-83; Knut Hickethier: »Film und Fernsehen als Mediendispositive in der Geschichte«, in: Knut Hickethier (Hg.), Der Film in der Geschichte – Dokumentation der GFF-Tagung, Berlin: Ed. Sigma 1997, S. 63-73; Monika Elsner/Thomas Müller/Peter M. Spangenberg: »Zur Entstehungsgeschichte des Dispositivs Fernsehen in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre«, in: Helmut Kreuzer/Christian W. Thomsen (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hrsg. von Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 31-66.

E INLEITUNG

| 21

Fernsehen als Dispositiv zu verstehen, verweist auf die komplexe Aneignung medialer Produkte in Rezeptionsprozessen.22 Dabei steht generell zur Disposition, inwiefern vergangene und gegenwärtige Realitäten überhaupt jenseits der medialen Vermittlung zugänglich sind, da »zentrale Bereiche des sozialen Wissens moderner Gesellschaften«23 über Medien wie das Fernsehen vermittelt werden.24 Daraus muss nicht zwangsläufig folgen, dass Wirklichkeit eine mediale Konstruktion ist, sondern lediglich, dass Realitäten, seien es gegenwärtige oder vergangene, nur durch mediale Vermittlung zugänglich sind: »Realität ist nicht als mediale Konstruktion, sondern allein vermöge medialer Konstruktion gegeben.«25 Entscheidend für die Vermittlung von Geschichte im Fernsehen ist daher vor allem, dass Inhalte nicht medienneutral sind, sondern die Charakteristika eines Mediums – in diesem Fall des Fernsehens – Einfluss darauf nehmen, welche Inhalte selektiert und in welcher Form sie präsentiert werden:26 »Medien greifen Phänomene in der Gesellschaft auf, insofern und solange sie diese für allgemein relevant halten. Und weil Medien diese Phänomene aufgreifen und medienspezifisch inszenieren, können sie von Mediennutzern als relevant eingeschätzt, aufgegriffen und kognitiv wie kommunikativ weiterverarbeitet werden. Insofern machen Medien wie große Resonanzkörper gesellschaftliche Phänomene überdeutlich ›hörbar‹ und verhelfen ebenso den Reaktionen auf diese neue Hörbarkeit durch Publizität zu allgemeiner Hörbarkeit.«27

Geschichtssendungen werden in der vorliegenden Arbeit als kulturelle Artefakte der Vergangenheit betrachtet, die Rückschlüsse auf die in den zeitgenössischen Öffentlichkeiten kursierenden Geschichtsbilder zulassen. In Bezug auf die Repräsentation der bundesrepublikanischen Geschichtskultur im Fernsehen wird daher davon ausgegangen, dass das Fernsehen in enger Interaktion mit dieser eine breite Auswahl von Diskursen über Geschichtsbilder der 50er Jahre aufgreift:

22 Vgl. Martin Zierold: Gesellschaftliche Erinnerung. Eine medienkulturwissenschaftliche Perspektive, Berlin: de Gruyter 2006. 23 Monika Elsner/Thomas Müller: »Der angewachsene Fernseher«, in: Hans Ulrich Gumbrecht/Karl Ludwig Pfeiffer/Monika Elsner (Hg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 392-415. 24 Siegfried J. Schmidt: Kalte Faszination. Medien, Kultur, Wissenschaft in der Mediengesellschaft, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000, S. 43. 25 Martin Seel: »Medien der Realität und Realität der Medien«, in: Sybille Krämer (Hg.), Medien, Computer, Realität – Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 244-268, hier S. 255. 26 Schmidt: Kalte Faszination, S. 99. 27 Ebd., S. 212f.

22 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Die gute Möglichkeit der Eingliederung des Fernsehens in alle Sphären des kollektiven Gedächtnisses erhöht seine ohnehin bereits existierende hohe Autorität innerhalb gesellschaftlicher Diskurse. Es besetzt alle Diskursräume, in denen die Deutung der Vergangenheit verhandelt wird, so gut wie kein anderes Medium zuvor. Es partizipiert an den kollektiv geteilten Wahrnehmungsmustern und Deutungsperspektiven und produziert sie.«28

Die breite Partizipation des Fernsehens schließt so auch verschiedene Bereiche der Geschichtskultur mit ein. Die einzelnen redaktionellen Bereiche der Sender orientierten sich an unterschiedlichen geschichtskulturellen Diskursen: die fiktionalen Fernsehspiel-Redaktionen reagierten und prägten vor allem den kulturellkünstlerischen Diskurs und hier besonders den filmischen Diskurs über die 50er Jahre mit. Die non-fiktionalen Geschichtssendungen dagegen orientierten sich stärker an geschichtspolitischen und geschichtswissenschaftlichen Diskursen über die 50er Jahre. Insbesondere die Zeitgeschichtsredaktionen blieben einerseits eng mit den tagesaktuellen Redaktionen verbunden und wurden in denselben Abteilungsbereichen der Rundfunkanstalten angesiedelt, andererseits verfügten die hier tätigen Journalisten häufig über eine politikwissenschaftliche oder geschichtswissenschaftliche Ausbildung. Daher ist davon auszugehen, dass sich Kontinuitäten in der Tradierung von Geschichtsbildern vor allem gattungs- und formspezifisch feststellen lassen. Auch als Konsequenz daraus erfolgt die Auswahl der Geschichtssendungen für die Quellenanalyse dieser Arbeit qualitativ, um möglichst viele der im Fernsehen aufgegriffenen geschichtskulturellen Diskurse integrieren zu können, anstatt sich, wie andere Arbeiten in diesem Themenbereich, auf non-fiktionale oder fiktionale Sendungsformen zu beschränken. Im Zentrum der Darstellung steht die Entwicklung des breiten Programmangebotes von Geschichtssendungen zu den 50er Jahren, demgegenüber die Bedeutung einer Analyse von Einzelsendungen, wie sie die Film- und Medienwissenschaften häufig durchführen, in den Hintergrund tritt.29 Diesem Anspruch entsprechend liegt der vorliegenden Arbeit eine weite Definition des Begriffs ›Geschichtssendung‹ zugrunde. Gabriele Klein folgend wird darunter eine Sendung verstanden, in der »aus einer Gegenwartsperspektive eine vergangene, abgeschlossene Periode zur Darstellung kommt«.30 Der Verweis auf die 28 Sabine Horn: Erinnerungsbilder. Auschwitz-Prozess und Majdanek-Prozess im westdeutschen Fernsehen, Essen: Klartext 2009, S. 30. 29 Vgl. Oliver Näpel: »Kommerz, Bildung, Geschichtsbewusstsein. Historisches Lernen durch Geschichte im TV?«, in: Susanne Popp/Michael Sauer/Bettina Alavi u.a. (Hg.), Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung, Göttingen: V und R Unipress 2010, S. 219-237, hier S. 220. 30 Gabriele Klein: »Geschichte oder Geschichten? Zahlen und Analysen zu zwei Wochen Historie im Fernsehen«, in: Ulrich Kröll (Hg.), Massenmedien und Geschichte. Presse,

E INLEITUNG

| 23

Darstellung eines historischen Sujets impliziert das Versprechen an den Zuschauer, das Gesehene beinhalte einen Bezug zu einer vergangenen Realität, wobei die Darstellung in Hinblick darauf authentisch wirken soll. Ob und inwiefern eine Geschichtsdarstellung tatsächlich als authentisch rezipiert wird, hängt grundlegend von den über die Gattung erzeugten Vorerwartungen ab.31 Programmformen im Fernsehen sind historisch gewachsene Klassifizierungen, die, »z.B. in Programmzeitschriften, den Rezipienten eine gattungsbezogene Vorsortierung und eine gezielte Programmauswahl nach persönlichen Präferenzen«32 ermöglichen. Je nach Programmform erwarten die Zuschauer unterschiedliche Arten der Authentizitätserzeugung, die die angebotene Darstellung historischer Lebenswelten ›glaubwürdig‹ machen.33 Grundlegend für den Fernsehbereich ist dabei die Unterscheidung zwischen fiktionalen und non-fiktionalen Angeboten: In den non-fiktionalen Formen, beispielsweise den Geschichtsdokumentationen, verbürgen die gattungsästhetischen Gestaltungselemente, wie Archivbildmaterial, Zeitzeugen, Experten oder auch die auktoriale voice-over-Stimme die Authentizität des Dargestellten.34 In fiktionalen Angeboten, wie dem Fernsehspiel, hingegen sind es unter anderem typische Figurenzeichnungen, typische Geschichten oder historisch-authentisch wirkende Kulissen.35

Rundfunk und Fernsehen als Geschichtsvermittler, Münster: Regensberg 1989, S. 63-88, hier S. 65. 31 Gattungen werden in der Fernsehwissenschaft weiter in Genres und Formen unterteilt. Zur unklaren Abgrenzung und Definition der Begriffe ›Gattung‹ und ›Genre‹ vgl. Christian Hißnauer: Fernsehdokumentarismus. theoretische Näherungen, pragmatische Abgrenzungen, begriffliche Klärungen, Konstanz: UVK 2011, S. 139-168. 32 Brockmann: Erinnerungsarbeit, S. 74. 33 Vgl. Hißnauer: Fernsehdokumentarismus, S. 117-127, besonders S. 121. 34 Ebd., S. 133f. 35 Vgl. Eva Ulrike Pirker/Mark Rüdiger: Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen: Annäherungen, in: Dies. u.a. (Hg.): Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 11-30, hier S. 20f.; Rainer Rother: »›Authentizität‹. Filmische Strategien zur fiktionalen Darstellung von Geschichte«, in: Georg C. Tholen/Michael O. Scholl (Hg.), Zeit-Zeichen. Aufschübe und Interferenzen zwischen Endzeit und Echtzeit, Weinheim: VCH, Acta Humaniora 1990, S. 305319; Michele Pierson: »A Production Designer's Cinema. Historical Authenticity in Popular Films Set in the Past«, in: Geoff King (Hg.), The Spectacle of the Real. From Hollywood to ›Reality‹ TV and Beyond, Bristol/Portland: intellect 2005, S. 139-149. Vgl. auch die praktischen Beschreibungen der eigenen Arbeit in: Heidi Lüdi/Toni Lüdi: Movie worlds. Production design in film, Stuttgart u.a.: Menges 2000; Toni Lüdi: Designing Film. Szenenbilder – Production Designs, Berlin: Bertz und Fischer 2010.

24 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Der gesellschaftliche Umgang mit Geschichte wird nach derzeitigem Forschungsstand unter dem kulturwissenschaftlichen Paradigma der ›Erinnerungskultur‹ sowie unter dem vor allem in der Geschichtsdidaktik entwickelten Konzept der ›Geschichtskultur‹ verhandelt. Beide Begriffe dienen als Oberbegriffe, die alle sich manifestierenden Formen des Umgangs mit Geschichte in einer Gesellschaft umfassen.36 Jörn Rüsen nimmt mit seinem Konzept der Geschichtskultur eine analytische Differenzierung des »Phänomenbestand[es]« in »Prozeduren, Faktoren und Funktionen der historischen Erinnerung«37 vor, die er in drei anthropologisch orientierte Dimensionen einteilt: eine ästhetische, eine politische und eine kognitive Dimension. Jedes geschichtskulturelle Phänomen trägt im Grunde alle drei Dimensionen in unterschiedlicher Intensität in sich. Der Begriff der Geschichtskultur ist bei ihm somit als »umbrella concept«38 zu verstehen, das alle Phänomene im gesellschaftlichen Umgang mit Geschichte in einem zusammenhängenden Forschungsfeld betrachten und dabei die Interaktionen, crossmedialen Bezüge und gegenseitigen Einflüsse analysieren kann. Die Erinnerungskulturforschung bietet hingegen Ansätze zur Analyse des Einflusses von Medien auf die Genese von Geschichtsbildern.39 Sabine Horn hat in ih36 Vgl. zur Erinnerungskultur: Christoph Cornelißen: »Was heißt Erinnerungskultur? Begriff – Methoden – Perspektiven«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003), S. 548-563, hier S. 555; zur Geschichtskultur: Rüsen: Orientierung, S. 213. Zur Vereinbarkeit der beiden Konzepte vgl. skeptisch: Wolfgang Hasberg: »Erinnerungsoder Geschichtskultur? Überlegungen zu zwei (un-)vereinbaren Konzeptionen zum Umgang mit Gedächtnis und Geschichte«, in: Olaf Hartung (Hg.), Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2006, S. 32-59, bes. S. 55-59; dagegen optimistischer: Marko Demantowsky: »Der Zusammenhang und die Differenzen von ›Erinnerungskultur‹ und ›Geschichtskultur‹«, in: Alfred Loesdau/Helmut Meier (Hg.), Erinnerungskultur in unserer Zeit – Zur Verantwortung des Historikers – Beiträge eines Kolloquiums zum 70. Geburtstag von Helmut Meier, Berlin: Trafo Weist 2005, S. 43-61. 37 Jörn Rüsen: »Geschichtskultur«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995), S. 513-521, hier S. 514. 38 Maria Grever: Historical culture, plurality and the nation-state. Vortrag in Freiburg vom 11. Dezember 2008 (Manuskript), S. 10. 39 Die Theorie und ihre Begriffe sind an vielen anderen Stellen schon ausführlich beschrieben worden. Daher soll auf eine erneute Wiedergabe an dieser Stelle verzichtet und auf die einschlägige Literatur zum Thema verwiesen werden. Vgl. vor allem Erll: Erinnerungskulturen. Der ursprünglich auf Maurice Halbwachs zurückgehende Begriff des kollektiven Gedächtnisses wurde von Jan und Aleida Assmann in ihren Schriften zum kommunikativen und kulturellen Gedächtnis sowie Speicher- und Funktionsgedächtnis auf-

E INLEITUNG

| 25

rer Arbeit die Assmannschen Theorie gewinnbringend auf das Fernsehen angewandt: »So spielt das Fernsehen als Teil des Funktionsgedächtnis eine bedeutende Rolle im kulturellen Gedächtnis. Es ist bewohnt, dokumentiert und erinnert selektiv an die Vergangenheit und verwendet dabei gesellschaftsumfassende, allgemein bekannte Zeichen und Symbole. Professionelle Wächter und Pfleger – Journalisten und die Verantwortlichen der Rundfunkanstalten – entscheiden über die dominante Darstellungsform in diesem öffentlichen Raum Als Speichergedächtnis kommt ihm, obwohl als solches Medium vergleichsweise recht jung, mittlerweile eine besondere Bedeutung zu. Historikerinnen und Historiker verwenden es zunehmend als Archiv und Quelle und auch Journalisten greifen gerne in Rückblenden als Erinnerung an vergessene Zeiten auf TV-Material aus den Archiven zurück. Das Medium Fernsehen ist aber auch zugleich Teil des kommunikativen Gedächtnisses, da es sich in seiner speziellen kommunikativen Form aktiv an die Rezipienten wendet. […] Es entsteht durch die ›persönliche‹, nahezu intime Form der Tradierung ein direktes kommunikatives Gegenüber – auch wenn der Kommunikationsfluss zunächst einseitig erscheint. Es ergänzt die persönliche Tradierung zwischen natürlichen Personen.«40

Andererseits ist am Konzept der Erinnerungskultur problematisch, dass es Geschichtswissenschaft und Gedächtnis lange antagonistisch gegeneinander gestellt hat, wobei die Geschichtswissenschaft den objektivierenden Wissenskern der Vergangenheitsdarstellung im ›Speichergedächtnis‹ füllte und verwaltete, das Gedächtnis dagegen die konstruierende Funktionalisierung von Geschichte für ein Kollektiv bedeutete. Das Geschichtsverständnis vieler erinnerungskultureller Arbeiten war folglich positivistisch. Demgegenüber geht die Geschichtskulturforschung durchgängig von einem konstruktivistischen Geschichtsbegriff aus, der alle Geschichtsbilder, unabhängig vom Produzenten, als zeitlich bedingt betrachtet. Im Rahmen dieser Arbeit werden Aspekte beider Konzepte berücksichtigt. Da aber alle Zuschreibungen und ein breites Spektrum an Geschichtsbildern der 50er Jahre im Fernsehen analysiert werden sollen, wird das Konzept der Geschichtskultur dem der Erinnerungskultur im Folgenden vorgezogen. Geschichtskultur bündelt als Oberbegriff alle Phänomen des Umgangs mit Geschichte: Hierzu zählen die akademische Geschichtsschreibung ebenso wie geschichtspolitische Diskurse, gegegriffen und weiterentwickelt, vor allem: Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München: Beck 2006; Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München: Beck 1999; Jan Assmann: »Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität«, in: Jan Assmann/Tonio Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, S. 919. 40 Horn: Erinnerungsbilder, S. 29f.

26 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

sellschaftskulturelle Praxen, wie Flohmärkte oder Briefmarken sammeln, historische Märkte, Mode- und Musiktrends, sowie populäre Vermittlungsformen, wie Bildbände, Sachbücher oder Erinnerungsliteratur. In Anknüpfung an die Konzepte der Geschichtskultur und des Geschichtsbildes verfolgt die Untersuchung drei große Analyseschwerpunkte: Erstens werden die Auswirkungen von spezifischen Produktionsbedingungen des Geschichtsfernsehens auf die produzierten Geschichtsbilder untersucht. Fernsehsendungen unterliegen einem »Zwang zum Bild«,41 der zu einer beständigen Visualisierung von Inhalten führte. Inwiefern beeinflusste dies die Geschichtsbilder? Welchen speziellen Produktions- und Rezeptionserfordernissen unterlagen diese Prozesse? Wie beeinflussten die einzelnen Gattungen und Genres im Geschichtsfernsehen die Geschichtsbilder der 50er Jahre? Zweitens nimmt die Arbeit das Verhältnis zwischen Geschichtspräsentationen im Fernsehen und der Geschichtskultur in den Blick. Das Fernsehvollprogramm kennzeichnet ein breites Angebot, das eine Vielzahl von Gattungen und Programmformen abdeckt. Die unterschiedlichen Redaktionen bilden dabei in einer großen Schnittmenge breite Bereiche der Geschichtskultur und ihre Diskurse ab. Inwiefern reflektiert und spiegelt das Fernsehen die in der Geschichtskultur einer Zeit vorhandenen Diskurse zu den 50er Jahren wider, inwiefern prägt es sie? Drittens verfolgt die Arbeit die Historisierungsprozesse. Das Fernsehen bot als populäres Massen- und Leitmedium der westdeutschen Gesellschaft seit den 1950er Jahren kontinuierlich Bilder und Geschichtsdeutungen der 50er Jahre an. Über Geschichtssendungen im Fernsehen lassen sich Veränderungen in der Historisierung und Geschichtswerdung der 50er Jahre – und damit Historisierungsprozesse generell – langfristig verfolgen. Wie verläuft der Historisierungsprozess der 50er Jahre im Fernsehen, wann werden die 50er Jahre Geschichte, wann entwickelt sich eine Geschichtskultur für die 50er Jahre? Welche Geschichtsbilder oder Elemente davon erfahren beständige Vergegenwärtigungen und Wiederholungen, welche wandeln sich, welche treten neu zum 50er Jahre Kanon hinzu, welche werden ›vergessen‹? Forschungsstand Die 50er Jahre fanden als Gegenstand der geschichts- und erinnerungskulturellen Forschung bisher wenig Beachtung. Gesamtdarstellungen zur Geschichtskultur der 50er Jahre fehlen bisher vollständig, Axel Schildt liefert hier allenfalls eine grobe Skizze.42 Einige wenige Einzelstudien zum Thema sind zu nennen, besonders hervorzuheben sind dabei die Studien von Rainer Gries, Volker Illgen und Dirk Schin-

41 Werner Koch: Der Zwang zum Bild. Geschichte im Fernsehen, Stuttgart: Steiner 1988. 42 Schildt: Moderne Zeiten, S. 16-21.

E INLEITUNG

| 27

delbeck zur Konstruktion der 50er Jahre in Modellbauten aus den 1980er Jahren,43 die Dissertation von Cornelius Helmes-Conzett44 zu Mode und den politischen Generationen der Bundesrepublik sowie die Mythisierung der Fußballweltmeisterschaft von 1954 als ›Wunder von Bern‹.45 Zur generationell bedingten Unterschiedlichkeit der Geschichtsbilder der 50er Jahre entstand eine Reihe von Arbeiten. Heinz Bude, Rainer Gries und Ulrich Herbert stellteen hier auf ähnliche Art und Weise die Erinnerungen der ›Flakhelfer‹bzw. der ›45er‹-Generation – den zwischen den 1920ern und frühen 1930er Jahre Geborenen – und denen der ›Kriegskinder‹- bzw. ›68er‹-Generation – den zwischen Mitte der 1930er und Mitte der 1940er Jahre Geborenen – gegenüber.46 Daneben finden sich Anknüpfungspunkte in Arbeiten zur Mythengeschichte des westdeutschen Wirtschaftswunders47 und der Entwicklung einer geschichtspolitischen Identität und Erinnerung der Bundesrepublik.48 43 Rainer Gries/Volker Ilgen/Dirk Schindelbeck: Gestylte Geschichte. Vom alltäglichen Umgang mit Geschichtsbildern, Münster: Westfälisches Dampfboot 1989. 44 Cornelius Helmes-Conzett: Mode – Geschichte – Politik. Die 50er Jahre und die politischen Generationen der Bundesrepublik, Hamburg: Kovac 1995. 45 Thomas Raithel: Fußballweltmeisterschaft 1954. Sport – Geschichte – Mythos, München: Bayerische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit 2004; Franz-Josef Brüggemeier: Zurück auf dem Platz. Deutschland und die Fußball-Weltmeisterschaft 1954, München: DVA 2004. 46 Heinz Bude: »Die 50er Jahre im Spiegel der Flakhelfer- und der 68er-Generation«, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, S. 145-158; Heinz Bude: Das Altern einer Generation. Die Jahrgänge 1938 bis 1948, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995. Rainer Gries: »Generation und Konsumgesellschaft«, in: Heinz-Gerhard Haupt/Claudius Torp (Hg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890-1990 – Ein Handbuch, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 190-204; Rainer Gries: »Waren und Produkte als Generationenmarker. Generationen der DDR im Spiegel ihrer Produkthorizonte«, in: Annegret Schüle/Thomas Ahbe/Rainer Greis (Hg.), Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive – eine Inventur, Leipzig: Leipziger Univ.-Verl 2006, S. 271-304; Ulrich Herbert: »Drei politische Generationen im 20. Jahrhundert«, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, S. 95-114. 47 Herfried Münkler: Die Deutschen und ihre Mythen, 2. Auflage, Berlin: Rowohlt 2009, S. 455-476; Rainer Gries: »Mythen des Anfangs«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 1819 (2005), S. 12-18; Claus Leggewie: »Der Mythos des Neuanfangs. Gründungsetappen der Bundesrepublik Deutschland: 1949 – 1968 – 1989«, in: Helmut Berding (Hg.), Mythos und Nation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, S. 275-302. 48 Edgar Wolfrum: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948-1990, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchge-

28 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zu einzelnen Phänomenen der geschichtskulturellen Konjunktur der 50er Jahre entstanden seit Mitte der 1980er Jahre einige zeitgenössische Zwischenbilanzen und Phänomenbeschreibungen, die Interpretationsansätze anboten.49 Für die US-amerikanische Geschichtskultur legte Daniel Marcus mit Happy Days and Wonder Years50 eine Untersuchung der Entstehung und Ausprägung der Konjunktur der 50er Jahre als breites geschichtskulturelles Phänomen und dessen geschichtspolitische Aneignung durch die republikanischen Regierungen in der Ära Ronald Reagon der 1980er Jahre vor. Hier existierten deutliche Parallelen zur geschichtspolitischen Aneignung der 50er Jahre unter Helmut Kohl.51 Zur Darstellung der 50er Jahre im deutschen Fernsehen existieren ebenfalls wenig Analysen. Wolfgang Becker und Siegfried Quandt haben im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung 1991 die Sendungen – fiktionale und nonfiktionale – von 1989 zum 40. Jahrestag der BRD-Gründung untersucht,52 wobei die Darstellung der 50er Jahre als ›Gründungsjahrzehnt‹ in den Sendungen eine zentrale Rolle spielte. Jüngst hat Andrea Brockmann die fernsehspezifische Darstellung des 17. Juni 1953 betrachtet,53 allerdings ausschließlich in Hinblick auf das punktuelle Ereignis und ohne eine weiterreichende Analyse der Darstellung der Dekade. Vereinzelte Hinweise auf Filme und Fernsehspiele zum Thema finden sich u.a. bei Eike Wenzel, Anton Kaes und Martin Wiebel.54 sellschaft 1999; Karl-Rudolf Korte: Der Standort der Deutschen. Akzentverlagerungen der deutschen Frage in der Bundesrepublik Deutschland seit den siebziger Jahren, Köln: Verl. Wiss. u. Politik 1990; Florian Roth: Die Idee der Nation im politischen Diskurs. Die Bundesrepublik Deutschland zwischen neuer Ostpolitik und Wiedervereinigung (19691990), Baden-Baden: Nomos 1995; Bettina Westle: Kollektive Identität im vereinten Deutschland. Nation und Demokratie in der Wahrnehmung der Deutschen, Opladen: Leske + Budrich 1999. 49 Lutz Niethammer: »›Normalisierung‹ im Westen. Erinnerungsspuren in die 50er Jahre«, in: Gerhard Brunn (Hg.), Neuland. Nordrhein-Westfalen und seine Anfänge nach 1945/46, Essen: Reimar Hobbing 1986, S. 175-206; Volker Fischer: Nostalgie. Geschichte

und

Kultur

als

Trödelmarkt,

Luzern/Frankfurt

am Main:

Bucher

1980;

Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gestylte Geschichte, S. 59-62. 50 Marcus: Happy Days. 51 Vgl. hierzu Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 325-331; Gries/Ilgen/ Schindelbeck: Gestylte Geschichte, S. 51. 52 Wolfgang Becker/Siegfried Quandt: Das Fernsehen als Vermittler von Geschichtsbewußtsein. 1989 als Jubiläumsjahr, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung 1991. 53 Brockmann: Erinnerungsarbeit. 54 Eike Wenzel: Gedächtnisraum Film. Die Arbeit an der deutschen Geschichte in Filmen seit den 60er Jahren, Stuttgart u.a.: Metzler 2000; Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film, München: Ed. Text + Kritik 1987; Martin Wiebel

E INLEITUNG

| 29

Allerdings gibt es eine größere Zahl Arbeiten zu Geschichte im Fernsehen, insbesondere zum Themenkomplex Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust, die wichtige Aspekte von Darstellungskonventionen und Produktionsbedingungen von Geschichtssendungen aufgearbeitet haben.55 Aus geschichtswissenschaftlicher und -didaktischer Sicht sind dabei durchaus Aufsätze entstanden, die sich allgemeiner der Thematik von Geschichtspräsentationen in Hinblick auf ihren Authentizitätsanspruch und die inhaltliche Qualität ihrer Darstellung im Abgleich mit Ergebnissen der Geschichtswissenschaft gewidmet haben.56 Weitere Arbeiten kategorisierten die vorhandenen Darstellungselemente des historischen Kompilations- und Spielfilms.57 Der verbindende Punkt dieser Arbeiten bleibt aber die starke Fokussierung auf die Darstellung des Nationalsozialismus und des Holocaust. Hieraus können nicht immer induktiv Aussagen zu Darstellungskonventionen von Geschichte im Fernsehen im Allgemeinen getätigt werden, ohne dabei die speziellen geschichtspolitischen Konfigurationen der Erinnerung an den Nationalsozialismus zu berücksichtigen. Quellenauswahl und Methodik Früh nach Beginn der Recherchen hat sich herausgestellt, dass eine quantitative Vollerfassung der Sendungen zu den 50er Jahren aus mehreren Gründen nicht durchführbar ist: Erstens fehlen der historischen Fernsehforschung nach wie vor Rechercheinstrumente, die eine verlässliche Datenbasis ermöglichen. Eine systema(Hg.): Deutschland auf der Mattscheibe. Die Geschichte der Bundesrepublik im Fernsehspiel, Frankfurt am Main: Verl. der Autoren 1999. 55 Zuletzt: Tobias Ebbrecht: Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis. Filmische Narrationen des Holocaust, Bielefeld: transcript 2011; Horn: Erinnerungsbilder; Judith Keilbach: Geschichtsbilder und Zeitzeugen. Zur Darstellung des Nationalsozialismus im bundesdeutschen Fernsehen (= Medien'Welten; 8), Münster: Lit 2008. 56 Beispielsweise Oliver Näpel: »Historisches Lernen durch ›Dokutainment‹? Ein geschichtsdidaktischer Aufriss. Chancen und Grenzen einer neuen Ästhethik populärer Geschichtsdokumentationen, analysiert am Beispiel der Sendereihen Guido Knopps«, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2 (2003), S. 213-244. 57 Bodo von Borries: »Was ist dokumentarisch am Dokumentarfilm? Eine Anfrage aus geschichtsdidaktischer Sicht«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 52 (2001), S. 220-227; Frank Bösch: »Geschichte mit Gesicht. Zur Genese des Zeitzeugen in Holocaust-Dokumentationen seit den 1950er Jahren«, in: Thomas Fischer/Rainer Wirtz (Hg.), Alles authentisch? Popularisierung der Geschichte im Fernsehen, Konstanz: UVK 2008, S. 51-72; Frank Bösch: »Das ›Dritte Reich‹ ferngesehen. Geschichtsvermittlung in der historischen Dokumentation«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), S. 204-220.

30 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

tische Durchsicht der entsprechenden Jahrgänge von Fernsehzeitschriften, beispielsweise der Hör zu, hätte nicht zu einer lückenlosen Erfassung aller Sendungen geführt. In vielen Fällen lässt sich aus dem Titel der Beiträge ebenso wenig wie aus den Inhaltsbeschreibungen auf eine Geschichtssendung über die 50er Jahre schließen.58 Eine Durchsicht der schriftlich überlieferten Bestände hätte dagegen den Rahmen der Arbeit gesprengt, und die Programminformationen der Sender warten bisher leider noch auf ihre Digitalisierung.59 Zweitens ließ die konstitutive Unschärfe der Chiffre der 50er Jahre60 Zweifel daran, wie eine ›Vollerfassung‹ der Sendungen zu diesem Thema konkret zu definieren gewesen wäre: Reicht es aus, die Handlung einer fiktionalen Produktion z.B. in einem Rückblick in den 50er Jahren spielen zu lassen oder müssen die Zeitumstände selbst für die Handlung eine entscheidende Rolle spielen? Muss der Plot umgekehrt überhaupt in den 50er Jahren spielen, um Bilder dieser Zeit zu vermitteln?61 Ist eine Dokumentation, die nur den 17. Juni 1953 behandelt, gleichzeitig eine Sendung über die 50er Jahre? Und wie stark müssen die 50er Jahre quantitativ in einer Dokumentation repräsentiert sein, um sie zu einer 50er Jahre Geschichtssendung zu machen? Angesichts der Schwierigkeiten, die sich aufgrund dieser Abgrenzungen ergeben, erscheint der Mehrwert einer solchen quantitativen Auswertung in Hinblick auf die Fragestellung eher gering. Ziel der Quellenrecherche ist es daher gewesen, einen möglichst breiten Überblick über die ausgestrahlten Sendungen zu den 50er Jahren zu erhalten, der aber nicht den Anspruch einer Vollerhebung vertritt. In Hinblick auf die Fragestellung erschienen andere Auswahlkriterien entscheidend: Da ein Schwerpunkt der Arbeit auf der Darstellung einer längeren, diachronen Entwicklungslinie liegt, war es wichtig, eine Herangehensweise zu wählen, die einen Längsschnitt mit einer qualitativen Auswahl verbindet. Zunächst sind alle Sendungen, die dem Titel oder der Programminformation bzw. der Programmheftbeschreibung nach die 50er Jahre als historisches Sujet beinhalten, in eine erste,

58 Diese Problematik wurde von verschiedenen Seiten benannt: Horn: Erinnerungsbilder, S. 40f.; Jürgen Wilke: »Fünfzig Jahre nach Kriegsende. Die Rethematisierung im deutschen Fernsehen 1995«, in: Jürgen Wilke (Hg.), Massenmedien und Zeitgeschichte, Konstanz 1999, S. 260-276, hier S. 261; Klein: Geschichte, S. 64; Edgar Lersch/Reinhold Viehoff: Geschichte im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Entwicklung des Genres und der Gattungsästhetik geschichtlicher Darstellungen im Fernsehen 1995 bis 2003, Berlin: Vistas 2007, S. 81. Insbesondere im Bereich der fiktionalen Genres lässt sich aus der Betitelung nicht auf den Inhalt schließen. 59 Ein entsprechendes Projekt für die ARD-Programme soll allerdings bald im Deutschen Rundfunkarchiv erfolgen. 60 Siehe oben. 61 Vgl. hierzu die ausführlichen Problematisierungen zur Historisierung in Kapitel III.2.

E INLEITUNG

| 31

sehr breit gefasste Auswahl aufgenommen worden.62 Die Recherchen sind über die ARD-interne Sendungsdatenbank FESAD,63 Publikationen der Rundfunkanstalten, über Online-Datenbanken von Mediatheken, ferner über Fernsehlexika und Filmografien erfolgt.64 Auf diese Weise konnten über 400 Sendungen65 ermittelt werden, von denen etwa 100 in den engeren Quellenkorpus aufgenommen und als Arbeitskopie beschafft worden sind. Die endgültige Auswahl der näher analysierten Sendungen hat sich sowohl quantitativ an Einschaltquoten,66 Sendeplatz und ausstrahlendem Sender als auch qualitativ an kurz- und längerfristigen Rezeptionsprozessen orientiert. Zudem sind bewusst verschiedene fiktionale wie non-fiktionale Formen mit einbezogen worden, wobei der überwiegende Teil der Sendungen den Genres der Fernsehspiele und Historischen Dokumentationen zugeordnet werden kann. Der Zugang zu audiovisuellen Fernsehquellen gestaltet sich noch immer überaus schwierig und birgt hohe Hürden für die Fernsehgeschichtsschreibung.67 Die Anfertigung von Arbeitskopien ist mit erheblichen Kosten verbunden, die je nach Anstalt stark differieren. Zudem sind viele Sendungen aus Urheberrechtsgründen von der Weitergabe ausgeschlossen. Auch die vorliegende Arbeit sah sich mit diesen Umständen konfrontiert. Dies hat sich ebenfalls auf die Quellenauswahl ausgewirkt: Zum einen konnten einige der recherchierten Sendungen nicht in den Quel62 Neben den Hinweisen zur zeitlichen Situierung der Sendungen, z.B. durch Jahreszahlen, wurde systematisch nach Subchiffren recherchiert, wie ›Wirtschaftswunder‹, ›Nachkriegszeit‹, ›Ära Adenauer‹ sowie nach Personen, Ereignissen und Schlagworten der 50er Jahre wie beispielsweise. Ludwig Erhard, Peter Kraus oder James Dean, Wunder von Bern, 17. Juni 1953 oder Berlin-Blockade sowie Rock’n’Roll, Tulpenlampe oder Italienurlaub. 63 Der SWR stellte dem Verfasser an seinen Standorten in Baden-Baden und Stuttgart diese Möglichkeit zur Verfügung. Zu einem späteren Zeitpunkt konnte eine erneute und vertiefende Recherche beim DRA durchgeführt werden. Der Zugang zum Äquivalent im ZDF war aus datenschutzrechtlichen Gründen leider nicht möglich. 64 Vgl. hierzu die Auflistung im Anhang. Hinzu kamen Hinweise in der Sekundärliteratur; stellvertretend: Becker/Quandt: Vermittler; Wiebel: Mattscheibe; Kaes: Deutschlandbilder. 65 Hierbei wurden aus arbeitsökonomischen Gründen nur selbstständige Sendungen (keine Magazinbeiträge) erfasst. Zudem wurden nur Sendungen berücksichtigt, die mindestens 30 Minuten im Programm beanspruchten (die tatsächliche Sendungsdauer liegt dabei meist zwei bis drei Minuten darunter). Durch diese Beschränkungen fielen alle Nachrichten- und Magazinsendungen, aber auch kürzere Serienbeiträge, wie beispielsweise die Sendereihe DAMALS (ZDF 1984-2000) durch das Raster. 66 Hierzu konnte auf den Infratest-Bestand im DRA und im Historischen Archiv des ZDF zurückgegriffen werden. 67 Dies wurde in den letzten Jahren immer wieder kritisch angemerkt.

32 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

lenkorpus integriert werden, da ihre Sichtung trotz aller Bemühungen schlicht nicht möglich war.68 Zum anderen ist ein großer Teil der Sendungen pragmatisch über vorhandene Fernsehmitschnitte verschiedener Mediatheken gesichtet worden. Seit etwa Mitte der 1980er Jahre haben viele Universitätsbibliotheken und wissenschaftlichen Institute damit begonnen, ausgewählte Fernsehprogramme – vorzugsweise Dokumentationen und Fernsehspiele – aufzuzeichnen. Die Arbeit konnte daher insbesondere auf die Bestände des New Media Centers der Universitätsbibliothek Freiburg, der Universitätsbibliothek Marburg und der Fachjournalistik Geschichte der Universität Gießen zurückgreifen. Hinzugekommen sind im Bearbeitungszeitraum vom Verfasser aus dem laufenden Programm aufgezeichnete Erstsendungen und Wiederholungssendungen, DVD- und VHS-Zukäufe.69 Auch sind Sendungen direkt bei den Anstalten gesichtet oder als Arbeitskopie käuflich erworben worden. Der so zustande gekommene audiovisuelle Quellenkorpus ist entsprechend disparat bezüglich seiner Herkunft, da es relevanter erschien, bestimmte Sendungen überhaupt sichten und so analysieren zu können, als durchgängig auf die Kopie der Erstausstrahlung zurückzugreifen. Da in den allermeisten Fällen die ursprüngliche Sendelänge der Erstausstrahlung bekannt ist, kann aber weitgehend ausgeschlossen werden, dass es sich um komplett veränderte Fassungen handelt. Auch wenn der Rechercheaufwand sich auf diese Art immens vergrößert hat, liegt der Vorteil auf der Hand: Auf diesem Weg wurde eine breite Quellenbasis erreicht, da viele Sendungen einbezogen werden konnten, deren Sichtung ansonsten aufgrund der hohen Beschränkungen, insbesondere in finanzieller Hinsicht, nicht möglich gewesen wäre. Bis sich die Rahmenbedingungen für die (historische) Fernsehforschung wesentlich verbessert haben, stellen derartige Quellendesigns vertretbare Kompromisse der wissenschaftlichen Arbeit dar. Um die jeweiligen zeitgenössischen Produktions- wie Rezeptionskontexte berücksichtigen zu können, ist zwischen März und Juni 2009 und nochmals im Juni 2010 Aktenmaterial zu den ausgewählten Sendungen in den Historischen Archiven aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im Deutschen Rundfunkarchiv gesichtet worden.70 Allerdings konnten nur für sehr wenige Sendungen Produktionsakten ermittelt werden. In vielen Fällen ist offengeblieben, ob die Akten vernichtet, (noch) nicht an die Historischen Archive übergeben oder die Bestände noch nicht erschlossen worden sind.71

68 Dies galt insbesondere für Fernsehshows, Serien und einige Fernsehspiele. 69 Durch das Internet ist es heute teilweise wieder möglich alte VHS-Veröffentlichungen der 1980er Jahre zu recherchieren und zu erwerben. 70 Zu den Archiven der privaten Sender bestand kein Zugang. 71 Eine einheitliche, verbindliche Archivierungspraxis zwischen den Redaktionen und den jeweiligen Historischen Archiven besteht nicht. Umfangreiche Redaktionsanfragen beim

E INLEITUNG

| 33

Durch die vollständig verfügbaren Bestände der publizierten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu den recherchierten Sendungen konnte die schlechte Überlieferungssituation der Produktionsakten aber teilweise kompensiert werden.72 Die für die Programmzeitschriften, Tages- und Wochenzeitungen sowie Fachzeitschriften publizierten Programminformationen und Pressematerialien lassen Rückschlüsse auf die Intentionen und Motive der Macher zu und zeigen die von der Redaktion und vom Sender beabsichtigten und vorgegebenen Leseanweisungen der Sendungen an. Diese Hinweise im Pressematerial beeinflussten, wie die Fernsehkritiken belegen, die Rezeption der Sendungen deutlich, und stellen somit eine wichtige Quelle für die Sendungsanalyse dar. Die Fernsehkritiken selbst ermöglichen m. E. wichtige Rückschlüsse auf die Rezeption und auf zeitgenössische Schwerpunkte in der Lesart der Sendungen. Knut Hickethier hat in seinem Buch zur Geschichte der Fernsehkritik gezeigt, dass die Fernsehkritiker nicht nur ihr eigenes Rezeptionserlebnis schildern, sondern mit ihrer Kritik ein eigenes Rollenverständnis und ihr Verständnis von Funktion und Aufgaben des Medium Fernsehens in der Öffentlichkeit einbringen. Insofern ist die Fernsehkritik nicht »nur Sprachrohr der Zuschauer, sondern bildet zugleich einen eigenständigen Diskurs, der sich in ständiger Auseinandersetzung mit anderen kulturellen Diskursen begreift.«73 Dabei sind innerhalb der Spannbreite, in der Fernsehkritik stattfindet, von den Fachzeitschriften, wie epd oder Funk-Korrespondenz, über die etablierten Medienredaktionen überregionaler Zeitungen – z.B. der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Rundschau oder der Frankfurter Allgemeine Zeitung – bis hin zur Regional- und Boulevardpresse sowie zu Programmzeitschriften große Unterschiede im Selbstverständnis zu erkennen. Indem sich diese breite Basis in den Fernsehkritiken widerspiegelt, kann hierin nach Mustern und Gemeinsamkeiten gesucht werden und lassen sich so unter Berücksichtigung der Perspektivität der Fernsehkritik Lesarten der Sendungen identifizieren, die auch stellvertretend für andere Zuschauer stehen können. Über diese Perspektive der Zuschauer hinaus wirkt die Fernsehkritik als »Teil des Medien-Dispositivs Fernsehen […] an den Vorstellungen, die vom Medium und seinen Angeboten bestehen«74 mit. Die bei den Recherchen umfangreich vorgefundenen Sendungskritiken aus den Print-

NDR und WDR ergaben trotz Bemühungen der Verantwortlichen keine positiven Ergebnisse. 72 Nahezu vollständig überlieferte Bestände finden sich für die ZDF-Sendungen im Historischen Archiv des ZDF und für die ARD-Sendungen im DRA Frankfurt sowie im NDR Pressearchiv, vgl. die Angaben im Quellenverzeichnis. 73 Hickethier, Knut: Geschichte der Fernsehkritik in Deutschland, Berlin: Ed. Sigma 1994, S. 16. 74 Ebd., S. 13.

34 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

medien konnten durch eigene Recherchen vervollständigt werden, sodass hier ein umfangreicher Quellenbestand erreicht worden ist.75 Um die fernsehspezifische Erinnerungskultur zu den 1950er Jahren adäquat zu untersuchen, werden die Methodiken der Filmanalyse berücksichtigt, die zum grundlegenden film-, fernseh- und medienwissenschaftlichen Grundbestand gehören.76 Zugleich muss die Sendungsanalyse aber an die Erfordernisse einer historiografischen und geschichtskulturellen Analyse angepasst werden, schließlich sollen die im Fernsehen präsentierten Geschichtsbilder in ihren historischen Kontexten und deren Veränderungen analysiert werden. Andrea Brockmann hat in ihrer Arbeit eine solche Übertragung ausgearbeitet77 und beispielhaft angewendet. Ihr »zirkuläres Verfahren zur Medienanalyse« benennt fünf Kategorien: institutionelle Rahmenbedingungen, ästhetische Konfiguration, subjektive Rezeptionskriterien, soziokulturelle Kontexte und historische Interpretation, die aber nicht linear, sondern zirkulär gedacht und angewendet werden sollen. Brockmanns Methodik hat den Vorzug, die Kontextbedingungen der historischen gesellschaftlichen Konfigurationen herauszustellen und somit den historischen Entstehungskontext von Geschichtspräsentationen zur Basis einer geschichtswissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema zu machen. Zu kritisieren ist an ihrem Analyseverfahren dagegen die Fokussierung auf die Komplettanalyse von Einzelsendungen statt den »Wandel von öffentlichen Bildhaushalten«.78 Da der Fokus dieser Arbeit gerade aber auf dem Wandel der Bilder und Bildmontagen liegt, die die 1950er Jahre im Fernsehen zu einer einheitlichen Epoche werden lassen, ist Brockmanns Modell folglich zwar als Grundidee, dabei aber in deutlicher Modifikation und Zuspitzung übernommen worden. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, den Wandel von Geschichtsbildern der 50er Jahre zu untersuchen, wie sie das bundesrepublikanische Fernsehen präsentiert hat. Dabei sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, die auf diesen Wandel einwirkten und den Geschichtsbildern ihre spezifische Ausprägung verliehen. Aus den bisher beschriebenen Ansätzen der Geschichts- und Erinnerungskulturforschung sowie der Forschungen zur Fernseh- und Mediengeschichte lassen sich

75 Im ZDF ist der Bestand der Sendungskritiken auf Mikrofilm gesichert im Historischen Archiv archiviert worden, beim NDR und HR waren die Pressearchive noch nutzbar. 76 Helmut Korte: Einführung in die systematische Filmanalyse. Ein Arbeitsbuch, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin: Erich Schmidt 2004; Hickethier: Film- und Fernsehanalyse; Lothar Mikos: Film- und Fernsehanalyse, Konstanz: UVK 2003. 77 Vgl. auch zum folgenden: Brockmann: Erinnerungsarbeit, S. 105-125. 78 Frank Bösch: »Holokaust mit ›K‹. Audiovisuelle Narrative in neueren Fernsehdokumentationen«, in: Gerhard Paul (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 317-332, hier S. 329.

E INLEITUNG

| 35

Thesen entwickeln, die den Wandel der medialen Geschichtsbilder im Fernsehen erklären: Erstens wird davon ausgegangen, dass die Veränderungen und Entwicklungen in der Geschichtskultur in Medien jenseits des Fernsehens die Geschichtsbilder im Fernsehen mit beeinflussen. Geschichtswissenschaftliche Entwicklungen können dabei ebenso eine Rolle spielen wie populärkulturelle Phänomene. Zweitens wirken die institutionellen Rahmenbedingungen des Fernsehen auf die Ausgestaltung von Geschichtsbildern. Hier spielt in erster Linie die institutionelle Ausdifferenzierung der Redaktionen – zuallererst in fiktionale und non-fiktionale Bereiche – eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen Entwicklungen der Fernsehprogrammgeschichte. Drittens prägen gattungs- und formspezifische Tradierungen in bestimmender Weise die in Geschichtssendungen präsentierten Geschichtsbilder – sei es in der Wiederholung bestimmter Archivbilder oder in der Etablierung von typischen Figuren, Erzählungen oder Orten in fiktionalen Formen. Die vorliegende Arbeit nutzt die beschriebenen Faktoren als erklärende Elemente für den Wandel der Fernseh-Geschichtsbilder und strebt dabei gleichzeitig eine historische Konkretisierung ihrer Annahmen an. Die Analyse der Sendungen muss zudem die Audiovisualität der präsentierten Geschichtsbilder in den Fokus nehmen. Mithilfe der Visual-History-Forschung und Medienwissenschaft lassen sich die bisherigen Ausführungen noch einmal zu einem Analyseraster spezifizieren. In Anlehnung an Vivan Sobchack werden die im Fernsehen präsentierten Geschichtsbilder in dieser Arbeit grob in drei Kategorien eingeteilt:79 Visuell identifizierbare Ereignisse und Personen: Hierunter fallen Darstellungen, überwiegend der Politik- und Ereignisgeschichte, die direkt mit den gezeigten Bildern in Verbindung gebracht werden können. Es soll untersucht werden, welche Bilder des Ereignisses oder der Person zur Darstellung ausgewählt werden. Beispielsweise Bilder oder Filmausschnitte von Ludwig Erhard mit Zigarre oder der Spielbericht des Finales der Fußballweltmeisterschaft von 1954. Diese Kategorie ist vor allem im Bereich der Dokumentation und Erinnerungsshow anzutreffen, umfasst aber auch die imitierende Darstellung konkreter Erinnerungsorte in Fernsehfilmen. Visuell nicht eindeutig identifizierbare Chiffren, abstrakte Begriffe, Schlagworte, wie ›Wirtschaftswunder‹, Italienurlaub‹, ›Wir sind wieder wer‹, aber auch Narrative, wie die familiäre Problematik der Kriegsheimkehrer, die oftmals charakterisierend mit den 1950er Jahren in Verbindung gebracht werden und dem historischen 79 Vgl. Vivan Sobchack: »›Frohes Neues Jahr‹ und ›Nehmt Abschied, Brüder‹. Televisuelle Montage und historisches Bewusstsein«, in: Eva Hohenberger/Judith Keilbach (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit. Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte, Berlin: Vorwerk 8 2003, S. 129-154.

36 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Phänomenbestand der 1950er Jahre zugeordnet werden, aber keine direkte Bildentsprechung haben können. Die Visualisierung dieser Chiffren geschieht in Dokumentationen und Erinnerungsshows oft in Form von Montagen von Archivmaterialien, wie WOCHENSCHAU-Ausschnitten. In fiktionalen Formaten meist durch eine exemplarische Spielhandlung, die narrativ z.B. die Folgen des ›Wirtschaftswunders‹ thematisiert. Objekte, Accessoires, Songs und kleinere anekdotisch erzählte Erinnerungsausschnitte: Sie haben meist die Funktion, Zeitkolorit und Lebensgefühl der 50er Jahre widerzuspiegeln, sollen aber auch Authentizität erzeugen, indem detailreiche Kulissen die Mise-en-scène glaubwürdig erscheinen lassen. Beispiele sind Petticoat, Tütenlampe, Nierentisch, Perlonstrümpfe. Das Automarkendesign scheint ebenfalls eine große Rolle zu spielen, so der ›VW-Käfer‹ oder das Modell ›Lloyd‹ der Autofirma ›Borgward‹. Aber auch kleinere Kindheitserzählungen über erste Annäherungen an das weibliche bzw. männliche Geschlecht auf Tanzveranstaltungen. Letztere zielen dabei gerade auf den Vergleich der unterschiedlichen Verhaltensweisen und Gefühlslagen mit der Gegenwart ab. Der Aufbau der Arbeit ist grundsätzlich chronologisch gehalten, um die Genese und den Wandel der Geschichtsbilder der 50er Jahre nachverfolgen zu können. Eine Ausnahme bildet Kapitel I, in dem die Produktionsbedingungen im Geschichtsfernsehen dargestellt werden. Ein solcher Überblick ist nötig, um Klarheit über beteiligte Akteure in der Produktion und Arbeitsabläufe zu schaffen, die sich im Laufe der Jahre in ihrer grundsätzlichen Struktur nicht oder kaum gewandelt haben. Kapitel II geht dann zunächst auf die medialen Selbstbilder ein, wie sie in verschiedenen Mediengattungen in den 1950er Jahren produziert wurden. Hier sollen Tendenzen der einzelnen Mediengattungen hinsichtlich ihrer dem späteren Archivbildmaterial eingeschriebenen Signaturen aufgezeigt werden. Seit dem Ende der 1950er Jahre entstanden erste retrospektive Bilder der 50er Jahre. Im Zuge des anhaltenden wirtschaftlichen Booms wurden diese allerdings von den Zeitgenossen häufig noch nicht als Geschichte wahrgenommen. Daher befanden sich die Geschichtsbilder der 50er in dieser Zeit noch in einer Formierungsphase (etwa 1959 bis 1976), die in Kapitel III untersucht wird. Ab Mitte der 1970er kann von einem geschichtskulturellen Boom der 50er Jahre gesprochen werden, der sich auch im Fernsehen niederschlug, die 50er Jahre waren nun endgültig Geschichte geworden. In Kapitel IV wird diese Phase analysiert, die mit einer Ausdifferenzierung und Ausweitung des Sendeangebots ebenso einherging wie mit einer generationellen Polarisierung der Geschichtsbilder.

I. Produktionsbedingungen im Geschichtsfernsehen

Die Produktion von (Geschichts-)Sendungen im Fernsehen hat sich im Untersuchungszeitraum trotz technischen Veränderungen in ihren grundsätzlichen Arbeitsabläufen kaum gewandelt. Um Redundanzen in der späteren Darstellung zu vermeiden, wird daher in diesem Kapitel der Produktionsprozess vorangestellt. Dies gilt sowohl für den fiktionalen als auch für den non-fiktionalen Bereich. Im Folgenden wird der Produktionsprozess von Geschichtssendungen idealtypisch skizziert, wobei historisch-technische Produktionsbedingungen genauso berücksichtigt werden sollen, wie genrespezifische Anforderungen. Ein besonderes Augenmerk wird zudem auf die Frage gelegt, wie die Redaktionen ihre Themen generierten, wie die Recherchen abliefen und wie historisches Bildmaterial verwendet wurde, um strukturelle Grundbedingungen zu identifizieren, die sich auf die spätere Ausgestaltung der Fernsehgeschichtsbilder auswirkten. Zudem werden innerhalb des Produktionsprozesses aus der Vielzahl an Akteuren diejenigen ausgewählt, die bei der Gestaltung der Fernsehsendungen entscheidende Rollen einnehmen. Phasen und Akteure im Produktionsprozess Grundsätzlich lässt sich die Produktion von Fernsehsendungen in drei Phasen einteilen:1 Eine geeignete Idee wird zunächst in einem kurzen Exposé, dann nach einer 1

Vgl. Henric L. Wuermeling/Silvia Gutmann: »Geschichte im Bayerischen Fernsehen«, in: Siegfried Quandt/Horst Schichtel (Hg.), Fachjournalismus Geschichte. Das Gießener Modell, Marburg: Hitzeroth 1995, S. 110-117, hier S. 112f.; Gregor Alexander Heussen: »Handlungsabläufe. Von der Idee zur Sendung«, in: Ruth Blaes/Gregor Alexander Heussen (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK Medien 1997, S. 354-369; Hans-Peter Gumprecht: »Die Produktion von journalistischen Sendungen. Wenig Zeit und knappes Geld«, in: Ruth Blaes/Gregor Alexander Heussen (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK Medien 1997, S. 391-404; Josef Stader: Fernsehen: Von der Idee bis zur Sendung.

38 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

vertieften Recherche in einem ausführlicheren Treatment ausgearbeitet, das bereits eine mögliche Reihenfolge der Szenen getrennt in Wort und Bild auflistet. Dies trägt dem viel zitierten ›Zwang zum Bild‹ in audiovisuellen Medien Rechnung. So wird schon in dieser frühen Konzeptionsphase die Idee auf ihre audiovisuelle Umsetzbarkeit geprüft und dementsprechend erarbeitet. Auf der Grundlage des Treatments werden die Kosten kalkuliert und der Produktionsablauf festgelegt. In einer zweiten Phase geht es an die Produktion des Films, die aus weiteren Rechercheschritten, den Drehs, dem Schnitt und dem Texten des Kommentars besteht. Der hieraus resultierende Rohschnitt wird in einer dritten Phase dem zuständigen Redakteur zur Abnahme vorgelegt. Nachdem Änderungswünsche eingefügt worden sind, folgt die Feinschnittabnahme. Zuletzt steht die technische Endfertigung an mit anschließender Abnahme der Sendefassung. Die Produktionsdauer einer Sendung hängt dabei von vielen Faktoren ab. Eine durchschnittliche Geschichtsdokumentation von einer Länge zwischen 30 und 45 Minuten wird in der Regel in drei bis sechs Monaten produziert. Dagegen brauchen Mehrteiler oder größere Produktionen mit hohem Recherche- oder Produktionsaufwand ein bis drei Jahre Zeit.2 Im fiktionalen Bereich ist die Produktionszeit aufgrund der zeitintensiven Drehs ohnehin höher und liegt normalerweise nicht unter einem Jahr. Die Produktionszeiten sind allerdings nicht absolut zu verstehen, weil ein Redakteur in der Regel mehrere Projekte parallel betreut. In den Herstellungsprozess einer Fernsehsendung sind viele Akteure eingebunden, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Kontinuierlich an Stoffauswahl, -entwicklung, und -umsetzung beteiligt sind vor allem der Autor, der Regisseur und die Redaktion. Dabei ist der Autor hauptverantwortlich für das Verfassen des Drehbuchs und so auch für einen Großteil der Recherchearbeit sowie die Entwicklung der Hauptaussagen des Films. Der fiktionale Bereich orientiert sich hier an der Rollenverteilung im Kino, wo der Autor nach dem Verfassen des Drehbuchs die filmische Umsetzung an einen Regisseur abgibt. Im non-fiktionalen Bereich übernimmt dagegen eine Person meist beide Aufgaben, weil hier häufig der Film beim Schneiden des recherchierten Archivbild- und Drehmaterials entsteht. Eine Ausnahme davon bilden doku-fiktionale Mischformen, die viele nachgespielten Szenen enthalten, für die häufig speziell ein Regisseur hinzugezogen wird.3

Praxis – Alltag – Hintergründe, Frankfurt am Main: Eichborn 1994. Diese Arbeitsabläufe und Rollenverteilungen bestätigten sich auch in der Durchsicht der vorhandenen Produktionsakten zu DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD/NDR 1971) und WAS WÄREN WIR OHNE UNS

(ARD/SDR 1979) sowie in den durch den Verfasser geführten Inter-

views mit Fernsehredakteuren (s. Quellenverzeichnis). 2

Vgl. Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 258.

3

So z.B. bei FLICK (SWR 2010).

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 39

Im medienrechtlichen Sinne ist der zuständige Redakteur verantwortlich für die produzierte Sendung. Daher wählt er die »Themen aus, gibt Filme und Drehbücher in Auftrag und nimmt sie ab […] beurteilt, ob ein Text, ein Drehbuch […] oder ein Fernsehfilm ins Programm paßt, ob der Auftrag wie besprochen realisiert wurde und die Kosten eingehalten werden.«4

Um inhaltliche Entscheidungen treffen zu können, muss der Redakteur im Rahmen von Geschichtssendungen eigene Recherchearbeiten durchführen bzw. sich grundlegend in ein Thema einarbeiten. Die Art der Zusammenarbeit der drei Hauptakteure hängt darüber hinaus wesentlich von den Rahmenbedingungen der Produktion ab. Drei Szenarien sind dabei in den öffentlich-rechtlichen Sendern besonders üblich: 1. eine Sendung entsteht komplett durch Mitarbeiter des Senders; 2. eine externe Produktionsfirma oder ein freier Autor macht dem Sender einen Themenvorschlag. Der Sender kauft die Rechte an der Idee und setzt diese selbst um; 3. der Sender engagiert eine Firma oder einen Autor zur Umsetzung einer senderintern oder -extern entwickelten Sendungsidee. Dabei ist es im fiktionalen Bereich aufgrund der notwendigen Ressourcen (Drehstudios, technische Geräte etc.) üblich, private Produktionsfirmen zu beauftragen. Auch im non-fiktionalen Bereich wird dies aufgrund des beständig gestiegenen Programmvolumens immer gängiger, denn dieses ist nur durch die Nutzung externer Produktionsressourcen zu bedienen.5 Je nach Szenario gestaltet sich so insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Autor und Redakteur unterschiedlich. Meist findet sie auf Gesprächsbasis statt, je nach Situation unterstützt die Redaktion den Autor aber auch bei seiner Recherche, sowohl personell als auch durch Bereitstellung von Ressourcen, beispielsweise eigene Sendungsarchive und Infrastrukturen.

4

Gregor Alexander Heussen/Ruth Blaes: »Rollen im Fernsehen. Autor, Regie, Redaktion, Produktion, Planung, Führung«, in: Ruth Blaes/Gregor Alexander Heussen (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK Medien 1997, S. 341-353, hier S. 344.

5

Vgl. hierzu die Aussage von Beate Schlanstein: »Heute entsteht der allergrößte Teil von dokumentarischen Programmen eben nicht mehr durch frei für einen Sender herumflitzende Mitarbeiter, sondern durch Filmproduktionsfirmen, die zum Teil hoch spezialisiert sind und einen festen Mitarbeiterstamm haben. […] Heute greifen die Sender aus guten Gründen auf diese […] Firmen zurück«. (Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 259).

40 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Neben den drei Hauptakteuren, Autor, Regisseur und Redaktion, gewinnen weitere Rollen immer mehr an Bedeutung für die Produktionsprozesse, so u.a. die der Produzenten und Programmverantwortlichen.6 Daher kann die Produktion einer Fernsehsendung insgesamt als »ein hochkomplexer und dynamischer Prozess betrachtet werden, der viele unterschiedliche Akteurs- und Entscheidungsebenen einschließt und so die individuellen Handlungsmöglichkeiten der Autoren einschränkt.«7 Historisch betrachtet scheint der Einfluss von Autoren auf das Endprodukt abgenommen zu haben, da über die umgesetzte Idee hinaus Vermarktungsstrategien, Finanzierungsaspekte und programmplanerische Prämissen an Bedeutung gewonnen haben.8 Themenauswahl Welche historischen Themen als Sendungen produziert werden, hängt wiederum von mehreren Faktoren ab. Auf der personellen Ebene spielen sicherlich Akteurseinstellungen und Beziehungen zu Produktionsfirmen eine Rolle. Ökonomisch betrachtet stellen sich vor allem Fragen nach der Kosten-Nutzen-Relation: Ist ein Thema nur mit erheblichem Rechercheaufwand oder längeren Reisen, etwa zu Zeitzeugendrehs, zu produzieren, müssen schon gewichtige Gründe für eine Realisierung sprechen. Genreästhetisch ist zudem generell die Frage nach der Umsetzbarkeit zu stellen. Sind zu einem Thema kaum Bilder vorhanden und sollen oder können keine Reenactment-Szenen eingesetzt werden, so wird das Thema nicht produziert werden. Auch hier wirkt also das vorhandene audiovisuelle Ausgangsmaterial direkt auf die Produktionsentscheidung ein. Kriterien der Entscheidungsfindung sind dabei Vorhandensein, Zugang und Erschließung des Archivbildmaterials. Auf der strukturellen Ebene der Programmplanung lassen sich Themenselektionen, insbesondere für non-fiktionale Formen, zudem mit journalistischen Nachrichtenwerten begründen – eine Orientierung, die durch die gestiegene Relevanz von Einschaltquoten für die Programmauswahl seit Mitte der 1980er Jahre noch verstärkt worden ist. Guido Knopp, seit 1984 Leiter der Redaktion Zeitgeschichte im ZDF, 6

Diesen Druck von redaktionsexterner Seite empfinden Geschichtsredakteure aktuell sehr stark, vgl. Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 255f. Er scheint in früheren Jahren geringer gewesen zu sein, auch wenn man sicherlich nicht von einer vollkommenen Unabhängigkeit in der Entscheidung der Redakteure sprechen kann.

7

Brockmann: Erinnerungsarbeit, S. 108.

8

Joan Kristin Bleicher: »Anmerkungen zur Rolle der Autoren in der historischen Entwicklung des deutschen Fernsehens«, in: Werner Faulstich (Hg.), Vom ›Autor‹ zum Nutzer. Handlungsrollen im Fernsehen (= Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland; 5), München: Wilhelm Fink 1994, S. 27-61; Hickethier: Film- und Fernsehanalyse.

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 41

hat in Interviews immer wieder mit Nachrichtenwerten argumentiert, um seine Kriterien für historische Programme zu erläutern: »Kriterien für gute zeitgeschichtliche Programme sind für mich die klassischen Forderungen nach Aktualität, Kontinuität, Vielfalt und Nähe – wobei ›Nähe‹ vor allem dann zu erwarten ist, wenn der Zuschauer sich wiedererkennt oder sich identifizieren darf. Das betrifft vor allem deutsche Zeitgeschichte. Dabei sind ›Jahrestage‹ […] mehr als nur Pflichttermine«.9

Jahrestage als Thematisierungsanlass zu nehmen hat für Knopp damit eine doppelte Funktion: Einerseits schaffen sie Aktualität, andererseits aber auch Nähe, indem konkrete Identifikationsangebote gemacht werden.10 Dem Kriterium der Reichweite, das Knopp unter der prägnanten Formel »Aufklärung braucht Reichweite«11 zusammenfasste, fügte Markus Schächter, Programmdirektor beim ZDF, zwei weitere Punkte hinzu, die spätestens seit Mitte der 1980er Jahre Programmentscheidungen mitgeprägt haben: »Reputation« und »Repertoirefähigkeit«.12 Reputation bezieht sich auf die Relevanz der Sendung für die Außenwahrnehmung des eigenen Senders. Demnach können qualitativ hochwertige Sendungen auch dann ins Programm genommen werden, wenn für sie nur niedrige Einschaltquoten zu erwarten sind, weil sie sich positiv auf das Senderimage auswirken. Ebenso entscheidend für das Profil eines Senders sind aber auch Fernsehfilme oder große Dokumentarreihen als ›Events‹, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.13 Solche »Leuchtturmprojekte« kosten dabei häufig ein Vielfaches normaler Produktionen, werden aber im immer unübersichtlicher werdenden Programmangebot der Sender gerne als Profilierungsmöglichkeit genutzt. Repertoirefähigkeit wiederum bezieht sich auf die immer wichtiger gewordenen Mehrfachverwertungsmöglichkeiten durch wiederholte Ausstrahlungen oder Lizenzverkäufe. Dramaturgisch dürfen solche Sendungen »nicht zu sehr dem jeweiligen Zeitgeist verhaftet sein«14 – ein Kriterium, das auf Ge9

Guido Knopp/Elfriede Block: »Im Gespräch mit Guido Knopp. ›Es gibt kaum etwas Brisanteres als Zeitgeschichte‹«, in: ZDF Presse Journal 10 (1984), S. 5-9, hier S. 7.

10 Vgl. Dietmar Rost: »Die Produktion der ›Brandenburger‹. Eine Fallstudie zu regionalem Fernsehen und dessen Bemühungen um Stiftung von Landesidentität durch Geschichte«, in: Forum Qualitative Sozialforschung 5.2 (2004), Art. 18. (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0402185). Zugriff am 23.09.2012. 11 Guido Knopp: »Aufklärung braucht Reichweite. Aus der Redaktion Zeitgeschichte«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDF Jahrbuch 1998, Mainz 1999, S. 68-69. 12 Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 48. 13 Vgl. hierzu die Ausführungen von Hans Janke: »EVENTuell. Über die Erfolgsbedingungen der Event-Produktion«, in: Claudia Cippitelli/Axel Schwanebeck (Hg.), Fernsehen macht Geschichte. Vergangenheit als TV-Ereignis, Baden-Baden: Nomos 2009, S. 57-64. 14 Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 49.

42 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

schichtssendungen meist nicht zutrifft, da hier die nationalen identitären Anknüpfungspunkte innerhalb der gemeinsamen Geschichtskultur eine entscheidende Rolle für den Erfolg spielen. Recherche: non-fiktionale Produktionen Die Recherche für Geschichtssendungen erfolgt in verschiedenen Bereichen: zum historischen Wissensbestand, zu vorhandenem historischem Bildmaterial und zu Originalschauplätzen und Drehorten sowie Interviewpartnern. Die Recherchen erfolgen dabei parallel.15 Wie die Erstellung des Exposés und des Treatments aber gezeigt hat, hängt die Bewertung einer Idee von ihrer Realisierbarkeit ab, also dem, was im Endprodukt audiovisuell darstellbar ist. Geeignetes Archivbildmaterial (auch als ›Vorbild‹ für fiktionale Inszenierungen), passende Zeitzeugen und die Möglichkeiten, Geschichte an Originalschauplätzen und Drehorten in Szene zu setzen, sind somit konstitutiv für jede Geschichtssendung. Literaturrecherchen sind noch immer Mittel der Wahl, um zu Beginn historisches Überblicks- und Detailwissen zur Thematik zu erwerben. An verschiedener Stelle verweisen die Macher darauf, dafür vorrangig die (geschichts-)wissenschaftliche Forschung zu konsultieren. Neben eigenen Bibliotheken der Rundfunkanstalten werden die Fernleihsysteme genutzt, um weitere Literatur, beispielsweise aus Universitätsbibliotheken, zu beschaffen. Zudem werden zentrale Werke über die eigenen kleineren Projektetats angeschafft. Im Zuge der redaktionellen Spezialisierung wurden in vielen Zeitgeschichtsredaktionen zudem bestimmte Periodika wie die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte oder das Deutschland-Archiv abonniert, um so bestimmte Forschungsentwicklungen verfolgen zu können.16 Über die geschichtswissenschaftliche Literatur hinaus werden, je nach Aufbereitung des Themas und Forschungsstand, aber auch andere Wissensbestände benötigt. Zur (Re-)Konstruktion von Kulissen und Alltagsabläufen beispielsweise blieb und bleibt der geschichtswissenschaftliche Forschungsstand teilweise hinter den Erfordernissen einer Fernsehsendung zurück.17 Solche Wissensbestände versuchen Fernsehmacher 15 Vgl. Peter Latzel: »Die Recherche für historische Sendungen«, in: Guido Knopp/ Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 41-48, bes. S. 42. 16 Es kann ohne Beleg davon ausgegangen werden, dass dies wohl vor allem auf die erst Anfang der 1980er Jahre entstandenen spezialisierten Geschichtsredaktionen zutrifft und daher für die Zeit davor bzw. auf die Fernsehspielredaktionen kaum zugetroffen hat. 17 Diese Problematik verstärkt sich in neueren Hybridformaten wie der historischen Dokusoap SCHWARZWALDHAUS 1902, in der detailliertes regionalspezifisches Wissen bzw. Wissen über sehr spezielle alltägliche Abläufe (Leben auf einem Schwarzwaldhof um 1900) benötigt wird. Daher wurden hierbei neben Lokalhistorikern und Laienhistorikern

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 43

beispielsweise durch eigene Quellenanalysen, z. B. von Illustrierten und von audiovisuellem Material, oder mithilfe von Zeitzeugen oder interessierten und engagierten Laienhistorikern auszugleichen.18 Darüber hinaus können akademische Historiker als persönliche Berater hinzugezogen werden, die Wissen vermitteln, welches in ihren Publikationen aufgrund der Genreregeln wissenschaftlichen Publizierens womöglich nicht auftaucht. Als Fachberater wurden sie seit den ersten Großprojekten von Geschichtssendungen Anfang der 1960er Jahre konsultiert.19 Laut Peter Latzel sind Expertengespräche mit Historikern wichtig, um sich zeiteffizient in historische Zusammenhänge einarbeiten zu können. Zudem vermitteln sie oft weitere Gesprächspartner und Informationsquellen. Latzel nennt eine »kontinuierliche Beratung durch Historiker«20 sogar ein grundlegendes Kennzeichen der (nonfiktionalen) Produktion. Diese Praxis ist allerdings nicht zum ›Normalfall‹ geworden, die Zusammenarbeit zwischen Historikern und Fernsehmachern folgt keinem einheitlichen Schema. Je nach Thema und Form der Sendung werden Historiker gar nicht hinzugezogen oder nur für einzelne Fragen telefonisch kontaktiert. Bei einer engeren Kooperation überprüfen Historiker dagegen Drehbücher auf inhaltliche Fehler und sind beratend bei der Konzipierung der Sendung beteiligt. Nur in seltenen Fällen beraten sie darüber hinaus die ästhetisch-visuelle Umsetzung der Inhalte. In erster Linie aufgrund mangelnder Kompetenzen.21

auch Volkskundler als Experten hinzugezogen; Auskunft von Thomas Kufus in einem Interview vom 14.05.2009 in Berlin. 18 So z.B. für die Sendung WAS WÄREN WIR OHNE UNS (SDR 1979); vgl. hierzu Mark Rüdiger: »Die ›50er‹ Jahre werden Geschichte. Geschichtskultur und Authentizitätsfiktionen am Beispiel von ›Was wären wir ohne uns‹«, in: Eva Ulrike Pirker/Mark Rüdiger u.a. (Hg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 147-171. 19 Vgl. Frank Bösch: »Der Nationalsozialismus im Dokumentarfilm. Geschichtsschreibung im Fernsehen, 1950-1990«, in: Frank Bösch/Constantin Groschler (Hg.), Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 52-76; vgl. als Beispiel die intensive Zusammenarbeit bei der Entstehung der Reihe DAS 19. JAHRHUNDERT (NDR 1975/76): Karl Ernst Moring: »›Das 19. Jahrhundert‹ – Eine Fernsehreihe und ihre Entstehung«, in: Peter Borowsky/Barbara Vogel/Heide Wunder (Hg.), Gesellschaft und Geschichte I: Geschichte in Presse, Funk und Fernsehen. Berichte aus der Praxis, Opladen: Westdeutscher Verlag 1976, S. 87-103, bes. S. 88-91. 20 Latzel: Recherche, S. 44. 21 Durch die Etablierung des Forschungsfeldes ›Visual History‹ in der Geschichtswissenschaft seit etwa Mitte der 1990er Jahre ändert sich dies insofern, als dass es Fachexperten gibt, die sich verstärkt mit visuellen Überlieferungsbeständen und ihrer quellenkritischen

44 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Daher sind Fernsehmacher bei der Bildersuche im Normalfall auf eigene Recherchekompetenzen angewiesen. Aus den Treatments dokumentarischer Sendungen gehen häufig »Bildwunschlisten«22 der Autoren hervor, die in Stichworten formulierte Bildinhalte von Ereignissen, Orten, Personen oder Ähnlichem enthalten. Die Recherche orientiert sich aus arbeitsökonomischen Gründen an diesen Bildmotiven, soll aber je nach Arbeitsauftrag auch andere Motive zur Thematik finden. In den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erfolgt die Suche nach Bildmaterial in zwei Schritten: Zuerst können die Fernsehmacher in den eigenen Senderarchiven nach Bildmaterialien suchen, dann erst werden externe Archive konsultiert. Bei der Recherche in den eigenen Senderarchiven sind grundsätzlich zwei Arten von Bildquellen zu unterscheiden: eigenproduzierte Fernsehbilder und aus Fremdmaterial bestehendes Schnittmaterial aus der Produktion älterer Geschichtssendungen. Erstere verursachen für die produzierenden Sender keine Lizenzkosten, da die Rechte bei ihnen selbst liegen. Hierunter fallen u.a. zeitgenössische Dokumentationen, Magazine, Nachrichtensendungen wie Tagesschau23 und heute, Shows und ein Teil der Fernsehspiele. Fremdmaterial ist in Senderarchiven zuallererst als Schnittmaterial von Kompilationsfilmen vorhanden, d.h. innerhalb der als Ganzes archivierten Ausstrahlung. Die schnelle Verfügbarkeit geeigneter, da ›erprobter‹ Bilder, ist dabei ein arbeitsökonomisches Argument für die Konsultation früherer Sendungen zu ähnlichen historischen Themen. Falls diese Bilder in neuem Produktionszusammenhang wiederverwendet werden sollen, fallen allerdings erneut Kopier- und Lizenzkosten für die Montagefragmente an. Die praktische Bildrecherche in den Senderarchiven hat sich im Untersuchungszeitraum stark gewandelt. Mindestens bis in die 1970er Jahre hinein waren die archivierten Sendungen in Karteikartensystemen erfasst, die im besten Fall verschiedentlich alphabetisch, chronologisch, hierarchisch nach Ländern und Regionen, Schlagworten sowie nach im Bild sichtbaren Personen sortiert waren.24 Über diese Systeme konnte der Rechercheur Sendungen auswählen, die mutmaßlich Bildmotive zu seinem Thema enthielten. Diese Auswahl musste dann einzeln gesichtet werden. Wie oben ausgeführt, war das Selbstverständnis der Fernseharchive Interpretation auseinandersetzen und dieses Wissen beratend in Fernsehproduktionen einbringen können. 22 Moring: ›Das 19. Jahrhundert‹, S. 94. 23 Darin nur die Bilder, die selbst gedreht wurden. Übernahmen aus den Wochenschauen, wie sie in den 1950er Jahren üblich waren, gehören nicht dazu (vgl. Kapitel II.1). 24 Vgl. die Beispiele bei Susanne Pollert: Film- und Fernseharchive. Bewahrung und Erschließung audiovisueller Quellen in der Bundesrepublik Deutschland, Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1996: für den BR, S. 166ff.; HR, S. 179ff.; NDR, S. 190f.; SDR, S. 218. Die katalogische Erschließungsebene betraf dabei aber im Normalfall nicht die Ebene der Bildinhalte, sondern der allgemeinen Inhalte der Sendungen.

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 45

noch nicht stark ausgeprägt, sodass die Archive auf Bildrecherchen kaum vorbereitet waren. Erst die Einführung des »Regelwerks Fernsehen« 1971 eröffnete eine Perspektive für die ökonomischen Vorteile für Eigenproduktionen.25 Indem in der Folgezeit in immer größeren Umfang Bildinhalte erschlossen wurden, haben sich die Bildarchive der Sender von »›Ablagesystemen‹ […] zu Informationsvermittlungsstellen«26 entwickelt. Der entscheidende Schritt zur Erschließung der Bildinhalte ist aber erst durch die Einführung EDV-gestützter Datenbanksysteme seit den 1980er Jahren erfolgt. Nachdem der SFB und der WDR seit 1976 am Aufbau solcher Datenbanken gearbeitet hatten, setzte sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre die Anwendung FESAD (Fernseh-Archiv- und Dokumentationssystem) durch, das durch den SDR und SWF gemeinsam entwickelt worden war und vom BR, SR und NDR, später auch von MDR und ORB übernommen wurde. Das ZDF begann 1985 ebenfalls mit dem Aufbau einer eigenen Datenbank, die seitdem mehrmals auf neue Softwares umgestellt worden ist.27 Mithilfe der Datenbanken sind neben der formalen Verzeichnung von Beiträgen auch verbale Inhaltsangaben und detaillierte Auflistungen zu Bildmotiven erstellt worden, wobei die Qualität der Erschließung von der Umsetzung vor Ort abhing. Die Erschließung sollte neben den früher praktizierten Kategorien nun »primär auf eine Bildbeschreibung anonymer, neutraler Motive [abzielen], die für eine ausschnittweise Wieder- und Weiterverwendung in neuen Programmbeiträgen genutzt werden«28 konnten. Allerdings galt diese Praxis zuallererst für neu eingehende Beiträge und wurde anfangs nur partiell auf im Archiv befindliche Sendungen angewendet.29 Zudem basierte die Intensität der Erschließung, orientiert an der journalistischen Wiederverwertungspraxis, auf der Sendungsform: Während fiktionale Sendungen meist nur über den Pressetext ohne eigene Bildauswertungen erschlossen wurden, erfolgte eine intensive inhaltliche und bildmotivische Auswertung bei Nachrichtensendungen, Sendungen mit Regionalbezug, Sportberichterstattung, Magazinsendungen, Features und Porträts.30 Journalistische, 25 Vgl. ebd., S. 73. 26 Latzel: Recherche, S. 45. Dabei verweist er explizit auf die neue Vermittlerrolle der Medienarchivare. 27 Der WDR unterhält dagegen bis heute seine eigene Datenbankanwendung. Der HR arbeitete ebenfalls lange mit einer eigenen Anwendung; vgl. Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 138-140. 28 Ebd., S. 302. 29 Diese müssen teilweise bis heute mittels des Karteikartensystems erschlossen werden. Die seit Mitte der 1980er Jahre im Programm ausgestrahlten Geschichtssendungen mit dem montierten Bildmaterial wurden dagegen in unterschiedlicher Ausführlichkeit bildmotivisch verzeichnet. 30 Vgl. Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 185, 191.

46 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nicht-fiktionale Formen enthielten das am häufigsten wiederverwendbare Bildmaterial und wurden daher am häufigsten nachgefragt.31 Insgesamt stiegen die Nutzungsfrequenzen durch die Einführung der Datenbanksysteme stark an, was auf die Verbesserung des Informationspotenzials zurückzuführen ist.32 In den 1990er und 2000er Jahren erfolgten zum einen retrospektive Erschließungen von Altbeständen wie frühen TAGESSCHAU-Beiträgen oder der MÜNCHNER ABENDSCHAU, die gezielt Einzelbestände der journalistischen Recherchepraxis zugänglich machten. Dabei wurden genau solche Bestände berücksichtigt, die eine häufige Verwendung in zukünftigen Fernsehbeiträgen wahrscheinlich machten. Zum anderen führen einige Medienarchive seit neuester Zeit Digitalisierungsprojekte durch, die eine schnelle Voransicht des Materials bzw. eine direkte Verwendung als Schnittmaterial ermöglichen. Dies geschieht vor allem für aktuelles Nachrichtenmaterial, welches in den unter hohem Zeitdruck arbeitenden Nachrichtenredaktionen Verwendung findet. Pläne und Visionen von Mediatheken, die endarchivarische Funktionen für breite Nutzergruppen zur Verfügung stellen, scheitern derzeit sowohl an finanziellen Möglichkeiten als auch an Restriktionen beim Urheberrecht.33 Die Recherche in externen Archiven war für die Fernsehmacher insbesondere in der Frühzeit der Geschichtssendung seit den 1950er Jahren unverzichtbar, ebenso natürlich für alle Themen, für die gar keine Fernsehbilder existieren konnten. Die föderale, dezentrale Struktur des Archivwesens in Deutschland, die das Fehlen von zentralen Anlaufstellen mit sich brachte, erhöhte den Zeit- und Kostenaufwand für Bildrecherchen erheblich. Bildquellen sind einmal in nahezu jedem Archiv als Unterkategorie zu finden. Dies gilt sowohl für die öffentlichen Archive vom Bundesarchiv-Filmarchiv bis zu den Kommunal-, Kreis- und Stadtarchiven als auch für die privaten Archive von Parteien, Verbänden, Stiftungen und Organisationen sowie Privatpersonen. Hinzu kommen spezielle Medienarchive: Gefestigtere Strukturen bildeten sich hier in Deutschland erst Ende der 1970er mit dem Kinemathekenver-

31 Dies hängt mit den Authentizitätsanforderungen nicht-fiktionaler Formen zusammen. Die Verwendung von Motiven aus Kinofilmen, Fernsehspielen oder -serien wird häufig als Bruch des Authentizitätsversprechens an die Zuschauer aufgefasst und berührt daher das journalistische Selbstverständnis. Zudem macht Pollert darauf aufmerksam, dass die meisten Nutzungsanfragen sechs Monate nach der Ausstrahlung erfolgten und dann sehr stark abnahmen, sodass nach vier Jahren 80 Prozent des Sendematerials aus journalistischer Perspektive uninteressant und erst für die historisch-archivarische Nutzung wieder relevant wurde; vgl. ebd., S. 147f. 32 Vgl. ebd., S. 140. 33 So die Ergebnisse einer Tagung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte zum Thema ›Mediatheken – Modelle und Perspektiven‹, die am 15. und 16. Mai 2009 in Berlin stattfand.

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 47

bund heraus.34 Zentrale Anlaufstellen existieren aber bis heute nicht, weshalb auch die Funktion von auf historische Themen spezialisierten Produktionsfirmen früh an Bedeutung gewonnen hat. Firmen wie die 1961 gegründete Chronos-Film GmbH, Cinecentrum Hamburg (gegründet 1962), Spiegel TV35 oder La Camera Stylo recherchieren, sammeln und archivieren Bildmaterial, das sie dann in eigenen Produktionen verwenden können bzw. als Schnittmaterial anbieten. Wie auch in den staatlichen Archiven werden Gebühren für Sichtung, Klammerarbeit und Kopieren erhoben, hinzu kommen Lizenzgebühren.36 Die Deutsche Wochenschau GmbH verfügte lange Zeit über einen der umfangreichsten audiovisuellen Quellenbestände für die Zeit nach 1945. Nachdem die WOCHENSCHAU-Produktion 1977 eingestellt worden war, übernahm die ›Multimedia‹ bis 2005, ab 2006 Cinecentrum die Erhaltung des Archivs und die Vermarktung seiner Bestände.37 Die Recherchesituation war im Gegensatz zu den öffentlichrechtlichen Senderarchiven von Beginn an besser: Sowohl die fertigen Ausgaben als auch das nicht verwendete Rohmaterial wurden zeitnah bildmotivisch erschlossen. Hierzu wurden verschiedene Systematiken zur Materialverzeichnung in Form von Karteikarten und Findbüchern angelegt. So gibt es ein chronologisches Verzeichnis der einzelnen Ausgaben mit der Reihenfolge der Einzelberichte, mit kurzen Stichworten, meist Angaben zu Personen im Bild und der geografischen Veror34 Vgl. hierzu auch Kapitel II.2. Die Recherchesituation entwickelte sich ähnlich der in den öffentlich-rechtlichen Fernseharchiven, d.h. mit der Einführung der EDV Ende der 1980er Jahre begann auch eine inhaltliche Erschließung, die sich aber stärker an Gliederungsstrukturen, ergänzt durch Personen und Orte, orientierte. Ebenfalls analog zu den Fernseharchiven verzichtete man auch hier vollständig auf Inhaltsbeschreibungen von fiktionalen Formen; vgl. Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 96-102. 35 Spiegel TV ist insofern ein Sonderfall, als dass es über ein eigenes Programmfenster u.a. bei Vox verfügt, das es mit Eigenproduktionen bestücken kann; vgl. Michael Kloft: »Ich habe einen Heidenrespekt vor dem Dokument«, in: Fritz Wolf (Hg.), Trends und Perspektiven für die dokumentarische Form im Fernsehen. Eine Fortschreibung der Studie ›Alles Doku – oder was: Über die Ausdifferenzierung des Dokumentarischen im Fernsehen‹, Düsseldorf 2005, in: Dokville vom Juni 2005 (www.dokville.de/dokville2005/schriften/ Fritz-Wolf.pdf). Zugriff am 1. Dezember 2013, S. 44-57. 36 Vgl. Keilbach: Geschichtsbilder, S. 36; Bengt von zur Mühlen: »Quellen-Überlieferung und Produktion zeitgeschichtlicher Filme«, in: Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 27-34; Irmgard von zur Mühlen/Bengt von zur Mühlen: Geheimarchive – Sperrgebiete. Mit der Kamera auf den Spuren der Geschichte, Berlin-Kleinmachnow: Chronos Film 1995. 37 Vgl.

http://www.wochenschau-archiv.de/wirueberuns.php?vonseite=1.

23.09.2010.

Zugriff

am

48 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

tung, auch mit näheren Beschreibungen der Bildinhalte in unterschiedlicher Ausführlichkeit. Hinzu kommen ein Personenverzeichnis und ein ›Kapitel‹, welches themenbezogene Recherchen ermöglicht. Zur Person bzw. dem entsprechenden Stichwort sind chronologisch sortiert alle zugehörigen WOCHENSCHAU-Beiträge aufgelistet, mit kurzer Angabe der Bildinhalte. Neben prominenteren Persönlichkeiten kann so nach Aspekten und Suchwörtern recherchiert werden.38 Diese infrastrukturellen Voraussetzungen boten den Machern von Geschichtssendungen zeiteffiziente und erfolgsversprechende Recherchemöglichkeiten für die Suche nach Archivbildern. So entwickelte sich auch durch das persönliche Engagement der langjährigen Archivleiterin Mechthild Meyer-Rix das Archiv der Deutschen Wochenschau GmbH zu einem wichtigen und kompetenten Ansprechpartner für Fernsehproduktionen.39 Die vorstrukturierten Recherchemöglichkeiten verstärkten dabei die ohnehin im Bildmaterial schon überwiegend bestehenden Tendenzen zur Personalisierung und Ereignisorientierung: »Der Filmreporter eilte dorthin, wo etwas los war: ein großes Ereignis, eine Katastrophe, ein Krieg. […] Dort, wo wenig los war, eilte der Filmberichter selten hin. Nichts los war dort, wo sich 99 Prozent der Alltagswirklichkeit abspielte, der sozialen und politischen Schicksale von Menschen in aller Welt.«40

38 Als Beispiele: »Astronomie, Auktionen, Artisten, Bekleidung, Camping, Container, Ehrungen, Eisenbahnwesen, Erziehung und Jugend, Explosionen, Genussmittel, Glücksspiel, Handel, Hygiene, Indianer, Industrie, Justiz und Verbrechen, Meinungsfreiheit, Militär, Mode, Müll, Nacht, Öl, Pakte, Polizei, Sammlungen, Radar, Sonnenfinsternis, Spielzeug, Sprengungen, Schönheitswettbewerbe, Stierkämpfe, Streiks, Tanz, Tätowierung, Treppen, Transparente, Uhren, Umweltverschmutzung, Verkehr, Veranstaltungen (verschiedene Bereiche), Wettbewerb, Yoga, Zauberer und Magie oder Zuschauer, Zuhörer«, zit. n. Ildiko Gieseler: »Das Archiv der Deutschen Wochenschau«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 73-80, hier S. 77. 39 Vgl. Simon Philip: »Jahre der Bundesrepublik – in Rahlstedt gesammelt«, in: Hamburger Abendblatt, 9.4.1983; auch im Abspann zur Sendereihe DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980) wird Meyer-Rix als »Researcher« explizit aufgeführt. 40 Dieter Franck: »Die historische Dokumentation«, in: Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 49-53, hier S. 50; vgl. auch Edgar Lersch: »›Immer die gleichen Bilder‹. Audiovisuelle Medienproduktion und Mediendokumentation und ihr Beitrag zur Formung eines kollektiven audiovisuellen Gedächtnisses«, in: Friedrich Beck/Eckart Henning/Joachim-Felix Leonhard u.a. (Hg.), Archive und Gedächtnis. Festschrift für Botho Brachmann, Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2005, S. 73-85, bes. S. 79-81.

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 49

Die Erschließungspraxis der Bildarchivare ging einher mit der Recherchepraxis der Filmemacher: Gemäß der Motivwünsche waren Archive, wenn überhaupt, gut auf Anfragen zu historischen Persönlichkeiten, Orten und Ereignissen vorbereitet. Dagegen kaum auf Rechercheanfragen zu alltagsgeschichtlichen Praktiken oder sozialund kulturhistorischen Themen. Dieter Franck resümierte dazu: »Hier versagen die Karteien der meisten Archive. Man muß sehr viel Material auf den Verdacht ansehen, daß vielleicht aufschlußreiche Szenen darin enthalten sein könnten. Die Suche muß weit über die Wochenschauen hinaus auf alte Dokumentationen, ›Kulturfilme‹, ja sogar Werbefilme ausgeweitet werden. […] Der Ausschuß ist enorm.«41

Je geringer die Zeit- und Geldbudgets, desto wahrscheinlicher wurde also eine ereignis- und politikgeschichtliche Perspektive, für die das WOCHENSCHAU-Archiv eine hervorragende Infrastruktur mit kompetenten Ansprechpartnern bot. Der hohe zeitliche Rechercheaufwand von bildmotivisch nicht erschlossenem Material verstärkte diese Tendenzen nochmals. In Recherchen zu Bildmaterial für eine Sendereihe über den Ersten Weltkrieg stellte Beate Schlanstein fest: »Im Bundesarchiv lagen eine ganze Reihe von Filmrollen […] da waren immer noch die alten Klammerzettel drin, die gingen immer exakt ungefähr bis zum Ende des ersten Viertels. Das heißt, bis dahin waren bestimmte Fundstellen markiert und dann hatte es gereicht, dann hatte derjenige oder diejenige genug gefunden. Dann haben wir einfach mal den Luxus investiert und haben die Rollen zu Ende geguckt und wahnsinnig spannende Dinge gefunden«.42

Die Kanonisierung von Bildmaterial ist also wesentlich durch die Archivsituation und dabei insbesondere die Erschließungstiefe des Bildmaterials vorgegeben. Der Aufwand ›blind‹ nach brauchbaren Bildquellen zu suchen und dabei ›zufällig‹ fündig zu werden, ist arbeitsökonomisch meist nicht zu rechtfertigen. Daher spielen insbesondere die Recherchespezialisten der Sender, vor allem aber der privaten Produktionsfirmen, und die Filmarchivare eine entscheidende Rolle dabei, den Zugang zum Bildmaterial zu öffnen. Recherche: fiktionale Produktionen Im fiktionalen Bereich spielt dokumentarisches Bildmaterial meist nur am Rande eine Rolle. Der Anspruch, authentische Kulissen zu bauen, ist dennoch bei den meisten Filmemachern, die einen historischen Film drehen, ausgeprägt:

41 Franck: Dokumentation, S. 51. 42 Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 265.

50 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Natürlich bewegen diese [die Spielfilmmacher, M.R.] sich vor einer historischen Folie. Es wäre unverzeihlich, wenn die Filmemacher nicht versuchen würden, bis ins kleinste Ausstattungsdetail sozusagen das Zeitkolorit, das Zeitbild so authentisch wie möglich herzustellen.«43

Diesem Anspruch sehen sich viele Filmemacher schon deshalb verpflichtet, weil das Publikum und gerade die Fernsehkritiker historische Fernsehfilme daran messen. Je nach Produktion steht aber nicht allein eine mimetische Realitätsillusion im Vordergrund, sondern die dramaturgische Inszenierung eines Zeitkolorits.44 Dieses umfasst neben der Rekonstruktion von vergangenen, epochenspezifischen Details vor allem die Herstellung einer Atmosphäre der historischen Zeit, die einen emotionalen, gefühlten Zugang vermittelt: »Es geht normalerweise gar nicht um die korrekte historische Kopie, sondern darum, für die Menschen, die einen Film sehen, ein Zeitgefühl hervorzurufen. Wir versuchen, den Zuschauern Vorlagen für innere Bilder zu geben«45

Dabei ist es, je nach Zielsetzung der Filmemacher, nicht entscheidend, wie viele Details das Szenenbild beinhaltet, häufig sind es ikonische, bekannte Objekte oder Bilder, die Authentizität vermitteln. So zeigen Automarken und Straßenzüge mit Kopfsteinpflaster meist eine spezifische zeithistorische Epoche an.46 Natalie Zemon Davis hat die interessante Beobachtung gemacht, dass dieser historische look statisch und überzeichnet ist, das heißt, die zeitgenössisch aktuellen Objekte, Architekturen und Kostüme sind überrepräsentiert. Dieser Umstand ist auch auf die Recher43 Beate Schlanstein, zit. n. Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 261. 44 Vgl. hierzu den Bericht des Althistorikers Martin Zimmermann, der beratend bei DER GEHEIMNISVOLLE

SCHATZ VON TROJA (Sat1 2007) tätig gewesen ist: Martin Zimmer-

mann: »Der Historiker am Set«, in: Thomas Fischer/Rainer Wirtz (Hg.), Alles authentisch? – Popularisierung der Geschichte im Fernsehen, Konstanz: UVK 2008, S. 137-160. 45 Aussage von Rolf Zehetbauer, Production Designer und Filmarchitekt vieler historischer Spielfilme, u.a. LILI MARLEEN (BRD 1980), DAS BOOT (BRD 1980/1981), COMEDIAN HARMONISTS (BRD 1997) und LUTHER (BRD 2003) in: Ralph Eue: »Interview mit Rolf Zehetbauer: ›Mein Job ist keine Einzelleistung‹«, in: Ders./Gabriele Jatho (Hg.), Schauplätze, Drehorte, Spielräume. Production Design + Film, Berlin: Bertz + Fischer 2005, S. 69-79, S. 70. 46 Vgl. Pierre Sorlin: The film in history. Restaging the past, Oxford: Blackwell 1980, S. 19f.; Jonas Takors: »Visuelle Authentizität und Faktentreue im Geschichtsfernsehen. Die Histosoap ›The Tudors‹«, in: Eva Ulrike Pirker/Mark Rüdiger u.a. (Hg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 215-232, hier S. 218.

P RODUKTIONSBEDINGUNGEN

IM

G ESCHICHTSFERNSEHEN

| 51

chemethoden zurückzuführen, die hauptsächlich über einen rein zeitlichen Zugang funktionieren. Die Macher suchen Objekte, die in der Referenzepoche hergestellt wurden oder auf Bildern aus der Zeit abgebildet sind. Die übermäßige Vermischung mit Objekten anderer Epochen könnte das Authentizitätsempfinden sowohl der Produzenten als auch der Rezipienten stören. Die Vorbilder für Kulissen und Kostüme, aber auch für das Zeitkolorit sind dabei selbst wieder Bildquellen, wobei es für die Rekonstruktion weniger wichtig ist, ob es sich um Fotografien oder Laufbilder handelt.47 Für den Fernsehspielmehrteiler WAS WÄREN WIR OHNE UNS (SDR 1979) bildete die Durchsicht von Illustrierten und Magazinen von der Constanze bis zu Spiegel und Stern die Vorlagen für spätere Kulissen. Wichtig waren zudem zeitgenössische Fernsehspiele, die als Vorlage für die eigene Vorstellungswelt dienten.48 Sie erfüllen dabei einen doppelten Zweck: Zum einen fungieren sie als visuelles Abbild vergangener Lebenswelten, zum anderen dienen sie dem Filmemacher als filmisch-ästhetische Referenz für die eigene Umsetzung des historischen Stoffes. Dies kann bewusst oder unbewusst zu medialen Verweisen führen, die dem Genre eine gewisse Kontinuität in der Stoffauswahl und Inszenierung verleihen. An diesem Prozess sind noch weitere Rollenakteure beteiligt, wie Requisiteure, Kostüm- und Szenenbildner, die eigene spezialisierte Recherchearbeiten nach Absprache mit Produktion und Regie durchführen müssen.49 So sind an der visuellen Produktion einer fiktionalen Geschichtssendung mehr Akteure beteiligt, als bei non-fiktionalen Produktionen. Zudem können die Authentizitätsauffassungen durchaus unterschiedlich ausfallen. Deutlich wurden die unterschiedlichen Recherchepraxen im non-fiktionalen und fiktionalen Bereich, die mit den unterschiedlichen Authentizitätsvorstellungen zusammenhängen. Die nonfiktionalen Sendungen setzen dokumentarisch auf Archivbildmaterial – hier wirken sich Zugänglichkeit und Erschließung des Materials arbeitsökonomisch auf die verwendeten Bilder aus. Im fiktionalen Bereich dienen vorhandene Bilder als Folie zur häufig mimetisch angelegten Rekonstruktion historischer Lebenswelten in Kulissen, Kostümen und Inszenierungen.

47 Vgl. Natalie Zemon Davis: »›Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen‹. Der Film und die Herausforderung der Authentizität«, in: Marc Ferro/Rainer Rother (Hg.), Bilder schreiben Geschichte: Der Historiker im Kino, Berlin: Wagenbach 1991, S. 37-63, hier S. 42. 48 Vgl. hierzu ausführlicher Rüdiger: Geschichte, bes. S. 154f. 49 Vgl. Werner van Appeldorn: Handbuch der Film- und Fernseh-Produktion. Psychologie, Gestaltung, Technik, München: TR 1984, S. 286-288; vgl. als Beispiel zur Arbeit des Requisiteurs in WAS WÄREN WIR OHNE UNS: Otto A. Schölple: »Wo kriegt der bloß den alten Gutbrod her?«. In: Stuttgarter Nachrichten vom 28. Februar 1979.

II. Archivbilder

Die Entstehung und Transformation von Geschichtsbildern ist ein kontinuierlicher Prozess. Am Beginn stehen die Medienereignisse, und Erzählungen, die in der zeitgenössischen Mediengesellschaft der 50er Jahre aufgegriffen wurden. Dieses medial aufbereitete und zugänglich gemachte Material bildet in vielen Fällen das Ausgangsmaterial für die späteren Geschichtsbilder. Dabei prägt das einzelne Medium als »Spur und Apparat« den Fundus und die Ausprägung der späteren Geschichtsbilder vor: Als Apparat kommt dem Einzelmedium ereigniserzeugende Kraft zu. Nur medial verbreitete Bilder können später zu Geschichtsbildern werden. Als Spur formt es die Inhalte und vor allem die Bildvorstellungen von Ereignissen wesentlich mit.1 Im Folgenden sollen deshalb nicht die produzierten Bilder, sondern die audiovisuellen Mediengattungen und -genres behandelt werden. Dies erscheint aus mehreren Erwägungen heraus sinnvoll zu sein: Erstens soll auf diese Weise ein Überblick über das vorhandene audiovisuelle Material aus den 50er Jahren gegeben werden. Dies erlaubt später Rückschlüsse darauf, welche Medien – Wochenschauen, Kinofilme etc. – verstärkt verwendet wurden, um die 50er Jahre zu visualisieren. Das Material wurde dabei einerseits direkt in historischen Kompilationsfilmen, also Geschichtsdokumentationen mit audiovisuellen Archivmaterialien, verwendet. Andererseits kam das visuelle Material indirekt zum Einsatz, als Folie historischer Lebenswelten im Fernsehspiel, aber auch als filmisches Verweisen oder Rekurrieren auf bestimmte Inszenierungsstile, zum Beispiel aus Heimatfilmen der 50er Jahre. In die Kategorie indirekter Verweise fallen auch die einzelnen Genretraditionen. Insbesondere im Fernsehspiel lassen sich starke gattungsimmanente Tradierungen von Themen, Figuren, Narrative und Inszenierungsstile ausmachen, die die Grundlage für die Inszenierung von Fernsehspielen mit historischer Szenerie bilden. Die

1

Vgl. Astrid Erll: Prämediation – Remediation. Repräsentationen des indischen Aufstands in imperialen und post-kolonialen Medienkulturen (von 1857 bis zur Gegenwart), Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier 2007; Seel: Medien.

54 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Entwicklung dieser Genres in den 50er Jahren zu kennen ist dementsprechend notwendig, um (frühe) Tradierungen zu erkennen. Zweitens kann eine Charakterisierung der audiovisuellen Archivbilder aus den 50er Jahren aufzeigen, welche zeitgenössischen Lesarten mit den Bildern verbunden waren. Zu diesen kommt es durch die dispositiven Entstehungskontexte der Bilder, vor allem durch den technischen Entwicklungsstand und die soziale Rahmung des jeweiligen Mediums, aber auch durch die von der Produktionsseite intendierten Lesarten.2 Dabei wird angenommen, dass diese Prozesse die Produktion der letztendlich materialisierten Filmbilder wesentlich mit beeinflussen. In Geschichtssendungen werden die Archivbilder häufig aus ihren ursprünglichen Entstehungskontexten isoliert und neu kontextualisiert, sowohl innerhalb der Sendungen, als auch in neuen zeitgenössischen Produktions- und Rezeptionskontexten. Drittens schließt eine Bestandsaufnahme des vorhandenen audiovisuellen Materials auch eine Feststellung seiner Archivierungspraktiken mit ein. Die Archivierung audiovisuellen Materials ist bis heute keine Selbstverständlichkeit und in den allermeisten Fällen erfolgt sie nicht durch staatliche oder öffentliche Stellen. Natürlich muss das Material aber vorhanden und zugänglich sein, um in Geschichtssendungen zum Einsatz kommen zu können. Es kann angenommen werden, dass eine leichte Zugänglichkeit und gute Archivierungssituation Kanonisierungsprozesse im Geschichtsfernsehen begünstigt, da hier ein geringerer zeitlicher und finanzieller Ressourcenverbrauch für die Redaktionen zu erwarten ist. Daher soll im Folgenden auch auf die Archivierungssituationen der Mediengattungen eingegangen werden. Das audiovisuelle Quellenmaterial der 50er Jahre ist natürlich nahezu unüberschaubar, möchte man alles berücksichtigen. Daher müssen sich die folgenden Ausführungen auf grobe Tendenzen einzelner Medien beschränken und diese an einzelnen Beispielen illustrieren.

1. N ACHRICHTENFILME

UND - SENDUNGEN

Ausschnitte aus Wochenschauen insbesondere der NEUEN DEUTSCHEN WOCHENSCHAU machen den bei weitem höchsten Anteil an Originalsequenzen in Geschichtssendungen über die 50er Jahre aus.3 Aufgrund der speziellen Forschungsla-

2

Vgl. Hickethier: Dispositiv.

3

Die Dominanz von Wochenschauaufnahmen ist schon häufig für Dokumentationen über den Nationalsozialismus bemerkt worden: Vgl. Peter Zimmermann: »Im Banne der UfaÄsthetik und des ›Kalten Krieges‹. Film- und Fernseh-Dokumentationen der BRD und DDR über das ›Dritte Reich‹: ›Auferstanden aus Ruinen‹. Zur Wirkungsgeschichte von Kulturfilm und Wochenschau nach 1945«, in: Peter Zimmermann/ Kay Hoffmann (Hg.),

A RCHIVBILDER

| 55

ge zu den deutschen Wochenschauen in den 50er Jahren wird im Folgenden vor allem auf die bundeseigenen Wochenschauen eingegangen, die durch die Neue Deutsche Wochenschau GmbH produziert wurden.4 Da aber auch die DDR in westdeutschen Geschichtssendungen von Beginn an häufig als Bildarsenal fungierte, soll abweichend von der sonstigen Vorgehensweise kurz auf die Wochenschau DER AUGENZEUGE eingegangen werden. Am Ende wird als drittes, audiovisuelles nachrichtenähnliches Medium auf die TAGESSCHAU eingegangen. Wiedereinsatz der Wochenschauen nach 1945 Kino-Wochenschauen wurden zwischen 1911 und 1977 in Deutschland gezeigt.5 Existierte Mitte der 1920er Jahre noch eine beachtliche Anzahl verschiedener Wochenschauen, so führten politisch motivierte Konzentrationsprozesse – zuerst durch den Hugenberg-Konzern seit 1927, ab 1933 im Nationalsozialismus – dazu, dass seit 1940 nur noch die DEUTSCHE WOCHENSCHAU in den Kinos zu sehen war.6

Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland – Bd. 3: ›Drittes Reich‹ 19331945, Stuttgart 2005, S. 710-719; Bösch: Dritte Reich, S. 211. 4

Die Forschungen zu deutschen Wochenschauen konzentrierten sich bisher vor allem auf die Zeit des Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit bis 1949, vgl. beispielsweise Jutta Gröschl: Die Deutschlandpolitik der vier Großmächte in der Berichterstattung der deutschen Wochenschauen 1945-1949. Ein Beitrag zur Diskussion um den Film als historische Quelle, Berlin/New York: de Gruyter 1997; Cornelia Tilsner: Aufbau und Tendenz der Anglo-Amerikanischen Besatzungswochenschau ›Welt im Film‹ (Juli 1948Dezember 1949). Wortprotokolle von Kinowochenschauen als zeitgeschichtliche Quellen, Bochum: Brockmeyer 1995. Für die 1950er Jahre existieren dagegen bislang nur wenige Studien. Dabei kann die Dissertation von Uta Schwarz als beispielhaft auch für andere Zeitabschnitte gelten, weshalb im Folgenden hauptsächlich darauf Bezug genommen wird: vgl. Uta Schwarz: Wochenschau, westdeutsche Identität und Geschlecht in den fünfziger Jahren, Frankfurt am Main: Campus 2002. Zur österreichischen WOCHENSCHAU

nach 1945 vgl. Hans Petschar/Georg Schmid: Erinnerung und Vision. Die Legi-

timation Österreichs in Bildern. Eine semiohistorische Analyse der Austria Wochenschau 1949-1960, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1990. 5

In der DDR lief DER AUGENZEUGE noch bis Ende 1980 weiter. Eine übersichtliche, chronologische Auflistung aller in Deutschland gezeigten Wochenschauen findet sich bei: Horst Jaedicke: Tatort Tagesschau. Eine Institution wird 50, München: Allitera 2002, S. 219f.

6

Vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 64-69.

56 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Schon im Mai 1945 setzten die Briten und Amerikaner mit WELT IM FILM7 wieder die erste Wochenschau in Deutschland ein, die nun als Instrument der Reeducationpolitik der westlichen Besatzungsmächte diente. Nachdem anfangs vor allem die Besatzungsarmeen und die Verbrechen des Nationalsozialismus Hauptthemen waren, trat ab Sommer 1946 ein Funktionswandel hin zu einer stärkeren Unterhaltungsausrichtung und Bewerbung alliierter Konsumkultur ein.8 Das Ende der lizenzierten Medienpolitik durch die Alliierten im September 1949 ermöglichte wieder eine rechtlich unbeschränkte Wochenschauproduktion und führte Ende 1949 zur Gründung der Neuen Deutschen Wochenschau GmbH, die ab dem 3. Februar 1950 mit der NEUEN DEUTSCHEN WOCHENSCHAU (NDW) erstmals wieder eine in deutscher Verantwortung liegende Wochenschau produzierte. Obwohl die Alliierten eine staatliche Wochenschaugründung verboten hatten, unterstützte die Bundesregierung die NDW politisch und finanziell. Während des gesamten Zeitraums der 1950er Jahre blieb die Neue Deutsche Wochenschau GmbH von staatlicher Subventionierung abhängig, da sie ihre Produktion nicht kostendeckend gestalten konnte.9 Die Pressefreiheit verbot zwar eine direkte inhaltliche Einflussnahme der Politik, die indirekten Einflussmöglichkeiten, z.B. bei der Besetzung von Leitungspositionen, führten aber zu einer erheblichen Instrumentalisierung der Wochenschau als »halbverdecktes Staatsunternehmen«10 durch die politischen Parteien, wobei die während der gesamten 1950er Jahre unionsgeführten Bundesregierungen unter Konrad Adenauer den stärksten Einfluss ausüben konnten. Anfang Juli 1952 fusionierte die NDW auf Initiative des Bundesinnenministeriums mit der bis dato amerikanisch finanzierten Wochenschau WELT IM FILM, die ab dieser Zeit als WELT IM BILD (WiB) ebenfalls von der NDW produziert wurde. Damit waren die beiden größten Wochenschauproduktionen in Staatsbesitz, was allerdings vor der Öffentlichkeit verschleiert wurde.11 Politischer Auftrag der Wochenschauen Der autoritäre Stil der Medienpolitik Konrad Adenauers stellt mittlerweile einen besser erforschten Bereich der Mediengeschichte dar. Das von Adenauer mit umfangreichen Ressourcen ausgestattete Bundespresseamt (BPA) stellte Journalisten 7

In der französischen Besatzungszone wurde erst im Sommer 1947 wieder eine Wochenschau (BLICK IN DIE WELT) gezeigt. Ab Dezember 1949 erschien zudem in Westdeutschland wieder die amerikanische FOX TÖNENDE WOCHENSCHAU.

8

Vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 70-73.

9

Vgl. ebd., S. 89.

10 Ebd., S. 86. 11 Vgl. ebd., S. 87. Ab 1956 wurde WELT IM BILD in UFA-WOCHENSCHAU, später in UFADABEI

umbenannt, ohne dass sich die Produktionsverhältnisse änderten.

A RCHIVBILDER

| 57

nicht nur im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit Informationen zur Verfügung, sondern überwachte journalistische Inhalte im großen Stil und versuchte steuernden Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Konrad Adenauer verstand es aber auch als erster »Medienkanzler« der Bundesrepublik, die Medien für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren.12 Dazu gehörten vor allem informelle Kontakte zu Journalisten, insbesondere in Adenauers ›Teegesprächen‹, die je nach ideologischer Ausrichtung besondere Informationen erhielten sowie die Lancierung eigener Berichte in den Massenmedien.13 Die autoritäre Medienpolitik ging einher mit einer »beruflichen Praxis« westdeutscher Journalisten in der ersten Hälfte der 1950er Jahre, die Christina von Hodenberg als »Konsensjournalismus«14 bezeichnet hat. Charakteristisch hierfür war die Auffassung, Massenmedien sollten zur gesellschaftlichen Harmonieerzeugung beitragen, welche in der Praxis zu Staatsnähe, Selbstzensur kritischer politischer Berichterstattung und damit Anpassung an die autoritäre Medienpolitik führte.15 Die WOCHENSCHAU und das Fernsehen in seiner Frühphase nach 1945 gaben sich bei politischen Themen besonders unkritisch.16 So war die WOCHENSCHAU »weniger ein Spiegel der gesellschaftlichen Wünsche als ein Spiegel dessen, was sich die Verantwortlichen für die Gesellschaft wünschten.«17 Hierzu trugen auch die dispositiven Voraussetzungen bei: Die WOCHENSCHAU hatte sich schon seit ihren Anfängen als fester Bestandteil des Kinos etabliert, angesiedelt zwischen Kultur- und Hauptfilm und sollte die Kinobesucher auf den – meist 12 Vgl. Daniela Münkel: »Konrad Adenauer und Willy Brandt: Zwei Medienkanzler? Politik, Medien und Demokratie«, in: Tilman Mayer (Hg.), Medienmacht und Öffentlichkeit in der Ära Adenauer, Bonn: Bouvier 2009, S. 165-180, bes. S. 167-173, 180. 13 Vgl. hierzu entsprechende Kapitel bei: Christina von Hodenberg: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006, S. 145-182, insbes. S. 156ff., 171ff. 14 Ebd., S. 195. 15 Vgl. ebd., S. 195f., 205. 16 Vgl. ebd., S. 183. Der Begriff »Konsensjournalismus« kann dabei für die speziellen Umstände der WOCHENSCHAU durchaus noch bis in die 1960er Jahre hinein gelten. So schreibt Wolfgang Esterer, damals Redakteur bei der NDW: »Als ich 1960 bei der Wochenschau anfing, war sie ein relativ starkes Unterhaltungsmedium, eine Art Kaleidoskop, ein Boulevard-ähnliches Medium. Die Politik-Abteilung war ›offiziös‹, nicht kritisch und unabhängig; vertiefende Berichte gab es selten.« Manfred Purzer, Chefredakteur der NDW zwischen 1957 und 1966, attestiert eine enge Anbindung an die CSU, vgl. Wolfgang Esterer: »Ein Medium der meisterhaften Verkürzung«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 25-28, hier S. 26. 17 Esterer: Medium, S. 28; vgl. auch, Margarete Czerwinski/Birgit Meyer: »Die Wochenschau als Unterhaltungs-Spiegel der Gesellschaft? Die nicht-politischen Themen in den Wochenschauen«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 59-60, hier S. 60.

58 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

unterhaltenden – Spielfilm einstimmen. Diese Anordnung führte zu einer starken Repräsentation unterhaltender Themen in den Wochenschauen, da das Publikum »in eine gelöste Stimmung für den Hauptfilm versetzt werden wollte«18. Entsprechend fungierte die WOCHENSCHAU als Rahmenprogramm in einem selbstverständlich gewordenen Programmablauf und bildete nicht die Hauptmotivation, um ins Kino zu gehen.19 Der politische Auftrag der NDW bei ihrer Gründung war es »die neue staatliche Souveränität gegenüber dem Ausland durch eine audiovisuelle Souveränität zu ergänzen«20. Die Bundesrepublik sollte als friedliches, souveränes, westorientiertes und wirtschaftlich erfolgreiches Land präsentiert werden. Insofern lässt sich die NDW auch »als Teil des Diskurses der Westorientierung und als passendes phantasmatisches Rahmenangebot der kulturellen Verwestlichung lesen.«21 Als »Schaufenster des Wirtschaftswunders«22 bot die NDW wirtschaftspolitische Berichte über Automobilausstellungen, Gütermessen, Industrieproduktion und Wohnungsbau auf der einen, feuilletonistisch-unterhaltende, gesellschaftspolitische Beiträge über neue Verbrauchs- und Konsumgüter, Modenschauen, Bälle und Festveranstaltungen mit Prominenten und Wohnausstellungen auf der anderen Seite. Diese Berichte sollten den neu beginnenden Wohlstand in den Vordergrund stellen, das Publikum für westlich orientierte Konsummuster gewinnen und für die eigene Industrieproduktion werben. Ein Beitrag zur Hamburger Möbelausstellung »Du und deine Welt« (WiB 166/1955)23 präsentiert die Vorzüge einer modernen Einbauküche mit elektrischen 18 Tina Chieregato/Laura Combüchen: »Die Rezeption der Wochenschauen«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 51-54, hier S. 51. 19 Dementsprechend drangen auch die Kinobesitzer zur Schwerpunktsetzung auf unterhaltendende Themen, mit der Begründung eine sich zu politisch gebende WOCHENSCHAU, halte die Zuschauer vom Kinobesuch ab. Vgl. Hinderikus Wiers: »Das Wochenschaugeschäft. Wochenschau als Vorläufer der Tagesschau?«, in: Karl Friedrich Reimers/Monika Lerch-Stump/Rüdiger Steinmetz (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 1: Von der Kino-Wochenschau zum aktuellen Fernsehen. Diskussion und Materialien, München: Ölschläger 1983, S. 111-122, hier S. 113; Jasmin AlSafi/Christine Dunker/Hanno Willkomm: »Die Wochenschau als Vorläuferin der Tagesschau? Politische Themen in beiden Formaten«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 61-66, hier S. 63. 20 Schwarz: Wochenschau, S. 80. 21 Ebd., S. 188. 22 Ebd., S. 386. 23 Die erste Zahl bezieht sich auf die fortlaufend nummerierte Ausgabe der jeweiligen Wochenschau, die zweite Zahl auf das Produktionsjahr. Die Wochenschauangaben sind angelehnt an die Zählungen auf http://www.deutsche-wochenschau.de. Zugriff am

A RCHIVBILDER

| 59

Geräten wie der »Küchenfee«, durch die »Hausarbeit leicht gemacht« wird. Dagegen legt die Beschreibung der Junggesellenwohnung Wert darauf, dass die Einrichtung hier »idiotensicher« ausfällt und auf »Bequemlichkeit« ausgerichtet ist. Auf diese Weise werden nicht nur Konsumträume erschaffen und bedient, sondern auch Geschlechterrollen zugewiesen. Zudem betrieben das Bundespresseamt und die Bundesregierung konkrete Politikwerbung über die WOCHENSCHAU. So stellte Uta Schwarz im zweiten Halbjahr 1952 einen erhöhten Anteil militärischer Themen in WiB fest, ein Hinweis darauf, dass hier »für die Wiederaufrüstungspolitik geworben wurde«.24 Am deutlichsten hervor stach die Werbung für politische Akteure, wobei die Bundesregierung hier laut Schwarz schon aufgrund von medialen Produktionslogiken im Vorteil war: »Die gouvernementale Selbstdarstellung kann das Prestige der Macht und Handlungsinitiative nutzen und diese strukturellen Vorteile in der auf Personalisierung angelegten Audiovision relativ gut für sich ummünzen«25. Insbesondere Konrad Adenauer konnte seine Funktion und seine Verbindungen zur WOCHENSCHAU nutzen, um das eigene Image zu verbessern und eine politische Narration als »Heldengeschichte« erzählen zu lassen, die einer Rolle als Star gleichkam.26 In den 1950er Jahren war Adenauer der mit weitem Abstand am häufigsten ins Bild gesetzte Politiker in der NDW und in WiB.27 Er erschien als souveräner politischer Lenker und Macher, der den deutschen Wiederaufbau ebenso ermöglichte wie die Anerkennung deutscher Interessen und Leistungen im Ausland. Der unterhaltende Rahmen der WOCHENSCHAU verband dabei auf Auslandsreisen die »kritiklose Verehrung seiner Persönlichkeit mit dem Reiz touristischer Sehenswürdigkeiten«.28 Daneben lancierte das Bundespresseamt gezielt ›home stories‹, bei denen exklusiv ausgesuchte Pressevertreter Adenauer als Privatmann begleiten durften. Hier entstanden Berichte, die mehrmals Adenauer beim Boccia-Spiel in seinem Urlaub 29.09.2012. Hier können zu vielen Ausgaben auch Bildinhalte abgerufen werden. Digitalisierte Wochenschauen in niedriger Qualität als Vorschau sind auf der Seite http://www.wochenschau-archiv.de abrufbar. Zugriff am 29.09.2012. Dies gilt u.a. für das besprochene Beispiel. Die Seite wird in Kooperation u.a. vom BundesarchivFilmarchiv in Koblenz und der Deutschen Wochenschau GmbH in Hamburg betrieben. 24 Schwarz: Wochenschau, S. 146. 25 Ebd., S. 83. 26 Ebd., S. 445. 27 Vgl. Auszählungen bei: ebd., S. 502f. 28 Hodenberg: Konsens, S. 175. Ein Beispiel hierfür ist der WOCHENSCHAU-Bericht über Adenauers erste diplomatische Reise in die USA im April 1953, die Aufnahmen der New Yorker Skyline, des Weißen Hauses oder Adenauers mit indianischer Federhaube als Ehrenmitglied nordamerikanischer Indianerstämme zeigt. (vgl. NDW 335/1953).

60 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

in Cadenabbia zeigten (NDW 372/1957, NDW 481/1959) oder bei seiner Geburtstagsfeier in seinem Haus in Rhöndorf im Kreis der Familie (UFA 0076/1958). Für diese sehr zielgerichtete Inszenierung der Aufnahmen konnte Adenauer auf seine engen Beziehungen zum NDW-Kameramann Wilhelm Luppa bauen, der Adenauer auf vielen Reisen und bei vielen Terminen mit der Kamera begleitete,29 sowie zu Heinz Wiers, Geschäftsführer der NDW, der die Berichte teilweise bis ins Detail mit dem Bundespresseamt abstimmte.30 Dagegen erschienen andere Politiker wie Theodor Heuss, Kurt Schumacher, Carlo Schmid oder Erich Ollenhauer eher blass und distanziert.31 Einzig Ludwig Erhard gelang zeitweise eine ähnlich wirkungsvolle Selbstinszenierung als Lenker und Macher des wirtschaftlichen Aufschwungs. So widmete ihm die NDW einen Bericht zum fünfjährigen Jubiläum als Wirtschaftsminister (NDW 162/1953), in dem er Zigarre rauchend von seinen Mitarbeitern im Amt beglückwünscht wird. Erhard inszenierte die Zigarre als sein Markenzeichen und als Symbol des neu gewonnenen Wohlstandes; er wurde damit häufig in Wochenschauen abgebildet.32 Darstellungsmodi Die WOCHENSCHAU orientierte sich in ihrer dokumentarischen, nicht-fiktionalen Authentizitätserzeugung grundsätzlich an Konventionen des klassischen Hollywoodkinos, wie dem Kontinuitätsprinzip und der Multiperspektivität des Erzählers.33 Da diese Darstellungskonventionen grundsätzlich noch heute gelten, eigneten und eignen sich Wochenschauaufnahmen gut für den Einsatz in Geschichtssendungen, wenn ihre Aufgabe darin bestehen soll, das historische Ereignis oder die historische Person als direkte vergangene Realität abzubilden. Die durch Montage, Perspektivwechsel, Belichtung, Nachdrehs usw. vorgenommenen ›unsichtbaren‹ Inszenierungen beeinträchtigen dabei nicht die Authentizitätsillusion des Zuschauers. Diese Form der Authentizitätserzeugung findet sich vor allem bei politischer Berichterstattung, wie Bundestagsdebatten oder Auslandsreisen Adenauers. Dagegen sind, wie Uta Schwarz feststellte, andere, vor allem feuilletonistisch geprägte Be29 Vgl. Karl Holzamer: »Konrad Adenauer und das Fernsehen«, in: Karl-Günther von Hase (Hg.), Konrad Adenauer und die Presse, Bonn: Bouvier 1988, S. 84-89, hier S. 99f.; Esterer: Medium, S. 27. 30 So beispielsweise für den Bericht zum fünften Jahrestag der Währungsreform von 1953; vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 97. 31 Vgl. ebd., S. 356f. 32 Vgl. WiF 314/1951; NDW 129/1952; NDW 162/1953; WiB 154/1955; NDW 346/1956; NDW 367/1957. 33 Vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 182ff.

A RCHIVBILDER

| 61

richte in einem Modus des Ausstellens inszeniert, die den Zuschauer zum Voyeur machen. Erzeugt wird dies visuell beispielsweise dadurch, dass in Modebeiträgen Frauen direkt in die Kamera blicken und hierdurch die Inszenierung des Geschehens offen gelegt wird.34 Unterstützt wird dies durch offen meinungsbildende Bemerkungen des Kommentators: In einem Beitrag der UFA-WOCHENSCHAU zum ersten Rock’n’Roll-Turnier in Hamburg (UFA 0016/1956) bewertet der Kommentator das Gezeigte, während im Hintergrund laute Rock’n’Roll-Musik zu hören ist: »Hier gibt es leider keine Selbstkontrolle. Denn an einen Tanz auf dem Vulkan erinnerte das erste deutsche Rock’n’Roll-Turnier, das in Hamburg über die Bühne ging. Und so sieht er aus der Veitstanz des 20. Jahrhunderts, für den es keine Medizin gibt, sondern nur noch den einen Wunsch auf baldige Genesung. Eine Zeiterscheinung? Eine Jugendkrankheit? Oder eine harmlose Albernheit? Hoffen wir, dass es bald vorüber geht – an uns und an ihnen.«

Im Bild sind während des gesamten Beitrages tanzende Paare abwechselnd mit Einstellungen von spielenden Musikern zu sehen. Der Zuschauer wird aus seiner neutralen Beobachterposition in eine subjektive Position ›gezwungen‹: Die Kameraeinstellungen sind häufig aus der normalen horizontalen in eine schräge Aufnahmeposition gebracht, die Schnittfrequenz ist ungewöhnlich hoch gehalten. Hiermit wird der Eindruck von wilden, unkontrollierten Bewegungen der Tanzpaare und des Rock’n’Rolls allgemein direkt auf den Zuschauer übertragen, der beim Zuschauen zwangsweise selbst die Kontrolle über das Gezeigte verlieren muss. Diese Art der Darstellung erzeugt so beim Zuschauer eine Entfremdung vom Dargestellten. Die Darstellungsmodi wurden in der WOCHENSCHAU als »Marker« eingesetzt »um Seriöses und Unterhaltendes […], um das Eigene und das Fremde zu kennzeichnen. […] Während die Konvention der kinematographischen Authentizität mit ihrer identifikationsstiftenden Kraft zur Darstellung des Nationalen eingesetzt wurde, provozierte die theatralische Präsentationsform einen distanzierten Blick auf das Fremde.«35

Bei der Verwendung von Wochenschauausschnitten als Archivbilder spielten die unterschiedlichen Darstellungsmodi später eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, gesellschaftliche Normen, insbesondere restaurative Tendenzen, zu visualisieren. Dies wurde erreicht, indem diese Archivbilder nicht mehr in der Funktion einer Bebilderung historischer Ereignisse verwendet wurden (also im gewählten Beispiel als Bilder für das Ereignis des Rock’n’Roll-Turniers), sondern aufgrund des wertenden Kommentartextes Verwendung fanden. Auf diese Weise boten die Bilder den Machern von Geschichtssendungen die Möglichkeit gesellschaftliche Normen 34 Vgl. ebd., S. 184. 35 Ebd., S. 185f.

62 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

indirekt über den veränderten Darstellungsmodus der Wochenschauen zu thematisieren. Die Zweiteilung der Darstellungsmodi setzte sich auch auf der Tonebene fort: Obwohl Geräusche – abgesehen von O-Tönen – generell nachvertont wurden, geschah dies im Sinne der Steigerung der Authentizitätsillusion.36 Der Einsatz von Musik folgte – im Gegensatz zum Einsatz in (Fernseh-)Nachrichtensendungen nach 1952 – den Kompositionsweisen des Spielfilms, sollte also die ideologische Grundhaltung emotional unterstützen. Im Unterschied zur nationalsozialistischen WOCHENSCHAU bis 1945 setzten die Macher nach 1945 Musik allerdings weniger stark suggestiv ein.37 Auch die Sprecherintonation veränderte sich,38 bildete aber weiterhin eine zentrale Aussageebene. Auch hier teilte allein die Sprecherintonation die Beiträge in ›ernst‹ und ›unterhaltend‹ ein, indem Beiträge über politische Themen eher mit einer »Verlautbarungsstimme« gesprochen wurden, kulturelle Berichte mit mehr »Modulation« und ohne »sensationserzeugende Betonung«.39 Im Vergleich zu heutigen Nachrichtensendungen wirken viele Wochenschaukommentare befremdlich, teilweise auch »unfreiwillig komisch«, da die Fernsehnachrichtensendungen spätestens seit den 1960er Jahren einen sehr nüchternen, um Neutralität bemühten Stil in der Sprecherstimme etablierten, in denen Unterhaltungsthemen durchaus auch in einer ironischen und humorvollen Art kommentiert wurden, die Sprechintonation aber weniger »ziseliert« wirkte.40 Aufbau der Wochenschau Die Länge einer durchschnittlichen Wochenschauausgabe betrug in den 50er Jahren etwa 11 Minuten.41 Eine feste Struktur im Ablauf gab es nicht, allerdings lässt sich 36 Wiebke Dreckmann/ Britta Zietemann: »Sprache und Sprecher in der Wochenschau«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 43-46, hier S. 43. 37 Die Musik stammte bis 1954 aus GEMA-pflichtigen Musikstücken, danach wurde mit Gerhard Trede ein Komponist fest eingestellt, der Musik zu gewünschten Stimmungen, sowohl zu konkreten Beiträgen, aber auch allgemeiner für das hauseigene Archiv produzierte. Vgl. David Czarnetzki/Michaela Meng: »Arbeit unter Hochspannung. Zur Produktionsweise der Wochenschauen in Hamburg«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 29-32, hier S. 31f.; Hans-Peter Fuhrmann: »Sprechereinsatz und Musik«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 47-50, hier S. 49. 38 »Das typisch Zackige, Schnarrende und Keifende der dreißiger und vierziger Jahre schwächte sich nach 1945 ab; die Stimme wurde im Laufe der Zeit immer weicher und verlor die martialische Intonation« (Dreckmann/Zietemann: Sprache, S. 45). 39 Vgl. Fuhrmann: Sprechereinsatz, S. 48. 40 Dreckmann/Zietemann: Sprache, S. 46 (beide Zitate). 41 Vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 95.

A RCHIVBILDER

| 63

am Beispiel der NDW grob eine Dreiteilung feststellen: Am Anfang standen meist zwei Inlandsberichte von etwa zwei Minuten Länge. Darauf folgte ein Mittelteil, der aus kurzen, meist ausländischen Berichten42 mit sowohl politischen als auch gesellschaftlichen und kulturellen Themen bestand, die zwischen 1952 und 1955 regelmäßig unter der Überschrift »Kurz belichtet« gekennzeichnet wurden. Am Ende gab es einen längeren Sportteil.43 Als Ausschnitte in Geschichtssendungen eingesetzt ging dieser Programmkontext verloren, spielt für die Analyse des Bildeinsatzes auf zwei Ebenen allerdings eine Rolle: Einerseits kann angenommen werden, dass der Programmkontext die Recherche nach Ausschnitten mit beeinflusste. Die längeren Aufmacher wurden bei chronologischen Durchsichten sicherlich stärker rezipiert und fanden dadurch, so die Hypothese, auch eher Verwendung in Geschichtssendungen. Andererseits wurden längere Sequenzen von etwa zwei Minuten Länge nicht ungeschnitten in Geschichtssendungen übernommen, wohingegen kürzere Beiträge von bis zu 30 Sekunden höhere Chancen hatten, als ›Kurznachrichten‹ eingesetzt zu werden. Auf diese Weise wirkte die Programmstruktur der Wochenschauen auf die Struktur von Geschichtssendungen ein.44 DDR-Wochenschau DER AUGENZEUGE Auch wenn Archivbilder der DDR-Wochenschau DER AUGENZEUGE in Geschichtssendungen über die 50er Jahre nahezu durchgehend kritischer behandelt wurden, als Aufnahmen westlicher Wochenschauen, sind die strukturellen Parallelen und Ähnlichkeiten in der Darstellung sehr groß. Nach einer kurzen Phase relativ freier Gestaltungsmöglichkeiten ab 1946, angestoßen durch den DEFA-Dokumentarfilmer Kurt Maetzig, funktionalisierte die Politik den AUGENZEUGEN seit 1948 immer stärker, bis er seit etwa 1950 unter sei42 Spätestens seit Mitte der 1950er Jahre bestanden Austauschbeziehungen zwischen westlichen Wochenschauproduktionen, die sich gegenseitig ihr Material zur nationalen Ausstrahlung zur Verfügung stellten. Auch mit der DDR existierten seit 1954 Verträge; Vgl. Manfred Purzer: »Gesellschaftliche/politische Leitbilder (Deutschland/Deutschland) im Wandel der Kino-Wochenschau zum Aktuellen Fernsehen«, in: Karl Friedrich Reimers/ Monika Lerch-Stump/Rüdiger Steinmetz (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 2: Audiovisuelle Medien in der politischen Bildung, München: Ölschläger 1985, S. 23-32, hier S. 29f.; Schwarz: Wochenschau, S. 404. 43 Vgl. Schwarz: Wochenschau, S. 157. 44 Dies war vor allem dann der Fall, wenn Geschichtssendungen selbst die Form von Jahresrückblicken verwendeten, wie beispielsweise die Reihen JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982) oder DAS WAR EINMAL … (ARD 1992), die selbst einen Block mit ›Kurznachrichten‹ als Präsentationselement verwenden.

64 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nem Chefredakteur Günter Klein ein Propagandamedium »für die Entwicklung der Ideologie und der Kultur im Sinne des Sozialismus« geworden war.45 Diese Entwicklung sollte sich während der 1950er Jahre nicht ändern, auch wenn eine stark ideologisierende Phase zwischen 1950 und 1954 von einer offeneren im Zuge des Neuen Kurses zwischen 1954 und 1959 unterschieden werden kann. In den frühen 50er Jahren war der AUGENZEUGE so »das Instrument zur Propagierung der Politik der DDR«46. Häufige Sujets waren Parteitagsberichte, Kundgebungen und Staatsbesuche sowie politische Themenberichte, beispielsweise zur Ächtung von Atomwaffen, zum Koreakrieg oder zur Deutschlandpolitik. Die durchschnittlich sechs bis acht Sujets waren in einer Berichtsform vorgetragen, die durch ihre stereotype Wiederkehr immer gleicher »Bild- und Text-Strukturen emblematisiert[e]«.47 In diese Phase der hohen propagandistischen Funktionalisierung fiel auch der 17. Juni 1953, der im AUGENZEUGEN nur als ›Tag X‹ und in einer Treue-Kundgebung von Partei und FDJ thematisiert wurde. Seit Mitte 1953 öffnete der neue Chefredakteur Helmut Schneider die Wochenschau. Austauschverträge mit BLICK IN DIE WELT, der NDW (ab 1954), später auch der UFA-WOCHENSCHAU und FOX TÖNENDE WO48 CHENSCHAU bildeten die Grundlage für einen stärkeren Materialaustausch und eine stärkere Repräsentation von Auslandsthemen, die zusammen mit innenpolitischen und unterhaltenden Sujets jeweils etwa ein Drittel jeder Ausgabe ausmachten.49 Auch der Kommentar war nun nicht nur nüchtern, sondern zeitweise ironisch gehalten, die Musik weniger dramatisierend eingesetzt.50 Trotzdem blieben die Berichte beispielsweise zur Deutschlandpolitik Adenauers kritisch und polemisch, »aber ohne den Hetzton der frühen fünfziger Jahre«51. Mit dem Ende der ›Tauwetter‹-Periode im Kalten Krieg wurde der AUGENZEUGE ab 1958 wieder stärker politisch instrumentalisiert, obwohl der Generationswechsel in der Chefredaktion ab 1959 einen eigenständigen Stil erhalten konnte.52

45 Die Ausführungen zum AUGENZEUGEN folgen im Wesentlichen: Günter Jordan: »Der Augenzeuge«, in: Filmmuseum Potsdam (Hg.), Schwarzweiß und Farbe. DEFADokumentarfilme 1946-92, Berlin: Jovis 1996, S. 270-293. 46 So Tschekin, der sowjetische Vorstandsberater der WOCHENSCHAU 1951, zit. nach: ebd., S. 281. 47 Ebd., S. 280. 48 Bis dorthin verhinderte der nach dem westdeutschen Bundesinnenminister benannte Lehr-Erlass von 1950 den Austausch. Vgl. ebd., S. 292, FN 53. 49 Vgl. ebd., S. 283. Die Unterhaltungsorientierung wurde, ähnlich wie bei der NDW, mit Erwartungen des Kinopublikums begründet. 50 Vgl. ebd., S. 284, 287. 51 Ebd., S. 284. 52 Vgl. ebd., S. 285.

A RCHIVBILDER

| 65

T AGESSCHAU-Bilder im Unterschied zur WOCHENSCHAU Die TAGESSCHAU, die seit dem 26. Dezember 1952 ausgestrahlt wurde, übernahm bis 1956 vor allem das Material, die Funktion und die Struktur der Neuen Deutschen Wochenschau GmbH.53 Der Unterhaltungsanspruch stand klar im Vordergrund:54 die Themenauswahl orientierte sich nicht primär an Nachrichtenfaktoren, Berichte waren durchgehend bebildert, Begleitmusik dramatisierte die »Bilderschau«, nur die neutraler und nüchterner wirkende Sprechintonation und die Länge der Berichte, die über der der Wochenschauen lag, unterschieden sie von diesen.55 Anfangs wurde sie als reine Produktion des NWDR dreimal wöchentlich mit einer Länge von jeweils 15 Minuten ausgestrahlt, seit dem 1. November 1956 täglich, außer sonntags.56 Hierdurch entstanden von Beginn an Materialprobleme. Daher wurden zusätzlich nicht verwendetes Material der Wochenschauen verwertet57 und Standbilder gezeigt. Zudem beschäftigte die TAGESSCHAU ab 1953 einen eigenen

53 Vgl. Joseph Garncarz: »Von der Bilderschau zur Nachrichtensendung. Der Wandel der ›Tagesschau‹ in den 50er Jahren«, in: Rundfunk und Geschichte 28.3/4 (2002), S. 122128, S. 123f. Bis Ende 1953 bestand die TAGESSCHAU ausschließlich aus Wochenschaumaterial. Vgl. Al-Safi/Dunker/Willkomm: Vorläuferin, S. 65. 54 Martin S. Svoboda sah Unterhaltungsberichte als unbedingt notwendig an, da nur so sich das Publikum nicht gelangweilt fühle: »ohne diese leichten und vom Publikum so gern gesehenen Zutaten können wir Politik und Kultur nicht lange verkaufen«, zit. nach: Franziska Horsch/Marcus Schuster: »Der tägliche 15-Minuten-Cocktail. Nachrichtenauswahl und Themensetzung«, in: Nea Matzen/Christian Radler (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 59-84, hier S. 64. 55 Garncarz: Bilderschau, S. 122; Daniel Mollitor: »Wie die Nachrichtenfabrik funktioniert. Die Zentrale«, in: Nea Matzen/Christian Radler (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 85-110, hier S. 105. Hinzu kam noch der höhere Anspruch auf Aktualität im Gegensatz zur WOCHENSCHAU. Vgl. ebd., S. 123; Al-Safi/Dunker/Willkomm: Vorläuferin, S. 61. 56 Vgl. Peter Ludes: »Vom neuen Stichwortgeber zum überforderten Welterklärer und Synchron-Regisseur. Nachrichtensendungen«, in: Peter Ludes/Heidemarie Schumacher/Peter Zimmermann (Hg.), Informations- und Dokumentarsendungen (= Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland; 3), München 1994, S. 17-90, hier S. 18. Seit dem 1. Januar 1953 lief zudem sonntags die Sendung WOCHENSPIEGEL, die ein Zusammenschnitt aus den wöchentlichen TAGESSCHAU-Sendungen darstellte. 57 Vgl. Martin Silbermann: »Ohne Bilder wär’s wohl einfacher. Die Bildsprache der ›TAGESSCHAU‹«,

in: Nea Matzen/Christian Radler (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte

einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 127-147.

66 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Kameramann, ab Ende 1954 lieferten die übrigen Fernsehanstalten Beiträge zu, sodass der Vertrag mit der WOCHENSCHAU 1955 aufgelöst werden konnte.58 Daher überschnitten sich viele Bilder mit denen der Wochenschau. Andere, wie zum Beispiel ein schon 1953 exklusives Interview mit Thomas Mann, waren nur in der TAGESSCHAU zu sehen.59 Berichte von Auslandskorrespondenten wurden dagegen ab Mitte der 50er Jahre häufig als Telefonberichte mit Standfoto des Korrespondenten übertragen.60 Die TAGESSCHAU bemühte sich aber frühzeitig darum, eigene, exklusive Auslandsfilmberichte zu produzieren, was von Zeit zu Zeit auch gelang.61 Seit den 1960er Jahren entwickelte sich die TAGESSCHAU von »der Bilderschau zur Nachrichtensendung«.62 Seitdem hat sie sich »als ein habituelles Fixum des Fernsehabends etabliert und wohl auch ihr Nachrichtenverständnis und ihre Präsentationsweisen dem Bewußtsein nachdrücklich eingeprägt«.63 Der Einsatz eines Nachrichtensprechers, der im Bild und nicht mehr im Off Nachrichten in einem sachlich-distanzierten Sprechstil verliest, während im Hintergrund Landkarten, 58 Vgl. Al-Safi/Dunker/Willkomm: Vorläuferin, S. 66; Ludes: Stichwortgeber, S. 18. Svoboda betont, dass dies den Materialmangel deutlich verstärkt hat, sodass weiterhin Fotos u.a. Standbilder gezeigt werden mussten; vgl. Martin Svoboda: »Vom Standfoto zur ›Tagesschau‹«, in: Karl Friedrich Reimers/Monika Lerch-Stump/Rüdiger Steinmetz (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 1: Von der KinoWochenschau zum aktuellen Fernsehen. Diskussion und Materialien, München: Ölschläger 1983, S. 123-140, hier S. 136. Daher wurde bis 1962 in geringer werdenden Anteilen immer noch Wochenschaumaterial eingesetzt. Vgl. Hans-Joachim Reiche: »Entwicklungskontexte bundesdeutscher Fernsehnachrichtensendungen. Ein Interview mit HansJoachim Reiche, ehemaliger Leiter der Redaktion ›Tagesschau‹ und des ZDF-Studios Bonn«, in: Peter Ludes (Hg.), Informationskontexte für Massenmedien. Theorien und Trends, Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 96-105, hier S. 100. 59 Vgl. Horsch/Schuster: 15-Minuten-Cocktail, S. 65. 60 Damit stellten sie – genauso wie andere Standbilder – einen wenig attraktiven Archivbildfundus für Geschichtssendungen dar. 61 Beispielsweise ein Interview mit dem ägyptischen Präsidenten General Nagib; vgl. Jaedicke: Tatort, S. 57; Mollitor: Nachrichtenfabrik, S. 93. Ansonsten hatten WOCHENSCHAU und TAGESSCHAU die gleichen Ansprechpartner für Auslandsbeiträge: Die großen Nachrichtenagenturen, die Kamerateams der Wochenschaugesellschaften Fox, Ufa, Allianz und NDW; vgl. Mollitor: Nachrichtenfabrik, S. 92. 62 Garncarz: Bilderschau. 63 Hans-Dieter Kübler: »Die Aura des Wahren oder die Wirklichkeit der Fernsehnachrichten«, in: Helmut Kreuzer/ Karl Prümm (Hg.), Fernsehsendungen und ihre Formen. Typologie, Geschichte und Kritik des Programms in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart: Reclam 1979, S. 249-289, hier S. 254.

A RCHIVBILDER

| 67

Schaukarten und Standbilder zu sehen sind, der Verzicht auf Musik zur Dramatisierung von Filmbeiträgen und die Auswahl von Themen nach den Nachrichtenkriterien Relevanz und Aktualität bestimmten seit Anfang der 1960er Jahre das Erscheinungsbild der TAGESSCHAU.64 Auch die veränderten Ansprüche an den und die gewandelten Selbstverständnisse des politischen Journalismus trugen zu einer anderen Wahrnehmung von Nachrichtensendungen im Fernsehen bei. Die WOCHENSCHAU dagegen vollzog diese Änderungen nicht mit, sondern suchte ihr Überleben durch eine noch stärkere Unterhaltungsorientierung zu sichern, bis 1977 die letzte Wochenschau in nur noch wenigen Kinos gezeigt wurde. Die Parteilichkeit der WOCHENSCHAU wurde seit Ende der 1950er Jahren immer wieder stark kritisiert. So forderte z.B. Hans Magnus Enzensberger, die WOCHENSCHAU müsse zur politischen Aufklärung beitragen und kritisierte die unausgewogene Berichterstattung.65 Diese Veränderungen führten dazu, dass die Bilder der WOCHENSCHAU aus den 50er Jahren schon in den 1960er und spätestens ab den 1970er Jahren seltsam fremd wirkten. Ihre mediale Präsentationsform aber prägte durch ihre häufige Verwendung als Archivbilder in Geschichtssendungen audiovisuelle Geschichtsbilder in hohem Maße. Dabei gibt es mehrere Gründe, warum gerade die bundeseigenen Wochenschauen am häufigsten in Geschichtssendungen über die 50er Jahre zu sehen waren: Erstens scheint ihre Präsentationsform als durchgehender Filmbericht ohne Standfotos oder Sprecher im Bild die Erfordernisse von Archivbildern am besten zu erfüllen. Hinzu kommt, dass der Sprecherton zu den frühen TAGESSCHAUsendungen live gesprochen wurde und daher bei den archivierten Sendungen fehlt. Die Wochenschauen wurden dagegen als fertige Filmberichte produziert und archiviert. Zweitens stellten die Wochenschauberichte häufig die einzigen audiovisuellen Archivbilder zu konkreten politischen Ereignissen dar. Da die TAGESSCHAU in den 1950er Jahren nur über wenige eigene Filmteams verfügte und ansonsten Material der WOCHENSCHAU übernahm, fiel sie als eigene Bildquelle weitestgehend aus. Der dritte, vielleicht wichtigste Grund, hängt mit den unterschiedlichen Archivierungssituationen von WOCHENSCHAU und TAGESSCHAU zusammen. Im deutschen Fernsehen hat sich erst relativ spät ein Bewusstsein zur Archivierung audiovisuellen Materials herausgebildet. Bei der NDW wurden sowohl die fertigen Ausgaben als auch das nicht gesendete Material archiviert und erschlossen, um den Rückgriff auf vorhandene Beiträge zu ermöglichen.66 Das Archiv umfasst heute 64 Vgl. Garncarz: Bilderschau, S. 126. 65 Vgl. Knut Hickethier: »Ein staatliches Informationsorgan? Zur Organisation der Wochenschau nach 1945«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 21-24, hier S. 23. 66 Vgl. Ildiko Gieseler: »Das Archiv der Deutschen Wochenschau«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 73-80.

68 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

noch aus den 1950er Jahren die Wochenschauausgaben der NDW, von WIB, UFAWOCHE und dem seit 1954 monatlich erschienenen DEUTSCHLANDSPIEGEL sowie Sonderfilme und weiteres im Auftrag der NDW GmbH produziertes dokumentarisches Filmmaterial.

2. K INOFILME In der filmhistorischen Forschung gilt die Zeit zwischen 1945 und 1961 bzw. 1962 als zusammengehörige Epoche. Allerdings ist vielleicht kein anderer Zeitraum der deutschen Filmgeschichte so negativ beurteilt worden: »Hinter dem scheinbar harmlosen, trivialen Stoff blieben – so lautete die Argumentation – die meisten nach 1945 gedrehten Filme konservativ, wenn nicht gar reaktionär mit Blick auf ihre gesellschaftlichen Werte und politischen Überzeugungen.«67

Dieses schlechte Image des deutschen Nachkriegsfilms war sehr wirkmächtig.68 Es erscheint daher sinnvoll, einen Blick auf die Filmgeschichtsschreibung zu werfen und hieraus Tendenzen zur Kanonisierung bestimmter Genres oder Einzelfilme auszumachen, die dann die geschichtskulturellen Erinnerungspraxen an dieses Filmjahrzehnt bestimmten und so Rückwirkungen auf die Auswahl bestimmter Filme in Geschichtssendungen hatten. Schon viele zeitgenössische Kritiker, noch mehr allerdings die Kritiker Anfang der 1960er Jahre, erklärten das Kino der 50er Jahre für gescheitert und prägten im Oberhausener Manifest von 1962 den plakativen Slogan ›Papas Kino ist tot‹. Die Kritik zielte auf die »künstlerische Bedeutungslosigkeit«,69 die das Unterhaltungskino Ende der 50er Jahre dann in die Krise geführt hätte. Sabine Hake spricht von 67 Sabine Hake: Film in Deutschland. Geschichte und Geschichten seit 1895, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2004, S. 157. 68 »Das deutsche Kino zwischen 1945 und 1962, zwischen Kriegsende und Oberhausener Manifest, gilt als nur sekundär. Selbst wer im und mit dem Kino lebt, kennt es eher aus Be- und Verurteilungen als aus eigner Anschauung. Auf allen deutschen Fernsehkanälen sind diese Filme zwar zu sehen, aber in den Köpfen der Zuschauer und Kritiker sind sie kaum präsent, als Erinnerungen und Erwartungen«, Arne Andersen: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt am Main: Campus 1997, hier S. 167f. 69 Walther Schmiedling, zit. n. Hickethier, Knut: »Das bundesdeutsche Kino der fünfziger Jahre. Zwischen Kulturindustrie und Handwerksbetrieb«, in: Harro Segeberg (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 33-60, hier S. 34.

A RCHIVBILDER

| 69

»nachhaltigen Auswirkungen auf die Forschung«, die diese »pauschale Verabschiedung einer ganzen Epoche« hatte.70 Der Junge Deutsche Film, der Anfang der 1960er Jahre die Krise als Chance für sich selbst nutzte, prägte fortan die Kinoproduktion sowie die Filmwissenschaft. Die Filmgeschichte zwischen 1945 und 1962 wurde als »Zwischenphase«71 zwischen dem nationalsozialistischen und Neuen Deutschen Film bezeichnet, die als eigenständige Filmepoche kaum relevant gewesen sei. Die Kinokrise manifestierte sich seit 1958 in sinkenden Zuschauerzahlen. Nachdem die Kinobesuche zunächst ab 1945 stetig angestiegen waren und 1956 mit 817 Millionen ihren Höhepunkt erreichten, fielen sie seitdem stetig. Ein Grund dafür war das sich etablierende Fernsehen. Die auf den Binnenmarkt ausgerichtete, stark verflochtene bundesrepublikanische Filmwirtschaft erkannte zu spät die Potenziale, die sich aus einer Öffnung dem Fernsehen gegenüber hätten ergeben können, und war andererseits auf anderen Märkten im Ausland nicht konkurrenzfähig, sodass die finanziellen Einbußen durch sinkende Publikumszahlen nicht aufgefangen werden konnten.72 Die Filmwissenschaft verhandelte den deutschen Nachkriegsfilm in den 1970er Jahren hauptsächlich in ideologiekritischen, seit den 1980ern in sozialpsychologischen Kategorien, die die restaurativen Wertesysteme in den untersuchten Filmen und der Filmproduktion wiederfanden.73 Dabei suchten manche Autoren seit Mitte der 1980er Jahre nach positiven, teilweise nostalgischen Aspekten des Nachkriegsfilms. So plädierte Claudius Seidl in seiner populärwissenschaftlichen Betrachtung dafür, die Filme der 1950er Jahre als Zeitdokumente zu sehen, die »Städte, Dörfer, Landschaften der Bundesrepublik« so zeigen, »wie sie einmal waren«.74 Jedoch wiederholte auch Ursula Bessen 1989 in ihrer Dokumentsammlung zur populären Filmgeschichte der 1950er Jahre, dass die Nachkriegsfilme »bald wieder ins Unpo70 Hake: Film, S. 157f.; vgl. auch Hickethier: bundesdeutsche Kino, S. 34. Diese negative Sicht der Forschung galt auch dem Trümmerfilm und hielt sich dort mindestens bis zur Mitte der 1990er Jahre, vgl. Bettina Greffrath: Gesellschaftsbilder der Nachkriegszeit. Deutsche Spielfilme 1945-1949, Pfaffenweiler: Centaurus 1995, S. 19-27. 71 Harro Segeberg: »Mediale Mobilmachung und Kulturindustrie«, in: Ders. (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 9-32, hier S. 15f.; Hierbei verweist er auf den Titel des Sammelbandes von Hilmar Hoffmann/Walter Schobert (Hg.): Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989. 72 Vgl. Walter Uka: »Modernisierung im Wiederaufbau oder Restauration? Der deutsche Film in den fünfziger Jahren«, in: Werner Faulstich (Hg.), Die Kultur der fünfziger Jahre, Paderborn: Fink 2002, S. 71-90, hier S. 79f.; Andersen: Traum, S. 59. 73 Vgl. Hake: Film, 158f., 188f. 74 Claudius Seidl: Der deutsche Film der fünfziger Jahre, München: Heyne 1987, S. 49.

70 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

litische abglitten und eine neue, schöne Welt vorgaukelten […], die zwischen Restauration, Kitsch und Kommerz anzusiedeln waren: das typische Kino der 50er Jahre«.75 Erst seit Anfang der 1990er Jahre etablierte sich eine gewandelte Sicht auf den Nachkriegsfilm. Sie kontextualisierte die Filme im Rahmen des gesellschaftlichen Wiederaufbaus, nahm deren Identitätsangebote, Geschlechterkonstruktionen und die lange unbeachteten politischen Aussagen der Filme in den Blick.76 Damit schlossen sich die filmhistorischen Interpretationen auch bewusst an aktuelle geschichtswissenschaftliche Deutungsmuster der 50er Jahre an, die, Mitte der 1990er Jahre ebenfalls im Wandel begriffen, sozial- und gesellschaftsgeschichtliche Entwicklungen auf die von Arnold Sywottek und Axel Schildt geprägte Formel von der »Modernisierung im Wiederaufbau« brachten.77 Genres im Kino der 50er Jahre Der deutsche Film der 50er Jahre kann in verschiedene Genres eingeteilt werden, die in der Forschung unterschiedlich starke Aufmerksamkeit gefunden haben. Daher werden im Folgenden einige Genres kurz charakterisiert, die sowohl in der Forschung als auch als Bildreservoir in Geschichtssendungen überrepräsentiert waren. Als Trümmerfilme werden die Produktionen bezeichnet, »die die Niederlage Deutschlands und die Kriegszerstörung in ihren ungewöhnlichen Geschichten, Figuren und Drehorten thematisierten«.78 Der Trümmerbegriff wurde dabei schon zeitgenössisch zweideutig verwendet, als Visualisierung von Trümmerlandschaften und Thematisierung der »geistige[n] und moralische[n] Trümmer des Dritten Reiches«.79 Visuell boten die Filme eine typische »Bildatmosphäre«80 und narrativ ein 75 Ursula Bessen: Trümmer und Träume. Nachkriegszeit und fünfziger Jahre auf Zelluloid. Deutsche Spielfilme als Zeugnisse ihrer Zeit, Bochum: Brockmeyer 1989, S. 11. Dieser Bewertung wurden im letzten Kapitel ›bessere‹ Beispiele der Visualisierung der 50er Jahre im Neuen Deutschen Film entgegengestellt. 76 Vgl. Bärbel Westermann: Nationale Identität im Spielfilm der fünfziger Jahre, Frankfurt am Main: Lang 1990; Heide Fehrenbach: Cinema in democratizing Germany. Reconstructing national identity after Hitler, Chapel Hill, NC, London: University of North Carolina Press 1995; Harro Segeberg (Hg.): Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009; Uka: Modernisierung. 77 Explizit bei Uka: Modernisierung, S. 74; Schildt/Sywottek: Modernisierung. 78 Hake: Film, S. 166. 79 Jörg Schweinitz: »Trümmerfilm«, in: Thomas Koebner (Hg.), Reclams Sachlexikon des Films, Stuttgart: Reclam 2002, S. 629-630, hier S. 629. 80 Greffrath: Gesellschaftsbilder, S. 379.

A RCHIVBILDER

| 71

Ensemble typischer Erzählweisen und Figuren. So verwendet z.B. eine große Zahl von Filmen Heimkehr81 als Motiv, etwa in den Filmen DIE MÖRDER SIND UNTER 82 UNS (1946) , ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN (1947), … UND ÜBER UNS DER HIMMEL (1947), IN JENEN TAGEN (1947), BERLINER BALLADE (1948) oder LIEBE 47 (1949). Orientierungslosigkeit und Probleme bei der sowohl familiären wie gesellschaftlichen Reintegration kennzeichnen die Figuren dieser Filme, deren Geschichten in vielen Fällen aus der Perspektive des Heimkehrers erzählt wurden. Die Handlungsorte waren dabei vornehmlich die Großstädte mit ihren durch das Elend der ersten Jahre geprägten alltäglichen Lebensbedingungen, die häufig in melancholischen bzw. deprimierenden Schwarz-Weiß-Bildern inszeniert wurden. Die Ruinenlandschaften als Außenansichten waren allerdings nur in einigen, häufiger in ausländischen Filmen präsent, wie in EINE AUSWÄRTIGE AFFÄRE [A FOREIGN AFFAIR] (USA 1948) oder GERMANIA ANNO ZERO (IT 1948).83 Hauptangriffspunkt der Filmkritik war der Heimatfilm, der seit Willi Höfigs filmwissenschaftlicher Arbeit von 1973 in einer Vielzahl von Nachfolgestudien thematisiert wurde.84 Die Frage, warum der Heimatfilm so erfolgreich sein konnte, wurde mit der Bedienung konservativer Wertmuster erklärt, vor allem der »Hochschätzung der patriarchalischen Familie«, der »Bestätigung einer normativen Sexualmoral« und damit, dass er den »Rückzug in harmonische Welten« ermöglichte.85 Diese Sicht auf den deutschen Heimatfilm blieb bis in die 1990er Jahre in der Forschung vorherrschend, sodass seine Potenziale für die zeitgenössische Herausbildung neuer kollektiver Identitäten anhand des Heimatbegriffs und die Adaption von modernen Entwicklungen kaum in Betracht gezogen wurde.86 Visuell machte den Heimatfilm seine Farbigkeit attraktiv, die Anfang der 50er im deutschen Kino selten anzutreffen war. Dabei versuchten die Produzenten, vor allem durch Anwendung des Agfacolor-Verfahrens bei der Farbmischung im Gegensatz zum amerikanischen Kino ein realistischer wirkendes Farbbild herzustel81 Ebd., S. 197. 82 Alle im Folgenden genannten Filme ohne Ortsangabe wurden in den westlichen Besatzungszonen produziert. 83 Vgl. Hake: Film, S. 166. 84 Vgl. vor allem: Willi Höfig: Der deutsche Heimatfilm. 1947-1960, Stuttgart: Enke 1973; Gerhard Bliersbach: So grün war die Heide. Der deutsche Nachkriegsfilm in neuer Sicht, Weinheim, Basel: Beltz 1985; Tina Andrea Greis: Der bundesdeutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre, Frankfurt am Main 1992; Jürgen Trimborn: Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster, Köln: Teiresias 1998. 85 Alle Zitate in Hake: Film, S. 197. 86 Vgl. hierzu Harro Segeberg: »Grün ist die Heide. Zur Mentalitätsgeschichte des Heimatfilms«, in: Ders. (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 121-147.

72 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

len.87 Um diesen Effekt vorzuführen, stattete man beispielsweise die Schauspieler mit Kostümen in besonders bunt-leuchtenden Farben aus und zeigte eine Vielzahl von Landschaftsaufnahmen.88 Diese Überbetonung der Farbe wirkte später – im Zeitalter des Farbfilms und Fernsehens – unnatürlich. Ein Umstand, der wohl die spätere Kritik am Heimatfilm als »sentimentaler Kitsch«89 noch befördert haben dürfte. Viele zeitgenössische Kritiker hoben diese Farbbilder dagegen besonders positiv hervor: »Es sind bezaubernde plastische Bilder, wundervoll auch die Hochgebirgsstimmungen, besonders in märchenhafter Morgenfrühe.«90 Zum Teil aus den Heimatfilmen entwickelten sich die Musikfilme, die von der Operette, über Heimatmusik traditioneller Prägung zu Schlager-, Revue- und Jugendfilmen reichten. Die Schlager- und Revuefilme machten sich ihre engen Beziehungen zur Schallplattenindustrie zu Nutze. Die in den Filmen gespielten Titel wurden parallel zu Aufführungen in den Kinos im Hörfunk, später auch im Fernsehen gespielt.91 So waren viele Schlagerstars der 50er Jahre gleichzeitig Filmstars, wie Caterina Valente und Peter Alexander in LIEBE, TANZ UND 1000 SCHLAGER (BRD 1955) oder Peter Kraus und Cornelia Froboess in WENN DIE CONNY MIT DEM PETER (BRD 1958). Nach dem Vorbild der Elvis Presley-Filme produziert, erschienen diese Filme im Vergleich zu ihren amerikanischen Vorbildern eher gemäßigt. Die Filme spielten – eng verbunden mit den Urlaubsfilmen – in Ferienhotels oder Jugendinternaten, die »Sehnsüchte nach mehr Freizeit, nach Reisen in die weite Welt und einem besseren Leben«92 wecken sollten. Diese Filmbilder dienten in enger Abstimmung mit der Tourismusindustrie dazu, den Zuschauern die mögliche Erholung vom gesellschaftlichen Druck des wiedererstarkenden Wohlstandes zu zeigen. Daher »bezogen sich die Filmbilder unverhohlen auf die Rituale des Massenkonsums, um die gewünschten Erholungseffekte zu erzielen«.93

87 Vgl. ebd., S. 126f. 88 Vgl. ebd., S. 127. 89 Bliersbach: Heide, S. 15. 90 Der Förster vom Silberwald, in: Lübecker Nachrichten vom 15.4.1955, zit. n. Westermann: Spielfilm, S. 178. Hinweise zur Filmhandlung waren dagegen recht kurz gehalten oder fehlten völlig. 91 Diese Vermarktungsstrategie funktionierte beispielsweise bei dem heute noch bekannten Schlager »Das machen nur die Beine von Dolores«, der im Revuefilm DIE VERSCHLEIERTE

MAJA (1951) vorkam; vgl. Micaela Jary: Traumfabriken made in Germany.

Die Geschichte des deutschen Nachkriegsfilms 1945-1960, Berlin: Edition q 1993, S. 84f.; Hake: Film, S. 200. 92 Uka: Modernisierung, S. 83. 93 Hake: Film, S. 200.

A RCHIVBILDER

| 73

Militär-, Kriegs- und Antikriegsfilme bildeten in den 50er Jahren wichtige Genres – etwa 600 wurden hiervon hergestellt.94 Sie trugen dazu bei die Wiederbewaffnung und Remilitarisierung der Bundesrepublik visuell zu legitimieren und die ›anständigen‹ Soldaten und Offiziere im Zweiten Weltkrieg zu rehabilitieren. Sie verklärten oder verharmlosten häufig den Krieg, nur wenige versuchten eine kritische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. So kann als erster echter Antikriegsfilm auch erst Bernhard Wickis DIE BRÜCKE (BRD 1959) gelten.95 Enge Bezüge gab es häufig zwischen dem Kriminal- und Gegenwarts- bzw. Zeitfilm. In Georg Tresslers DIE HALBSTARKEN (BRD 1956) wurden authentisch inszenierte Bezüge zur Gegenwart eng mit den Darstellungskonventionen des Kriminalgenres verbunden.96 Authentizität wurde dabei vor allem über die Drehorte vermittelt: die Tankstelle, die Milchbar, das Schwimmbad – alles Orte der Alltagsund Jugendkultur in Zeiten des Wirtschaftswunders.97 Aber auch die »harten Schwarzweißkontraste« und die Einbeziehung von Symbolen der amerikanisch beeinflussten Jugendkultur der ›Halbstarken‹, wie Lederjacke, Rock’n’Roll-Musik, Mopeds und Petticoat, erzeugten den Eindruck einer authentischen Milieu-Studie. Dabei spiegelte der Film nicht primär die damalige Realität halbstarker Jugendkultur wider, sondern vielmehr die Ängste eines Großteils des zeitgenössischen Publikums, das mit den Halbstarken Kleinkriminalität und Randalierertum verband.98 So greift der Film den Mainstream der medialen Charakterisierung auf: »Als ›drohende Jugend‹ (so zeitgenössische Publikationen) erschienen Jungen und Mädchen, die nach eigenem Verständnis flotte Musik, schicke Kleidung, die Respektierung ihres Privatlebens und Freiräume für das Zusammensein mit Gleichaltrigen suchten. Diese Wünsche

94 Vgl. Uka: Modernisierung, S. 84. 95 Vgl. Ulrich Fröschle/Helmut Mottel: »›S’ist krieg, s’ist krieg‹ – Krieg im westdeutschen ›Antikriegsfilm‹ der fünfziger Jahre«, in: Harro Segeberg (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 367-410, hier S. 389-394; Uka: Modernisierung, S. 84.; Knut Hickethier: »Militär und Krieg. 08/15 (1954)«, in: Werner Faulstich/Helmut Korte (Hg.), Fischer-Filmgeschichte. 100 Jahre Film 1895-1995. Bd. 3: Auf der Suche nach Werten (1945-1960), Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1990, S. 222-251. 96 Vgl. Uka: Modernisierung, S. 85. 97 Vgl. Bessen: Trümmer und Träume, S. 280. 98 Vgl. Kaspar Maase: »Die Halbstarken. Bilder einer neuen Jugend«, in: Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 154-161, hier S. 156.

74 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN wurden aber als Angriff auf die Grundlagen des Staates interpretiert in Zeiten der Angst im Kalten Krieg.«99

In der heutigen Lesart wirkten die Geschichte und die Inszenierung an vielen Stellen klischeebeladen, damals aber galt der Film vielen Kritikern als realistische Milieustudie.100 Ebenfalls als Gegenwartsfilme konzipiert waren die meisten Komödien. Nachdem sich das Komödiantische in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erst wieder reetablieren musste, entstanden seit Mitte der 1950er Jahre zunehmend mehr so genannte Wirtschaftswunderkomödien, vor allem mit Heinz Erhardt. Im Rückblick erschien Erhardts fülliges Erscheinungsbild dann Mitte der 1980er Jahre wie der Prototyp des pejorativ verstandenen wirtschaftswunderlichen Kleinbürgers, wie das Zitat des Filmkritikers Dietrich Leder aus dem 1984 deutlich macht: »Er gleicht Figuren wie Oberländer, Globke, Seebohm, Erhard bis aufs Haar, die – durchweg mit Nazivergangenheit – in den fünfziger Jahren die Politik unter Adenauer bestimmten. Alles quadratische Biergesichter und auslaufende Fettberge, von der ersten Fresswelle die Speckschwarte unterm Gürtel geschwollen.«101

In den 50er Jahren verkörperte Erhardt dagegen für viele den »Durchschnittsbürger: gemütlich, verträglich und den Berufsschalk nur mit den Schmunzelgrübchen und den hellen Augen verratend«.102 Erhardt greift in seinen Komödien viele der Prozesse der dynamischen, gesellschaftlichen Entwicklungen des Wirtschaftswunders auf, so die Massentechnisierung, die Durchsetzung eines neuen, amerikanisierten Massenkonsums, aber auch die Verhäuslichung und Privatisierung des Alltagsle99

Ebd., S. 156. So rekurriert der Film bewusst auf visuelle Zeichen, die als bedrohlich wahrgenommen wurden, wie die Analyse des Filmplakates durch Kaspar Maase deutlich macht.

100 Vgl. ebd., S. 157. Vgl. aber dagegen die zeitgenössischen Kritiken, die diesen Realismus anzweifeln, in: Bessen: Trümmer und Träume, S. 282f. 101 Dietrich Leder, zit. n. Rolf Thissen: Heinz Erhardt und seine Filme, München: Heyne 1986, S. 26; vgl. Knut Hickethier: »›Zähne hoch und Kopf zusammenbeißen‹. Filmkomödien und der Komiker Heinz Erhardt«, in: Harro Segeberg (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 199-222, hier S. 213. Allerdings gab es genau zu dieser Zeit ebenfalls eine Art Renaissance Heinz Erhardts, in der die Programmkinos ihn »als einen komischen Vorfahren« entdeckten und Erhardt plötzlich als »liebenswerte Antifigur« erschien, die zum Teil subversiv-ironisch zur Grundstimmung der neuen bundesrepublikanischen Geschichtspolitik unter Kohl passte; vgl. Hickethier: Zähne hoch, S. 221. 102 Frankfurter Neue Presse vom 8.12.1958, zit. n. Hickethier: Zähne hoch, S. 212.

A RCHIVBILDER

| 75

bens. Die Figur des trottligen Durchschnittsdeutschen diente dabei vielen Zuschauern als verzerrter Spiegel eigener Lebensweisen, durch die sie über sich selbst lachen konnten. Dies funktionierte aber ohne kritische Satire, das Publikum konnte über sein neu gewonnenes Neu-Einrichten in den Wohlstand lachen. Die Figuren Erhardts wirkten dabei komisch, »weil sie in Milieus spielten, die in einer penetrant übertriebenen Weise die Wohlstandsgesellschaft ausstellten und damit – gewollt oder ungewollt – auch ironisierten. Diese neureichen Meublements versammelten alles, was in dieser Zeit als modisch galt, und in ihnen agierten die Figuren, als seien sie irgendwie dazu gestellt, als seien sie Karikaturen ihrer selbst. Man konnte die Erhardt-Figuren auch in den von den Handlungen her heute unerträglich bieder wirkenden Filmen als Kritik lesen und sie gleichzeitig als Symbole der filmischen Harmlosigkeit deuten.«103

Zeitkritik Explizit gesellschaftliche Zeitkritik blieb in den meisten Filmen aber aus. Wenn sie geübt wurde, dann in ironisch-satirischer Form104. Ein Beispiel hierfür bietet der Film WIR WUNDERKINDER (BRD 1958). In Form einer Chronik wurde anhand zweier Lebensläufe die Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und der zeitgenössischen Gegenwart dargestellt. Eingeschoben waren dabei kabarettistische Musikeinlagen von Wolfgang Müller und Wolfgang Neuss, die satirisch die jeweilige Handlungszeit kommentierten, so die Zeit der 50er Jahre mit dem »Lied vom Wirtschaftswunder«, welches mit dokumentarischen Montagen den Text visualisierte.105 Allerdings blieb WIR WUNDERKINDER, wie auch andere Satiren der 50er Jahre, sehr harmonisch in der Gesamtaussage, da positive Identifikationsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven für das zeitgenössische Publikum geschaffen wurden,106 die ihr Streben nach Sicherheit in den 50er Jahren unterstützten, das neu aufbauende 103 Vgl. Hickethier: Zähne hoch, S. 206. 104 Uka: Modernisierung, S. 86. 105 Neben dem »Konjunktur Cha cha cha« des Hazy Osterwald Sextetts von 1960 gehört es zu den meist zitierten Liedern, wenn es darum geht, die Mentalität der Wirtschaftswundergesellschaft wiederzugeben. 106 Dem Zuschauer wird in Hans Boeckel eine ausnahmslos positive Identifikationsfigur geboten, die sich in Abgrenzung zu Bruno Tiches als Mitläufer und Opportunist noch klarer herauskristallisiert. Kritik an dieser schemenhaften Figurenkonstellation übten auch schon zeitgenössische Kritiker, vgl. Michael Wenk: »›Aren’t we Wonderful?‹. Kurt Hoffmanns Filmsatire ›Wir Wunderkinder‹, die ›dennoch heitere Geschichte unseres Lebens‹«, in: Gesellschaft für Filmstudien e.V. (Hg.), Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen 1995, S. 65-78, hier S. 71.

76 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Gesellschaftssystem nicht grundsätzlich in Frage stellten und so auch das Prädikat ›besonders wertvoll‹ und den Bundesfilmpreis erhielten.107 Diese Art der Zeitsatire praktizierten eine Reihe von Filme gegen Ende der 1950er Jahre, so beispielsweise auch ICH DENKE OFT AN PIROSCHKA (BRD 1955), DAS WIRTSHAUS IM SPESSART (BRD 1958) und ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (BRD 1959). Bis zum Skandal brachten es dagegen zwei Filme, die vor allem aufgrund ihrer massenmedialen Rezeption seit dieser Zeit heute mit zu den bekanntesten Filmen der 50er Jahre gezählt werden können. DIE SÜNDERIN (BRD 1951) entfachte durch die massive Einmischung christlicher Kirchenvertreter eine Diskussion um Sexualität, Prostitution, Sterbehilfe und Selbstmord.108 DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) löste durch die Intervention des Auswärtigen Amtes einen Skandal aus. Dieses wollte den Film aufgrund seiner kritisch-satirischen Verbindung von Prostitution, nachkriegskapitalistischem Wohlstand und Doppelmoral der wirtschaftlichen und politischen Führungseliten nicht im Ausland gezeigt wissen. Beide Filme legten neuralgische »Normkonflikte« und »Tabubrüche«109 in der Gesellschaft der 50er Jahre offen und stellten daher, über den reinen Film hinausgehend, als öffentliche Debatten gesellschaftlicher Normen in anderen Massenmedien historische Ereignisse dar, die in späteren Geschichtsdokumentationen in Filmausschnitten visualisiert werden konnten. DAS MÄDCHEN ROSEMARIE eignete sich besonders gut, da die Verfilmung die wahre Begebenheit der Ermordung der Prostituierten Rosemarie Nitribitt thematisierte. Der Fall selbst war Ende der 1950er selbst schon eine skandalträchtige Geschichte. Seine zeitnahe Verfilmung löste wiederum einen klei-

107 Vgl. Bessen: Trümmer und Träume, S. 286-296. Vgl. auch Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München: Siedler 2009. Zu den politischen Implikationen der Filmförderung und -zensur in den 50er Jahren vgl. Hickethier: Bundesdeutsche Kino; Stephan Buchloh: ›Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich‹. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas, Frankfurt am Main: Campus 2002. 108 Vgl. Kirsten Burghardt: Werk, Skandal, Exempel. Tabudurchbrechung durch fiktionale Modelle: Willi Forsts ›Die Sünderin‹ (BR Deutschland, 1951), München: Diskurs Film Verlag 1996; Fehrenbach: Cinema, S. 92-117; Bessen: Trümmer und Träume, S. 182201. 109 Frank Bösch: »Historische Skandalforschung als Schnittstelle zwischen Medien-, Kommunikations- und Geschichtswissenschaft«, in: Fabio Crivellari/Kay Kirchmann/Marcus Sandl u.a. (Hg.), Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Unter Mitarbeit von Sven Grampp, Konstanz 2004, S. 445-464, hier S. 462.

A RCHIVBILDER

| 77

neren Skandal aus, der die Aufmerksamkeit für beide Ereignisse noch weiter verstärkte. 110 Bis Ende der 50er Jahre erlebte die deutsche Filmindustrie kommerziell gesehen eine Blütezeit. Dies ist auch in engem Zusammenhang mit einer ausgeprägten Starkultur zu sehen, die in diversen Illustrierten ihren Ausdruck fand. So gab es viele Zeitschriften, die – häufig auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet – spezielle Verbindungen von Kino und Starkult zum Hauptthema hatten, wie Film und Frau, Star-Revue oder Stars und Sterne.111 Die Kinokrise jedoch läutete trotz Kompensationsmöglichkeiten durch das Fernsehen und seine Stars vorläufig das »Ende jener Star-Epoche« ein, die erst mit den »strukturellen Veränderungen der bundesdeutschen Medienlandschaft«112 in den 1980er Jahren eine Wiederbelebung erfuhr. Archivierungspraxis Ein Großteil der Kinofilme der 1950er Jahre ist in Filmarchiven gesammelt worden. Einmal bestanden von Seiten der Produktionsfirmen und Verleihe der Filme Wiederverwertungsinteressen für erneute Kinovorführungen beispielsweise. Zum anderen wurde der historisch-kulturelle Wert bei Kinofilmen früher anerkannt als beispielsweise beim flüchtigen Medium Fernsehen. Vor allem der künstlerische Anspruch des Kinofilms trug dazu bei. Allerdings fehlt in Deutschland bis heute ein zentrales Filmarchiv, wie es in anderen Ländern existiert. Bestrebungen hierzu mündeten jedoch schon 1978 in einem staatlich subventionierten Kinemathekenverbund. Seither stimmen die großen Filmarchive ihre Sammlungstätigkeiten partiell untereinander ab. Das schon 1954 begründete Bundesarchiv-Filmarchiv in Koblenz und Berlin übernahm dabei die Funktion eines nationalen Filmarchivs für die Bundesrepublik und war seither für die Bewahrung der nationalen Filmproduktion zuständig. Dazu wurden auch frühere Produktionen angekauft. Zudem lagern dort seit 1990 die Bestände des ehemali-

110 Vgl. speziell zur Verbindung von Film und Mordskandal: Marli Feldvoß: »Wer hat Angst vor Rosemarie Nitribitt? Eine Chronik mit Mord, Sitte und Kunst aus den fünfziger Jahren«, in: Hilmar Hoffmann/Walter Schobert (Hg.), Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 164-182; Bernd Ulrich: »Rosemarie Nitribitt«, in: Stiftung Haus der Geschichte (Hg.), Skandale in Deutschland nach 1945, Bielefeld 2007, S. 50-59; vgl. Fröschle/Mottel: Krieg, S. 402. 111 Vgl. Ulrich von Thüna: »Filmzeitschriften der fünfziger Jahre«, in: Hilmar Hoffmann/ Walter Schobert (Hg.), Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 248-262. 112 Uka: Modernisierung, S. 87

78 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

gen staatlichen Filmarchivs der DDR.113 Neben dem Bundesarchiv-Filmarchiv gehören vor allem das Deutsche Institut für Filmkunde in Frankfurt am Main und Wiesbaden (DIF) und die Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin (SDK) zu den Institutionen mit endarchivarischer Kompetenz für fiktionale Filmproduktionen.114 Im Gegensatz zu anderen Medien und Zeiträumen kann daher von einer relativ guten Überlieferungssituation für Kinofilme der 50er Jahre gesprochen werden. Die drei Institutionen sind dabei auch Ansprechpartner, wenn es darum geht, Rechteinhaber entsprechender Filme ausfindig zu machen.

3. F ERNSEHSENDUNGEN Auch wenn Knut Hickethier in seiner Periodisierung der deutschen Fernsehgeschichte die Zeit zwischen Kriegsende und 1954 als »Phase des ›Wiederaufbaus des Fernsehens‹«115 bezeichnet, kann dennoch auch von einem Neuanfang gesprochen werden. Denn sowohl in institutionen- als auch programmgeschichtlicher Perspektive bedeutete die Nachkriegszeit eine Zäsur für die Fernsehgeschichte. Wie auch im Falle der WOCHENSCHAU stand das Fernsehen als Medium im besonderen Fokus der westalliierten Reeducation-Bestrebungen. Der Rundfunk wurde nach dem britischen Vorbild der BBC institutionalisiert und sollte so dem Einfluss sowohl der Regierungen als auch privatwirtschaftlicher Interessen entzogen werden.116 Der Maxime der Dezentralisierung folgte der Aufbau regionaler Rundfunkanstalten.117

113 Pollert: Film-und Fernseharchive, S. 87-95. 114 Ebd., S. 75. 115 Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 6. Die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms zwischen 1935 und 1943/44 wurde erfolglos wieder eingestellt, vgl. Monika Elsner/Thomas Müller/Peter M. Spangenberg: »Der lange Weg eines schnellen Mediums. Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens«, in: William Uricchio (Hg.), Die Anfänge des deutschen Fernsehens. Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945, Tübingen: Niemeyer 1991, S. 153-207. 116 Hodenberg: Konsens, S. 103. 117 Die Briten bauten in ihrer Besatzungszone mit dem NWDR für die Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg eine Rundfunkanstalt auf. Nach ähnlichem Prinzip wurde in der französischen Besatzungszone der SWF für Württemberg-Hohenzollern, Baden und Rheinland-Pfalz errichtet, während in der amerikanischen Besatzungszone nach dem föderalen Prinzip vorgegangen wurde und der BR, HR, RB und SDR gegründet wurden. Vgl. Joan Kristin Bleicher: »Institutionengeschichte des bundesrepublikanischen Fernsehens«, in: Helmut Kreuzer/ Christian W. Thomsen (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1:

A RCHIVBILDER

| 79

Auch aufgrund der knappen Budgetierung118 entschlossen sich die regionalen Rundfunkanstalten schon 1950 zur Ausstrahlung eines bundesweiten Gemeinschaftsprogrammes, organisiert in der »Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands« (ARD).119 Die Briten trieben den Aufbau des Fernsehens besonders voran, sodass der NWDR schon seit dem 25. Dezember 1952 ein offizielles Programm ausstrahlte, obwohl die bundesweite Ausstrahlung des ARD-Programms »Deutsches Fernsehen« erst am 1. November 1954 begann.120 Als mit Abstand größte Sendeanstalt in der BRD spielte sie eine entscheidende Rolle für die frühe Entwicklung des Fernsehens.121 Die Zeit zwischen 1952/54 und 1963 lässt sich als weitere Phase innerhalb der Fernsehgeschichte abgrenzen. Als offensichtlichste Begründung dient hierfür das Vorhandensein nur eines Programms.122 Allerdings entwickelte sich das Fernsehen in diesem Zeitraum zum Massenmedium. Versuche, diese Entwicklung und die gesendeten Inhalte politisch zu beeinflussen, gab es in mehreren Fällen, so beispielsweise bei Fritz Eberhard, der seit 1949 Intendant des SDR war. Die CDU machte seit 1952 gegen das SPD-Mitglied Stimmung und erwirkte schließlich 1958 seine Ablösung durch den CDU-Landtagsabgeordneten Hans Bausch. Dies hatte auch spürbare Auswirkungen auf die vorher regierungskritische Berichterstattung des Senders, der sich seitdem politikferner präsentierte.123 In Einzelfällen fanden sogar direkte inhaltliche Eingriffsversuche in das Programm statt, so bei einer fingierten Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hg. v. Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 67-134, hier S. 82f. 118 Anfangs finanzierte sich das Fernsehen aus den Hörfunkgebühren. 119 Vgl. Bleicher: Institutionengeschichte, S. 86. 120 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 76, 79. Schon seit dem 17. Juni 1950 hatte der NWDR mit der Ausstrahlung eines inoffiziellen Versuchsbetriebs begonnen. Seit dem 27.11.1950 betrieb er ein offizielles Versuchsprogramm unter dem Namen ›Nordwestdeutscher Fernsehdienst‹, der dreimal wöchentlich zwischen 20 und 22 Uhr sendete; vgl. ebd., S. 68. 121 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 93. 122 Das ZDF ging 1963 auf Sendung, die Dritten Programme starteten ab 1961. Konrad Dussel setzt die Zäsur schon 1961 und begründet den Beginn des »Fernsehzeitalters« mit dem ›Fernsehurteil‹ des Bundesverfassungsgerichts; vgl. Konrad Dussel: »Vom Radio- zum Fernsehzeitalter. Medienumbrüche in sozialgeschichtlicher Perspektive«, in: Axel Schildt/Detlef Siegfried/Karl Christian Lammers (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 673-694, hier S. 673f. 123 Vgl. Hodenberg: Konsens, S. 208f.; Konrad Dussel: Die Interessen der Allgemeinheit vertreten. Die Tätigkeit der Rundfunk- und Verwaltungsräte von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk 1949 bis 1969, Baden-Baden 1995, S. 455.

80 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

›Tonstörung‹ während eines Kabaretts von Wolfgang Neuss im Jahr 1955, nachdem er den damaligen Verteidigungsminister Blank in eine Linie mit Al Capone gesetzt hatte. Solcherart politische Einflussnahme führte zu einer Form des entschärften Kabaretts im Fernsehen. Die dahinterstehende Auffassung, dass sich das Fernsehen als Massenmedium mit Kritik sehr zurückhalten sollte. Darin stimmten Politiker und Rundfunkleute bis etwa 1958 überein.124 Dann vollzog sich laut Christina von Hodenberg ein »Umbruch«125 im Mediensystem, in dessen Zuge das Fernsehen auch zum Leitmedium aufstieg und zu einer »zeitkritischen« Berichterstattung kam.126 Das Fernsehen bewahrte sich danach – insbesondere im Vergleich zur Wochenschau – eine relativ starke Unabhängigkeit, die allerdings erst 1961 mit dem ›Fernsehurteil‹ des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt wurde. Programm Das Programm war zu Beginn der 1950er Jahre noch von Experimentierfreudigkeit und Konkurrenzlosigkeit geprägt. Im Gegensatz zum Kino bildete das Fernsehen eine große Zahl an Genres und Programmformen heraus und orientierte sich dabei an so unterschiedlichen Medien wie Radio, Zeitung, Kino oder Theater.127 Aus der Tradition der Varietés und dem Hörfunk heraus waren Bunte Abende Anfang der 1950er Jahre die Vorläufer späterer großer Samstag-Abend-Shows. Ein Moderator verband dabei die einzelnen Elemente bzw. Nummern, die Musik, humorvolle Auftritte, aber auch Kleinkunstdarbietungen, Akrobatik und Tanz umfassten.128 Zudem unterschied die dispositive Anordnung das Fernsehen vom Kino. Das Fernsehen hatte sich bis Anfang der 1960er Jahre in deutschen Wohnzimmern etabliert und wurde schon früh als »Medium der Biederkeit«129 in die Privatheit des Alltagslebens integriert. Dies brachte zwei Faktoren mit sich, die das Fernsehen vom Kino unterscheidbar machten: Die Authentizitätsinszenierung und den Live-Effekt. Das Fernsehen wollte im Gegensatz zu »den fiktionalen Traumwelten und Stars des Films«130 eine realitätsnahe Darstellung bieten, die sich an den alltäglichen Lebenswelten orientierte. So erschienen die frühen Sendungen des deutschen Fernsehens oftmals als »Pantoffelkino«, das, ähnlich dem Hörfunk, in kleinteiligen Pro124 Vgl. Hodenberg: Konsens, S. 216-219. 125 Vgl. ebd., S. 96. 126 Vgl. ebd., S. 294f. 127 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 80f. 128 Vgl. Gerd Hallenberger: »Graue Tage, Bunte Abende. Wege zur Fernsehshow«, in: Wolfgang Mühl-Benninghaus (Hg.), Drei Mal auf Anfang. Fernsehunterhaltung in Deutschland, Berlin: Vistas 2006, S. 139-160, hier S. 140-145. 129 Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 93. 130 Elsner/Müller/Spangenberg: Entstehungsgeschichte, S. 57.

A RCHIVBILDER

| 81

grammabschnitten Tipps, Kleinkunst-Nummern, Vorträge und anderes präsentierte.131 Dies korrespondierte mit der Privatheit der Fernsehrezeption, die sich in verschiedenen Genres abbildete. »Dabei sein … und doch im Hause gemütlich im Kreise seiner Familie sitzen, das ist das Fernsehen«, so lautete eine Zeitschriftenwerbung für einen Fernsehgerät von Philips aus dem Jahr 1953.132 Hieran schloss die Studiokulisse der politischen Diskussionsrunde der INTERNATIONALE FRÜHSCHOPPEN (ARD 1952-1987) an: »die Journalisten saßen an einem gewöhnlichen rechteckigen Wohnzimmertisch, und der gesamte Studioraum war mit Hilfe eines drapierten Perserteppichs und eines Blumenfensters mit Übergardinen und imitierter Garten-Aussicht wie eine ›gute Stube‹ bürgerlicher Mittelschichten der fünfziger Jahre stilisiert.«133

Die Kulisse gab dem Zuschauer die Möglichkeit die »Erfahrungsräume von ›Öffentlichkeit‹ und ›Privatheit‹« zu überbrücken.134 Das Fernsehen sollte den Zuschauern, die in ihren Wohnzimmer saßen, das Gefühl vermitteln, direkt mit der ›Außenwelt‹ auf vertraute Weise verbunden zu sein, so als säße ihnen jemand gegenüber. So berichtete der Tierfilmer Bernhard Grzimek von seinen Reisen im Studio »im Plauderton […] mit seinem Lieblingsäffchen auf dem Arm«135 (IM FERNSEH-ZOO [ARD 1953-1959]; EIN PLATZ FÜR TIERE [ARD 1956-1987]). Und selbst in den aufwendig produzierten Spielshows der 50er Jahre wurde das Publikum ins Geschehen mit eingebunden und frühe Fernsehstars wie Peter Frankenfeld bezogen ihre Popularität aus einer »Mischung aus Perfektion und Fehlerhaftigkeit«,136 die sie trotz ihrer Berühmtheit als Normalbürger erscheinen ließen. So erklärt sich auch die 131 Vgl. Heidemarie Schumacher: »Ästhetik, Funktion und Geschichte der Magazine im Fernsehprogramm der Bundesrepublik Deutschland«, in: Helmut Kreuzer/ Christian W. Thomsen (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 3: Informations- und Dokumentarsendungen, hg. von Peter Ludes, Heidemarie Schumacher und Peter Zimmermann, München 1994, S. 101-174, hier S. 106. 132 Peter Zimmermann: »Fernsehen in der Adenauer-Ära«, in: Heller, Heinz-B./ Zimmermann, Peter (Hg.), Blicke in die Welt. Reportagen und Magazine des nordwestdeutschen Fernsehens in den 50er und 60er Jahren, Konstanz: Ölschläger 1995, S. 181-162, hier S. 186, Abb. 19. 133 Elsner/Müller/Spangenberg: Entstehungsgeschichte, S. 61. Vgl. hierzu auch das Bild auf S. 60. 134 Elsner/Müller/Spangenberg: Entstehungsgeschichte, S. 58. 135 Zimmermann: Adenauer-Ära, S. 183; vgl. auch Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 82f. 136 Ricarda Strobel/Werner Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Bd. 1: Stars der ersten Stunde, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998, S. 51.

82 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Kritik, in die Frankenfeld Anfang der 1960er Jahre geriet. Ihm wurde vorgeworfen, er ginge zu harsch mit seinen Kandidaten um und zeige »Allüren«.137 Dies passte nicht zu den Erwartungen an einen Fernsehstar der 50er Jahre. Auf eine direkte Ansprache des Publikums waren auch die vielen Sendungen angelegt, die unter der Rubrik Lebenshilfe oder Ratgeber zusammengefasst werden können: Hier entstanden zielgruppenspezifische Programme, beispielsweise für Frauen. Aber auch Übungskurse für Tanz, Gymnastik oder Judo und Kochsendungen wurden ausgestrahlt.138 Die Sendungen vermittelten Verhaltensweisen von einem gesellschaftlich erwünschten »Mit-der-Zeit-gehen, Sich-den-Innovationenanpassen, Konsumieren, Einen-neuen-Stil-pflegen«.139 Damit waren sie Ausdruck und Taktgeber gesellschaftlicher Wünschbarkeiten und Konventionen einer beginnenden Konsumgesellschaft. Entsprechend wirkten sie später auch schnell in ihrer Machart und Botschaft antiquiert. Die direkte, ungestellte Vermittlung von Wirklichkeit wurde in Live-Übertragungen noch um die Zeitdimension erweitert. Das Gefühl des medialen Dabeiseins wurde damals als Sensation empfunden und faszinierte die Zuschauer.140 So arbeiteten die europäischen Rundfunkanstalten früh an einem Richtfunkstreckennetz, das 1953 schon die Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten Elisabeth II. ermöglichte, die zwischen 10 und 17 Uhr live gezeigt wurden.141 In der Folge nutzte man Liveübertragungen am häufigsten für Sportereignisse, wie das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern. Neben dieser spezifischen Sendeform des live Dabeiseins, wurden die meisten Sendeformen aufgrund des technischen Entwicklungsstandes direkt übertragen. Den optimalen televisuellen Übertragungsweg stellte die Liveübertragung des TVKamerabildes dar. Als alternative Methode bot sich der Einsatz aufgenommenen Filmmaterials an, der aber aufgrund seiner hohen Materialkosten nur dort eingesetzt wurde, wo eine Liveübertragung nicht möglich war, so für montierte Reportagen oder Nachrichtensendungen.142 Der Einsatz von Filmmaterial, also Aufzeichnungen, 137 Strobel/Faulstich: Fernsehstars, Bd. 1, S. 30. 138 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 84, 164. 139 Ebd., S. 164. 140 Die Übertragung von Großereignissen ließen die Teilnehmerzahlen kurzfristig signifikant ansteigen; vgl. ebd., S. 88. 141 Vgl. Elsner/Müller/Spangenberg: Entstehungsgeschichte, S. 54; Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 87. 142 Vgl. Siegfried Zielinski: »Zur Technikgeschichte des BRD-Fernsehens«, in: Helmut Kreuzer/Christian W. Thomsen (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hg. von Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 135-170, S. 143f.; Dagegen sah der verantwortliche Redakteur der TAGESSCHAU

A RCHIVBILDER

| 83

wie Spielfilme, galten als Überbrückungsmaterial, das nicht das eigentliche Wesen des Fernsehens ausmachte. So wurden in der Regel alle Studioproduktionen, unter anderem viele Fernsehspiele und fiktionale Serien wie DIE FAMILIE SCHÖLERMANN (ARD 1954-1960), Bunte Abende und Shows sowie Lebenshilfesendungen, direkt übertragen. Aber auch wo die Möglichkeit zum Einsatz von TV-Kameras bestand, wie bei Theateraufführungen oder Kabarettsendungen nutzten die Verantwortlichen diese Möglichkeit. Archivierungspraxis Zusammen mit weiteren Faktoren führte dies zu einer überaus lückenhaften Programmüberlieferung, was die 50er Jahre anbelangt. Sollten Live-Sendungen aufgezeichnet werden, so musste dies bis 1957/58 als Filmaufzeichnung (FAZ) geschehen, die Sendung also über das Fernsehbild abgefilmt werden. Aufgrund der hohen Kosten geschah dies nur bei aufwendigen Produktionen, vor allem Fernsehspielen.143 Erst die anfangs nur wenig kostengünstigere Alternative der Magnetaufzeichnung (MAZ), die ab 1958 zuerst beim SWF eingesetzt wurde, führte dazu, dass mehr Live-Sendungen aufgezeichnet wurden.144 Der Archivierung von Fernsehsendungen stand aber auch ein mangelndes Bewusstsein der Fernsehmacher für den Wert der Sendungen über die Erstausstrahlung hinaus im Weg.145 Im Laufe der 1950er und Anfang der 1960er Jahre bauten die meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar Fernseharchive auf, die Archivierung erfolgte aber vor allem nach Kriterien der Wiederverwertung. Anfangs war das Programmvolumen noch nicht derartig umfangreich, dass Wiederholungen im Programm eine signifikante Rolle gespielt hätten. Erst mit der Einführung der Dritten Regionalprogramme erhöhte sich die Nachfrage nach gesendetem Material enorm.146 Ein darüber hinaus gehender archivalischer Wert der Sendungen wurde lange nicht gesehen.147 Viele Sendungen wurden ganz im Gegenteil auch

Martin S. Svoboda es als Qualitätsmerkmal an, dass der live gesprochene Kommentar den eingespielten Bildern den Charakter einer lebendigen ›Direkt-Sendung‹ verlieh; Svoboda: Standfoto, S. 128, 131, 139. 143 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 70. 144 Vgl. Zielinski: Technikgeschichte, S. 151; ebd., S. 122f. 145 Vgl. Susanne Paulukat/Uwe Breitenborn: »Signaturen des Kalten Krieges. Zur medienhistorischen und dokumentarischen Bedeutung der deutsch-deutschen Programmbeobachtungen«, in: Rundfunk und Geschichte 33.1-2 (2007), S. 29-37, hier S. 30. 146 Vgl. Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 137. 147 Diese Auffassung war bis mindestens Ende der 1960er Jahre in den Fernseharchiven verbreitet, gilt allgemein aber auch für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Be-

84 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nach Einführung der MAZ wieder überspielt, um Material zu sparen. Auch wurden bei einer Wiederverwendung von Filmmaterialien die verwendeten Ausschnitte einfach herausgeschnitten und nicht wieder zurückgesetzt.148 Auf diese Weise existieren von vielen Sendungen der 50er Jahre gar keine Aufzeichnungen, von der populären Serie DIE FAMILIE SCHÖLERMANN (ARD 1954-1960) sind nur wenige Folgen erhalten, die erste Aufzeichnung einer Peter-Frankenfeld-Show datiert aus dem Jahr 1958.149 Erst mit dem so genannten »Regelwerk Fernsehen«, welches archivalische Bewahrungs- und Erschließungsstandards seit 1971 für die öffentlich-rechtlichen Fernseharchive etablierte, wurden die Fernseharchive als »Produktionsarchive mit endarchivarischer Kompetenz«150 verstanden. Zur Sicherstellung des Programmablaufs kamen nun Aufgaben zur Bewahrung und Erschließung von historischkulturell relevanten Fernsehproduktionen. Diese Kompetenzerweiterung wurde parallel durch die Einführung von EDV-basierten Datenbanksystemen begleitet. Im Zuge dessen kam es auch zu einer Teilerschließung von Altbeständen aus der Frühzeit des Fernsehens. Die Lückenhaftigkeit des Bestands früher Fernsehproduktionen der 50er Jahre blieb dabei aber natürlich bis in die Gegenwart bestehen.151

4. W ERBEFILME

UND - SENDUNGEN

Hermann Glaser schrieb 1986, dass die Werbung »eine zentrale Rolle« in der »›Dramaturgie der Wirtschaftswunderzeit‹«152 spielte. Wie diese aber tatsächlich aussah, stellt eine weitaus schwierigere Frage dar. Trotzdem gelten Werbung im Allgemeinen und Werbefilme im Speziellen seit den 1990er Jahre als Quellen der Mentalitätsgeschichte par excellence.153 Die relativ späte Beschäftigung mit Werwegtbildern als Geschichtsquellen; vgl. zu beidem Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 52, 136f. 148 Vgl. Strobel/Faulstich: Fernsehstars, Bd. 1, S. 36; Paulukat/Breitenborn: Signaturen, S. 30. 149 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 158; Strobel/Faulstich: Fernsehstars, Bd. 1, S. 36. Auch die »Westaufzeichnungen« der DDR brachten hier für die 50er Jahre keine Verbesserung des Archivbestandes; vgl. Paulukat/Breitenborn: Signaturen, 31f. 150 Pollert: Film- und Fernseharchive, S. 152. 151 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel I. 152 Hermann Glaser: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 2: Zwischen Grundgesetz und Großer Koalition 1949-1967, München: Hanser 1986, S. 97. 153 Vgl. Clemens Wischermann: »Einleitung«, in: Peter Borscheid/Clemens Wischermann/Hans-Jürgen Teuteberg (Hg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Steiner 1995, S. 8-19; Rainer

A RCHIVBILDER

| 85

bung als Quelle hängt mit kulturkritischen Diskursen zwischen den 1950er und 1970er Jahren zusammen. In diesen wurde Werbung als Manipulation der Konsumenten aufgefasst, sodass »im eher objektivistischen Wirklichkeits- und Vergangenheitsverständnis der meisten Historiker die Welt der Werbung eine Scheinwelt bleiben musste.«154 Diese Auffassung stand allerdings in einem starken Kontrast zu nichtwissenschaftlichen Beschäftigungen mit historischen Bildern aus der Werbung, die in diesen den Zeitgeist der jeweiligen Epoche sahen. Aber auch Medientheoretiker wie Marshall McLuhan äußerten sich nahezu euphorisch zum Quellenwert der Werbung: »Die Historiker und Archäologen werden eines Tages entdecken, daß die Werbung unserer Zeit die einfallsreichsten und tiefsten täglichen Betrachtungen darstellt, die eine Kultur je über ihr eigenes Tun und Lassen angestellt hat.«155

Die Diskussion um die Frage, ob Werbung nun Zerr- oder Spiegelbild gesellschaftlicher Dispositionen sei, erweiterte sich um ein Kommunikationsmodell, welches Werbung nicht nur als Reproduktion, sondern auch als Produktion von Mentalitäten verstand.156 Demnach können Werbefilme einerseits als »Projektionsschirme« betrachtet werden, in die »in verschlüsselter Form«157 »wesentliche Bestandteile kollektiver Vorstellungen, Weltbilder, Utopien und Träume eingelagert sind«.158 Andererseits enthalten sie auch realienkundliche Informationen über die Lebenswelt, indem sie Produkte der Konsumgesellschaft und Abläufe des Alltagslebens darstellen.159

Gries/Volker Ilgen/Dirk Schindelbeck: ›Ins Gehirn der Masse kriechen!‹. Werbung und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995; Siegfried J. Schmidt/Brigitte Spieß: Die Kommerzialisierung der Kommunikation. Fernsehwerbung und sozialer Wandel 1956-1989, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997, S. 49f. 154 Wischermann: Einleitung, S. 12. 155 Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle, Düsseldorf: Econ 1968, S. 252, zit. n. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 44. 156 Vgl. Wischermann: Einleitung, S. 11f.; 157 Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gehirn, S. 17. 158 Gerhard Paul: »Das HB-Männchen. Werbefigur des Wirtschaftswunders«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 1+2 (2007) (http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Paul-2-2007). Zugriff am 20. März 2010, Abs. 2. 159 Vgl. Paul: HB-Männchen, Abs. 2.

86 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Werbung im Kino und Fernsehen Weniger 1945 oder 1949, sondern die Währungsreform von 1948 bildete für die Werbung eine deutliche Zäsur in Westdeutschland. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde kaum Werbung in Auftrag gegeben, erst mit dem Einsetzen der neuen marktwirtschaftlichen Strukturen begann sich die Konsumwerbung zu reetablieren.160 Mit geringem Konkurrenzdruck bewarben viele Firmen ihre Produkte mit Slogans wie »Da bin ich wieder!«161 So versuchten die Produzenten auf Kontinuität und Wiedererkennung ihrer Marken zu setzen. Dies schlug sich auch personell und damit stilistisch nieder, denn viele Werbefachleute, die vor und während des Zweiten Weltkriegs Werbefilme hergestellt hatten, kamen auch danach wieder in den Werbeagenturen unter.162 Gleichzeitig orientierte sich die deutsche Werbebranche stark an den USA. Die wichtigsten Agenturen in den 1950er Jahren waren amerikanisch geführt, viele Fachleute waren entweder Amerikaner oder hatten längere Zeit in den USA Erfahrungen gesammelt. Dies führte zu Werbefilmen, die eng an amerikanischen Stilmustern orientiert waren.163 Im Kino wurden Werbefilme wie schon in den Jahrzehnten zuvor im Vorprogramm gezeigt. Die vergleichsweise niedrigen Kosten dafür führten dazu, dass die Filme anfangs häufig länger als zwei Minuten dauerten. Im Fernsehen begann der Bayerische Rundfunk im Jahr 1956 mit der Ausstrahlung von Werbung.164 Im Regionalfenster zwischen 19:30 und 20 Uhr wurden anfangs sechs Minuten lang Werbefilme eingespielt. Bis 1959 zeigten alle regionalen Rundfunkanstalten Werbeprogramme, wobei es dank nur eines Programms noch wenig Konkurrenzdruck gab. Die Kinowerbung übte starke stilbildende Wirkung auf die Fernsehwerbung aus, die erst mit der Zeit eigene Darstellungsstile etablierte. Allerdings unterschied sich die Farbigkeit die Kinowerbung deutlich vom bis 1967 schwarz-weiß ausgestrahlten Fernsehbild.165

160 Vgl. Günter Agde: Flimmernde Versprechen. Geschichte des deutschen Werbefilms im Kino seit 1897, Berlin: Das Neue Berlin 1998, S. 152; Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 134-136. 161 Slogan für Fewa-Waschmittel von 1950; vgl. Agde: Flimmernde Versprechen, S. 152. 162 Vgl. hierzu biografische Beispiele bei ebd., S. 140-146. 163 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 136f. 164 Vgl. hierzu ausführlich Bettina Hasselbring: »Einführung des Werbefernsehens in Bayern (1956)«, in: Rundfunk und Geschichte 23 (1997), S. 111-118. 165 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 130f.

A RCHIVBILDER

| 87

Stile und Botschaften Die Werbefilme der 1950er Jahre lassen sich grob in drei Formen gliedern: Erstens den Trickfilm, der als Zeichentrick oder Puppentrick vorkam. Beide Formen hatten den Werbefilm der 1920er und 1930er Jahre dominiert und reetablierten sich auch nach 1945 wieder, was nicht zuletzt an personellen Kontinuitäten lag. Zeichner wie Hans Fischerkoesen konnten auch nach 1945 wieder im Werbefilmbereich weitermachen und schon bekannte Werbefiguren wie den Erdal-Frosch oder die Elefanten-Schuhe weiterführen.166 Als Puppenfigur erlebte Mecki seine Wiederaufführung.167 Diese traditionellen Formen traten im Laufe der 50er Jahre zugunsten der Realfilme immer mehr zurück – ein Trend, der mittelfristig zum nahezu vollständigen Verschwinden von Trickfilmen in der Werbung führte. Hier etablierten sich Formen mit Spielhandlungen und welche, bei denen das Abfilmen von Produkten im Vordergrund stand. Der Realfilm gewann mit der aufkommenden Konsumgesellschaft an Bedeutung, orientierte sich aber auch am vermehrten Einsatz von Fotografien im Bereich der Printwerbung, der durch technische Innovationen wie Farbdrucke an Attraktivität gewann.168 Als drittes etablierten sich Mischformen, in denen meist vor einem real gefilmten Hintergrund Trickelemente eingefügt wurden. Was charakterisierte nun den Stil von Werbefilmen in den 50er Jahren? Die Werbung zu dieser Zeit formulierte die »Botschaft einer zauberhaften Zukunft«.169 Dabei nahm sie im Wirtschaftswunder seit Ende der 1950er Jahre eine »wichtige Rolle bei der Propagierung einer materialistischen Konsumhaltung der deutschen Bevölkerung« ein.170 Die Werbung spiegelte Konsumbedürfnisse und erreichbare, wie unerreichbare Konsumwünsche eines Großteils der Bevölkerung wider. Für Waschmaschinen beispielsweise wurde zwar schon seit 1951 geworben und seit Mitte der 50er Jahre auch für so genannte Vollwaschautomaten, aber noch 1962 waren erst in einem Viertel der Haushalte nicht- oder teilautomatisierte Maschinen vorhanden, und nur in neun Prozent der Haushalte Vollautomaten.171 Zudem sugge166 Vgl. Agde: Flimmernde Versprechen, S. 156. 167 Vgl. Georg Seeßlen: »Die verigelte Zeit. Mecki – Mythologie eines deutschen Igels«, in: Deutsches Filmmuseum (Hg.), Mecki – Märchen und Schnurren. Die Puppenfilme der Gebrüder Diehl, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1994, S. 78-91, hier S. 82f; Lu Seegers: Hör zu!. Eduard Rhein und die Rundfunkprogrammzeitschriften (1931-1965), Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2001, S. 202-204. 168 Vgl. Agde: Flimmernde Versprechen, S. 152-155. 169 Vgl. Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gehirn, S. 93. 170 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 171. 171 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Heike Weber: »›Kluge Frauen lassen für sich arbeiten!‹. Werbung für Waschmaschinen 1950-1995«, in: Technikgeschichte 65.1 (1998), S. 27-56.

88 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

rierte die Werbung eine Einfachheit in der Bedienung der Maschinen, die so nicht der Realität entsprach. Werbespots zu Vollwaschautomaten können also durchaus als Träume von Konsumenten beschrieben werden. Die Begleitung der Konsumkultur durch die Werbung lässt sich an der Werbefigur des HB-Männchens, welches ab 1958 im Fernsehen zu sehen war,172 illustrieren: Hauptfigur Bruno machte alle Trends der Konsumgesellschaft mit, besaß moderne Einrichtungsgegenstände, wie die Klappcouch oder automatisierte Haushaltsgeräte und fuhr mit dem eigenen Auto in den Urlaub. Aber auch Phänomene des Alltagslebens, wie die neuen Selbstbedienungsläden wurden aufgegriffen. Damit spiegelte die HB-Werbung inhaltlich »die Einrichtungs-, Konsum- und Reisewelle wider, während die so genannte Fress- und Bekleidungswelle bereits hinter den Bundesbürgern lag.«173 Auffällig ist die Dominanz von Gereimtem und Gedichtetem. Nicht nur viele Werbebotschaften waren in längeren Passagen gereimt, auch Dialoge in Spielhandlungen. Dies kann als »Beitrag zur neuen Anständigkeit und Gesittetheit« interpretiert werden, die »als korrektes Formgebilde« die »Synthese von Biedermeier und Modernität« ausdrückte.174 Die Modernität, die amerikanisch konnotiert war – wie übrigens die gesamte Werbung –, ging einher mit der Suggestion von Machbarkeit und Leichtigkeit, wie es sich in den Zeichentrickfilmen von Hans Fischerkoesen ausdrückte. Sein Stil war die Vermenschlichung von Tieren und Verlebendigung von Gegenständen, wie beispielsweise von Autos und Benzinzapfsäulen in einer Aral-Kinowerbung. Das Auto ist hier der lebendige Gefährte des Menschen, Umweltschutz taucht noch nicht auf, Natur und Technik stellen noch keine Widersprüche dar.175 Der Zeichenstil erinnert hier wie auch in anderen Spots an DisneyFiguren, was die Verbindung von Amerikanisierung und Modernität weiter betont.176

172 Paul: HB-Männchen, Abs. 6; mittlerweile sind mehrere DVDs und vorher schon VHSKassetten mit Zusammenstellungen von Werbespots zum HB-Männchen erschienen, zuletzt DAS HB-MÄNNCHEN UND SEINE ABENTEUER (Tacker-Film, 2010). Leider fehlen meistens die Jahresangaben, sodass häufig das Alter der bis 1984 produzierten Werbespots nur geschätzt werden kann. 173 Paul: HB-Männchen, Abs. 11. 174 Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gehirn, S. 109. Dies lässt die Werbefilme heute gestelzt und unfreiwillig komisch wirken. 175 Vgl. Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.): Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wiss. Buchges., [Abt. Verl.] 1988, S. 167-169; Teile des Spots sind zu sehen in RENDEZVOUS UNTERM NIERENTISCH (BRD 1986). 176 Vgl. Agde: Flimmernde Versprechen, S. 156.

A RCHIVBILDER

| 89

Strategien, die auf die Einlösung von Werbeversprechen aufbauten, fanden sich beispielsweise in den Werbefilmen für das Tonikum Frauengold.177 Die Spots inszenierten fiktive Alltagssituationen, in der eine Frau sich von vermeintlichen Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen lässt, so z.B. dadurch, dass ihr Mann eine Blumenvase umwirft. Die Auflösung des Spots preist als Lösung die Einnahme des Tonikums ein, um in diesen Situationen die Ruhe bewahren zu können. Der Film verspricht Lösungen für Frauen, denen die Überbelastungen des Alltags zu viel werden. In diesen wie auch anderen »Pseudo-Spielfilmhandlungen« waren die Wertesysteme der 50er Jahre deutlich erkennbar. Wie auch in populären Kinogenres wie dem Heimatfilm zeigten die Werbefilme Träume einer ›heilen Welt‹, »die fortschrittsorientiert nach vorne blickte und alle Schatten der Vergangenheit mied oder argumentativ wegeskamotiere.«178 In einem Werbefilm für die Zigarettenmarke Overstolz von 1956 wurde dies deutlich: Die Frau verabschiedet ihren Mann an seinem Wagen auf dem Weg zur Arbeit. Es entsteht ein kurzes Gespräch darüber, dass die Frau etwas »leicht Bekömmliches« kochen soll, wie es auch die Zigaretten, die er mitbekommt, zu sein versprechen. Beide Partner sind mit der klaren Rollenverteilung, er als Ernährer, sie als Unterstützerin und Hausfrau, überglücklich, was dadurch verstärkt wird, dass beide gereimt sprechen. Das Auto als Traum von der Mobilität ist ebenfalls schon wie selbstverständlich vorhanden, die im Hintergrund zu sehende Neubausiedlung verspricht höchste Modernität im Wohnkomfort. So kristallisierten sich in Werbefilmen wie diesem verschiedene Träume und Wünsche der Konsumkultur, verbunden mit klar konservativ ausgerichteten Wertesystemen heraus. Mit der Professionalisierung der Wahlkämpfe im Laufe der 1950er Jahre wurden zur Bundestagswahl 1957 demoskopische Daten und Werbeagenturen hinzugezogen. Der Werbeslogan der CDU »Keine Experimente« stammte von Hubert Strauff, der auch den Coca Cola-Slogan »Mach mal Pause« erfunden hatte.179 Visuell umgesetzt wurde »Keine Experimente« in einem Zeichentrickspot, der Adenauer an einem Schaltpult zeigt, der alle Hebel souverän zu bedienen und auszubalancieren weiß.180 Der Stil der Spots folgt in seiner gereimten Sprechweise und Darstellung Zeichentrickfilmen der 50er Jahre.

177 Der Spot ist zu sehen im Film Rendezvous unterm Nierentisch (BRD 1986) und ebenfalls bei YouTube: http://www.youtube.com/ watch?v=V0IgdSxtZU0. Zugriff am 23. September 2012. 178 Beide Zitate: Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 170. 179 Vgl. Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gehirn, S. 92-103. 180 Dieser wie auch andere Wahlwerbespots der CDU sind erhalten im Archiv für Christlich-Demokratische Politik in Sankt Augustin.

90 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zeitlich betrachtet herrscht in der Forschung die Auffassung vor, die Werbung der 50er Jahre sei eher noch in einer Kontinuität mit den 1930er Jahren zu sehen; eine entscheidende Zäsur sei erst Mitte der 1960er Jahre anzusetzen, was sowohl für Werbestile als auch für Werbestrategien gilt. Grundsätzlich führte der ökonomische Aufschwung zuerst in der Printwerbung zu einem Übergang zu einer LifestyleStrategie, im Werbefilm erst Mitte der 1960er Jahre. Im Vordergrund standen ab da vor allem das Gefühl beim Fahren und nicht mehr nur die verlässliche Technik oder der niedrige Preis.181 Hinzu kamen Veränderungen in den Werbeagenturen, die zu einer Verwissenschaftlichung der Werbearbeit führten. Der verstärkte Einsatz von Marktforschung nach amerikanischen Vorbild führt seither zu viel stärker zielgruppenspezifischen Werbestrategien, wie beispielsweise bei Coca Cola182 oder Sinalco183. Archivierungspraxis Viele der Werbefilme der 1950er Jahre sind nur mit viel Aufwand recherchierbar bzw. ganz verloren gegangen.184 Nach Ausstrahlungsende gingen die Spots meist zurück an die Produktionsfirmen bzw. die Werbeagenturen. In beiden Fällen existierten keine archivalischen Strukturen, da wie schon im Falle der Fernseharchive das Bewusstsein für den historischen Wert alter Werbefilme kaum vorhanden war und ihr kommerzieller Wer nach der Ausstrahlung wegfiel. Da die Unterhaltung von Filmarchiven kostspielig war und ist, wurden ebensolche in den Firmen kaum gepflegt. In den folgenden Jahrzehnten entstanden erst spät und nur wenige Institutionen, die archivalische Aufgaben übernahmen, so in begrenztem Maße der 1964 gegründete Art Directors Club, der in den ersten Jahren aber nur wenig archivierte.185 Das deutsche Werbemuseum in Frankfurt bemüht sich seit 1988 um die Sicherung von Werbematerial.186 Auf kommerzieller Ebene gründete sich beispielsweise 181 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 144; Wischermann: Einleitung, S. 17. 182 Vgl. hierzu Rainer Gries: »Coca-Cola. Globale Werbeikone und Symbol der Amerikanisierung«, in: Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 162-169, hier S. 166. 183 Hans-Gerd Schmidt: »Wie Zeitgeist in die Werbung kommt. Aspekte einer produktionsästhetischen Analyse von Sinalco-Werbefilmen«, in: Hans-Gerd Schmidt (Hg.), Werbefilme. Spiegel der Zeiten – Chronik des Alltags, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2002, S. 67-88, hier S. 73-78. 184 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 167; Agde: Flimmernde Versprechen, S. 6. 185 Vgl. Schmidt/Spieß: Kommerzialisierung, S. 163. 186 Vgl. http://www.werbemuseum.de. Zugriff am 26. März 2010. Zu einigen der regelmäßigen Ausstellungen sind DVDs mit Sammlungen mit Werbefilmen erschienen.

A RCHIVBILDER

| 91

1989 in Köln die Tacker Film GmbH, deren Geschäftsführer seit 1994 Wolfgang Dresler ist, der Mitautor des 1986 erfolgreichen Werbekompilationsfilms RENDEZVOUS UNTERM NIERENTISCH (BRD 1987). Die Firma vertreibt aus einem eigenen Werbefilmarchiv Filmmaterial, dessen Rechte allerdings nur in bestimmten Fällen bei der Tacker Film GmbH liegen.

III. 1959 bis 1976 – Formierungen »Die Nachkriegszeit ist zu Ende!« LUDWIG ERHARD, 19651

1. ›N ACHKRIEGSZEIT ‹ UND ›ÄRA ADENAUER ‹ ZWISCHEN W IEDERAUFBAU UND R ESTAURATION Entschieden verkündete Ludwig Erhard in seiner Regierungserklärung von 1965, dass eine erste Zäsur der jungen Bundesrepublik erfolgt sei. Eine neue, zahlenmäßig immer größer werdende Generation sei herangewachsen, die den Krieg nicht mehr erlebt habe, die aber vom Wiederaufbau in der Bundesrepublik geprägt worden sei. Der politische Blick solle sich daher auf die Zukunft richten und das bisher Erreichte bewahren und weiterentwickeln.2 Hiermit verband Erhard den »politischen Souveränitätszuwachs und die wirtschaftliche Prosperität der jungen Bundesrepublik«.3 Schon in seiner Regierungserklärung von 1963 hatte Erhard den erfolgreichen Wiederaufbau als Möglichkeit angesehen, ein »gesunde[s] nationale[s] Selbstbewusstsein« wiederzuerlangen4, denn da die drängendsten Probleme der Nachkriegszeit »bewältigt« worden seien, könne auf diese Zeit positiv zurückge-

1

Regierungserklärung L. Erhard, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 179, 11.11.1965, S. 1449, zit. n.: Conze: Suche, S. 285.

2

Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hg.): Verhandlungen des Deutschen Bundestages. 5. Wahlperiode. Stenographische Berichte, Bd. 60, 1.-24. Sitzung, Bonn 1965, S. 42914310.

3

Klaus Naumann: »Die Frage nach dem Ende. Von der unbestimmten Dauer der Nachkriegszeit«, in: Mittelweg 36 8.1 (1999), S. 21-32, hier S. 22.

4

Die schloss vor allem auch eine ›Bewältigung‹ der nationalsozialistischen Vergangenheit mit ein, vgl. Julia Weis: »›Die Nachkriegszeit ist zu Ende‹«, in: Torben Fischer/Matthias N. Lorenz (Hg.), Lexikon der ›Vergangenheitsbewältigung‹ in Deutschland. Debattenund Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld: transcript 2007, S. 157-159, hier S. 158.

94 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

blickt werden. Die Chiffre von der Nachkriegszeit, verstanden als Zeitraum zwischen 1945 und 1965, wurde bei Erhard so zum positiv besetzten »Bewältigungsbegriff«5 und sollte der Wiederherstellung einer geschichtspolitischen Identität dienen. Hinter Erhards Diktum vom Ende der Nachkriegszeit steckte darüber hinaus die Hoffnung, damit die ›Ära Adenauer‹ hinter sich zu lassen, in deren Schatten er als Bundeskanzler regierte. Dieses Ansinnen war keineswegs abwegig. Durch den Rücktritt Adenauers 1963, den Tod Theodor Heuss’ und Erich Ollenhausers im selben Jahr und schließlich Adenauers Tod im Jahr 1967, entstand bei vielen der Eindruck, eine ›Ära‹ sei zu Ende gegangen und die Gründungsphase der Bundesrepublik werde nun historisch.6 Die ungeheure gesellschaftliche Dynamik, die die 1960er Jahre charakterisierten,7 trug ihr Übriges dazu bei, vielen Zeitgenossen das Gefühl zu vermitteln, am Übergang zu einer neuen Gesellschaft zu stehen.8 Damit wuchs auch das Interesse an der Vorgeschichte dieses Umbruchs. Insofern wirkten der Regierungswechsel 1963, der Tod Adenauers 1967 sowie die gesteigerte gesellschaftliche Dynamik der 1960er Jahre katalytisch auf die Historisierung der 50er Jahre. Zwei Akteursgruppen trieben seit Anfang der 1960er Jahre die ersten Historisierungen des zu Ende gegangenen Jahrzehnts voran: einerseits die politischen Journalisten, die in ersten Bilanzziehungen zur jüngsten Zeitgeschichte ihre Sicht auf die ersten Jahre der Bundesrepublik und damit ihres beruflichen Schaffens ausdrückten und andererseits Künstler und Kulturschaffende, die ihre Kritik an den restaurativen Tendenzen der Regierungspolitik Adenauers äußerten. Dies fiel zusammen mit Wandlungen im Selbstverständnis sowohl von Journalisten wie von Künstlern. Im Journalismus kam es zu einem ersten generationellen Wechsel. Die in die Redaktionen drängenden ›45er‹ vertraten die Ansicht, eine insgesamt kritischere politische Berichterstattung führe zu einer inneren Demokratisierung der Gesellschaft.9 Sie wandten sich von der vorherrschenden Praxis des »Konsensjournalismus« ab. 5

Naumann: Frage nach dem Ende, S. 22.

6

Vgl. Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 248.

7

Vgl. Axel Schildt/Detlef Siegfried/Karl Christian Lammers (Hg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg: Christians 2000; Matthias Frese/Julia Paulus/Karl Teppe (Hg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn: Schöningh 2003.

8

Vgl. Axel Schildt: »Materieller Wohlstand – pragmatische Politik – kulturelle Umbrüche. Die 60er Jahre in der Bundesrepublik«, in: Axel Schildt/Detlef Siegfried/Karl Christian Lammers (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 21-53, hier S. 21; Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 239f.

9

Vgl. Hodenberg: Konsens, S. 248ff., 258f.; zu den ›45ern‹ als Generationsbegriff vgl. Dirk Moses: »Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie«, in: Neue Sammlung 40.2 (2000), S. 233-263.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 95

»Zeitkritik« wurde zum bestimmenden Prinzip vieler Medien, als Vorbilder fungierten bald die Fernsehmagazine PANORAMA (ARD 1957ff.) und REPORT (ARD 1960ff.). Die neue journalistische Praxis war explizit gegen die Politik der Mediensteuerung der Regierungen Adenauer und Erhard gerichtet. Medien wie Der Spiegel, Illustrierte wie Quick oder Stern sowie das Fernsehen machten politische Eingriffe in die Berichterstattung zunehmend publik. Die Spiegel-Affäre von 1962 bildete dabei einen Höhepunkt in einer längeren Reihe von Skandalen.10 In diesem Kontext erschienen auch eine Reihe regierungskritischer Bücher, die Zeitkritik mit Versäumnissen der Vergangenheit verbanden. Die zuerst in der politischen Publizistik gebrauchte Kennzeichnung der 50er Jahre als »Ära Adenauer«11 für die Zeit zwischen 1949 und 1963, hatte also einen dezidiert kritischen Hintergrund. Tendenzen zu einer offeneren, direkten Kritik zeigten sich auch unter Schriftstellern und Künstlern. Hier war ein »enormer Politisierungsschub«12 zu verzeichnen. Zur Bundestagswahl 1961 riefen Schriftsteller zur Abwahl der CDU-geführten Regierung auf.13 Die Reichweite des Phänomens der Regierungskritik illustrierte der Sammelband »Bestandsaufnahme. Eine deutsche Bilanz 1962«,14 in dem neben Schriftstellern der Gruppe 47 auch Golo Mann und Ralf Dahrendorf oder Publizisten wie Erich Kuby Artikel verfassten. Den von Erhard positiv besetzten Begriff der Nachkriegszeit verwendeten die Kritiker als »Protestbegriff«.15 Die Nachkriegszeit sei eine Zeit der ›Restauration‹ gewesen, wobei der vage Sammelbegriff der ›Restauration‹ die Fehlentscheidungen und verpassten Chancen seit 1945 bündelte. Er war schon Anfang der 50er Jahre von Walter Dirks in den Frankfurter Heften aufgebracht worden. Dirks bezeichnete damit das seiner Ansicht nach zeitgenössische Problem, die Deutschen neigten im Zuge der Wiedererlangung von politischer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität 10 Hodenberg: Konsens, S. 323ff. 11 Vgl. Wilhelm Treue: Deutsche Geschichte. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Adenauer, Stuttgart: Kröner 1958; Marion Dönhoff: Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer. Kritik und Perspektiven, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1963; Paul Sethe/Ferdinand Fried/Hans Schwab-Felisch: Das Fundament unserer Zukunft. Bilanz der Ära Adenauer: politisch, wirtschaftlich, kulturell, Düsseldorf: Econ 1964; Die Ära Adenauer. Einsichten und Ausblicke, Frankfurt am Main: Fischer 1964; vgl. hierzu Anselm Doering-Manteuffel: »Deutsche Zeitgeschichte nach 1945«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), S. 1-29, hier S. 9. 12 Axel Schildt/Detlef Siegfried: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik – 1945 bis zur Gegenwart, München: Hanser 2009, S. 224. 13 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 225. 14 Hans Werner Richter (Hg.): Bestandsaufnahme. Eine deutsche Bilanz, München: Desch 1962. 15 Naumann: Frage nach dem Ende, S. 23.

96 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

zu einer geistig-kulturellen Restauration.16 Eugen Kogon nahm den Begriff 1952 als »gesellschaftliche Grundlage« der 50er Jahre auf.17 Mit der Zeitdiagnose war eine kulturkritische Haltung verbunden, die die »flukturierende Massengesellschaft« als bedrohlich empfand, da sie zu Stillstand und Selbstgenügsamkeit führe.18 Insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren stand die Restaurationsthese für die mangelnde Reformbereitschaft der Nachkriegszeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In Kontinuität zu Dirks und Kogon wurde dies gesellschaftlich begründet, wurden beispielsweise die Gewerkschafts- oder Bildungspolitik zum Anlass genommen, um versäumte Reformen aufzuzeigen.19 Auf der gesellschaftlichen Ebene kritisierten die Vertreter der Restaurationsthese vor allem die gescheiterte Entnazifizierung bzw. die Rückkehr von durch den Nationalsozialismus belasteten Personen in öffentliche Positionen.20 Die zuerst durch DDR-Historiker lancierten Thesen wurden seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zunehmend auch in der bundesrepublikanischen Wissenschaft rezipiert, führten partiell zu einer Abkehr von prowestlichen Deutungen der Besatzungszeit und der frühen 50er Jahre und verstärkten den vorhandenen Trend zur (ideologie-)kritischeren Betrachtung der Nachkriegszeit.21 Unter dem Dach der ›Restauration‹ bündelten sich insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren kritische Stimmen, die gegenüber den politischen Entscheidungsträgern versäumte Chancen und nicht erfolgte Reformen bemängelten. Mit Blick auf die Gesellschaft fanden kulturkritische Haltungen Anklang, die einen wirtschaftlichen Wiederaufbau mit einem Verfall gesellschaftlicher und individueller Moral parallelisierten. So blieb die Restaurationsthese in verschiedenen Diskursen anschlussfähig. Obwohl nicht vollkommen deckungsgleich mit der Nachkriegszeit und Ära Adenauer wurden die 50er Jahre sowohl in deren optimistischen Deutung als erfolgreiche Wiederaufbaugeschichte als auch ihrer pessimistischen Deutung als Restaurationsgeschichte der verpassten Chancen als Gründungsphase und Anfangsjahre der Bundesrepublik integriert. Bis Mitte der 1970er Jahre fand die Chiffre 50er Jahre in der Diskussion vergleichsweise geringe Beachtung, obwohl sie zur Wende der 1960er erste Prägungen erlebte. So sprach Ferdinand Fried in der Welt schon 1959 von den »›goldenen Fünfzigern‹«, und meinte damit »unser Jahrzehnt, das der 16 Vgl. Paul Nolte: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München: Beck 2000, S. 223. 17 Vgl. Bernd Stöver: Die Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, S. 18. 18 Vgl. Nolte: Ordnung, S. 224. 19 Vgl. Stöver: Bundesrepublik, S. 54-58. 20 Vgl. Ebd., S. 20. 21 Vgl. Doering-Manteuffel: Zeitgeschichte, hier S. 6.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 97

›Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder‹ bestimmten«.22 In der Zeit hielt Otto Beer 1960 eine »Nachrede auf die Fünfziger Jahre«, die nun »Geschichte geworden« seien und ins Archiv wanderten.23 Allerdings bestimmten in den Folgejahren die vorgestellten Chiffren der Nachkriegszeit oder der Ära Adenauer die Diskussion darüber, was im ersten Gründungsjahrzehnt des westdeutschen Teilstaates von historischem Interesse war. Mit dem Abtritt Adenauers 1963 war eine Ära zu Ende gegangen und folgte man Ludwig Erhard, trat die Bundesrepublik 1965 in eine neue Phase ein, die die Nachkriegszeit hinter sich ließ. Kennzeichen dieser ersten Phase der Geschichtswerdung der 50er Jahre war noch das scheinbar bruchlose Fortdauern der 50er Jahre: Viele Zeitgenossen trennten Vergangenheitsbilder nicht von zeitgenössischen Selbstbildern, da sie in vielen Lebensbereichen keine Brüche bzw. Zäsuren empfanden, die die eigene zeitgenössische Lebenswelt von der unmittelbaren Vergangenheit unterschieden hätten. Bevor also erste Geschichtsbilder der 50er Jahre identifiziert werden können, muss die Frage nach der möglichen Historizität dieser Bilder gestellt werden.

2. D IE 50 ER J AHRE ZWISCHEN G EGENWART UND G ESCHICHTE Die eineinhalb Jahrzehnte bis zur Mitte der 1970er Jahre werden im Folgenden als Formierungsphase bezeichnet und zwar aus zwei grundsätzlichen Erwägungen heraus: Es konnten in dieser Zeitspanne erste Geschichtsbilder der 50er Jahre in der deutschen Geschichtskultur artikuliert werden, die den Gesamtzeitraum der 50er Jahre als eigenständige Epoche konstruierten. Diese ersten Geschichtsbilder zu identifizieren sollen die folgenden Kapitel leisten. Zum anderen stellte sich allerdings die Frage, inwiefern die 50er Jahre überhaupt schon historisiert werden konnten. Die 50er Jahre waren erst jüngst Vergangenheit geworden und vielen Zeitgenossen erschienen ihre Konturen noch nicht ausgebildet, sodass die unmittelbare Vergangenheit noch nicht zur Gegenwart abgegrenzt werden konnte. Geschichtstheoretisch betrachtet musste zudem aus den res gestae (vollbrachten Taten) die historia rerum gestarum (Geschichte der vollbrachten Taten) gemacht werden,24 d.h. aus den Einzelereignissen musste eine »Geschichte geformt [werden], indem sie in eine kohärente, sinnvolle Erzählung umgewandelt« wurde.25 Im Folgenden 22 Ferdinand Fried: »Die goldenen Fünfziger«, in: Die Welt, 18.04., 22.04., 25.04., 29.04.1959, hier 18. April 1959; vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 16. 23 Otto Beer: »Nachrede auf die Fünfziger Jahre«, in: Die Zeit, 01.01.1960, S. 2. 24 Pavel Kolár: »Historisierung. Version: 1.0«, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010 (2010) (http://docupedia.de/zg/Historisierung?oldid=75522). Zugriff am 3.1.2011, S. 2. 25 Kolár: Historisierung, S. 1f.

98 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

soll es darum gehen das breite Spektrum der Historisierungsgrade in den Fernsehsendungen aufzuzeigen, um einordnen zu können, inwiefern es sich bei den Bildern über die 50er Jahre in dieser frühen Phase schon um Geschichtsbilder gehandelt hat. Ein Blick auf die Produktions-, Repräsentations- und Rezeptionskontexte der Sendungen soll Aufschluss darüber geben, warum nicht von einer homogenen Entwicklung gesprochen werden kann. Vielmehr kann von Ungleichzeitigkeiten ausgegangen werden. Schon früh entstanden so Geschichtsbilder der 50er Jahre. Ebenso existierten aber auch zeitgenössische Selbstbilder, die Kontinuitätslinien zu den 50er Jahren zogen. Non-fiktionale Sendungen: Zwischen Gegenwart und Historisierung Vergleicht man die ausgestrahlten Sendungen bis Mitte der 1970er Jahre, die in einem weiteren Sinne Bilder der 50er Jahre anboten, so lässt sich grundsätzlich ein gattungsbezogener Unterschied bezüglich ihrer Rezeption als Geschichtssendung feststellen: Im non-fiktionalen Bereich wurden den Zuschauern seit Mitte der 1960er Jahre Sendungen zur Entwicklung der BRD in einem »historisierenden Modus«26 angeboten. Hierzu gehörten in erster Linie die Sendungen zu den Gründungsjubiläen.27 Vor allem der Gründungstag – die Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 – wurde zum Programmplatz für BRD-Geschichtssendungen: 1959 übertrug die ARD ab elf Uhr die FEIERSTUNDE ZUM 10. JAHRESTAG DER VERABSCHIEDUNG DES GRUNDGESETZES im Deutschen Bundestag. Seit 1969 wurden regelmäßig im Fünf-Jahres-Rhythmus non-fiktionale Sendungen mit historischen Bezügen ins Programm genommen. Auch drei Jahrestage aus den 50er Jahren gaben Anlass zur Ausstrahlung von Gedenksendungen. So wurden zum 17. Juni regelmäßig Sendungen ausgestrahlt, 26 Matthias Steinle: »Das Archivbild. Archivbilder als Palimpseste zwischen Monument und Dokument im audiovisuellen Gemischtwarenladen«, in: MEDIENwissenschaft 3 (2005), S. 295-309, hier S. 299. Hiermit ist eine Lesart der Sendung gemeint, die diese als ›historisch‹ wahrnimmt. Weitere, damit kombinierbare Lesarten, sind u.a. die »fiktionalisierende« und »dokumentarisierende«. 27 DER WEG IN DIE TEILUNG (BFS3 1964); BESTANDSAUFNAHME: DIE DEUTSCHLANDFRAGE. ÜBER

ZWEIMAL DEUTSCHLAND – FÜR IMMER? (ARD 1969); WEIMARS SCHATTEN

BONN? 20 JAHRE BUNDESREPUBLIK BEOBACHTET VON FRITZ RENÉ ALLEMANN

(ZDF 1969); DIE ZWEITE REPUBLIK. 25 JAHRE GRUNDGESETZ. 4 TEILE (ZDF 1974); DIE REPUBLIK AUF ABRUF. ZUM 25. GEBURTSTAG DES GRUNDGESETZES (ARD 1974); DIE 2. REPUBLIK. 30 JAHRE BUNDESREPUBLIK (ARD 1979). Alle Fernsehsendungen werden zur verbesserten Lesbarkeit im Text mit Angaben zum ausstrahlenden Sender und Jahr der Erstsendung aufgelistet. Detailliertere Angaben finden sich in der Sendungsübersicht im Anhang.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 99

wobei diese allerdings in erster Linie aktuelle Diskussionen zur deutsch-deutschen Teilung darstellten.28 Des Weiteren wurden Sendungen zur Währungsreform von 194829 und Gedenksendungen zu Konrad Adenauer30 produziert. Schließlich gab es auch Produktionen zu Einzelthemen aus den 50er Jahren, wie die Beiträge des Saarländischen Rundfunks zum Beitritt des Saarlands zur BRD von 195731 oder die in den Sportredaktionen entstandenen Dokumentationen zur Fußballweltmeisterschaft von 1954.32 Nur eine Sendereihe nahm die 50er Jahre als historische Epoche in den Blick. Der zu dieser Zeit schon populäre Journalist Thilo Koch zeichnete sich 1971 für DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND verantwortlich, die in drei Teilen zu zuschauerstarken Abendzeiten ausgestrahlt wurde.33 Mit dem NDR hatte Koch kurz zuvor bereits zwei ›Epochen‹ verfilmt: DEUTSCHLAND NACH DEM KRIEGE (3 Teile, ARD 1968) und DIE GOLDENEN ZWANZIGER JAHRE – PORTRÄT EINES JAHRZEHNTS (4 Teile, ARD 1970). In der Produktionsphase wurde darüber debattiert, in welcher Form die 50er Jahre zu verfassen seien. Da in der Chefredakteurskonferenz Befürchtungen geäußert wurden, die neue Reihe würde »in ähnlich feuilletonistischer Manier angelegt wie ›Die 20er Jahre‹«, stellte der verantwortliche Redakteur HansUllrich Barth klar, dass »›Die 50er Jahre‹ in Stil und Aussage an […] ›Deutschland nach dem Krieg‹ anschließen sollten«.34 Dem Anspruch nach war die Reihe demnach als »politische Geschichtserzählung« konzipiert, wie Thilo Koch zu Beginn der Ausstrahlung wiederholte.35 Die Historisierung der 50er Jahre sollte auf keinen

28 Vgl. »Sendungen zum 17. Juni/1974 bis 1965«, in: DRA Frankfurt, B16/G. 29 ZWANZIG JAHRE D-MARK (BFS3 1968); WOHLSTAND FAST FÜR ALLE. LUDWIG ERHARD UND DIE FREIE

MARKTWIRTSCHAFT (ZDF 1972), 30 JAHRE D-MARK. MIT DER WÄH-

RUNGSREFORM VOM

20. JUNI 1948 BEGANN DIE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT (ARD

1978). 30 Vgl. hierzu Kapitel III.4. 31 10 JAHRE NACH DEM SAARSTATUT. EINE DOKUMENTATION VON ANTON M. KEIM UND CONRAD DAWO (ARD 1965); IM GESETZ WECHSELVOLLER GESCHICHTE – DOKUMENTATION DER SAARPOLITIK 1945 BIS 1959

(ARD 1975).

32 DIE SPORTSCHAU. AUF DER TRIBÜNE. ZEHN JAHRE DANACH – BUNDESTRAINER HERBERGER TRITT AB

(ARD 1964); FASZINATION FUSSBALL. CHRONIK DER WELTMEISTER-

SCHAFTEN 1930-1970. TEIL 3

(ARD 1974).

33 ARD, 31.10., 22:00 Uhr, 1.11., 21:45 Uhr, 4.11.1971, 21:25 Uhr. 34 Beide Zitate in: »Brief von Hans-Ullrich Barth an Thilo Koch, 25.2.70«, in: Staatsarchiv Hamburg, 621-1/144. 35 Henning Rieschbieter: »Geschichte erzählen. Im Gespräch: Thilo Koch«, in: tv Heute, 30.10.1971. Die Fernsehkritiken werden im Folgenden falls möglich mit Autor und Titel angegeben. In vielen Fällen verwendeten die Autoren Kürzel, die bei der Masse der Kri-

100 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Fall zu nostalgisch-unterhaltend angelegt sein, sondern vielmehr eine dezidiert politikgeschichtliche Perspektive erhalten. Diese Schwerpunktsetzung stand bei den Kritikern kaum zur Debatte,36 vom politischen Journalisten Koch, der in den 50ern insbesondere die außen- und deutschlandpolitischen Entwicklungen in Berlin und Washington begleitete, wurde eine solche Form offenbar erwartet. Allerdings gingen die Meinungen darüber auseinander, inwiefern das Gesehene als historisch zu betrachten sei: »Kann erlebte Geschichte bereits nach einem Jahrzehnt eingeordnet werden in die Kategorien des Historikers, kann sie als ›Epoche‹ etikettiert werden?«, fragte sich ›Ponkie‹ in der Münchner Abendzeitung, um dies mit einem eindeutigen ›Ja‹ zu beantworten: Koch sei eine »solch distanzierte Wertung unmittelbarer Vergangenheit« gelungen, auch da seitdem »tiefgreifende Bewußtseinsänderungen«37 stattgefunden hätten. So sahen das allerdings nicht alle Kritiker. Am klarsten formulierte Klaus Hamburger: DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND seien ein »Versuch über die gegenwärtige Vergangenheit« gewesen, dessen Probleme gerade im »fehlenden Zeitabstand«38 zu suchen seien. Die Mehrzahl der Kritiker betrachtete die Sendung vor diesem Hintergrund als »Auffrischung des Gedächtnisses«.39 Der Kölner Stadt-Anzeiger ging sogar soweit, die Sendung als »Repetitorium in politischer Gegenwartskunde« und nur »summierend retrospektiv«40 zu bezeichnen, womit er Geschichtsbegriffe ganz vermied und den Geschichtsgehalt der Sendeinhalte in Abrede stellte.

tiken nicht einzeln aufgelöst werden konnten, in der Arbeit aber als Kürzel angegeben werden. Zum Teil fehlen Angaben zum Autor und/oder Titel vollständig. 36 Nur in der Süddeutschen Zeitung vermissten Autoren eine Art anschaulicher Alltagsgeschichte: »Wenn Koch, selten genug, Gesichter zeigte: von Flüchtlingen, Rußlandheimkehrern, Boogie-Tänzern, Robert-Schuman-Zuhörern, Bill-Hailey-Fans [sic!], Motorroller-Fahrern oder Halbstarken, waren die bewußten Jahre keine ferne ›Ära‹ mehr, sondern konkrete, nicht bewältigte Gegenwart. Während aber die gewählten Vertreter des Volkes bis zum Tagesschau-Überdruß auftraten, blieben ›tragende‹ Figuren der fünfziger Jahre wie der bundesdeutsche Provinzler als Herberger-Bewunderer, Rundfunkhörer, BildLeser und so weiter sträflich unterbelichtet, obwohl sie doch als Wähler ihre Jahre erst mit zur Ära Adenauers gemacht und dadurch entscheidend geprägt hatten« (Chr. Potyka/C.H.Meyer: »Fasziniert vom eigenen Monolog«, in: Süddeutsche Zeitung, 6.11.1971). 37 Alle Zitate: Ponkie: »TV-Kritik«, in: Münchner Abendzeitung, 2.11.1971. 38 Klaus Hamburger: »Versuch über die gegenwärtige Vergangenheit«, in: FunkKorrespondenz, Nr. 46, 11.11.1971, S. 12. 39 Friedrich Weigend: »Kritisch gesehen«, in: Stuttgarter Zeitung, 3.11.1971; ähnlich auch: Eberhard Nitschke: »Die fünfziger Jahre in Deutschland«, in: Die Welt, 2.11.1971; »Kritik«, in: Berliner Morgenpost, 5.11.1971. 40 »Adenauer-Ära«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 2.11.1971.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 101

Abb. 1-3: Presenter in non-fiktionalen Sendungen (v.l.n.r.): Fritz René Allemann, Thilo Koch und Karl-Heinz Janßen

Quellen: Videostills (immer v.l.n.r.) aus WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN (ZDF 1969), 01:55; DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND. TEIL 2 (ARD 1971), 01:14 (Orig.i.F.); DIE ZWEITE REPUBLIK. 25 JAHRE GRUNDGESETZ. TEIL 2 (ARD 1974),

22:39.

Eine solch heterogene Rezeption der historischen Lesart der Sendung gab es auch bei anderen 50er Jahre Sendungen dieser Zeit. Ein Grund hierfür ist sicherlich in den gattungsästhetischen Präsentationsformen zu suchen. Auffällig im Vergleich zu anderen historischen Dokumentationen dieser Jahre, wie beispielsweise DAS DRITTE REICH (ARD 1960/1961), sind die häufig eingesetzten journalistischen Presenter (vgl. Abb. 1-3). So trat Thilo Koch als Kommentator häufig im Bild auf.41 Auch weitere namhafte Publizisten und Journalisten präsentierten Sendungen zur Zeit nach 1945, so der Schweizer Fritz René Allemann (WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? [ZDF 1969]).42 Durch die Autorenschaft meinungsfreudiger Journalisten entstand beim Publikum die Erwartung, neben einer objektiven Darstellung der Ereignisfolge auch klare politische Positionen serviert zu bekommen. Formal boten sich die politischen Journalisten als Presenter im On an, die den in den Archivfilmen gezeigten Ereignissen einen interpretierenden journalistischen Rahmen gaben. Die Dokumentationen zur BRD-Geschichte waren dabei personell und institutionell eng an den politischen Journalismus der Sender gebunden. Da spezielle zeithistorische Redaktionen noch fehlten, entstanden die Produktionen in den Programmbereichen Tagesjournalismus und Dokumentation. Die ARDSendung DIE REPUBLIK AUF ABRUF (ARD 1974) zum 25. Gründungsjubiläum gestalteten prominente Journalisten der tagespolitischen Redaktionen, darunter Peter 41 Eine derart starke Bildpräsenz von Koch war ursprünglich gar nicht geplant gewesen, da es aber Probleme mit den Filmlizenzen gab, musste Koch sozusagen als Lückenfüller häufiger im Bild erscheinen, vgl. »Aktennotiz von Thilo Koch vom 9.12.1971«, in: Staatsarchiv Hamburg, 621-1/144; zu den negativen Reaktionen darauf vgl. beispielsweise »Der Blick zurück«, in: Landeszeitung, 2.11.1971. 42 Dessen Interpretation der westdeutschen Nachkriegsentwicklung war seit den 50er Jahren zum geflügelten Wort geworden; vgl. Fritz René Allemann: Bonn ist nicht Weimar, Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1956.

102 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Merseburger, Friedrich Nowottny und Dieter Kronzucker.43 Jeder der Autoren steuerte eigenständige Berichte zur Sendung bei, sodass die so entstandenen »KurzReportagen […] wie Beiträge eines politischen Magazins«44 wirkten. Die 50er Jahre fielen zu dieser Zeit noch in den Zuständigkeitsbereich des politischen Journalismus und weniger in den des historischen Dokumentaristen. Gattungsästhetisch orientierten sich die Sendungen daher an der tagespolitischen Berichterstattung. Andere Sendungen zeigten dagegen Bestrebungen einer allmählichen Historisierung. So waren bei DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) und DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974) in unterschiedlichem Maße auch Historiker an der Konzeption beteiligt: Koch ließ sich zwar vom Hamburger Historiker Arnold Sywottek beraten, aber dieser wurde nicht aktiv in die Sendung eingebunden und wurde auch nicht im Abspann genannt.45 Dagegen waren bei DIE ZWEITE REPUBLIK mit Eberhard Jäckel, Arnulf Baring und Kurt Sontheimer erstmals Historiker und Politikwissenschaftler in ihrer Expertenfunktion im Bild zu sehen und im Abspann als Fachberater ausgewiesen. Mit Karl-Heinz Janßen, als Mitautor und Kommentator im Bild, war ein weiterer promovierter Historiker vertreten. Hier war ein Bemühen erkennbar, die Geschichte der Bundesrepublik aus einem zeitgeschichtlichakademischen Blickwinkel zu historisieren. Das inhaltliche Profil ließ diese Perspektive klar erkennen:46 Eine starke Betonung der außenpolitischen Entwicklung, die Diskussion der »Kanzlerdemokratie« Adenauers sowie eine ausführliche Thematisierung der Innenpolitik wie der Parteien, Bundestagswahlen der Gewerkschaften und Protestbewegungen spiegelten grundsätzliche Linien der westdeutschen Zeitgeschichtsforschung bis Mitte der 1970er wider.47 Zudem kann davon ausgegangen werden, dass sich die Autoren an einem im gleichen Jahr erschienenen

43 Programmankündigung Deutsches Fernsehen/ARD, 21/74, S. 20. Merseburger war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung Chefredakteur und Leiter der Hauptabteilung Zeitgeschehen und moderierte das Magazin PANORAMA, Nowottny war stellvertretender Studioleiter des WDR in Bonn, Kronzucker moderierte seit 1965 den WELTSPIEGEL. 44 Simon Philip: »Mittwoch und Donnerstag gesehen«, in: Hamburger Abendblatt, 24.5.1974. 45 Vgl. »Kostenvoranschlag vom 12.2.1971«, in: Staatsarchiv Hamburg, 621-1/144. 46 Vgl. hierzu die thematischen Gliederungen in Tab. 1 und 2. 47 Vgl. Doering-Manteuffel: Zeitgeschichte, S. 2-10. Helmut Grieser: »Konrad Adenauer im Urteil der Forschung«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 27 (1976), S. 2547; Helmut Grieser: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 32 (1981), S. 372-390, 437-453, 506-520; Helmut Grieser: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 34 (1983), S. 785-804; Helmut Grieser: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 35 (1984), S. 38-64, 97-120, 159-188, 240-262.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 103

Sammelband orientierten.48 So unterschied sich DIE ZWEITE REPUBLIK in Inhalten, Form und Perspektive von den übrigen non-fiktionalen Sendungen zur BRDGeschichte. Zeitkritische Fernsehspiele Im fiktionalen Bereich, also vor allem den Fernsehspielen, war die Unterscheidung zwischen Geschichte und Gegenwart der 50er Jahre Bilder noch wesentlich stärker verwischt. Dies resultierte aus einer medialen Genrekontinuität sowie der Kontinuität der so genannten ›Wirtschaftswundergesellschaft‹. Die wirtschaftliche Boomphase hatte die 1950er Jahre überdauert. Die Zeit zwischen dem letzten Drittel der 1950er und dem ersten Drittel der 1970er Jahre wurden zur eigentlichen Blütezeit des wirtschaftlichen Booms, der eine Phase der Vollbeschäftigung und hohen Wachstumsraten bedeutete.49 Hiermit trat eine für die Zeitgenossen deutlich spürbare »Verbesserung der materiellen Lebensumstände«50 ein. Der gestiegene Wohlstand war so auch hauptsächlich mitverantwortlich für den Wandel der westlichen Nachkriegsgesellschaft von der »Modernisierung im Wiederaufbau« hin zur Konsumgesellschaft.51 Das Wirtschaftswunder schien entsprechend im Empfinden vieler Zeitgenossen zu diesem Zeitpunkt erst richtig an Fahrt aufzunehmen. Die Etablierung eines neuen Konsummodells rief aber auch Kritiker auf den Plan, die, jenseits von Ludwig Erhards Maßhalteparolen,52 den neuen Wohlstand kritisch beäugten und kulturkritisch einen Moralverfall durch den scheinbar unge48 Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz (Hg.): Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Stuttgart: Seewald 1974. 49 Vgl. Knut Borchardt: »Zäsuren in der wirtschaftlichen Entwicklung. Zwei, drei oder vier Perioden?«, in: Martin Broszat (Hg.), Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München: Oldenbourg 1990, S. 21-33, hier S. 29; Axel Schildt:

Die

Sozialgeschichte

der

Bundesrepublik

Deutschland

bis

1989/90

(= Enzyklopädie deutscher Geschichte; 80), München: Oldenbourg 2007, S. 30ff. 50 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 179. 51 So taucht der Begriff seit etwa Anfang der 1960er Jahre in der westdeutschen Öffentlichkeit verstärkt auf, vgl. Wolfgang König: »Die siebziger Jahre als konsumgeschichtliche Wende in der Bundesrepublik«, in: Konrad H. Jarausch (Hg.), Das Ende der Zuversicht? – Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 8499, hier S. 96. 52 Vgl. hierzu Niko Switek: »Ludwig Erhard: Formierte Gesellschaft«, in: Karl-Rudolf Korte (Hg.), »Das Wort hat der Herr Bundeskanzler«. Eine Analyse der großen Regierungserklärungen von Adenauer bis Schröder, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 117144, hier S. 131.

104 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

zügelten Konsum befürchteten.53 Schriftsteller und Filmemacher machten die restaurativen Elemente der Wirtschaftswundergesellschaft zum Thema. Der steigende Konsumwille der Bundesbürger habe zu »politischer ›Gleichgültigkeit‹ geführt«.54 Zudem wurden zunehmend personelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit thematisiert. Die Kritik, die häufig in satirischer Form geübt wurde, blieb dabei nicht auf intellektuelle Kreise begrenzt, sondern wurde auch von populären Schriftstellern wie Johannes Mario Simmel aufgegriffen, der seit seinem Durchbruch 1960 in seinen Romanen teilweise »beißende Kritik« an den gesellschaftlichen Zuständen in der Bundesrepublik übte.55 Unter diesem Kontinuitätsaspekt können eine Reihe von Fernsehspielen gesehen werden, die in den 1960er und beginnenden 1970er Jahren nach einer ›zeitkritischen‹ »Problematisierung des bundesdeutschen Wirtschaftswunders«56 suchten. Hier thematisierten die Autoren die zeitgenössischen gesellschaftlichen und sozialen Folgen des Wiederaufbaus seit den 1950er Jahren in einer gegenwartskritischen Perspektive. Neben den nachfolgend näher zu betrachtenden Fernsehspielen von Drehbuchautor Horst Lommer und Regisseur Peter Beauvais zählten hierzu auch Filme wie SEELENWANDERUNG (ARD 1962) und ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER (ARD 1963).57 Hier verband sich die »Empörung über die Karriereideologie […] mit belustigter Verachtung derer, die ihr dienen«.58 Viele dieser Filme verwendeten satirische Überzeichnungen als Stilmittel bei einer gleichzeitigen Hinwendung zum szenischen Realismus in Kulissen und schauspielerischem Duktus.59 Lommer und Beauvais verfassten zwischen 1962 und 1967 jährlich ein zeitkritisches Fernsehspiel zum Alltag in der Wirtschaftswundergesellschaft,60 die Egon Monk, der die Fernsehspiele als Dramaturg beim NDR betreut hatte, 1975 retrospektiv als »›geradezu Dokumentationen des Verhaltens einer bestimmten deutschen

53 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 256. 54 Ebd., S. 225. 55 Ebd., S. 231. 56 Knut Hickethier: Das Fernsehspiel der Bundesrepublik. Themen, Form, Struktur, Theorie und Geschichte, 1951-1977, Stuttgart: Metzler 1980, S. 275. 57 Vgl. weitere Beispiele bei Hickethier: Fernsehspiel, S. 275-277; Thomas Koebner: »Das Fernsehspiel – Themen und Motive«, in: Peter von Rüden (Hg.), Das Fernsehspiel. Möglichkeiten und Grenzen, München: Fink 1975, S. 20-65, hier S. 21. 58 Koebner: Fernsehspiel, S. 26. 59 Vgl. Hickethier: Fernsehspiel, S. 279f. 60 SCHÖNES WOCHENENDE (ARD 1962), DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER (ARD 1963), ICH FAHRE

PATSCHOLD (ARD 1964), MACH’S BESTE DRAUS (ARD 1965), GEIBELSTRASSE

27 (ARD 1966) und ZUG DER ZEIT (ARD 1967).

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 105

Schicht, des Kleinbürgertums, von Mitte der 50er bis Mitte der 60er Jahre‹«61 bezeichnete. Laut Netenjakob wiederum filterten die Fernsehspiele »ein[en] einzige[n], aber wesentliche[n] gesellschaftspsychologische[n] Zug […] die Doppelmoral der ersten großen Restaurationsepoche unserer Republik. […] Überall streben sie alle wie blind und jeder für sich nach Wohlstand und Sicherheit, machen sich und den anderen etwas vor und wirken in ihrer unschuldigen Schizophrenie zwischen offizieller Moral und praktischem Handeln – die Unschuld bedingt das häufige Scheitern – eben komisch«.62

In der zeitgenössischen Kritik dagegen galten die Figuren noch überwiegend als »Klischees«.63 Die Charaktereigenschaften der Protagonisten seien zu überspitzt dargestellt. Die Absicht Lommers, »Prototypen der Wirtschaftswundergesellschaft«64 abzubilden, wurde zwar durchaus im Autorensinn gelesen, doch »kolportiert der Autor besonders krasse ›Fälle‹, mit deren summarischer Häufung sich der Zuschauer nicht mehr identifizieren kann«.65 Die Infratest-Auswertungen bestätigten diese Aussagen nur zum Teil. Die Fernsehspiele erzielten recht gute Sehbeteiligungen zwischen 43 % (ICH FAHRE PATSCHOLD [ARD 1964]) und 59 % (DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER [ARD 1963]). Für Fernsehspiele mit zeitkritischen Inhalten fielen die Bewertungen zwischen ›+2‹ (DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER) und ›+4‹ (GEIBELSTRASSE 27 [ARD 1966]) zudem vergleichsweise gut aus.66 In DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER erkannten viele Zuschauer eine »lebensnahe – echte – zeitkritische – dem Alltag entsprechende Thematik.«67 Dagegen waren die Meinungen bei ICH FAHRE PATSCHOLD gespalten: Einige kritisierten, die »Typisierung der einzelnen Personen« sei »›unglaubwürdig‹ und ›übertrieben‹«68. Solche negativen Beur61 Egon Netenjakob: »Jeden Sommer einen Lommer. Die Adenauer-Ära in den TVLustspielen von Lommer und Beauvais«, in: Medium 6.1 (1976), S. 18-20, hier S. 19. 62 Ebd. 63 Herbert Janssen: »Miesmacherei«, in: Funk-Korrespondenz, 11.12.1963. Egon Netenjakob konstatierte 1975 in seiner Retrospektive dazu, dass die zeitgenössische Kritik sich, durch ihre »kollektive Unfähigkeit die Filme einzuordnen und den Zeitbezug zu goutieren« auszeichnete (Netenjakob: Lommer, S. 19). 64 Herbert Janssen: »Miesmacherei«, in: Funk-Korrespondenz, 11.12.1963. 65 Ebd.; Vgl. auch eine ähnliche Bewertung von ICH FAHRE PATSCHOLD: »Ein schmieriges Panorama«, in: epd/Kirche und Fernsehen, Nr. 50, 12.12.1964. 66 Vgl.

Infratest-Index:

Abendprogramme/Nachmittagsprogramme,

Wochenübersicht,

7.12.1964-13.12.1964, S. 10. 67 Infratest-Index: Abendprogramme/Nachmittagsprogramme, Wochenübersicht, 2.12.19638.12.1963; S. 20. 68 Infratest-Index: Abendprogramme/Nachmittagsprogramme, Wochenübersicht, 7.12.196413.12.1964, S. 11.

106 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

teilungen des Films begründete Infratest damit, die Zeitkritik sei nicht von allen Zuschauern erkannt worden.69 Andere lobten, »dass hier ›die faulen Stellen der Wirtschaftswunder-Betriebsamkeit kritisch unter die Lupe genommen wurden, und man war der Meinung, das Stück habe in ›sehr guter‹ Weise die typischen Merkmale für die neureiche Gesellschaft aufgezeigt.«70 Grundsätzlich blieben die Lommer/Beauvais-Stücke also in der Zuschauer- und Kritikermeinung umstritten, wurden entweder als realitätsnahe Abbildung oder als überzeichnende Satire wahrgenommen. Dies erklärt sich in erster Linie daraus, dass sie stets auf eine Materialismus- und Konsumkritik der Bundesrepublik im Wirtschaftswunder hinausliefen. Sie waren zwar im unterhaltenden Genre angesiedelt, nahmen aber zugleich eine Zwischenstellung zwischen Komödie, Satire und zeitkritischem Fernsehspiel ein. Die auffällige Fixierung einer Vielzahl zeitgenössischer Fernsehspiele auf das Wirtschaftswunder und seine Gesellschaft lässt vermuten, dass viele Zeitgenossen noch keine klare Zäsur innerhalb der Wirtschaftswunderperiode empfanden und diese noch als Gegenwart begriffen. Allerdings hatten die Karrierewege der Protagonisten dieser Fernsehspiele in den 50er Jahren begonnen, d.h. im zeitkritischen Fernsehspiel der 1960er und 1970er Jahre wurden Bilder der 50er Jahre formiert, auch wenn diese wohl nicht als Geschichtsbilder bezeichnet werden können. Diachrone Erzählungen in Fernsehspielen Neben diesem Typus an Fernsehspielen gab es jedoch sehr wohl auch welche im historisierenden Modus. Einige Fernsehspiele wählten eine biografisch-diachrone Perspektive, in der die 50er Jahre bzw. die zeitgenössische Gegenwart als Endpunkt dienten. Noch in den 50er Jahren selbst wählte WIR WUNDERKINDER (BRD 1958) diese Art der Erzählung, um anhand von zwei gegensätzlichen Figuren aufzuzeigen, wie die Zeitumstände individuelle Lebenswege beeinflussten. Eine Reihe von Fernsehspielen nahm seit Anfang der 1960er Jahre diese diachrone Erzählweise auf: In DER KLASSENAUFSATZ (ARD 1963) erinnert sich ein Mann beim Besuch seiner alten Schule an seine Karriereplanungen und Träume und die seiner Mitschüler. Im Kontrast dazu wird gezeigt, was tatsächlich daraus geworden ist. DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE (ARD 1968) verfolgte in acht Teilen die generationenübergreifende Entwicklung einer schwäbischen Schneiderfamilie, die sich zwischen 1900 und 1960 in verschiedenen geschichtlichen Kontexten zurecht finden muss. Als komödiantischer Schwank konzipiert, mit dem damals populären Volksschauspieler Willy Reichert in der Hauptrolle des Familienoberhaupts, meistern die verschiedenen Nägeles die Situationen ohne dabei moralisch zweifelhaft handeln zu müssen. Als Karrieremacher dagegen nutzt in FEDERLESEN (ZDF 1972) der Unternehmer Kauf69 Ebd. 70 Ebd., S. 10.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 107

hold die politischen Verhältnisse seit der Weimarer Republik letztlich immer zu seinen Gunsten aus, wobei seine Methoden dabei mehr als zweifelhaft erscheinen. Der lange Handlungszeitraum der Fernsehspiele stellte die historischen Kontexte – nach den geläufigen historischen Epochen mit den beiden Weltkriegen als Zäsuren des 20. Jahrhunderts – in den Vordergrund und ließ sie als entscheidende Variablen im Leben der Protagonisten erscheinen. Die einzelnen historischen Zäsuren bildeten in den Filmen unmittelbar erlebte Einschnitte in den Alltag der Figuren und waren damit Teil der Dramaturgie. Während alle drei Fernsehspiele unterschiedliche Anfangspunkte wählten,71 reichten sie alle in die Gegenwart hinein und betonten dabei ähnliche Zäsuren: Der Zusammenbruch 1945 war als wichtiger Einschnitt in allen drei Produktionen zu erkennen, insbesondere NÄGELE und FEDERLESEN betonten vor allem aber das Jahr 1948 und die Währungsreform, d.h. sie bevorzugten das wirtschaftspolitische Schlüsselereignis vor der politischen Staatsgründung. Am Beispiel NÄGELE (ARD 1968) zeigte sich zudem besonders deutlich, wie historisch unterschiedlich die Epochen damals rezipiert wurden: Peter F. Gallasch bemerkte zum historisierenden Modus der gesamten Reihe: »Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist für den Fernsehzuschauer unserer Tage fast schon ›Bilderbuch-Geschichte‹ geworden, sie liegt ihm fern, entzieht sich seiner Kontrolle. Sie bleibt als wirklich Geschehenes merkwürdig blaß in Eckhardts Serie. Ähnlich ist es in der letzten Folge mit bundesrepublikanischer Gegenwart (›Anno 1960‹), die für den Autor kaum mehr ist als die Zeit der vollen Schaufenster und der Vollbeschäftigung.«72

Interessanterweise sind die Folgen dazwischen für den Kritiker die historischen, genauer die zeithistorischen. Hier gelänge es dem Autor, Ereignisse wie die Währungsreform oder die Schiebergeschäfte und den Schwarzmarkthandel eng in die Handlung zu integrieren. Die Zeit der Mitlebenden eignete sich besonders gut zur lebendigen Fiktionalisierung, die die Auswirkungen von ›Geschichte‹ auf das Alltagsleben des Durchschnittsbürgers visualisieren konnte. ›Geschichte‹ bedeutete dabei ganz im Sinne der non-fiktionalen Formen in erster Linie Ereignis- und Politikgeschichte. Der letzte Teil, dessen Handlung immerhin acht Jahre zurücklag, wurde dagegen als Gegenwart wahrgenommen. Die Kulissen, Ereignisse, Figuren und Handlungen unterschieden sich für den Kritiker nicht klar von seiner zeitgenössischen Gegenwart und blieben daher blass für ihn. Ein Kennzeichen der Formierungphase ist sicherlich, dass wenige Fernsehspiele explizit und ausschließlich die 50er Jahre als Zeitrahmen der Handlung bestimmten. 71 DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE wählte das Jahr 1900, FEDERLESEN die Weimarer Republik und KLASSENAUFSATZ die 1930er Jahre. 72 Peter F. Gallasch: »Buddenbröckle mit Braunstich«, in: Funk-Korrespondenz, 30.08.1968, S. 15.

108 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Dabei ist es signifikant, dass die Dokumentarspielabteilungen der Sender die 50er Jahre noch kaum als historisches Thema betrachteten. Zwar bezogen sich die Gerichtsfilme DER FALL ROHRBACH (ZDF 1963) und RECHT ODER UNRECHT: DER FALL HETZEL (ARD 1971) auf Fälle aus den 50er Jahren. Und auch der Bankräuberkrimi DAS MILLIONENDING (ZDF 1966) berief sich auf ein historisch verbürgtes Ereignis, lässt aber nicht die Intention erkennen, die historischen Kontexte abseits des Ereignisses zu berücksichtigen. Stattdessen fokussierten alle Sendungen auf die juristischen Vorgänge,73 die den Zuschauern aus der Medienberichterstattung eventuell noch im Gedächtnis waren und »spekulierte[n] damit vor allem auf deren Sensationslust«.74 Genuine historische Dokumentarspiele zur Zeit nach 1945 wurden hingegen in den Redaktionen nicht entwickelt. Vielmehr kann die Form, Krimi- und Gerichtssendungen mit Stoffen aus der jüngeren Vergangenheit zu produzieren, sogar als Indiz für die Gegenwärtigkeit der 50er Jahre gewertet werden: Bei der Bearbeitung ›klassischer‹ historischer Stoffe, wie etwa BÜRGERKRIEG IN RUSSLAND (ZDF 1967/68) achteten die Macher nämlich auf historische Details in Kulissen und Orten der Handlung, um so Authentizitätsfiktionen zu erzeugen.75 Hier bestand ein Unterschied beispielsweise zum FALL HETZEL (1971), der auch in den eingefügten Rückblenden wenig ›historische‹ Zeitmarker verwendete. Im Unterschied zu den zuvor benannten Typen an Fernsehspielen konzentrierte sich die Handlung in den historischen Fernsehspielen auf den Anfang bzw. das Ende der 50er Jahre. Zum historischen Fernsehspiel gehörten DIE SCHROTT-STORY (ZDF 1971) und REBELLION DER VERLORENEN (3 Tle., ARD 1969). Beide Sendungen entstanden nach medialen Vorbildern: REBELLION DER VERLORENEN basierte auf dem gleichnamigen Roman von Henry Jaeger aus dem Jahr 1963,76 DIE SCHROTT-STORY (1971) bezog sich andeutungsweise auf den britischen Kinofilm THE THIRD MAN (1949). In beiden Fällen wurde schon in den Programmankündigungen auf den historischen Kontext des Films hingewiesen,77 sodass auch die Kritiker den Film als historisches Fernsehspiel bewerteten: Der SCHROTT-STORY, sogar als Dokumentarspiel konzipiert, wurde in diesem Zusammenhang durchaus zugestanden, dass sie »ein Stück Geschichte der Nachkriegszeit«78 bot. Zudem verwiesen

73 Vgl. hierzu die Programmankündigungen: ZDF 19/63; ZDF 53/66; Deutsches Fernsehen/ARD 3/71. 74 Hickethier: Fernsehspiel, S. 283. 75 Vgl. ebd., S. 284. 76 Henry Jaeger: Rebellion der Verlorenen, Wien/München: Desch 1963. 77 Vgl. Deutsches Fernsehen/ARD, 44/69 78 »Nachkriegsgeschichte«, in: Frankfurter Rundschau, 2.8.1971.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 109

die Kritiker immer wieder auf den historischen Kontext der Handlung – die Nachkriegszeit, den Kalten Krieg und den Koreakrieg.79 Bei REBELLION DER VERLORENEN waren sich Spielhandlung (1959/60) und Ausstrahlungszeit (1969) zeitlich noch näher. Beim Erscheinen des Romans im Jahr 1963 lag die Handlung nur vier Jahre zurück. Mit der Umarbeitung für das Fernsehen historisierten Regisseur Fritz Umgelter und Autor Wolfgang Menge Jaegers Argumentation. Die Geschichte um drei Brüder, die am eigenen Erfolg und Aufstieg arbeiten, letztlich scheitern und versuchen sich über einen Banküberfall ihren Anteil am Wirtschaftswunder zu sichern, schien nun über die spezifischen historischen Konstellationen Ende der 1950er Jahre und des Wirtschaftswunders erklärbar zu werden. Letztlich hätten die Zeitumstände zum Scheitern der drei Hauptfiguren geführt und sie in die Kriminalität getrieben. Zwar folgte die Badische Zeitung dieser Argumentation nicht, stellte in ihrer Kritik aber fest: Was eigentlich »gelingen sollte, die Verdeutlichung des Zwangscharakters der gesellschaftlichen Situation« sei dem Fernsehspiel eben nicht gelungen, statt dessen seien nur »drei unglückliche Einzelschicksale«80 gezeigt worden. Die Zeitumstände ins Jahr 1959 zu verlegen, nahm eine Kritikerin eher widerwillig hin: Der Film habe »anstößige Aktualität von vorneherein vermieden, da die Handlung ausdrücklich im Jahre 1959 angesiedelt sein soll«.81 Wie schon im Fall NÄGELE (1968) zeigte der Vergleich der beiden Filme, dass in Bezug auf die Historizität noch ein deutlicher qualitativer Unterschied zwischen den frühen und den späten 50er Jahren bestand: Erstere waren schon in zeitgeschichtliche Ferne gerückt und waren charakterisiert durch die alltäglichen Entbehrungen, Not und wirtschaftliche Ungewissheit. Die sich entwickelnde Wirtschaftswundergesellschaft der späten 50er Jahre dagegen unterschied sich noch nicht signifikant von der zeitgenössischen Situation der 1960er Jahre. Selbst eine in das historische Setting der späten 50er Jahre versetzte Handlung, konnte daher vom Publikum als Gegenwartsstück konsumiert werden.

79 So z.B. Erwin Welt: »Die Schrott-Story«, in: Stuttgarter Nachrichten, 2.8.1971; Eike Wolff: »Die Schrott-Story«, in: Stuttgarter Zeitung, 2.8.1971; Sabine Grunow: »Spiel, Dokumentation oder was?«, in: Die Welt, 2.8.1971. 80 »Kritisch ferngesehen«, in: Badische Zeitung, 4.11.1969. 81 E.-M. Lenz: »Ressentiments geschürt, nicht abgebaut«, in: epd, Nr. 43, 8.11.1969, S. 12.

110 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

3. D AS W IRTSCHAFTSWUNDER

UND SEINE

G ESELLSCHAFT

Der Begriff vom Wirtschaftswunder war schon in den 1950er Jahren allgegenwärtig.82 Anlass hierfür waren die Währungsreform und die in der Folge stark ansteigenden Produktionszahlen. Stellvertretend für viele Deutsche sprach Kurt Zentner 1954 angesichts des unerwartet schnellen Wiederaufbaus der westdeutschen Wirtschaft vom Aufstieg aus dem Nichts.83 Diesen belegten verschiedene Indices, wie schnell wachsende Exportzahlen und die sinkende Arbeitslosigkeit. In den Kinofilmen, die seit dem letzten Drittel der 50er Jahre entstanden, spielte dieser wirtschaftspolitische Ereignishergang dagegen kaum eine Rolle. Vielmehr behandelten die Filme das vermeintliche Ergebnis des Aufschwungs: die ›Wirtschaftswundergesellschaft‹. So boten Wirtschaftswunderkomödien von Heinz Erhard84 wie MEIN MANN DAS WIRTSCHAFTSWUNDER oder Wirtschaftswundersatiren wie WIR WUNDERKINDER oder DAS MÄDCHEN ROSEMARIE ein Ensemble typischer Phänomene, Orte und Figuren, die besonders deutlich durch die humorvolle Überzeichnung konturiert wurden.85 Damit hatten sich schon im Laufe der 50er Jahre zwei grundsätzliche Diskurse zum Wirtschaftswunder herausgebildet: Journalisten und Publizisten diskutierten den Aufschwung in wirtschaftspolitischer Hinsicht, interessierten sich dafür, welchen Anteil die deutsche Politik daran gehabt hatte und welche Chronologie ihm zuzuordnen sei. Fiktionale Kinofilme und Fernsehspiele thematisierten dagegen das Wirtschaftswunder und seine Auswirkungen auf die bundesrepublikanische Gesellschaft aus Sicht des Individuums: Welche Menschen brachte der Wohlstand der zeitgenössischen Gegenwart hervor, welche Konflikte und welche Errungenschaften? Prototypische Figuren der Wirtschaftswundergesellschaft Das Fernsehspiel der 1960er und 1970er Jahre arbeitete dabei mit einem relativ engen Figurenarsenal. Es kanonisierte drei Prototypen, die in der Wirtschaftswundergesellschaft agierten: Die guten und schlechten Unternehmer sowie die Gescheiter82 In Deutschland sprach der Spiegel schon 1950 zum ersten Mal davon, vgl. Christoph Kleßmann: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970, Bonn 1988. 83 Kurt Zentner: Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland zwischen 1945 bis 1953. Eine Soziographie in zwei Bänden, Köln/Berlin: Kiepenhauer & Witsch 1954. 84 Vgl. Hickethier: Zähne hoch. 85 Vgl. z.B. Knut Hickethier: »Die jungen Männer des Wirtschaftswunders. Hanns Lothar, Robert Graf, Wolfgang Kieling und ihre Rollen«, in: Thomas Koebner (Hg.), Idole des deutschen Films – Eine Galerie von Schlüsselfiguren, München: Ed. Text + Kritik 1997, S. 347-362.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 111

ten. Unternehmer, Manager oder ›Neureiche‹ tauchten sowohl in den Lommer/Beauvais-Fernsehspielen DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER (ARD 1963) und ICH FAHRE PATSCHOLD (ARD 1964) als auch in u.a. SEELENWANDERUNG (ARD 1962), DER KLASSENAUFSATZ (ARD 1963), ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER (ARD 1963), DIE SCHROTT-STORY (ZDF 1971), DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE (ARD 1968), REBELLION DER VERLORENEN (ARD 1969), DIE SCHROTT-STORY (ZDF 1971) und FEDERLESEN (ZDF 1972) auf. In aller Regel wurden sie negativ als »Karrieremacher«86 skizziert, deren zentrale Charaktereigenschaften Skrupellosigkeit, Opportunismus und Egoismus waren. Die ausnahmslos männlichen Figuren in den Filmen nutzen die historischen Verhältnisse zum eigenen Vorteil aus. So profitieren sie beispielsweise in der unmittelbaren Nachkriegszeit von den unsicheren wirtschaftlichen Verhältnissen durch Schieber- und Schwarzmarktgeschäfte;87 in den 50er Jahren sind sie ›clever‹ genug, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu ihren Gunsten zu nutzen und dabei Konkurrenten auszubooten.88 Damit sollte gezeigt werden, wie Eberhard Itzenplitz, Regisseur von FEDERLESEN ausführte, dass »manche Millionäre sich am Rande der Legalität emporgearbeitet haben. Dem Tüchtigen gehört die Welt? Diesen Volksspruch wollen wir wiederlegen«.89 In anderen Fernsehspielen dienten solche Figuren aber auch als Negativfolien für den moralisch guten Geschäftsmann, so z.B. in DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE: In der siebten Folge (»Anno 1948«) werden dem tüchtigen und ehrlichen Geschäftsmann Wilhelm Nägele drei Antitypen gegenübergestellt: Die Schieber Rachmanowitch und Pivonka sowie ein korrupter amerikanischer Besatzungsoffizier. Nägele steht dabei vor der Wahl, entweder die illegalen Geschäftspraktiken zu antizipieren oder den drohenden Bankrott seines Geschäftes zu riskieren. Er bleibt bis zum Schluss standhaft (»Denn ehrlich währt am längsten«) und wird durch die Währungsreform zum Gewinner der wirtschaftlichen Entwicklung.90 In REBELLION DER VERLORENEN stehen die Gescheiterten des Wirtschaftswunders im Fokus. Drei Brüder, die bisher kaum vom wirtschaftlichen Wiederaufbau

86 »Der Karrieremacher als unfertiger negativer Mensch, dem die ›Seele‹ fehlt, bleibt im Fernsehspiel für ein Jahrzehnt eine immer wieder aufgegriffene Schablone. Diese ›kopfschüttelnde‹ Betrachtung der Unternehmer gibt die Kritik an einer besonderen Gruppe als Kritik an einer ganzen Epoche aus.« (Koebner: Fernsehspiel, S. 27). 87 Vgl. DIE SCHROTT-STORY (ZDF 1971), DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE. TEIL 7: ANNO 1948 (ARD 1968), FEDERLESEN (ZDF 1972). 88 FEDERLESEN (ZDF 1972). 89 Wolfgang Wahl/Hilde Hessmann: »Wie ein Millionär zu seinen Millionen kommen kann…«, in: Hamburger Abendblatt, 29.11.1972. 90 Vgl. Peter F. Gallasch: »Buddenbröckle mit Braunstich«, in: Funk-Korrespondenz, 30.08.1968, S. 15.

112 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

profitieren konnten, versuchen den »sozialen Aufstieg«91 zu erzwingen, indem sie nach kurzen Episoden des Scheiterns einen Raubüberfall verüben. Zentral für den Film ist die These, das Wirtschaftswunder habe zu sozialen Ungerechtigkeiten geführt. Das Abdriften in die Illegalität ist Folge des gesellschaftlichen Drucks, einen immer größeren Wohlstand erreichen zu müssen. So erscheinen die Brüder als »Hilflose«, »einer feindlichen, übermächtigen Umwelt ausgeliefert«.92 Als moralischer Gegenpart fungiert der Vater, dem sein Auskommen als Toilettenmann genügt, um sein Leben in bescheidener Zufriedenheit zu leben. Die Typisierungen in den Fernsehspielen mit ihren Helden und Antitypen ließen wenig Zweifel daran, was gute und was schlechte Moral war, und wiesen starke Kontinuitäten zur Literatur und zum westdeutschen Film seit den 50er Jahren auf: Schon WIR WUNDERKINDER verwendete 1958 eine ähnliche Gegenüberstellung zweier Grundtypen93 und prägte gleichzeitig die sarkastische Chiffre von den Wunderkindern.94 Die satirische Überzeichnung vieler Fernsehfiguren – insbesondere der Unternehmer – belegen das »didaktisch-aufklärerische Konzept«95 hinter dem Fernsehspiel in den 1960er Jahren. Dem Publikum sollte ein Spiegel vors Gesicht gehalten werden. Dabei knüpften die Fernsehspiele an die kulturpessimistischen Haltungen der Vertreter der Restaurationsthese an. So fand sich auch in den Fernsehspielen häufig die Grundhaltung, dass es sich negativ auf die Moral und die gesellschaftlichen Werte auswirke, wenn der Einzelne nur auf den eigenen wirtschaftlichen Wiederaufstieg fixiert sei. Die erzeugten Bilder, Kostüme und Kulissen unterstützten die Deutungsangebote der Fernsehspiele: Visuell stehen in den Fernsehspielen passend zur zentralen Rolle der Unternehmerfiguren in erster Linie Büro und Geschäftskleidung für das Wirtschaftswunder: Der anzugtragende Geschäftsmann symbolisiert in DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE die Dienstleistungsgesellschaft, die sich im Wirtschaftswunder schlagartig entwickelte. In REBELLION DER VERLORENEN kann der Zuschauer anhand des Anzuges erkennen, ob eine Figur einer geregelten Arbeit nachgeht oder nicht. Während die beiden jüngeren der drei Brüder ihren kaufmännischen Tätigkeiten im Anzug nachgehen, signalisiert die Freizeitkleidung des Ältesten, dass dieser sich in der Gesellschaft nicht zurecht findet. 91 Programmankündigung Deutsches Fernsehen/ARD, 44/69, S. 17f. 92 Ebd., S. 18. Von Kritikerseite wurde diese Verbindung als nicht überzeugend rezipiert, vgl. z.B. »Kritisch ferngesehen«, in: Badische Zeitung, 4.11.1969; Egon Netenjakob bemängelte dagegen die »vorgenommene Abmilderung« der »WirtschaftswunderNegativfiguren«, die der Handlung viel von ihrem »kritischen Gehalt« genommen hätten: »Zerredete Aufklärung«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 46, 13.11.1969, S. 15. 93 Vgl. hierzu Kapitel II.2. 94 Vgl. Koebner: Fernsehspiel, S. 25. 95 Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 242.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 113

In ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER (1963) ist der Anzug das entscheidende Accessoire für Ziegler. Er lässt ihn bei seinen Betrügereien als ›Oberregierungsrat‹ glaubwürdig wirken und ermöglichst ihm den Eintritt in die Geschäftswelt. Der saubere, glatte Anzug symbolisiert dabei die Oberflächlichkeit und Doppelmoral im Wirtschaftswunder. Solche Äußerlichkeiten der Geschäftsmänner satirisch zu betonen, war nicht erst eine Erfindung der Fernsehproduktionen der 1960er und 1970er Jahre.96 Sie knüpfte vielmehr an frühere Filmproduktionen wie DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) an, wo in der ersten Szene die Geschäftsmänner und späteren Kunden Rosemaries in ihren Anzügen inszeniert werden. Die Anzugträger werden dort in ihrer Uniformität im militärisch anmutenden Gleichschritt gezeigt, die aus ihren teuren Mercedes-Modellen aussteigen und ins Hotel ›marschieren‹. Orte Auch Orte visualisieren den wirtschaftlichen Aufbau: Neben Büroräumen auch Fabrikhallen und Geschäfte. In CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE wird dies besonders im Vergleich zwischen den Folgen 7 und 8 deutlich gemacht: Die siebte Folge spielt im Jahr 1948 (»Währungsreform«), die achte 1960 (»Wirtschaftswunder«) – dazwischen liegt der wirtschaftliche Aufschwung. 1948 ist die Ausstattung der Büroräume noch improvisiert und gleicht eher der einer kleinen Werkstatt, die den Handarbeitscharakter des einstigen Schneidermeisters herausstellt (vgl. Abb. 4). 1960 ist daraus eine große Firma geworden, eine Firma im Wirtschaftswunder: neu eingerichtet, in pragmatisch-schlichtem Bürodesign und üppig im Ausmaß (vgl. Abb. 6). Darauf wird direkt in den ersten Einstellungen die Aufmerksamkeit gelenkt: In der Einstellung sieht man die Fabrikhalle mit moderner, automatisierter Maschinentechnik und vielen Arbeitern als Symbol für die Vollbeschäftigung. Die Diagonale im Bild verlängert die Halle dabei scheinbar ins Unendliche (vgl. Abb. 6). Die Orte der Schiebergeschäfte, also die Hinterräume von Gaststätten und Kneipen fehlen vollständig, statt dessen kann Enkel Nägele mit seinem neuen Sportwagen Fahrten ins Grüne unternehmen und der alte Nägele in Pension gehen – ein Bonus, den sich niemand der anderen ›Nägeles‹ in den vorherigen Teilen leisten konnte. Wilhelm Nägeles Wohnung im schwäbisch-gemütlichen Degeringen erscheint zudem mit seiner ganz im ›Gelsenkirchener Barock‹ gehaltenen Einrichtung geradezu als Hort der Ruhe und Stabilität und setzt sich damit klar vom in der Sendung als fragil geschilderten Wirtschaftswunder der neuen Büroräume und deren schlicht-modernem Möbeldesign ab. Die Handlung dreht sich dementsprechend auch um die beiden antagonistischen Auffassungen vom pensionierten Wilhelm Nägele und seinem Enkel, dem ungestümen Juniorchef Hans Nägele, der seinen durch das Wirtschaftswunder erlangten Wohlstand voll auskosten möchte. Hans 96 Neben ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER beispielsweise auch in FEDERLESEN.

114 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

agiert dabei in den Augen seines Großvaters vollkommen maßlos und riskiert den Erfolg und Fortbestand des ganzen Unternehmens. Erst mit Wilhelm Nägele, der am Ende die Firma doch wieder übernimmt, hält wieder ein maßvolles Wirtschaften Einzug ins Unternehmen. Ohne den kulturpessimistischen Zug anderer Fernsehspiele dieser Phase orientiert sich DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE an den Maßhalteparolen Erhards und drückt überdies das Misstrauen vieler Zeitgenossen am als fragil empfunden Wirtschaftswachstum aus.97 Die Accessoires der Wirtschaftswunderund Konsumgesellschaft erscheinen dabei als Wohlstandssymbole eines fragilen Aufschwungs, der schnell wieder zu Ende gehen konnte. Abb. 4-6: Orte des Wirtschaftswunders: Büro und Fabrik

Quellen: Videostills aus DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE: FOLGE 7: ANNO 1948 (ARD 1968), 50:26; FOLGE 8: ANNO 1960 (ARD 1968), 00:43, 08:23.

Wohndesign wird auch in REBELLION DER VERLORENEN (ARD 1969) als Symbol für den Stand des sozialen Aufstiegs verwendet: Mithilfe eines langsamen Linksschwenks wird in einer Szene Elfis durchschnittliche Wirtschaftswunderwohnung präsentiert. Neben dem schlicht-modernen Möbeldesign, fallen noch weitere Gegenstände, wie ein kleiner Fernseher und Tulpenlampen98 an der Wand, ins Auge des Zuschauers. Die Tatsache, dass Elfi sich ihre Kleider selber nähen muss, kommentiert David dann aber lakonisch mit: »Dein Mann gehört wohl auch nicht zu den Wirtschaftswunderkindern.«99 Die Möblierung von Wohnungen im Wirtschaftswunder wird in den Filmen durchweg zur Visualisierung des gestiegenen

97 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 255f. 98 In der Degeringer Dorfkneipe von Wilhelm Nägele ist ebenfalls eine deplatziert erscheinende Tulpenlampe zu finden (Teil 8). Da diese aber den Hintergrund während der gesamten Szene bestimmt, kann darauf geschlossen werden, dass ihr als Zeitmarker Bedeutung zugesprochen wurde. 99 Teil 1, 31:48.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 115

Wohlstandes gebraucht und zeigt wie im obigen Beispiel auch an, in welchem Maße jemand am Aufschwung partizipieren konnte.100 Daneben etablierte sich das Feiern von Festen mit üppigen Buffets, Gästen in Abendgarderobe und tanzenden Paaren als Motiv.101 Die Orte und Personen des Alltags, die in REBELLION DER VERLORENEN dargestellt wurden, hielten allerdings – so der Kritiker E.-M. Lenz – dem Realismusanspruch nicht stand, stattdessen flüchtete der Regisseur »sich in die effektsichere Welt der Illustrierten-Klischees«, wozu »flotte Sportwagen, […] Partys, Hausbars und üppige kalte Büffets«102 zählten. Die einfachen, realistischen Orte des Alltags seien zu wenig spektakulär für das Fernsehspiel gewesen, daher habe man auf überzeichnete Klischees zurückgegriffen. Deutlich an diesem Beispiel wird aber, dass Vorstellungen vom Alltag der 50er Jahre durchaus vorhanden und auch abrufbar waren, falls ein Fernsehspiel diesen realistischen Darstellungsanspruch vertrat und versuchte, durch Orte und Kulissen Zeitmarker zu setzen. Dann wurden auch Diskussionen auf einer historisierenden Basis geführt. Die Verweise auf die »Illustrierten-Klischees« spiegelten dabei das Empfinden vieler Zeitgenossen am Ende der 50er Jahre wider: Wie eine Allensbach-Umfrage von 1957 zeigte, neigten viele Bundesbürger geschmacklich eben nicht zum durchdesignten Stil der Nierentische und Tulpenlampen, sondern bevorzugten vielmehr weiterhin den ›Gelsenkirchener Barock‹ mit seinen wuchtigen Möbeln. Nierentisch und Tütenlampe repräsentierten also nicht den Massengeschmack, sondern den Zeitgeist der modernen 50er Jahre.103 Die Satiren nutzten so das Wohndesign zur mehr oder weniger kritischen Überzeichnung der Wirtschaftswundergesellschaft und ihrer »Neureichen«. Eine nach Realismus strebende Darstellung über die 50er Jahre wie REBELLION DER VERLORENEN konnte daher allerdings die modernen 50er Jahre Accessoires auch nicht zur Kennzeichnung einer Alltagskulisse des Durchschnittsbürgers verwenden, ohne unglaubwürdig zu wirken. Weitere Bilder der sich entwickelnden Wirtschaftswundergesellschaft gehörten schon in 1960er und 1970ern in den Themenkatalog fiktionaler Sendungen. Neben den bereits beschriebenen Kulissen zur Arbeitswelt etablierten sich erste Zeitmarker 100 Die Wohnung des Vaters der drei Brüder entspricht noch der Nachkriegswohnung. Im dritten Teil spielt das Wohndesign erneut eine Rolle, wenn David seiner Freundin versichern möchte, dass er kein Schwindler, sondern ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden ist und hierzu eine Wohnung komplett neu einrichtet: 12:06ff. 101 Im ersten Teil beginnt eine Szene mit einem langsamen Schwenk über ein üppig aufgestelltes und dekoriertes Buffet, später werden tanzende Menschen gezeigt: Teil 1, 65:38. 102 E.-M. Lenz: »Ressentiments geschürt, nicht abgebaut«, in: epd, Nr. 43, 8.11.1969, S. 12. 103 Vgl. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 53f. Hier befindet sich auch ein Abdruck der Fragen des Allensbach-Instituts.

116 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

für die Wirtschaftswundergesellschaft. Insbesondere Automodelle wurden hierfür vielfach in Szene gesetzt. Dabei wurden die Autos gleichzeitig als Wohlstandszeichen verwendet: In REBELLION DER VERLORENEN fährt Alex, bewundert von seinem jüngsten Bruder, einen Sportwagen.104 Unterstützt wird dies durch den Elvis Presley-Song Don’t Be Cruel (1956). Überhaupt untermalt amerikanische Rock’n’Roll Musik eine Vielzahl von Szenen in REBELLION DER VERLORENEN. Sie stand aber nicht nur für die Jugendkultur, sondern auch für die aufstrebende Schicht im Wirtschaftswunder. So werden Rock’n’Roll Songs auch auf der Party des negativ gezeichneten Wirtschaftswunderunternehmers gespielt. Abgesehen von diesen Beispielen hielt sich die Inszenierung von Wirtschaftswunder-Kulissen im Fernsehspiel insgesamt aber noch in Grenzen. Ein Grund dafür liegt sicherlich im generellen Erscheinungsbild des Fernsehspiels zu dieser Zeit. Zuerst am Theater orientiert tendierte es erst im Laufe der 1960er und 1970er Jahre stärker zum Filmischen, das mehr Detailreichtum in die Kulissen brachte.105 Die Restaurationsthese in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND Auch im non-fiktionalen Bereich wurde schon versucht – wenn auch in weitaus geringerem Maße – Orte, Menschen und Accessoires der Wirtschaftswundergesellschaft zu visualisieren. Zu Beginn des zweiten Teils von DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) greift Thilo Koch auf das in den Fernsehspielen verwendete Feiermotiv zurück, um den Satz »Wir sind noch einmal davon gekommen« zu bebildern.106 In einer Montage aus Modeschauen, Fahrgeschäften einer Kirmes und Filmbällen – vermutlich wieder Wochenschaumaterial – werden einige der tanzenden Prominenten durch den Kommentar identifiziert, darunter Theodor Heuss und Romy Schneider. Der Bildeinsatz unterstützt dabei die These der verdrängendrestaurativen Mentalität der 50er Jahre. Der Grundtenor des Feiermotivs ist hier, dass die Deutschen es sich im neuen Wohlstand und der neuen Konsumkultur »gemütlich« gemacht hätten und darüber die Probleme vergessen wollten. Dass Koch hier die Restaurationsthese vertritt, wird anhand einer weiteren Montage noch deutlicher (vgl. Abb. 7-12):

104 Die Inszenierung von Automobilen wird dadurch unterstützt, dass David als Automechaniker arbeitet, danach als Chauffeur, im dritten Teil arbeitet Alex an einer Tankstelle. In DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE ist ebenfalls ein Sportwagen in Szene gesetzt. 105 Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens. 106 Teil 2, 5:22.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 117

Abb. 7-12: Kontrastmontage zur restaurativen Verdrängung der Vergangenheit

Quelle: Videostills DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND, TEIL 1 (ARD 1971), 24:1425:39

Als »Gemütskitsch« angekündigt, wird ein Ausschnitt aus dem Heimatfilm »Grün ist die Heide« von 1951 mit kurzem O-Ton des titelgebenden Lieds eingespielt (vgl. Abb. 7). Mittels eines harten Schnitts folgen dann Trümmerbilder mit dem Kommentar: »Der Kinokitsch übertünchte die Trümmer, der noch lange nicht bewältigten Vergangenheit.« (vgl. Abb. 8) Dann kontrastieren Bilder von »Kriegskrüppeln« als »menschliche Ruinen« des Krieges und »noch immer« heimkehrende Kriegsgefangene die »scheinbar schon so friedlich-unbeschwerten, oft auch komischen 50er Jahren« (vgl. Abb. 9). Eine schnell geschnittene Montage zeigt nun ausgelassen feiernde Menschen, eingespielt wird hierzu der Schlager »Anneliese«,107 (vgl. Abb. 10) Aufnahmen aus Modeschauen (vgl. Abb. 11) und einem Motorroller (vgl. Abb. 12) demonstrieren vor dem Hintergrund der Probleme eine Konsumkritik, die auf dem Verdrängungsaspekt der Vergangenheit aufbaut. Eine Wiederholung des Heimatfilmausschnitts erinnert den Zuschauer nochmals an die Verdrängungsmechanismen. Eine im Folgenden zunehmende Schnittfrequenz unterstützt die Deutung der Bilder als hastiges Fortschreiten einer Gesellschaft, die sich keine Zeit lässt, zurückzuschauen. Schräg gehaltene Kamerapositionen, die im ursprünglichen Filmmaterial schon enthalten sind, verstärken den Kontrast zu den vorher länger gehaltenen Einstellungen der sozialen Hinterlassenschaften des Weltkrieges. Die restaurative Interpretation Kochs wurde von vielen Kritikern geteilt, gerade seine Montage zur Restauration explizit in die Texte übernommen: 107 1954 hatte Hans Arno Simon für den populären Nummer-Eins-Hit eine Goldene Schallplatte erhalten.

118 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Alle sprachen von Wiedervereinigung, es war die Zeit der Hirtenworte vor Wahlen, der Sonntagsreden auf Vertriebenentreffen, des neu erwachten Interesses für das eigene Haus, Reise, Spaß und Jux. Ein apolitisch-restaurativer Zug mit Gemütskitsch im Kino und einer heilen Welt an den Universitäten wird aufgezeigt.«108

Heinrich Breloer lobte Kochs Interpretation als »vernünftige Korrekturen« am »noch so verklärte[n] Geschichtsbild vom gefeierten Neubeginn der Bundesrepublik«:109 »Die Jahre des Wiederaufbaus waren auch Jahre der Restauration, und der Staat des ›alten Adenauer‹ der erfolgreiche Versuch, die ›alte Ordnung‹ wiederherzustellen. […] So läßt Thilo Koch die christdemokratische Abendsonne, die eine ganze Weile alles so goldig erscheinen ließ, ganz schön untergehen.«110

Auf der anderen Seite wurde Thilo Kochs Sendung, nachdem die CDU 1969 erstmals nicht an einer Regierung auf Bundesebene beteiligt war, insbesondere von konservativer Seite als Abrechnung aus »sozialliberaler«111 Perspektive gelesen. Zustimmende und ablehnende Kritiken an Kochs Geschichtsbild hielten sich in etwa die Waage, wobei seine Befürworter die Nüchternheit lobten,112 seine Kritiker eine »unhistorische Kommentierung«113 bemängelten. Der Kommentar Kochs überschrieb die Signatur der Filmbilder also nicht komplett. Abhängig von der eigenen zeitgenössischen (geschichts-)politischen Einstellung und den auch davon geprägten Erinnerungen an die 50er Jahre wirkte Kochs Kommentar zur Bildebene daher wahlweise bestätigend oder widersprüchlich. An der filmischen Umsetzung der Restaurationsthese durch Thilo Koch zeigten sich die starken politischen Implikationen von Filmbildern der 50er Jahre zu einer Zeit, in der Bilanzziehungen und Zeitkritik von Journalisten, Schriftstellern und Künstlern die Restaurationsthese popularisierten. Vor allem die Verbindung von wirtschaftlichem Wiederaufbau und apolitischen, unmoralischen Verdrängungsmechanismen wurde zu einer populären These fiktionaler wie non-fiktionaler Produk-

108 Eberhard Nitschke: »Die fünfziger Jahre in Deutschland«, in: Die Welt, 2.11.1971; vgl. auch: Walter Fabian: »Keineswegs golden…«, in: epd/Kirche und Fernsehen, Nr. 43, 13.11.1971; »Der Blick zurück«, in: Landeszeitung, 2.11.1971. 109 Heinrich Breloer: »Die Schwächen des ›Alten‹ lassen sich nicht leugnen«, in: Hamburger Morgenpost, 3.11.1971. 110 Ebd. 111 Rheinischer Merkur, 5.11.1971. 112 Sibylle Wirsing: »Das Buch zum Film«, in: Der Tagesspiegel, 3.11.1971. 113 »Die fünfziger Jahre in Deutschland (I)«, in: Berliner Morgenpost, 5.11.1971.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 119

tionen zur Wirtschaftswundergesellschaft. Vor diesem Hintergrund muss auch das in fiktionalen Sendungen verwendete Feiermotiv gesehen werden, Orte und Accessoires, die wohl indirekt auch auf die Verdrängungsmechanismen der Wirtschaftswundergesellschaft verwiesen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem Begriff der Verdrängung hier nicht in erster Linie die verdrängte NS-Vergangenheit und Kontinuität von NS-Eliten in der Bundesrepublik gemeint war, sondern vielmehr die Verdrängung sozialer Probleme. Die wirtschaftspolitische Perspektive in non-fiktionalen Sendungen Allerdings war es im non-fiktionalen Bereich die weitaus dominantere Perspektive, das Wirtschaftswunder als wirtschaftspolitisches Ereignis zu thematisieren,. Dies galt für Fernsehsendungen ebenso wie für Artikelserien in Zeitungen: Der Journalist Ferdinand Fried sprach in der Welt schon 1959 von den »›goldenen Fünfzigern‹ – also unser Jahrzehnt, das der ›Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder‹ bestimmten«.114 Gemäß der Dramaturgie der einzelnen Teile seiner Artikelserie verfolgte Fried die bundesrepublikanische Entwicklung aus »Trümmer[n] und Hungerjahre[n]«, über die »Wende durch Währungsreform« und die »Freie Marktwirtschaft« hin zu einer Zeit »Auf den Wogen des Wohlstandes«.115 Fried präsentierte damit die wirtschaftspolitische und ereignisgeschichtliche Erzählung in Reinform, eine Wiederaufbaugeschichte von den Trümmern hin zu einem zeitgenössischen Wohlstandspunkt. Dieser wurde durch eine prosperierende Wirtschaft und einen stabilen Staat charakterisiert, der die meisten wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Nachkriegsjahre gelöst habe. Hauptstationen dieser Entwicklung bildeten die Währungsreform und der Marshallplan, die einerseits die Einführung der freien Marktwirtschaft, andererseits die sozialpolitischen Maßnahmen des Staates, wie den Wohnungsbau und die Integration der Flüchtlinge, ermöglichten. Dies führte zu einer immensen Steigerung der Wirtschaftskraft, sodass in wenigen Jahren die Produktionsquoten der Vorkriegsjahre übertroffen werden konnten und sich die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum reduzierte. Die Bebilderung des Wirtschaftswunders erfolgte dabei vor allem über Grafiken, die die immensen Steigerungen der Industrieproduktion und des Lohnindexes veranschaulichen sollten. Der wachsende Wohlstand führte in der Folge zu einem gesteigerten und veränderten Konsumverhalten der Bevölkerung, die sich dadurch zu einer Wohlstands- und Konsumgesellschaft entwickelte. Frieds Wirtschaftswundererzählung der westdeutschen Boomjahre in der Welt von 1959 gab den Kern der optimistischen Perspektive auf den

114 Ferdinand Fried: »Die goldenen Fünfziger«, in: Die Welt vom 18., 22., 25., 29. April 1959, hier 18. April 1959; vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 16. 115 Die Zitate entsprechen den Untertiteln der einzelnen Teile.

120 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau wieder, wie sie in den folgenden Jahren immer wieder erzählt werden sollte. Obwohl diese optimistische Perspektive im non-fiktionalen Bereich überwog, gab es dennoch kaum Sendungen über die 50er Jahre, die diese Wirtschaftswundererzählung in den Fokus stellten. Die Dokumentationen bis Mitte der 1970er Jahre nahmen zwar das wirtschaftspolitische Narrativ auf, meist als faktisches Grundgerüst aus Wachstumszahlen, die den wirtschaftlichen Aufschwung beschrieben. In den meisten Fällen standen aber nicht der wirtschaftliche Boom im Fokus, sondern die innen- und außenpolitischen Entwicklungslinien.116 Eine dezidierte Fokussierung auf die wirtschaftliche Entwicklung zur Charakterisierung der »Goldenen 50er Jahre« gab es folglich im dokumentarischen Bereich der 1960er und 1970er Jahre nicht. Bis in die 1970er Jahre hinein waren die Bilder des Wirtschaftswunders auch in Montagen der großen Jahrestagsproduktionen nur sehr spärlich vertreten – vermutlich auch, da sie nur wenige repräsentative Ereignisse aufwiesen, die in den Jahrestagsfilmen abgerufen wurden. Thilo Koch thematisierte erst 1971 in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND sowohl den erfolgten wirtschaftlichen Wiederaufbau als auch – wie gesehen – dessen Auswirkungen auf die Wirtschaftswundergesellschaft. Statt aber wie Fried vor allem den wirtschaftlichen Boom in Zahlen zu bewundern, achtete Koch darauf, diesen immer in sozialpolitische Kontexte einzubinden: Auch er nutzte Wochenschaumaterial, visualisierte die wirtschaftlichen Entwicklungen aber mit solchen Wochenschaubildern, die die Warenproduktion und Exportstärke der deutschen Wirtschaft herausstellen sollten. Die Ausschnitte zeigten deutsche Großunternehmen wie Lufthansa (vgl. Abb. 13), Volkswagen oder AEG, Ausschnitte von Berichten zu Industriemessen sowohl zu Konsum- als auch Industriegütern (vgl. Abb. 1415). Darauf ließ er konsequent Bilder der Arbeitnehmerseite folgen, in denen er einerseits auf das maßvolle Verhalten der Gewerkschaften in den 50er Jahren verwies, andererseits mittels Streikbildern verdeutlichte, dass die soziale Ungleichheit mit wachsendem Wohlstand zunahm und Erhards Wirtschaftspolitik nur teilweise eine soziale Marktwirtschaft gewesen sei. Auch in DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974) wird der große Anteil der Gewerkschaften am Aufschwung betont, hier aber optimistisch als gesamtgesellschaftliche Anstrengung interpretiert. Zu den Wirtschaftswunderbildern tritt zudem als Kennzeichen wachsenden Wohlstandes die Motorisierung hinzu (vgl. Abb. 18). Die Bilder entstammten Wochenschauen westdeutscher Automobilmessen, bei der verschiedene Modelle, wie der Opel Kapitän oder der Mercedes 300, vorgestellt wurden.117 116 So z.B. in WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN und DIE ZWEITE REPUBLIK. 117 Teil 2, 16:54.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 121

Abb. 13-18: Visualisierungen des Wirtschaftswunders in non-fiktionalen Sendungen

Quellen: Videostills Zeile 1: DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND. TEIL 2 (ARD 1971), 11:05-11:32; Zeile 2: DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 2 (ZDF 1974), 15:12, 15:27, 17:07.

Insgesamt spielen Wochenschauberichte von Industriemessen eine wichtige Rolle bei der Visualisierung des ›bildlosen‹ Wirtschaftswunders: Sie dienen in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND als Bildteppich für den Kommentar, der die Zahlen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus aufzählt. DIE ZWEITE REPUBLIK verwendet Grafiken von Exportzahlen (vgl. Abb. 16), einen Werbefilm des Deutschen Handwerks und die Bilder der Automobilmesse. Die Verwendung der Messemontagen folgte dabei wieder der ursprünglichen Intention der Wochenschaumacher, in denen diese wichtige Elemente zur Visualisierung des bisher Erreichten bildeten. Bilder der Währungsreform Als frühes Ereignis des wirtschaftlichen Wiederaufbaus war nur die Währungsreform von 1948 von Beginn an fester Bestandteil des Bildkanons, da sie einerseits als »weiterer Schritt für die Trennung«118 der beiden deutschen Staaten interpretiert wurde, andererseits galt sie aber auch als »eine der Voraussetzungen für die Gründung der Bundesrepublik […], indem sie die Gesundung der Wirtschaft in den drei Westzonen einleitete.«119 Die Bilder der Währungsreform gehörten daher von Beginn an zu den kanonisierten Bildern der Nachkriegszeit.120 Die verwendeten Bilder 118 DER WEG IN DIE TEILUNG (BFS3 1964), 30:17ff. 119 WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN (ZDF 25.5.1969), 3:12ff. 120 Verwendung fanden sie neben den beiden erstgenannten Sendungen auch in: ZWANZIG JAHRE D-MARK (BFS3, 16.06.1968); WOHLSTAND FAST FÜR ALLE. LUDWIG ERHARD

122 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

entstammten dabei den bekannten Wochenschauaufnahmen,121 (vgl. Abb. 19-21) allen voran zu Warteschlangen vor den Geldausgabestellen, Nahaufnahmen des neuen Geldes (vgl. Abb. 19) und der vollen Schaufensterauslagen der Geschäfte (vgl. Abb. 20-21). Abb. 19-24: Nachstellen der Wochenschauaufnahmen zur Währungsreform

Quellen: Zeile 1: Wochenschauaufnahmen als Montage aus WOHLSTAND FAST FÜR ALLE (ZDF 1972), 07:46-08:14, ursprünglich WIF 161; Zeile 2: DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE, FOLGE 7: ANNO 1948 (ARD 1968),

40:45-42:27.

CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE konnte daher schon 1968 auf die Bekanntheit dieser Wochenschauaufnahmen zurückgreifen und sie fiktional nachstellen: Der Tag der Währungsreform wird explizit ins Bild gesetzt (40:30 ff.): In nachgespielten Bildern sieht der Zuschauer zuerst den Umtausch der alten Reichsmark und den Erhalt des Kopfgeldes durch Erna Nägele. Die Kamera fokussiert dabei immer auf das alte und neue Geld (vgl. Abb. 22) und legt Wert auf den Umtauschprozess, der einerseits als recht bürokratisch – im Bild sind viele Formulare zu sehen – gezeigt wird. Andererseits machen die Stille, die über der Szene liegt – weder Hintergrundmusik noch Gespräche sind zu hören – und die langsame Kameraführung, die einen langsamen Rechtsschwenk vollzieht, eine neue Ordnung, ein neues Geordnetsein deutlich. In der nächsten Szene sieht man Wilhelm mit seinem Enkel Hänsle das neue Geld betrachten, wodurch noch einmal der Fokus auf die neue D-Mark gerichtet wird. Dann kommt Erna mit einer vollen Einkaufstüte herein und schwärmt davon,

UND DIE FREIE MARKTWIRTSCHAFT

(ZDF, 02.02.1972), DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 1

(ZDF 5.5.1974). 121 Die Bilder entstammten vor allem WiF 161, 25.6.1948.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 123

dass es wieder alles zu kaufen gebe. Nach einem weiteren Szenenwechsel filmt die Kamera durch ein Schaufenster eine Menschentraube, die sich vor dem zugehörigen Laden versammelt hat (vgl. Abb. 23-24). Wilhelm kommt mit Hänsle dazu. Die Inhaber räumen ihre Waren ein und Wilhelm kauft Hänsle seinen ersten ›Mohrenkopf‹. Solche Vorgängen drücken eine Normalisierung der Nachkriegsverhältnisse aus. Die Inszenierung der Währungsreform stellt dabei wie erläutert dezidiert Wochenschauaufnahmen nach: Der Umtausch des Geldes ist genauso den Wochenschauaufnahmen nachempfunden, wie die Kameraperspektive der vollen Schaufenster mit den Menschentrauben und Auslegewaren. Das Nachstellen der Wochenschaubilder sollte in den non-fiktionalen Sendungen Authentizität schaffen, die auf dem Erkennen von bekanntem Bildmaterial beruhte. Dies lässt den Schluss zu, dass die Bilder der Währungsreform schon recht stark im Funktionsgedächtnis verankert gewesen sein mussten. Die Darstellungen des Wirtschaftswunders der 50er Jahre, so lässt sich resümierend festhalten, unterschieden sich in ihren Perspektiven, je nachdem ob es im Fernsehspiel oder in der historischen Dokumentation visualisiert wurde. Das Fernsehspiel porträtierte die Wirtschaftswundergesellschaft und orientierte sich dabei eng an Vorbildern in Kinofilmen und Literatur. Hier etablierten sich prototypische Figuren wie der Karrieremacher oder der Gescheiterte. Die meisten Fernsehspiele verwiesen in der Darstellung direkt oder indirekt auf die These der restaurativen Verdrängung. In der Darstellung der Orte und Kulissen sind erste Zeitmarker erkennbar, besonders im Feiern, der Automobile und der Arbeitswelt. Die nonfiktionalen Sendungen waren demgegenüber am politisch-journalistischen Diskurs ausgerichtet und stellten das Wirtschaftswunder mit Ausnahme von Thilo Kochs DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) in seiner wirtschaftspolitischen Perspektive dar. Die Visualisierung des bildlosen Wirtschaftsaufschwungs orientierte sich an den Strategien der Wochenschauen, die Industriebilder in den Vordergrund rückten, um die Stärke der deutschen Wirtschaft zu zeigen.

4. P ERSON

UND

ÄRA ADENAUER

Eine ganze Reihe von Kritikern und Bewunderern zog zwischen der Spiegel-Affäre 1962 und dem Tod Adenauers 1967 Bilanz zu Adenauers Regierungshandeln. Seine letzten Regierungsjahre wurden dabei von zeitkritischer Publizistik begleitet, die als Chiffre für die Zeit zwischen 1949 und 1963 von der »Ära Adenauer«122 sprach.123 Der Begriff hatte demnach zu Beginn der 1960er Jahre einen dezidiert kritischen 122 Vgl. Treue: Geschichte; Dönhoff: Ära Adenauer; Sethe/Fried/Schwab-Felisch: Fundament; o.A.: Ära Adenauer. 123 Vgl. Doering-Manteuffel: Zeitgeschichte, S. 9.

124 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Unterton. Erst später, seit den 1980er Jahren, wurde er z.B. in wissenschaftlichen Arbeiten zum Teil positiv besetzt.124 Der originär kritische Impetus, der mit dem Begriff verbunden war, spiegelte sich nicht nur in der Publizistik, sondern auch in der frühen Adenauerforschung. So schrieb Karl Dietrich Bracher im Sammelband zum 25. Gründungsjubiläum der Bundesrepublik im Jahr 1974: »Der patriarchalische Stil des mächtigen Oberbürgermeisters [Adenauer] von 1917 bis 1933 ging nun in die Auffassung einer Kanzlerregierung ein, die weniger auf kollegiale Kabinettspolitik denn auf persönlicher Führung mithilfe einer starken und zuverlässigen Verwaltung beruhte.«125

Durch diese kritischen Analysen erhielt allerdings die ›affirmative‹ Adenauerforschung Auftrieb, da konservativ ausgerichtete Befürworter sich zu Entgegnungen herausgefordert fühlten. Adenauer als Medienkanzler Aber auch Adenauer selbst arbeitete in den Jahren bis zu seinem Tod am eigenen Mythos und versuchte, die Bewertung seines eigenen politischen Handelns zu beeinflussen.126 Kernstück dieser Bemühungen waren seine »Erinnerungen«, die dem Leser Einblicke aus erster Hand ermöglichen sollten.127 Zudem erschienen Mitte der 1960er Jahre eine Reihe von Bildbänden über die Verdienste Adenauers,128 die aus

124 So am deutlichsten bei Hans-Peter Schwarz: Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 2), Stuttgart: DVA 1981; Hans-Peter Schwarz: Die Ära Adenauer. Epochenwechsel 1957-1963 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 3), Stuttgart: DVA 1983. 125 Karl Dietrich Bracher: »Die Kanzlerdemokratie«, in: Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Stuttgart: Seewald 1974, S. 179-202, hier S. 189. 126 Vgl. Michael Ruck: »›Abschied vom Pathos‹ – Beginn eines ›Mythos‹. Die visuelle Gründungskonstruktion der Bundesrepublik«, in: Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 40-47, hier S. 44. 127 Konrad Adenauer: Erinnerungen 1945-1953; 1953-1955; 1955-1959; 1959-1963. Fragmente, Stuttgart: DVA 1965-1968. 128 Bertram Otto: Konrad Adenauer und seine Zeit, Bonn: Berto 1963; Will McBride/HansWerner Graf Finck von Finckenstein: Adenauer. Ein Porträt, Starnberg: Josef Keller 1965; Konrad Adenauer. Porträt eines Staatsmannes. Eine Bilddokumentation. Eingelei-

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 125

vollen Bildarchiven schöpfen konnten, weil der Kanzler stets darauf bedacht war, sich visuell in Szene setzen zu lassen. Adenauer galt als der erste deutsche Politiker, der »systematisch sein Privatleben visuell inszenierte«.129 Auch präsentierte er sich häufig in unpolitischen Blättern, wie der Bunten Illustrierten, die entsprechend zu seinem Tod einen Gedenkband als Sonderdruck herausgab.130 Der Bundesadler auf dem Umschlag, das Vorwort von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und die 32seitige Bildserie über sein Begräbnis, verliehen dem Band etwas Staatstragendes, obwohl er sich inhaltlich letztlich aus einer Zusammenstellung der Illustriertenreportagen über Adenauer aus den 50er Jahren zusammensetzte.131 Politisch zeigten die Illustrierten-Bilder Adenauer als lenkenden Staatsmann: Das Kapitel »Historische Stunden der Begegnung«132 enthielt eine Zusammenstellung von Staatsempfängen und anderen Treffen Adenauers mit Staatsoberhäuptern, Kirchenvertretern und Adligen. Daneben gab es aber auch ausführliche Bildserien seiner Urlaube in Cadenabbia oder »Im Kreise seiner Familie«, die Adenauer als Privatmann in Szene setzen sollten: »Mit Liebe und mit Strenge ›regierte‹ Konrad Adenauer seine vielköpfige Familie.«133 Allgemein trugen die Bildbände so dazu bei,134 die ›Ära Adenauer‹ visuell in ein positives Licht zu rücken, sodass trotz aller Kritik am ersten Kanzler das frühe Bildgedächtnis in seinem Sinne geformt wurde. Adenauer selbst hatte darauf gezielt hingewirkt. Mit seinem Tod 1967 geriet sogar sein gegen Ende der Regierungszeit schwieriges Verhältnis zu den Medien scheinbar in Vergessenheit, würdigte ihn doch letztlich der Großteil der Medien mit immenser Aufmerksamkeit.

tet von Georg Schröder, Gütersloh: C. Bertelsmann 1966; Franz Burda (Hg.): Konrad Adenauer. Ein Gedenkband aus dem Burda-Verlag, Offenburg: Burda 1967. 129 Frank Bösch: »›Keine Experimente‹. Adenauer als alternder Staatsmann«, in: Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 194-201, hier S. 199. 130 Burda: Adenauer. 131 Dies war allerdings durchaus üblich für die ersten Bildbände über die Nachkriegszeit, die vor allem als Zweitverwertungen der Zeitungs- und Zeitschriftenarchive der Verlage angesehen werden können; vgl. Zentner: Aufstieg; Kurt Zentner: Das sechste Jahrzehnt des XX. Jahrhunderts. 2 Bde., Offenburg: Burda 1961; Emilian J. Klinsky/Hanns Reich: Bilder schreiben Geschichte. Deutschland 1945 bis heute, 3., erw. Auflage, München: Hanns Reich Verlag 1964 [Erstaufl. 1962]. 132 Burda: Adenauer, S. 42-57. 133 Ebd., S. 164. 134 Dem Verfasser ist kein kritischer Bildband aus den 1960er Jahren bekannt.

126 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Fernsehprogramm zum Tod Adenauers 1967 Der Spiegel fasste die Reaktion der Medien auf den Tod Adenauers folgendermaßen zusammen: »›Mit kleinen Jungens und Journalisten‹, hatte Konrad Adenauer einmal gesagt, ›soll man vorsichtig sein: Die schmeißen immer noch ‘nen Stein hinterher.‹ In der letzten Woche warfen sie nicht.«135

So beging beispielsweise das westdeutsche Fernsehen den Tod Adenauers mit »einer vollen Woche Fernsehtrauer«136 Dabei befassten sich nicht nur viele Sendungen mit dem ersten Kanzler in der Gedenkwoche zwischen seinem Tod am 19. April 1967 und den Trauerfeiern. Am 25. April 1967 wurde vielmehr das gesamte Programm auf »vorwiegend ernste und ›schwere‹ Sendungen« umgestellt. Kurzum: Der Tod Adenauers war eine Woche lang nationales Fernsehereignis, dem sich niemand durch Umschalten entziehen konnte.137 Dies zeigte einerseits eine große Unsicherheit der öffentlich-rechtlichen Sender, wie mit solchen Meldungen generell umzugehen war, andererseits, wie hoch der Stellenwert Konrad Adenauers Mitte der 1960er Jahre war. Während aber die eigentlichen Adenauer-Sendungen überwiegend auf positive Resonanz stießen, empfanden Zuschauer wie Fernsehkritiker die Umstellung des übrigen Programmes als zu viel des Guten.138 Noch am Todestag stellten ARD und ZDF ihr Programm um, sobald die Nachricht bekannt geworden war und sendeten ab dem Nachmittag Orchestermusik. Das ARD-Programm ›verstummte‹ zwischen 19:30 und 20:00, nur eine Schrifttafel mit der Nachricht des Todes wurde gezeigt.139 Anschließend ließen beide Sender eine Reihe von vorwiegend prominenten Politikern zu Wort kommen. Während ihrer Nachrufe waren sie die gesamte Zeit im Bild zu sehen, um Bewegtbilder Adenauers zu vermeiden. Denn im Kontext kritischer Kommentare zu früheren Todestagsge135 »Musik in Moll«, in: Der Spiegel, Nr. 18, 24.04.1967, S. 49. 136 »Eine volle Woche Fernsehtrauer«, in: epd, Nr. 16, 29.04.1967, S. 10. 137 Beide Sender stellten ihr Programm auf die Ausstrahlung von Fernsehspielen mit entsprechender Eignung um, vgl. Infratest index. Abendprogramme, Nachmittagsprogramme: Das Gedenkprogramm von ARD und ZDF nach dem Tode von Konrad Adenauer, 19.-25.4.1967, S. 4. Außerdem wurden die TAGESSCHAU- und HEUTESendungen während der gesamten Woche in ihrer Dauer teilweise erheblich ausgeweitet und von der Adenauer-Berichterstattung dominiert, die vor allem mit Fotografien Adenauers zur Visualisierung arbeiteten. Vgl. ebd., S. 12. 138 Vgl. ebd., S. 5f., S. 7-18; »Zuviel Trauer in den deutschen Fernsehprogrammen«, in: epd, Nr. 17, 6.5.1967. 139 Vgl. ebd., S. 22;

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 127

denksendungen140 hatten sich die Sender stillschweigend darauf verständigt, am Todestag aus Pietätsgründen keinen vorab vorbereiteten Nachruf zu senden, der den Verstorbenen ›in Aktion‹, beispielsweise bei politischen Reden, zeigte. Letztlich setzte sich die ARD aber doch über dieses informell beschlossene ›Bewegtbilderverbot‹ hinweg und sendete am Abend im Rahmen der TAGESSCHAU ein vorbereitetes Porträt mit Archivfilmmontagen und Fotografien, während sich das ZDF seine Porträtsendung bis zum Begräbnistag aufsparte.141 Allerdings vermied es die ARD in ihrem Nachruf, Adenauer als streitbaren Politiker zu zeigen, sondern beschränkte sich vielmehr auf die Bebilderung seiner außenpolitischen Reisen oder seiner Ehrungen – beispielsweise mit der Laudatio Eugen Gerstenmaiers zum Ausscheiden Adenauers aus dem Bundestag – sowie auf Bilder des Privatmanns in Cadenabbia beim Boccia oder in Rhöndorf mit seinen Töchtern. Dieses thematische Grundgerüst orientierte sich offensichtlich am vorhandenen, durch Adenauer geprägten Bildmaterial, das es dem recherchierenden Autor nicht schwer machte, wohlwollende Bilder zu einer Nachruf-Montage zu verbinden. Bewusst oder unbewusst folgte der Nachruf im Fernsehen damit den oben beschriebenen Bildbänden. Ohne inhaltlich größere Interpretationslinien zur deutschen Nachkriegspolitik vorzunehmen, stellte der Nachruf so das persönliche Engagement Adenauers für die Bundesrepublik in den Vordergrund ebenso seine Charakterstärken, zu denen Entschlossenheit genauso gehörte wie sein humorvolles Wesen. Die Liste der politischen Verdienste Adenauers, z.B. um die deutschfranzösische Aussöhnung, im Zusammenspiel mit seinen Charakterstärken, stellten demnach den ersten Höhepunkt einer wohlwollenden Popularisierung Adenauers dar, die noch bis ins nächste Jahrtausend andauern sollte. Die kritischen Bilanzziehungen zur Regierungszeit Adenauers Anfang der 1960er Jahre hingegen waren spätestens mit seinem Tod 1967 vorerst verstummt, statt dessen würdigten alle Medien Adenauers Verdienste. Das Fernsehen bildete dabei das Flagschiff der nationalen Trauergemeinschaft. Natürlich sind Nachrufe auch heute noch kein Genre, um Kritik am Verstorbenen zu üben, aber im Nachhinein scheint es, als hätten die Verantwortlichen ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag dabei überinterpretiert. Gedenkprogramm zum 100. Geburtstag Adenauers 1976 Neun Jahre später, Anfang Januar 1976, nahmen die Programmverantwortlichen den 100. Geburtstag Konrad Adenauers erneut zum Anlass, Adenauer-zentrierte 140 Vgl. die Aufstellungen zu Gedenkprogrammen zwischen 1963 und 1967 in: ebd., S. 3436. 141 GEDENKSENDUNG – KONRAD ADENAUER (ARD, 19.4.1967, 20:40 Uhr); KONRAD ADENAUER: EIN LEBENSBILD (ZDF, 25.4.1967, 21:05 Uhr); Vgl. hierzu: »Das Problem der Programmänderung«, in: epd, Nr. 15, 22.04.1967, S. 11.

128 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Programme zur besten Sendezeit auszustrahlen: Am 4. Januar startete das ZDF mit dem Dokumentarspiel von Peter von Zahn über Adenauers Jahre als Kölner Oberbürgermeister, am Folgetag zeigte das ZDF zuerst eine aus Archivfilmen und Interviews mit Adenauer kompilierte Dokumentation, dann sendete die ARD eine gekürzte Fassung der Interviews Peter von Zahns mit Adenauer kurz vor dessen Tod.142 Die Gedenksendungen polarisierten die Kritiker. Insbesondere die Doppelautorenschaft Peter von Zahns wurde in mehreren Artikeln als unglückliche Wahl angesehen.143 Peter von Zahn, Bewunderer Adenauers und der CDU nahe stehend, sei mit einer »unkritischen Ehrfurcht«144 an das Gedenken herangegangen und habe eine »Verfestigung der subjektiv ›reinen‹ Wahrheit« betrieben, sodass nur ein »Super-Conny mit Goldrand«145 herausgekommen sei. Indes machte Gunter Hofmann das Genre der ›Gedenksendung‹ dafür verantwortlich, das mit einem »Zwang, den ersten Kanzler zu ›würdigen‹«146 einherginge. Vielen Kritikern schienen aber diese »neuen ›Würdigungen‹, die sich um keinen Gedanken von den Adenauer-Stücken des Todesjahres unterschieden«,147 zu wenig gewesen zu sein. Im Gegensatz zu den Sendungen des Todesjahres hätten viele Kritiker nun offenbar eine kritische Reflexion der Person Adenauers erwartet. Somit forderten sie eine erste Historisierung Adenauers, wie sie zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht möglich gewesen war. Dagegen vermissten andere Kritiker nicht die Erzeugung kritischer Distanz zur Per-

142 FÜNF PRÜFUNGEN DES OBERBÜRGERMEISTERS (ZDF, 4.1.1976, 20:15); KONRAD ADENAUER. STATIONEN EINER KANZLERSCHAFT (ZDF, 5.1.1976, 19:30); KONRAD ADENAUER. GEDANKEN UND ERINNERUNGEN (ARD, 5.1.1976, 21:55). Letztere Sendung stellte eine gekürzte Fassung der vom BR 1969 ausgestrahlten Fassung: KONRAD ADENAUER. GEDANKEN DER LETZTEN JAHRE. 3 TEILE (BFS3 1969) dar. Neben diesen Hauptsendungen zeigte die ARD im Anschluss an die Tagesschau am 5. Januar eine Ansprache Helmut Schmidts, das ZDF ab 21:10 Uhr eine Zusammenfassung der Feierstunde im Bundestag und schon am 4.1. beschäftigte sich der INTERNATIONALE FRÜHSCHOPPEN

mit dem Adenauer-Gedenken.

143 Vgl. »Denkmalpflege«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 7.1.1976; Rainer Stephan: »Bewunderer unter sich«, in: Badische Zeitung, 7.1.1976. 144 Jo Straeten: »Weder Fisch noch Fleisch!«, in: Neue Ruhr Zeitung, 6.1.1976. 145 Klaus Hamburger: »Super-Conny mit Goldrand«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 3, 14.1.1976, S. 18. 146 Gunter Hofmann: »Mit einem Glorienschein«, in: Stuttgarter Zeitung, 7.1.1976. Dagegen fragte C. Dietrich Brettschneider in den Stuttgarter Nachrichten vom 7.1.1976 kritisch: »Ist denn ein hundertster Geburtstag eine Verpflichtung zur Verklärung und nur zur Verklärung?« 147 Heinrich Meyer: »Von Adenauer Lichtjahre entfernt«, in: Süddeutsche Zeitung, 7.1.1976.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 129

son Adenauers, sondern empfanden »das Wiedersehen mit dem Alten«148 als »rührend, bewegend« und als Möglichkeit ihn noch einmal »unmittelbar [zu] erleben«.149 Die starke Einbeziehung von Interviewpassagen, in denen Adenauer direkt im Bild über sein eigenes Handeln spricht,150 wurde selbst von eher skeptischen Kritikern überwiegend als gelungen bewertet. Die Interviews stammten alle aus Adenauers letzten Lebensjahren151 seit seinem Rücktritt 1963 und zeigten ihn als gealterten Staatsmann, der über sein politisches Leben Bilanz zog. Dabei beeindruckte allein Adenauers physische Präsenz einige Beobachter auch noch im Nachhinein über die Maßen: »Kein Kommentar, keine Festrede, keine noch so wohlmeinende oder auch kritische Würdigung konnte die Persönlichkeit, den vielschichtigen Charakter, die politische Vorstellungswelt und vor allem die entwaffnende Menschlichkeit des Staatsmannes so eindringlich ins Bewußtsein rufen wie dieses sprechende Gemälde einer faszinierenden Gesichtslandschaft. Seine Worte machten die Leistungen, die er vollbracht hatte, förmlich sichtbar. Aber er sprach auch, wenn er schwieg, wenn er den Fragen des Interviewers in äußerster Konzentration zuhörte, wenn im großflächigen Antlitz die Adern und Narben und die schon eingesunkenen Schläfen hart hervortraten, und sich dann der Vorhang plötzlich wieder öffnete, die während des Zuhörens von den Lidern fast verdeckten Augen urplötzlich blitzten und der schmale Mund sich öffnete…«152

Alle Interviews passten in Adenauers forcierte Selbstinszenierung und vorgegriffene Historisierung seiner letzten Lebensjahre. Peter von Zahns Interviewreihe war als visuelle Ergänzung zu Adenauers Erinnerungen angelegt gewesen. Von Zahns Fragetechnik ermöglichte es Adenauer, in anekdotischer Form Episoden seiner politischen Zeit in eigener Interpretation zum Besten zu geben. »Haben Sie da jemals so einen Akt feierlich unterschrieben?«, fragte von Zahn beispielsweise gewolltrhetorisch um Adenauer einen Anlass zu geben, seine Version des Antrittsbesuchs auf dem Petersberg 1949 zum Besten zu geben.153 Dennoch waren es gerade diese 148 W. Höpker: »Wiedersehen mit dem Alten«, in: Deutsche Zeitung Christ und Welt, 9.1.1976. 149 Wolf Ullmann: »Adenauer allerorten«, in: Kieler Nachrichten, 7.1.1976. 150 Die Schnittfilme entstammten neben den schon erwähnten Interviews Peter von Zahns zwei weiteren Interviews, einmal von Günter Gaus Sendung ZUR PERSON von 1966 und einem Interview von 1963, nach Adenauers Rücktritt als Bundeskanzler. 151 Vgl. z.B. »Adenauer total«, in: Frankfurter Rundschau, 7.1.1976. 152 Roland Schmidt: »Ein großes Interview und ein rundes Lebensbild«, in: Rheinische Post, 7.1.1976. 153 Adenauer nimmt den Antrittsbesuch in seinen Erinnerungen zum Anlass, um sein Selbstbild des selbstbewussten Vertreters deutscher Interessen auf Augenhöhe zu lan-

130 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Anekdoten – gesprochen und visuell – die viele Kritiker zu dem Schluss kommen ließen, dass hier lebendige Erinnerungen präsentiert wurden und die Person Adenauers eine authentische (Selbst-)Darstellung erfuhr, die keinen zwischengeschalteten historisierend-bewertenden Vermittler benötigte.154 Sowohl Peter von Zahns Interviews als auch die Adenauer-Dokumentation im ZDF verwendeten zudem Archivbilder aus Wochen- und Tagesschau, im ersten Fall sehr spärlich eingesetzt, im zweiten dominierten sie die Sendung. Gerade im Vergleich der beiden Sendungen entdeckten viele Kritiker sich wiederholende Themen, zu denen die Wahl zum Bundeskanzler 1949, die EVG, die Bundeswehr und die Saarfrage genauso gehörten wie Bilder des Privatlebens Adenauers.155 Als besonders eindrücklich blieben dabei humorvolle Szenen Adenauers in Erinnerung, wie die Bilder von seiner Amerikareise, die Adenauer mit Indianerschmuck zeigten, oder seine Ausführungen beim Boccia-Spiel.156 In bemerkenswerter Parallelisierung zeigten sowohl die Sendungen von 1967 als auch von 1976 Laufbilder, die die Gedenkbände als Fotografien verwendeten.157 Die durch Adenauer gesteuerten inszenierten Bildmotive – sowohl seiner Kanzlerschaft als auch seiner späten Jahre als Privatmann – wurden so als früher Bildkanon unmittelbar ins Funktionsgedächtnis übernommen und prägten dadurch das visuelle Bild Adenauers wirkmächtig über Jahrzehnte. Kritische Gegenbilder zur Person Adenauers Die Möglichkeiten, kritische Gegenbilder aufzubauen, wurden durch Adenauers Medienpolitik zu seinen Lebzeiten, die hohe Popularität des ersten Kanzlers nach seinem Tod und die damit einhergehenden frühen Bildkanonisierungen erheblich erschwert. Um Kritik an Adenauers politischem Handeln filmisch umzusetzen, cieren. Aufgrund seines Auftretens und der Protokollverletzung sei damals das Besatzungsstatut nicht vor Ort unterzeichnet worden. Vgl. hierzu die Ausführungen zur so genannten Teppichszene im nächsten Kapitel. 154 Dies war der Tenor vieler Kritiken, beispielsweise Rheinischer Merkur, 9.1.1976; Wolfgang Kempkens: »Zweimal: Der ›Alte aus Rhöndorf‹«, in: Aachener Volkszeitung, 7.1.1976. 155 Vgl. die Aufzählungen der Eindrücke in: »Adenauer total«, in: Saarbrücker Zeitung, 7.1.1976; Wolfgang Kempkens: »Zweimal: Der ›Alte aus Rhöndorf‹«, in: Aachener Volkszeitung, 7.1.1976. 156 »Adenauers Bild in vielen Facetten«, in: aktueller medien-dienst, 9.1.1976; »Adenauer total«, in: Saarbrücker Zeitung, 7.1.1976. 157 Dem Boccia-spielenden Adenauer widmet der Burda-Band von 1967 eine Doppelseite, der Indianerschmuck fungiert unter der Rubrik ªAlle seine Hüte© als humorvolles Accessoire: Burda: Adenauer, S. 150f., 188.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 131

musste bestehendes Bildmaterial neu kontextualisiert werden. So versuchte es Thilo Koch 1971 in seiner dreiteiligen Sendung DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971), die zum ersten Mal die Dekade exklusiv zum Thema einer historischen Dokumentation im Fernsehen machte. Anders als in den Porträtsendungen zu Adenauer oder zur Geschichte der Bundesrepublik in diesen Jahren, vertrat Koch konsequent die Restaurationsthese, die er – wie in vorherigen Kapitel schon geschildert – durch spezielle Montagen visuell zu untermauern versuchte. Dadurch machte er die Restauration zu einem gesellschaftlichen und politischen Charakteristikum der 50er Jahre. Hierbei versuchte er auch den Bundeskanzler einzubeziehen: Nachdem er Konrad Adenauer als eine prägende Figur vorgestellt, die namensgebend für die 50er Jahre als »Ära Adenauer« geworden sei, und seine Politik der Westbindung und des Antikommunismus charakterisiert hat, leitet er direkt über zum »restaurativen und konservativen Zuschnitt«, den Adenauer der Zeit verliehen habe. Passend dazu ist Adenauer im Bild zu sehen, wie ihm von einem katholischen Geistlichen ein Ordensmantel umgelegt wird (vgl. Abb. 25). Abb. 25-26: Kleidung als Signum restaurativer Tendenzen

Quelle: Videostills aus DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND. TEIL 1 (ARD 1971), 18:53, 23:53

Auch die folgenden Passagen setzen visuell weiterhin auf konservativ anmutende, restaurative Bilder, die vor allem über die Visualität der Kleidung erkennbar werden: Adenauer wird beim Schlesiertreffen gezeigt. Die Trachten, die in der ursprünglichen Signatur der Wochenschaubilder eher die Kultur und Heimatverbundenheit der Schlesier hervorheben sollten, werden hier zum Signum von Restauration und Konservatismus. Dem Filmmaterial kommt in dieser und den weiteren Montagen eine Belegfunktion für die Restauration zu, ein Umstand, der von Hans C. Cords kritisiert wurde: »Das politische Puzzle sah zum Beispiel so aus: restaurative Politik Bonns in den Jahren 49 bis 61. Schnippschnapp. Adenauer im Ordensritter-

132 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

mantel. Beweis erbracht. Ende«.158 Der rein visuelle, plakativ gemeinte Verweis auf die Kleidung bzw. die als restaurativ wahrgenommene Ritualität kann hingegen als Versuch Kochs angesehen werden, seine These trotz einer für ihn schwierigen Bildtradierung zu belegen, ohne die Bild-Text-Schere zu groß werden zu lassen und vollkommen auf die Unterstützung des Bildes zu verzichten.159 An anderen Stellen wiederum setzte Koch Adenauer offenbar bewusst nicht ins Bild: Für die Montage von Staatsempfängen, die die außenpolitischen Beziehungen, insbesondere die Westintegration und den Weg zur EWG deutlich machen sollte, wird statt Adenauer, der häufig im Hintergrund steht, auffällig oft Theodor Heuss gezeigt. Diese Strategie der Nichtvisualisierung wählt Koch auch an anderen Stellen seiner Sendungen häufig – ob er dies bewusst bei seiner Bildauswahl berücksichtigt hat, darüber kann hier allerdings nur spekuliert werden. Deutlich zu erkennen sind in jedem Fall Kochs Bestrebungen, die Rolle von Oppositionspolitikern wie Ollenhauer sowie der Gewerkschaften zu betonen und den 50er Jahren dadurch Akteure hinzuzufügen, die das Adenauer-zentrierte Geschichtsbild entschärfen. Mit Blick auf die Produktionsbedingungen der Wochenschauaufnahmen und die Anstrengungen Adenauers und seiner Anhänger zur Prägung bestimmter Selbstbilder erscheint es nicht verwunderlich, dass die Geschichtsbilder der Person Adenauers bis Mitte der 1970er Jahre überwiegend positiv-affektiv sind. Das Durchbrechen der Adenauer-Bilder war angesichts des visuellen Ausgangsmaterials schwieriger, als diese zu übernehmen. Die Formierungsphase war damit für das Adenauer-Bild ganz entscheidend. Zwischen 1963 und 1967, und nochmals 1976 wurde das Geschichtsbild des ersten deutschen Kanzlers von einer Reihe von Fernsehsendungen in erheblichem Maße vorgezeichnet.

5. V ON DER T EILUNGS - ZUR S OUVERÄNITÄTSGESCHICHTE Innerhalb der non-fiktionalen Formen lag ein thematischer Schwerpunkt bei der Beurteilung der 50er Jahre auf dem Spannungsverhältnis der wiedererlangten Souveränität des westdeutschen Teilstaates und der Geschichte der deutsch-deutschen Teilung. Insbesondere Sendungen, die zu den Jahrestagen der BRD-Gründung am 23. Mai 1949 produziert wurden, hängten ihre Rückblicke an ähnlichen Fragestellungen auf. 158 Hans C. Cords: »Schlückchen aus der Schnabeltasse«, in: Hör zu, 20.11.1971. 159 Ähnlich verfährt Koch auch auf der gesellschaftlichen Ebene, um den Universitäten einen »restaurativen Zug« zu bescheinigen. Hier dienen Aufnahmen von Burschenschaftlern und Professoren im Talar als Beleg (Abb. 26), während Koch auf den Ausspruch der Studentenbewegung »den Muff aus tausend Jahren unter den Talaren« verweist.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 133

Teilungsgeschichte Dies zeigten schon die Titel vieler Beiträge: 1964 eröffnete der Bayerische Rundfunk die Ausstrahlung seines Studienprogrammes mit einem bebilderten Vortrag Golo Manns unter dem Titel DER WEG IN DIE TEILUNG (BFS3 1964), die Hauptsendungen zur Erinnerung an den 20. Jahrestag der BRD-Gründung vom 23. Mai 1949 hießen BESTANDSAUFNAHME: DIE DEUTSCHLANDFRAGE. ZWEIMAL DEUTSCHLAND – FÜR IMMER? (ARD 1969) und WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? 20 JAHRE BUNDESREPUBLIK BEOBACHTET VON FRITZ RENÉ ALLEMANN (ZDF 1969). Beide Sendungen waren als Bilanzziehungen zur Geschichte der Bundesrepublik gedacht, die die Frage der deutschen Wiedervereinigung explizit mit behandelten. Die Kritiker begrüßten die Schwerpunktsetzung als Vorsorge gegen eine selbstgenügsame Beweihräucherung der BRD. Die ZDF-Sendung habe sich gerade dadurch ausgezeichnet, »daß sie (endlich einmal) die Nachkriegsentwicklung ganz aus dem gesamtdeutschen Blickwinkel betrachtete.«160 Die Erfolge der BRD-Entwicklung müssten vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass sie ihr Ziel der Wiedervereinigung nicht erreicht und die Teilung zu einem Dauerzustand gemacht habe: »Die Bundesrepublik ist kein Provisorium mehr, sie ist Endstation.«161 Vor diesem Hintergrund untersuchte BESTANDSAUFNAHME: DIE DEUTSCHLANDFRAGE »was es heute bereits an Trennendem, aber auch an Gemeinsamkeiten gibt.«162 Alle Sendungen enthielten historische Abrisse über die Entwicklung der Bundesrepublik vor dem Hintergrund der Teilung, der Blickwinkel war dabei stark politik- und ereignisgeschichtlich geprägt. Die Sendungen befassten sich meist in streng chronologischer Abfolge mit den Stationen der politischen Entwicklung der Bundesrepublik, wobei die außen- und deutschlandpolitischen Entwicklungen den größten Anteil der Sendezeit in Anspruch nahmen. Anhand von WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? lässt sich gut die Kontextualisierung der Außenpolitik verfolgen: Nachdem zuerst die Entstehung des Grundgesetzes dargestellt worden ist, diskutiert Allemann in Interviews mit Mitgliedern des Parlamentarischen Rates ausführlich den Provisoriumsanspruch der Bundesrepublik. Darauf folgt eine ereignisgeschichtliche Chronologie, die die beiderseitigen Politiken der Stärke aufzeigen soll. Adenauers Bundestagsrede zur Begründung des Verteidigungsbeitrags von 1952 folgen Bilder zum 17. Juni 1953 und Adenauers Moskaubesuch 1955. Endpunkt bilden Bilder zum Mauerbau von 1961. Vor diesem Hintergrund erscheinen die 50er Jahre als Jahrzehnt der politischen Entfremdung und der Auseinanderentwicklung beider deutscher Staaten. Allemann

160 »Weimars Schatten über Bonn?«, in: funk-report, 29.05.1969. 161 Ebd. 162 Programmankündigung Deutsches Fernsehen/ARD 21/69, S. 39.

134 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

würdigte zwar explizit in seiner Sendung den Erfolg des westdeutschen Staates und des Grundgesetzes. Jedoch blieb die Deutschlandpolitik in seiner Argumentation ein verfehltes Ziel westdeutscher Politik. Diesen Standpunkt verdeutlichte er, indem er seinen bilanzierenden Kommentar vor der Kulisse der deutsch-deutschen Grenze abgab (vgl. Abb. 27). Eine Wiedervereinigung sei nicht mehr wahrscheinlich, da sich »zwei ausgebildete, in sich verfestigte Staaten« gebildet hätten. Die Bundesrepublik sei »nicht mehr, was sie sein wollte – Durchgangsstation zu einer gesamtdeutschen Ordnung – sondern sie ist eine Endstation.« Dabei schwenkt die Kamera von Allemann nach links, an einem Wehrturm vorbei, zu einem toten Gleis, das in der durch Stacheldraht markierten Grenze zu enden scheint (vgl. Abb. 28). Die Doppelung auf der Text- und Bildebene verstärkt die inhaltliche Aussage und evoziert den Eindruck, dass die Deutschlandpolitik der 50er Jahre ihr Ziel in ganz existenzieller Weise nicht erreicht hat. Stacheldraht und Wachturm hatten sich seit Ende der 1950er Jahre in Dokumentationen als Symbol für die Teilung Deutschlands ebenso wie für das Unterdrückungs- und Unrechtsregime in der DDR etabliert und verdeutlichten damit auch die Unterschiedlichkeit beider deutscher Staaten.163 Abb. 27-28: Provisorium als Endstation

Quelle: Videostills WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? (ZDF 1969), 27:08, 27:28

Auch zwei Jahre später, diesmal nicht jahrestagsgebunden, wurde die Auseinanderentwicklung der beiden deutschen Staaten in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) zu einem Hauptcharakteristikum der 50er Jahre gemacht. Autor Thilo Koch teilte die drei Sendungen nach einer Dramaturgie der deutsch-deutschen Teilung auf: Der erste Teil begann mit der Gründung zweier deutscher Staaten 1949 und endete mit dem 17. Juni 1953; im zweiten Teil »nahm die Ära Adenauer Gestalt an, aber auch eine Ära Ulbricht etablierte sich«;164 der dritte Teil beschrieb die 163 Vgl. Matthias Steinle: Vom Feindbild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm, Konstanz: UVK 2003, S. 442. 164 Teil 3, 2:00ff.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 135

Verfestigung der beiden Staaten und die deutschlandpolitischen (Berlin-)Krisen am Ende der 50er Jahre, die zur endgültigen Teilung durch den Mauerbau von 1961 führten: Koch machte diese durchgängige Argumentation immer wieder durch einleitende und abschließende Ausführungen und Resümees im Bild deutlich.165 Dieses Geschichtsbild versucht er dabei immer wieder in den Kontext des Kalten Kriegs einzubetten, um klar zu machen, welchen Zwängen und externen Faktoren die Außenpolitik Adenauers unterworfen war. Koch hält daher Adenauers Politik der Westintegration auch nicht für eine klare Entscheidung gegen die Wiedervereinigung, vielmehr sieht er die »Unlösbarkeit der deutschen Frage«166 in den 50er Jahren gegeben, da die Wiedervereinigung einfach nicht mit der Westbindung vereinbar war. Die deutschlandpolitische Ausrichtung der Sendung hatte auch mit dem Produktionskontext der Sendung zu tun: Verantwortlich für die Produktion zeichnete sich die Ost-West-Redaktion des NDR, eine im Zuge des Mauerbaus geschaffene, spezielle Redaktion, die sich mit deutsch-deutschen Themen beschäftigte.167 Koch produzierte mit Studio Hamburg häufig für die Redaktion Dokumentationen zur deutsch-deutschen Frage, seit Ende 1969, mit Planungsbeginn für die Sendereihe insgesamt drei Produktionen.168 Er arbeitete schon seit den 1950er Jahren für den NDR und war dabei u.a. als Chefkorrespondent in Washington und durch eine Vielzahl von Buchveröffentlichungen einem breiten Publikum bekannt geworden.169 Mit der deutsch-deutschen Teilung beschäftigte Koch sich seit langem: Als Korrespondent in Berlin verfolgte er die Deutschlandpolitik eine geraume Zeit und moderierte Kommentare, Magazine und Features zum Thema.170 So gesehen waren DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND für Koch gleichsam eine Synthese seiner Zeit

165 Kochs deutschlandpolitische Argumentation wird auch in den Programmankündigungen in den Fokus gerückt, vgl. Programmankündigung Deutsches Fernsehen/ARD 45/71, S. 7, 10, 23; 48/71, S. 6. 166 Teil 1, 16:00. 167 Staatsarchiv Hamburg 621-1/144; Steinle: Feindbild, S. 216f. 168 »Brief von Thilo Koch an Hans-Ullrich Barth vom 23.2.1970«, in: Staatsarchiv Hamburg, 621-1/144. 169 Das Wickert Institute Tübingen führte 1971 eine von Prof. Horst Wagenführ geleitete Umfrage zu Bekanntheit und Beliebtheit deutscher Pressevertreter durch, in der Thilo Koch einen vordereren Platz belegte, vgl. Pressemitteilung in der Ausschnittssammlung des NDR-Pressearchivs zu Thilo Koch. 170 U.a. DIE ROTE OPTIK (ARD 1958-1961), DIESSEITS UND JENSEITS DER ZONENGRENZE (N3 1958-1960), MENSCHEN AN DER GRENZE (NDR 1969); vgl. Steinle: Feindbild, S. 165ff., 216, 248.

136 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

als politischer Journalist, ein Umstand, den er auch klar so konstatierte.171 Auch der Produktionskontext ließ es daher als nahezu zwangsläufig erscheinen, die 50er Jahre auf die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte zu fokussieren. Souveränitätsgeschichte In den Sendungen von 1969 und 1971 dominierte zwar die Teilungsgeschichte noch die Rückblicke auf das Gründungsdatum der Bundesrepublik, aber sowohl Allemann als auch die Parallelsendung der ARD BESTANDSAUFNAHME: DIE DEUTSCHLANDFRAGE sowie Thilo Koch postulierten ein Umdenken: Der Provisoriumsanspruch der BRD sei zwar gescheitert, aber »Deutschland-Politik muß heute mehr sein als Wiedervereinigungspolitik, sonst ist sie nichts«.172 Aus der ›Endstation Bundesrepublik‹ entwickelten sich für Autoren wie Kritiker vorsichtige Ansätze einer positiv besetzten, bundesrepublikanischen Identitätskonstruktion, die die Belastungen der geteilten Gesamtnation abschütteln müsse: »Was vor 20 Jahren als Provisorium gedacht war, hat sich mit der ›Freude am Perfekten‹ (Carlo Schmid) recht gut und gesund etabliert«.173 Diese Meinung entsprach im Großen und Ganzen sozialliberalen Positionen der Deutschland- und Ostpolitik dieser Jahre. Während Kiesinger und die CDU nicht über einen ¿Wandel durch Annäherung¾ ohne dabei die »nationale Dimension« aufzugeben, hinausgingen, manifestierte sich außenpolitisch seit der Großen Koalition 1966, stärker aber noch durch die Neue Ostpolitik Brandts und Scheels seit 1969, eine Anerkennung der DDR als zweiter deutscher Staat.174 Thilo Koch übernahm in seiner Sendung grundsätzlich sozialliberale deutschlandpolitische Argumentationen. Er verhielt sich allerdings eher als kritischdistanzierter Beobachter einer daraus resultierenden neuen teilstaatlichen Identität: Zu Beginn des dritten Teils betont er denn auch rückblickend, dass die BRD Ende der 50er Jahre beginnt, »sich gewissermaßen selbst anzuerkennen« und dies mit »neuer Weltgeltung, aber auch mit tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Strukturproblemen«175 einherging. Koch ist dabei immer bemüht, die westdeutsche nicht gegen die ostdeutsche Entwicklung auszuspielen, sondern spricht von einer gegenseitigen Abschließung beider Staaten bis zum Ende der 50er Jahre. Auf diese Weise versuchte er, einer »deutschen Selbstbespiegelung« entgegenzuwirken. Die Entfremdung der beiden deutschen Staaten als kontinuierlicher Prozess stellte Matthias Steinle in seiner Analyse deutsch-deutscher Dokumentarfilme 171 Henning Rieschbieter: »Geschichte erzählen. Im Gespräch: Thilo Koch«, in: tv Heute, 30.10.1971. 172 Mannheimer Morgen, 27.5.1969. 173 »Dauerhaftes Provisorium«, in: Augsburger Allgemeine, 27.5.1969. 174 Conze: Suche, S. 427. 175 Teil 3, 2:15ff.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 137

schon seit den 1960er Jahren fest.176 Und auch Edgar Wolfrum deutet die Wende von den 1960er zu den 1970er Jahren als Beginn der »›Bundesrepublikanisierung‹ des Geschichtsbewußtseins«.177 Stellvertretend dafür stand die Position der SPD, den 17. Juni als Nationalfeiertag durch den 23. Mai als Verfassungstag zu ersetzen. Die Identifikation der Westdeutschen mit dem 17. Juni war nur noch gering ausgeprägt, und nicht nur der jungen Generation fehlte der Bezug zum Ereignis.178 Eine wachsende Zahl der Westdeutschen hatte sich in den 1960er Jahren an die Teilung ›gewöhnt‹. Gleichzeitig wurde seit Ende der 1950er Jahre erstmals die Lage der BRD als beste Zeit des Lebens der Mitlebenden eingeschätzt.179 Damit ging eine Systemakzeptanz und Demokratiezufriedenheit einher mit der Erfolgsgeschichte des Wirtschaftswunders, die zunehmend an Eigengewicht gewann und bald »eine stärkere Prägekraft in der Bevölkerung als der Provisoriumsvorbehalt« erreichte.180 Das geschichtspolitische Bild der 50er Jahre spielte eine entscheidende Rolle in diesem Wandel von einer Teilungs- zur Souveränitätsgeschichte und damit eines Perspektivwechsels von einer gesamtdeutschen Nation zu einem westdeutschen Teilstaat. Dadurch war auch der Weg frei für eine Erfolgsgeschichte, die vor allem den wundersamen Wiederaufbau und die Wiedererlangung westdeutscher Souveränität in den Blick nahm und das dramatische deutschlandpolitische Narrativ des Scheiterns ablöste. Das 25. Jubiläum der BRD-Gründung im Jahr 1974 bot den katalytischen Anlass, einen solchen Umbruch im Geschichtsbild der BRD im Ganzen sowie der 50er Jahre im Speziellen anzustoßen. Hierbei handelte es sich im Fernsehen allerdings nicht um eine ad-hoc-Veränderung. Vielmehr blieb die Teilungsgeschichte insbesondere in der ARD weiterhin als dominantes Thema der Sendungen in den Gründungsjubiläen 1974 und 1979 erhalten.181 Und auch das ZDF gab der Deutschlandfrage in seiner vierteiligen Sendereihe DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974) großen Raum. Die Grundlage der Bewertung der Außen- und Deutschlandpolitik in den 50er Jahren stellten nun allerdings nicht mehr die ausgebliebene Wiedervereinigung dar, sondern vielmehr die Erfolge bei der Erlangung einer westdeutschen Souveränität und der Integration ins transatlantische Bündnissystem. Dies lässt sich an der Sendereihe DIE ZWEITE REPUBLIK deutlich erkennen. 176 Steinle: Feindbild. Schon 1964 überschrieben drei Redakteure der Zeit ihren DDRReisebericht mit dem bezeichnenden Titel Reise in ein fernes Land; vgl. Wolfrum: geglückte Demokratie, S. 284. 177 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 296. 178 Vgl. ebd., S. 291. 179 Vgl. ebd., S. 240, 286f. 180 Vgl. ebd., S. 248, 287. 181 Vgl. DIE REPUBLIK AUF ABRUF (ARD 1974); DAS DAUERPROVISORIUM. GEDANKEN UND ERINNERUNGEN AN DEUTSCHLAND

(ARD 1979).

138 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Die ZDF-Sendung zum 25. Gründungsjubiläum der BRD war die erste große, repräsentative Produktion im non-fiktionalen Gattungsbereich, die die Geschichte der 50er Jahre vollständig auf die westdeutschen Ereignisse beschränkte und damit auf die gesamtdeutsche Perspektive verzichtete. Hier wurde somit erstmals im Fernsehen eine populäre Geschichte der Bundesrepublik geschrieben, womit sich das ZDF in die 1974 erschienenen Publikationen zur Geschichte der Bundesrepublik einreihte.182 Tab. 1: Thematische Gliederung von DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 2: JAHRE DES AUFBAUS (ZDF 1974)

1.

Einleitung mit Rückblick auf Teil 1

00:00-01:37

Außenpolitische Entwicklung

01:37-14:54

Westbindung, Antikommunismus, Deutschlandpolitik, 17. Juni 1953, NATO-Beitritt und Gegner der Wiederbewaffnung und Westbindung 2.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung

14:54-23:06

Wirtschaftlicher Aufstieg, Gewerkschaften, Motorisierung, Wohnungsbau, Eingliederung der Vertriebenen, gesellschaftliche Auswirkungen des gestiegenen Lebensstandards 3.

Innenpolitische Entwicklung

23:06-29:03

Bundestagswahl 1953, Radikale politische Tendenzen, Parteien 4.

Adenauers Kanzlerdemokratie und Erfolge

29:03-39:23

Moskaureise 1955 und Heimkehr der Kriegsgefangenen, Deutschfranzösische Einigung und Europabegeisterung, Abstimmung Saarland 1955 5.

Neues Nationalgefühl als Fazit

39:23-44:38

Wiederbewaffnung und Fußball-WM 1954 Abspann

44:38-45:05

Quelle: eigene Zusammenstellung

Tab. 2: Thematische Gliederung von Die zweite Republik. Teil 3: Jahre der Unsicherheit (ZDF 1974)

1.

Einleitung

00:00-01:06

Deutschlandpolitische Entwicklung

01:06-09:50

Berlin-Krise 1958, Genfer Konferenz, Aktionen zur Wiedervereinigung, Fluchtbewegungen, Mauerbau 2.

Letzte Regierungsjahre Adenauers

182 Vgl. als Wichtigste: Löwenthal/Schwarz: Zweite Republik.

09:50-17:39

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 139

Adenauers Bestrebungen als Bundespräsident zu kandidieren, Bundestagswahl 1961, Spiegel-Krise, Rücktritt Adenauers 1963 3.

Regierungszeit Erhards

17:39-22:20

Bundestagswahl 1965, Regierungskrise 1966 4.

Regierungszeit Kiesingers

22:03-43:42

Kabinett der Versöhnung, NS-Vergangenheit, Jugend, Universitäten und Studentenrebellion, 1968 Abspann

43:42-44:11

Quelle: eigene Zusammenstellung

Den ersten beiden Dritteln der 50er Jahren kamen im zweiten Teil als JAHRE DES AUFBAUS eine besondere Rolle zu (vgl. Tab. 1). Die zeitliche Abgrenzung zur dritten Folge bildete die Möglichkeit, narrativ den »Höhepunkt der Ära Adenauer«183 zwischen 1949 und 1957 von den JAHREN DER UNSICHERHEIT danach abzugrenzen, die von 1958 bis 1969 reichten (vgl. Tab. 2). Die Zeit bis 1957 bezeichnete Autor Kurt P. Flaake zu Beginn des dritten Teils als die »Goldenen 50er Jahre« und setzte sie dabei von der Zeit danach ab, die weitere »Belastungen« bringen sollte. Bewusst setzten die Autoren damit die Zäsur für die 50er Jahre schon 1957 an und besetzten die Chiffre der Ära Adenauer und der 50er Jahre so nahezu ausnahmslos positiv.184 Bewusst verzichteten die Autoren Karl-Heinz Janßen und Kurt P. Flaake damit darauf, die sich in der Forschung zu dieser Zeit konturierende deutschlandpolitische Zäsur von 1961 in den Fokus zu rücken. Vielmehr betonten sie Adenauers Zielstrebigkeit, die Souveränität des westdeutschen Teilstaates wiederherzustellen. So steht am Ende der JAHRE DES AUFBAUS nicht der Mauerbau, sondern ein neues Nationalgefühl der Westdeutschen, das sich aus der neu gewonnenen Souveränität und der Rehabilitierung im westlichen Bündnis speist. In einem Argumentationsgang zeichnen die Autoren hier eine der Chronologie zuwider laufende scheinbare Entwicklung von der Wiederbewaffnung 1955 zum Gewinn der Fußball-WM von 1954: Ausgangspunkt ist die Wiederbewaffnung, visualisiert durch den Besuch Adenauers bei den ersten Soldaten 1956 in Andernach. Danach wird auf die Proteste gegen die Stationierung von Atomwaffen in der BRD von 1957 eingegangen. Eine lange Sequenz einer NATO-Militärparade dient dazu, darzulegen, dass die deutsche Bevölkerung der militärischen Wiederaufrüstung zuerst ablehnend gegenübersteht. Zu den vorbeifahrenden Militärfahrzeugen mit Soldaten stellt der Sprecher fest: »Die Bevölkerung gewöhnt sich nur langsam an den Anblick von Soldaten und militärischer Pracht.« Ohne weiteren Kommentar werden im Folgenden, mit 25 Sekunden ungewöhnlich lange Ausschnitte aus der Parade gezeigt. Dies soll dabei auch beim 183 ZDF Presse Programm 20/74, S. 30. 184 Vgl. vorhergehendes Kapitel.

140 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zuschauer ein unbehagliches Gefühl und dadurch Verständnis für die damaligen Reaktionen hervorrufen. Hierdurch wird die ursprüngliche Signatur der Bilder überschrieben,185 die die militärische Stärke und Einigkeit der NATO visuell zum Ausdruck bringen sollte. Auch die rehabilitierenden Worte de Gaulles auf seiner Deutschlandreise trugen, so der Kommentar, zu einer Einstellungsänderung bezüglich der Wiederbewaffnung bei – ein längerer O-Ton-Ausschnitt aus der Rede, die de Gaulle auf deutsch hielt, soll dies für den Zuschauer belegen. Das neue Nationalgefühl habe sich erstmals bei der Fußball-WM von 1954 manifestiert. Kurz wird nun das spielentscheidende Tor von Helmut Rahn gezeigt. Der Fokus liegt aber auf den Bildern von der Ankunft der Nationalmannschaft in Deutschland. Die jubelnden Menschenmassen kommentiert der Sprecher so: »Jahrelang hatte dieses Volk geschuftet, um aus Elend und Trümmern herauszukommen. Jahrelang hatte das Ausland nur widerwillig seine Leistungen anerkannt. Nun zeigt es aller Welt: Die Deutschen sind wieder da – im friedlichen Wettstreit der Völker«.

Abgesehen von der nicht chronologischen Ereignisfolge, suggeriert der Sprecher, dass die gezeigten Bilder jubelnder Menschenmassen im Rahmen des Weltmeisterschaftssiegs als Beleg für ein neues Nationalgefühl der Deutschen gelten können. Die ursprünglichen Bilder geben diese Interpretation nur sehr bedingt her, die feiernden Menschen drücken hier in erster Linie ihre Freude über den Sieg aus. So werden die Bilder durch den Kommentar also in einen neuen Kontext gesetzt und der Weltmeisterschaftssieg zu einem einigenden Ereignis hochstilisiert. Zudem legitimiert dieses vermeintliche Nationalgefühl – wiederum ahistorisch – die politischen Regierungsentscheidungen zur Westbindung und Wiederaufrüstung, die gesellschaftlichen Proteste werden im Nachhinein marginalisiert. Am Ende der Sendung, in den ›Goldenen 50er Jahren‹, stehen also die innenpolitischen Erfolge der Stabilität und Prosperität und die außenpolitischen Erfolge in der Rehabilitierung der Westdeutschen als gleichberechtigte Macht im westlichen Bündnis. Die Außenpolitik ist nicht länger ein Manko der 50er Jahre, die die Wiedervereinigung nicht erreicht hat. Durch die Perspektivverschiebung auf Westdeutschland gerät sie zugunsten der Erlangung staatlicher Souveränität und einem neuen Selbstbewusstsein aus dem Fokus.

185 Vgl. zu dieser Technik des Umgangs mit Bildmaterial: Keilbach: Geschichtsbilder, S. 87-90.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 141

Abb. 29-34: Konrad Adenauer als souveräner Vertreter deutscher Interessen

Quelle: Videostills DIE ZWEITE REPUBLIK. TEIL 2: JAHRE DES AUFBAUS (ZDF 1974), 020903:32.

Die Zäsur von 1957 begünstigte daher auch den Blick auf die bundesrepublikanische Perspektive der 50er Jahre. Der weitere Verlauf der Teilungsgeschichte wird ausgeklammert. Er steht zu Beginn des dritten Teils quasi als weltpolitische Belastung der nun folgenden JAHRE DER UNSICHERHEIT. Die handelnden Politiker sind vor allem Russen und Amerikaner, Adenauer wird gar nicht im Bild gezeigt. Was den Deutschen zu bleiben scheint, sind Aufrufe an die handelnden Großmächte, wie der von Willy Brandt von 1958. Kritisch spricht Janßen in einem abschließenden Kommentar jedoch von einer »Sackgasse von 12 Jahren Bonner Deutschland- und Ostpolitik«. Diese wird aber nicht mehr mit der Politik der Westbindung aus dem zweiten Teil kontextualisiert, sondern eher als Einstieg in das Ende der Regierungszeit Adenauers gewertet, dem in den letzten Jahren einige Fehler zugeschrieben werden, wie der verspätete Besuch in Berlin nach dem Mauerbau, die SpiegelAffäre und der gescheiterte Versuch als Bundespräsident-Kandidat nominiert zu werden. Das Streben nach Souveränität als Leitmotiv westdeutscher Außenpolitik stellte so einen entscheidenden neuen Teil des Geschichtsbildes der 50er Jahre dar. In der Sendung wird dies sehr eng verbunden mit der Person Konrad Adenauers. Als selbstbewusst auftretender und entschlossen handelnder Vertreter deutscher Interessen wird Adenauer schon in den ersten Minuten eingeführt: Zum Anlass genommen werden hierbei die Demontagen der Alliierten, visualisiert durch die Sprengung einer Schiffswerft (vgl. Abb. 29). Der Kommentar kritisiert dieses Vorgehen als »kurzsichtige Politik«. Die direkt folgende Montage wirkt wie eine Reaktion Adenauers auf diese Politik. Gezeigt wird eine Autofahrt aus der Fahrerperspektive im

142 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

schwarzen Mercedes zum Petersberg (vgl. Abb. 30), auf dem die Alliierten laut Kommentar »göttergleich thronen«.186 Während Adenauer die Stufen zum Sitz der Hohen Kommissare hinaufgeht (vgl. Abb. 31), macht der Sprecher deutlich, dass Adenauer den Alliierten »von gleich zu gleich«187 gegenübertritt. Als Beleg für Adenauers selbstbewusstes Auftreten dient dann die populär gewordene Teppichszene.188 Hierfür wird in dem ansonsten nahezu ausschließlich über filmische Wochenschaubilder montierten Film ein gezoomtes Standbild eingesetzt, das in einer simulierten Kamerafahrt von Adenauers Kopf herunter bis zu seinen Füßen fährt, die auf dem Teppich stehen (vgl. Abb. 32-33). Die Aufmerksamkeit wird durch die Übereinstimmung von Text- und Bildebene zusätzlich auf diese Szene gelenkt. Mit dieser Szene übernahmen die Autoren der Sendung den durch Adenauer ab 1963 selbst konstruierten Mythos »als Befreier der Bundesrepublik von den restriktiven Bedingungen der Besatzungspolitik«.189 Die Teppichszene eignete sich aufgrund der verfügbaren Bilder als Anekdote, um die schwierig zu erzählende Außenpolitik zu veranschaulichen, die allerdings auch ein klar positives Bild Konrad Adenauers in die Sendung einbrachte.190 Adenauer behält auch visuell beim Besuch auf dem Petersberg die Oberhand, indem insbesondere Großaufnahmen von ihm aus dem Wochenschaumaterial übernommen werden. Am Ende der Montagefolge verlässt Adenauer den Petersberg und fährt wieder ab (vgl. Abb. 34). Der Kommentar verweist darauf, dass die Demontagen der Alliierten wenige Wochen später eingeschränkt wurden, ein weiterer Erfolg für Adenauer also. Die visuelle Klammer, die durch die Autofahrten erzeugt wird, suggeriert ein Narrativ von Adenauer als ent-

186 Teil 2, 02:31ff. 187 Dieses und die weiteren Zitate beziehen sich auf die Tonebene. 188 Einer Anekdote folgend wich Adenauer bei der Übergabe des Besatzungsprotokolls durch die Alliierten vom offiziellen Protokoll ab. Statt den durch einen Teppich symbolisierten Unterschied zwischen den Besatzungsmächten und der frisch gewählten Bundesregierung anzuerkennen, machte Adenauer ebenfalls einen Schritt auf den Teppich und demonstrierte dadurch seine Absicht, deutsche Interessen selbstbewusst zu vertreten. Die Szene wurde fotografisch festgehalten: vgl. Ruck: ›Abschied vom Pathos‹. 189 Ebd., S. 44. Dass die Teppichszene tatsächlich erst nach 1963 als Emanzipationsakt Adenauers gedeutet wurde, zeigen auch Vergleiche von Bildbänden: In einem Adenauerband von 1963 wurde die Teppichszene zwar als Bild abgebildet, allerdings mit den lapidaren Worten »Konrad Adenauer stellt den alliierten Hohen Kommissaren sein neues Kabinett vor« untertitelt (Otto: Adenauer, S. 118). 190 Die Einbeziehung und Interpretation der Teppichszene von 1949 ist eventuell auch auf die fachberatende Rolle Arnulf Barings zurückzuführen, der die Szene in seiner Habilitation aus dem Jahr 1969 in die geschichtswissenschaftliche Forschung einführte; vgl. Ruck: ›Abschied vom Pathos‹, S. 47.

1959

BIS

1976 – FORMIERUNGEN

| 143

schlossen Handelndem, der aufgrund der Demontagefrage zum Petersberg fährt, bei den Alliierten selbstbewusst auftritt und dann erfolgreich wieder abfährt.191 Die Fokusverschiebung von der Teilungs- zur Souveränitätsgeschichte brachte so ebenfalls eine Personalisierung der Außenpolitik mit sich. Dabei war die Personalisierung wohl vor allem auch ein Ergebnis der starken retrospektiven Popularisierung des Geschichtsbilds Adenauers als erstem Kanzler der Bundesrepublik, wie es im vorangegangenen Kapitel geschildert wurde. Die 50er Jahre als positiv besetzte Ära Adenauer nahmen mit dem Souveränitätsnarrativ deutliche Gestalt an und wurden fortan eng mit Adenauer verbunden.

6. Z WISCHENFAZIT Die Analyse der Sendungen der Formierungsphase ergab drei eng miteinander verwobene Beobachtungen: Erstens stellte die noch unklare Abgrenzung von Geschichte und Gegenwart, insbesondere in den fiktionalen Sendungen, ein Charakteristikum der Formierungsphase dar. Die Wirtschaftswundergesellschaft stand in den 1960er Jahren in voller Blüte. So wurde eine Zäsur eher zur unmittelbaren Wiederaufbauzeit gezogen und der größere Teil der 50er Jahre noch zur zeitgenössischen Gegenwart hinzugezählt, wobei der Übergang wahlweise eng mit der Währungsreform verbunden oder vage in die beginnenden 50er Jahre verlegt wurde. Zugleich zeigten sich erste Bestrebungen, die 50er Jahre zu historisieren: Der Einsatz von Zeitmarkern sowie die Thematisierung der 50er Jahre in historischen Fernsehspielen ließen dies ebenso erkennen, wie die verstärkte Verwendung von gattungsästhetischen Stilelementen der historischen Dokumentation. Historische Jahrestage sowie der Todestag Konrad Adenauers wirkten hier katalytisch auf die Historisierungstendenzen. Zweitens wurde der Einfluss von Gattung und Form auf die Inhalte und Geschichtsbilder deutlich. Dies zeigten unterschiedliche thematische Zuschnitte fiktionaler und non-fiktionaler Sendungen: Während das Fernsehspiel die 50er Jahre nahezu ausschließlich als ›Wirtschaftswundergesellschaft‹ thematisierte, legten die dokumentarischen Sendungen Schwerpunkte auf die Person und Ära Adenauer sowie die Teilungsgeschichte. So kristallisierten sich drittens schon in der Formierungsphase starke Narrative für die späteren Geschichtsbilder heraus, die sich zum Teil aus den medialen Gattungs- und Genretraditionen speisten. Die restaurativ-kritische Perspektive auf die 191 Auf der visuellen Ebene werden hier zwei unterschiedliche Ereignisse vermischt: Der ›Antrittsbesuch‹ eines Teils der Regierung Adenauers vom 21. September 1949 mit der Teppichszene und dem Petersberger Abkommen vom 22. November 1949, das u.a. zur Reduktion der Demontagen führte; vgl. Conze: Suche, S. 61, 63.

144 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Wirtschaftswundergesellschaft und die wirtschaftspolitisch-optimistische Aufschwungsgeschichte, die Teilungsgeschichte, die Personalisierung der 50er Jahre mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard sowie eine beginnende teilstaatlichen Erfolgsgeschichtsschreibung in Gestalt der Betonung westdeutscher Souveränität bildeten dabei den Kern, aus dem heraus sich in der seit Mitte der 1970er Jahre einsetzenden geschichtskulturellen Konjunktur weitere Geschichtsbilder entwickelten.

IV. 1977 bis 1989 – Polarisierungen »Die 50er Jahren sind weithin ein Warenhaus der Projektionen.« LUTZ NIETHAMMER, 19861

1. G ESCHICHTSKULTURELLE K ONJUNKTUR Mit diesen Worten zog Lutz Niethammer 1986 eine Zwischenbilanz der geschichtskulturellen Konjunkturphase der 50er Jahre, die ihren Anfang Mitte der 1970er Jahre genommen hatte und bis Ende der 1980er Jahre intensiv anhielt. Es war eine Zeit, in der die 50er Jahre in nahezu allen Bereichen der westdeutschen Geschichtskultur einen zunehmend prominenten Platz einnahmen. So brachten die 1970er und 1980er Jahre eine Vielzahl voneinander getrennter und miteinander verwobener Geschichtsbilder und Diskurse zu den 50er Jahren hervor, über die im Folgenden ein ordnender und strukturierender Überblick gegeben werden soll. Auf dieser Grundlage ist es in den weiteren Kapiteln dann möglich, einzuschätzen, wie das Fernsehen sich mit seinen Geschichtssendungen zu diesen Diskursen positionierte. Die Konjunkturphase der 50er Jahre lässt sich grob in drei Phasen unterteilen: Zwischen 1972 und 1976 beobachteten Zeitgenossen und Medien eine Zuwendung zu Vergangenem unter dem Stichwort der »Nostalgie«. Ab 1977 begann die eigentliche Hochphase der 50er Jahre-Vergegenwärtigung. Eine dritte Phase kann schließlich etwa von 1981/82 bis 1989 (40. Jahrestag der BRD-Gründung) veranschlagt werden, als geschichtspolitische und geschichtswissenschaftliche Diskurse zunehmend die populär- und alltagskulturelle Rezeptionspraktiken überlagerten. Nostalgiephänomen in den USA und der Bundesrepublik Schon 1973 beobachtete Der Spiegel ein verstärktes nostalgisches Interesse an jüngeren Geschichtsepochen, insbesondere den 1920er und 1950er Jahren.2 Allerdings

1

Niethammer: ›Normalisierung‹, S. 175.

146 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

konnten die Autoren darin noch kein klares Bild der 50er Jahre erkennen, sondern vielmehr ein »Durcheinander von Epochen, Stilen und Moden«.3 Es entwickelte sich eine Flohmarktkultur, Konsum- und Alltagsgegenstände ebenso wie Modestücke der 1920er bis 1950er Jahre waren sehr begehrt. Aus Sicht des Spiegels waren die Träger dieses Phänomens »aufgekratzte Reiche und resignierte Linke«.4 Die Kulturindustrie und die Medien griffen den Trend auf und verstärkten ihn zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen: Die ARD wiederholte mit großem Zuschauererfolg alte Heimatfilme, die Plattenindustrie legte frühe Rock’n’Roll- und Schlagermusik neu auf und alternde Prominente spielten auf Theatertourneen vor ausverkauften Häusern.5 Derartiges nostalgisches Zurückerinnern war keine deutsche Besonderheit, vielmehr fand es seinen Ursprung in anderen westlichen Gesellschaften, allen voran in den USA. Dort und in Großbritannien gab es schon in den frühen 1970er Jahren ein breites Revival der »Fifties«6, dessen Anfänge Daniel Marcus in einem speziellen subkulturellen Milieu lokalisierte. Das hier gewachsene Interesse am Rock’n’Roll der 1950er Jahre habe bald den kulturellen Mainstream in Gestalt eines generelleren Nostalgiebooms erfasst, in dessen Kontext eine Vielzahl medialer Produkte entstanden seien.7 Die spezifische Herausprägung der Begrifflichkeit von den 50er Jahren kann so im Kontext dieser »Nostalgiewelle«8 verortet werden, die zu Beginn von Vergegenwärtigungen der 1920er Jahre dominiert war. Vor allem im amerikanischen »New Hollywood«-Kino beschäftigte sich eine Reihe von Filmen bis Mitte der 1970er Jahre mit der Prohibitionszeit in den USA.9 Analog zu den »Roaring Twenties« bzw. »Goldenen 20er« wurden so nahezu gleichzeitig die »Nifty Fifties« bzw. die »Goldenen 50er« als Begriffe geprägt. Dieser spezifische Kontext, den die Zeitgenossen in den USA wie in der Bundesrepublik als Nostalgie titulierten, prägte lange Zeit die Begriffsdimensionen der 50er Jahre. 2

o.A.: »›Jene Sehnsucht nach den alten Tagen‹«, in: Der Spiegel, 29.01.1973., S. 86-99.

3

Ebd., S. 86.

4

Ebd., S. 87.

5

Vgl. ebd., S. 90-96.

6

»The Nifty Fifties«, in: Life, Nr.23, 16.6.1972, S. 38-50; vgl. auch Johnathan Rodgers: »Back to the 50’s«, in: Newsweek, 16.10.1972, S. 78-82; vgl. auch: »Rollende Hüften«, in: Der Spiegel, 7.8.1972, S. 108-110.

7

Vgl. Marcus: Happy Days, S. 10-35.

8

Vgl. Dieter Baacke: »Nostalgie. Zu einem Phänomen ohne Theorie«, in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 17, Mannheim u.a.: Bibliographisches Institut 1976, S. 449452, hier S. 449.

9

DER GROSSE GATSBY [THE GREAT GATSBY] (USA 1974) fungiert beispielsweise als Namensgeber für den »Gatsby-Look«; vgl. Fischer: Nostalgie, S. 26.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 147

Schon 1973 landete George Lucas mit seinem Teen-Film AMERICAN GRAFFITI (USA 1973) einen Überraschungserfolg in den amerikanischen Kinos. Die Filmhandlung spielte zwar im Jahr 1962, die Ausstattung des Films wurde aber trotzdem mit den 50’s assoziiert.10 AMERICAN GRAFFITI folgten weitere Produktionen ähnlicher Machart, so die ABC-Sitcom HAPPY DAYS (1974-1984) und die filmische Umsetzung des Broadway-Musicals GREASE (USA 1978). Gemeinsam war den Produktionen, dass sie amerikanische Jugendkulturen der späten 50er Jahre stilisierend in Szene setzten. Insbesondere die so genannten »Greasers« wurden analog zu den »Halbstarken« in der BRD über ihr Aussehen – schwarze Lederjacke, Blue Jeans und Haartolle – als selbstverständlicher Teil jugendkultureller Highschool-Milieus der amerikanischen, weißen Mittelschicht inszeniert.11 Ästhetisch verfolgten solche ›nostalgia films‹ der 1970er Jahre zwei Strategien, um die 50er darzustellen:12 Nahezu in allen Produktionen wurde großer Wert auf detailliert ausgestaltete Kulissen, Kostüme sowie die gesamte Mise-en-scène gelegt. Die Kulissen und Kostüme des Films sollten realistisch und authentisch wirken, ein Punkt der Regisseuren wie George Lucas (AMERICAN GRAFFITI) oder Peter Bogdanovich (DIE LETZTE VOR13 STELLUNG [THE LAST PICTURE SHOW, USA 1971]) überaus wichtig war. Dieser von Marc Le Sueur als »surface realism« bezeichneter Modus führte zur Etablierung eines objektzentrierten Ensembles an Zeitmarkern.14 So wurden Modetrends der späten 50er, wie der Petticoat oder Automobilmodelle wirkungsvoll in Szene gesetzt, die Soundtracks mit Rock’n’Roll-Musik ergänzt.15 Bei der zweiten ästhetischen Strategie – die von Le Sueur als »deliberate archaism« bezeichnet wurde – ging es darum, nicht nur einen Oberflächenrealismus zu schaffen, »but to give his [the artist, M.R.] artifact the appearance of art from that distant time.«16 Die Macher versuchten durch kinematografische Manipulationen, zum Beispiel die Verwendung 10 Das Jahr 1962 war dabei nicht zufällig gewählt, sondern verwies für viele Amerikaner auf das letzte Jahr vor den großen innen- und außenpolitischen Umbrüchen, die mit der Ermordung John F. Kennedys im Jahr 1963 begannen. Vgl. Marcus: Happy Days, S. 22. 11 Vgl. ebd., S. 30-34. 12 Vgl. Marc Le Sueur: »Theory Number Five: Anatomy of Nostalgia Films. Heritage and Methods«, in: Journal of Popular Film 6.2 (1977), S. 187-197, hier S. 192-194; Sprengler: Screening nostalgia, S. 85f. 13 Le Sueur: Theory, S. 193. 14 Sprengler spricht analog hierzu von »period markers« (Sprengler: Screening nostalgia, S. 85). 15 Vgl. Ebd., S. 59, 76-83, 96. AMERICAN GRAFFITI zeichnete sich durch eine nahezu durchgängige Verwendung von Rock’n’Roll-Songs der 50er Jahre aus, HAPPY DAYS verwendete Bill Haleys »Rock around the clock« in den ersten beiden Staffeln als Titelsong und GREASE orientierte sich in seinen Musical-Songs am Stil des Rock’n’Roll. 16 Le Sueur: Theory, S. 193f.

148 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

von Filmtechnik aus den 50er Jahren oder die nachträgliche Bearbeitung der Farbgebung des Films, das bildästhetische Erscheinungsbild des Endproduktes zu beeinflussen bzw. im dramaturgischen Aufbau oder der Montagetechnik Genrekonventionen der 50er Jahre zu imitieren. Die Zuschauer sollten den Eindruck bekommen, einen in den 1950er Jahren produzierten Film zu betrachten. Beide von Le Sueur unterschiedenen Strategien zur Inszenierung von Authentizität beschrieben zugleich eine visuelle Historisierung, weil sie die 50er Jahre als ab- und in sich geschlossene Epoche etablierten. Authentisch wirkten die verwendeten Zeitmarker sowie der kinematografische Stil der Imitation nämlich nur, indem sie die 50er Jahre für das Publikum von der Epoche davor und danach abgrenzten. Die Zeit davor war mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ohnehin als Periodisierungseinschnitt etabliert. Die gesellschafts- und mentalitätsgeschichtlichen Umbruchserfahrungen der 1960er Jahre dagegen wurden nun zum deutlichen Abgrenzungsmerkmal.17 Mit den 1960er Jahren etablierten sich in den USA wie in fast allen westlichen Gesellschaften countercultures, die auch die Jugendkulturen prägten und veränderten. George Lucas bezeichnete daher die beginnenden 1960er Jahre als »the end of an era, not the end of one particular year.«18 Die Ära der 50er Jahre war dagegen geprägt von der Vorstellung einer vereinheitlichten und harmonisierten Jugendkultur – repräsentiert durch die entsprechenden Zeitmarker. Visualität und Gegenständlichkeit bekamen so in geschichtskulturellen Repräsentationen deutlich mehr Gewicht als Transporteure von Geschichtsbildern. Hochkonjunkturphase ab 1977 Seit dem Ende der 1970er Jahre setzte die Hochphase der 50er Jahre Konjunktur in der Bundesrepublik ein. Sie fiel in eine Zeit ohnehin expandierender Geschichtskultur, in der die alltagskulturellen Praktiken durch kommerzialisierte und institutionalisierte Formen ergänzt wurden. So lebte die Mittelalterrezeption durch Ritterturniere und Mittelaltermärkte auf und Mittelalterromane wie Umberto Ecos »Der Name der Rose« feierten große Erfolge.19 Der Buchmarkt für historische Themen expandierte insgesamt so kräftig, dass dem Segment seit 1982 auf der Frankfurter Buch-

17 In dieser Aussage herrscht in der amerikanischen Nostalgieforschung bezüglich der ›Fifties‹ Einigkeit: vgl. Vera Dika: Recycled culture in contemporary art and film. the uses of nostalgia, Cambridge/New York: Cambridge University Press 2003, S. 89f.; Sprengler: Screening nostalgia, Marcus: Happy Days. 18 Zit. n. Le Sueur: Theory, S. 191. 19 Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gestylte Geschichte, S. 39-51; Umberto Eco: Der Name der Rose, München: dtv 1982 [Mailand: Bompiani 1980]. Jean-Jacques Annaud verfilmte den Roman mit großen kommerziellen Erfolg im Jahr 1986.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 149

messe ein größerer Stellenwert eingeräumt wurde.20 Auch erfreuten sich historische Ausstellungen zur regionalen und nationalen Geschichte21 ungeahnter Popularität, sogar neue Geschichtsmuseen konnten, vor allem auf lokaler Ebene, eröffnet werden. Schon seit Anfang der 1980er Jahre waren an vielen Orten Geschichtswerkstätten entstanden, in denen meist geschichtsinteressierte Laien Lokal- und Regionalgeschichte erarbeiteten. Dieses von breiten Bevölkerungsschichten getragene Phänomen zeigte den Willen, eine ›Geschichte von unten‹ zu betreiben, um sich jenseits der geschichtswissenschaftlichen Interessenschwerpunkte vor Ort der eigenen Geschichte und Geschichten vergewissern zu können.22 Im Rahmen des allgemein gestiegenen Geschichtsinteresses rückten nun auch die 50er Jahre in den Fokus. Seit Mitte der 1970er Jahre bis weit in die 1980er Jahre schienen sie zeitweise geradezu omnipräsent in der bundesrepublikanischen Geschichtskultur zu sein. Dabei etablierte sich der Begriff 50er Jahre23 als gängige Bezeichnung der erweiterten 1950er Jahre – also für den Zeitraum zwischen 1948/49 und Anfang der 1960er Jahre. Neben seiner US-amerikanischen Prägung im Zuge der auch in der Bundesrepublik präsenten Nostalgiewelle erfuhr er zudem durch die Kunstgeschichte entscheidende Aufladungen. So wurde er in der modernen Malerei, Architektur und im Design zur Charakterisierung von Stilepochen genutzt,24 wobei hier das Außergewöhnliche, vor allem die spezifisch neuen Ideen in Kunst und Design der 50er Jahre, in den Vordergrund gerückt wurden. Auch die ersten Ausstellungen, die sich seit 1975 explizit mit den 50er Jahren beschäftigten, wurden

20 Walter H. Pehle: »Geschichtswissenschaft, Buchproduktion und Öffentlichkeit«, in: Klaus Füßmann/Heinrich Theodor Grütter/Jörn Rüsen (Hg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1994, S. 235-241; Andreas Wirsching: Abschied vom Provisorium. 1982-1990 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 6), Stuttgart: DVA 2006, S. 471; Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 316-318. 21 Große Ausstellungen zu den Staufern 1977 in Stuttgart oder zu Preußen 1982 in Berlin zogen hunderttausende Besucher an. Vgl. hierzu Stefan Schuch/Rainer A. Müller: Historische Ausstellungen 1960-1990. Eine Bibliographie der Kataloge, Paderborn u.a.: Schöningh 1992. 22 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 425f. Vgl. aus zeitgenössischer Sicht: Hannes Heer/Volker Ullrich: (Hg.): Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1985. 23 Bzw. »fünfziger Jahre«. 24 Vgl. Paul Maenz: Die 50er Jahre. Formen eines Jahrzehnts, Stuttgart: Hatje 1978; Christian Borngräber: Stil novo, Design in den 50er Jahren. Phantasie und Phantastik, Frankfurt am Main: Fricke 1979; Thomas Zaunschirm/Rolf Linnenkamp: Die fünfziger Jahre, München: Heyne 1980.

150 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

aus diesen Kunstbereichen angestoßen.25 Insbesondere die Ausstellungen in Wuppertal und Hamburg 1977 und 1978 bekamen große Aufmerksamkeit, vor allem in den Printmedien.26 Obwohl die Schwerpunkte der Wuppertaler Ausstellung eigentlich Malerei, Bildhauerei und Design waren,27 wurden in erster Linie die Ausstellungsstücke zur Populärkultur und zum Wohndesign der 50er Jahre medial rezipiert.28 Die Hamburger Ausstellung konzentrierte sich dann von vorneherein stärker auf Wohndesign und Mode.29 Die geschichtskulturelle Boomphase der 50er Jahre beginnt im Grunde 1978 mit einer Titelgeschichte des Spiegels zum »Mythos der 50er«,30 denn diese verhalf nicht nur den beiden Ausstellungen in Wuppertal und Hamburg zu Popularität, sondern machte die 50er Jahre zu einem gesamtgesellschaftlichen Medienphänomen. Die Autoren der Titelgeschichte thematisierten vor allem die mediale Verwertung der 50er Jahre Konjunktur, womit sie aber zugleich erstmals das Gesamtphänomen benannten und erste Deutungen vorlegten.31 Die Spiegel-Titelgeschichte bündelte

25 Vgl. Otto Greis: Bilder der 50er Jahre. Ausstellung: Oktober-Dezember 1975 [Galerie Moderner Kunst, Frankfurt], Frankfurt am Main: o.Verl. 1975; o.A.: Stilformen der 50-er Jahre. Eine Ausstellung des Städtischen Kunstmuseums Bonn in der Beethovenhalle Bonn, Bonn 1976; Christian Rathke (Bearb.), Die 50er Jahre. Aspekte und Tendenzen. Katalog der Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal 23.9.-13.11-77., Wuppertal: Kunst- und Museumsverein Wuppertal 1977; Jochen Kuhn: Architektur der 50er Jahre in Düsseldorf. Eine Ausstellung des Stadtmuseums und des BDA-Düsseldorf 31.3-2.5.1982, Düsseldorf: Stadtmuseum 1982; Gabriele Fahr-Becker: Die Fünfziger. Stilkonturen eines Jahrzehnts. Italien, Skandinavien, Frankreich, Deutschland, USA, Polen, England, Niederlande [Ausstellung 13.1.-26.2.84, Museum Villa Stuck], München: Museum Villa Stuck 1984. 26 Vgl. Christian Schultz-Gerstein: »Der Frieden frißt seine Kinder. Deutsche Schriftsteller auf der Suche nach den 50er Jahren«, in: Der Spiegel, 10.10.1977, S. 228-233; o. A.: »Heimweh nach den falschen Fünfzigern«, in: Der Spiegel, 3.4.1978, S. 90-114; vgl. auch die Abdrucke der Presseberichte in Deutscher Ring LebensversicherungsAktiengesellschaft: Die 50er Jahre, S. 57-60. 27 Vgl. Rathke: 50er Jahre. 28 Vgl. Schultz-Gerstein: Frieden, S. 233. 29 Vgl. Deutscher Ring Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft: Die 50er Jahre. 30 »Mythos der 50er. Die Sehnsucht nach den Wunderjahren [Titelbild]«, in: Der Spiegel, 3.4.1978. Vgl. dazu die Titelgeschichte der Ausgabe: Heimweh nach den falschen Fünfzigern, S. 90-109. 31 Vgl. Helmes-Conzett: Mode – Geschichte – Politik, S. 23-27. Helmes-Conzett beschreibt für den Zeitraum zwischen 1977 und 1979 anhand von inhaltlichen Analysen der Modezeitschrift Brigitte die Etablierung der 50er Jahre als Modestil.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 151

und ordnete also die vorher disparaten Phänomene zu einem Gesamtphänomen und wirkte auf die weitere Entwicklung katalytisch. Seit etwa 1976/77 fanden nicht nur deutlich mehr Thematisierungen der 50er Jahre statt, auch ihre geschichtskulturellen Trägermedien und Formen differenzierten sich aus: Neben klassischen Massenmedien wie Zeitschriften, Zeitungen, Filmen, Radio mit Beiträgen über die 50er Jahre bzw. das zeitgenössische Phänomen ihrer Vergegenwärtigung, entstanden verstärkt Romane über die 50er Jahre.32 Hinzu kamen Bild- und Ausstellungsbände, die gleichzeitig der Bestandsaufnahme und Erweiterung eines visuellen Repertoires der 50er dienten. Offenbar in deutlich größerem Umfang als bisher wiederholten Radio und Fernsehen Programme der 50er Jahre. So feierten Wiederholungen von Heimatfilmen wie GRÜN IST DIE HEIDE (BRD 1951) im ARD und ZDF-Programm Quotenerfolge, im Radio nahmen die Verantwortlichen Schlager- und Rock’n’Roll-Musik der 50er ins Programm.33 Analog hierzu legten Verlage literarische Werke der 50er Jahre wieder auf. Auf der Bühne feierten Schauspieler und Entertainer, die in den 50er Jahren bekannt geworden waren, Publikumserfolge mit der Wiederaufführung von 50er Jahre Stücken. Dazu etablierten sich spezifische Praktiken und Subkulturen im Umgang mit den 50er Jahren: Bei einem Teil der Jugendlichen entwickelte sich Mode und Musik zum Trend, auf Flohmärkten und bei Trödelhändlern entstand eine stark erhöhte Nachfrage nach Objekten aus der Dekade.34 Dieser kursorische Überblick zeigt schon, dass die 50er Jahre seit den späten 1970er Jahren intensiv in der Geschichtskultur der Bundesrepublik aufgegriffen wurden und dabei auch tief in die Lebenswelt einzelner Gruppen vordringen konnten. Die 50er Jahre wurden in dieser Phase vor allem nicht nur in klassischen geschichtskulturellen Formen thematisiert, sondern fungierten wie selbstverständlich als Stichwort- und Anstoßgeber oder auch als ästhetisches Accessoire in anderen gesellschaftlichen Bereichen, sodass man ohne übertreiben zu müssen konstatieren kann, dass die 50er Jahre zu diesem Zeitpunkt allgegenwärtig waren. Damit erweiterte sich die Trägerschaft der 50er Jahre Geschichtskultur ebenso wie ihr Publikum. Nicht mehr nur Politiker, Journalisten und Kulturtreibende beschäftigten sich mit der Vergangenheit der 50er Jahre, sondern nun auch Jugendliche und ›Normalbürger‹. Dabei vermischten sich in vielen Bereichen Produzenten und Konsumenten, beispielsweise in den Jugendkulturen. Die Autoren im Spiegel hatten 1978 als Gründe für die plötzliche Konjunktur angeführt, die Bundesrepublik sei »älter geworden« und habe damit »Gedenktage von statistischer Würde angesetzt«.35 Zudem sei der Boom generationell bedingt, da

32 Vgl. Schultz-Gerstein: Frieden; o.A.: Heimweh nach den falschen Fünfzigern, S. 92f. 33 Vgl. o.A.: Heimweh nach den falschen Fünfzigern; Fischer: Nostalgie, S. 20f. 34 Vgl. o.A.: Heimweh nach den falschen Fünfzigern. 35 Ebd., S. 92.

152 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

»die stummen Kinder der Nachkriegszeit inzwischen ins erinnerungsfähige Alter gekommen«36 seien. Und zuletzt seien »politische Ursachen« anzuführen, da »die Kritiker der Adenauer-Ära das Feld beherrschen, Kritiker, die fragen, wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft von der scheinbar freien Wildbahn der 50er unversehens in die Sackgasse der 70er Jahre geraten ist.«37

Die Autoren verbanden also eine kritische, nicht-nostalgische Perspektive mit einer generationellen Begründung, die einen Gegenpol bildete zu den nostalgisch verfärbten Geschichtsbildern seit Anfang der 1970er Jahre. Ein wesentlicher Impuls, wenn nicht der Entscheidende zur Ausdifferenzierung verschiedener Geschichtsbilder für die 50er Jahre, ging von neuen Akteuren aus, die als Produzierende und Rezipierende die Geschichtskultur prägten. Dabei definierten sich viele Akteursgruppen anhand von generationellen Grenzziehungen. Artikulierte Erinnerungen wurden als spezifische Generationserfahrungen klassifiziert und neue oder modifizierte 50er Jahre Geschichtsbilder mit generationellen Deutungen verbunden. Bis Anfang der 1970er Jahre hatten diejenigen die Geschichtsbilder bestimmt, die in den 50er Jahren mindestens junge Erwachsene, also Anfang zwanzig, gewesen waren. Diese Alterskohorte der zwischen den 1920er und frühen 1930er Jahren Geborenen, bezeichnet die Forschung in den letzten Jahren als »45er« oder »Aufbaugeneration«.38 Sie prägten zuallererst die Erzählung vom wirtschaftlichen Wiederaufstieg nach dem Krieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Damit einher ging einerseits die hegemoniale Deutung der 50er Jahre wie auch der Bundesrepublik im Ganzen als Erfolgsgeschichte. Andererseits entstanden Gegenbilder, die in der Tradition der Restaurationsthese sehr kritisch mit der Ära Adenauer ins Gericht gingen. Seit Anfang der 1970er Jahre drängten nun die Jahrgänge in Positionen im Journalismus und Kulturbetrieb, die in den 50er Jahren Kinder und Jugendliche gewesen waren.39 Für die Mitte der 1930er bis Mitte der 1940er Jahre Geborenen hat

36 Ebd. 37 Ebd. 38 Dirk Moses: »Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie«, in: Neue Sammlung 40.2 (2000), S. 233-263; Rainer Gries: »Generation und Konsumgesellschaft«, in: Heinz-Gerhard Haupt/ Claudius Torp (Hg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890-1990 – Ein Handbuch, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 190-204, hier S. 202. 39 Christina von Hodenberg: »Der Kampf um die Redaktionen. ›1968‹ und der Wandel der westdeutschen Massenmedien«, in: Christina von Hodenberg/ Detlef Siegfried (Hg.), Wo ›1968‹ liegt. Reform und Revolte in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2006, S. 139-163; Hodenberg: Konsens, S. 361-440.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 153

sich in der Forschung die Bezeichnung »Kriegskindergeneration« etabliert.40 Neben der »Kriegskindergeneration« spielte die kleinere Gruppe der »68er« eine wichtige Rolle für die nun entstehenden Geschichtsbilder der 50er Jahre. Ein besonderes »emphatisches Selbstverständnis als Avantgarde«41 zeichnete diese etwa zwischen 1938 und 1948 geborene Generation aus. Sowohl die Kriegskindergeneration als auch die 68er-Generation griffen bereits bestehende Geschichtsbilder wie die Restaurationsthese auf und modifizierten sie. Zudem fügten sie dem 50er Jahre Kanon neue Aspekte, Themen und Erzählweisen hinzu und prägten dabei neue Geschichtsbilder. Die Erinnerung an die Konsum-, Populär- und Jugendkultur wurde maßgeblich durch diese Generationen geprägt. Einen dezidiert gesellschaftspolitischen Zugang, der die eigenen Erinnerungen mit dem gesellschaftlichen und politischen Klima der 50er Jahre in Verbindung brachte, wählte zumindest ein Großteil der 68er-Generation. Hier verband sich die Generationszugehörigkeit mit einer Einstellung, die sich selbst im linken Spektrum verortete.42 In den 1950er Jahren wurde die Vorgeschichte von ›1968‹ bzw. der Missstände der zeitgenössischen Gegenwart gesucht.43 Im Sinne von Vorläufern fand eine Wiederentdeckung der Halbstarken-Bewegung genauso wie der Anti-Atom-Proteste und Demonstrationen gegen die Wiederbewaffnung statt.44 Aber auch in den Augen der 68er kritikwürdige Zustände wie politische Apathie, autoritäre Strukturen in Gesellschaft und Politik oder fehlende gesellschaftliche Liberalität wurden zunehmend thematisiert.45 Nicht selten spiegelte sich in solchen Geschichtsbildern der Generationenkonflikt zwischen Eltern und Kindern der 50er Jahre wider. Angehörige der 68er Generation bezeichneten die 45er bisweilen als »Karrieristen, Opportunisten und Macher«.46 Die Elterngeneration reagierte auf die Herausforderungen konfligierender 40 Gries: Konsumgesellschaft, S. 197; Ulf Preuss-Lausitz: Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, 2., überarbeitete Auflage, Weinheim: Beltz 1989. 41 Gries: Konsumgesellschaft, S. 197. 42 Vgl. Linke: Vorbemerkung, bes. S. 8-10. 43 Ebd., S. 10. 44 Vgl. Eckhard Siepmann/Irene Lusk (Hg.): Bikini – die fünfziger Jahre. Kalter Krieg und Capri-Sonne. Fotos – Texte – Comics – Analysen, Berlin: Elefanten Press 1981. 45 Vgl. Heinz Bude: »Die 50er Jahre im Spiegel der Flakhelfer- und der 68er-Generation«, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, S. 145-158, hier S. 151-155; Ulrich Herbert: »Drei politische Generationen im 20. Jahrhundert«, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, S. 95-114, hier S. 113. 46 Moses: 45er, S. 244.

154 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Geschichtsbilder ihrer Kinder. Stärker noch als bisher reflektierten sie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit den 1950er Jahren und verbanden sie mit ihrer eigenen Biografie. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die generationellen Geschichtsbilder als reinen Generationenkonflikt zu beschreiben. Denn die Kriegskinder blickten teilweise ähnlich nostalgisch auf die Konsumprodukte wie ihre Eltern. Zudem spielte die dezidiert linke Ideologie der 68er-Generation vielleicht eine wichtigere Rolle als ihre eigenen Kindheitserinnerungen, die sie ideologisch einordneten. Die 50er Jahre Konjunktur und die enge Anbindung von Geschichtsbildern an generationale Deutungsmuster führten einerseits zu einer breiten Ausdifferenzierung von Trägermedien und -genres sowie Formen der geschichtskulturellen Praxis, andererseits beteiligten sich qualitativ und quantitativ mehr Menschen an der 50er Jahre Geschichtskultur. Auch wenn die einzelnen geschichtskulturellen Phänomene der 50er Jahre Konjunktur recht unterschiedlich in Form und Ausgestaltung waren, lassen sich doch schon zu Beginn der hochkonjunkturellen Phase der späten 1970er und frühen 1980er Jahre thesenhaft drei allgemeinere Entwicklungen bzw. Veränderungen zu früheren Thematisierungen ausmachen: Erstens führte der Boom zu einer erheblichen Ausweitung der inhaltlichen Themen, Ereignisse, Personen, die dem nun dominant verwendeten (Sammel-)Begriff der »50er« zugeordnet wurden. Damit einher ging in Teilen ein Trend zu fragmentierten Darstellungen der 50er und dem Fehlen von größeren narrativen Deutungsmustern.47 Zweitens führte die Aufnahme von konsum-, populärkultur- und alltagsgeschichtlichen Narrativen in den 50er Jahre Kanon dazu, dass Produkte, Gegenstände und Accessoires der Lebenswelt der 50er Jahre verstärkt auftauchten. Und drittens nahm die Bedeutung von Visualität beim geschichtskulturellen Umgang mit den 50er Jahren zu. Der Umstand, dass sich zur Charakterisierung der 1950er Jahre nun der Begriff der 50er einbürgerte, wirkte sich entscheidend auf die Geschichtsbilder aus. Gaben vorher Begriffe wie Wirtschaftswunder oder Adenauer-Ära narrative ›rote Fäden‹ schon quasi vor, erschien der 50er Jahre Begriff von sich aus zunächst inhaltsleer und verwies auf ein chronologisches Moment und eine Universalperspektive. Genau diesen Punkt betonten auch die Macher der 50er Jahre Ausstellung in Wuppertal: Es sei »gerade in Bezug auf die Fünfziger die Notwendigkeit und das Bedürfnis nach einer Gesamtüberschau zu erkennen.«48 Die 50er Jahre sollten als Jahrzehnt nun komplett historisiert bzw. einer Bestandsaufnahme unterzogen werden. Gleichzeitig postulierten die Autoren solcher Gesamtschauen, solche Pläne seien zum Scheitern verurteilt.49 In der Formierungsphase bis Mitte der 1970er Jahre wurden 47 Die beiden großen Pole der 50er Jahre Geschichtsbilder – Erfolgsgeschichte und Restauration – bestanden dabei weiter und ihre Gegensätze verschärften sich. 48 Rathke: 50er Jahre, S. 4. 49 Vgl. ebd., S. 4.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 155

neben der klassischen Politik- und Ereignisgeschichte im Zuge der Wirtschaftswundererzählung auch bereits Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte integriert. Durch die Nostalgiewelle und Historisierung der Ästhetik und Kunst kamen seit dem Einsetzen der konjunkturellen Hochphase in der Geschichtskultur schwer überschaubare Felder der Populärkulturgeschichte, der Design- und Kunstgeschichte, der Konsumgeschichte, der Mediengeschichte, der Geschlechtergeschichte und der Alltagsgeschichte in all ihren Facetten hinzu. Verbindliche Ankerpunkte schienen insbesondere für diese neuen Bereiche noch zu fehlen. Seit 1977 entstanden vermehrt Bild- und Ausstellungsbände, die versuchten dieses Gesamtbild der 50er Jahre zu präsentieren. Die Form der Publikationen nutzte zwei aufeinander aufbauende Strategien, um dem Publikum ein Gesamtbild der 50er Jahre zu vermitteln: Erstens folgten die Bildbände häufig der Chronologie.50 So wurden in Jahresschritten fortlaufende Chronologien etwa in Einleitungen und Vorworten benutzt.51 Diese selektive Form der Aufzählung präferierte und begünstigte die Darstellung der klassischen Politikgeschichte und stellte die Ereignishaftigkeit der 50er Jahre in den Fokus. Zweitens wurden die Gesamtschauen als »evokative[s] Mosaik der Revision«52 realisiert: »Aus der Fülle der Fakten wird ein geringer Teil herausgepflückt […], wobei sich mehr oder weniger bewußt Ansätze zur Erkenntnis von Interdependenzen ergeben mögen.«53 In einer Reihe von Bildbänden fand sich dieses Darstellungsmuster wieder,54 wobei es sich am besten für Themenbereiche der Kultur und Gesellschaft, der Populärkultur oder für Sportereignisse zu eignen schien. Zum Teil wurden auch Statistiken vorgetragen, die dem Zeitgenossen zeigten, wie sehr sich die Lebenswelt der 50er Jahre von der eigenen unterschied. Die Bände glichen vi50 An deutlichsten bei: Lehmann: Unterwegs. 51 o.A.: »Gedankenstützen zum Wiedererkennen eines verflossenen Jahrzehnts«, in: Christian Rathke (Bearb.), Die 50er Jahre. Aspekte und Tendenzen. Katalog der Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal 23.9.-13.11-77., Wuppertal: Kunst- und Museumsverein Wuppertal 1977, S. 6-14; Hermann Rockmann: »Vorwort. Ein Versuch über die 50er Jahre«, in: Deutscher Ring Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (Hg.), Die 50er Jahre. Blickpunkt Deutschland – eine Materialsammlung, Hamburg: Deutscher Ring, Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft 1978, S. 2-14; Andreas Altenhoff: »Bunte Chronik der Fünfziger«, in: Dieter Bänsch (Hg.), Die fünfziger Jahre – Beiträge zu Politik und Kultur, Tübingen: Narr 1985, S. 413-444. 52 Rathke: 50er Jahre, S. 4f.. 53 Ebd., S. 4f.. 54 Vgl. z.B. Jungwirth/Kromschröder: Pubertät der Republik; Lehmann: Unterwegs; Michael Sedgwick: Die schönsten Autos der fünfziger und sechziger Jahre, Düsseldorf: Econ 1983.

156 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

suellen Collagen und anekdotenreichen Erzählungen, die einerseits scheinbar beliebig ausgewählt wurden, andererseits den Zeitgeist, das Zeitkolorit bzw. den Zeitgeschmack assoziativ verdeutlichen und den Zeitgenossen wieder ins Gedächtnis rufen sollten. Im Sinne Astrid Erlls stellten sie ›mediale cues‹ dar, Erinnerungsanreize, die vor allen Dingen den Zeitzeugen als Erinnerungsstützen und -anlässe dienen sollten. Beide Vergegenwärtigungselemente spiegeln aber das Fehlen von Gesamtinterpretationen jenseits der bloßen Schlagworte wie »Goldene 50er« wider. Die dargestellten Formen der Vergegenwärtigung entsprangen, so Lutz Niethammer, den »selektiven Zusammenschnitten der Medien […], die die Verkürzungen und Idolisierungen der seinerzeitigen Medien noch einmal verkürzen und ihres Zusammenhangs entkleiden.«55 Damit befanden sich die Bestandsaufnahmen noch in einem Stadium der Sammlung historischer Fakten, Ereignisse und Anekdoten, denen Gesamtinterpretationen, die die Einzelstücke verbunden hätten, fehlten. Die ›Nostalgiewelle‹ während der 1970er Jahre mit ihrer Flohmarktkultur, die ersten Definitionsversuche der 50er Jahre als Epoche der Architektur-, Design- oder Kunstgeschichte und der große Erfolg der ersten 50er Jahre Ausstellungen ebenso wie die jugendkulturellen Entdeckung der 50er Jahre Mode verweisen auf eine erhöhte Bedeutung von Artefakten und Produkten aus den 50er Jahren für die zeitgenössische Geschichtskultur. Eine Verbindung zum kommunikativen Gedächtnis stellte Lutz Niethammer fest: Die Erinnerung von Menschen, die in den 50er Jahren Erwachsene gewesen waren, nun, um 1985, also vierzig Jahre und älter waren,56 erzählten ihre biografischen Stationen häufig anhand oder in Verbindung mit der Anschaffung von Konsumgütern, wie dem ersten Kühlschrank, Fernseher, Auto oder der Waschmaschine. Die Erinnerungen an diese Objekte des Konsumaufstiegs weckten in vielen Protagonisten »unwiederbringliche Gefühle«.57 Ähnlich stark emotionalisierte Erinnerungen schufen Objekte, die die Kriegskindergeneration aus ihrer Kindheit und Jugendzeit erinnerte. Die Form der objektfixierten, gegenständlichen Erinnerung war schon zu Beginn der Boom-Phase sehr populär, da sie einherging mit der Nostalgiewelle seit Anfang der 1970er Jahre. Nikolaus Jungwirth und Gerhard Kromschröder führten das Prinzip der gegenständlichen Ausstellung der 50er Jahre anhand eines Bildbandes vor. Ironisch gebrochen zeigte der Band »Die Pubertät der Republik«58 Bilder der 50er Jahre. Das Interesse des Betrachters wird ganz auf einzelne Objekte und Details der Bilder gelenkt, zum Teil durch Bildbeschreibungen, häufig aber auch, 55 Niethammer: ›Normalisierung‹, S. 175. 56 Basierend auf der Annahme, dass jemand 1955 zwanzig Jahre alt war, war er 1975 vierzig; vgl. ebd., S. 181. 57 Ebd., S. 201. 58 Jungwirth/Kromschröder: Pubertät der Republik.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 157

indem mittels hinweisender Markierungen bestimmte Bildelemente erläutert und kommentiert werden. Zusätzlich ist der Band frei assoziativ nach Objekten geordnet. So widmet sich eine Doppelseite ganz unterschiedlichen Tapetenmustern, eine andere verweist auf die verschiedenen ›Inhalte‹ eines Kühlschranks.59 Formen und Design der 50er Jahren werden so allgegenwärtig. Insgesamt stieg damit aber auch das Interesse am »äußeren Erscheinungsbild« der 50er Jahre. Kursierten, wie im vorangegangenen Teil beschrieben, auch schon in der Frühphase Bilder aus den 50er Jahren, so intensivierte sich nun der visuelle Teil der Geschichtskultur. Verwendeten die Fernsehproduktionen und vor allem die Bildbände der 1960er und frühen 1970er Jahre ihr Bildmaterial vor allem als Bebilderungen oder Abbildungen spezifischer Ereignisse und Personen der 50er Jahre, so etablierten sich nun weitere Motive und Formen des Umgangs mit Bildern. Neu war sicherlich die beschriebene Form des Ausstellens von Objekten durch Bilder. Hier fungierte die Fotografie von materieller Kultur als eine Art Ausstellungsvitrine für den Betrachter. Geschichtspolitische Entwicklungen ab 1981/82 Auch im geschichtspolitischen Diskurs fanden die 50er Jahre seit 1982 verstärkt Beachtung, dies allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Konjunktur der 50er in der populären westdeutschen Geschichtskultur längst in vollem Gange war. Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre hatte sich die geschichtspolitische Debatte um den Standort der Bundesrepublik grundlegend geändert und wurde fortan unter dem Schlüsselbegriff der »deutschen Identität« geführt.60 Zunächst ging es hierbei jedoch nicht vornehmlich um die 50er Jahre. Mit dem Regierungswechsel von 1969 stellte die SPD mit Willy Brandt erstmals den Bundeskanzler. Brandts Regierungserklärung war in vielerlei Hinsicht ein »Gegenentwurf zum christdemokratischen Politikverständnis«.61 Unter dem Slogan »Mehr Demokratie wagen« legte die SPD ein Programm vor, das die »Untertanengesinnung« und damit die angeblichen Defizite der Ära Adenauer beheben sollte.62 Zugleich wurden aber durchaus nationale Erfolge propagiert: »DEUTSCHE, wir können stolz sein auf unser Land«,63 hieß es im Jahr 1972 auf einem Wahlplakat, und im Wahlkampf 1976 warb die SPD nach sieben Jahren Regierung mit ihrem »Modell Deutschland«, das die erfolgreiche Verbindung von wirtschaftlichem Er-

59 Vgl. ebd., S. 62f., 123. 60 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 303f., 308f. 61 Wolfrum: geglückte Demokratie, S. 315. 62 Ebd., S. 316. 63 Ebd., S. 324.

158 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

folg und sozialer Integration zeige.64 Dadurch sollte die Erzählung vom Wirtschaftswunder um die Komponente einer demokratisch-liberalisierenden Modernisierung ergänzt werden. Der 23. Mai sollte als Nationalfeiertag zudem den 17. Juni ersetzen, der für eine Mehrheit der Bevölkerung den Identifikationswert verloren hatte. Anstatt am Nationalfeiertag der Gesamtnation zu gedenken, wollte die SPD ihn zu einem »Selbstvergewisserungstag« für das Modell Deutschland und der Bundesrepublik umdeuten.65 Diese geschichtspolitische Debatte wandelte sich Mitte der 1970er Jahre, als verschiedene innen- und außenpolitische Entwicklungen eine »Fortschrittskrise«66 auslösten, die das Modell Deutschland plötzlich in Frage zu stellen schienen. Der Bericht des Club of Rome von 1972 und die Ölkrise ab 1973 zeigten die »Grenzen des Wachstums« auf und bedeuteten gleichzeitig ein endgültiges Ende des »Goldenen Zeitalters«.67 Neben dem Verlust des wirtschaftlichen Sicherheitsgefühls stellte der Terrorismus der RAF das emanzipatorische, liberale Demokratieverständnis der sozialliberalen Regierungskoalition in Frage. Mit Forderungen einer »Tendenzwende« gewannen daher seit Mitte der 1970er Jahre konservative Ideen wieder an Einfluss in der öffentlichen Diskussion.68 In diesem Kontext entwickelte sich eine Diskussion um eine »deutsche Identität«, die die Unsicherheiten in der Frage des geschichtspolitischen Standorts der Bundesrepublik bündelte.69 Seit dem Regierungswechsel von 1982 entstand unter Helmut Kohl eine offensiv lenkende Geschichtspolitik. Mit der Tendenzwende im Rücken suchte er eine »Normalisierung« der deutschen Geschichtskultur. Das »normale« Geschichtsbild sei durch die starke Fokussierung auf den Nationalsozialismus marginalisiert worden. Daher sollten die positiven Anknüpfungspunkte in der deutschen Geschichte in den Vordergrund gestellt werden, die dann zwangsläufig den Nationalsozialismus in den Hintergrund treten ließen. Die bundesrepublikanische Erfolgsgeschichte sollte dabei den Kernbereich des neuen westdeutschen Geschichtsbilds ausmachen. 64 Vgl. Andreas Rödder: »Das ›Modell Deutschland‹ zwischen Erfolgsgeschichte und Verfallsdiagnose«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), S. 345-363, hier S. 346; vgl. Thomas Hertfelder: »›Modell Deutschland‹. Erfolgsgeschichte oder Illusion?«, in: Thomas Hertfelder/Andreas Rödder (Hg.), Modell Deutschland. Erfolgsgeschichte oder Illusion? Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2007, S. 9-27, hier S. 9. 65 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 296. 66 Ebd., S. 303. 67 Eric J. Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 8. Auflage, München: dtv 2007; vgl. Conze: Suche, S. 570. 68 Vgl. zur ›Tendenzwende‹: Axel Schildt: »›Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten‹. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren«, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 449-478; Görtemaker: Geschichte, S. 563-596. 69 Vgl. Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 304.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 159

Gleich in doppelter Hinsicht spielten die 50er Jahre eine entscheidende Rolle für die kohlsche Geschichtspolitik: Erstens forcierte die neue Regierung eine »Restauration« des ›17. Juni‹.70 Die Nation stellte für Kohl den »normativen Angelpunkt«71 seiner geschichtspolitischen Überlegungen dar und so war der 17. Juni 1983 durch die geschichtspolitischen Äußerungen der Bundesregierung in der Öffentlichkeit so präsent, wie schon lange nicht mehr.72 Zweitens rückten die 50er Jahre in eine zentrale Position, damit der »sozialliberale Aufbruchmythos« entzaubert werden konnte, brachten sie doch die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik mit der christdemokratischen Politik Konrad Adenauers zusammen:73 »Der Kampf um die Kontrolle der politischen und kulturellen Diskurse bezog sich somit darauf, die bundesrepublikanische ›Erfolgsnation‹ Adenauerscher Prägung in die Ära Kohl hinein zu verlängern und die ›Leistung‹ Bundesrepublik für die Konservativen zu reklamieren […]«74

In seiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 bezog sich der frisch gewählte Bundeskanzler zu Anfang auch explizit auf das »Erbe« Konrad Adenauers.75 Dabei konnte er auf die vorhandenen geschichtskulturellen Deutungsmuster zurückgreifen und versuchte, diese mit den eigenen Geschichtsbildern zu verknüpfen.76 So schuf er öffentlichkeitswirksame Auftritte, wie beispielsweise auf der Hannover Messe von 1988, auf der er sich in einem Messerschmitt Kabinenroller aus den 50ern ablichten ließ.77 Die nostalgische Rückerinnerung an die 50er Jahre Objekte konnte er auf diese Weise mit seiner eigenen Inszenierung einer »geistigmoralischen Wende« verbinden.78 70 Wirsching: Provisorium, S. 473; Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 325. 71 Ebd., S. 473. 72 Vgl. ebd., S. 304. 73 Ebd., S. 331. 74 Ebd. 75 Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 13. Oktober 1982 vor dem Deutschen Bundestag in Bonn: »Koalition der Mitte: Für eine Politik der Erneuerung«, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Bulletin, Nr. 93, 14. Oktober 1982, S. 853868. 76 Vgl. Karl-Ernst Jeismann: »›Identität‹ statt ›Emanzipation‹? Zum Geschichtsbewußtsein in der Bundesrepublik«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20-21 (1985), S. 3-16, hier S. 4. 77 Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gestylte Geschichte, S. 59f. 78 Vgl. Maren Röger: »›Geistig-moralische Wende‹«, in: Torben Fischer/Matthias N. Lorenz (Hg.), Lexikon der ›Vergangenheitsbewältigung‹ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld: transcript 2007, S. 226;

160 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Im Kontext dieses Deutungskampfes um Geschichtsbilder sind auch die Pläne zur Errichtung nationaler Museen zu sehen. Schon zu Anfang seiner Regierungszeit stellte Kohl Entwürfe für ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn vor. Die Bundesrepublik sei zur Basis des nationalen deutschen Selbstverständnisses geworden und so sollte das Museum dieses festigen. Die Museumspläne wurden emotional diskutiert, standen sie doch im Ruf, allein eine Komponente kohlscher Geschichtspolitik zu sein, obwohl die ursprünglichen Pläne noch von Walter Scheel stammten.79 Auch in der geschichtswissenschaftlichen Forschung rückten die 50er Jahre seit Ende der 1970er Jahre in den Fokus. Der Konjunktur der 50er Jahre in der populären Geschichtskultur kam auch in der Geschichtspolitik dabei eine wichtige Katalysatorfunktion zu. Hinzu kam die politische und gesellschaftliche Stabilität der Bundesrepublik, die ihre Selbsterforschung ›gerechtfertigt‹ erscheinen ließ. Zudem befand sich die Zeitgeschichtsforschung im »Zangengriff«: Die DDR entdeckte die Nationalgeschichte für sich und versuchte durch eine »Erbe-und-Tradition«Konzeption in der deutschen Geschichte Anknüpfungspunkte für eine veränderte Nationskonstruktion zu finden. Gleichzeitig drohte die Politikwissenschaft, die sich als Demokratiewissenschaft verstand, der Zeitgeschichtsforschung den Rang als Leitwissenschaft streitig zu machen. In diesem Kontext entstanden erste Bilanzen der bundesrepublikanischen Entwicklung, deren Anlass häufig Jubiläen waren.80 Viele Zeithistoriker fanden hierbei identitäre Anknüpfungspunkte für ein spezifisch westdeutsches Geschichtsbild.81 Signifikante Ergebnisse des Prozesses der »Bundesrepublikanisierung« des Geschichtsbildes und des »Historischwerden[s] der Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 325-342; zur »geistig-moralischen Wende« vgl. allgemein: Rupert Seuthe: ›Geistig-moralische Wende‹? Der politische Umgang mit der NSVergangenheit in der Ära Kohl am Beispiel von Gedenktagen, Museums- und Denkmalprojekten, Frankfurt am Main: Lang 2001; Schildt: ›Kräfte der Gegenreform‹. 79 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 337. 80 Löwenthal/Schwarz (Hg.): Republik; Walter Scheel (Hg.): Nach dreißig Jahren. Die Bundesrepublik Deutschland nach dreißig Jahren, Stuttgart: Klett-Cotta 1979; Dieter Blumenwitz (Hg.): Konrad Adenauer und seine Zeit. 2 Bände, Stuttgart: DVA 1976; dagegen kritisch: Ulrich Albrecht/Frank Deppe/Jörg Huffschmid: Beiträge zu einer Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln: Pahl-Rugenstein 1979. 81 Vgl. Edgar Wolfrum: »Epilog oder Epoche? (Rück-)Blick der deutschen Geschichtswissenschaft vom Zeitalter der Zweistaatlichkeit bis zur Gegenwart«, in: Herfried Münkler/Jens Hacke (Hg.), Wege in die neue Bundesrepublik. Politische Mythen und kollektive Selbstbilder nach 1989, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 33-63, hier S. 50-53; Rudolf Morsey: Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte; 19), 5., durchgesehene Auflage, München 2007, S. 117.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 161

Zeitgeschichte«82 waren große Synthesen, allen voran die repräsentativ im großformatigen Hochglanzdruck hergestellte, von Zeithistorikern und Politikwissenschaftlern verfasste, sechsbändige Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (1983-1986).83 Die Bände begründeten endgültig eine schon in vorherigen Arbeiten angelegte Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, die vor allem auf ihre stabile Entwicklung zurückblickte, um damit »die lange gepflegte Vorläufigkeit der zweiten Republik zu verabschieden«.84 Die Intensität der 50er Jahre Forschung zu dieser Zeit illustriert das folgende Beispiel. Schon 1983 legte Anselm Doering-Manteuffel unter dem Titel »Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer« eine Forschungssynthese vor, die ein erstes Resümee der Forschung vor Ablauf der Archivsperrfrist darstellte.85 Nur zehn Jahre später bezeichnete Klaus Kellmann diesen Literaturüberblick als »heillos veraltet«.86 Die Beschleunigung der Forschungsergebnisse rührte einerseits von den Fortschritten klassischer politikgeschichtlicher Studien, begünstigt durch Ablauf der Archivsperrfristen, andererseits von innovativen Perspektiven, die durch sozialhistorische sowie alltags- und mentalitätsgeschichtliche Ansätze Einzug in die (neueste) Zeitgeschichtsforschung erhielten. Während die Kulturgeschichte zu den 50er Jahren an Gewicht gewann, rückte die Restaurationsthese seit Mitte der 1980er Jahre ganz allmählich in den Hintergrund, da sie sich in vielen Bereichen zunehmend als zu schematisch erwies. Obwohl die Restauration als Schlagwort der Auseinandersetzung durchaus noch bis Mitte der 1990er Jahre in Gebrauch war,87 zeigte sich ihr Bedeutungsverlust in der Forschung insbesondere am Aufstieg der Wirtschafts- und Sozialgeschichte mit ihrer Modernisierungsperspektive. Eine wesentliche Rolle hierbei nahm Hans-Peter 82 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 296, 336. 83 Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945-1949 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 1), Stuttgart: DVA 1983; Schwarz: Ära Adenauer. Gründerjahre; Schwarz: Ära Adenauer. Epochenwechsel; Klaus Hildebrand: Von Erhard zur Großen Koalition. 1963-1969 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 4), Stuttgart: DVA 1984; Karl Dietrich Bracher: Republik im Wandel. Band 1: 1969-1974: Die Ära Brandt (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 5,1), Stuttgart: DVA 1986; Wolfgang Jäger: Republik im Wandel. Band 2: 1974-1982: Die Ära Schmidt (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 5,2), Stuttgart: DVA 1987; Hinzu kam der die Reihe abschließende jüngste Band von Wirschung: Provisorium. 84 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 336f.; Morsey: Bundesrepublik, 5. Auflage, S. 120. 85 Vgl. Anselm Doering-Manteuffel: Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983, bes. S. 4f. 86 Klaus Kellmann: »Deutsche Geschichte nach 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 44 (1993), S. 243-269, hier S. 254. 87 Vgl. Stöver: Bundesrepublik, S. 18.

162 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Schwarz ein, der das Überwiegen dynamischer Momente in den 50er Jahren herauszustellen suchte. Dafür spürte er gezielt Prozessen einer »Modernisierung« in den 50er Jahren nach, konnte diese den restaurativen Tendenzen entgegenstellen und damit die Adäquatheit seiner Kategorien demonstrieren.88 So konnte er die Zeit der Bundesrepublik positiv gegen die Trümmer- und Kriegsjahre vor 1948/49 absetzen – und damit Kontinuitäten zur unmittelbaren Nachkriegszeit und zum Nationalsozialismus außen vor lassen. Auch deshalb kam er zum Schluss, die 50er Jahre seien eine »Periode aufregender Modernisierung«89 gewesen. Schwarz‫ ތ‬Interpretation wurde in der Folge u.a. von Christoph Kleßmann kritisiert,90 der die Restaurationsthese zwar ebenfalls moderat ablehnte, aber sich zugleich auch gegen ein Geschichtsbild wandte, welches die kritikwürdigen Seiten bundesrepublikanischer Entwicklung herunterspielte. Das modernisierungstheoretische Paradigma wurde nichtsdestotrotz in den 1980er Jahren durch die sozialhistorische Forschung zur Bundesrepublik vorangetrieben. Die Grundfragen schlossen dabei im Grunde durchaus an die Restaurationsdiskussion an, denn der Terminus der Restauration verwies auf den ›Wiederaufbau‹ der Gesellschaft. Allerdings konnten die Vertreter der Restaurationsthese eben nicht »die Ursachen und Zusammenhänge des hohen Tempos beim Wiederaufbau [benennen], das schon in den fünfziger Jahren eine weitreichende Modernisierung in Wirtschaft und Gesellschaft mit sich brachte«.91 Hier setzten nun viele Studien an.92 Bis Mitte der 1990er Jahre kann von einem ersten Zwischenresümee der sozialgeschichtlichen Forschung gesprochen werden, das sich in dem stark rezipierten Sammelband von Arnold Sywottek und Axel Schildt aus dem Jahr 1998 niederschlug.93 Die titelgebende Charakterisierung der 50er Jahre als »Modernisierung im Wiederaufbau« stellt seither eine Art Konsens dar, beschrieb sie doch die Ambiva88 Schwarz: Ära Adenauer; pointiert auch in Hans-Peter Schwarz: »Die Fünfziger Jahre als Epochenzäsur«, in: Jürgen Heideking/Gerhard Schulz (Hg.), Wege in die Zeitgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Gerhard Schulz, Berlin: de Gruyter 1989, S. 473-496; vgl. auch Axel Schildt: Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte; 80), München: Oldenbourg 2007, S. 77f. 89 Schwarz: Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 382. 90 Vgl. Christoph Kleßmann: »Ein stolzes Schiff und krächzende Möwen. Die Geschichte der Bundesrepublik und ihre Kritiker«, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), S. 476-494. 91 Anselm Doering-Manteuffel: »Deutsche Zeitgeschichte nach 1945«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), S. 1-29, hier S. 21. 92 Als Auftakt hierzu gilt: Werner Conze/Mario Rainer Lepsius (Hg.): Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum Kontinuitätsproblem, Stuttgart: Klett-Cotta 1983. 93 Sywottek/Schildt (Hg.): Modernisierung.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 163

lenz zwischen restaurativen und modernisierenden Prozessen der 50er Jahre und suchte bestimmte ideologisch bedingte Einseitigkeiten zu überwinden. Insgesamt konnte der Themenbereich Kultur, Alltag und Gesellschaft bis Anfang der 1990er Jahre dennoch nicht als breit erforscht gelten, Gesamtdarstellungen wie die von Glaser blieben zunächst die Ausnahme. Im nicht-akademischen Bereich der Geschichtskultur jedoch waren diese Themen sehr präsent. Die Defizite in der Forschung und damit im Wissensschatz wurden hier durch eigene und fremde Erinnerungen und Erfahrungen ausgeglichen. Zeitzeugen nahmen so eine prominente Stellung in vielen Darstellungen ein. In dem gemeinsam mit Götz Eisenberg herausgegebenen Buch Fuffziger Jahre beschreibt Hans-Jürgen Linke dies wie folgt: Sein Wissen über die 50er Jahre stamme »aus zwei verschiedenen Quellen: einmal der eigenen Erfahrung […] zum anderen gab es einen Wissensfundus, weniger aus dem Geschichtsunterricht in der Schule, als aus Lehrveranstaltungen über die Bundesrepublik an der Uni und gelesenen Büchern«.94

Das Nebeneinander aus meist politikgeschichtlich geprägten Forschungsversatzstücken und eigenem Erleben sicherte zugleich der Restaurationsthese außerhalb der historischen Forschung ihre prägende Stellung. In Linkes eigenen Erinnerungen nämlich »waren die Fuffziger Jahre eine dunkle Zeit: dunkel zunächst in dem Sinne, daß all das, was wir über sie wussten, Mosaiksteinchen in einem Bild düsterer Restauration waren«.95 Damit stand er keineswegs allein, vielmehr finden sich vergleichbare Deutungen rekonstruiert aus den eigenen Erinnerungen in einem breiten Segment der historischen Sachbuchliteratur.96 Zwischenfazit Zusammenfassend zeigt sich also, dass die 1970er Jahre und noch mehr die 1980er Jahre zu einer ungeheuren Intensität, Diversität und Polarisierung der 50er Jahre Geschichtsbilder führten. Abschließend sollen die wichtigsten Gründe und Erklärungen für diese Konjunktur noch einmal rekapituliert werden: Erstens ist auf das allgemein gewachsene Geschichtsinteresse verwiesen worden. Die 50er Jahre Konjunktur steht somit nicht solitär, sondern in einem größeren Kontext einer Zuwendung zur Vergangenheit in den westlichen Industrienationen.

94 Linke: Vorbemerkung, hier S. 8. 95 Ebd. 96 Vgl. zum Beispiel Siepmann/Lusk: Bikini; Dieter Bänsch (Hg.): Die fünfziger Jahre. Beiträge zu Politik und Kultur, Tübingen: Narr 1985.

164 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Sucht man hierfür nach Erklärungen erscheint die in der Forschung übereinstimmend diagnostizierte »Fortschrittskrise«97 Erklärungen zu liefern. Das bisher wirksame Konstrukt einer Erfolgsgeschichte im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau drohte in Folge des Ölpreisschocks an Prägekraft zu verlieren. Vielen Menschen ging das Gefühl von Sicherheit verloren, das die wirtschaftlichen Boom-Jahre mit sich gebracht hatten. Daneben stellten auch die innenpolitischen Bedrohungen durch den RAF-Terrorismus die sozialliberalen Liberalisierungswerte infrage.98 Dies stand im Kontext einer ganzen Reihe von »Orientierungsprobleme[n] einer verunsicherten Gesellschaft«.99 Gesellschafts- und sozialgeschichtlich stellten die 1970er und 1980er Jahre eine Umbruchphase hin zu einer postindustriellen Gesellschaft dar, einhergehend mit einen nachhaltigen Wertewandel.100 Die Hinwendung zur Vergangenheit bot so eine Möglichkeit, das Bedürfnis nach Orientierung, Sicherheit und Identität zu befriedigen.101 Die 50er Jahre waren hierfür besonders gut geeignet, da ja die Generationen, die zu diesem Zeitpunkt die gesellschaftlichen Eliten in Politik, Medien und Gesellschaft stellten – d.h. die ›45er‹ bzw. ›Kriegskindergeneration‹ – ihre eigene Lebensbiografie positiv als Aufstiegsgeschichte erzählen konnten. Zweitens scheint eine gewisse geschichtskulturelle Karenzzeit gegriffen zu haben. Für die Geschichtswissenschaft spielte hier die dreißigjährige Archivsperrfrist eine Rolle für die intensivierte Erforschung der 50er Jahre. Aber auch in generationeller Perspektive erscheint eine Karenzzeit von etwa 20 bis 30 Jahren zu bestehen. Wie weiter oben erläutert bestimmten generationelle Argumentationsmuster und Geschichtsbilder seit Mitte der 1970er Jahre zunehmend den geschichtskulturellen Diskurs. Die ›Kinder‹ und ›Jugendlichen‹ der 50er Jahre waren nun erwachsen und selbst Akteure der massenmedialen Auseinandersetzung geworden. Dabei entstanden nicht nur ›neue‹ Geschichtsbilder, sondern es wurden auch ›alte‹ Geschichtsbilder infrage gestellt. Diese Polarisierung der 50er Jahre Geschichtskultur entlang generationeller Deutungen beförderte die Produktion von Beiträgen in unterschiedlichsten Medien und Genres.

97

Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 303; vgl. auch: Frank Bösch: »Umbrüche in die Gegenwart. Globale Ereignisse und Krisenreaktionen um 1979«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies

in Contemporary History,

Online-Ausgabe

9.1

(2012)

(http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Boesch-1-2012). Zugriff am 23.09.2012. 98

Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 303.

99

Conze: Suche, S. 545.

100 Doering-Manteuffel/Raphael: Boom; Jarausch: Zuversicht. 101 Vgl. ähnlich Helmes-Conzett: Mode – Geschichte – Politik, S. 5.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 165

Drittens fokussierte die Geschichtspolitik der Christdemokraten unter Helmut Kohl in besonderer Weise auf die 50er Jahre als positiven Identitätspunkt in der deutschen Geschichte. Und viertens entwickelte sich insbesondere in den 1980er Jahren eine intensive geschichtswissenschaftliche Forschung zu den 50er Jahren und gab hierbei Gesamtinterpretationen für die Konturierung des Jahrzehnts vor. Neben den Archivöffnungen spielten hierbei sicherlich die populärgeschichtlichen Entwicklungen eine wichtige Rolle, um Forschungsimpulse zu verstärken. Hierfür spricht schon allein, dass eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen auf die Konjunktur der 50er Jahre in der populären Geschichtskultur als Phänomen explizit Bezug nimmt.102 Daher scheinen vor allem die Interaktion und Beziehungen zwischen den unterschiedlichen geschichtskulturellen Feldern der Populärkultur und den Massenmedien, der Geschichtspolitik und der Geschichtswissenschaft die Konjunktur in ihrer Dauer verlängert zu haben. Signifikant erscheint hierbei das verzögerte Einsetzen der Geschichtspolitik sowie der Geschichtswissenschaft zu sein. Die hier beschriebenen Phänomene der 50er Jahre Konjunktur dienen im Folgenden als Hintergrundfolie, um spezifische Geschichtsbilder herauszuarbeiten, die das Fernsehen in seinen Sendungen vermittelte. Inwiefern bildete das Fernsehen hier die Themen und Geschichtsbilder der 50er Jahre Konjunktur ab? Wo setzte es eigene Schwerpunkte und sind diese durch die speziellen medialen und strukturellen Bedingungen im Fernsehen erklärbar?

2. D IE S UCHE NACH DEN EIGENEN E RINNERUNGEN . G ENERATIONELLE G ESCHICHTSBILDER IN FIKTIONALEN F ORMEN 2.1 Kontexte 1978, im gleichen Jahr, in dem der Spiegel in seiner Titelgeschichte vom Mythos der 50er Jahre zu berichten wusste, setzten Kinofilm und Fernsehspiel neue Akzente in der Repräsentation der 50er Jahre. Seit Ende der 1970er Jahre fanden sie auch in fiktionalen Formen verstärkt Aufmerksamkeit. Insbesondere zwischen 1978 und 1984 entstanden dazu zahlreiche durch das Fernsehen produzierte bzw. mitfinanzierte Filme. Dabei gab es einige Faktoren, die dafür sorgten, dass die 50er Jahre als Thema im Fernsehspiel in den Fokus rückten:

102 Vgl. Niethammer: ›Normalisierung‹; Gries/Ilgen/Schindelbeck: Gestylte Geschichte.

166 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zunächst einmal ist hier das allgemein gestiegene Geschichtsinteresse zu nennen.103 Die öffentlich-rechtlichen Anstalten setzten diesbezüglich – auch in Abgrenzung zur aufkommenden Konkurrenz durch die Privatsender – auf die Produktion aufwendiger, meist serieller historischer Fernsehspiele. Neben den weiterhin präsenten abendfüllenden Einzelfilmen entstanden in den 1980er Jahren viele große Mehrteiler, die auf eine opulente Thematisierung der deutschen Geschichte bauten. Dabei tauchten als Referenzepochen das 19. Jahrhundert auf, wie in ROTE ERDE (ARD 1983), SO LEBTEN SIE ALLE TAGE (ARD 1984) oder WANDERUNGEN DURCH DIE MARK BRANDENBURG (ARD 1986), vor allem aber zeitgeschichtliche Epochen, wie in DAS BOOT (D 1981, ARD 1985), HEIMAT (ARD 1984) oder DIE BERTINIS (ZDF 1988).104 Noch stärker auf Familiengeschichte in Form von Serialisierung setzte der Bayerische Rundfunk mit der Serie LÖWENGRUBE (BFS3 1989-1992), die die Geschichte der Familie Grandauer zwischen dem 19. Jahrhundert und den 1950er Jahren erzählte. Viele dieser Filme stellten einen geografischen Ort oder eine Familie ins Zentrum der Geschichte nahmen so Perspektiven einer ›Geschichte von Unten‹ bzw. einer Alltagsgeschichte ein.105 Ein weiterer wichtiger Faktor war das Film-Fernsehabkommen 1974, das Kinoindustrie und Fernsehanstalten enger zusammenbrachte und zu einer gegenseitigen Beeinflussung beider Medien führte. Bei der Finanzierung dieser Filme entstand durch das Film-Fernseh-Abkommen eine engere Verflechtung von Kino- und Fernsehfilm. Durch direkte Projektförderungen in Gemeinschaftsproduktionen von Filmproduktionsfirmen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie indirekte Förderungen durch Zahlungen an die Filmförderung beteiligte sich das Fernsehen bis 1983 mit 123 Millionen D-Mark an dieser Produktionsmethode, bis Ende 1990 waren auf diese Weise 628 Filmvorhaben entstanden, was etwas mehr als der Hälfte der gesamten deutschen Filmproduktion dieser Jahre entsprach.106 Die auf diese Weise entstandenen Filme sollten sowohl im Fernsehen als auch im Kino erfolgreich sein. Die Fernsehspielabteilungen nahmen dabei im Vorfeld und während der Produktion Einfluss auf die thematisch-inhaltliche und künstlerisch-ästhetische Ausrichtung der Produktionen.107 Als Konsequenz näherten sich die Formen und Ästhetiken von Kino und Fernsehen weiter an. Knut Hickethier sprach in diesem Zusammenhang von einem »Katalysator« für die schon seit Beginn der 1970er Jah103 Vgl. hierzu die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel. 104 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 450-454. 105 Vgl. Bösch: Film, S. 4f. 106 Vgl. Stephan Buchloh: »Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino? Das Film/ Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 im Streit der Interessen«, in: Rundfunk und Geschichte 32.1-2 (2006), S. 5-17, hier S. 9f.; Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 325. 107 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 354f.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 167

re »verstärkt einsetzende ›Filmisierung‹ des Fernsehspiels«.108 Martin Wiebels Bilanz fiel dagegen negativer aus: Das Film-Fernseh-Abkommen habe zu einem »Aderlaß« im Fernsehen geführt und sei ein Grund dafür gewesen, dass die »aufklärerische Fensehspielarbeit« – abgesehen von Ausnahmen – geendet habe.109 Obwohl auch die Koproduktionen, die häufig zu einem überwiegenden Teil aus Fernsehgeldern finanziert wurden, mit entscheidender Beteiligung der Fernsehspielabteilungen produziert wurden, nahm die Öffentlichkeit die Produktionen meist als genuine Kinofilme wahr. Dies lag zuvorderst daran, dass die Filme zuerst bis zu zwei Jahre im Kino liefen und erst danach im Fernsehprogramm ausgestrahlt wurden. Aber trotz der höheren öffentlichen Resonanz kam es häufig dazu, dass die Filme im Fernsehen ein größeres Publikum erreichten als im Kino.110 Trotz zeitgenössischer Kritik an der Einmischung des Fernsehens in den Kinofilm setzte sich das Fernsehen vor allem dafür ein, »Filme unter kulturell-qualitativen Gesichtspunkten zu fördern«.111 Hierdurch trug es wesentlich zur Ausgestaltung und Blüte des Neuen Deutschen Films bei, ohne den Filmschaffenden eine Fernsehästhetik aufzudoktrinieren.112 Wesentlich war schließlich das gestiegene Interesse der Kriegskindergeneration und hier insbesondere der 68er Generation an ihren eigenen persönlichen Erinnerungen, gerade auch in der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Nation. Viele Filmemacher, die sich vermehrt historischen Stoffen zuwandten, entstammten diesen Generationen und nahezu durchgängig verwiesen Regisseure wie Drehbuchautoren in den Fernsehspielen darauf, dass eine Hauptmotivation für das Aufgreifen der 50er Jahre als Thema die eigenen Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendzeit bildete. Zu KALTE HEIMAT (ARD 1981) erschien im ARD-Fernsehspielheft ein langer Text des Autors Peter Steinbach über den »Wert des Erinnerns«.113 Ausführlich stellte er Episoden eigenen Erlebens dar, die sich, leicht verändert, in der Handlung des Films wiederfanden. Zum Schluss plädierte er, Bezug nehmend auf Edgar Reitz, für eine Berücksichtigung subjektiver Erinnerungen als wichtige Form der

108 Ebd., S. 352. 109 Als weitere Faktoren sieht Wiebel die konservative Tendenzwende seit Mitte der 1970er und die Unterhaltungsorientierung in Folge der Ausstrahlung der US-Serie HOLOCAUST

(1979); Wiebel: Bildschirm, S. 26f.

110 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 354f. 111 Buchloh: Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino, S. 13. 112 Vgl. ebd., S. 13. 113 Peter Steinbach: Das weiß ich noch so wie heute. Drehbuchautor Peter Steinbach über den Wert des Erinnerns, in: ARD Fernsehspiel. April, Mai, Juni 1981, S. 187-191. Dieser Abdruck findet sich auch in: ARD Programm 25/81, S. II/1-II/3.

168 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Geschichtsschreibung, neben der Geschichte der »Historiker«, wie sie in den »Geschichtsbüchern« stehe: »Ich finde, wir dürfen nicht nur auf Geschichtsbücher angewiesen sein, auf all dieses Verallgemeinern, um etwas aus unserer Vergangenheit zu lernen. Wir brauchen auch unsere eigenen privaten Geschichten. Denn Geschichte setzt sich zusammen aus privaten Geschichten aller Einzelner, die zu einem Zeitpunkt irgendwo gelebt haben. […] Und wenn man das alles zusammennähme, dann bekäme man sicher ein ganz anderes Bild. Auf diese Weise etwas über Geschichte zu erzählen, das ist wie im Orient, wo der Märchenerzähler sich mit gekreuzten Beinen auf den Marktplatz setzt und anfängt zu erzählen. Daß die, die schreiben oder Filme machen oder sonstwas, sich begreifen als Märchenerzähler, das finde ich sehr schön. Wahrheit, natürlich kann man die mit allem möglichen ausschmücken. Aber wenn jeder nur von sich selber erzählt, da bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu erzählen.«114

Steinbachs Aussage stand auch im Kontext eines gestiegenen Interesses an Oral History, Regional- und Alltagsgeschichte. Außerdem zeigt seine Aussage, dass diesen Erinnerungen ein hoher Authentizitätswert zugesprochen wurde, da sie direkt und ungestellt, also »wahr« seien. Die Tendenzen zur Präferierung von Subjektivität und zur Forderung nach Authentizität hatten in den siebziger Jahren auch die Literatur erfasst und zogen eine ganze »Autobiographie-Welle« nach sich.115 Die Autorinnen und Autoren entstammten dabei häufig dem weiteren Kreis der politisch links zu verorteten 68er. Ihr Fokus richtete sich z.B. auf die eigenen Eltern und die Frage nach dem eigenen Geworden-Sein.116 Aber auch der Blick zurück auf die eigene Kindheit, die Orte des Aufwachsens in der Provinz, wurde thematisiert.117 Im Speziellen sind die Entwicklungen im Fernsehspiel bzw. Fernsehfilm seit 1978 nicht zu verstehen, ohne das deutsche Kino der 1970er Jahre zu berücksichtigen. Hier wirkten die personellen, strukturellen und ästhetischen Veränderungen auch in das Fernsehspiel hinein. Seit etwa Mitte der 1970er Jahre änderte sich unter einer zweiten, jüngeren Generation von Filmemachern die Situation des Neuen Deutschen Films. Der kritische Impetus der 1960er Jahre und die nachhaltige Wirkung der gesellschaftskritischen Auffassungen der 68er Bewegung blieben vielen Protagonisten weiterhin eingeschrieben. So teilten die Vertreter des Neuen Deutschen Films »grundlegende Positionen zur Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung und der Bedeutung kritischer Auseinandersetzung mit den neuen politischen Eliten«.118 Regisseurinnen und Regisseure wie Margaretha von Trotta, Helma San114 Ebd., S. 191. 115 Kaes: Deutschlandbilder, S. 109. 116 Ebd., S. 109f. 117 Ebd., S. 173ff. 118 Hake: Film, S. 267.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 169

ders, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Wim Wenders oder Volker Schlöndorff sahen aber keinen unüberwindbaren Widerspruch mehr zwischen Publikumsorientierung und kulturell anspruchsvollen Filmen.119 Im Zuge des so genannten »German Film Boom« erlangten einige Produkte des Neuen Deutschen Films internationale Aufmerksamkeit, die 1980 in dem Oscar für DIE BLECHTROMMEL (BRD/PL/FR/JUG 1979) kulminierte. Der Neue Deutsche Film und einige exponierte Filmemacher waren so plötzlich eine Art Vertreter eines deutschen Nationalkinos.120 Die Formen und Inhalte unterschieden sich von den Filmen der 1960er Jahre in einer weniger analytischen und mehr erzählorientierten Gestaltung. Das Interesse der Filmemacher verlagerte sich »von der Theorie zum Konkreten, vom Kollektiv zum Individuum, vom Intellekt zum Gefühl«.121 Das charakteristische Grundelement dieser Filme beschrieb Thomas Elsaesser in Übernahme von Michael Rutschkys Begriff als »Erfahrungshunger«.122 Die Suche nach dem Selbst, nach Identität und Herkunft stellte ein bestimmendes Moment vieler Filme dar. Diese Suche fand dabei auf einer individuellen, einer generationellen und einer nationalen Ebene statt. Die Hinwendung zum Individuellen schloss also das gesellschaftlich Verbindende nicht aus. Vielmehr wurde das Private politisch gedacht. Die zwischenmenschlichen Beziehungen waren Konsequenz und Grund für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Mentalitäten. Eine intensive Beschäftigung mit Deutschland und seiner (Vor-)Geschichte trat so unter dem Signum der Identitätssuche in den Vordergrund.123 Die Tendenz zur Vermittlung bzw. Visualisierung von Erfahrung richtete den Blick auf die Frage nach der Authentizität von dargestellten Realitäten. Inwiefern Filme Authentizität vermitteln konnten, wurde zum Qualitäts- und Beurteilungskriterium vieler Filmschaffender, Kritiker und auch des allgemeinen Zuschauers. All diese Faktoren zusammengenommen erklären die immense Produktion an Fernsehspielen seit Mitte der 1970er Jahre. In den folgenden Kapiteln soll nun analysiert werden, welche Geschichtsbilder sich in dieser Zeit bezüglich der 50er Jahre durchsetzten. Zunächst wird dabei auf die Dominanz einer modifizierten Renaissance der Restaurationsthese eingegangen. Im Anschluss wird aufgezeigt werden, inwiefern die neuen geschichtskulturellen Akteure auch neue Themen, Aspekte und Ereignisse in den 50er Jahre Kanon mit einbrachten. Hier wird vor allem auf die Perspektive der Kinder und Jugendlichen verwiesen. 119 Vgl. Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 395. 120 Vgl. Thomas Elsaesser: Der Neue Deutsche Film. Von den Anfängen bis zu den neunziger Jahren, München: Heyne 1994, S. 18. 121 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte, S. 396. 122 Elsaesser: Neue Deutsche Film, S. 220. 123 Zum »Schlüsselbegriff« Identität in den geschichtspolitischen Debatten seit 1975 vgl. Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 304f.

170 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

2.2 »Restaurative Bürgerlichkeit« Gab es die These von der Restauration der westdeutschen Gesellschaft der Nachkriegszeit bis in die Mitte der 1970er Jahre nur in Ansätzen im Fernsehspiel, sprich in den zeitkritischen Fernsehspielen, schien sie seit 1978 nahezu omnipräsent als Geschichtsbild der 50er Jahre in diesem Genre aufzutreten. Im Prinzip wiesen alle Fernsehspielproduktionen dieser Jahre Elemente der Restaurationsthese auf. Darunter waren einige Sendungen, bei denen die restaurative Deutung der 50er Jahre im Fokus stand. Sie zeichneten sich durch eine stark geschichtspolitisierende Interpretation aus, welche nach der Genese der Probleme der 1970er Jahre aus den vermeintlichen Fehlern der 50er Jahre Restauration fragte. Diese Produktionen sollen hier näher betrachtet werden, wobei insbesondere die Filme im Vordergrund der Analyse stehen, die genuin fürs Fernsehen produziert wurden. Dazu gehören die Böll-Verfilmung HAUS OHNE HÜTER (ZDF 1975), DIE STRASSE (ARD 1978), HUNGERJAHRE – IN EINEM REICHEN LAND (ZDF 1980), MUSIK AUF DEM LANDE (ZDF 1980), LEMMINGE (ARD 1980), MOSCH (ARD 1980), KALTE HEIMAT (ARD 1981), DIE WILDEN FÜNFZIGER (ZDF 1986), FRAULEIN (ARD 1986) und DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989). Diese Fernsehspiele müssen allerdings auch im Kontext des Neuen Deutschen Films im Kino gesehen werden, dessen Filmschaffende sich seit den 1970er Jahren ebenfalls vermehrt historischen und zeitgeschichtlichen Stoffen zuwandten. Daher sollen zusätzlich die durch das Fernsehen mitfinanzierten Kinofilme, vor allem über Sekundärliteratur, einbezogen werden.124 Haus ohne Hüter Die Restaurationsthese entsprang ursprünglich – wie oben beschrieben – einer Minderheitenposition der zeitgenössischen Kritik am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neubeginn Anfang der 50er Jahre. Thilo Koch hatte sie 1971 in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) aus der Perspektive des kritischen Publizisten in einer dreiteiligen Dokumentation aufgegriffen. Das zeitkritische Fernsehspiel dagegen hatte vor allem die wachsende soziale Ungleichheit im Kontext des wirtschaftlichen Wiederaufbaus betrachtet. Die nun seit Mitte der 1970er Jahre entstehenden Fernsehspiele übernahmen eine Reihe von Interpretationen dieser zeitkritischen Restaurationsdeutungen. Allerdings erfolgte der Zugriff auf die 50er Jahre jetzt aus einem veränderten Blickwinkel heraus. In der Rezeption 124 Hierzu zählen z.B. die Filme der so genannten BRD-Trilogie Rainer Werner Fassbinders – DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1979), LOLA (BRD 1981) und DIE SEHNSUCHT DER

VERONIKA VOSS (BRD 1982) –, sowie DEUTSCHLAND, BLEICHE MUTTER

(BRD 1979) von Helma Sanders-Brahms und PEPPERMINT FRIEDEN (BRD 1983) von Marianne Rosenbaum.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 171

der Sendung Thilo Kochs waren die Meinungen noch auseinandergegangen, inwieweit das Gesehene schon als historisch zu bezeichnen sei. Diese Skepsis verblasste ab etwa Mitte der 1970er Jahre, wie die Rezeption von HAUS OHNE HÜTER (ZDF 1975) aufschlussreich zeigte. Das Fernsehspiel stellte den Versuch dar, Bölls zeitgenössische Kritik am katholisch-konservativem Milieu für das restaurative Geschichtsbild zu aktualisieren. Wie so häufig bei Literaturverfilmungen, lag ein Hauptfokus der Fernsehkritiker auf dem Vergleich zwischen Original und Adaption. Redakteur Willi Segler (*1933) hatte diese Richtung aber auch selbst durch einen längeren Vorabartikel in den Presseinformationen vorgegeben. Um die vorgenommene Stoffreduzierung zu begründen, verwies Segler darauf, was Bölls Buch für die zeitgenössische Gegenwart interessant mache: »Uns, die Bundesbürger von 1974, interessiert am Roman doch vor allem die Darstellung der frühen, heute schon historisch zu nennenden fünfziger Jahre als die Zeit, in der im Nachkriegsklima Restauration und Wirtschaftswunder zu keimen begannen.«125

Die Äußerungen Seglers machten deutlich, dass sich der Blick auf die 50er Jahre inzwischen grundlegend geändert hatte, die 50er Jahre fanden nicht nur als historische Epoche und Chiffre selbstverständlicher Verwendung, sondern waren in den geschichtskulturellen Fokus gerückt. Daher musste laut Ansicht vieler Kritiker auch Bölls zeitgenössischer Text aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden. Rupert Neudeck (*1939) machte deutlich, dass die 50er Jahre nun historisch betrachtet werden müssten: »Ist man mehr über die zeitgeschichtlichen Requisiten der unmittelbaren Nachkriegszeit selbst erstaunt oder über die Tatsache, daß man diese schon so schnell aus dem Gedächtnis verloren oder (genauer) verdrängt hat?«126

Kritisch an der Verfilmung sah er, dass »die allzu starke Distanz im Verhältnis zum Erscheinungsdatum des Romans« eine veränderte Herangehensweise erforderlich gemacht hätte. Der zeitliche Abstand zwischen Bölls Zeitkritik und der zeitgenössischen Verfilmung betrug 21 Jahre. HAUS OHNE HÜTER war für Neudeck zudem ein historisches Fernsehspiel, weil sich die »politischen Kräfteverhältnisse, die dominierenden Zeitströmungen [...] stark gewandelt« hätten. Entsprechend wäre in der 125 Willi Segler: »Schwierigkeiten beim Verfilmen von Literatur«, in: Das Fernsehspiel im ZDF, 7 (1985), S. 25. 126 Dieses sowie die weiteren Zitate aus Rupert Neudeck: »Über die Schwierigkeit, Böll zu verfilmen«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 5, 29.1.1975, S. K1.; vgl. ähnlich in der Aussage auch: Brigitte Söhngen: »Ein Stück Geschichte«, in: Rheinische Post, 22.1.1975.

172 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Verfilmung eine »behutsame Rekonstruktion der Zeitumstände« zum zeitgenössischen Verständnis erforderlich gewesen.127 Auf die Notwendigkeit, Bölls Werk historisch zu interpretieren, wies auch die Stuttgarter Zeitung hin: Bölls zeitgenössisch ironisierte Darstellung der »Freßwelle« sei in der Verfilmung zu wenig interpretiert und in ihren historischen Kontext gesetzt worden, ein Umstand, der sie gerade für jüngere Zuschauer schwer verständlich gemacht hätte. Als weiteres Beispiel wurde die Darstellung der »Onkel-Ehe« genannt, die ebenfalls einen Verweis auf die zeitgenössische Diskussion erfordert hätte.128 Gleichwohl legten viele Kritiker auch ihren eigenen Erfahrungshorizont zur Bewertung der historischen Authentizität der Darstellungen an. So schrieb Wolfgang Ruf (*1943): »Soweit eigene Kindheits- und Jugenderinnerungen nicht trügen, wurde hier die spezifische Stimmung einer Zeit, die eben noch Gegenwart schien und jetzt schon Vergangenheit ist, genau getroffen […]«129. Auffällig viele Kritiker sprachen davon, die Darstellung habe die »Atmosphäre«130, den »Geisteszustand«131, »den Geist jener Zeitlandschaft«132 oder das »Zeitkolorit«133 wieder einfangen und nachempfindbar gemacht. Die Restaurationsthese war hier also eng verknüpft mit eigenen Erinnerungen an die frühen 50er Jahre. Dies kann, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus als Kennzeichen dieser seit Mitte der 1970er Jahre entstandenen fiktionalen Fernsehproduktionen zu den 50er Jahren gelten. Auf welche Weise aktualisierten die Macher von HAUS OHNE HÜTER aber nun die Böll’sche Zeitkritik? Wie die oben zitierte Aussage Seglers bereits andeutete, fokussierten sie die Handlung ganz auf die frühen 50er Jahre.134 Im Zentrum standen die Nachwirkungen des Krieges und des Nationalsozialismus in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, exemplifiziert in zwei Familien – den »gutbürgerlichen« Bachs und den »proletarischen« Brielachs.135 In beiden Familien gibt es 127 Ebenso auf die veränderten Zeitumstände hinweisend: jh: »Haus ohne Hüter«, in: Lübecker Zeitung, 22.1.1975. 128 hmb: »Onkel-Ehen«, in: Stuttgarter Zeitung, 22.1.1975. 129 Wolfgang Ruf: »Vorbildlicher Umgang mit Literatur«, in: epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 6, 1.2.1975, S. 12. 130 Simon Philip: »Haus ohne Hüter«, in: Hamburger Abendblatt, 21.1.1975; 131 hmb: »Onkel-Ehen«, in: Stuttgarter Zeitung, 22.1.1975. 132 K.H. Kramberg: »Böll – tiefgekühlt«, in: Süddeutsche Zeitung, 22.1.1975. 133 ML: »Das Elend der Kriegskinder«, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 22.1.1975. 134 Die im Buch vorhandenen Zeitsprünge und Rückblenden wurden in der Verfilmung komplett weggelassen und tauchen nur vereinzelt in Dialogen auf. 135 Dies betonte die Programmankündigung: »Noch sind nicht alle Wunden des Krieges geheilt. Insbesondere tragen jene Familien, deren Ehemänner und Väter im Kriege gefallen sind, schwer an der Vergangenheit.« (»Haus ohne Hüter«, in: Das Fernsehspiel im ZDF, 7 (1985), S. 22).

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 173

»Onkel-Ehen«, da die Väter im Krieg gefallen sind. Das Wirtschaftswunder zeigt sich ambivalent in den sozial unterschiedlichen Familien. Die Brielachs bekommen die Not der Nachkriegszeit voll zu spüren. Frau Brielach muss ihre beiden Kinder alleine durchbringen und in arg beengten Wohnverhältnissen leben. Aber auch bei den besser situierten Bachs trägt das Wirtschaftswunder nur zum Erhalt ihres in der Vorkriegszeit vorhandenen Lebensstandards bei, ein deutlicher Hinweis auf die Restauration der wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse. Zwei weitere Erzählstränge der Verfilmung fokussieren auf das »restaurative Nachkriegsklima«: Zum einen wird die »Vergangenheitsbewältigung« thematisiert, die vor allem in der GäselerGeschichte zum tragen kommt.136 Damit eng verbunden ist zum anderen die satirische Überzeichnung der katholisch-konservativen Kulturkreise, die als Beispiel für die Doppelmoral eines Großteils der bürgerlichen Gesellschaft stehen. Viele Kritiken nahmen die angebotene Geschichtsdeutung positiv auf. Sie hoben sie lobend als kritisches Geschichtsbild hervor »weit ab von jeglicher nostalgischer Verführung.«137 Damit grenzten sie es von einem affirmativ-nostalgischen Geschichtsbild über die 50er Jahre ab, das sie zwar nicht weiter konkretisierten, höchstwahrscheinlich aber im Sinne der Kritik an den US-amerikanischen nostalgia films verstanden. Auf HAUS OHNE HÜTER folgte eine ganze Reihe von Fernsehspielen und Kinofilmen, die die 50er Jahre als Zeit der Restauration im Wirtschaftswunder deuteten. Die 50er Jahre konnten nun zwar eindeutig als Geschichte bezeichnet werden, allerdings waren es vornehmlich ›Geschichtsbilder der Mitlebenden‹, die die Deutung bestimmten. Sowohl Produzierende als auch Konsumierende der Fernsehspiele und Filme verwiesen in der Folge immer wieder auf ihren eigenen Erfahrungshorizont bzw. machten diesen bei der Überprüfung der historischen Authentizität geltend. ›Das Private ist politisch‹ Dabei entstand ein geringerer Teil der Fernsehspiele, die die Restaurationsthese vertraten, durch Protagonisten der 45er Generation, denjenigen also, die schwerpunktmäßig Anfang der 50er Jahre ins Berufsleben eintraten. Hierzu gehörten die Macher von HAUS OHNE HÜTER, Regisseur Rainer Wolffhardt (*1927), Drehbuchautor Daniel Christoff (*1926) und Redakteur Willi Segler (*1933), ebenso wie Oliver Storz (*1929), der bei MUSIK AUF DEM LANDE (ZDF 1980) für Buch und Regie verantwortlich gewesen war. 136 Gäseler hatte Nella Bachs Mann Raimund im Krieg aus niederen Beweggründen auf ein aussichtsloses Kommando geschickt und schaffte es in der Nachkriegszeit unerkannt zu bleiben und sogar weiter Karriere zu machen. 137 ch.: »Geglückt«, in: Frankfurter Rundschau, 22.1.1975. Den ›Nostalgie‹-Begriff verwendeten u.a. auch: K.H. Kramberg: »Böll – tiefgekühlt«, in: Süddeutsche Zeitung, 22.1.1975; Augsburger Allgemeine, 22.1.1975.

174 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Der größere Teil an Fernsehspielen und Filmen zur Restaurationsthematik stammte aber von Filmemacherinnen und Filmemacher, die in den 50er Jahren Kinder und Jugendliche gewesen waren. Sie gehörten also der Generation der Kriegskinder an, wobei der Großteil zur durch die Studenten- und linksalternativen Protestbewegungen geprägten 68er Generation gezählt werden konnte: Peter Steinbach (*1938, KALTE HEIMAT [ARD 1981]), Helma Sanders-Brahms (*1940, DEUTSCHLAND, BLEICHE MUTTER [BRD 1979]), Jutta Brückner (*1941, HUNGERJAHRE [ZDF 1980]), Margarethe von Trotta (*1942, DIE BLEIERNE ZEIT [BRD 1981]), Michael Haneke (*1942, LEMMINGE [ARD 1980]; FRAULEIN [ARD 1986]), Heinrich Breloer (*1942, EINE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT [ARD 1987]), Rainer Werner Fassbinder (*1945, DIE EHE DER MARIA BRAUN [BRD 1979], LOLA [BRD 1981], DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS [BRD 1982]), W. Werner Schaefer (*1945, KALHEIMAT [ARD 1981]), Peter Goedel (*1945, DAS TREIBHAUS TE [BFS3/HR3/West3/N3 1989]) und Herbert Brödl (*1949, DIE STRASSE [ARD 1978]). Diese ›zweite‹ Generation des Neuen Deutschen Films beschäftigte sich mit den 50er Jahren aus einem doppelten Interesse heraus: Der Rückblick diente ihnen zugleich als private und geschichtspolitische Identitätssuche. Da das Alter der Bundesrepublik nahezu deckungsgleich mit dem »Midlife-Alter von Mitte 30«138 der Zurückblickenden zusammenfiel, lief die die Suche nach den eigenen Wurzeln ihrer Generation parallel zur Suche nach den nationalen. In beiden Fällen ging es um die aus einem gegenwärtigen Interesse motivierte Vorgeschichte der Gegenwart, nach dem Geworden-Sein. Einen speziellen Schwerpunkt im Kontext der Erfahrungssuche stellte im Neuen Deutschen Film in den 1970er Jahren der so genannte Frauenfilm, d.h. von Regisseurinnen zu Frauen- und Geschlechterthemen gedrehte Filme, dar. Wie insgesamt im Neuen Deutschen Film waren die Filmemacherinnen geprägt von der Studentenbewegung, seit den 1970er Jahren zusätzlich von der Frauenbewegung. Mit dem Ziel, die von Männern dominierten Strukturen innerhalb der Filmindustrie aufzubrechen, gründete eine Gruppe Filmemacherinnen um Helke Sander 1974 die Zeitschrift Frauen und Film.139 Das Fernsehen avancierte zu einer wichtigen Plattform

138 Kaes: Deutschlandbilder, S. 80; ähnlich Sabine Pott: Film als Geschichtsschreibung bei Rainer Werner Fassbinder. Fassbinders Darstellung der Bundesrepublik Deutschland anhand ausgewählter Frauenfiguren in seiner »BRD-Trilogie« Die Ehe der Maria Braun (1978), Lola (1981) und die Sehnsucht der Veronika Voss (1982), 2., durchgesehene Auflage, Frankfurt am Main: Lang 2004, S. 17. 139 Vgl. Manifest der Filmarbeiterinnen, in: Hans Helmut Prinzler/Eric Rentschler (Hg.), Der alte Film war tot. 100 Texte zum westdeutschen Film 1962-1987, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2001, S. 34f.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 175

für den Frauenfilm, vor allem seit 1973 Das kleine Fernsehspiel im ZDF.140 Dessen Redaktion förderte unkonventionell-avangardistische Filmprojekte auch noch unbekannter Filmemacher und wurde so zu einer wichtigen Finanzierungsquelle insbesondere für den zielgruppenspezifischen Frauenfilm. Wie der gesamte Neuen Deutsche Film begannen die Frauenfilmemacherinnen Anfang der 1980er damit, ihre eigene Geschichte in ihren Werken zu verarbeiten. Neben dem Nationalsozialismus141 thematisierten sie die unmittelbare Nachkriegszeit142 und die 50er Jahre. Jutta Brückner äußerte sich 1999 über ihre Intentionen folgendermaßen: »HUNGERJAHRE ist ein Film über meine Jugend in Deutschland der fünfziger Jahre. […] 1970 [sic!] als ich den Film machte, sah ich aus gebührendem Abstand auf etwas, das für mich über viele Jahre ein Trauma geblieben war«.143 Der Film HUNGERJAHRE (ZDF 1980) handelt von der 13-jährigen Ursula, die sich im Erwachsenwerden allein gelassen fühlt und mit den gesellschaftlichen Vorgaben und widersprüchlichen Moralvorstellungen nicht zurecht kommt. Filmemacherin Jutta Brückner wollte damit zeigen, »wie ein junges Mädchen – d.h. wie wir alle in den fünfziger Jahren – schon deformiert an der Schwelle des ErwachsenenDaseins ankam, da es auf eine bestimmte Art von Kaputtheit hinerzogen wurde, die tödlich ausgehen konnte.«144 Die Figur der Ursula war autobiografisch angelegt, wie Brückner bestätigte, »nachdem ich nämlich endlich begriffen hatte, wie sehr mein persönliches Problem gleichzeitig ein gesellschaftliches war, hatte ich auch den Mut, es auszudrücken.«145 Brückner verband hier die eigenen, privaten Jugenderfahrungen in den 50er Jahren mit der geschichtspolitischen Kritik an den gesamtgesellschaftlichen Zeitumständen. Damit authentifizierte sie quasi die Restaurationsthese mit Belegen aus ihren eigenen Erinnerungen. Deutlich wird an diesem Zitat aber auch der Prozess der Ausformung eines kollektiven, nach generationellen Mustern geordneten Erfahrungshorizonts. Die eigenen Narrative verbanden sich dabei eng mit den Erfahrungen und Deutungen ihrer Generation. Dieses Zusammenspiel zwischen Privatem und Politischem wurde zum konstituierenden Strukturmerkmal des Fernsehspiels. HUNGERJAHRE beginnt mit einer Erzählstimme im

140 Vgl. Elsaesser: Neue Deutsche Film, S. 278-280; Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 348. 141 Dieser wird vor allem in DEUTSCHLAND, BLEICHE MUTTER thematisiert. 142 Die Handlung in PEPPERMINT FRIEDEN reicht bis etwa 1950. 143 Wiebel: Mattscheibe, S. 293, 297. 144 Renate Möhrmann: Die Frau mit der Kamera. Filmemacherinnen in der Bundesrepublik Deutschland. Situation, Perspektiven, 10 exemplarische Lebensläufe, München: Hanser 1980, S. 222. 145 Ebd., S. 219.

176 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Off,146 die den eigenen Erinnerungs- und Verdrängungsprozess beschreibt: »Ich hatte versucht zu vergessen. […] Ich war schon 30 Jahre alt, da merkte ich, dass die Vergangenheit mich nicht frei gibt. Ich lebte mit einem versteinerten Herzen, das immer noch 13 Jahre alt war. Und ich zwang mich, mich zu erinnern.«147 Die hierauf folgende Einblendung der Jahreszahl »1953« bildet dann die erinnernde Rückblende in die 50er Jahre, die den Beginn der Spielhandlung einleitet. Ihre eigenen, verfremdeten autobiografischen Erinnerungen in Form der Spielhandlung unterbrach Brückner immer wieder durch kurze Montagen dokumentarischen Archivmaterials.148 Birgit Weidinger sah so in HUNGERJAHRE ein gutes Beispiel dafür, »wie sich in der Verflechtung von Privat-Zeitgeschichte Historie vergegenwärtigen läßt«.149 Ein anderer Kritiker beschrieb dies so: »Irgendwie will mir scheinen, daß die Geschichte [gemeint ist die Spielhandlung; M.R.] und die Zeit der Restauration während der Adenauer-Ära enger miteinander verknüpft sind, als es zunächst den Anschein hat. Entwicklungen zum Außenseiter finden in jeder Gesellschaft statt, aber die dargestellte wohl spezifisch in jener Zeit. Was da an »Verkorkstheit« heran wuchs, konnte so nur im prüden, aufbaubesessenen Fünfziger-Jahrzehnt gedeihen.«150

In ähnlicher Weise setzte auch W. Werner Schaefer in KALTE HEIMAT (ARD 1981) dokumentarisches Archivmaterial ein. Die Eingangssequenz beginnt mit einem Beitrag der Neuen Deutschen Wochenschau »Brüder aus dem Osten« über die Massenflucht aus der DDR nach Westberlin (vgl. Abb. 35). Der Bericht mündet in die Einblendung eines Flüchtlingslagers in der Totalen, Wochenschau-Archivmaterial und Fernsehspielszene sind durch die Flüchtlingsschlange vor dem Eingang verbunden (vgl. Abb. 36). Für den Zuschauer verschwimmt dadurch zunächst die Unterscheidung zwischen fiktionalem und non-fiktionalem Material: »es ist abermals eine Totale, die der gleichen Wochenschau wie die erste Sequenz entnommen sein könnte«.151 Dies wird noch unterstützt durch die Fortführung des Dokumentarischen auf der Tonebene, es scheint, als würde eine Rede Adenauers in der Flüchtlingsunterkunft übertragen (vgl. Abb. 37).

146 Wahrscheinlich ist dies sogar die Stimme von Brückner selbst. 147 Hungerjahre, 0:00ff. 148 Darunter WOCHENSCHAU-Berichte zum 17. Juni, Aufnahmen einer Miss-Wahl, von Protesten gegen die Wiederbewaffnung, HJ-Bildern und ein Bericht zum KPD-Verbot. 149 Birgit Weidinger: »Gültiges Zeitmosaik«, in: Süddeutsche Zeitung, 29.3.1980. 150 »Ein Mädchen 1955«, in: Badische Zeitung, 29.3.1980. 151 Sigrid Schniederken: »Bilder aus einem ganz gewöhnlichen Leben«, in: FUNKKorrespondenz, Nr. 27, 1.7.1981, S. K5.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 177

Abb. 35-37: Mischung von Archivbildmaterial und fiktionalen Einstellungen in KALTE HEIMAT (ARD 1981): Einstiegssequenz

Quellen: Videostills aus KALTE HEIMAT (ARD 1981), 00:02- 00:24.

»Erst allmählich entdeckt man, dass es sich hier bereits um eine erste Spielfilmeinstellung handelt, die freilich die dokumentarische Eingangssequenz atmosphärisch nahezu bruchlos fortsetzt.«152 Auch in der Schlussszene verwischt Fiktionales und Non-Fiktionales. Die zu Anfang gezeigte Flüchtlingsgruppe wohnt nun der Heimkehr der deutschen Kriegsgefangenen im Lager Friedland bei (vgl. Abb. 38-39). Sie scheint dabei Teil des Publikums zu sein, das auf den Wochenschaubildern der Rede Adenauers zuhört. Hierzu montierte Schaefer die Bilder der Protagonisten zwischen die Wochenschaubilder der Kriegsheimkehrer (vgl. Abb. 40-41). Die Szenerie schließt mit einer Nachstellung des abgewandten Adenauers, der gemeinsam mit dem Publikum die erste Strophe der Nationalhymne singt (vgl. Abb. 42-43). Abb. 38-43: Mischung von Archivbildmaterial und fiktionalen Einstellungen in KALTE HEIMAT (ARD 1981): Schlusssequenz

Quellen: Videostills aus KALTE HEIMAT (ARD 1981), 99:53-106:18.

152 Ebd.

178 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Durch die Montage erscheint dies in dokumentarischer Kontinuität wie ein Archivbild, obwohl die Szene tatsächlich fiktional ist. In beiden Szenen konterkariert die Handlung des Films die gescheiterte Integration der Flüchtlinge in die bundesrepublikanische Gesellschaft der 50er Jahre. Adenauers warme Begrüßungsworte für die Heimkehrer sind bereits durch die filmisch dargestellte Realität des Flüchtlingsalltags widerlegt. Die bei Schaefer schon angelegte Methode der Verschränkung von fiktionalem und non-fiktionalem Material war bei Jutta Brückners HUNGERJAHRE allerdings noch deutlicher ausgeprägt. In einer Szene sitzt der Vater im Kollegenkreis am Radio, in dem gerade ein Bericht zur Notstandsverkündung in Ostberlin läuft. Darauf folgen die bekannten Wochenschauaufnahmen der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni in Ostberlin. Auf der Tonebene überlagerte Brückner einen Kommentar des DDR-Journalisten Karl-Eduard von Schnitzlers mit einer Rede Adenauers, die jeweils die Geschehnisse in ihrem Sinne deuten und »sich sozusagen gegenseitig aufheben«.153 In der Verarbeitung des 17. Junis fragt Ursula ihre Mutter dann, was Freiheit bedeute, und bekommt die Antwort: »Wenn es uns gut geht und wir keine Angst haben müssen.« Gerade im Kontrast zum politischen Freiheitsbegriff der DDR-Aufständischen verdeutlichte Brückner hieran die Entpolitisierung im Kontext der Wirtschaftswundergesellschaft. Sicherheits- und Wohlstandsbedürfnis, der Rückzug ins Private trotz großer politischer Ereignisse, prägten die politische Mentalität. Die Verbindung von Privatem und Politischem wird aber in HUNGERJAHRE auch dadurch unterstützt, dass das Fernsehspiel komplett in Schwarz-Weiß gedreht wurde.154 Dieses Stilmittel, das auch in KALTE HEIMAT, MOSCH (ARD 1980) und FRAULEIN (ARD 1986) eingesetzt wurde, übernahm mehrere Funktionen: Erstens unterstrich das Schwarz-Weiße den historisch-dokumentarischen Charakter des Fernsehspiels und gab die historische Lesart für den Zuschauer vor.155 Brigitte Jeremias sprach in diesem Zusammenhang sogar von »halb-dokumentarischen Arbeiten«.156 Zweitens verdeutlichte es den individuellen Erinnerungscharakter der Handlung. Das Schwarz-Weiße sollte die Erinnerungsanreize für die Zuschauer un153 Brigitte Jeremias: »Mitten im muffigen Reichtum«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.3.1980. 154 Schon 1967 hatten die Sender auf Farbe umgestellt. Auch wenn anfangs noch nicht alle Sendungen in Farbe produziert wurden, fiel ein Fernsehspiel in Schwarz-Weiß als Gestaltungsmerkmal deutlich auf. 155 Hierauf verweist z.B. »Kleine Katastrophen«, in: Badische Neueste Nachrichten, 29.3.1980; C.F.: »Studie eines Mädchens der fünfziger Jahre«, in: Westfälische Rundschau, 29.03.1980. 156 Brigitte Jeremias: »Mitten im muffigen Reichtum«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.3.1980.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 179

terstützen, denen die Bilder aus ihrer eigenen Erinnerung bekannt vorkamen.157 So funktionierte Erinnerung über Fotografien, die in den 50er Jahren überwiegend schwarz-weiß waren.158 HUNGERJAHRE wurde in diesem Sinne als Film zum »Wiedererkennen«159 bezeichnet. Drittens unterstützte es daran anschließend die filmische Atmosphäre mithilfe der »tristen Bilder über die restaurative politische Stimmung«.160 Die 50er Jahre erschienen als »graue, kalte Zeit«.161 Entsprechend zeigte MOSCH in »tristem Schwarz-Weiß, so den Glanz der Erinnerung zerstörend«,162 die »düstere Kehrseite des vielgepriesenen Ärmelaufkrempelns im Nachkriegsdeutschland«.163 Auch in KALTE HEIMAT war Schwarz-Weiß der Effekt der Wahl, da Schaefer bekannte, sich »Bilder aus der Adenauer-Ära einfach in Farbe nicht vorstellen«164 zu können. Dies hing aller Wahrscheinlichkeit nach auch mit der enorm prägenden Wirkung der schwarz-weiß gefilmten Wochenschaubilder im eigenen Erinnern der Generation zusammen. Restauration als verpasster Neuanfang Ausgangspunkt der Restaurationsthese war die Annahme, dass nach Kriegsende bzw. beim Aufbau der Bundesrepublik versäumt worden war, einen Neuanfang zu gestalten. Im Rückblick auf die 50er Jahre erschien dies als großer Fehler, der bis in die zeitgenössische Gegenwart zurückwirkte. Sehr deutlich formulierte dies Rainer Werner Fassbinder:

157 »Wir alle, die wir die Fünfziger-Jahre noch nicht so recht in bewußter Erinnerung haben können, glaubten sie dennoch zu erkennen.« (Hubert Haslberger: »Ein Blick zurück in die Achtziger Jahre?«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 14-15. 2.4.1980, S. K6). 158 Heimat von Edgar Reitz verwendet dieses Motiv als ästhetisches Stilmittel, um die Rückblicke auf die vorherigen Folgen zu gestalten. Ein Sprecher im Off erzählt die bisherige Geschichte anhand von ›privaten Erinnerungsfotos der Familien des Dorfes‹. 159 Hubert Haslberger: »Ein Blick zurück in die Achtziger Jahre?«, in: FUNKKorrespondenz, Nr. 14-15. 2.4.1980, S. K6. 160 Ebd. 161 halef: »Graue Zeit«, in: Nürnberger Zeitung, 29.3.1980; vgl. auch Hubert Haslberger: »Ein Blick zurück in die Achtziger Jahre?«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 14-15. 2.4.1980, S. K6; Brigitte Jeremias: »Mitten im muffigen Reichtum«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.3.1980. 162 Walburga Feiden: »Düstere Kehrseite der Zeitgeschichte«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 40, 1.10.1980, S. K6. 163 Ebd. 164 Sigrid Schniederken: »Bilder aus einem ganz gewöhnlichen Leben«, in: FUNKKorrespondenz, Nr. 27, 1.07.1981, S. K5.

180 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Wenn man die fünfziger Jahre unter die Lupe nimmt, kann man genau erkennen, wie sich eine bestimmte Gesellschaft formt – die ganz besondere deutsche Art von Demokratie, die unser Leben zu dem gemacht hat, was es heute ist.«165

In dieser Anfangszeit der Bundesrepublik sieht Fassbinder nämlich die Gründe dafür, dass auch in der zeitgenössischen Gesellschaft »sehr vieles sehr rückläufig ist. Das heißt, […] dass 1945, als der Krieg zu Ende war, als das Dritte Reich zu Ende gewesen ist, dass da die Chancen, die Deutschland gehabt hätte, nicht wahrgenommen worden sind, […] dass die Strukturen letztlich die Werte, auf denen dieser Staat, jetzt als Demokratie, beruht, im Grund die gleichen geblieben sind. Das heißt, dass das zusammen mit einer Entwicklung nach rückwärts zu etwas führen wird, was eine Art von Staat ist, in dem ich nicht so gerne leben möchte.«166

Fassbinder interessierte sich also aus aktuellen Gründen für die Nachkriegszeit, er wollte den damals verpassten Chancen nachspüren. Insbesondere in DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) stellte er die Nachkriegszeit dabei in ihrer historischen Kontinuität zwischen dem Dritten Reich und der Gegenwart dar. Bildlich verdeutlichte er dies mithilfe von Archivfotos als Rahmung der Handlung: Zu Beginn des Films wird ein Porträt Adolf Hitlers gezeigt, am Ende eine Galerie im Negativ abgebildeter Kanzlerporträts von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt, wobei sich Schmidts Porträt ins Positive wendet.167 Letzteres machte Fassbinders eigenen Betrachtungsstandort klar, die Gegenwart der Regierung Schmidt. Außerdem stellte die Bildabfolge diese Gegenwart in direkte Kontinuität zu der Spielhandlung in den 50er Jahren, die wiederum in einer Entwicklungslinie mit dem Kriegsende und der NS-Zeit erschien.168 Die Hauptfigur Maria Braun steht symbolisch für die 50er Jah165 »Filme als Antwort auf bestimmte Entwicklungen [1982]: Rainer Werner Fassbinder über Die Sehnsucht der Veronika Voss«, in: Robert Fischer (Hg.): Fassbinder über Fassbinder. Die ungekürzten Interviews, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2004, S.579-588, hier S. 579. 166 Peter W. Jansen: »›Ich bin in dem Maße ehrlich, in dem mich die Gesellschaft ehrlich sein lässt.‹ [1978]. Rainer Werner Fassbinders Versuch eines Blickes auf Deutschland, seine Arbeit und sich selbst«, in: Robert Fischer (Hg.), Fassbinder über Fassbinder. Die ungekürzten Interviews, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2004, S. 415-443, hier S. 421. 167 Der Vollständigkeit halber erwähnt sei noch, dass Willy Brandts Konterfei komplett fehlt. Dies wurde sehr unterschiedlich interpretiert, scheint aber zumindest dafür zu sprechen, dass Fassbinder Brandt nicht einwandfrei in seine Kontinuitätslogik einpassen wollte. 168 Vgl. Pott: Film, S. 73.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 181

re. Sie scheitert mit ihrem Wunsch nach einem besseren Leben genau in dem zeitgeschichtlichen Moment, in dem Deutschland 1954 Fußballweltmeister wird, denn dieses Datum beendete für Fassbinder endgültig die Chance auf einen Neuanfang, auf ein besseres Deutschland. Diese Aussage wird mit zwei Reden Adenauers zur Wiederbewaffnung collagenhaft untermauert: In der ersten lehnt Adenauer sie noch ab, favorisiert sie in der zweiten aber schon als legitimes Recht Deutschlands.169 In der Spielhandlung sind in dem Moment, in dem Deutschland ›wieder wer ist‹, auch Marias Lebensentwürfe gescheitert, ihre Zukunftsutopien geplatzt. Geschichtspolitisch stellte DIE EHE DER MARIA BRAUN so ein Geschichtsbild der 50er Jahre als restaurative Phase der BRD vor, wobei er vielleicht der einzige Film war, der das Thema des verpassten Neuanfangs in dieser Klarheit diskutierte. Die 50er Jahre waren hier das Schlüsseljahrzehnt, in dem sich diejenigen gesellschaftlichen Konflikte aufstauten, die für die späteren gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen verantwortlich waren – zuerst im Zuge der Studentenbewegung, später in Gestalt des RAF-Terrorismus. In der Restaurationsthese ging es aber nicht nur um die verpassten Chancen auf einen Neuanfang. Vielmehr wollte sie aufzeigen, wie sich die alten Eliten und Institutionen reetablierten und reformerische Ansätze von vorne herein verhinderten. Obwohl der Begriff der ›Restauration‹ einen Prozess anzudeuten scheint, waren die Verhältnisse in vielen dieser 50er Jahre Filme schon ›restauriert‹. In Fassbinders LOLA (BRD 1981) hatte sich längst eine Gruppe von korrupten Honoratioren aus Politik und Wirtschaft gebildet, die die Entscheidungen trafen. In der schwäbischen Kleinstadt Salzlach in MUSIK AUF DEM LANDE (ZDF 1980) waren es ebenfalls die Honoratioren – der Oberbürgermeister, der Orchesterleiter, der Schulleiter u.a. –, die in ihrem kleinen Zirkel Macht ausübten und so versuchten, ihre Stellung und Werte zu bewahren. Insbesondere die Figur des Schuldirektors Dr. Sommertranck betont in Gesprächen immer wieder seine restaurativen Ansichten aus der Motivation heraus, der Gesellschaft nach den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit wieder Stabilität und Ordnung zu geben: »Auch wir hier in Salzlach haben naturgemäß das Ende der Diktatur begrüßt, 1945, ohne doch gleich die uralt gewachsene Stadthierarchie über Bord zu werfen. Ich kann in einer gewissen Reserve dem Neuen gegenüber keine Untugend erblicken.«170

Autor und Regisseur Storz identifizierte das Bürgertum als Hauptträger der Restauration, das in der Nachkriegszeit versuchte, in den neuen Gegebenheiten ihre alten Hierarchien, Werte und Ordnungen aus dem Krieg und aus der Vorkriegszeit wie169 Die assoziative Reaktion Maria Brauns, die sich parallel dazu übergeben muss, lässt kaum Zweifel an der Bewertung dieser Rede zu. 170 83:54ff.

182 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

derherzustellen. MUSIK AUF DEM LANDE zeichnete ein bürgerlich-kleinstädtisches Milieu der 50er Jahre nach, aber eben aus der Sicht eines Jüngeren. Die Identifikationsfiguren waren gerade diejenigen, die außerhalb dieses Milieus standen: Hilfslehrer Saalfeld, der die NS-Vergangenheit thematisiert, ein junges Paar, welches trotz sozialer Unterschiede für die Tolerierung ihrer Beziehung kämpft und der junge »rein geschmeckte« Dirigent, der es trotz seiner Eignung nicht schaffen kann, in die Kleinstadtgemeinschaft aufgenommen zu werden. Aus Sicht dieser Protagonisten beschrieb Storz die bürgerliche Mentalität der 50er Jahre so als verlogene Scheinwelt, hinter der Doppelmoral, Intoleranz und Opportunismus stehen:171 »Dieses Klima von behaglichem Opportunismus, geheucheltem Moralmief und gekrümmter Rückgrate läßt wache und sensible Menschen scheitern«.172 Die propagierte Stabilität und Ordnung wurde nur durch die restaurierten Machtverhältnisse aufrechterhalten, in denen Konflikte und Anderssein konsequent unterdrückt werden sollten. In MUSIK AUF DEM LANDE sind die jungen Menschen die Leidtragenden der gesellschaftlichen Restauration. Diese Konstellation war autobiografisch inspiriert wie Storz in der Retrospektive meinte: »Wir, die Generation, die Ende der 50er Jahre ins Berufsleben ging, wir, bei Kriegsende noch Halbwüchsige und dann scheinbar bruchlos hineingewachsen in das merkwürdige Land, das von außen gesehen ›Post War Germany‹ hieß, wir trugen inwendig schon den Konflikt mit uns herum, der dann zehn Jahre später in Demos und Kaufhausbränden offen ausbrach.«173

Als Vertreter der 45er Generation sah Storz die Konflikte der Studentenbewegung im restaurativen Zeitklima der 50er Jahre angelegt. MUSIK AUF DEM LANDE sei daher ein Mittel gewesen »aus mittlerer Distanz zurück [zu schauen] mit der Frage: Wo kommen wir her? Also war Analyse gefragt, Beschreibung von gegenwärtigen und vergangenen Gesellschaftszuständen.«174 Die autobiografische »Entdeckungsreise«,175 die den Hintergrund von MUSIK AUF DEM LANDE bildete, brachte einerseits die Distanz des Erinnerns mit sich, andererseits waren damit klare Positionierungen verbunden, die sich in den Antagonismen der Figurenkonstellationen ausdrückten. Der Großteil der älteren, etablierten Honoratioren und Eltern stand für die »gutbürgerliche Restauration«, die wieder eine »geschlossene Gesellschaft formiert

171 Vgl. ZDF Programm 51/80, S. 52. 172 Hans-Josef Birker: »Spiegel der 50er Jahre«, in: Rheinische Post, 23.12.1980. 173 Storz zitiert in: Wiebel: Mattscheibe, S. 301. 174 Ebd., S. 301f. 175 Ebd., S. 302.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 183

hatte«.176 Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen teilten diese Wertevorstellungen nicht und gerieten dabei zwangsläufig in Konflikt mit der älteren Generation. In Tankred Dorsts MOSCH (ARD 1980) wurde dieser antagonistische Generationenkonflikt zum bestimmenden Handlungselement: Der 20jährige Arno übernimmt in den 50er Jahren die Seifenfabrik seines verstorbenen Vaters. Er möchte Veränderungen und Neuerungen, um die Firma zu modernisieren. Doch der langjährige Prokurist Herr Mosch, der die Firma seit dem Tod von Arnos Vater als ›Provisorium‹ weitergeführt hat, opponiert gegen Arnos Pläne und versucht das Bestehende zu erhalten.177 Arno kann sich nicht gegen Mosch durchsetzen und so wird die Auseinandersetzung der beiden zur »Geschichte einer Obsession«,178 die erst endet, als Herr Mosch ums Leben kommt. Als Parallele zum Generationenkonflikt in der Anfangszeit der Bundesrepublik konzipiert, gibt Dorst aber auch den Jungen die Schuld am verpassten Neuanfang: Die Gründe für Arnos Scheitern liegen primär in seiner eigenen Mutlosigkeit und seinem fehlendem Durchsetzungsvermögen gegenüber Herrn Mosch, aber auch in einem fehlenden Tatendrang tatsächlich etwas verändern zu wollen.179 Im Gegensatz zu etwa MUSIK AUF DEM LANDE, wurde die Chance auf einen Neuanfang in MOSCH also auch durch eine allgemeine »Lethargie«180 verhindert: »Die Alten sterben ab, nicht aus. Und Arno kann nur zugucken. Die Chance des Neuanfangs ist verstörend und wird vertan.«181 Dorst versuchte hier eben genau die polarisierten, generational geprägten Geschichtsbilder zu relativieren, indem er seine, ebenso aus eigenen Erinnerungen gespeiste Deutung hinzufügte. So resümierte Walburga Feiden in ihrer Kritik zu MOSCH: »Wenn heute auf jene Jahre des aufblühenden Wirtschaftswunders zurückgeschaut wird, so tun es die einen, die Jungen vor allem, mit Zorn und Verachtung gegenüber dem gedankenlosen Leistungs-Enthusiasmus. Die anderen, die Aufbaugeneration vor allem, erinnert sich mit Stolz und Verklärung der großen Aufbautat. Beides ist nicht wahr. Die totale Identifikation mit der Wirtschaftswunder-Euphorie, die von den einen verachtend kritisiert und von den an-

176 Hellmut A. Lange: »Kritisch betrachtet«, in: Wiesbadener Kurier, 23.12.1980. Der Begriff der Formierung spielt dabei auf Ludwig Erhards Konzept einer formierten Gesellschaft an. 177 Vgl. die Beschreibung in: ARD Fernsehspiel, August-September 1980, S. 206-215. 178 Programmankündigung Deutsches Fernsehen/ARD, 39/80, S. IV/11. 179 Vgl. Volker Canaris: »Die Tage nach der Stunde Null«, in: Der Spiegel, 40/1980, 29.9.1980, S. 240. 180 Ebd. 181 Ebd.

184 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN deren stolz bewundert wird, es gab sie nie. Die Gegenwart reibt sich an einem falschen Bild von der Vergangenheit.«182

Arnos Verbissenheit gegenüber Herrn Mosch kann nach Dorst auch auf die generationell geprägte Polarisierung des 50er Jahre Geschichtsbildes übertragen werden. So kommentierte Dorst in seinem Film gleichzeitig den Generationenkonflikt der 1970er Jahre und die Rückschau seiner eigenen Generation auf die 50er Jahre. Wirtschaftswunder und soziale Restauration Die Fernsehspiele und Filme thematisierten alle Bereiche der Restauration – wenn auch jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen: Das Wirtschaftswunder als wirtschaftliche bzw. soziale Restauration war als historische Hintergrundfolie immer präsent. An die bis Anfang der 1970er Jahre dominanten Aufsteigergeschichten über Geschäftsleute und Firmen, die in der Zwischenzeit an Prägekraft verloren hatten, knüpfte neben Fassbinders EHE DER MARIA BRAUN und LOLA auch Regisseur Peter Zadek in DIE WILDEN FÜNFZIGER (ZDF 1986) an und zeigte, wie der skrupellose und unmoralische Geschäftsmann Jakob Formann nach dem Krieg im Zuge des Wirtschaftswunders zu Wohlstand und Anerkennung kommt. Der Film beruhte auf der Vorlage des Bestseller-Romans von Johannes Mario Simmel HUR183 Das »nostalgisch angeschimmelte RA, WIR LEBEN NOCH AUS dem Jahr 1978. 184 Buch« Simmels erzählte ursprünglich eine leicht konsumierbare Aufsteigergeschichte im Wirtschaftswunder, die mit der durch die Ölkrise verursachte Rezession jäh endete. Zadek machte aus Simmels Bestseller allerdings eine »knallbunte Trivialsatire auf das Wirtschaftswunder«,185 sodass auf rechtlichen Einspruch Simmels der Titel geändert wurde und der Film nur noch als »sehr frei nach Simmel« firmieren durfte.186 Es war insbesondere die scharfe Überzeichnung der Charaktere, mit der DIE WILDEN FÜNFZIGER aus Simmels Vorlage eine restaurative Kritik an den 50er Jahren formte. Die Figur des Professors beispielsweise sieht kein Problem dabei, bei Tisch in multikultureller Runde davon zu berichten, Heinrich Himmler bei der Zucht eines Herrenrassehuhns unterstützt zu haben. Der Bürgermeister lehnt öffentlich den »American Way of Life« ab und der ehemalige Verwalter des »Himm182 Walburga Feiden: »Düstere Kehrseite der Zeitgeschichte«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 40, 1.10.1980, S. K6. 183 Johannes Mario Simmel: Hurra, wir leben noch. Roman, Locarno: Droemer Knaur 1978. Der Roman hielt sich über ein halbes Jahr auf Platz 1 der Spiegel Bestseller-Liste. 184 »›Ich bin ein Dilettant, Madame‹«, in: Der Spiegel, Nr. 38/1983, S. 226-229, hier S. 227. 185 Ebd., S. 226. 186 Vgl. Hamburger Abendblatt, 2.8.1983.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 185

ler-Hofes« möchte am liebsten sofort wieder »Konzentra…– äh ich meine Baracken bauen«. Die bösartig bis absurd inszenierten Charaktere standen symbolisch für die verschiedenen Themen der Restaurationsthese. Die als sicherer Erfolg geplante Verfilmung, für die das ZDF, die Bavaria und die staatlichen Filmförderer insgesamt siebeneinhalb Millionen Mark bereitgestellt hatten, erreichte allerdings nur mäßige Zuschauerzahlen. Das ZDF strahlte sie – wohl auch aufgrund der überwiegend negativen Kritiken – erst drei Jahre später und auf dem wenig begehrten Sendeplatz um 23.45 Uhr aus. In den Charakterisierungen des restaurativen Zeitklimas der 50er Jahre fanden sich bestimmte Muster immer wieder: das allgemeine materialistische Streben im Zuge des Wirtschaftswunders, die übertriebene Sittenstrenge einer intoleranten Gesellschaft, ein Desinteresse an Politik und die nicht bewältigte NS-Vergangenheit. Der wirtschaftliche Wiederaufbau bildete dabei das faktische Grundgerüst der Restaurationsdiskurse. In Anknüpfung an die kulturpessimistische Deutung Eugen Kogons lautet die Grundthese der meisten am restaurativen Geschichtsbild orientierten Fernsehspiele, das die unbedingte Fokussierung auf den eigenen Wohlstand in den 50er Jahren zu einem Werteverfall und einer Vernachlässigung des menschlichen Miteinanders und Mitgefühls geführt habe. Am radikalsten thematisierte dies DIE STRASSE. Hier entschließt sich eine ganze Dorfgemeinschaft zum gemeinschaftlichen Mord an einem ansässigen Bauer, der sich weigert, seinen Grundbesitz zu verkaufen, obwohl dies notwendig ist, um eine Wohlstand verheißende Straße zum Dorf zu bauen. Die Aussicht auf neue Einkommensmöglichkeiten ist so mächtig, dass Werte und Moral keinerlei handlungsbeschränkende Wirkung mehr entfalten, alles scheint in dieser Gesellschaft erlaubt, sogar ein Mord, solange nur das Wirtschaftswunder nicht ungenutzt am Dorf vorbeizieht. Abb. 44-45: Die Musicbox als Projektion von Wünschen

Quelle: Videostills aus DIE STRASSE (ARD 1978), 35:14, 55:49 (Orig.i.F.).

Zeitmarker für die Begehrlichkeiten des Wirtschaftswunders stachen in der Szenerie des trist-farbentsättigten Dorfes deutlich heraus. Eine poppig-bunte Musicbox

186 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

(vgl. Abb. 44-45) bildet, ähnlich einem Schrein inszeniert, den symbolischen Mittelpunkt. Ihr Design und die Musik symbolisieren die Träume und Wünsche, die sich mit dem Bau der neuen Straße verbinden – Wohlstand, das Ankommen in der Konsumgesellschaft, die Partizipation am Neuen. Sie sind die Vorboten des versprochenen Wirtschaftswunders, das das Dorf noch nicht erreicht hat. Musik und Medien der 50er Jahre dienten auch in KALTE HEIMAT (ARD 1981) und FRAULEIN (ARD 1986) zur Markierung von Träumen, Wünschen, aber vor allem auch von Illusionen eines besseren Lebens. So war Michael Hanekes FRAULEIN um die Hauptfigur Johanna Kersch, Trümmerfrau und WirtschaftswunderAufsteigerin, schon benannt nach dem gleichnamigen Schlager Chris Howlands, der hierin das deutsche Fräuleinwunder besang.187 Schlagereinspielungen waren auch ansonsten in der Produktion als Stilmittel präsent, sie illustrierten die Nachkriegsmythen der 50er Jahre. Durch Ausschnitte aus dem Film MÜNCHHAUSEN (DR 1943) mit Hans Albers wurde dagegen zu Beginn von FRAULEIN der Rückzug in Traumwelten weiter verdeutlicht: Der Lügenbaron stand für die Illusionen über das eigene Leben, wie sie sich Johanna und die anderen Hauptakteure machten.188 In diesem Sinne sollte FRAULEIN auch eine Antwort auf Fassbinders DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) und LOLA (BRD 1981) sein, die ein zu mythenbehaftetes Geschichtsbild des schönen, klugen und leistungsorientierten »Fräuleinwunders« der Nachkriegszeit gezeichnet hätten.189 So griff Haneke mithilfe musikalischer und filmischer Symbole aus den 50er Jahren die medienkritischen Diskurse über die 50er Jahre auf, wie sie beispielsweise in den Studien zum Heimatfilm seit den 1980er Jahren zunahmen. Auch KALTE HEIMAT (ARD 1981) beinhaltete das durchgängige Stilmittel, über zeitgenössische Medien, Musik und Filme Wünsche und Träume widerzuspiegeln. Die aus der DDR geflohenen Familien, die im Mittelpunkt des Films stehen, erzählen in ihren Runden von den Motiven ihrer Flucht in den Westen. Freiheit – in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht – ist hier eine wichtige Erwartung. Wirtschaftlich im Sinne einer Partizipation am Wirtschaftswunder, wie sie es von der DDR aus wahrgenommen haben, vermittelt durch mediale Darstellungen, die den Westen als Ort des Wohlstands zeigten. Die Träume weichen im Film schnell der Realität. Besonders zu schaffen macht den Protagonisten die Abwertung ihres sozialen Status. Die Projektionen des Westens bleiben dennoch im Film präsent: Die Jugendli187 Andreas Ungerböck: »Schritte auf dem Weg. Anmerkungen zu den Fernseharbeiten Michael Hanekes«, in: Daniela Sannwald (Hg.), Michael Haneke, München: edition text + kritik 2011, S. 16-27, hier S. 24. 188 Gleichzeitig ist dies ein Verweis auf die Kontinuität zum Nationalsozialismus. 189 »Mir lagen noch Fassbinders DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1979) und LOLA (BRD 1981) als unverdaubare Verlogenheit im Magen. FRAULEIN wurde dann auch der Versuch eines ›Gegenfilms‹.« (Michael Haneke, zit. nach: Ungerböck, Schritte, S. 24).

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 187

chen hören amerikanische Musik bei BFBS und sehen im Kino die Wochenschauen, die die DDR als Hort der Unterdrückung darstellen. Die Erwachsenen hören Schlagermusik, die die Träume von einem besseren Leben mit der filmischen Realität konterkarieren. So spielen Zeitmarker in Form von Medien der 50er Jahre in den restaurativen fiktionalen Formen eine wichtige Rolle als nicht erfüllte Versprechungen im Zuge des Wirtschaftswunders. Darin bestehen Anknüpfungspunkte an den Neuen Deutschen Film vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit dem Kino der 50er Jahre, dem die NDF-Filmemacher Oberflächlichkeit vorwarfen. In den genannten Beispielen aus den Fernsehspielen verfallen die Protagonisten nämlich gerade diesen illusionistischen Medien der 50er Jahre und spiegeln damit die Argumente des Neuen Deutschen Films wider. Abb. 46-47: Konsumkritische Perspektive: Materialistischer Reichtum und zwischenmenschliche Kargheit

Quelle: Videostills aus HUNGERJAHRE – IN EINEM REICHEN LAND (ZDF 1980), 04:24, 59:25.

Mit den Folgen dieser Oberflächlichkeit des reinen materiellen Strebens im Wirtschaftswunder für die zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigte sich wiederum HUNGERJAHRE. Der Titel HUNGERJAHRE – IN EINEM REICHEN LAND beschrieb bereits genau den Zusammenhang zwischen materialistischem Reichtum und moralischer und zwischenmenschlicher Kargheit. Im Bild und in der Handlung ist das Wirtschaftswunder aber nicht dominant. In wenigen kurzen, aber prägnanten Szenen artikuliert die Mutter ihren Drang nach Konsum, nach einer materiellen Verbesserung der eigenen Lebensumstände. Zu Beginn des Films setzt sie ihrem Mann gegenüber durch, arbeiten zu gehen, um mehr einkaufen zu können. Die Folgeszene zeigt einen Tisch voll eingekaufter Lebensmittel – in seiner Fülle Ausdruck der Fresswelle (vgl. Abb. 46). In der nächsten Szene sieht man die gesamte Familie beim Polieren des eigenen Opels. Später, etwa in der Mitte des Films, sitzt die ganze Familie zusammen in einem Raum, unterhält sich aber nicht miteinander. Vielmehr gehen alle ihren eigenen Gedanken nach, die sich als Toncollage für den Zuschauer teilweise überschneiden (vgl. Abb. 47). Der Vater übt englisch, die Mutter

188 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

blättert in Katalogen und hängt dabei mantraähnlich ihren Konsumsehnsüchten nach: »[…] neue Steppdecken, ein Chippendale-Schrank […] eine Waschmaschine, ein Staubsauger, eine Düse für Gardinen und Polstermöbel […]«.190 Das Wirtschaftswunder zeigt sich indirekt im »eisernen Konsumwillen«191 der Mutter, die sich »Ersatzziele«192 schafft. So war das Wirtschaftswunder im gesamten Film immer als historische Entwicklung in seinen negativen Auswirkungen für den familiären Mikrokosmos präsent. In der Rezeption wurde dies mit einer dezidierten Generationenperspektive verknüpft: »Diese Träume der Elterngeneration von Waschmaschine, Staubsauger und Italienreise. Das kommt uns Nachgeborenen heute so kleinbürgerlich vor, so miefig. Und es war doch Lebensgefühl. Allerdings eines, das die Heranwachsenden oft furchtbar knebelte, einschnürte, zerstörte.«193

Der unbedingte Wille zum sozialen Aufstieg und die Konsumsehnsüchte erschienen hier aus Sicht der Kinder und Jugendlichen der 50er Jahre auf ihre Eltern aus dem zeitgenössischen Erinnerungsinteresse Ende der 1970er Jahre heraus. Gesellschaftliche Restauration Kaum ein gesellschaftliches Thema war in den restaurativen Fernsehspielen intensiver von autobiografischen Facetten der Macher geprägt, als die Darstellung der Aus- und Folgewirkung eines überkommenen Wertesystems. An dieser Stelle unterschied sich die generationelle Sichtweise der 1980er Jahre von der Zeitkritik der späten 50er Jahre. Letztere hatte eher auf den Materialismus im Zuge des Wirtschaftswunders abgehoben. Die Kinder des Wirtschaftswunders dagegen klagten nun ihre Eltern und die Restauration von Vorkriegswerten an, die das Leben ihrer Generation zerstört hätten. Der Zweiteiler LEMMINGE (ARD 1980), mit dem Michael Haneke der Durchbruch gelang, erzählte episodenhaft die Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen. Sie alle schlagen sich mit unterschiedlichen Problemen herum, die letztlich doch alle dieselbe Ursache haben. Im ersten Teil sieht man ihre Jugend in den 50ern, der zweite Teil spielt zeitgenössisch Ende der 1970er. Die Presseankündigung zog das Fazit:

190 59:23ff. 191 ZDF Programm 13/80, S. 34. 192 Birgit Weidinger: »Gültiges Zeitmosaik«, in: Süddeutsche Zeitung, 29.3.1980. 193 »Graue Zeit«, in: Nürnberger Zeitung, 29.3.1980.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 189

»Die Schicksale der fünf Personen sind seit ihrer Jugend sehr unterschiedlich verlaufen, und doch sind ihnen gemeinsam Lebensangst und ständige Zweifel am eigenen Verhalten. Jede von ihnen lebt in einem inneren Kältezustand, obwohl materiell alle Voraussetzzungen gegeben wären, ein glückliches Leben zu führen.«194

Die materielle Not war nach dem Krieg beendet, die Restauration verhinderte indes ein gutes Leben. Das überkommene bürgerliche Wertesystem, die »Ideale der Vorkriegsgeneration« wurden als »Bezugssystem«, als »Lebensgefühl […], in dem Stabilität behauptet wurde« verordnet, so Michael Haneke zu seinem Film, »obwohl dieses feste System mit den beiden Weltkriegen bereits total zusammengebrochen gewesen« sei. »Und damit wurde ein Gefühl der Angst und der Unbehaustheit geboren, das man gar nicht rationalisieren konnte. Auch später kaum.«195 Diese schwer fassbare Angst nahm insbesondere den Jugendlichen jede freie Entfaltungsmöglichkeit. Hierauf fokussierte LEMMINGE und zeigte nicht nur die entsprechend eingeengte Jugend der Protagonisten, sondern zugleich deren zerstörerische Wirkung für den Rest ihres Lebens. Die Jugendlichen im ersten Teil externalisieren ihre Ängste und Orientierungslosigkeit in Aggression, Apathie und Verdrängung. Wie Siggi, der den Frust über die Gefühlskälte seines Vaters an einem Auto auslässt. Sie versuchen vergeblich, das anerzogene Wertesystem zu leben, stoßen es aber »kreatürlich«196 ab. So wird Evi im ersten Teil bei ihrer ersten sexuellen Erfahrung ungewollt von Christian schwanger, woraufhin beide gemäß ihrer Erziehung sofort heiraten. Im zweiten Teil sind sie noch immer, nunmehr mit insgesamt drei Kindern, verheiratet, aber ihre Beziehung ist längst nur noch Fassade. Evi hat Affären, Christian flüchtet in seine Krankheit, beide für sich sind unglücklich und fühlen sich allein gelassen von der »Elterngeneration, die ihre Söhne und Töchter […] mit der Weltordnung von gestern in die grundlegend gewandelte Welt von heute und morgen entlassen hat«.197 Haneke bezeichnete seine Figuren als »typisch für diese Zeit«, sie spiegelten das authentische »Lebensgefühl dieser meiner Zeit«.198 Allgemein waren die Träger der gesellschaftlichen Restauration die Eliten und Honoratioren. In der Erinnerung vieler Filmemacher waren für die Vermittlung des überkommenen Wertesystems jedoch vor allem die Lehrer und Erzieher inklusive der Eltern verantwortlich. Daher waren sie in den Filmen meist die entscheidenden 194 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 26/80, S. IV/27. 195 »Eine Art von zweiter Zärtlichkeit«. Ein Gespräch mit Michael Haneke über seinen Fernsehfilm ›Lemminge‹, in: Deutsches Fernsehen/ARD Programm, 25/80, S. I/1. 196 Ebd. 197 Klaus Hamburger: »Selbsthaß in Nach-Kakanien«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 28, 09.07.1980, S. K1. 198 »›Eine Art von zweiter Zärtlichkeit‹. Ein Gespräch mit Michael Haneke über seinen Fernsehfilm ›Lemminge‹«, in: Deutsches Fernsehen/ARD Programm, 25/80, S. I/1.

190 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Protagonisten der gesellschaftlichen Restauration, ihnen galt der Vorwurf. Heinrich Breloers EINE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT (ARD 1987) ist ein weiteres Paradebeispiel für solchermaßen restaurative Gesellschaftsdeutungen mit stark autobiografischen Zügen. In einer Montage aus fiktionalen Spielszenen und dokumentarischen Einschüben arbeitete Breloer in diesem Zweiteiler seine Erziehung in einem katholischen Internat in Lüdinghausen auf. Die fiktionalen Spielszenen kreisen um die Hauptfigur Heinrich, in den dokumentarischen Blöcken interviewt Breloer ehemalige Klassenkameraden und begibt sich auf Erinnerungsreise in das heute nicht mehr genutzte und halb verfallene Internatsanwesen.199 Die fiktionalen Szenen in beiden Teilen spielen in den 50er Jahren, im ersten Teil DIE REKORDBETER in der frühen Jugend Heinrichs, im zweiten Teil DIE FREIGEISTER in seiner Oberstufenzeit. Die ganze Produktion durchzog, im fiktionalen Anteil, das »was heute als ›Adenauer-Mief‹ mit Händen zu greifen ist«.200 Breloer zeigte »am Beispiel der Zöglinge die verdrängte, ›moralisch-religiöse Innenausstattung der Adenauer-Republik‹«.201 Wie es ein anderer Kritiker ausdrückte: »Das Internat im westfälischen Lüdinghausen taugte als Mikrokosmos der bundesrepublikanischen Gesellschaft, weil sein Leiter, den die Nazis ins Konzentrationslager eingesperrt hatten, das harte Erziehungsregiment ausdrücklich mit den Erfahrungen der Nazi-Zeit begründete.«202 Comics waren verboten, gebadet wurde im Internat in der Badehose, harter Drill und exzessive Gebete bestimmten den Tagesablauf. Der dokumentarische Anteil des Films konzentrierte sich dagegen, vergleichbar dem zweiten Teil von Hanekes LEMMINGE, auf die Suche nach den Folgen dieses Erziehungsregiments für das weitere Leben der Internatsschüler: »Koffer, wie sie ihn nannten, macht heute Röhren für Atomkraftwerke, Siegfried, der Dichter, dem die Lehrer stanken, wurde Pauker, Oberstudienrat. ›Dante‹, das Segelohr, agiert als Steuerprüfer und Laienprediger, will mal ins Kloster. Und wenn Frank, der Zahnarzt, den alten Spruch hört vom Lob der Onanie, huscht ihm noch heute ein bübisches Grinsen über die saturierten Züge: ›... sie stärkt das Hemd und schwächt die Knie...‹ Pennälerschicksale, 35 Jahre danach, die günstigen. Es gibt andere: ›Tarzan‹, der immer so abenteuerlich sein wollte wie die Helden im Fünfziger-Jahre-Comic ›Sigurd‹, blieb als Photoreporter in Vietnam verschollen. Der starke Kurt, der Handstand auf dem Tisch machen konnte, raste mit dem Porsche gegen den Baum. Und Erwin, den sie ›Zitteraal‹ riefen, weil er immer bebte, wenn er vom Lehrer gefragt wurde, halfen auch die Elektroschocks, nicht mit denen man später seine Depressionen behandelte: Mit 32 Jahren erhängte er sich. Daß Klaus, der Maler, der seinen Mitschü-

199 In der letzten dokumentarischen Szene des ersten Teils wird es schließlich abgerissen. 200 »Eine geschlossene Gesellschaft (2)«, in: Abendzeitung, 5.04.1990. 201 »Es ist ein Aug‫«ތ‬, in: Der Spiegel, Nr. 49, 30.11.1987, S. 232f., hier S. 232. 202 D.L.: »Ein Stück Geschichte«, in: Frankfurter Rundschau, 5.04.1990.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 191

lern das Höhlengleichnis vorlas und die verlogene Atmosphäre im Internat nicht mehr aushielt, seit damals im Irrenhaus sitzt ... traurig, traurig.«203

Heraus kam ein Mosaik aus Einzelschicksalen und weiteren Erinnerungsfragmenten, die sich doch gleichsam nach denselben restaurativen Motiven ordnen lassen, wie bei Haneke: Unsicherheit, Unterdrückung, Einsamkeit, Lebensunfähigkeit. Breloers Bild war dabei dennoch weniger düster als das Hanekes, denn bei ihm gab es im zweiten Teil, trotz aller Hindernisse, zumindest einen gewissen Auf- und Ausbruch aus dem restaurativen Gefängnis. In den fiktionalen Spielszenen eingeleitet durch die Aufnahme einer Gruppe neuer ›Problemschüler‹ aus anderen Schulen entwickelt sich allmählich eine Dynamik gegen die restaurativen Beschränkungen: »die Schüler, für die Geschichtsunterricht und Aufklärung nicht stattfanden (Hitler tabu, Sexualität tabu, neue Literatur tabu), suchten sich ihre Rebellen-Nischen im Jazz«,204 aber auch in der Lektüre ›verbotener‹ Literatur wie Nietzsche. In EINE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT waren die zentralen Protagonisten der Restauration Lehrer und Erzieher, die Eltern blieben im Hintergrund. Das freilich nicht in neutraler Weise, auch sie hatten ihren Anteil am Schicksal der Schüler. Zum einen waren die Kinder »Opfer des Wirtschaftswunders: Die Eltern haben keine Zeit, aber dafür eben genügend Geld, sie in ein Internat zu stecken.«205 Zum anderen schien es, als sei die elterliche Entscheidung, die Erziehung der Kirche zu überlassen, auch »ein Produkt der Sinnkrise nach dem Krieg, als die Eltern nicht wußten, wie Hitler innerlich zu ersetzen war, und auf Katholisches zurückgriffen«.206 Im ersten Teil des Films sagt der damalige Präfekt Lucas dazu: »Man war der Meinung, nach dem verlorenen Krieg, nach all dem Schlimmen, was in der nationalsozialistischen Ära passiert war, daß man nur dort wieder ansetzen konnte, wo man eigentlich aufgehört hatte.« Die Erziehung war der Ort, an dem die Werterestauration in Reinform praktiziert werden konnte. Bildhaft stellte Breloer den Zeitbezug zu den 50er Jahren vor allem über fiktionale Rückzugsorte her: Im fiktionalen Part liest beispielsweise der junge Heinrich abends in seiner Schlafkammer einen Akim-Comic (vgl. Abb. 48-49), über den italienischen Tarzan-ähnlichen Held vieler Kinder in den 50er Jahren. Hierüber entspinnt sich ein Wertekonflikt. Der Präfekt zerreißt ihn sofort als »Schund […], der nicht mal mit der Zange« angefasst werden kann, der Junge sammelt die wenigen verbliebenen Schnipsel auf und liest sie weiter. Im dokumentarischen Teil wird der Comic dem Präfekten Lucas und einigen der Klassenkameraden noch einmal vorgelegt. Die ehemaligen Schüler erinnern sich sofort an die anziehende »Traumwelt«, 203 »Es ist ein Aug‫«ތ‬, in: Der Spiegel, Nr. 49, 30.11.1987, S. 232. 204 »Eine geschlossene Gesellschaft (2)«, in: Abendzeitung, 5.04.1990. 205 Carla Woter: »Ehemaligen-Treffen«, in: General-Anzeiger, 5.04.1990. 206 »Es ist ein Aug‫«ތ‬, in: Der Spiegel, Nr. 49, 30.11.1987, S. 232.

192 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

in der Akim, der Sohn des Dschungels Stärke und Freiheit für sie symbolisierte, der Präfekt erklärt ihn nach damaliger Lesart von Text und Visuellem für anstößig, da in dem Comic eine falsche, nicht-christliche Lebenseinstellung vermittelt werde (vgl. Abb. 50). Auch der Comic Sigurd, der ritterliche Held kommt in einer fiktionalen Szene vor, dort als Tauschgut gegen eine Scheibe »Gold-Ananas« im Schlafsaal, und ebenso einer der Winnetou-Bände von Karl May. Weitere Zeitmarker sind Archivbilder von Kinofassaden, einer Kinokasse sowie Kinoplakaten, Filmszenen und -trailern von Produktionen wie Der Fremdenführer von Lissabon, Rasputin, Die verführerische Schönheit, Ali Baba und die Vierzig Räuber Glanz und Zauber des Fernen Ostens. Breloer als Erzähler schaltete sich in die mit diesen Bilder überlagerte fiktionale Spielszene ein und erklärte, »Deli«, »Magnet«, »Germania« und »Metropol« seien seine Kinos daheim gewesen, »hinter dem Vorhang begann eine andere Welt«, wenn er an Wochenenden nach Hause fuhr. Abb. 48-50: Akim-Comic als Zeitmarker und Erinnerungsanreiz

Quellen: Videostills aus EINE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT, TEIL 1: DIE REKORDBETER (ARD 1987), 33:34-35:54 (Orig.i.F.).

Als ein weiteres gesellschaftliches Problemfeld wird in den Filmen Sexualität thematisiert. In HUNGERJAHRE (ZDF 1980) steht die sexuelle Prüderie im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Restaurationsdeutung. Vermittelt durch die Erziehung ihrer Mutter lernt Ursula Sexualität als problembehaftet kennen. Einerseits drohen die Gefahren, ungewollt schwanger zu werden und nicht mehr vorankommen zu können oder den guten Ruf zu verlieren: »Also klemmten wir die Beine fest zusammen, denn am Ende eines jeden Flirts in der Eisdiele, einer jeden Fahrradtour sahen wir die Gretchen-Tragödie.« Jungfräulichkeit gilt als zu wahrende Tugend, gleichzeitig scheint Aufstieg auch für Frauen zugänglich. »Aber wir waren keine Gretchen mehr, wir waren neugierige gebildete junge Mädchen.« Folglich waren die »Seelen der Töchter […] hin und hergerissen zwischen dem Ahnen, den Forderungen der neuen Freiheit und dem Schraubstock der alten Zwänge und Behinderungen.« Die Mutter selbst ist, durch ihre eigene Erziehung gehemmt, nicht in der Lage und willens, ihre Tochter richtig aufzuklären, meist kommen bei Ursula nur Andeutungen und Warnungen an. Exemplarisch zeigt sich dies an einer Szene, in der Ursula erstmals ihre Menstruation bekommt und ihre Mutter recht verängstigt um Rat fragt.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 193

Die Mutter erklärt ihr wenig, verweist aber direkt darauf, Ursula müsse nun mit Jungen vorsichtig sein: »Du darfst dich auf keinen Fall mehr mit ihnen einlassen.« Als Ursula einige Nachfragen stellt, unterbindet ihre Mutter dieses mit dem Hinweis, sie solle nicht so neugierig sein und sie würde es ohnehin noch im Biologieunterricht lernen. Die Mutter ist, so wird in den folgenden Gesprächen mit Tante und Großmutter deutlich, selbst gefangen in den Konventionen. Tante und Großmutter legen ihr vehement nahe, von nun an ein besonderes Auge auf die geschlechtsreife Ursula zu haben. Das Gefangensein der Mutter im selben überkommenen Wertesystem zeigt sich im weiteren Verlauf des Films auch immer wieder an ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann. Politische Restauration: Wiederbewaffnung Weitere Elemente der restaurierten Gesellschaft und damit Themen in den Fernsehspielen waren das geringe politische Engagement und die politische und gesellschaftliche Kontinuität seit dem NS. Beide ließen sich auf das bürgerliche Konzept von gesellschaftlicher Stabilität und Ruhe zurückführen: Die bürgerlichen Eliten kamen von der Vergangenheit nicht los, sei es, dass sie sie verdrängten und nur nach vorne schauten oder sie verklärten. In punkto mangelnde politische Beteiligung war die Wiederbewaffnung Ende der 1970er Jahre das vielleicht entscheidendste politische Einzelereignis im linken, restaurativen Geschichtsbild. Die Erinnerung an sie trug zur Legitimation der aufkommenden Friedensbewegung bei. An ihr konnte die Indifferenz der Wohlstandsgesellschaft gegenüber der neuerlichen Militarisierung gezeigt werden, ihre stumme Hinnahme einer Politik, die dort anzuknüpfen drohte, wo der deutsche Staat im Zweiten Weltkrieg aufgehört hatte. Hier bildete sich eine Kontinuitätslinie vom Militarismus des Deutschen Kaiserreichs über den Nationalsozialismus bis in die Gegenwart der 50er Jahre. Im Zuge der Renaissance der Restaurationsthese fand Wolfgang Koeppens Werk neben dem Heinrich Bölls neue Beachtung.207 Peter Goedels mit einem Bundesfilmkreuz ausgezeichnete Verfilmung von Koeppens Roman DAS TREIBHAUS ist eines der bekanntesten filmischen Beispiele dafür. Die Hauptfigur Keetenheuve, ehemaliger Exilant und SPD-Abgeordneter, hält 1952 im Bundestag eine Rede gegen die Wiederbewaffnung, er setzt vergeblich auf die Moral in der Politik und spielt zuletzt damit, sich das Leben zu nehmen. Im Vergleich zur Vorlage spitzte Goedel die Geschichte stärker auf die Kritik an der Wiederbewaffnungspolitik zu. Im Buch wird Keetenheuve nicht wie im Film nur als glänzender Pazifist und Moralist, sondern auch in seinem privaten Scheitern dargestellt. Dafür war bei Goedel kein Platz, er konzentrierte sich auf Keetenheuves Rolle in der politischen Streitfrage. 207 Conny Sauer: »Ein Pyjama zu viel«, in: TAZ, 29.10.1987.

194 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Drastisch stellte der Regisseur die Kontinuität der deutschen Politik seit dem Nationalsozialismus dar. In der Anfangssequenz sieht man Archivbildaufnahmen der Regierungserklärung Helmut Kohls zum NATO-Doppelbeschluss aus dem Jahr 1983 (vgl. Abb. 51). Kohl stellt sich hierin selbst in eine Traditionslinie mit Konrad Adenauer. So verwendet er zum einen dieselben rhetorischen Stilmittel und Schlüsselworte Kohls: »Wir stehen auf der Seite der Freiheit« entspricht Adenauers Ausspruch »Wir wählen die Freiheit«, mit der jener 1952 für die Westintegration warb.208 Zum anderen verweist Kohl explizit darauf, in seiner Regierungskoalition den Weg Adenauers fortzusetzen und das Bündnis mit den Westmächten aufrecht zu erhalten: »Wir sind keine Wanderer zwischen Ost und West.« In der nächsten Einstellung sieht man zu den Klängen von Wagners Rheingold das Bundesviertel am Rhein bei Sonnenuntergang (vgl. Abb. 52). In der ersten Spielszene des Films sitzt Keetenheuve im Zug nach Bonn (vgl. Abb. 53), auf dem Weg zur Abstimmung über die Wiederbewaffnung. Im Off ertönt die Erzählerstimme: »Alles schien offen, gleich nach dem Ende des Krieges. Viele hofften wie der Abgeordnete Keetenheuve auf ein Land ohne Waffen. Aber dann kam der Kalte Krieg und die Frontlinie verlief mitten durch Deutschland. Die Welt rüstete auf. Man sprach wieder von Waffen. Auch in der jungen Bundesrepublik.« Daran anschließend werden Archivbilder von der Urteilsverkündung gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS in den Nürnberger Prozessen gezeigt (vgl. Abb. 54). Abb. 51-56: Verbindung verschiedener Zeitebenen in DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989)

Quellen: Videostills aus DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989), 00:49-09:10 (Abb. 51 u. 52: Orig.i.F.).

208 Dieser Satz wird ebenfalls später im Film zitiert.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 195

Der Sprecher kommentiert die Fahrt des Abgeordneten im »Nibelungenexpress« und beschreibt den Geruch im Zug und in Deutschland als sie nach »neuem Anstrich, nach Innovation und Restauration« suchte (vgl. Abb. 55). Es folgen erneut Archivbilder, diesmal von Konrad Adenauers Rede von 1952 zur Begründung eines deutschen Wehrbeitrags im Bundestag (vgl. Abb. 56). Während Koeppen die Fiktionalität seiner Erzählung und ihrer Charaktere betonte, bei ihm war »der Kanzler eine Romanfigur«, setzte dagegen Goedel von Beginn an darauf, Koeppens Vorlage explizit in ihren realpolitischen Kontext zu setzen, denn in den »Wochenschaudokumenten […] ist Adenauer natürlich Adenauer«. Damit wählte Goedel eine andere Form der Authentifizierung der Geschichte; war bei Koeppen die Erzählung eine Metapher, gewann sie bei Goedel dokumentarische Qualitäten. Nur der Abgeordnete Keetenheuve blieb bei ihm fiktiv. Goedel stellte sich so in die Tradition der expliziten offensiven Kritik, wie sie auch in den übrigen restaurativen Fernsehspielen zum Ausdruck kommt. Sobald nämlich »der wirkliche Adenauer auftritt, bricht der labile Fiktionsrahmen des Films irreparabel zusammen.«209 Abb. 57-62: Wiederbewaffnung und KPD-Verbot in HUNGERJAHRE (ZDF 1980)

Quellen: Videostills aus HUNGERJAHRE (ZDF 1980), 69:53-71:54.

Ebenfalls besonders stark auf den Kontinuitätsaspekt bei der Wiederbewaffnungspolitik zielte Storz in MUSIK AUF DEM LANDE (ZDF 1980) ab. Lehrer Saalfelds kritischer Geschichtsunterricht führt hier zu einer Ermahnung durch den Direktor Dr. Sommertranck. Dieser betont, Saalfelds Thematisierung der NS-Vergangenheit im

209 Alle Zitate aus: Klaus Kreimeier: »Bilder als Beiprogramm«, in: Frankfurter Rundschau, 10.03.1988.

196 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Unterricht habe »in den Familien zu unguten Situationen geführt«.210 Seine Kritik am deutschen Militarismus im Kaiserreich sei mit schuld an den jugendlichen Protesten gegen die Wiederbewaffnung.211 Thomas Thieringer bemerkte in seiner Kritik bissig: »Wenn’s unter der Jugend Proteste gibt (gegen Korea-Krieg und Wiederbewaffnung), dann kann’s nur am Geschichtsunterricht eines ›reingeschmeckten‹ Lehrers liegen, der die Interessen der ›Würdigen‹ nicht kennt.«212 Außer in DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989), MUSIK AUF DEM LANDE (ZDF 1980) sowie Fassbinders Filmen DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) und LOLA (BRD 1981) taucht die Wiederbewaffnung auch in HUNGERJAHRE (ZDF 1980) auf. Sie ist hier roter Faden für eine Montagesequenz zur politischen Restauration: Im Musikunterricht spielt Ursulas Lehrerin am Klavier nostalgisch das Fahnenlied der Hitlerjugend (vgl. Abb. 57/58). Es folgt ein Archivfoto des eisernen Kreuzes mit der Inschrift »Nie wieder«, begleitet von Ursulas Stimme im Off, die Fakten zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und zum Verbot der KPD im selben Jahr nennt (vgl. Abb. 59/60). Die darauf folgenden Archivbilder von mit Schlagstöcken bewaffneten Polizisten – wie auf den späteren Demonstrationen der 68er – beim gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten sind unterschnitten mit einer Stellungnahme des damaligen Innenministers Schröder zum KPD-Verbot, in dem er – offensichtlich in Vorspiegelung des späteren Radikalenerlasses – ankündigt, gegen die »irregeleiteten« Anhänger der KPD keine »Hexenjagd« führen, ihnen »ihren Arbeitsplatz nicht rauben« zu wollen (vgl. Abb. 61/62). Die Frequenz vermittelte so nicht nur die Kontinuität der Restauration, mithilfe der Bildähnlichkeiten sollte zugleich eine Verbindung zwischen den Protesten der 1960er (sowie 1970er und 1980er) Jahre und ihren Vorläufern in den 50er Jahren nebst gesellschaftlicher Reaktion hergestellt werden: »Die Studenten gingen 1968 auf die Straße, um diese Gesellschaft, die sich in den 50er Jahren gebildet hatte, abzuschaffen.«213 Als Anknüpfungspunkt für verschiedene Aspekte der politischen Restauration, war das Thema Wiederbewaffnung ein wiederkehrendes Element in vielen Filmen dieser Zeit und avancierte zu einem festen Bestandteil des 50er Jahre Kanons der Fernsehspiele in den 1980 Jahren.

210 17:15. 211 Die verteidigende Entgegnung Saalfelds lässt darauf schließen, dass er den Schülern eine Kontinuitätslinie vom Preußischen Militarismus über den Ersten zum Zweiten Weltkrieg zu vermitteln suchte: »Aber deutsche Geschichte von 1870 bis 1914 – wenn da einer anfängt nachzudenken – Nationalismus und Militarismus sind ja nicht 1933 gewitterartig vom Himmel gefallen.« (16:35ff.) 212 Thomas Thieringer: »Stolperstrecke«, in: Süddeutsche Zeitung, 23.12.1980. 213 Jutta Brückner, zitiert nach: Wiebel: Mattscheibe, S. 293.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 197

2.3 Authentizität in Details: Erinnerungsperspektiven Ebenfalls von der subjektiven Erinnerung ausgehend konzentrierten sich einige Filmemacher primär auf die Vermittlung eines Geschichtsbilds, das zwar an die kollektiven generationalen Erinnerungen Anschluss suchte, dabei jedoch in weitaus geringerem Maße eine gesellschaftskritische Verallgemeinerung im Sinne der Restaurationsthese anstrebte. Kindheit, Jugend und Heimat waren die Anschlussstellen, an denen sich die eigene Geschichte mit derjenigen der Generation traf, es waren Orte, an denen persönliche Erinnerungen subjektiv bleiben und doch zugleich auf generational geteilte Erfahrungsschätze verweisen konnten. Daraus ließ sich eine authentische Geschichte von unten erzählen, in der die Erinnerung an die 50er Jahre im Zentrum stand, nicht ihre politische Kontextualisierung. So wurde beispielsweise die Serie HEIMAT (ARD 1984) als »eines der größten mnemotechnischen Unternehmen des deutschen Films«214 bezeichnet. Am klarsten auf diese subjektive Erinnerungsperspektive in Form einer Alltagsgeschichte setzten die beiden einzelnen Fernsehspiele DER TAG AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979) und FÜR’N GROSCHEN BRAUSE (ZDF 1983), die Mehrteiler HEIMAT (ARD 1984), PETTICOAT (ARD 1989) und BRAUSEPULVER (ZDF 1989) – wobei letzterer für das Kinderprogramm produziert worden war – sowie die langen Serien NIRGENDWO IST POENICHEN (ARD 1979) und LÖWENGRUBE (BFS3 1989-1992). Im Gegensatz zu den Filmen der restaurativen Bürgerlichkeit, die überwiegend in der Tradition des Neuen Deutschen Films als einzelne Autorenfilme produziert worden waren, gab es bei diesen Sendungen demnach einen gewissen Trend zu seriellen Formaten. Erinnerungsperspektive Im Zentrum des ARD-Mehrteilers HEIMAT (ARD 1984) von Edgar Reitz stand die Chronik der Familie Simon in dem fiktiven Dorf Schabbach im Hunsrück zwischen 1919 und 1982. Im Spiegel der politischen Umbrüche in dieser Zeit erfährt der Zuschauer zahlreiche Einzelgeschichten innerhalb des Dorfes, die Reiz assoziativ zu einem Ganzen ordnete. Er verblieb meist in der Örtlichkeit des Dorfes und der betrachteten Familie, ihr Schicksal wird erzählt, detailgenau, ohne am Ende symbolisch für eine nationale Erinnerung zu stehen. Zitat Reitz: »Die Bilder in meinem Gedächtnis sind deutsch, ich produziere deutsche Erinnerungen, weil man Erinnerungen nicht organisieren kann. Heimat und Nation aber sind ein Widerspruch.«215 Heimat stellte er der Nation explizit entgegen, weil sie nicht verallgemeinert, son214 Gundolf Hartlieb: In diesem Ozean der Erinnerung. Edgar Reitz' Filmroman Heimat – ein Fernsehereignis und seine Kontexte, Siegen: Universität Siegen 2004, S. 49. 215 Anna Mikula: »Edgar Reitz, ein Deutscher«, in: Zeit-Magazin, 26.10.1984, S. 42.

198 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

dern konkretisiert sei. Heimat und die mit ihr verbundenen Erinnerungen könnten zudem widersprüchliche Assoziationen wecken und vorfinden. Gerade auf dieses assoziative Funktionieren menschlicher Erinnerung verwies Reitz. Kontextgebunden waren die persönlichen Erinnerungen des Autors also, die das Geschichtsbild in HEIMAT prägten, aber sie sollten kein nationales Sendungsbewusstsein formieren, sollten keine (National-)Geschichte an einem Fallbeispiel erläutern. »Es geht nicht darum, ›dieses Jahrhundert am Beispiel eines Dorfes‹ zu schildern, sondern umgekehrt, die zum Teil rätselhaften, zum Teil derb-komischen, zum Teil aber auch völlig unseriösen Geschehnisse so absolut zu setzen, dass man deswegen unwillkürlich nach der übrigen Welt fragt.«216 Lena Scholz sah daher in HEIMAT »das Politische und Zeitgeschichtliche auf das zurückgedrängt […], was für die individuelle Erfahrung […] spürbar war.217 Auch das Fernsehspiel DER TAG AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979) ist aus dieser persönlichen Erinnerungsperspektive erzählt, die nicht in erster Linie auf Gesellschaftskritik der 50er Jahre setzte. Im Mittelpunkt des Films stehen der 17jährige Lehrling Karl-Heinz Teschner und dessen unglückliche Liebe zu der gleichaltrigen Monika, die ihrerseits in einen amerikanischen GI verliebt ist. Als Aufhänger fungiert, dass Karl-Heinz sehnsüchtig die Stationierung Elvis Presleys in Bremerhaven erwartet, dessen Ankunft er zuletzt jedoch verpasst, nachdem Monika und er sich am Ende doch noch näher kommen. Hier tritt das historischsymbolhafte Ereignis um die prominente Ikone der 50er Jahre also in den Hintergrund, wird unwichtig, angesichts der privaten Geschehnisse. Handlung und Darstellung waren dabei laut Aussage des Autors Horst Königstein in hohem Maße von seinen eigenen Kindheitserinnerungen geprägt, so stimmten viele Umstände, in denen sich die Hauptfigur bewegt, mit biografischen Details aus dem Leben Königsteins überein.218 Seine Erinnerungen waren in ihrer Subjektivität dennoch anschlussfähig an das generationelle Gedächtnis. »Vor drei Jahren habe ich angefangen, mir diese Bilder aus dem Kopf rauszuschreiben. Und etwas Absehbares ist passiert: Ich habe meine Bilder bei anderen wiedergefunden. Viele haben die gleichen Erfahrungen. Viele sind über die ersten ›antikulturellen‹ Erlebnisse miteinander verbunden – aufgeschlitzte Kinosessel, Musikboxen in Eisdielen, Elvisfotos am Kleiderschrank, Skiffler in Jazzkellern.«219 Wie auch HEIMAT legte es der Film dagegen nicht darauf an, all dies zur Rahmenhandlung für eine restaurative Gesellschaftskritik zu machen. So hoben viele 216 Edgar Reitz/Michael Töteberg: Drehort Heimat. Arbeitsnotizen und Zukunftsentwürfe, erw. Neuausg, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2004, S. 9 217 Lena Scholz: Die Konstruktion von Geschichte in Edgar Reitz' Zweiter Heimat, Siegen: Universität Siegen 1996, S. 75. 218 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 3/79, S. I/3. 219 Horst Königstein: »Überlebensphantasien«, in: ARD-Fernsehspiel, 2 (1979), S. 71.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 199

Kritiker gerade positiv hervor, dass sich das Fernsehspiel auf das Private konzentrierte: »Der Geschichte eines 17jährigen Jungen im Jahr 1958 wird nicht von außen her eine zusätzliche politische und zeitkritische Dimension hinzugefügt. Autor Horst Königstein vertraute mit Erfolg den Dingen, die sich im privaten Bereich ergaben.«220 Dies nicht, um damit wieder einmal die nostalgische Verklärung zu bedienen, aber doch, um den eigenen Erinnerungen ihren spezifischen Raum jenseits der reinen Restauration zu belassen: »Es wird gezeigt, wie arm und trist das Leben damals war, verglichen mit dem von heute. Keine Spur von Wirtschaftswunder in Kleinbürger- und Arbeiterkreisen. Und dennoch, oder gerade deshalb, war alles voller Abenteuer.«221 Unpolitisch dagegen waren auch diese Fernsehspiele nicht, sie bewegten sich durchaus über eine reine Rechercheübung in den eigenen Erinnerungen hinaus: »Nur plakatieren sie ihre wie auch immer fragmentarischen Einsichten nicht, sie interessieren sich und uns nur nachhaltig für bestimmte Verhältnisse und Lebensgeschichten darin«222. In vielerlei Hinsicht ein gänzlich ungewöhnliches Projekt stellte wiederum das vierteilige Fernsehspiel WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) dar, das eine Spielhandlung mit kabarettistischen und musikalischen Showeinlagen, einem Moderator und Wochenschauaufnahmen vereinigte.223 Im Mittelpunkt steht die Familie Baumann: Friseur Otto F., seine Ehefrau Liselotte und ihre sechszehnjährige Tochter Sabine. Die Baumanns sind bei Kriegsende aus Berlin nach Stuttgart geflohen. Nach einigen Rückschlägen gelingt ihnen der Aufbau einer sicheren Existenz in Gestalt eines eigenen Friseursalons. Für Geschichtssendungen erreichte WAS WÄREN WIR OHNE UNS ungewöhnlich hohe Einschaltquoten zwischen 39 und 44 Prozent, folglich sahen bis zu 16 Millionen Zuschauer die einzelnen Teile. Auch war die Sendung ein ›Mehr-Generationen-Projekt‹: Idee und Konzept stammten von Reinhart Müller-Freienfels (*1925)224 und Wolfgang Menge (*1924), die Anfang der 50er Jahre schon Mitte zwanzig gewesen waren.225 Sie bezogen Ulrich Schamo220 Hans-Günther Pflaum: »Gewöhnung an ein Warensystem«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 16, 19.04.1979, S. K6. 221 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 3/79, S. I/3. 222 Hans Janke: »Glaubwürdig«, in: epd, Nr. 30/31, 21.04.1979, S. 18. 223 Aufgrund seiner Form, die stilprägend für die dokumentarische Form der Mosaiksendungen wurde, vgl. die Ausführungen in Kapitel IV.3.2. 224 1961 bis 1985 Leiter der Hauptabteilung Fernsehspiel beim Süddeutschen Rundfunk. Vgl. hierzu Netenjakob: TV-Filmlexikon, S. 280. 225 Drehbuchautor zahlreicher Fernsehspiele u.a. der STAHLNETZ-Reihe (ARD 1958-1968) und der Serie EIN HERZ UND EINE SEELE (ARD 1973-1976). In den 1970er Jahren suchte Menge in seinen Fernsehspielen nach neuen Formen und probierte in DAS MILLIONENSPIEL (ARD

1970) und SMOG (ARD 1973) Verfremdungseffekte aus, indem er mit

200 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ni (*1939)226, der später als Regisseur engagiert wurde, bereits intensiv in die Vorarbeiten ein, »denn er hat ja gerade diese Zeit als Kind bzw. als Heranwachsender miterlebt und kann daher etliches Interessantes beisteuern«.227 Außerdem beschäftigten sie mit Hans Hellmut Kirst (*1914) und Heinz Pauck (*1904) bewusst zwei Co-Autoren, die durch ihre literarisch-filmischen Produktionen in den 50er Jahren bekannt geworden waren.228 Damit unterschied sich WAS WÄREN WIR OHNE UNS deutlich sowohl von den restaurativen Fernsehspielen als auch von HEIMAT (ARD 1984) und DER TAG, AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979). Im wahrsten Sinne war WAS WÄREN WIR OHNE UNS ein Familienprogramm, in dem

Genreerwartungen und Programmanordnungen des Fernsehens experimentierte. WAS WÄREN WIR OHNE UNS

fiel ans Ende dieser Schaffensphase. In der Folge wendete er

sich vermehrt historischen Themen zu, denen er sich über eine alltags- und erfahrungsgeschichtliche Perspektive näherte, die Menges Anspruch erfüllen sollte, »politische Aufklärung für ein möglichst großes Publikum zu bewirken, indem die Trennung von Politik und Unterhaltung aufgehoben wird« (Ingrid Wesseln: »Zwischen prophetischer Weitsicht und kritischer Stellungnahme. Die Ost-West-Fernsehspiele Wolfgang Menges«, in: Birgit Peulings/Rainer Maria Jacobs-Peulings (Hg.), Das Ende der Euphorie – Das deutsche Fernsehspiel nach der Einigung, Münster: Lit 1997, S. 151-168, hier S. 158); vgl. Netenjakob: TV-Filmlexikon, S. 259-262. 226 Schamoni galt als Vertreter des Neuen Deutschen Films, der sich seit Anfang der 1960er Jahre offen gegen den verklärenden Stil des Nachkriegskinos wandte. Sein Stil war geprägt von in leichter Satire verpackter Gesellschaftskritik und stellte den Unterhaltungsaspekt stärker als andere Vertreter des Neuen Deutschen Films in den Vordergrund. 227 Brief Müller-Freienfels an Menge vom 7.10.1976, in: SWR-HA, 29/1364. 228 Vgl. Briefwechsel zwischen Müller-Freienfels und Kirst, in: SWR-HA, 29/1363 und 29/1364, sowie zwischen Müller-Freienfels und Pauck, in: SWR-HA, 29/1364 und 29/1365. Hans Hellmut Kirst war 1954 mit seiner Romantrilogie 08/15 bekannt geworden, zwischen 1954 und 1956 von Paul May in drei Teilen verfilmt (BRD 1954-1956). Zur Zeit der öffentlichen Diskussion um die Remilitarisierung der Bundesrepublik wurde der Film öffentlich heftig diskutiert und von militärischer und politischer Seite scharf angegriffen. Interessant ist, dass auch diese Filme schon auf einen »dokumentarischen Gestus« setzten, der die damalige Stimmung als Soldat wiedergeben sollte, gleichzeitig aber unterhaltend blieb (vgl. Hickethier: Militär). Heinz Pauck hatte sich in den 1950er Jahren einen Ruf als Drehbuchautor erworben, der in seine Unterhaltungsfilme immer wieder zeitsatirische Anspielungen einband, z.B. in WIR WUNDERKINDER (BRD, 1958), DAS WIRTSHAUS IM SPESSART (BRD, 1958) oder DIE ZÜRCHER VERLOBUNG (BRD, 1957). Offenbar suchten Menge und Müller-Freienfels sich die Co-Autoren auch nach dem beabsichtigten Stil der Fernsehsendung aus.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 201

durch die Beteiligung verschiedener ›Generationen‹ Anknüpfungspunkte für ein Publikum verschiedener Altersgruppen geschaffen werden sollten. Im Vordergrund stand daher auch nicht, die eigenen Erinnerungen der Macher so genau wie möglich in das Fernsehspiel zu übertragen. Vielmehr sollte ein Eindruck des Typischen vermittelt werden, der laut den Kritiken vor allem durch die familienbiografische Inszenierung der Baumanns verstärkt wurde. So betonte ein Kritiker, die Handlung sei »nichts rein Dokumentarisches und auch keine rein erfundene Geschichte; Wolfgang Menge erdachte sich eine Stuttgarter Normalverbraucherfamilie«.229 Dies markierte schon der Vorname ›Otto‹, den verschiedene Kritiker zum Anlass nahmen, um Parallelen zum Film BERLINER BALLADE (D 1948) zu ziehen, in dem Gerd Fröbe die Figur des ›Otto Normalverbrauchers‹ gespielt hatte.230 Das Typische wurde aber auch durch den Erzähler betont, der die Familie entsprechend einführt und mittels Unterbrechungen versucht, die Geschichte durch Hintergrundinformationen und Erklärungen zu historisieren. In solchen Momenten wurde die Handlung durch den Moderator zu einem dokumentarischen Live-Dokument stilisiert, in dem die Figuren direkte Auskunft über ihr Leben und Fühlen in den 50ern geben können, wodurch der Aspekt der Konstruktion von Geschichte durch Vergegenwärtigung immer wieder eine Thematisierung erfuhr. Dabei repräsentierten auch einige Nebenfiguren typische Gesellschaftsvertreter: Oberstudienrat Schulze-Festberg, der als Geschichtslehrer und Akademiker dem Moderator Auskunft gibt, und Herr Schlottau, inszeniert als typischer Karrierist, der, im Gegensatz zu Otto Baumann, versucht, den Aufschwung clever für den eigenen wirtschaftlichen Aufstieg zu nutzen und dabei hohe Risiken bei seinen Geschäften eingeht. In WAS WÄREN WIR OHNE UNS wurde also die Erinnerungsperspektive mehrerer Generationen genutzt, um typische Bilder der 50er Jahre erzeugen zu können. Authentizität im Detail Detailgenauigkeit war ein wichtiges Mittel in alle diesen Fernsehspielen, um Authentizität zu erzeugen und Erinnerungsassoziationen zu wecken. Entsprechend viel Mühe verwendeten die Macher auf Kulissen und Setting. Bei WAS WÄREN WIR OHNE UNS verwiesen so beispielsweise viele Kritiker darauf, die »detailbesessene Ausstattung«,231 liefere durch ihre Echtheit und Originali-

229 Hannes Sternthal: »Legenden aus der Nachkriegszeit«, in: Deutsche Volkszeitung, 22.2.1979. 230 Clara Menck: »Als Nierentische der letzte Schrei waren«, in: Frankfurter Rundschau, 5.2.1979; witz: »Auf dem Nierentisch«, in: Stuttgarter Zeitung, 9.2.1979. 231 Hgk: »Nur teilweise geglückt«, in: Badische Neueste Nachrichten, 9.2.1979.

202 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

tät einen »objektiv-historische[n] Hintergrund«.232 Die Kulissen, die, wie man aus Berichten über die Produktion wusste, oft schwierig zu beschaffen gewesen waren,233 verbürgten die Echtheit und Originalität der Inszenierung und wurden bewusst in Szene gesetzt. So wurden insbesondere die jeweiligen familiären Wohnverhältnisse ausführlich vorgestellt und eingebunden. In der Handlung des ersten Teils Anfang der 50er Jahre sind die Wohnverhältnisse der Familie noch beengt, was im Bild durch den alltäglichen Tagesablauf der Baumanns zwischen Aufstehen und Frühstück in einer Fünf-Zimmer-Wohnung mit vier Mietparteien gezeigt wird (vgl. Abb. 63). Abb. 63-64: Wohnungseinrichtung als Zeitmarker

Quelle: Videostills aus WAS WÄREN WIR OHNE UNS, TEIL 1: 1950 (ARD 1979), 15:14, TEIL 4: 1953 (ARD 1979), 46:00 (Orig.i.F.)

Um dies noch weiter zu verdeutlichen, stellt der Moderator die Wohnung der Baumanns für die Zuschauer nochmals separat vor und betont die Wohnungseinrichtung in ihrer Funktion als Zeitmarker. Als die Baumanns in der vierten Folge, dank des Wirtschaftswunders, ihre Räume neu einrichten können, entwickelt sich die Wohnung zum Prototyp für die 50er Jahre: ›typische‹ Wohnaccessoires wie Tütenlampe, Nierentisch, bunte Tapeten und ›moderne‹ Kommode – auf die Sabine im Gespräch explizit verweist – all das findet sich nun bei den Baumanns (vgl. Abb. 64). Jeder dieser Gegenstände wurde bewusst von den Machern inszeniert und entsprechend häufig in den Kritiken hervorgehoben. Die ›Echtheit‹ der Details erzeugte dabei als Ganzes eine atmosphärische Authentizität, die die Stimmung der 50er rekonstruieren sollte:

232 Friedrich Weigend: »Wir machen und wir spielen unsere eigene Geschichte«, in: Stuttgarter Zeitung, 14.6.1978. 233 vgl. ebd.; Otto A. Schölple: »Wo kriegt der bloß den alten Gutbrod her?«, in: Stuttgarter Nachrichten, 28.2.1979.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 203

»Denn am Erscheinungsbild des ›Potpourris‹ stimmte jedes kleinste Detail! Genau mit diesen scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten wird die Stimmung, das Gefühl der damaligen Zeit besser und treffender beschrieben als in langatmigen Erklärungen. […] UKW – auch mein Vater kaufte so einen amerikanisch angehauchten Radioapparat. Und ein Sofakissen hat man damals auch mitgenommen zum Familienausflug. Und die Schiebergeschäfte mit Kostbarkeiten von den Amis. Ende der fünfziger Jahre hab’ ich auch Lucky Strike geraucht«.234

Abb. 65-67: Objekte als Generationsmarker

Quellen: Videostills aus WAS WÄREN WIR OHNE UNS, TEIL 1: 1950 (ARD 1979), 42:28, 63:28; TEIL 4: 1953 (ARD 1979), 17:54 (Orig.i.F.).

Bei den Gegenständen und anekdotischen Erzählungen handelte es sich um mediale Cues, die bei vielen Zuschauern Erinnerungsanreize auslösten. Einige dieser Objekte hatten dabei sicherlich auch darüber hinaus die Funktion von ›Generationsmarkern‹, wie die Autos, das UKW-Radio oder der Kühlschrank (vgl. Abb. 65-67). Aber die Nebensächlichkeiten wirkten vielleicht noch viel authentischer, indem ihr überraschendes Auftreten »Ja-so-war’s-doch-Identifikationen«235 ermöglichte, die in ihrer dichten Folge den Eindruck des Historisch-Authentischen enorm verstärkten. Die einzelnen Episoden ergaben so bei vielen Zuschauern ein atmosphärisches Ganzes, das sich aus den vielen Details zusammensetzte, dabei aber einen Mehrwert erzeugte, den die Autoren als »Zeitbild«236 oder »Stimmungsbild«237 bezeichneten.238 Die Kulissen und Einschübe dienten für die ›Älteren‹ der Herstellung von

234 Otto A. Schölple: »Mensch, das war doch erst gestern!«, in: Stuttgarter Nachrichten, 9.2.1979. 235 Heide Werner: »Spurensicherung«, in: Saarbrücker Zeitung, 9.2.1979. 236 Hellmut A. Lange: »kritisch gesehen«, in: Neue Osnabrücker Zeitung, 9.2.1979; Klaus Wienert: »Adenauer und die Nylons«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 7.2.1979. 237 Barbara Rhode: »Mit Petticoat und Elvis-Locke«, in: Hör zu, 3.2.1979; Manfred Delling: »Lange Beine von Dolores«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.2.1979. 238 Während die Authentizität der Details überwiegend betont und anerkannt wurde, kritisierten einige Autoren, dass sich die Einzelstücke eben nicht zu einer Atmosphäre zu-

204 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Atmosphäre. Ein Grundmuster der Sendung bestand so darin, durch Erinnerungsanreize atmosphärische Authentizitätsfiktionen zu erzeugen. Im Fokus der Kabarettnummern standen häufig die von Rainer Gries als »Produkte der Sehnsucht«239 bezeichneten Konsumgüter: Kühlschrank, Auto, UKW-Radio, Fernseher und Urlaubsreisen.240 1979 waren dies alles selbstverständliche Güter des Alltagslebens, auf die das zeitgenössische Publikum entspannt-nostalgisch zurückschauen und sich die Erfüllung der alltäglichen Sehnsüchte vor Augen führen konnte.241 Gleichzeitig wurden diese Konsumgüter so zu typischen Produkten ihrer Zeit. Denn nach diesen strebte seit Anfang der 50er Jahre eine Mehrheit der Erwachsenen242 und stilisierte sie so zu »Generationsmarkern« der »Aufbaugeneration«.243 Detailgenauigkeit spielte aber nicht für die authentische Inszenierung des Typischen eine wichtige Rolle, gerade auch in der Darstellung der eigenen Erinnerungen wurde hierauf großen Wert gelegt. Zu DER TAG AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979) führte ein Kritiker aus: »Sorgfältig, liebevoll besieht und bedenkt der Film jedes Detail: Kordelschlipse, Blousons (kollektiv gekauft! Wie knapp wir gehalten wurden…), im Wannenbad einlaufende Jeans […] [vgl. Abb. 68] Nur, und das zeichnet den Film aus, dies alles zimmert kein sentimentales Museum, vielmehr: solche Aufmerksamkeit für’s einzelne entspricht der Sensibilität des Films für sein Personal und dessen Situation im wirtschaftlichen Take-off, im politischen Quietismus der Adenauer-Ära«.244

Das Filmteam stellte dabei explizit heraus, die verwendeten Kulissen und Requisiten sämtlich aus der Region Bremerhaven zusammengetragen zu haben:

sammenfügen würden. Vgl. hierzu z.B. Heiko Jensen: »Wenn das so weitergeht…«, in: Hör zu, 24.2.1979. 239 Gries: Generation, S. 195. 240 Dazu zählt auch die starke Betonung der Wohnungseinrichtungen, wie z.B. in der ausführlichen ›Wohnungsbesichtigung‹ in Teil 3, in der ›moderne‹ Möbel der 50er Jahre wie der Nierentisch oder Bäder mit Mischbatterie und Waschmaschine ausführlich thematisiert wurden. 241 Vgl. König: siebziger Jahre. 242 Vgl. Andersen: Traum, S. 92. 243 Hierunter fasst Rainer Gries die in den 1920er und frühen 1930er Jahren Geborenen, die Anfang der 50er Jahre ungefähr zwischen 18 und 30 Jahre alt waren. Da diese begrenztere Einteilung in unterschiedliche Alterskohorten von den Zeitgenossen im Falle der Sendung nicht vorgenommen wurde, wird hier breiter gefasst von den ›Älteren‹ gesprochen; Gries: Generation, S. 192, 196. 244 Hans Janke: »Glaubwürdig«, in: epd, Nr. 30/31, 21.04.1979, S. 18.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 205

»Keller und Böden wurden nach vergessenen Dingen aus den 50er Jahren abgesucht, nach Nierentischen, Tütenlampen [vgl. Abb. 69], Musiktruhen. Zwei Möbelwagen voller Einrichtungsgegenstände bekam die Tura-Film von der Bevölkerung für die Dreharbeiten zum Teil geliehen, zum Teil geschenkt.«245

Damit versuchten Königstein und Bringmann vergangene Heimat bzw. ein vergangenes lokales Heimatgefühl in authentisch detailgenauer Szenerie wieder auferstehen zu lassen, ohne dabei nostalgischer Verklärung zu verfallen. Ein Ziel, wie es auch Edgar Reitz in HEIMAT (ARD 1984) verfolgte. Reitz setzte auf regionale und lokale Detailgenauigkeit, die eine »authentische Atmosphäre der Bilder im einzelnen« erzeugen sollte.246 Damit grenzte er sich bewusst von der zeitgenössisch heftig diskutierten Produktion HOLOCAUST (NBC 1978) mit ihrer »internationalisierten Filmästhetik« ab.247 Reitz interessierte sich insbesondere für die »Geschichte der Dinge«248. So war die als Ort des familiären Lebens inszenierte Küche der Familie Simon ein Beispiel für Reitz‫» ތ‬große Affinität, ja Liebe zu unbelebten Gegenständen«.249 Abb. 68-69: Details in den Kulissen: ›im Wannenbad einlaufende Jeans‹ und Inszenierung von Tulpenlampen.

Quelle: Videostills aus DER TAG, AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979), 58:23; 15:16 (Orig.i.F.)

Zu solchermaßen durch Details erzeugter Authentizität gehörte auch, dass die Jugendlichen in DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM von Laienschauspielern aus der Region gespielt wurden, wodurch die Macher des Films der jugendli245 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 8/79, S. I/1. 246 Edgar Reitz: »Made in Germany«, in: tip-Magazin 16/1984, S. 23. 247 Hartlieb: Ozean, S. 59; vgl. auch Kaes: Deutschlandbilder, S. 197. 248 Edgar Reitz, zitiert nach: Hartlieb: Ozean, S. 67. 249 Hartlieb: Ozean, S. 67.

206 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

chen Perspektive eine größere Natürlichkeit verleihen wollten. Einige Kritiker sahen genau darin jedoch eher einen Authentizitätsverlust des Films, habe es doch die fehlende Professionalität den jungen, »wohl runde zehn Jahre später geborenen« Laienschauspielern, noch zusätzlich erschwert, sich wirklich in das Zeitgefühl der 50er Jahre einzufinden.250 Orte der Jugend Was aber sind nun die spezifischen Erinnerungen, die Anschlussfähigkeit an das generationelle Gedächtnis schaffen? Zentral hierfür ist die Erzählung aus der Perspektive der Jugendlichen. In HEIMAT kreist die Handlung ab den 50er Jahren nicht länger in erster Linie um die Eltern, insbesondere Maria Simon, sondern eben um jene Kriegskindergeneration in Gestalt des Sohns Hermann sowie dessen ältere Geschwister. Auch in PETTICOAT (ARD 1989) und DER TAG AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM sind die Hauptprotagonisten Jugendliche, ihre Sorgen und Nöte, ihre alltäglichen kleinen Kämpfe mit den Eltern, Schulprobleme und Liebeleien stehen im Mittelpunkt der Filme. Jugendkultur war entsprechend ein zentrales Motiv, das durch zahlreiche Themen und Bilder Erinnerungsassoziationen schuf. Neben dem häuslichen Umfeld bewegen sich die jugendlichen Protagonisten in den Filmen vor allem an Orten, an denen sie ihre Freizeit verbringen. In dieser Perspektive stehen nicht mehr die Wirtschaftswunderkulissen im Vordergrund, wie die Fabrik oder das Büro, sondern die Milchbar, die Tanzveranstaltung, der Badesee oder das Kino. In den Elternhäuser spielt die Handlung überwiegend in den einfach eingerichteten Küchen und Wohnstuben, in welche die Errungenschaften des Wirtschaftswunders noch keinen Einzug gehalten haben. Fortschritt ist fern, Tradition und Alltagsbewältigung bestimmen häusliche Abläufe und Gespräche. Im ersten Teil von PETTICOAT beherrscht beispielsweise der Konflikt zwischen Vater und Großvater über die beste Haus- und Hofführung das Tischgespräch. Dem Beitrag der Jugendlichen zur Rückkehr des Gleichaltrigen Harry von einer Reise nach Frankreich begegnet der Großvater nur mit Verständnislosigkeit für ein solch unnötiges Unterfangen. Lieber hätte der Junge in der Ferienzeit arbeiten lernen sollen. In DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM besteht Monikas Alltag aus ständigen kleinen Auseinandersetzungen mit ihrer erziehungsberechtigten Tante, die ihrer Nichte eine nach ihren Maßstäben vernünftige Lebensführung beibringen möchte. Der Tristesse der strengen Elternhäuser entfliehen die Jugendlichen in ihrer Freizeit. Ruhe finden sie in Verstecken wie dem Schrebergarten in DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM oder dem Dachboden in HEIMAT, die Zuflucht vor Problemen und Konflikten im Alltag bieten. Ablenkung suchen sie auf den Tanzveranstaltungen und in der Milchbar, Orte, »an denen sich die Zeit besser totschla250 Hans Janke: »Glaubwürdig«, in: epd, Nr. 30/31, 21.04.1979, S. 18.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 207

gen lässt als in der Muffigkeit verständnisloser Elternhäuser.«251 In beiden Filmen sind diese Orte dabei stets zugleich Vorboten des Wunsches, der Enge der Provinz zu entfliehen, als auch selbst Teil der tristen und ärmlichen Verhältnisse. Der Dachboden in HEIMAT (vgl. Abb. 71) ist genauso eng und dunkel wie der Proberaum, in dem Hermann und seine Freunde Jazz spielen (vgl. Abb. 70), der abgelegene Tanzschuppen, in dem Karl-Heinz und Monika in DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM Ablenkung suchen (vgl. Abb. 72), ebenso düster und trist wie das ganze Nachkriegs-Bremerhaven Abb. 70-72: Orte der Jugend: Jazzkeller, Dachboden und Tanzschuppen

Quellen: Videostills aus HEIMAT, TEIL 9:HERMÄNNCHEN (ARD 1984), 60:52 (Orig.i.F.), 74:56; DER TAG, AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM (ARD 1979), 13:30 (Orig.i.F.).

Und auch in WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) spielte Jugendlichkeit in Gestalt von Tochter Sabine eine Rolle. Allerdings wurden die Geschichten hier eher aus der Perspektive der Eltern erzählt. Dies führte zu einer generellen ›Entschärfung‹: Das letzte Drittel des dritten Teils thematisiert die prüden Sexualvorstellungen der Zeit. Zuerst präsentiert der Moderator den 1951 heftig diskutierten Ausschnitt des Kinofilms DIE SÜNDERIN (BRD 1951) und macht deutlich, dass dies 1979 keinen Skandal mehr hervorgerufen hätte. Kurz darauf kehrt das Thema in der Spielhandlung wieder: Tochter Sabine wird von ihren Eltern beim Küssen erwischt, worauf diese außer sich sind. Der Moderator leitete die Szene damit ein, er hätte dies gar nicht für erwähnenswert gehalten, aber für die Baumanns sei dies »etwas ganz Unerwartetes, eine Schande sozusagen«. Die Eltern holen sich Rat bei Sabines Lehrer. Es folgt ein stark satirisch inszeniertes Gespräch, in dem die Verklemmtheit der Elterngeneration der sexuellen Aufgeklärtheit ihrer Tochter und ihrem freieren Verhältnis zur Sexualität gegenübergestellt wird. Die Szenen wurden in den Kritiken häufig erwähnt und als besonders eindrücklich geschildert. Die Authentizität der Darstellung wurde gar nicht erst in Zweifel gezogen, vielmehr drückte ein Autor seine »Verblüffung über den Einstellungswandel« aus: »Nicht nur die Jüngeren zweifelten mitunter an der unumstößlichen

251 Arnd Schirmer: »Exotische Wesen«, in: Der Spiegel, Nr. 15/1979, S. 261.

208 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Tatsache, daß nur ein Vierteljahrhundert seit jenen Jahren verflossen ist«.252 »Etwas freizügiger ist die gängige Moral nun doch heutzutage«,253 fügte ein anderer Kritiker hinzu. Die satirische Überzeichnung markierte den Wertewandel, der sich so weit vollzogen hatte, dass eine Mehrheit der Zeitgenossen die Szenen 1979 schon distanziert belächeln konnte, und dass keine Normendiskussion mehr hervorgerufen wurde.254 Die authentische Wirkung entstand in diesem Fall aus der Verbindung zur Gegenwart: Der Vergleich, die Distanz, ließ die Szene authentisch wirken. Das Verhalten der Personen bezüglich der Sexualmoral galt als typisch bzw. repräsentativ255 für die 50er Jahre – im Vergleich zu 1979. Symbole der Amerikanisierung Für die Darstellung der Jugendkultur spielten Symbole der Amerikanisierung eine wichtige Rolle. Zuallererst war amerikanische Rock’n’Roll-Musik allgegenwärtig in den Sendungen, fungierte hier gerne als Befreiungssymbol, z.B. bei Tanzveranstaltungen, aber auch als Identifikationsmerkmal der Jugend im Alltagsstreit mit den Eltern. Im generationellen Gedächtnis war Rock’n’Roll zentral, weckte er doch bei beinahe jedem Erinnerungen an eigene häusliche Auseinandersetzungen. Zugleich zog die bekannte Musik die Zuschauer emotional in ihren Bann, warf sie sie doch zurück auf das Lebensgefühl als Jugendliche in den 50er Jahren. Diese Funktion übernahmen auch weitere Objekte wie die Cola-Flasche, die zu einem der wichtigsten Symbole der Amerikanisierung der Jugendkultur wurde. Sowohl in DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM als auch in PETTICOAT wurde sie in mehreren Szenen intensiv hervorgehoben, in damals handelsüblicher kleiner Flasche mit typischer Glasprägung. Daneben kamen der Musikbox und dem Transistorradio eine ähnlich wichtige Bedeutung in der Szenerie zu, als Möglichkeit, die Musik beliebig oft und zu jeder Zeit abzuspielen. Zugleich setzte sich DER TAG ALS ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM bewusst vom überstilisierten amerikanischen Film über die 50er ab, setzte auf authentische Settings im Gegensatz zu deren oftmals klischeebeladenen bis platten Ausstattungen. Zwar schien der Titel des Films eine »schwelgerische Jugenderinnerung« anzukündigen, doch er

252 Horst Elert: »Setzt neue Maßstäbe«, in: Das Parlament, 1.3.1979. 253 hgk: »Verbessert«, in: Badische Neueste Nachrichten, 16.2.1979. 254 Vgl. Wolfrum: geglückte Demokratie, S. 253-257. 255 Zur Kategorisierung von Authentizität u.a. in Typen- und Repräsentationsauthentizität vgl.: Hans-Jürgen Pandel: »Authentizität«, in: Ulrich Mayer/Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider u.a. (Hg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, S. 25-26, hier S. 26.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 209

»verweigert sich indes mit seiner Sprödigkeit genießerischem Konsum. Er bietet keine ›German Graffiti‹ nach dem Vorbild des amerikanischen Regisseurs George Lucas, der in seinem ›American Graffiti‹ die Rock’n’Roll-Zeit der USA zu einem temporeichen Kino-Film gefügt hat; auch ›Eis am Stil‹ läßt sich hier nicht schlecken.«256

Ein anderer Kritiker erklärte im gleichen Tenor, »Königstein und Regisseur Bringmann erreichten zwar nicht die Genauigkeit, mit der Bogdanovich seine ›Last Picture Show‹ inszeniert hatte, aber sie verfielen auch nicht der flotten Oberflächlichkeit, mit der George Lucas ›American Graffiti‹ zurecht machte; andere Vergleiche wie mit dem israelischen ›Lemon Popsicle‹ [Eis am Stil, M.R.] – auch da geht es um die Jugendlichen der späten 50er Jahre – wären schon eine Beleidigung.«257

Denn Lederjacke und Cola-Flasche, Musikbox und Rock’n’Roll waren in DER TAG AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM nur einzelne Lichtblicke in ansonsten eher trist gezeichneten Zufluchtsorten, sie ließen sich nicht zu einem jener Hochglanzbilder über die Jugendkultur der 50er Jahre zusammensetzen, wie sie diese amerikanischen Filme gerne zeichneten. Damit hob sich der Film allerdings auch von PETTICOAT (ARD 1989) ab. Denn die Vorabendserie setzte genau auf die überstilisierten Kulissen, die aus den amerikanischen Filmen bekannt waren. Schon der Ankündigungsbericht in der Pressebroschüre der ARD warb gezielt mit solchen visuellen Anknüpfungspunkten: In kräftigen Farben zeigte die Bebilderung eine Musikbox, an der in typisch gestreiften Petticoats zwei Frauen mit ihren männlichen Begleitern in Halbstarken-Lederjacke lehnten, sowie einen blauen Motorroller. Im Text hieß es passend dazu: »Bill Haley, James Dean und der unsterbliche Elvis Presley sind die zum Mythos verklärten Idole jenes Zeitalters.«258 In einer Szene der zweiten Folge wird auch die explizite Orientierung an Filmen wie AMERICAN GRAFFITI (USA 1973) deutlich: Als Ort des Geschehens dient eine Milchbar, in der die männlichen Jugendlichen mit Lederjacke und Pomadenfrisur an der Theke sitzen (vgl. Abb. 73), die weiblichen Jugendlichen bunt gestreifte Kleider tragen und verteilt an kleinen Tischen in Zweiergrüppchen sitzen (vgl. Abb. 74-75). Der Protagonist Henner, eher altbacken, ländlich gekleidet, lädt mit einem Freund zwei der Mädchen an seinen Tisch ein, um ihnen eine Cola zu spendieren (vgl. Abb. 76). Doch obwohl die jungen Frauen das Angebot sofort an256 Arnd Schirmer: »Exotische Wesen«, in: Der Spiegel, Nr. 15/1979, S. 260. 257 Hans-Günther Pflaum: »Gewöhnung an ein Warensystem«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 16, 19.04.1979, S. K6. 258 »Petticoat«, in: Serien vor 8 im Ersten, hg. von der Programmkommission der Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung, München 1989, S. 24.

210 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nehmen, lassen sie sich am Ende der Szene von zwei Halbstarken mit Lederjacke und Pomadenfrisur entführen (vgl. Abb. 78), von denen einer Henner auch noch seine Cola klaut. Um das Bild perfekt zu machen, gibt Henners Freund den Mädchen zuvor eine Mark, damit sie an der Jukebox ein Lied auswählen können und sie suchen einen Elvis-Song aus (vgl. Abb. 77). In der geschilderten Szene wurden die Symbole der Amerikanisierung derart überstilisiert, dass die Geschichte kurzzeitig völlig in den Hintergrund rückte. Die Zuschauer erfreute sich primär am reinen Sehen und Wiedererkennen der kraftvoll in Szene gesetzten Artefakte. Die Überstilisierung amerikanischer Symbolik wurde hier auch dazu verwendet, das Wirtschaftswunder ohne Ecken und Kanten, leicht konsumierbar und nostalgisch aufzubereiten. Ganz anders als in DIE STRASSE (ARD 1978) und FRAULEIN (ARD 1986), in denen die Überstilisierung gerade die Oberflächlichkeit der rein auf Konsum ausgerichteten Wirtschaftswundereuphorie ausdrücken sollte. Abb. 73-78: Überstilisierung von Zeitmarkern in PETTICOAT (ARD 1989)

Quelle: Videostills aus PETTICOAT, TEIL 2: HENNER (ARD 1989), 17:41-18:50 (Orig.i.F.).

Die Eltern- und Großelterngeneration erschien aufgrund der Erzählung aus Sicht der Kinder oder Jugendlichen meist als Konfliktpartner, jedoch keineswegs wie häufig in den Filmen der bürgerlichen Restauration als ein durch Doppelmoral gekennzeichnetes Feindbild. Vielmehr zeigten sich in den Auseinandersetzungen mit den Älteren gewöhnliche Alltagskonflikte zwischen unterschiedlichen Generationen. Musikgeschmäcker sind verschieden, Ausgehzeiten und Kleidervorschriften werden leidenschaftlich debattiert und während die junge Generation den allmählichen Aufbruch in die Eigenständigkeit sucht, drängt die ältere auf Tradition und Anstand. Ein Motiv also, das zeitgenössisch noch ebensolche Gültigkeit in den Familien beanspruchen konnte, wie ehedem. Statt auf brüsken Konflikt mit den älte-

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 211

ren Generationen setzten solche Fernsehspiele eher auf Verständigung. »Wir zeigen die Träume der Eltern, als sie noch Teenager waren. Wenn die Jungen und Mädchen heute unseren Film sehen und mit ihren Eltern darüber sprechen, werden sie einander besser verstehen.«259 Die 50er Jahre im Kinderfernsehen Ein singuläres Projekt innerhalb der Sendungen zu den 50er Jahren repräsentierte die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Serie BRAUSEPULVER (ZDF 1989). Als Projekt der Redaktion Kinder und Jugend wollte sie Geschichten der 50er Jahre speziell für Kinder und Jugendliche aufbereiten. Hierzu gewann sie mit Arend Agthe, Rudolf Herfurtner, Klaus Kordon, Jo Pestum und Mirjam Pressler populäre Autoren der Kinder- und Jugendliteratur. In fünf Episoden wollten die Macher »Geschichte in Geschichten«260 erzählen, den Kindern aus Sicht von Kindern »geschichtliche Eindrücke vermitteln«. Arend Agthe führte aus: »Wir wollen mit unserem Film einen Blick in eine Epoche vermitteln, so, als würden wir den Kindern einen Adventskalender geben, auf dem sie kleine Fenster öffnen können, kleine Zeitfenster.«261 Gleichzeitig sollten die Filme »besonders genau und realitätsnah sein«, denn da »der zeitliche Abstand noch nicht so groß« sei, müsse den vorhandenen Erinnerungen der Eltern und Großeltern sorgfältig Rechnung getragen werden.262 In BRAUSEPULVER sind die Nachwirkungen des Krieges für die Protagonisten überall zu spüren. In der Folge ROSALINDS ELEFANT geht es beispielsweise um eine Flüchtlingsfamilie aus Schlesien, der ein Mädchen dabei hilft, sich in ihrer neuen Situation zurechtzufinden. Familiäre Probleme im Zuge der Kriegsheimkehr der Väter thematisiert die Folge der HEIMKEHRER. DIE FLIEGERJACKE wiederum zeigt den Alltag zweier Freunde im geteilten Berlin Anfang der 50er Jahre. Kriegstraumata, das Aufwachsen ohne Vater und das Spielen zwischen Trümmern und altem Kriegsgerät sind episodenübergreifende Themen. Viele Kritiken lobten die kindgerechte Aufarbeitung schwieriger sozialer Probleme der 50er Jahre. Die Mise-enscène ist stets geprägt von Trümmerlandschaften, Wohnungsnot und Mangel an alltäglichen Dingen. Die Kinder in DIE FLIEGERJACKE und BERTA UND DIE STÜRMER sammeln Schrotteile aus den Trümmern, um ihr Taschengeld aufzubessern und auch in den Wohnungen ist noch nichts vom aufkommenden Wirtschaftswunder zu spüren, eine gefüllte Badewanne muss für die ganze Familie reichen. Schon das Intro der Serie zeigt schnell hintereinander montierte Schwarz-Weiß-Bilder von Kin259 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 3/79, S. I/3. 260 Dies war der Arbeitstitel der Sendung, vgl. ZDF Presse Special: Brausepulver, Mainz 1989, S. 16. 261 ZDF Presse Special: Brausepulver, Interview mit Arend Agthe, Mainz 1989, S. 17. 262 Ebd., S. 18.

212 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

dern in den ärmlichen Verhältnissen nach dem Krieg, u.a. ein Mädchen mit selbst gebautem Puppenwagen, eine improvisierte Wohnküche mit altem Kohleofen und eine Gruppe Kinder, die auf den Trümmern eines eingestürzten Hauses einen Stahlträger als Rutschbahn benutzt (vgl. Abb. 79-81). Das letzte Bild des Intros verwandelt sich dabei nach kurzem Stopp stets in ein Farbbild und zugleich zum Bild der Anfangsszene der jeweiligen Folge. Abb. 79-81: Fotografien im Intro von BRAUSEPULVER (ZDF 1989)

Quellen: Videostills aus BRAUSEPULVER, TEIL 1:DIE MINE (ZDF 1989), 00:08ff.

Zuflucht vor den tristen problembehafteten Verhältnissen fanden die Kinder in den Abenteuern beim Spielen, konnten ihnen dort jedoch – genauso wenig wie die Jugendlichen an ihren Zufluchtsorten – ganz entkommen. So zeigt es die Episode um den »unheimlichen Fund« einer Mine und den missglückten Versuch der Kinder, diese selbst zu entschärfen. »Am Schluß ist alles noch einmal gut gegangen. Auch der am Strand lebende stumme Frontsoldat hat sich noch rechtzeitig retten können.«263 Die Sendung beinhaltete für die Eltern als Kinder der damaligen Zeit Erinnerungsanreize in Form von kleinen Geschichten, Gegenständen und visuellen Eindrücken. »Die Serie hat zweifelsohne erdigen Charme und zudem Authentizität bis ins Detail – selbst der ewig klecksende Pelikan-Schulfüller taucht auf.«264 Indes habe diese Detailgenauigkeit, so ein Kritiker, nicht der Geschichtsvermittlung an die Kinder gedient, sie sprach eher die Eltern an. »Die liebevolle Ausstattung mit Antiquitäten, die Zeitkolorit vermittelten« wurden zwar von den Eltern als Erinnerungsassoziation begrüßt, von den Kindern hingegen »sicherlich als vollkommen nebensächlich empfunden.«265 Auch BRAUSEPULVER spiegelte damit in erster Linie die Erinnerungen der Generation wider, die in den 50er Jahren Kinder und Jugendliche gewesen waren.

263 Dr: »Wie es damals war. ›Brausepulver‹ ZDF«, in: Münchner Merkur, 28.11.1989. 264 Maritta Kaumanns: »Erdiger Charme«, in: General-Anzeiger, 27.11.1989. 265 bnb: »Intention verfehlt«, in: Frankfurter Rundschau, 27.11.1989.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 213

2.4 Zwischenfazit Im gesamten Bereich fiktionaler Fernsehsendungen zeigte sich zwischen 1978 und 1989 eine klare Dominanz generationell geprägter Geschichtsbilder. Vor allem die Erinnerungen der Generation der so genannten ›Kriegskinder‹ und ›68er‹ beeinflussten die Geschichtsbilder in diesen Jahren innerhalb der fiktionalen Formen. Die von den Filmemacherinnen und Filmemachern betonte Authentizität des Dargestellten speiste sich aus der Anbindung an die eigenen Erinnerungen und einem damit verbundenen generationellen Verständigungsprozess. Diese in der Mehrzahl restaurationskritischen Deutungsangebote einer jüngeren Generation, die sich gegen die angeblich nostalgisch verbrämten Geschichtsbilder der Elterngeneration artikulierte, brachten eine ungeheuere Dynamik in die Geschichtskultur. Das wichtigste Ergebnis dieser Entwicklung war erstens die Verfestigung der 50er Jahre als Chiffre des geschichtskulturellen Diskurses. Der Begriff der 50er Jahre war nun nahezu allgegenwärtig. Die Frage, was die 50er Jahre eigentlich ausmachte, rückte in den Fokus der geschichtskulturellen Diskussionen zur Bezeichnung sowohl des eigenen Geschichtsbildes als auch der Deutungen, von denen die Akteure sich abgrenzten. Dies wirkte sich katalytisch auf den Historisierungsprozess aus: Die Kulissen und Kostüme waren nun überdeutlich geprägt von Zeitmarkern, die die 50er Jahre als historische Epoche zeigten und von der zeitgenössischen Gegenwart absetzten. Dabei lassen sich grob zwei Visualisierungen der 50er Jahre unterscheiden: Die frühen 50er Jahre stellten die Fernsehspiele meist als Zeit der Not und der Improvisiertheit dar. Die existenziellen Probleme überwogen noch. Thematisiert wurde vor allem das Fehlen von Konsumgütern und Dingen des alltäglichen Lebens, auch die Wohnungseinrichtungen waren davon geprägt. Hiervon zu unterscheiden sind die späten 50er Jahre, die durch die beginnende Konsumgesellschaft charakterisiert waren. Die Kulissen waren farbiger, das als typisch empfundene 50er Jahre Design – verdeutlicht vom Nierentisch bis zur Tulpenlampe – war präsent. Zur Darstellung der Jugendkultur setzten die Filme häufig auf eine dichte Ausstattung mit Zeitmarkern wie die Coca Cola-Flasche, den Rock 'n' Roll, Petticoats und Lederjacken. So differenzierte sich der Begriff der 50er Jahre gleichzeitig mit seiner Durchsetzung deutlich aus. Zweitens dominierten im fiktionalen Bereich die Deutung der 50er Jahre als Restaurationszeit. Viele Filmemacherinnen und Filmemacher im Umfeld des Neuen Deutschen Films entwickelten aus der spezifischen Verbindung von Privatheit und Politik in ihrem Selbstverständnis die schon in den 1960er Jahren angelegten Geschichtsbilder der Restauration weiter. Der Perspektivwechsel von der Erwachsenengeneration, die in den 50er Jahren aktiv agierte als Sujet der Fernsehfilme der Formationsphase, verschob sich hin zur Kindergeneration, die in die 50er Jahre hineingeboren worden war. Die Fernsehspiele stellten dabei gleichzeitig eine Spuren-

214 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

suche dieser Generation in ihre eigene Kindheit und Jugend dar. So waren die Hauptprotagonisten häufig Heranwachsende, die sich dem restaurativen Umfeld der 50er Jahre ausgeliefert sahen und oftmals an diesem zerbrachen. Die 50er Jahre wurden hier als eine emotionskalte, statische, triste Epoche gezeichnet, die im Gegensatz zu den Aufbruchsstimmungen der Erwachsenen jener Jahre standen. Die Fernsehspiele standen damit drittens in deutlicher Tradition früherer Produktionen, griffen die medialen Umsetzungen der zeitkritischen Fernsehspiele auf und entwickelten sie weiter. Stärker allerdings als die gattungseigenen Traditionen waren die crossmedialen Verbindungen zum Neuen Deutschen Film und zur autobiografisch geprägten Erinnerungsliteratur. Hier zeigte sich eine enge Anbindung der Fernsehspiele an den künstlerisch-kulturellen Diskurs.

3. Z WISCHEN N OSTALGIE UND G ESCHICHTSPOLITIK : AUSDIFFERENZIERUNGEN IM NON - FIKTIONALEN G ESCHICHTSFERNSEHEN 3.1 Das non-fiktionale Geschichtsfernsehen seit 1979 Die 1980er Jahre waren eine Übergangsphase im westdeutschen dokumentarischen Geschichtsfernsehen, die sich durch verschiedene fernsehhistorische Veränderungen auszeichnete, sowohl institutionell als auch programmgeschichtlich. Die Forschung schrieb der Ausstrahlung des US-Mehrteilers HOLOCAUST (NBC 1978) dabei eine herausragende Bedeutung zu,266 wobei aber weniger der Mehrteiler an sich als seine deutsche Rezeption entscheidend war, in der intensiv über die zukünftigen Darstellungsformen von Geschichte im Fernsehen diskutiert wurde. So blieb HOLOCAUST für viele Programmmacher auch noch Jahre später ein Schlüssel-

266 Die Literatur zur Ausstrahlung von HOLOCAUST ist mittlerweile zahlreich, daher hier nur eine Auswahl: Sandra Schulz: »Film und Fernsehen als Medien der gesellschaftlichen Vergegenwärtigung des Holocaust. Die deutsche Erstausstrahlung der USamerikanischen Fernsehserie ›Holocaust‹ im Jahre 1979«, in: Historical Social Research 32 (2007), S. 189-248; Edgar Lersch: »Vom ›SS-Staat‹ zu ›Auschwitz‹. Zwei Fernseh-Dokumentationen zur Vernichtung der europäischen Juden vor und nach dem ›Holocaust‹«, in: Historical Social Research 30 (2005), S. 74-85; Christoph Classen: »Die Fernsehserie ›Holocaust‹ (1979). Rückblicke auf eine ›betroffene Nation‹. Beiträge und Materialien«, in: Zeitgeschichte-online (2005) (http://www.zeitgeschichteonline.de/md=FSHolocaust-Inhalt). Zugriff am 20.05.2010, vgl. dort auch die Bibliografie.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 215

ereignis.267 Bemerkenswert war zudem, dass sich die Fernsehmacher im nonfiktionalen Bereich wie selbstverständlich vom Erfolg der fiktionalen Fernsehfilmreihe herausgefordert fühlten. So resümiert Knut Hickethier die Hauptergebnisse der Diskussion sowohl für fiktionale wie non-fiktionale Produktionen: »Für die deutsche Fernsehgeschichte war wichtig, daß hier ein Modellfall geboten wurde, wie das neue Fernsehen der achtziger Jahre aussehen konnte: emotional, mit den klassischen Dramaturgien arbeitend, personalisierend, vereinfachend, zugleich mit großen Themen und im großen Format.«268

Diese produktionsästhetischen Aspekte charakterisierten einen Umbruch, der fernsehhistorisch als Übergang vom Paläo- zum Neo-Fernsehen oder vom Erklär- zum Erzählfernsehen bezeichnet wurde.269 Die Modelle beschrieben ein sich wandelndes Selbstverständnis, das sich in veränderten Fernsehformen und Gattungsästhetiken widerspiegelte. Hatte beim Paläo-Fernsehen eine volkspädagogische Funktion im Vordergrund gestanden, wurde diese im Neo-Fernsehen durch eine »Relation der Nähe« abgelöst.270 Damit trat eine hierarchische Wissensvermittlung zugunsten der Auffassung des Fernsehens als »kulturelles Forum« in den Hintergrund.271 Die Entwicklung war aber nur als grobe Tendenz des Geschichtsfernsehens zu verstehen, sie konnte nicht in ein ›Vorher‹ und ›Nachher‹ verabsolutiert werden.272 267 Vgl. z.B. Dieter Stolte: »Geschichte als Programmauftrag«, in: Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt 1988, S. 21-26, hier S. 23. 268 Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 356. 269 Die Begriffe stammen von Francesco Casetti und Roger Odin. Judith Keilbach hat sie für Entwicklungen des Geschichtsfernsehens in Deutschland adaptiert, vgl. Keilbach: Geschichtsbilder, S. 26. Stärker auf das Geschichtsfernsehen in Deutschland zielt die Bezeichnung von Thomas Fischer, der einen Übergang vom Erklär- zum Erzählfernsehen postulierte, vgl. Thomas Fischer: »Geschichte als Ereignis. Das Format Zeitgeschichte im Fernsehen«, in: Fabio Crivellari/Kay Kirchmann/Marcus Sandl u.a. (Hg.), Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive, Konstanz: UVK 2004, S. 511-529, hier S. 516-520. 270 Keilbach: Geschichtsbilder, S. 26. 271 Ebd., S. 27. 272 So verweisen manche Autoren darauf, dass viele ästhetische Formen schon vor Ende der 1970er Jahre im Geschichtsfernsehen auftauchten, so die zeitzeugenbasierte Dokumentation (Horn: Erinnerungsbilder, Lersch: ›SS-Staat‹), der Einsatz von Re-enactment in Geschichtsdokumentationen (Edgar Lersch: »Regionalgeschichtliche Sendungen des Süddeutschen Rundfunks und des Südwestfunks in den fünfziger und sechziger Jahren«, in: Botho Brachmann/Wolfgang Hempel (Hg.), Die Kunst des Vernetzens. Fest-

216 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

In den Diskussionen über das non-fiktionale Geschichtsfernsehen der 1980er Jahre rückversicherten sich die Programmverantwortlichen wieder vermehrt des ursprünglichen Programmauftrags, verstanden ihn nun aber nicht mehr primär als Bildungsauftrag. Vielmehr betonten sie die Möglichkeiten des Fernsehens, »vielfältige und anschauliche Wege zur Geschichte zu eröffnen, indem es Vergangenheit nicht nur verständlich, sondern auch lebendig« mache.273 Ein ähnliches Selbstverständnis herrschte auch noch in den 1990er Jahren vor, sowohl in den ARDAnstalten als auch beim ZDF.274 Der sich schon seit den 1970er Jahren abzeichnende Trend zu verstärkter Unterhaltungsorientierung im Fernsehprogramm, um dem Wunsch der Zuschauer nach Entspannung nachzukommen, setzte sich dabei im dokumentarischen Bereich zwar langsamer durch, als beispielsweise im Fernsehspiel. Schlagworte wie »lebendige Geschichtsvermittlung« verwiesen aber durchaus auch auf entsprechende Tendenzen im Non-fiktionalen. Für Geschichtssendungen zu den 50er Jahren ließ sich zwischen Ende der 1970er und 1980er Jahre eine Phase von Formexperimenten ausmachen. Hierfür war die geschichtskulturelle Konjunktur der 50er Jahre maßgeblich, die mit der Formdiskussion zusammentraf. Generationelle Erinnerungen und Polarisierungen, eine verstärkte Funktionalisierung von Gegenständlichkeit und Visualität sowie geschrift für Wolfgang Hempel, Berlin: Verl. für Berlin-Brandenburg 2006, S. 421-431; Christian Hißnauer: »›Unten waren elf. Oben war die ganze Welt‹. Die Rethematisierung des Grubenunglücks von Lengede im Dokumentarspiel und als Gesprächsfilm«, in: Christian Hißnauer/Andreas Jahn-Sudmann (Hg.), Medien – Zeit – Zeichen. Dokumentation des 19. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums 2006, Marburg: Schüren 2007, S. 45-53) oder personalisierte Darstellungsformen (Hißnauer: Lengede). 273 Stolte: Programmauftrag; vgl. auch Dieter Stolte: »Nicht nur bilden, sondern auch bewegen. Vermittlung von Geschichte im Fernsehen«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 20 (1986), S. 640-642. 274 Vgl. hierzu Brockmann: Erinnerungsarbeit, S. 53f.; Johannes Unger: »Geschichten von Menschen. Zeitgeschichte im Fernsehen der ARD«, in: ARD-Jahrbuch 31 (1999), S. 66-72; Thomas Fischer: »Die zeitgeschichtliche Dokumentation«, in: Oliver Kopitzke (Hg.), Kulturdokumentationen im Südwestrundfunk. Sendereihen, Formate und ihre Entwicklung, Baden-Baden: Südwestrundfunk 2006, S. 14-15. Vgl. auch die diversen Ausführungen von Guido Knopp zur Konzeption des Geschichtsfernsehens in seiner Redaktion Zeitgeschichte im ZDF, z.B. Guido Knopp: »Suche nach Orientierung. Nachkriegsgeschichte im Fernsehen«, in: Weiterbildung und Medien 2 (1988), S. 2226; Guido Knopp: »Akzente gegen das Vergessen. Zehn Jahre Redaktion Zeitgeschichte im ZDF«, in: Siegfried Quandt/Horst Schichtel (Hg.), Fachjournalismus Geschichte. Das Gießener Modell, Marburg: Hitzeroth 1995, S. 99-109; Knopp: Aufklärung; Guido Knopp: »20 Jahre Zeitgeschichte«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDFJahrbuch 2004, Mainz 2005, S. 130-132.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 217

schichtspolitische Auseinandersetzungen führten zu einer experimentierfreudigen Suche nach neuen Formen dokumentarischer Sendungen. Dies auch und gerade, weil die Zeit des Wirtschaftswunders polarisierte Meinungsbilder hervorgebracht hatte. Diese stark über Zeitzeugenerinnerungen präsenten Geschichtsbilder ermöglichten eine größere Spannbreite an unterschiedlichen geschichtskulturellen Deutungen, als Themen des Nationalsozialismus und des Holocausts. Das veränderte Selbstverständnis im Geschichtsfernsehen stand zudem im Kontext einer verstärkten Orientierung an der Kategorie ›Aufmerksamkeit‹ im Sinne von Einschaltquoten.275 Dies betraf zuvorderst die populären Sendeplätze der ›Primetime‹ der Hauptprogramme von ARD und ZDF, wohingegen Kulturprogramme auf eher abseitigen Sendeplätzen der Regionalsender diesen Druck weniger spürten.276 Einschaltquoten wurden zum einen wichtiger wegen der verstärkten Konkurrenz durch die Einführung des kommerziellen Fernsehens 1984, zum anderen aufgrund einer quantitativen Programmausweitung, die nicht mit einer vergleichbaren Erhöhung der Nutzungszeiten durch die Zuschauer einherging.277 Außerdem begann sich die Rezeption durch die Verbreitung der Fernbedienung seit Mitte der 1970er und des Videorekorders seit Mitte der 1980er Jahre zu verändern – ein Prozess der als »Differenzierung« und »Entritualisierung« beschrieben worden ist.278 Parallel zur Suche nach neuen Formen im Geschichtsfernsehen kam es institutionell zu einer Spezialisierung und Ausdifferenzierung im non-fiktionalen Bereich. Während historische Themen älterer Epochen in Programmbereichen wie ›Kultur‹ repräsentiert waren, waren zeithistorische Themen häufig Redaktionen der Bereiche ›Politik‹, ›Aktuelles‹ oder ›Zeitgeschehen‹ zugeordnet. Ab Ende der 1970er Jahre entstanden nun erstmals spezialisierte Redaktionen für Zeitgeschichte. Vorreiter war der BR, der als einer der ersten Sender 1979 eine Redaktion ›Politik und Zeitgeschichte‹ unter der Leitung von Henric L. Wuermeling aufbaute.279 Das ZDF folgte und richtete 1984 auf Initiative von Guido Knopp die Redaktion ›Zeitgeschichte‹ ein.280 Die neuen Redaktionen waren im non-fiktionalen Programmbe275 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 415. 276 Diese Annahme wurde auch in Interviews mit Hannelore Schäfer, Rainer Hagen und Jürgen Schröder-Jahn bestätigt. 277 Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 492. 278 Vgl. ebd., S. 486, 488; dazu Beate Schlanstein, Redakteurin in der Programmgruppe Geschichte beim WDR: »Ich denke, was sich da in den letzten Jahren wahrscheinlich verändert hat […] ist, dass wir permanent gefordert sind, uns mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer und ihren Veränderungen auseinander zu setzen« (Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 259). 279 Vgl. Wuermeling/Gutmann: Geschichte, S. 111. 280 Vgl. Wulf Kansteiner: »Die Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses im Zeitalter seiner kommerziellen Reproduktion. Hitler und das ›Dritte Reich‹ in den Fernsehdoku-

218 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

reich angesiedelt und thematisierten vor allem die Zeit des Dritten Reiches sowie die Besatzungs- und Nachkriegszeit der Bundesrepublik.281 Hierdurch institutionalisierte sich eine kontinuierliche Thematisierung der Zeitgeschichte im Fernsehprogramm mit fest zu bespielenden Sendeplätzen. Die Spezialisierung und Ausdifferenzierung kann einmal mit der allgemein fortschreitenden Programmausweitung begründet werden. Noch vor Einführung des kommerziellen Fernsehens 1984 bauten die Landesrundfunkanstalten seit den 1970er Jahren die Dritten Programme zu Vollprogrammen aus. Dadurch stieg der Programmbedarf, insbesondere an kulturellen Themen. Neben der Zuproduktion für das gemeinsame ARD-Programm kam den Redaktionen also die Aufgabe zu, einen quantitativ schnell ansteigenden Bedarf im eigenen Regionalprogramm zu befriedigen. Geschichtskulturell betrachtet, lässt sich die Entstehung von Zeitgeschichtsredaktionen aber zum anderen mit einer verstärkten Deutungsrelevanz und Orientierungsfunktion der Zeitgeschichte im nationalen Identitätsdiskurs seit den 1970er Jahren erklären.282 Zudem konnte um 1980 eine Geschichtskonjunktur beobachtet werden, die tief in die Populär- und Alltagskultur vieler westlicher Gesellschaften hineinreichte.283 Die Fernsehsender reagierten so zum Teil auf die beobachteten Entwicklungen innerhalb der deutschen Gesellschaft respektive der deutschen Geschichtskultur.284 Unter dem Vorbehalt fehlender quantitativer Daten285, fällt also mentationen von Guido Knopp«, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 626-648, hier S. 628; vgl. auch Sebastian Scherrer: Die Redaktion Zeitgeschichte des ZDF 1984-1994. Gründung und Institutionalisierung, Magisterarbeit, Universität Freiburg 2008. 281 Vgl. die Themenanalyse für die Sendungen der Redaktion Zeitgeschichte in Scherrer: Redaktion. Zur Situation um 2007 vgl. Lersch/Viehoff: Fernsehen, S. 270f. 282 Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München: Beck 2003, S. 248. 283 Vgl. für den britischen Kontext: David Lowenthal: The past is a foreign country, Cambridge: Cambridge University Press 1985; für den amerikanischen Kontext vgl.: Marcus: Happy Days. 284 Vgl. hierzu ausführlich Wolfrum: Geschichtspolitik, insbesondere S. 316-325. Ähnlich äußerte sich auch Klaus Bresser: »Als wir 1984 die Redaktion Zeitgeschichte [beim ZDF, M.R.] gründeten, hatte an den Universitäten und in der Publizistik die Diskussion über die Identität der Deutschen gerade begonnen […] Standort und Orientierung aber, so fanden wir damals, sollten mehr als das Gedankenspiel einer gesellschaftlichen Elite sein. Sie geben einem Gemeinwesen inneren Halt und sicheres Maß, je breiter sie im Bewußtsein der Gesellschaft verankert sind. Deshalb war die Einrichtung der Redaktion Zeitgeschichte richtig, ja notwendig.« (zit. n. Scherrer: Redaktion, S. 111). 285 Nur wenige, nicht miteinander vergleichbare quantitative Erhebungen sind für die 1980er Jahre durchgeführt worden, u.a. Wulf Kansteiner: »Ein Völkermord ohne Täter?

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 219

eine erhöhte Aufmerksamkeit für Geschichte im Fernsehprogramm der 1980er Jahren auf. In der Tradition des Interviewdokumentarismus im Dokumentarfilm und des investigativen Magazinjournalismus seit den 1960er Jahren286 wurden seit Ende der 1970er Jahre vermehrt Zeitzeugen eingesetzt287, woran sich auch Parallelen zur geschichtswissenschaftlichen Oral History-Forschung zeigten. Für die Entwicklung der Geschichtsdokumentationen ist vor allem der Befund interessant, dass die dadurch bedingte Formveränderung die historischen Inhalte stark beeinflusste. Nachdem zuvor mithilfe von Bildmaterial und Expertenaussagen in erster Linie politische und gesellschaftliche Entwicklungen visualisiert worden waren, »forcierte das verstärkte Auftreten von Zeitzeugen eine individualisierte, emotionalisierte und privatisierte Geschichtskonstruktion«.288 Damit rückten speziell gesellschafts-, kultur-, alltags- oder mentalitätsgeschichtliche Themen in den Fokus. In der Emotionalisierung durch Zeitzeugen ist zugleich eine Antwort der Programmmacher auf die Frage zu sehen, wie nach HOLOCAUST Geschichtsfernsehen attraktiver gestaltet werden könnte.289 Insgesamt entfalteten der Identitätsdiskurs, die u.a. durch HOLOCAUST angestoßenen Veränderungen im Geschichtsfernsehen, aber auch die Einflüsse der fiktionalen Produktionen innerhalb der geschichtskulturellen Konjunktur der 50er Jahre, eine immense Wirkung auf Form und Inhalte der non-fiktionalen 50er Jahre Sendungen. Erstens entstand eine Vielzahl von Filmen, die individualisierte Erinnerungen in den Mittelpunkt stellten oder sich speziell an solche Zuschauer wandten, die die Die Darstellung der ›Endlösung‹ in den Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens«, in: Moshe Zuckermann (Hg.), Medien – Politik – Geschichte, Göttingen: Wallstein 2003, S. 253-286; Wulf Kansteiner: »Nazis, Viewers and Statistics. Television History, Television Audience Research and Collective Memory in West Germany«, in: Journal of Contemporary History 39.4 (2004), S. 575-598; Klein: Geschichte; Becker/Quandt: Vermittler; Rolf Schörken: Geschichte in der Alltagswelt. Wie uns Geschichte begegnet und was wir mit ihr machen, Stuttgart: Klett-Cotta 1981, S. 253f. 286 Vgl. Bösch: Gesicht, S. 61. 287 Der Einsatz von Zeitzeugen wurde nahezu ausschließlich für NS-Dokumentationen untersucht. In diesen Arbeiten wird ausdrücklich auf die speziellen Bedingungen des Zeitzeugens für die Geschichtskultur zum Nationalsozialismus verwiesen, was sicherlich ein Grund für den vermehrten Einsatz von Zeitzeugen in Fernsehdokumentationen ist. Daher werden an dieser Stelle Ausführungen zur Darstellung von Opfern und Tätern als Zeitzeugen ausgespart, hierzu vgl. Horn: Erinnerungsbilder; Keilbach: Geschichtsbilder. 288 Bösch: Gesicht, S. 51. 289 Vgl. hierzu die Ausführungen der redaktionsinternen Diskussionen bei Lersch: ›SSStaat‹, S. 81-85.

220 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

50er Jahre erlebt hatten, indem sie ihnen Anreize boten, eigene Erinnerungen abzurufen. Als neue Form der non-fiktionalen 50er Jahre Präsentation entstanden in diesem Kontext Mosaiksendungen, in denen durch eine Vielzahl unterschiedlicher visueller Eindrücke eine Atmosphäre bzw. ein Zeitgeist der 50er Jahre transportiert werden sollte. Zweitens rückten speziell gesellschafts-, kultur-, alltags- oder mentalitätsgeschichtliche Themen in den Fokus. Sendereihen und Einzelsendungen griffen verstärkt einzelne Themen aus diesen Bereichen auf, aber auch in den großen geschichtspolitischen Dokumentationen ließen sich erste Tendenzen erkennen, sie aufzunehmen, sodass der geschichtskulturelle Kanon des 50er Jahre Geschichtsbildes eine Erweiterung erfuhr. In den großen Dokumentationsreihen knüpften die Macher drittens an den geschichtspolitischen Diskurs um die Identität der Deutschen an. Hier markierten die 50er Jahre das Gründungs- und Aufbaujahrzent einer westdeutschen Erfolgsgeschichte und avancierten so zum Schlüsseljahrzehnt einer Bundesrepublikanisierung des Geschichtsbewusstseins. 3.2 Mosaike der 50er Jahre: Gegenständlichkeit, Medialität und Zeitzeugen Die geschichtskulturelle Konjunktur der 50er Jahre, die seit Ende der 1970er Jahre die Bundesrepublik erfasst hatte, brachte eine Reihe unterhaltender Sendeformen hervor, die neue Perspektiven auf die 50er Jahre in die dokumentarischen Erzählweisen einbrachten. Grundlegendes Merkmal dieser Sendungen war es, das Typische, das Besondere, das Signifikante oder den Charakter der 50er Jahre als Begriff und Epoche hervortreten zu lassen. Dies erfolgte über mediale cues, die die 50er Jahre beim Zeitzeugenpublikum wieder in Erinnerung rufen sollten. So folgten die Sendungen eben nicht den in den früheren historischen Dokumentationen üblichen politik- und ereignishistorischen Periodisierungen, sondern versuchten, die Atmosphäre der 50er Jahre über eine Vielzahl einzelner – vordergründig nicht miteinander in Beziehung stehender – Anekdoten, Medienberichte, Produkte der Populärkultur wie Objekte aus der Konsumkultur, musikalische Darbietungen oder Kinofilme – wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dabei entstanden häufig non-fiktionale Sendereihen, die das Ziel verfolgten, das Signifikante der 50er Jahre zu zeigen. Im Folgenden wird die Sendeform mit ihren gattungsästhetischen Merkmalen anhand von Produktionen aus dem Zeitraum zwischen 1979 und 1989 spezifiziert, wobei auch die Formvarianzen herausgearbeitet werden. Da ein signifikantes Merkmal der Mosaiksendungen das Fehlen einer geschlossenen Narration und geschichtskulturellen Deutung war, werden die drei entscheidenden Formmerkmale – Gegenständlichkeit, Medialität und Zeitzeugen – aufgegriffen, um eine Einordnung in die geschichtskulturellen Deutungsmuster und Bilder vorzunehmen.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 221

Mosaiksendungen Seit Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre etablierte sich eine neue gattungsästhetische Form für die Präsentation der 50er Jahre im Geschichtsfernsehen. Diese Form wird im Folgenden als Mosaiksendung bezeichnet, denn Fernsehkritiker in den 1980er beschrieben die Machart als »zusammengesetztes Mosaik«290, »Nachrichten-Sammelsurium«291, »kaleidoskopartig«292 oder »Dokumentationspuzzle«.293 Der Eindruck des Fragmentarischen entstand bei den Mosaiksendungen vor allem dadurch, dass es keinen kontinuierlichen Kommentar gab, der den roten Faden gebildet hätte. Statt dessen waren Moderatoren ein fester Bestandteil vieler Sendungen. Sie begleiteten die audiovisuellen Montagen, indem sie thematisch passende Anekdoten erzählten oder erinnerungsaktivierende Formulierungen wie »Wie war das noch damals« o.ä. verwendeten. In Mosaiksendungen stand das Erzeugen von Erinnerungsanreizen in Form von medialen Cues im Vordergrund. Trotz anderslautender Beteuerungen vonseiten einiger Macher und Kritiker wendeten sich diese Sendungen damit in erster Linie an Zuschauer, die die 50er Jahre noch aus eigener Erinnerung kannten – also in den 1980er Jahren mindestens dreißig bis vierzig Jahre alt waren. Inhaltlich gemeinsam war den Sendungen zudem, dass sie sich speziell dem Begriff der 50er Jahre als Epoche zuwendeten. Stilprägend für die Mosaiksendungen wurde das vierteilige semidokumentarische Fernsehspiel WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979). Gemessen an Sendebeteiligung und Haushaltsquote war WAS WÄREN WIR OHNE UNS die erfolgreichste 50er Jahre Sendung im gesamten Untersuchungszeitraum: Das vierteilige Fernsehspiel WAS WÄREN WIR OHNE UNS erreichte für Geschichtssendungen ungewöhnlich hohe Einschaltquoten zwischen 39 und 44 Prozent; bis zu 16 Millionen Zuschauer verfolgten die einzelnen Teile. Die Form vereinigte Spielhandlung, kabarettistische und musikalische Showeinlagen, Wochenschauaufnahmen und den typischen Moderator. Die Sendung spielte auf einer Bühne vor einem Studiopublikum und evozierte so die Live-Atmosphäre einer Show. Insgesamt sollte die Gesamtform der Sendung einen »Touch des großen Bunten Abends im Sinne des seligen Peter Frankenfeld«294 erhalten. Laut Ankündigung der Pressestelle bestand nicht die Absicht, eine linearvollständige Geschichtsdarstellung der frühen 1950er Jahre zu präsentieren, noch

290 Ingrid Uebe: »Nierentisch – und mehr!«, in: Neue Ruhr Zeitung, 18.2.1982. 291 Th: »Jahre unseres Lebens – II«, in: Berliner Morgenpost, 25.2.1982. 292 Hellmut Lange: »Kritisch betrachtet«, in: Wiesbadener Kurier, 18.2.1982. 293 Wh: »Bilderfülle«, in: Nürnberger Nachrichten, 18.2.1982. 294 Ulrich Schamoni, zit. n.: Nikolaus Jungwirth: »Eine Collage der frühen fünfziger Jahre. Vier Abende: ›Was wären wir ohne uns‹«, in: Heilbronner Stimme, 7.2.1979.

222 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nicht einmal Jahre »von historischer Bedeutung«295 wollte man herausgreifen. »Deshalb werden neben Wochenschauen und Filmausschnitten auch Produkte und Konsumartikel vorgestellt. Es werden Tips für den Haushalt, Ratschläge für alltägliche Verrichtungen zeittypisch angeboten, eingerahmt von den Hits dieser Jahre«.296 Zwar stehe im Mittelpunkt die Familie Baumann, ihre Geschichte werde aber »in comic strip-Manier« in »einige[n] Stationen […] erzählt«.297 Die Form wich stark von Rezeptionserwartungen an damalige Fernsehspiele und Geschichtsdarstellungen ab: »Ein revuehaftes Musical mit didaktischem Einschlag also oder ein historischer Rückblick, der in eine Familienserie eingekleidet ist«,298 so fasste Clara Menck ihren Eindruck zusammen. Dagegen schrieb der Spiegel: »Eine Geschichtslektion ist dieses Potpourri gewiß nicht, Anekdotisches überwiegt, der Zeitgeist spricht aus Details«.299 Die Macher wählten bewusst keine rein ›realistische Form‹ der Geschichtsdarstellung und distanzierten sich in der Pressekonferenz davon, eine »historische Analyse«300 zu präsentieren, ohne sich allerdings von einem historischen Authentizitätsanspruch zu verabschieden: »Wir haben versucht, die Stimmung dieser Jahre zu rekonstruieren«.301 Die Rekonstruktion der Stimmung und Atmosphäre der ›50er‹ Jahre entsprach zwar nicht dem Geschmack jeden Kritikers. Insgesamt schienen die Fernsehmacher aber eine passende Sendungsform für die Darstellung der 50er Jahre gefunden zu haben, an die viele noch direkte persönliche Erinnerungen hatten, die aber für ebenso viele »schon so weit entrückt [sind], daß sie wie eine entfernte Epoche erscheinen und beinahe das historische ›Kostüm‹ verlangen«.302 Wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben, nutzte die Sendung dabei vor allem Erinnerungsanreize für diejenigen Zuschauer, die die 50er Jahre erlebt hatten, wollte aber auch Wissen für die Jüngeren vermitteln. Eine etwas andere Form des Mosaiks bot JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 19781982), die das Archivbildmaterial in den Vordergrund rückte. Die Macher der Sen295 Süddeutscher Rundfunk, Fernsehen, Pressestelle: »›Was wären wir ohne uns‹. Ein Potpourri in Bild und Ton [o.D.]«, in: SWR HA, 29/00658. 296 Ebd. 297 Ebd. 298 Clara Menck: »Als Nierentische der letzte Schrei waren«, in: Frankfurter Rundschau, 5.2.1979. 299 »Hallo Darling«, in: Der Spiegel, 5.2.1979. 300 Peter Hilliges: »Zur Erinnerung an die tollen 50er Jahre«, in: Pirmasenser Zeitung, 7.2.1979. 301 Peter Dreessen: »Unsere Sorgen möchten wir haben!«, in: Hamburger Abendblatt, 7.2.1979. 302 Friedrich Weigend: »Wir machen und wir spielen unsere eigene Geschichte«, in: Stuttgarter Zeitung, 14.6.1978.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 223

dereihe hatten für die jeweils 90-minütigen Sendungen »aus Tausenden von Film-, Bild- und Tondokumenten« jeweils die ausgewählt, »die das Besondere an diesen Jahren« wiedergaben.303 Jede Folge »bringt Ernstes und Heiteres, weltbewegende Ereignisse und jene alltägliche Dinge, die das persönliche Erleben einer Zeit ausmachen.«304 Die Sendungen stellten so eine Art audiovisuelles Fotoalbum der 50er Jahre dar, das verschiedenste Archivbilder aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Alltag zu einer großen Collage verband. Betont wurden gerade nicht die thematischen Zuschnitte und Fokussierungen, sondern die Vielfalt, die breite Auswahl des verwendeten Materials. Schon der Titel JAHRE UNSERES LEBENS deutete an, dass das Zielpublikum vor allem diejenigen umfasste, die als Zeitzeugen die 50er Jahre selbst erlebt hatten305 und bei denen sich die Fülle von Bildeindrücken assoziativ zu einem »Erinnerungsbild«306 zusammensetzte. In der Intention der Macher war dieses übergeordnete Bild der 50er Jahre, das sich hierbei ergab, mehr als die Summe seiner einzelnen Teile. Die gezeigten Bildausschnitte waren »Momentaufnahmen – die in der Summe freilich doch zu einem Mosaik geraten, ein geschlossenes Bild schaffen, dessen Farbe sich bei vielen um jenes Quentchen tiefer einprägt als manche anspruchsvolle Analyse.«307

Die Beschreibung traf bei vielen Kritikern auf Zustimmung. Aber ebenso wenig wie im Pressetext fanden sie eine klare Formulierung, um den intuitiven Mehrwert, der beim Zuschauen entstand, zu schildern. Stattdessen ergingen sie sich in Aufzählungen von gesehenen Einzelausschnitten, um am Ende dem so entstandenen »Bilderbogen« zu bescheinigen, aus ihm habe sich ein »Eindruck vom geistigen und politischen Klima der Wirtschaftswunderjahre«308 ergeben. Worin dieser Eindruck aber bestand, konnten sie nicht spezifizieren, über die grundsätzliche Ebene kamen die Bewertungen nicht hinaus. Die Gesamtdeutung blieb somit eine non-verbale Leerstelle nicht formulierbarer Gefühlslagen. Dies bestärkt die eingangs aufgestellte These, dass sich die Sendungen vor allem an Zuschauer wandten, die die 50er Jahre

303 ZDF Presse Programm 7/82, S. 27. 304 Ebd., S. 26. 305 Vgl. Rudi Schröder: »Geschichte aus der ›Froschperspektive‹«, in: Aachener Volkszeitung, 18.2.1982; »Arrogant«, in: Allgemeine Zeitung, Mainz, 25.2.1982. 306 »Bilderfülle«, in: Nürnberger Nachrichten, 18.2.1982 307 Detlef Sprickmann Kerkerinck: »Im Mittelpunkt der Zeitgeschichte steht der Mensch«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDF Jahrbuch 1979, Mainz 1980, S. 101-106, hier S. 105. 308 Renate Hengsberger: »Bilderbogen«, in: Saarbrücker Zeitung, 18.2.1982.

224 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

noch aus eigener Erinnerung kannten und ihre eigenen Emotionen im Prozess des Erinnerns nicht verbalisieren konnten. Nur wenige Kritiker fanden die Herangehensweise dabei zu nostalgisch, sie erkannten durchaus einen kritischen Umgang mit der Zeit darin, obwohl sich häufig kein eindeutiges Geschichtsbild ausmachen ließ. Denn den Sendungen fehlte ein geschlossenes historisches Deutungsangebot in Gestalt beispielsweise der Erzählung einer historischen Entwicklung, und zugleich führte die weitgehend zurückhaltende Kommentierung und Bewertung von Einzelereignissen dazu, dass ein nur fragmentarisches Gesamtbild entstand. In der Vorstellung der Zeitzeugenzuschauer allerdings ergab dieses durchaus Sinn. Das Abrufen von Einzelerinnerungen ermöglichte es, die 50er Jahre »in all [ihren] Widersprüchen sehr lebendig mit Ecken und Kanten und gelegentlichen Sprüngen« als »zusammengesetztes Mosaik«309 zu erleben. Statt eine Gesamtdeutung vorzugeben, wurden verschiedene Themen und Aspekte bewusst für ganz unterschiedliche Deutungen offengelassen: So konnte sich ein Nebeneinander von nostalgischem Zurückblicken auf die schwere, harte Aufbauzeit und von restaurativen Deutungen der Kultur und Moralvorstellungen der 50er Jahre entwickeln. Die meisten Sendungen strebten jedoch in erster Linie danach, leicht konsumierbare Unterhaltung zu produzieren, und enthielten sich deshalb zumindest solcher Deutungen, die die Zuschauer allzu hart in ihren persönlichen Erinnerungen und Vorstellungen getroffen hätten. Mosaiksendungen vermieden daher restaurativ-kritische Deutungen der 50er Jahre in Reinform. So konnten beispielweise im fünften Teil von JAHRE UNSERES LEBENS Montagesequenzen der blühenden Konsumgesellschaft in zwei Kontexten gedeutet wurden: In einer tendenziell nostalgischen Lesart gab sie den Zuschauern Erinnerungsanreize, wie erfolgreich ihr persönlicher wirtschaftlicher Aufschwung in den 50er Jahren gelaufen war. Die im Studio platzierten Konsumgegenstände, wie das UKW-Radio, sind vor diesem Hintergrund Objekte der eigenen Konsumbiografie. Am Ende desselben Teils deutet eine Montagesequenz aus Wochenschaubildern zur Konsumgesellschaft diese als Bilder von Verdrängung: Die Fernseher im Schaufenster, die »Edelfresswelle« sowie das ›Feier-Motiv‹ dienen hier zur Entlarvung eines übermäßigen, ungezügelten Konsums. Die Bildmotive und der Montagestil orientierten sich dabei an den Bildern gesellschaftlicher Restauration in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) von Thilo Koch. Die gattungsästhetischen Elemente der Mosaiksendungen unterschieden sich signifikant von denen der klassischen historischen Dokumentation: Show- oder Studioelemente stellten ein Grundmerkmal dieser Sendungen dar (vgl. Abb. 82). Bei DEUTSCHE TAGE (BFS3 1984-1988) oder WAS WÄREN WIR OHNE UNS waren dies Gesangs- und Kabarettauftritte (vgl. Abb. 83-84). Meist führte ein Moderator durch die Sendung, der Archivbildausschnitte ankündigte und kommentierte. Auch 309 Ingrid Uebe: »Nierentisch – und mehr!«, in: Neue Ruhr Zeitung, 18.2.1982.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 225

Zeitzeugen wurden in Mosaiksendungen anders als in den klassischen Dokumentationen eingesetzt. Häufig wurden sie als Gäste im Studio vom Moderator befragt, mitunter hatten sie auch eine Doppelfunktion als Zeitzeuge und Moderator inne. Abb. 82-84: Showelemente in Mosaiksendungen

Quelle: Videostills aus WAS WÄREN WIR OHNE UNS, TEIL 3: 1952 (ARD 1979), 03:04, TEIL 4: 1953 (ARD 1979), 94:00, DEUTSCHE TAGE 1953 (BFS3 1986), 02:24 (Orig.i.F.)

Die historische Narration zielte dabei, wie gesagt, weniger auf eine kohärentstringente Erzählung, als vielmehr auf die Herstellung von medialen Cues beim Publikum. Diese fragmentarische Erzählweise der Mosaiksendungen wurde durch die Form der Show oder der Studiopräsentation unterstützt, in der der Moderator die einzelnen Sequenzen zwar grob zusammenhielt, die Einzelteile aber nicht zwangsläufig aufeinander aufbauten. Die thematische Rahmung der Sendungen beschränkte sich entsprechend auf eine sequentiell-chronologische Verbindung der Einzelteile, wobei die Einzelsendungen meist einen Zeitraum von einem Jahr oder wenigen Jahren herausgriffen und ihn mit ein oder zwei griffigen Schlagwörtern oder Formeln versahen. Gegenständlichkeit Analog zu den Entwicklungen in der geschichtskulturellen Konjunktur der 50er Jahre bestanden die Mosaike zu Teilen aus Alltagsgegenständen und Produkten der 50er Jahre. Deutlich wurde dies schon in den Fernsehspielen seit Ende der 1970er Jahre, die in den Kulissen solche Objekte als Zeitmarker deutlicher einsetzten, als es noch in den 1960er und frühen 1970er Jahren üblich gewesen war. Auch hier setzte die beim SDR entstandene semidokumentarische Sendereihe WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) Maßstäbe für spätere Mosaiksendungen. Neben der bereits beschriebenen Detailgenauigkeit in den Kulissen, wurden Gegenstände aus den 50er Jahren auch als Einschübe in die Spielhandlung präsentiert. Die Gegenstände können in vier Kategorien unterteilt werden, die zugleich das Spektrum und die Funktionalisierung dieser neuen Elemente widerspiegelten: Wie im vorherigen Ka-

226 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

pitel schon ausgeführt, wählte die Sendung erstens »Produkte der Sehnsucht«310 der 50er Jahre aus: Präsentiert wurden ein Kühlschrank, Auto, UKW-Radios, Fernseher und Urlaubsreisen – Produkte, nach denen die »Aufbaugeneration«311 strebte.312 In den Kritiken wurde explizit auf diese Objekte verwiesen. Die detailgenaue und ironische Beschreibung durch die beiden Kabarettisten Evelyn Hamann und Ernst Hilbich in WAS WÄREN WIR OHNE UNS habe einen »Ach-ja-Effekt«313 ausgelöst. Gerade die Präsentation »als distanziertes Wiedererkennen« habe den »Symbolwert von Konsumartikeln geschickt«314 hervorheben können. Die Auswahl der präsentierten Objekte orientierte sich also zuvorderst an ihrem Erinnerungswert für die Zuschauer. Das stichwortartige Wiedererkennen, das in den Kritiken häufig zum Ausdruck kam, legitimierte die Produkte der Sehnsucht als »typisch« für die Zeit der 50er Jahre und machte sie so kanonfähig. Abb. 85-86: Aufzeigen historischer Distanz: Mühen des Wäschewaschens in den 50er Jahren

Quelle: Videostills aus WAS WÄREN WIR OHNE UNS. TEIL 3:1952 (ARD 1979), 27:57, 31:56 (Orig.i.F).

Zweitens gewannen Objekte an Bedeutung, die die historische Distanz deutlich machten. Schon die Erinnerung an die im Zuge der Massentechnisierung selbstverständlich gewordenen Objekte wie Fernseher oder Waschmaschine zeigten dies an. Aber auch eine von Evelyn Hamann in der dritten Folge persiflierte Episode zu den Mühen des Wäschewaschens – mit Waschzuber bzw. -kessel mit Bleuel zum 310 Gries: Konsumgesellschaft, S. 195. 311 Ebd., S. 196. Hierunter fasst Rainer Gries die in den 1920er Jahren und frühen 1930er Jahre Geborenen, die Anfang der 50er Jahre ungefähr zwischen 18 und 30 Jahre alt waren. 312 Vgl. hierzu auch Abb. 17 in Kapitel IV.2.3. 313 »Die 50er Jahre«, in: Ruhr-Nachrichten, 9.2.1979. 314 »Im Trendwind«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 9.2.1979.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 227

Durchrühren der Wäsche, Waschbrett, Schmierseife und Soda zum Enthärten des Wassers – machte dem Zuschauer die Unterschiede zur eigenen Lebenswelt deutlich (vgl. Abb. 85-86). Die Szene sei »besonders treffend«, denn »wer erinnert sich beim Druck auf den Bedienungsknopf der Waschmaschine noch an vorsintflutlich anmutende ›Waschtage‹«.315 Solche Darstellungen konnten beim zeitgenössischen Zuschauer ein »Bedürfnis nach Selbstvergewisserung […] (Wie weit haben wir’s gebracht!), vielleicht auch eine immer vorhandene rückwärtsgewandte Sehnsucht (bewältigte Schwierigkeiten sind immer vergoldete Schwierigkeiten)«316 wecken. Die Sendung FRÜHE FERNSEHJAHRE (ARD 1988) setzte auf ähnliche Effekte beim Zuschauer. Sie zeigte unter anderem in einer Fernsehreportage aus den frühen 50er Jahren eine hochmoderne amerikanische Musterwohnung, deren Einrichtung für die meisten Deutschen unerschwinglich gewesen wäre (vgl. Abb. 87-88). Entsprechend schön sei es aus heutiger Sicht, dass sich sehr vieles aus den damaligen Alltagsträumen »verwirklicht hat. Man hat also doch das Meiste schon davon. Das ist schon toll«,317 beschrieb eine in die Sendung geladene Zeitzeugin ihre Empfindungen bei Ansicht der Bilder. Abb. 87-88: Aufzeigen historischer Distanz: »Man hat also doch das Meiste schon davon«

Quelle: Videostills aus FRÜHE FERNSEHJAHRE. TEIL 2 (ARD 1988), 18:04, 18:41.

Der individualbiografische Rückblick auf die eigene Konsumgeschichte hatte so den Effekt einer lupenreinen Erfolgsgeschichte jedes Einzelnen im Rahmen des 315 »TV-Kritik«, in: Harburger Anzeigen und Nachrichten, 22.2.1979. 1978 besaßen 82 Prozent der Haushalte in der Bundesrepublik eine Waschmaschine, vgl. Arne Andersen: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt am Main: Campus 1997, S. 108. 316 Ulrich Khoun: »Die 50er Jahre: Nierentisch und Plastikbomber«, in: Badische Zeitung, 9.2.1979. 317 FRÜHE FERNSEHJAHRE, Folge 2, 19. Min.

228 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

wirtschaftlichen Aufschwungs seit den 50er Jahren. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Ausstattung mit Konsumgütern konnte nostalgisch auf die Zeit der Sehnsucht nach diesen Produkten zurückgeblickt werden. Drittens wurden Kuriositäten präsentiert, die aufgrund ihrer Kurzlebigkeit im zeitgenössischen Alltagsleben der späten 1970er Jahre keine Rolle mehr spielten. Zu Beginn der ersten Folge stellte Ernst Hilbich im Bauchladen kleinere Erfindungen für den Alltag vor, darunter einen ›Schnupfenbestrahler‹ (vgl. Abb. 89) und einen ›Taschenofen‹. Die Präsentationen orientierten sich an den entsprechenden Wochenschauberichten, so wurde beispielsweise in der fünften Folge von JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982) ein Bericht zur »Verjüngungstonne« präsentiert (vgl. Abb. 90). Da diese Objekte weniger einen direkten, als vielmehr einen kategorischen Wiedererkennungswert beim Zuschauer hatten, erzeugten sie vielleicht noch stärker als Objekte der übrigen Kategorien eine »Atmosphäre« oder ein »Stimmungsbild«318 der 50er Jahre. Die kleinen kuriosen Erfindungen standen für die anfängliche Improvisiertheit ebenso wie die empfundene Aufbruchsstimmung. Damit trugen sie erheblich zu einem nostalgischen Erinnern an die 50er Jahre bei. Abb. 89-90: Kuriose Erfindungen zur Erzeugung nostalgischer Zeitbilder: ›Schnupfenbestrahler‹ und ›Verjüngungstonne‹

Quelle: Videostills aus WAS WÄREN WIR OHNE UNS, TEIL 1: 1950 (ARD 1979), 11:06 (Orig.i.F.); JAHRE UNSERES LEBENS, TEIL 5 (ZDF 1982), 10:23.

Neben herausgehobenen Symbolprodukten gelangten viertens solche Produkte des Alltagslebens ins Repertoire des 50er Jahre-Kanons, die die Mode oder den Stil der Zeit repräsentierten: Vor allem Frauenkleidung, wie sie Evelyn Hamann in einer inszenierten Modenschau in der zweiten Folge zeigte, oder Wohnungsdesign, das vor allem in der Spielhandlung deutlich wurde,319 gerieten in den Fokus der Erinnerung. 318 Barbara Rhode: »Mit Petticoat und Elvis-Locke«, in: Hör zu, 3.2.1979. 319 Vgl. Abb. 63-64 in Kapitel IV.2.3.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 229

Petticoat, Nylons, Nierentisch und Tulpenlampe wurden zu geläufigen Schlagworten, die häufig titelgebend die 50er Jahre zu beschreiben schienen.320 Im Kontext der geschichtskulturellen Konjunktur der 50er Jahre waren solche Objekte durch Ausstellungen und Bildbände in den Fokus gerückt worden. In diese Kategorie gehörte auch die Schlagermusik der 50er Jahre, die in WAS WÄREN WIR OHNE UNS in Gestalt der Rosy Singers reintoniert wurde. Ihre Auftritte hätten die damaligen »›Ohrwürmer‹«321 wieder ins Gedächtnis gebracht. Die Form, in der Gegenstände der 50er Jahre als Zeitmarker in Showeinlagen präsentiert wurden, waren durchaus ungewöhnlich in Vergleich mit anderen 50er Jahre Sendungen zu dieser Zeit. Das Beispiel von WAS WÄREN WIR OHNE UNS verdeutlichte aber den hohen Stellenwert, den Objekte aus der Lebenswelt der 50er Jahre in der geschichtskulturellen Konjunktur quasi von heute auf morgen zugesprochen bekommen hatten. In ihrer Funktion als mediale Cues brachten sie den Zeitzeugen von damals das Gefühl, die Stimmung und Zeitatmosphäre der 50er Jahre, wie sie sie damals empfunden hatten, wieder. Diese Geschichtskultur der Gegenständlichkeit drängte auch in anderen Sendungen in den Fokus: In JAHRE UNSERES LEBENS bewegten sich die Moderatoren in einer Studiokulisse, die mit Objekten der 50er Jahre dekoriert war (vgl. Abb. 9192). Aber auch Wochenschauberichte wurden zur indirekten Repräsentation genutzt. So hatten die Bilder von Haushalts- und Wohnungseinrichtungsmessen einen ähnlichen Ausstellungscharakter wie in den vorher beschriebenen Fällen. Vor allem setzte JAHRE UNSERES LEBENS nun auch Werbefilme aus den 50er Jahren ein. Auch hier sollte der Zuschauer Wiederkennungseffekte haben. So bekamen die Bilder, die vorher vor allem den wirtschaftlichen Wiederaufbau charakterisiert hatten, indem sie den gestiegenen Wohlstand symbolisierten, zunehmend eine weitere Perspektive als indirekte Präsentation von Ausstellungsstücken mit Wiedererkennungswert (vgl. Abb. 93-94). Die Präsentation der Waren eignete sich dabei ebenso als ›Schaufenster des Wirtschaftswunder‹ wie die Ausschnitte aus den Wochenschauberichten. Sowohl die gezeigten Studiokulissen als auch die Werbefilme322 repräsentierten an diesen Stellen ›typische‹ Wohnungen der 50er Jahre.

320 Vgl. beispielsweise Clara Menck: »Als Nierentische der letzte Schrei waren«, in: Frankfurter Rundschau, 5.2.1979; Barbara Rhode: »Mit Petticoat und Elvis-Locke«, in: Hör zu, 3.2.1979; Fritz Janda: »Nostalgie mit Nierentisch und Nylons«, in: Abendzeitung, München, 7.2.1979; Karl-Heinz Fuchs: »Das Nierentisch-Zeitalter wird besichtigt«, in: Stuttgarter Nachrichten, 11.1.1979. 321 »Erfolg, teilweise«, in: Badische Neueste Nachrichten, 2.3.1979. 322 Im Fall der Abbildungen in Abb. 26 unten links handelt es sich um einen Werbefilm der Waschmaschinen-Firma Scharpf, unten rechts um den einer ungenannten »Baufirma«, die für den Bau von Eigenheimen wirbt.

230 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Abb. 91-94: Inneneinrichtungen der 50er Jahre: Studiokulissen und Archivbilder

Quelle: Videostills aus JAHRE UNSERES LEBENS, TEIL 5 (ZDF 1982), 2:58 (Orig.i.F.), TEIL 6 (ZDF 1982), 2:14 (Orig.i.F.), 78:45, 79:57.

In DAS KLEINE KINO AN DER ECKE (ARD 1980-1987), ebenfalls eine Mosaiksendung, begann Ralf Wolter seine Moderation zur 4. Folge zu den Jahren 1954/55 mit der Thematisierung des authentischen Mobiliars der 50er Jahre. Einen Nierentisch hereintragend kommentierte er, er trage das »echte deutsche Nachkriegsbarock« bei sich, damit sich sein geladener Gast in seiner Sitzecke, die den frühen 50er Jahren nachempfunden sei – mit einen Radio, einer Kommode und einem Sessel – in die Zeit zurückversetzt fühle. Auch hier waren es die Konsumgegenstände des Alltagslebens der 50er Jahre, die durch ihre ästhetische Stilisierung ironisch und nostalgisch zugleich wirken konnten. Insbesondere die Architekturgeschichte, aber auch die Designgeschichte und Modegeschichte hatten Ende der 1970er Jahre die 50er Jahre als eigene Stilepoche definiert und dabei das Besondere und die Neuerungen im Stil der Zeit hervorgehoben. Dabei entspann sich eine Diskrepanz zwischen den Stilen, die nun in den 1980er Jahren als typisch für die 50er Jahre galten, und denen, die faktisch das Alltagsleben dominiert hatten.323 Das Neuartige am Möbeldesign der 50er Jahre, das

323 Vgl. Andersen: Traum, S. 147.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 231

u.a. mit den Begriffen Nierentisch und Tulpenlampe in Verbindung gebracht wurde, hatte eben nicht dem Geschmack und den Nützlichkeitserwägungen eines großen Teils der Bevölkerung entsprochen. Um die Authentizitätswahrnehmung der Zuschauer, die gleichzeitig Zeitzeugen waren, nicht zu stören, verwendete WAS WÄREN WIR OHNE UNS überstilisierte Objektpräsentationen in einem satirischironischen Grundtenor. Die Unterschiede zwischen Typischem und Normalem der 50er Jahre thematisierte auch die Sendung TYPISCH FÜNFZIGER JAHRE. ARCHITEKTUR ZWISCHEN WIEDERAUFBAU UND WOHLSTAND (ZDF 1985). In der Presseinformation zur Sendung hieß es dazu: »Typisch fünfziger Jahre! Nierentisch und Petticoat sind längst zum Klischee für die Zeit geworden – eher ein Etikett zur modischen Vermarktung als Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Geschichte.«324

Die Macher beabsichtigten die Objekte und Architektur in eine kulturgeschichtliche Betrachtung einzubinden. Im Mittelpunkt der Sendung stand die Architekturgeschichte der 50er Jahre. Peter Kraus zeigte als Moderator Bauten aus den 50er Jahren, wie sie im zeitgenössischen Stadtbild zu finden waren, ebenso auch weitere Elemente der Populär- und Alltagskultur: »Filmszenen aus ›Conny und Peter machen Musik‹, eine kleine Modenschau, Autos der 50er Jahre, Swing und natürlich Rock’n’Roll verweisen auf Momente des ›Zeitgeistes‹.«325

Das selbst gesteckte Ziel, die Klischees der Gegenstandskultur der 50er Jahre kritisch zu hinterfragen, erreichte die Sendung nach Meinung von Lutz Hachmeister allerdings nicht. Vielmehr zeichne sie sich wie so häufig »im gegenwärtig herrschenden Geschichtsbild der 50er-Jahre-Formkultur« durch eine »Ausklammerung der Normalität«326 aus. So hätten die avantgardistischen Stilneuerungen der 50er Jahre dominiert und die viel stärker vorherrschenden traditionellen Elemente im Städtebau der 50er Jahre seien nur am Rande erwähnt worden.327 Die Sichtweise der Stilgeschichtsschreibung hatte sich aber deutlich durchgesetzt, wie die überwiegende Zahl der Kritiken belegt, die den Versuch der Sendung, moderne Architekturgeschichte in einer unterhaltsamen Form zu präsentieren, als überaus gelungen

324 ZDF Presse Programm 46/85, S. 37. 325 ZDF Presse Programm 46/85, S. 38. 326 Beide Zitate: Lutz Hachmeister: »Ausklammerung der Normalität«, in: epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 92, 20.11.1985. 327 Vgl. in ähnlichem Tenor: Stuttgarter Zeitung, 12.11.1985.

232 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

bewerteten.328 Deutlich wird an diesem Beispiel zum einen, wie stark die designhistorischen und architekturgeschichtlichen Forschungsergebnisse mit der Repräsentation von Bildern in der populären Geschichtskultur in Wechselbeziehung standen. Zum anderen zeigt sich hieran, dass das als typisch Etablierte einer Epoche nicht unbedingt repräsentativ für das Alltagsleben gewesen sein musste, um in den Kanon der 50er Jahre Geschichtsbilder aufgenommen zu werden. Auch WAS WÄREN WIR OHNE UNS belegt, dass sich eine selbstironische Perspektive auf die eigenen 50er Jahre Erinnerungen und eine nostalgisch-unterhaltsame Aneignung nicht widersprechen mussten. Vielmehr konnten so viele Zeitgenossen entspannt zurückgelehnt auf das eigene Fortkommen schauen und sich gleichzeitig von früheren Ansichten und Verhaltensweisen distanzieren. Audiovisualität und Medialität Die Aufbereitung des 50er Jahre Booms in verschiedenen Genres, Perspektiven sowie für verschiedene Zielgruppen, die Suche des Fernsehens nach neuen Formen der Geschichtspräsentation und die Ausdifferenzierung des Programms im Kontext eines steigenden Programmvolumens führten zur Berücksichtigung eines größeren Bildfundus. Zugleich veränderte die seit den 1970er Jahren ausgebaute Film- und Mediengeschichte zunehmend den Umgang mit Bildmaterial. Vor diesem Hintergrund entstanden Sendungsformen, die sich auf die Präsentation jeweils einer Mediengattung – Kinofilm, Fernsehsendungen oder Wochenschauen – konzentrierten. Der neue Stellenwert von Bildern zeigte sich exemplarisch an JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982). Schon der im Plural formulierte Untertitel »Bilder einer Zeit« verwies darauf, dass weniger der deutende Rahmen als vielmehr das Archivbildmaterial im Vordergrund stand. Aufgabe des spärlich eingesetzten Kommentars war es nur, das gezeigte visuelle Material zu kontextualisieren und direkte Hinweise auf die Bilder zu geben. Das Bildmaterial stammte zum großen Teil aus den verschiedenen Wochenschauen. Neu war allerdings, dass nun das gesamte thematische Spektrum der Wochenschauen aufgegriffen wurde: Neben den häufig verwendeten innen- und außenpolitischen Berichten, wurden auch die kulturellen und gesellschaftlichen Berichte eingesetzt, die im Mittelteil jeder Wochenschau als Kurznachrichten erschienen.329 Das Konzept der Kurznachricht übernahm JAHRE UNSERES LEBENS als wiederkehrende Form in der eigenen Sendung: Mehrmals pro Folge schnitten die Macher diese Kurznachrichten, eingeleitet durch den ursprünglichen Titel »Schlagzeilen aus aller Welt« (vgl. Abb. 95), hintereinander: So folgten im ersten Schlagzeilen-Block 328 Vgl. Manfred Sack: »Schiefrund«, in: Die Zeit, 15.11.1985; Joachim Hauschild: »ZeitZeugnisse«, in: Süddeutsche Zeitung, 12.11.1985. 329 Vgl. hierzu Kapitel II.1.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 233

der fünften Folge zum Jahr 1953 hintereinander Wochenschaubilder zu den Themen: Tod Stalins (vgl. Abb. 96), Kehl wieder unter deutscher Verwaltung (vgl. Abb. 97), Jugendfußballmannschaften (vgl. Abb. 98), Krönung Elisabeth II. in England (vgl. Abb. 99), die »Verjüngungstonne« für Frauen zum Abnehmen (vgl. Abb. 100). Die »großen Ereignisse« riefen ins Gedächtnis, »was man längst vergessen glaubte«.330 Die unterhaltenden Gesellschaftsthemen dagegen changierten in ihrer Funktion zwischen nostalgischem Erinnerungswert und unterhaltenden Kuriositäten. Während die Jugendfußballmannschaften bei manchen Zuschauern einem »blättern in alten Fotoalben«331 gleichgekommen sein mussten, rief der Bericht zur Erfindung einer »Verjüngungstonne« eher ein distanziertes Schmunzeln hervor. Abb. 95-100: Kurznachrichten in JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982)

Quelle: Videostills JAHRE UNSERES LEBENS, TEIL 5 (ZDF 1982), 07:21-10:30.

Das Prinzip des »Schlagzeilen-Blocks« fand sich in mehreren Sendungskonzepten der 1980er Jahre: Auch in WAS WÄREN WIR OHNE UNS bildeten Wochenschauausschnitte den dokumentarischen Hintergrund zu jeder Folge, in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK. DIE GESCHICHTE UNSERES STAATES (ARD 1983) wurden die eingefügten Spielszenen durch Schlagzeilenblöcke unterbrochen. Hier trat stets eine ›Nachbarin‹ auf, die mit ihrem Klatsch und Tratsch den Schlagzeilenblock einleitete. Noch Anfang der 1990er Jahre verwendete zudem die Sendereihe DAS WAR EINMAL (ARD 1992) nach demselben Prinzip wie JAHRE UNSERES LEBENS die Schlagzeilenblöcke. 330 Thomas Thieringer: »Manchmal peinlich«, in: Frankfurter Rundschau, 18.2.1982. 331 Badische Zeitung, 18.2.1982.

234 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Seit Anfang der 1980er Jahre entstanden mehrere Sendereihen, die sich auf die ausschnittsweise Präsentation einzelner Mediengenres konzentrierten: In DAS KLEINE KINO AN DER ECKE (ARD, 1980-1987, 10 Folgen á 60 Minuten) waren es Kinofilme der 50er Jahre. Gemäß dem chronologisch gegliederten Gesamtkonzept der Sendung standen in jeder Folge ein bis vier Jahre im Mittelpunkt, aus denen jeweils Kinofilme ausgewählt wurden. Die erste Folge zeigte Filme aus den Jahren 1945 bis 1948. Abgeschlossen wurde die Reihe mit je einer Sendung zu den 1960er Jahren und zum zeitgenössischen deutschen Film der 1970er und 1980er Jahre. Mit sieben Folgen bildeten die 50er Jahre aber den inhaltlichen Schwerpunkt. In der Rolle eines fiktiven Filmvorführers präsentierte ein Schauspieler pro Sendung etwa 8-10 Kinofilmausschnitte von je etwa zwei bis vier Minuten Länge und sprach mit einem Studiogast darüber. Das Studio war ausgestattet mit Objekten aus den 50er Jahren. Flankierend und unterstützend wurden Wochenschauausschnitte eingesetzt. Nach diesem Prinzip funktionierte auch die Sendereihe SCHLEIFCHEN DRUM (ARD 1981-1983, 10 Folgen á 30 Minuten), die später unter dem Titel FRÜHE FERNSEHJAHRE (ARD 1988-1990, 10 Folgen á 30 Minuten) fortgesetzt wurde. Wie schon der spätere Titel anzeigte, wurden in dieser Produktion Ausschnitte aus Fernsehsendungen der 50er Jahre gezeigt. Im Anschluss wurden diese wie in DAS KLEINE KINO AN DER ECKE von den Moderatoren und ihren geladenen Gästen in einem mit 50er Jahre Objekten dekorierten Studio besprochen. Beiden Formen war das Präsentieren der Ausschnitte und ihre Einbindung in assoziative Erinnerungskontexte (Studiokulissen, Zeitzeugen, Moderator) gemein. Den Produktionshintergrund bildete die fortschreitende Institutionalisierung der Archivierung von audiovisuellem Quellenmaterial. Die Macher von DAS KLEINE KINO AN DER ECKE arbeiteten bei der Auswahl und Recherche der Filme mit dem Deutschen Institut für Filmkunde zusammen, so stammten auch die in der Sendung gezeigten Filmplakate komplett aus dem Fundus des Instituts.332 Beim Publikum traf die Sendung auf Zuspruch: Die einzelnen Folgen erreichten zum Teil Haushaltsquoten von 19 Prozent, was deutlich über dem normalen Durchschnitt von historischen Dokumentationen von etwa 10 Prozent lag. Viele Kritiker dagegen verrissen die Sendung.333 Sie habe nur »nostalgisch verklärt, statt ›kulturgeschichtlich‹ beschrieben.«334 Weder sei eine begründete Auswahl zu erkennen, noch seien Hintergrundinformationen zu den Filmen gegeben worden. In dieser Form sei die Sendung nur ein »unseriöses Ausbeutungsschnipsel-Unternehmen«.335 In dieser Konstellation avancierte der in anderen Zusammenhängen durchaus auch positiv besetz332 Vgl. die Angaben in FESAD zu den Sendungen. 333 Die erste Folge wurde ausgiebig kritisiert, danach ebbte das Interesse der Kritik merklich ab. 334 D.L.: »Nostalgisch«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 5.7.1980. 335 Thomas Tieringer: »Peinlich«, in: Frankfurter Rundschau, 7.7.1980.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 235

te Begriff der Nostalgie zum pejorativen Abgrenzungsmerkmal für seriöse historische Dokumentationsarbeit. Dabei spielten vermutlich die engen Beziehungen vieler Kritiker zur Film- und Medienwissenschaft eine Rolle.336 Insbesondere zum Heimatfilm der 1950er Jahre entstanden in den 1980er Jahre eine Reihe von Forschungsarbeiten. Hier wurde der Unterhaltungsfilm der 50er Jahre häufig als Ausdruck des restaurativen gesellschaftlichen Charakters der 50er Jahre beschrieben. Und auch der Neue Deutsche Film hatte sich früh vom deutschen Kino der 50er Jahre distanziert. Vor diesem Hintergrund orientierte sich DAS KLEINE KINO AN DER ECKE für die Kritiker zu wenig am filmwissenschaftlichen Diskurs. Denn die in der Forschung restaurativ gedeuteten Heimatfilme wie GRÜN IST DIE HEIDE (BRD 1951) und die wenigen kanonisierten und filmwissenschaftlich bedeutsamen Filme wie IN JENEN TAGEN (D 1947) wurden ohne weitere Kontextualisierung nebeneinander gezeigt. Wie schon oben anhand anderer Beispiele erläutert, übernahmen die gezeigten Filmausschnitte hier als mediale Cues in erster Linie die Funktion, Erinnerungen wachzurufen, was einige Kritiker auch als gelungen beschrieben.337 Historische Ordnung und Kanonisierung erzeugten sie dagegen kaum. Die Sendung wende sich mit »nostalgischen Reminiszenzen« an die Zeitzeugen unter den Zuschauern und versuche, »deren Erfahrungen dadurch zu binden, daß sie anheimelnd eine Zeit beschwört«.338 Die Reihen SCHLEIFCHEN DRUM und FRÜHE FERNSEHJAHRE sowie die zu fernsehspezifischen Jubiläen339 verstärkt ausgestrahlten Sendungen stehen im Kontext des gewachsenen Interesses der Fernsehsender, das eigene historische Programmmaterial archivalisch zu erschließen und für die eigene Programmarbeit nutzbar zu machen.340 Dank einer mittlerweile über dreißigjährigen Programmgeschichte, verfügte das Fernsehen über einen audiovisuellen Bildbestand, der in den eigenen Sendern allmählich zugänglich gemacht werden sollte. Beide Sendereihen unternahmen aber nicht den Versuch, das Gesamtprogramm abzubilden, sondern konzentrierten sich auf einen beschränkten Fundus von Programmformen. Die Programmausschnitte unterstützten dabei zuvorderst die unterhaltende Grundausrichtung der Sendereihen und lassen sich in drei Kategorien einteilen: Erstens orientierte sich die Auswahl der Ausschnitte am Wiedererkennungswert von Stars der 50er Jahre. Peter 336 Vgl. Hickethier: Fernsehkritik. 337 Vgl. H. Eckmann: »Erinnerungen«, in: Lübecker Nachrichten, 5.7.1980; hwb: »Nostalgie – sympathisch serviert«, in: Gong, 19.7.1980. 338 Wilfried Günther: »Originelles vom Borstenvieh, Oberflächliches vom Kino«, in: epd/ Kirche und Rundfunk, Nr. 53, 9.7.1980, S. 15. 339 WAS BIN ICH? GALA ZUM 30. JAHRESTAG DES ARD-PROGRAMMS (ARD 1984); SILBERHOCHZEIT ZU

ZWÖLFT. 25 JAHRE ARD (ARD 1975); 30 JAHRE SÜDFUNK FERNSE-

HEN: DOKUMENTARFILM UND POTPOURRI UND INTERVIEW MIT BAUSCH (SW3

340 Vgl. die Ausführungen in Kapitel I.

1984).

236 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Alexander (vgl. Abb. 101) und Vicco Torriani (vgl. Abb. 103) waren beispielsweise häufig in Ausschnitten zu sehen. In diesem Kontext zeigte die Sendereihe unter anderem auch eine zeitgenössische ›Home-Story‹ mit Catherina Valente (vgl. Abb. 102). Abb. 101-103: Stars der 50er Jahre in FRÜHE FERNSEHJAHRE (ZDF 1988): Peter Alexander, Catherina Valente und Vicco Torriani

Quelle: Videostills aus FRÜHE FERNSEHJAHRE, FOLGE 2 (ZDF 1988), 25:38, FOLGE 1 (ZDF 1988), 23:09, FOLGE 4 (ZDF 1988), 02:51.

Durch ihre langjährige Präsenz im Fernsehen waren sie in den 1980er Jahren weiterhin einem breiten Publikum bekannt. Denn die Film- und Fernsehstars der 50er Jahre waren häufig bis in die 1960er Jahre und 1970er Jahre präsent geblieben; viele, wie Peter Alexander, Peter Frankenfeld, Robert Lembke, Catherina Valente oder Vicco Torriani, hatten über lange Jahre eigene Fernsehshows.341 Zweitens wurden Ausschnitte aus den bekannteren Shows der 50er Jahre gezeigt, die im engeren Sinne eine kanonisierte Programmgeschichte des frühen Fernsehens repräsentierten. So zeigte FRÜHE FERNSEHJAHRE in der 2. Folge einen Ausschnitt des Ratequiz WAS BIN ICH? (ARD 1955-1958) mit Robert Lembke (vgl. Abb. 105). In Folge 1 wurde die Talentshow von Peter Frankenfeld TOI, TOI, TOI (ARD 1958-1961) gezeigt (vgl. Abb. 104). Aber auch die erste Kochsendung im deutschen Fernsehen von Clemens Wilmenrodt kam vor (vgl. Abb. 106). Dabei dominierten die non-fiktionalen Formen deutlich, aber auch die so genannten Straßenfeger-Krimis der 50er Jahre wie DAS HALSTUCH (ARD 1962) von Durbridge oder die gattungsästhetisch stilbildende Krimi-Reihe STAHLNETZ (ARD 1958-1968) hatten ihren Platz in der Sendung. In diese Kategorie, der nun präsentierten Mediengeschichte der 1950er Jahre, die die Geschichte des ›eigenen‹ Mediums Fernsehen abbildet, fallen auch Sendungen, die über eine Ursprungs- oder Anfangserzählung Ausschnitte kontextualisier-

341 Werner Faulstich: »Deutsche Schlager und deutsche Fernsehstars. Wertekontinuität im Medienwandel«, in: Werner Faulstich (Hg.), Die Kultur der sechziger Jahre, München 2003, S. 177-193, hier S. 186-190.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 237

ten. So zeigte FRÜHE FERNSEHJAHRE den ersten Auslandskorrespondenten, die Ansprache des Postministers zum Ausstrahlungsbeginn des Fernsehprogramms aus dem Jahr 1952 oder die erste große Liveübertragung bei den Krönungsfeierlichkeiten Elisabeths II.342 Drittens wiederholten beide Sendereihen eine Vielzahl von alten Sketchen und kabarettistischen Einlagen. SCHLEIFCHEN DRUM präsentierte in nahezu jeder Folge die schwäbischen Mundart-Sketche von Willy Reichert und Oskar Heiler, die als Häberle und Pfleiderer beim Publikum populär waren. Insbesondere die Sketche eigneten sich gut für diese Sendeform, wegen ihrer Länge und der Art der satirischen Behandlung gesellschaftlicher Themen. Gerade der satirische Blick auf die Gesellschaft der 50er Jahre war in den 1980er Jahren durchaus populär, da er gleichzeitig Distanz und Nostalgie ermöglichte. Das Persiflieren der gesellschaftlichen Normen durch Kabarettisten der 50er Jahre wie Wolfgang Müller, Heinz Erhardt oder Dieter Hildebrandt ähnelte in Stil und Aussagen den zeitgenössischen Satiren der 1980er Jahre über die 50er Jahre. Abb. 104-106: Fernsehshows der 50er Jahre in FRÜHE FERNSEHJAHRE (ARD 1988): TOI, TOI, TOI, WAS BIN ICH? und Fernsehkoch Clemens Wilmenrodt

Quelle: Videostills aus FRÜHE FERNSEHJAHRE, FOLGE 1 (ARD 1988),07:45, FOLGE 2 (ARD 1988), 11:07, 23:35.

Die bisherigen Kritiken und inhaltlichen Analysen resümierend, verfolgten die behandelten Sendereihen zur Film- und Fernsehgeschichte der 50er Jahre nicht das vorrangige Ziel, historisches Wissen und kulturgeschichtliche Interpretationen zu den Mediengenres zu bieten. Vielmehr setzten sie im Sinne der Funktionsweise der Mosaiksendungen auf eine assoziative Unterhaltung der Zeitzeugen-Zuschauer durch Aneinanderreihung medialer Cues. Vielen Kritikern missfiel diese nostalgische, unstrukturierte und primär auf leichte Unterhaltung der Zuschauer setzende Sendeform. Die Sendebeteiligungen und Haushaltsquoten ließen aber darauf schließen, dass vielen Zuschauern die Sendung zusagte. Die Beliebtheit der Form der Mosaiksendung zeigte sich aber nicht nur in ihrem mannigfaltigen Auftreten in den 1970er und 1980er Jahren, sondern auch darin,

342 Letztere wird auch in WAS WÄREN WIR OHNE UNS thematisiert.

238 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

dass einzelne gattungsästhetische Elemente auf die historischen Dokumentationssendungen ausstrahlten. Hier stellt sich in der Retrospektive an einigen Stellen die Frage der Trennschärfe in der Unterscheidbarkeit der Sendungsformen. Am deutlichsten ist dies sicherlich der Fall, wenn man die seit Anfang der 1980er Jahre ausgestrahlten Wochenschausendungen betrachtet. Nachrichtenähnliche Wochenschausendungen Während die präsentierten Film- und Fernsehgeschichten aus einem kulturhistorischen Blickwinkel auf die Mediengeschichte schauten,343 wurden die Wochenschauen eher im Modus einer Nachrichtensendung präsentiert. Das ZDF zeigte mit DAMALS (ZDF 1984-2000) wöchentlich in 15-minütigen Sendungen Wochenschauausschnitte, die genau 40 Jahre zuvor ausgestrahlt worden waren, beginnend 1985 mit den letzten Kriegswochen 1945. Die Ausschnitte wurden sowohl durch einen Moderator gerahmt, der Hinweise zum historischen Kontext gab, als auch durch die Erinnerung von Zeitzeugen ergänzt. Mit der Sendung BLICK IN DIE WELT (RTLplus 1984ff.) nahm RTLplus ebenfalls Wochenschauausschnitte ins Programm, die in diesem Fall dreißig Jahre zuvor wochenaktuell gewesen waren. Hier wurden sie am frühen Abend für jeweils 10 Minuten ausgestrahlt. Es kann vermutet werden, dass gerade die frühe Vermarktung der Wochenschauen durch die Deutsche Wochenschau dazu beigetragen hat, dass auch der kommerzielle Sender auf diese Ausschnitte zurückgriff bzw. zurückgreifen konnte. Zudem dürften der Rechercheaufwand ebenso wie der redaktionelle Aufwand gering gewesen sein, zumal BLICK IN DIE WELT nicht durch Zeitzeugenaussagen ergänzt wurde. Auch JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982) bestand überwiegend aus Wochenschauausschnitten. Sehr viel stärker kontextualisiert und eher in eine kulturhistorische Richtung präsentierte die N3-Sendung VOR VIERZIG JAHREN (N3 1984ff.) die deutschen Wochenschauen. Thematisch zugespitzt wurden immer jeweils eine westdeutsche und eine ostdeutsche Wochenschau zum gleichen Thema gezeigt und ausführlich interpretiert. Im Gegensatz zur nachrichtenähnlichen Wochenschaupräsentation im ZDF und bei RTLplus wurden hier vor allen Dingen anhand des Berichtstils, des Duktus und der Ästhetik der Sendungen Aussagen über die politische Kultur getroffen. In der Verwendung von Wochenschauausschnitten in Mosaiksendungen lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche, nahezu entgegengesetzte Präsentationsformen unterscheiden: Erstens wurden ausgewählte Wochenschauberichte in längeren Ausschnitten gezeigt, wobei zuvor in der Moderation oder mittels eines OffKommentars direkt auf die Präsentation des Wochenschauberichts hingewiesen wurde, so etwa bei WAS WÄREN WIR OHNE UNS oder VOR VIERZIG JAHREN. Alterna343 So der Anspruch, den etwa die Presseinformation im Vorfeld von DAS KLEINE KINO UM DIE ECKE

streute, vgl. Presseinformation Deutsches Fernsehen/ARD 27/80, S. III/13.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 239

tiv wurden zweitens viele meist sehr unterschiedliche Ausschnitte in stark geschnittenen Montagen und kaum kontextualisiert eingeblendet – häufig im Zuge eines „Schlagzeilenblocks“, so etwa in JAHRE UNSERES LEBENS. Gemein war beiden Varianten, dass sie die Audiovisualität der Wochenschau in den Fokus stellten, die Bilder also nicht nur zur Bebilderung eines Kommentartextes verwendeten. Letzteres verursachte die in historischen Kompilationsfilmen häufig anzutreffende BildText-Schere. Diese beiden Präsentationsformen im Umgang mit dem Wochenschaumaterial verwiesen dagegen direkt auf die Ausschnitte, indem sie im O-Ton gezeigt wurden oder auf die Bildinhalte dezidiert Bezug genommen wurde. Beide Einsatzmöglichkeiten von Wochenschau-Sendungen fanden Einzug in fiktionale wie non-fiktionale Geschichtssendungen jenseits der Mosaiksendungen. Die gestiegene Bedeutung und die teilweise explizite Thematisierung von Visualität und Medialität der Wochenschauausschnitte stellt einen wichtigen Befund der Analyse der Geschichtssendungen der 1980er Jahren dar. Hier rückte die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen zeitgenössischen audiovisuellem Material in den Fokus und wurde damit zu einem wichtigen Charakteristikum der audiovisuellen Geschichtsrepräsentationen. Zeitzeugen Der Einsatz von Zeitzeugen in Mosaiksendungen unterschied sich fundamental von den bisher üblichen Verwendungen als einmontierte Sequenzen in Geschichtsdokumentationen. Bis dahin wurden Zeitzeugen meistens in den Mosaiksendungen eingesetzt, entweder, indem sie als Gäste in Studiosendungen im Gespräch mit dem Moderator ihre Erinnerungen erzählten oder indem die Moderatoren gleichzeitig als Zeitzeugen agierten. Populär war es insbesondere, ehemalige Stars und Prominente der 50er Jahre als Moderatoren einzusetzen oder als Gesprächspartner einzuladen. In TYPISCH FÜNFZIGER JAHRE (ZDF 1985) führte Peter Kraus durch die Sendung (vgl. Abb. 108), in DIE RUNDE DER FÜNFZIGER (N3/NDR 1982-1983, 6 Folgen) trat er als Talkgast auf. Nachdem Kraus in den 50er Jahren als deutscher Rock’n’Roll-Star sehr erfolgreich gewesen war, nutzte er in den 1980er Jahren seine ehemalige Popularität, um an frühere kommerzielle Erfolge anzuknüpfen. Neben Neuauflagen seiner größten Hits aus den 50er Jahren und größeren Tourneen war er ein gern gesehener Gast im Rahmen der Fernsehsendungen zu den 50er Jahren. Auch in jeder Folge von DAS KLEINE KINO UM DIE ECKE (ARD 1980-1987) wurde ein ehemaliger deutscher Filmstar der 50er Jahre eingeladen, Gerd Froebe stand dabei für die Trümmerfilme, Caterina Valente für die unbeschwerte Unterhaltung der 50er Jahre Schlagerfilme. In JAHRE UNSERES LEBENS ersetzten prominente Moderatoren die Zeitzeugenerinnerungen. Mit Hans Rosenthal (vgl. Abb. 107), Cornelia Froeboss oder Sonia Ziemann hatte Autor und Regisseur Dieter Franck Stars der Populärkultur der 50er

240 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Jahre ausgewählt. Dabei hatten diese einen doppelten Blick auf die 50er Jahre, als Prominente, die über ihre Arbeit erzählten, und als Zeitzeugen, deren Anspruch es auch war, auf Augenhöhe Erinnerungen mit anderen Zeitgenossen auszutauschen. Hans Rosenthal begann Zwischenmoderationen mit Sätzen wie »Erinnern Sie sich noch?« oder setzte sich bewusst mit den Zuschauern auf eine Erfahrungsebene: »Wir Westberliner spürten, dass sich etwas veränderte.« Im Kontext der beginnenden Massentechnisierung der Haushaltsgeräte betonte Rosenthal, dass er, wie viele andere der Zuschauer, wohl auch Mitte der 50er Jahre seinen ersten Kühlschrank gekauft habe. Ebenso berichtete er über seine Zeit als Kabarettist beim RIAS. Als Moderatoren sollten die Zeitzeugen aber keine längere Geschichte erzählen, sondern kleinere Anekdoten und Geschichtchen zum Besten geben, die wie auch die übrigen Elemente der Mosaike Erinnerungsanreize für die Zuschauer schaffen sollten. Abb. 107-108: Stars der 50er Jahre als Moderatoren: Hans Rosenthal und Peter Kraus

Quelle: Videostills aus JAHRE UNSERES LEBENS, TEIL 5 (ZDF 1982), 06:51 (Orig.i.F.); TYPISCH FÜNFZIGER JAHRE (ZDF 1985), 20:59

(Orig.i.F.).

So war es auch für die Zeitzeugen als Gesprächspartner in Studiosituationen gedacht. Kamen in DAS KLEINE KINO UM DIE ECKE oder FRÜHE FERNSEHJAHRE Gäste ins Studio, lieferte ein meist längerer Ausschnitt eines Kinofilms bzw. einer Fernsehsendung den Kontext für das Gespräch mit dem Moderator. Während in DAS KLEINE KINO UM DIE ECKE ausschließlich Schauspielstars der 1950er Jahre eingeladen wurden, waren es in FRÜHE FERNSEHJAHRE neben Akteuren des Fernsehens, beispielsweise Drehbuchautoren, auch Showkandidaten (vgl. Abb. 110), die von ihren damaligen Erlebnissen in Bezug auf die gezeigten Ausschnitte erzählten. Im Unterschied zu montierten klassischen Zeitzeugeninterviews waren in dieser Zeitzeugeneinbindung der Gesprächscharakter ein ebenso entscheidendes Gestaltungsmerkmal wie die konkreten Bezugnahmen auf die Bildausschnitte. So blieben die

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 241

Gespräche ähnlich der Bildfunktion der Mosaiksendungen dem Erzählen flüchtiger Momente verhaftet. Durch den konkreten Bildbezug waren die Gespräche auf das Erzählen von Anekdoten und kleinen Geschichtchen oder tagesaktuellen Mediengeschichten ausgerichtet. Ein Beschreiben längerer historischer Linien oder lebensbiografischer Stationen war in den Studiogesprächen nicht angelegt. Damit fügten sie sich in die Form der Mosaiksendungen als weiterer Baustein ein. Deutlich wurde dies auch an der Sendereihe DEUTSCHE TAGE (BFS3 1984-1988), die in mehreren Folgen einzelne Jahre der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte zum Thema machte. Das in der BR-Redaktion Politik und Zeitgeschichte entstandene Sendungskonzept wählte eine Studiosituation vor Publikum als Grundelement. Günther Jauch führte als Moderator durch jede Folge. Pro Sendung wurden etwa drei bis fünf Gäste eingeladen (vgl. Abb. 109), eingespielte WochenschauAusschnitte, Kabarett- und Musikauftritte ergänzten das Showkonzept. Abb. 109-110: Zeitzeugen in Gesprächssituationen im Studio

Quelle: Videostills aus DEUTSCHE TAGE 1953 (BFS3 1986), 74:41 (Orig.i.F.); FRÜHE FERNSEHJAHRE, FOLGE 6 (ARD 1988), 10:09

(Orig.i.F.).

Wie in anderen Mosaiksendungen zeigte sich auch hier das charakteristische Nebeneinander von Ereignissen aus Politik, Sport, Gesellschaft, Musik und Alltag, die zusammen ein gefühltes Gesamtbild der 50er Jahre erzeugen sollten. Die Gesprächsgäste saßen zusammen an einem Tisch mit Jauch. Zum einen waren dies Politiker, Sportler oder andere ehemals prominente Protagonisten der Wochenschauen, denen alte Wochenschauberichte gezeigt wurden und die sich daraufhin an diese konkreten Ereignisse und ihre Karrieren in den 1950er Jahren erinnerten. Zum anderen waren die Gäste Protagonisten, die durch die Wochenschauberichte kurzzeitige Berühmtheit erlangt hatten und nun befragt wurden, wie sie dies damals empfunden hatten und wie sich ihr Leben seither weiterentwickelt hatte. Die Form der Zeitzeugeneinbindung wandte sich direkt an diejenigen Zuschauer, die die Zeit noch selbst in Erinnerung hatten, und sollte deren Erinnerun-

242 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

gen anregen. Gleichzeitig folgte die Sendung in der Form den in den seit den 1970ern beliebt gewordenen Talk-Shows à la III NACH 9 (N3 1974ff.), in denen die Gesprächsgäste ebenfalls in einer Runde zusammen mit dem Moderator saßen. Die Wochenschauausschnitte wurden zudem als Nachrichten – wenn auch zum Teil kuriose Boulevardnachrichten – aufbereitet, wodurch eine Anbindung an die mediale Lebenswelt der Zuschauer geschafft wurde. Diese Anbindung an geläufige Fernsehgenres und das anschauliche Archivbildmaterial sollten die Geschichtspräsentation anschlussfähig auch für junge Zuschauer machen, so wie dies von der Fernsehkritik postuliert worden war. So sollte ein durchgehender Gegenwartsbezug für die Zuschauer hergestellt werden. Gleichzeitig präsentierten die einzelnen Gäste in sich abgeschlossene, kleine Geschichten, die für den Zuschauer leicht konsumierbar waren, weil das erforderliche Vorwissen in den Archivfilmausschnitten bereitgestellt wurde. Mosaiksendungen stellten eine neue Form der Geschichtssendungen zu den 50er Jahren im westdeutschen Fernsehen dar. Ihr Aufkommen erklärt sich durch die Formveränderungen der Geschichtskultur insgesamt, die in engem Zusammenhang mit der Dominanz von Zeitzeugenerinnerungen stand. Die Methode, die 50er Jahre über assoziative Erinnerungsanreize zu präsentieren, war beim Publikum überaus erfolgreich – und dies vielleicht gerade wegen der fehlenden klar geschlossenen Geschichtsschreibung. So konnten nostalgische Rückerinnerungen, ironische Brechungen gesellschaftlicher Kuriositäten und restaurative Kritik mögliche Lesarten einer Sendung sein. Entscheidend für viele Zuschauer waren die engen Anknüpfungsmöglichkeiten an die eigene Lebenswelt. Dies ermöglichte einen emotionalen, gefühlsbehafteten Zugang zu den 50er Jahren, der sich, wie sich in den Kritiken zeigte, nur schlecht verbalisieren ließ.

3.3 ›Klassische‹ dokumentarische Geschichtssendungen: Von der Politik- und Wirtschaftsgeschichte zu Kultur, Gesellschaft und Alltag der 50er Jahre Neben den Mosaiksendungen differenzierten sich die non-fiktionalen Formen mit Blick auf den Inhalt aus: Die wenigen dokumentarischen Sendungen der Formierungsphase der 1960er und frühen 1970er Jahre hatten vor allem politik-, ereignisund wirtschaftsgeschichtliche Themen aufgegriffen. Nun rückten Kultur, Gesellschaft und Alltag der 50er Jahre ins Blickfeld historischer Dokumentationen. Im Unterschied zu den Mosaiksendungen waren die Themen hier durch einen narrativen roten Faden verbunden und präsentierten fester gefügte Geschichtsbilder. Zumeist wählten diese Dokumentationen ein Thema aus, um daran exemplarisch Aussagen über das Gesamtjahrzehnt treffen zu können. Die Sendungen orien-

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 243

tierten sich dabei zunächst an den kritisch-restaurativen Deutungsmustern, die im zeitgenössischen linken Milieu bzw. im Kontext der ›68er‹-Generation dominant geworden waren. Überspitzt kann sogar gesagt werden, dass eine kritischrestaurative Deutung der Gesellschaft der 50er Jahre in Bezug auf die Themen Alltag und Gesellschaft vorausgesetzt wurde. Die konkrete Ausgestaltung der Restaurationsthese war allerdings durchaus abhängig von redaktionellen Besetzungen der Sendungen und ihrer Platzierung im Fernsehprogramm. Die gemessen am Zuschauerzuspruch erfolgreichsten gesellschaftsgeschichtlichen Dokumentationen entstammten der Sendereihe RÜCK-SICHTEN, die zwischen 1986 und 1988 im Ersten Programm ausgestrahlt wurden. Die Sendereihe griff »Medienereignisse der Vergangenheit« wieder auf und bewertete sie »medienkritisch«344 aus der historischen Distanz. Fünf der vermutlich 21 aufgegriffenen Themen waren den 50ern zuzuordnen.345 Von den Dritten Programmen nahm sich insbesondere die Redaktion Weiterbildung I im NDR beständig Themen der 50er Jahre Gesellschaft an. In zwei größeren Reihen entstanden eine Vielzahl von Dokumentationen zur Gesellschaft der 50er Jahre. DIE EIGENE GESCHICHTE (N3 1978-1987) verfolgte das Konzept, Einzelgeschichten über Zeitzeugen zu erzählen. Im Fokus der Einzelfolgen standen ein bis zwei Zeitzeugen, die anhand einer thematischen Zuspitzung von ihren Erfahrungen und lebensbiografischen Erlebnissen berichteten. Den Einzelnen wurde dabei viel Zeit zum Erzählen eingeräumt, das Gespräch fand meist bei den Protagonisten zu Hause statt, der Interviewende war häufig mit im Bild zu sehen. Eingeschnitten wurden zur Kontextualisierung kommentierte Archivbildmontagen. Zwischen 1978 und 1987 entstanden so fünfzig Folgen, mit Themen aus verschiedenen Zeitepochen von der Weimarer Republik bis in die 1970er Jahre.346 Die 50er Jahre bildeten zwischen 1983 und 1985 einen Themenschwerpunkt.347 Die zeitweise parallel entstandenen sieben Folgen der Dokumentarreihe KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE (N3 1985/1986) bauten dagegen thematisch aufeinander auf. Jeder Film nahm sich einen kulturellen Bereich zum Thema. Auffällig war dabei das »unorthodox[e]« Nebenei-

344 Beide Zitate aus: rbn: »Vergessene Medienereignisse«, in: Stuttgarter Zeitung, 30.5.1984. 345 FESAD listet 21 Folgen der Sendereihe auf. Es ist aber nicht auszuschließen, dass daneben noch weitere Folgen ausgestrahlt wurden, die nicht in der Datenbank verzeichnet wurden und dem Verfasser nicht bekannt sind. 346 Hannelore Schäfer: »Die eigene Geschichte. Rückblick auf eine Fernsehserie«, in: Klaus Füßmann/Heinrich Theodor Grütter/Jörn Rüsen (Hg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1994, S. 195-208, hier S. 196f., 206-208. 347 Vgl. ebd., S. 203f.

244 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

nander von »klassischen Kulturkategorien«348 wie Literatur, Kunst oder Theater und populärkulturellen Themen vom Heimatfilm bis hin zur Wohnkultur. Die Form ähnelte der EIGENEN GESCHICHTE. Zeitzeugenerzählungen bekamen auch hier viel Platz, jedoch befragten die Autorinnen und Autoren nun auch prominentere Zeitgenossen der 50er Jahre: So interviewte Autorin Doris Netenjacob für KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE: TRÄUME ÜBER TRÜMMERN (N3 1985) unter anderem Sonja Ziemann und Cornelia Froboess, für KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE: ALS WUT UND TRAUER LAUFEN LERNTEN (N3 1986) lasen Wolfgang Koeppen, Peter Rühmkorf und Hans Markus Enzensberger aus ihren in den 50er Jahren entstandenen Werken vor. Hinzu kamen, ähnlich wie in DIE EIGENE GESCHICHTE, eingeschnittene Montagen aus Archivbildmaterial. Zusammen mit den entsprechenden Sendefolgen aus DIE EIGENE GESCHICHTE entstanden so in der Redaktion Weiterbildung I zwischen 1983 und 1986 zwanzig Geschichtssendungen über die Zeit der 50er Jahre. Hinzu kam 1987 die in derselben Redaktion entstandene Sendereihe ADENAUER. EINE FERNSEH-BIOGRAPHIE IN SIEBEN TEILEN (N3 1987), die ebenfalls zwei Folgen zur Kanzlerschaft Adenauers in den 50er Jahren enthielt. Dominanz der Restaurationsthese War die Gesellschaft der 50er Jahre über Jahrzehnte ein blinder Fleck der historischen Forschung gewesen, erhielt sie im Laufe der 1980er Jahre erstmals Auftrieb. Dies schlug sich auch in den Dokumentationen nieder. VON DER TRÜMMERZEIT ZUR POSTMODERNE (2 Tle., ZDF 1989) beruhte auf einem Buch von Hermann Glaser,349 der 1986 erstmals den Versuch unternommen hatte, eine Gesamtgeschichte zur Kultur der Bundesrepublik zu verfassen. Glaser wirkte neben Hans-Christian Huf als Autor selbst aktiv an der Produktion mit. Mit seinem Fokus auf Kultur und Alltag hinterfragte er indirekt auch die weiterhin bestehende Dominanz der Restaurationsthese für die 50er Jahre. Glaser betonte demgegenüber den Neuanfang der Kultur: »Mit Fantasie und von den Westalliierten ermutigt und unterstützt, ging man daran, aus zertrümmerter Tradition und neu angeeigneter, aus Verbannung, Verdrängung und Verfremdung zurückkehrender ›Modernität‹ ein demokratisch-republikanisches Kultur- und Geistesleben zu initiieren.«350

348 Mechthild Zschau: »Heile Welt der Trivialfilme, Clubsessel und schrägen Tischbeine«, in: Süddeutsche Zeitung, 25.7.1986. 349 Hermann Glaser: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bd 2: Zwischen Grundgesetz und Großer Koalition 1949-1967, München: Hanser 1986. 350 ZDF Presse Programm 25/89, S. 37.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 245

Damit positionierte sich Glaser im Grunde zwischen den beiden Extrempolen, Restauration und Modernisierung der Kultur, in der damaligen Forschung. Dies ist insbesondere insofern bedeutsam, als dass sich auch das Gros der Dokumentationen aus diesen beiden Quellen speiste und somit wie die nicht-akademische Geschichtskultur der Restaurationsthese verbunden blieb. Tab. 3: Sendungsübersicht mit thematischem Bezug 50er Jahre innerhalb der Reihen DIE EIGENE GESCHICHTE, KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE und RÜCK-SICHTEN DIE EIGENE GESCHICHTE (N3 1978-1987, Redaktion Weiterbildung I) DIE ERSTEN SOLDATEN – ERFAHRUNGEN AUS DEM WINTER 1955/56. WIEDERBEWAFFNUNG IN DER BUNDESREPUBLIK,

R+B: Christian Geissler, ESD: 25.11.1980, N3, 20:15.

GEDANKEN OST – GEFÜHLE WEST. ERINNERUNGEN AN FILM UND KINO IN DER DDR, R+B: Doris Netenjakob, ESD: 07.06.1983, N3 ES MUSS ALLES ANDERS WERDEN. MORALISCHE AUFRÜSTUNG IM NACHKRIEGSDEUTSCHLAND, R+B: Jutta Ehmke, ESD: 27.09.1983, N3 FRITZ BRINGMANN. EINE LANGE REISE – 1945-1955, R+B: Karl Siebig, ESD: 25.10.1983, N3, 21:00. KAMPF DEM ATOMTOD! R+B: Jürgen Schröder-Jahn, ESD: 23.01.1984, N3, 20:15 NOCHMAL ZURÜCK UND DANN WEITER. NACHDENKEN ÜBER DIE 50ER/60ER JAHRE. HÖHERE TÖCHTER,

R: Gisela Tuchtenhagen, B: Anke Steenken, ESD: 20.02.1984, N3, 20:15

BELLA ITALIA. WAS DIE NACHKRIEGSDEUTSCHEN IN DEN SÜDEN ZOG, R+B: Hannelore Schäfer, ESD: 01.10.1984, N3 UND LÄUFT UND LÄUFT. VW-KÄFER, R+B: Jürgen Schröder-Jahn, ESD: 29.10.1984, N3, 20:15 SPÄTE HEIMKEHR. DEUTSCHE KRIEGSGEFANGENE KOMMEN ZURÜCK 1955/56, R+B: Hannelore Schäfer, ESD: 26.11.1984, N3, 20:15 Uhr ICH, SUSANNE ERICHSEN, MISS GERMANY 1950, R+B: Simone Bergmann/Christian Braun, ESD: 17.06.1985, N3, 20:15 DIE GELDVERLEIHERIN, R: Horst Königstein, B: Bodo Kirchhoff, ESD: 30.09.1985, N3 SPÄTE HEIMKEHR. WIEDER ZU HAUSE, R+B: Hannelore Schäfer, ESD: 28.10.1985, N3 DAS GLÜCKLOSE ENDE DES KARL HOFER, R+B: Hannelore Schäfer, ESD: 30.08.1986, N3, 20:15 HOLLYWOOD IM SAUERLAND, R+B: Utz Weber, ESD: 22.11.1986, N3, 20:15 KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE (N3 1978-1987, Redaktion Weiterbildung I) BRECHT UND GRÜNDGENS, R+B: Mechthild Lange, ESD: 04.12.1985, N3, 21:00. DIXIE, ROCK UND WIEDER SCHNULZEN. UNTERHALTUNGSMUSIK IN DEN FÜNFZIGER JAHREN,

R+B: Werner Burkhardt, ESD: 11.12.1985, N3, 21:00.

246 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN TRÄUME ÜBER TRÜMMERN. DER HEIMATFILM IN DEN FÜNFZIGER JAHREN, R+B: Doris Netenjacob, ESD: 18.12.1985, N3, 21:00 ALS WUT UND TRAUER LAUFEN LERNTEN. LITERATUR IN DEN 50ERN, R: Jürge Franzgrote, B: Reinhard Baumgart/Mechthild Lange, ESD: 12.07.1986, N3 ANONYM UND PFLEGELEICHT. WOHNEN IN DEN FÜNFZIGER JAHREN, R+B: Christian Borngräber, ESD: 09.08.1986, N3, 20:15 OSTZONEN-SUPPENWÜRFEL BRINGEN KREBS. BILD – EIN NEUES MASSENMEDIUM IN DEN FÜNFZIGER JAHREN,

R+B: Jürgen Schröder-Jahn, ESD: 16.08.1986, N3, 20.15

BILDER FÜR EINEN NEUEN ANFANG. MALEREI IN DEN FÜNFZIGER JAHREN, R+B: Hannelore Schäfer. ESD: 23.08.1986, N3 RÜCK-SICHTEN (ARD 1986-1989, Redaktion FS-Politik und Gesellschaft) DIE NITRIBITT. EIN MORD UND VIELE TÄTER, R+B: Samuel Schirmbeck, ESD: 16.01.1986, ARD, 20:15. SORAYA – VOM UMGANG MIT EINER KOSTBAREN FRAU, R+B: Georg M. Hafner, ESD: 19.03.1987, ARD, 20:15. WO WIR SIND, IST OBEN – ERICA PAPPRITZ. WIE DIE REPUBLIK BENEHMEN LERNTE, R+B: Samuel Schirmbeck, ESD: 27.09.1987, ARD, 20:15 TRAUM IN GOLD UND BRAUN. EINE FRAUENILLUSTRIERTE UND DIE FÜNFZIGER JAHRE, R+B: Dietrich Wagner, ESD: 20.10.1988, ARD, 20:15. LADY CURZON UND TOAST HAWAII. ERINNERUNGEN AN DIE ERSTE ›EDEL-FRESSWELLE‹, R+B: Eckhard Garczyk, ESD: 21.09.1989, ARD, 20:15. Quelle: eigene Zusammenstellung.

Schon das Themenspektrum der hier entstandenen Filme zeigt deutlich ein restaurativ-kritisches Potenzial. Wie in den Fernsehspielen wurde nun auch in den Dokumentationen ein Schwerpunkt auf die Kritik an der Wirtschaftswundergesellschaft gelegt. RÜCK-SICHTEN: WO WIR SIND, IST OBEN – ERICA PAPPRITZ (ARD 1987) thematisiert die Restauration überkommener Wertevorstellungen und die Etablierung starrer gesellschaftlicher Verhaltensregeln am Beispiel der Benimmbücher der ehemaligen stellvertretenden Protokollchefin im Auswärtigen Amt. Die prüden Sexualitätsvorstellungen der 50er Jahre-Gesellschaft nehmen RÜCK-SICHTEN: DIE NITRIBITT. EIN MORD UND VIELE TÄTER (ARD 1986), DIE EIGENE GESCHICHTE: DIE GELDVERLEIHERIN (N3 1985) und DIE EIGENE GESCHICHTE: ICH, SUSANNE ERICHSEN, MISS GERMANY 1950 (N3 1985) in den Blick. Dem breiten Feld der Verdrängungsthematik nehmen sich eine Vielzahl von Filmen mit unterschiedlichem Fokus an. Greift KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE: TRÄUME ÜBER TRÜMMERN (N3 1985) in erster Linie die Beschwörung einer heilen Welt jenseits der alltäglichen Sorgen und Nöte auf, widmen sich Filme wie RÜCK-SICHTEN: SORAYA – VOM UMGANG MIT EI-

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 247

FRAU (ARD 1987) und KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE: OSTZONEN-SUPPENWÜRFEL BRINGEN KREBS (N3 1986) einer dezidierten Medienkritik. RÜCK-SICHTEN: LADY CURZON UND TOAST HAWAII (ARD 1989) wiederum thematisiert die hemmungslosen Konsumwellen der 50er Jahre. Neben der Wirtschaftswundergesellschaft wurde das politische Klima in den 50er Jahren dokumentarisch aufgearbeitet. Auf Spurensuche nach den Vorläufern der späteren Protestbewegungen der 1960er, 1970er und 1980er gingen die Filme DIE EIGENE GESCHICHTE: DIE ERSTEN SOLDATEN (N3 1980) und DIE EIGENE GESCHICHTE: KAMPF DEM ATOMTOD! (N3 1984). Etliche Produktionen, wie DIE EIGENE GESCHICHTE: FRITZ BRINGMANN (1983), DIE EIGENE GESCHICHTE: DAS GLÜCKLOSE ENDE DES KARL HOFER (N3 1986) und DIE EIGENE GESCHICHTE: ES MUSS ALLES ANDERS WERDEN (N3 1983) beschäftigten sich mit dem Antikommunismus in den 50er Jahren. Der Großteil der Themen war so gewählt, dass sich Anschlüsse an schon vorhandene Geschichtsbilder der 50er Jahre, aber auch an zeitgenössisch aktuelle politische gesellschaftliche Orientierungsbedürfnisse ergaben. Hier gab es thematisch vielfach Überschneidungen mit den Fernsehspielen, die oftmals die gleichen Motive aufgriffen. Kaum Beachtung fand dagegen überraschenderweise die personale Kontinuität vom NS-Staat in die Bundesrepublik. Eine Ausnahme bildete hier die zweiteilige Dokumentation DIE ERBEN DES HAKENKREUZES (ARD/WDR 1988).351 Was die Vermarktung anging, ließen sich besonders gut Personen und Skandale mit vormals großem Medieninteresse aufgreifen. Die Sendungen zu Rosemarie Nitribitt und Soraya erreichten mit Quoten von 24 bzw. 20 Prozent Spitzenwerte. Damit sahen diese Beiträge doppelt so viele Zuschauer wie üblich.352 Dies lag nicht zuletzt an den umfangreichen Vorberichterstattungen in den Fernsehzeitschriften und Boulevardmagazinen bis hin zur Bild-Zeitung.353 Reich mit Bildern aus der NER KOSTBAREN

351 Diese Sendung beruhte ebenfalls auf enger Zusammenarbeit mit der geschichtswissenschaftlichen Forschung, in diesem Fall wirkten Lutz Niethammer und Christina von Braun an der Sendung mit. 352 Die um 20.15 Uhr im ARD-Programm ausgestrahlte Sendereihe RÜCK-SICHTEN erreichte meist für Geschichtssendungen übliche Haushaltsquoten zwischen durchschnittlich 9 und 11 Prozent. 353 Zur Nitribitt-Sendung vgl. beispielsweise: »Der Fall Nitribitt – seit 30 Jahren ungeklärt«, in: Gong, 3.1.1986; Walter Schmittdiel: »Fast 30 Jahre danach: Jetzt versucht ein Fernseh-Report, Licht in das Dunkel dieser Mord-Affäre zu bringen«, in: TV Hören und Sehen, 3.1.1986. Zur Soraya-Sendung vgl. beispielsweise: Henner Bechtle: »Das Fernsehen auf der Suche nach Soraya«, in: Bild + Funk, 6.3.1987; Ute Buddenberg: »Soraya – Phänomen mit Krone«, in: Gong, 6.3.1987; »Das neue Leben von Soraya in Paris«, in: Funkuhr, 14.3.1987; aber auch: Constance Knitter: »Jünglinge vor der Tür«, in: Die Welt, 18.3.1987.

248 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

damaligen Regenbogenpresse ausgeschmückt ließen sie kurzzeitig fast schon den Medienrummel der 50er Jahre um diese Personen wieder aufleben. Das kaiserliche Leben Sorayas und der ungelöste Kriminalfall Rosemarie Nitribitts wurden noch einmal in allen Einzelheiten dargestellt. Schon zeitgenössisch publikumswirksame Themen, zu denen das entsprechende audiovisuelle Archivbildmaterial vorlag, zogen die Schicksale beider Frauen auch in den 1980er Jahren schnell wieder viele Zuschauer an, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt seit gut zwei Jahrzehnten fast völlig aus dem Medien verschwunden waren. Der medienwirksame Mythos ließ sich schnell wiederbeleben. Zeitzeugen und Archivbildmaterial Zeitzeugen halfen in den populären Darstellungen und Dokumentationen in erster Linie dabei, Wissenslücken aufzufüllen, jedoch wurden sie auch dezidiert als Korrektive eingesetzt. Hannelore Schäfer, Redakteurin von DIE EIGENE GESCHICHTE, führte dazu aus, von den Zeitzeugen erfahre man, »was aus keinem Geschichtsbuch zu erfahren ist oder dort oft ganz anders dargestellt wird.«354 Nicht nur die Darstellungen in den Geschichtsbüchern wollte man mithilfe der Zeitzeugen kritisch hinterfragen, auch zu den als offiziös empfundenen Wochenschauen wollte man Gegenbilder für die Dokumentationen gewinnen. Die Archivbilder wurden dabei wie auch in anderen Kompilationsfilmen gezielt zur Bebilderung der historischen Hintergrundkommentare verwendet, um die Atmosphäre der dargestellten Zeit greifbar zu machen. Zugleich wurde befürchtet, eine solchermaßen authentifizierende Vorgehensweise alleine führe dazu, dass die zeitgenössisch gefärbten Bilder zu unreflektiert verwendet würden.355 Während man in einigen Fällen dazu überging, nur noch Privataufnahmen und Amateurfotos einzusetzen, nutzte man in anderen Fällen eine Montagetechnik der gezielten Kontrastierung von offiziösem Archivbildmaterial und Zeitzeugen, um diese Bildquelle umzusemantisieren. In DIE EIGENE GESCHICHTE: UND LÄUFT UND LÄUFT (N3 1984) über den VWKäfer als Symbol des Wirtschaftswunders stellt Autor Jürgen Schröder-Jahn einen werkseigenen Werbefilm von Volkswagen den persönlichen Erlebnissen damaliger Werksmitarbeiter gegenüber. Der Werksfilm AUS EIGENER KRAFT (BRD 1954) gebe »ein Zeitbild, das die beteiligten und betroffenen Zeitzeugen aus eigener Erfahrung und Erinnerung ein wenig korrigieren werden« – so die Ankündigung im Pressetext zur Sendung.356 Der Film begann mit einem Ausschnitt aus dem 1954 von VW produzierten abendfüllenden Farbfilm, der Volkswagen als Erfolgsgeschichte des Wirtschaftswunders feierte. Im Anschluss traten die drei Zeitzeugen auf, alle354 Schäfer: Geschichte, S. 200. 355 Ebd., S. 202. 356 Norddeutscher Rundfunk. Informationen Nr. 44/84, 29.10.1984.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 249

samt seit Anfang der 50er Jahre im Werk tätig. Im Folgenden kommentierte der Sprecher die Aussagen der Werksfilmausschnitte, die mitsamt Originalton eingespielt wurden, kritisch und ließ dies von den Zeitzeugen verifizieren. So wurden die Produktionsbedingungen im Werksfilm als harmonische Arbeitsatmosphäre beschrieben, während der Kommentar demgegenüber die konflikthaftere soziale Realität betonte. Die glanzvollen Bilder des Werksfilms standen so im Kontrast zu den Ausführungen über die stressige Akkordarbeit, den geringen Arbeitsschutz und die selbstverständlichen Überstunden. Im Anschluss bestätigten die Zeitzeugen die Aussagen des Sprechers und übten somit eine Beglaubigungsfunktion aus. Damit konterkarierten die Zeitzeugen nicht nur die ursprünglich dem Werksfilm eingeschriebene Signatur, sondern trugen zugleich zur Entzauberung des Wirtschaftswundermythos bei. Bei den Kritikern fand diese Darstellungsweise deshalb großen Zuspruch. Die Sendung wurde als »gelungene Gegenüberstellung zwischen unternehmerischer Schönfärberei und Arbeitsrealität« gelobt. Der Werksfilm sei vor dem Hintergrund der Erzählungen der VW-Arbeiter »nur die halbe ›Hollywood-Wahrheit‹« gewesen.357 Simon Philip fand es im Hamburger Abendblatt eine »gute Idee […] den ersten Werksfilm von VW in Farbe […] als Zeitbild der fünfziger Jahre zu zeigen und aus heutiger Sicht zu kommentieren.[…] Die Aussagen der Betriebsangehörigen rückten einiges zurecht, skizzierten zugleich ein Stück Zeitgeschichte.«358 Zugleich wurde der Film sogar als Spiegel der Gegenwart interpretiert, der »beim Zuschauer Vorblenden in die 80er Rezessionsjahre« hervorrufe.359 Ein zunächst ähnliches Verfahren der Kontrastierung offizieller Bilder mit Zeitzeugenerinnerungen wandte Schröder-Jahn auch in seiner Dokumentation DIE EIGENE GESCHICHTE: KAMPF DEM ATOMTOD an. Berichte aus der Wochen- und Tagesschau (vgl. Abb. 111) stellten die Kontrastfolie für die Erinnerungen einiger Protestteilnehmer dar (vgl. Abb. 113). Zugleich band der Autor jedoch noch eine weitere Ebene ein und zeigte Ausschnitte aus einem SPD-Film gegen atomare Bewaffnung (vgl. Abb. 112). Dadurch wurde einerseits wie schon bei DIE EIGENE GESCHICHTE: UND LÄUFT UND LÄUFT persönliches Erleben mit offizieller Darstellung kontrastiert, andererseits wurde aber durch den SPD-Film die Verbindung zur Gegenwart wesentlich expliziter herausgestellt. Es ging nicht nur um die Darstellung von Missständen in der Vergangenheit, sondern zugleich um die Aufdeckung zeitgenössischer Zustände. In der Kritik stand hier also nicht nur die Politik der 50er Jahre, der Film hinterfragte zugleich den Politikwechsel der SPD in den 1980er Jahren im Zuge des NATO-Doppelbeschlusses. So versuchte der Film zum einen Antworten auf den Ur357 Harry Assenmacher: »Von Käfern und Menschen und einer halben Wahrheit«, in: Hamburger Morgenpost, 31.10.1984. 358 Simon Philip: »Und läuft und läuft… (III)«, in: Hamburger Abendblatt, 30.10.1984. 359 Bernd Eichmann: »Ein Auto spiegelt Geschichte«, in: Neue Presse, 29.10.1984.

250 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

sprung zeitgenössischer Probleme zu finden, zum anderen spürte er damit den Wurzeln moderner Protestbewegungen nach. Dies war ein gerne genutztes Element linker Gesellschaftskritik, die auch die restaurativen Darstellungen in den Fernsehspielen prägte. Abb. 111-113: Zeitzeugen als Kontrast offiziöser Archivbilder

Quelle: Videostills aus DIE EIGENE GESCHICHTE. KAMPF DEM ATOMTOD (N3 1984), 00:06; 01:15; 13:50 (Abb. 113: Orig.i.F.).

Folgt man den Kritiken, schmälerte dieser starke politische Anspruch des Autors jedoch die Wirkung der Zeitzeugen. Die Neue Presse kritisierte ihr unpersönliches Auftreten: Die Zeitzeugen »erzählten nicht, sondern referierten über ihr politisches Engagement. Hinter all den nachträglichen Bewertungen und Einschätzungen kamen die handelnden Menschen kaum zum Vorschein«.360 Damit sie die Authentizitätserwartungen der Zuschauer erfüllen konnten, mussten Zeitzeugen demnach persönliche Erfahrungen und Erlebnisse auch lebensecht darstellen können. Wie oben ausgeführt dienten Zeitzeugen aber nicht nur der Kontrastierung, häufig wurden sie auch schlicht als Ergänzung offizieller Bilder eingesetzt. In DIE EIGENE GESCHICHTE: SPÄTE HEIMKEHR (N3 1984) griff Hannelore Schäfer eines der prominentesten Themen der 50er Jahre auf, die Kriegsheimkehrer. Hierfür verwendete sie die bekannten Wochenschaubilder der letzten Heimkehrer aus russischer Gefangenschaft und ließ sie durch die persönlichen Erzählungen eines Zeitzeugen ergänzen. Das Besondere dabei war, dass der Kriegsheimkehrer Walter Spohr selbst auf den Wochenschaubildern zu sehen war und im Film direkt dazu Stellung nahm. Dadurch wurde eine besonders starke Authentizität erzeugt, da die Bilder in der Dokumentation zugleich als Erinnerungsanstoß für den Zeitzeugen verwendet wurden und die Zuschauer somit quasi direkt dabei sein konnten, wenn die Bildergeschichten durch die Erlebnisse des ehemaligen Soldaten ergänzt wurden und so den offiziösen Wochenschaukommentar ersetzten. Auch Spohrs Person erfüllte die Erwartungen der Kritik an einen geeigneten Zeitzeugen: Es wurde als »Glücksfall« angesehen, »diesen nüchtern abwägenden, einfach gebliebenen Mann« gefunden zu

360 hjo: »Steife Kämpfe«, in: Neue Presse, 26.01.1984.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 251

haben, weil »hier jemand ausführlich zu Wort kam, der fernab aller dumpfen Landserseligkeit oder neureicher Ressentiments abstrahieren kann von einer vordergründigen, allzubequemen Weißt-du-noch-Nostalgie.«361 Nicht nur die Zeitzeugen mussten bestimmten Erwartungen der Kritiker entsprechen, auch an die Aufbereitung der Themen wurden spezifische Ansprüche gestellt. Dabei nahm der Großteil der Dokumentationen grundsätzlich genau die Themen auf, die für eine gesellschaftskritische Deutung der 50er Jahre geeignet erschienen. Darstellung und Aussage der Sendungen wurden jedoch sehr unterschiedlich rezipiert. Die Kritiker brachten ihre eigenen Geschichtsbilder zu den 50er Jahren mit und hegten dezidierte Erwartungen, wie bestimmte Themen aufbereitet werden sollten. Gehörten die Themen nämlich zum restaurativen Kanon, reagierten die meisten Kritiker empfindlich auf jedwede Abweichung von den vorherrschenden gesellschaftskritischen Deutungen. Restaurativer Kanon und Vorerwartungen Die Sendung RÜCK-SICHTEN: TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988) beschäftigte sich mit der auflagenstarken Frauenillustrierten Film und Frau. Die Zeitschrift fungierte für Autor Dietrich Wagner als Symbol für die gesellschaftlichen Verdrängungsmechanismen der 50er Jahre. Mit ihrem »Streben nach Harmonie und Schönheit und der völligen Abkehr von vergangenen Schrecken« wollte die Zeitschrift »ganz bewußt auf das Klima der 50er Jahre prägend wirken«.362 Die folglich gesellschaftskritisch angelegte Sendung zielte auf ein Kernthema des restaurativen Kanons der 50er Jahre: Die konsum- und kulturkritische Betrachtung des Wirtschaftswunders. In der Form erinnerte sie an die Mosaiksendungen: Kaleidoskopartig wurden Wirtschaftswunderphänomene aufgezählt, nur zusammengehalten durch das Schlagwort einer Heilen-Welt-Illusion. Nacheinander wurden hierfür die Titelblätter und Reportagen der Illustrierten mit den sozialen Problemen der Zeit konfrontiert. Einem Bericht von Film und Frau von 1955 (vgl. Abb. 114), in dem angesichts der zunehmend verschmutzten Flüsse angeregt wurde, die eigene Villa mit Schwimmbad auszustatten (vgl. Abb. 115), stellte Wagner Bilder von Notwohnungen gegenüber (vgl. Abb. 116).

361 Roland Timm: »Heimkehrer«, in: Süddeutsche Zeitung, 28.11.1984. 362 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 42/88, S.I/6.

252 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Abb. 114-116: Kontrastmontage: Traum und Realität von Wohnverhältnissen

Quelle: Videostills aus RÜCK-SICHTEN. EIN TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988), 29:43-30:02 (Orig. in Sepia-Färbung).

Die Bewohner der Nissenhütten, so der Autor mit sarkastischem Unterton, träumten vorerst von einer Dreizimmerwohnung mit Badezimmer und Heizung. Dennoch ließ die Sendung nach Ansicht einiger Kritiker die gewohnte Schärfe gegenüber denjenigen vermissen, die sich hemmungslos dem Luxus hingaben und gesellschaftliche Probleme ihrer Zeit ignorierten. Macher und Zielpublikum der Illustrierten wurden keiner Doppelmoral bezichtigt, Wagner wollte nach eigener Aussage »bewusst keine Gesellschaftskritik an den Zuständen der 50er Jahre üben«. Statt dessen sollten die gezeigten Ausschnitte »starke Unterhaltungsmomente haben«.363 In einer Montagefolge zeigte die Sendung Beiträge mit praktischen Gymnastikübungen für die Hausfrau der 50er, Ideen für die Neuanschaffung hilfreicher Haushaltsgeräte und Tipps für extravagante Spezialitäten-Menüs im Zuge der Fresswelle. Auch hier wahrte Wagner stets einen ironischen Unterton. Die Illustriertenreportagen wurden als ›Potpourri‹ im Stil der Mosaiksendungen montiert und überzeichneten das damalige »Klima des Optimismus«364 und der Begeisterung für die frühen konsumkulturellen Innovationen der 50er Jahre (vgl. Abb. 117-119). Anstatt also die Geflogenheiten explizit zu verurteilen, setzte Wagner primär auf die inhärente Absurdität der Beiträge aus Sicht der Zuschauer in den 1980er Jahren. Damit griff er ein Stilmittel auf, das schon in Mosaiksendungen wie WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) eingesetzt worden war, aber auch in der 1987 im Kino gezeigten Collage aus Werbefilmen der 50er Jahre RENDEZVOUS UNTERM NIERENTISCH (BRD 1987) sowie in dem 1978 erstmals erschienenen Bildband Die Pubertät der Republik von Nikolaus Jungwirth und Gerhard Kromschröder.365 In allen drei Fällen spielte Werbung eine gewichtige Rolle für die Illustrierung des Gesellschaftsbildes der 50er. Einigen Kritikern reichte diese Form der subtilen parodistischen Gesellschaftskritik nicht aus, machte sie doch sowohl eine nostalgische als auch kritisch distan363 Ebd., S.I/7. 364 Walter Gauer: »Traum und Wirklichkeit«, in: Fernseh-Dienst, Nr. 42, 27.9.1988, S. 6. 365 Jungwirth/Kromschröder: Pubertät der Republik.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 253

zierte Lesart möglich. Zwar wurde die Sendung überwiegend als »charmanter Rückblick« empfunden, der »weder bemäntelte noch bloßstellte, aber auf Distanz ging, wenn es nötig war«366 und »die Nostalgie unterlief, mit der wir so gerne an die 50er denken«.367 Doch anderen blieb die Sendung gerade deshalb »ein Nostalgiestück«, das »sich unter dem Deckmantel des ›kritischen Rückblicks‹ auf die muffige Wiederaufbau- und Verdrängungszeit an der Ikonografie der Fünfziger [bediente], noch und noch nach Ton- und Bildmaterial in den Archiven [kramte] und gebetsmühlenhaft [wiederholte], daß damals der Wunsch nach ›heiler Welt‹ eigentlich jederzeit an der Tagesordnung war.«

Darüber hinaus erführe »man auch nichts, gar nichts über die Fünfziger Jahre und die damalige Traumproduktion einer Illustrierten.«368 Mit Ironie alleine konnte nach Ansicht dieser Kritikerin der restaurative Kanon der 50er Jahre nicht entlarvt werden, zu nahe rückte ihr in solchen Darstellungen die nostalgische Verklärung. Abb. 117-119: Montage im Stil der Mosaiksendungen in EIN TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988)

Quelle: Videostills aus RÜCK-SICHTEN. EIN TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988), 34:51 (Orig. in Sepia-Färbung), 36:27 (Orig.i.F.), 37:01 (Orig. in Sepia-Färbung).

Nostalgie in Reinform repräsentierte für die Kritiker dann die Dokumentation Georg Hafners RÜCK-SICHTEN: SORAYA. VOM UMGANG MIT EINER KOSTBAREN FRAU (ARD 1987). Die ehemalige Kaiserin trat in dieser selbst als Zeitzeugin auf und hatte im Interview die Möglichkeit, von ihrem Leben an der Seite des Schahs sowie nach ihrer Scheidung von ihm zu berichten. Hafner rahmte das Interview überwiegend mit Berichten aus der Wochenschau und Bildern aus den Reportagen der Boulevardpresse. Zu den Themen und Thesen, von der Hochzeitsfeier angefan-

366 sun: »Charmant«, in: Nürnberger Nachrichten, 21.10.1988. 367 Hans Messias: »Zeitschrift als Spiegel ihrer Zeit«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 43, 28.10.1988, S. P3. 368 Alle Zitate: Sybille Simon-Zülch: »Sepia-Binsen«, in: epd, Nr. 87, 2.11.1988.

254 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

gen, über die zahlreichen Staatsbesuche an der Seite ihres Gemahls bis hin zur in der Boulevardpresse breit ausgeschlachteten Ehekrise und Scheidung befragte er die ehemalige Kaiserin zum Wahrheitsgehalt der präsentierten Berichte und zu ihrer eigenen Sichtweise. Größeren Raum nahm auch der Film DIE DREI GESICHTER EINER FRAU [I TRE VOLTI] (I 1964) ein, in dem Soraya seinerzeit die Hauptrolle gespielt hatte, und den Hafner als Symbol ihrer Instrumentalisierung und Vermarktung durch die Medien einsetzte. Damit knüpfte er insofern an den restaurativen Kanon an, als er diese Art des Medienhypes kritisch reflektierte. So resümierte Peter Michael zu Soraya: »Die Klagen über die Niveaulosigkeit, mit der die deutsche Regenbogenpresse seinerzeit über die Schöne auf dem Pfauenthron berichtet hatte, waren durchaus berechtigt.«369

Allerdings enthielt sich Hafner umgekehrt jeder Kritik an der so hochumstrittenen Person Sorayas, strebte er doch vielmehr eine »nüchterne Bestandsaufnahme«370 in Form eines Porträts an. Dies reichte nach Ansicht vieler Kritiker bei weitem nicht aus, um das Phänomen angemessen einzuordnen und nicht nur »hilflos ›die Legende‹« zu reproduzieren.371 Hafner sei daher »leider selbst nicht in der Lage, seinen Fernsehbericht ein paar Stufen höher anzusiedeln«.372 Sein Interview mit Soraya habe sich als »eine apolitische Aneinanderreihung banaler Auskünfte zu banalen Fragen [erwiesen]. Der überwiegende Teil der 45-Minuten-Sendung bestand aus alten UFA-Wochenschauen und Statements, die […] kaum zur Erhellung des Phänomens Soraya beitrugen.«373

Durch die massive Kritik fühlte sich Georg Hafner, selbst aus der Alterskohorte der 68er Generation stammend, zu einer Gegenkritik herausgefordert, in der er seinen Kritikern ein eindimensionales, generationell geprägtes Geschichtsbild vorwarf. Dieses diktiere, dass gesellschaftspolitische Themen der 50er Jahre einer eindeutigen Kritik und Verurteilung unterworfen werden müssten.374 Soraya sei dort, »wo sich linkes Bewusstsein mühsam eine bürgerliche Nische erbeutet hat […] ein Reizwort. Die fünfziger Jahre sind voll im Trend, die Traumfee von einst ist es nicht.« Hafner könne sich noch gut daran erinnern, wie fasziniert er als Kind von 369 Peter Michael: »Soraya (ARD)«, in: Fuldaer Zeitung, 21.03.1987. 370 Deutsches Fernsehen/ARD Programm 12/87, S. II/20. 371 Sybille Simon-Zülch: »Höfisches Interesse«, in: epd, 28.03.1987. 372 Peter Michael: »Soraya (ARD)«, in: Fuldaer Zeitung, 21.03.1987. 373 Kai Niemeyer: »Rück-Sichten«, in: Abendzeitung München, 21./22.03.1987. 374 Alle folgenden Zitate: Georg M. Hafner: »Kaiserin Soraya war nicht in der APO«, in: Frankfurter Rundschau, 16.05.1987.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 255

Soraya gewesen war. Gerade solche Erinnerungen müssten dagegen die »aufrechten Alt-68er« vehement leugnen, um ihren heutigen kritischen Selbstanspruch nicht zu gefährden. So drehte Hafner den Kampfbegriff der Nostalgie einfach um und warf seinen linken Kritikern Verklärung der eigenen Kindheit und Jugend vor. Diese »neue Idylle« sei durch Soraya gestört worden: »Ein authentisches Erinnerungsstück erregte Anstoß, ein Erinnerungsstück aus einer Zeit, als gemeinsames Ärmelaufkrempeln angesagt war und ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht willkommene Ablenkung bot. Nach dem Krieg war das. Die Mütter und Großmütter wissen es noch. Den Töchtern ist es peinlich.«375

Der Fall Soraya demonstriert die polarisierten Geschichtsbilder zu den 50er Jahren, wie sie sich gegen Ende der 1980er Jahre präsentierten: Die Fernsehkritik und insbesondere der Kulturbereich wurden immer stärker durch Deutungen der Kriegskinder und 68er Generation geprägt. Das Bild der gesellschaftlichen Restauration hatte dabei recht starre Konturen erhalten. Dies führte dazu, dass bestimmte Themen – besonders derart kontroverse wie Soraya – mit spezifischen Vorerwartungen vonseiten der Kritiker verbunden wurden. Die Bewertung changierte dabei antagonistisch zwischen einer positiv die Erwartungen erfüllenden kritischen und einer pejorativ gewerteten nostalgischen Darstellung. Der Zuschauererfolg der Sendung dagegen zeigt, dass dieses Erwartungsraster von der Rezeption der Zuschauer abwich. Der Kritikerdiskurs präsentierte sich hier als Spezialdiskurs, der sich deutlich von der Meinung der Mehrheit der Zuschauenden unterschied. Tatsächlich hatte die Restaurationsthese, mit ihrer stark polarisierenden Gesellschaftskritik, seit Mitte der 1980er Jahre bereits an Prägekraft verloren. Dies demonstrierte beispielsweise eine Kritik zu RÜCK-SICHTEN: TRAUM IN GOLD UND BRAUN (ARD 1988), in der Johann Michael Möller bemerkte, in der Retrospektive erscheine »die Emanzipation der 60er Jahre tatsächlich wie ein gewaltiges Schattenboxen, wie der vergebliche Versuch, eine Illustriertenkultur mit prosaischen Mitteln besiegen zu wollen.«376

Vielmehr könne man in den 1980er Jahren längst nicht mehr »ganz so überheblich wie ehedem« über all das lachen, weil der Zeitgeist der 50er Jahre bereits wieder Einzug in die Gegenwart gehalten habe:

375 Ebd. 376 Dieses und alle weiteren Zitate: Johann Michael Möller: »Wieder weht ein Hauch von Nerz«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.1988.

256 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Aber wir rümpfen auch nicht mehr die Nase darüber. Genuß ohne Reue, heißt es auch heute, und wieder liegt ein Hauch von Nerz darüber. Da wirken die gutgemeinten Einblendungen von Arm und Reich, von Leid und Luxus in jenen Jahren weit antiquierter als die Erinnerung der inzwischen reichlich hausbackenen Diven über ihr positives Lebensgefühl von einst oder die Revolution des Strumpfhalters.«

3.4 Die 50er Jahre als Gründungs- und Aufbaujahrzehnt: der geschichtspolitische Diskurs Die Frage nach der nationalen Identität rückte in den 1980er Jahre in den Mittelpunkt des geschichtspolitischen Diskurses.377 Kennzeichnend hierfür war die Suche nach Orientierungspunkten innerhalb der deutschen Nachkriegsgeschichte, woraus sich ein »ambivalenter Nationsdiskurs«378 entwickelte: Einerseits verlor die deutsche Teilung für viele, insbesondere die jüngeren Bundesbürger, an erfahrungsgeschichtlicher Relevanz, wohingegen sich zugleich die Bundesrepublik immer stärker zu einem identitätsschaffenden, nationsähnlichen Gebilde entwickelte. Andererseits befürwortete weiterhin eine Mehrheit der Bevölkerung die Wiedervereinigung. Während die Wiedervereinigung in den Köpfen vieler Bundesbürger aber in immer weitere Ferne rückte, war das Provisorium Bundesrepublik längst zur selbstverständlichen Lebenswirklichkeit und Heimat einer jüngeren, nach 1945 geborenen Generation geworden. Das Fernsehen orientierte sich, wie schon an den Jubiläumssendungen von 1974 und 1979 deutlich wurde, stark am geschichtspolitischen Diskurs, und beteiligte sich auf unterschiedliche Art und Weise daran. Zugleich zeigten sich viele Anknüpfungspunkte an die Zeitgeschichtsforschung, gerade in Form und inhaltlichem Aufbau der Sendungen. Das folgende Kapitel fragt daher nach dem geschichtspolitischem Diskurs der Dokumentationssendungen – insbesondere nach seinem Verhältnis zur staatlichen Geschichtspolitik wie auch zur Fachwissenschaft.

377 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel IV.1. 378 Wolfrum: geglückte Demokratie, S. 319.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 257

Abb. 120-125: Intro von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983)

Quelle: Videostills ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, TEIL 4:WENDEPUNKTE (ARD 1983), 00:15-01:05 (Orig.i.F).

Im Gegensatz zu den Sendungen der 1970er Jahre, die noch bewusst auf nationale Symboliken verzichtet hatten, zeigten in den 1980er Jahren viele dem Fernsehpublikum schon in Titel und Intro an, dass darin die nationale Identität verhandelt werden sollte: ›Nation‹379 und ›deutsch‹380 tauchten ebenso häufig in den Titeln der Sendungen auf wie Verweise auf die Bundesrepublik.381 Der Begriff der Bundesrepublik wurde zudem selbstverständlicher mit einer nationsähnlichen Narration verbunden. Bei DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981) bestand die Titelmelodie aus einem Zusammenschnitt der Hymnen der BRD und DDR, die sich zu passend gezeigten Bildmotiven beider Staaten abwechselten. Bei SO FING ES AN. DIE GRÜNDERJAHRE IN DER BUNDESREPUBLIK (ZDF 1983) war der Bildhintergrund in den deutschen Nationalfarben gehalten. Auch ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) setzte die deutsche Nationalhymne als Motiv in der Eingangsmusik ein. Als Bildmotive dienten aus der Vogelperspektive gedrehte Filmaufnahmen deutscher Landschaften von den Bergen bis zur Küste, Städte und Dörfer, Agrarflächen und Industrieanlagen (vgl. Abb. 120-125). Diese Gegensätzlichkeiten symbolisierten den deutschen Föderalismus ebenso wie sie auf eine Neuinterpretation des Heimat379 Der Begriff tauchte vor allem in Untertiteln zu den Sendungen auf, wie DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND. GESCHICHTE EINER GETEILTEN NATION. 380 Vgl. DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND; DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER; DAS DEUTSCHE NACHKRIEGSWUNDER.

381 Vor allem Abenteuer BUNDESREPUBLIK. DIE GESCHICHTE UNSERES STAATES oder SO FING ES AN. DIE GRÜNDERJAHRE DER BUNDESREPUBLIK.

258 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

begriffs verwiesen. Die in der ursprünglichen Instrumentierung von Haydns Streichquartett gespielte BRD-Hymne wirkte dabei musikalisch als vereinigendes Element in der Pluralität der gezeigten Landschaften. Die Beiträge, mit denen die Fernsehsender sich am geschichtspolitischen Diskurs beteiligten, repräsentierten Versuche, identitäre Zugänge zu einer deutschen Geschichte nach 1945 zu finden und sich zugleich an der akademischen Geschichtsschreibung zu orientieren. Die 50er Jahre befanden sich in einer Phase der geschichtswissenschaftlichen Historisierung, gleichzeitig bedingte die anhaltende Geschichtskonjunktur, dass sie eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten für die geschichtspolitischen Identitätsdiskussionen boten. Die Geschichtsbilder, die diese Sendungen von den 50er Jahren präsentierten, orientierten sich dementsprechend an den beiden grundsätzlichen Zugängen: Das ZDF zeigte 1980 mit DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND. DIE GESCHICHTE EINER GETEILTEN NATION eine vierteilige Geschichte der deutschen Teilung, in der die 50er Jahre als Jahrzehnt der Entfremdung beider deutscher Staaten gedeutet wurden. Weiterhin wurden zu den Jahrestagen aber auch Sendungen zur Geschichte des 17. Juni 1953 produziert,382 wobei jedoch nur wenige Sendungen eine deutsch-deutsche Doppelperspektive als Grundansatz der Erzählung wählten. Darunter war beispielsweise die Sendung DREI JAHRE, DIE DIE WELT BEWEGTEN. KOREA-KRIEG UND DEUTSCHE WIEDERBEWAFFNUNG (ARD 1980), die die Zeit zwischen Ausbruch des Koreakriegs und der deutschen Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und der DDR erzählte. Der überwiegende Teil der Sendungen aber konzentrierte sich durchgängig auf eine Geschichte der Bundesrepublik – auch unter der selbstbewussten Maxime, damit Identitätsangebote zu schaffen. Die Darstellung der bundesrepublikanischen Geschichte war zudem geprägt durch das Narrativ einer Erfolgsgeschichte. Diese ging aus von der Stabilität und Beständigkeit der zeitgenössischen Gegenwart. Aus dieser teleologischen Perspektive heraus verfolgten die Sendungen ihre Entwicklung. Die 50er Jahre wurden hierdurch immer stärker zum Schlüsseljahrzehnt einer bundesrepublikanischen Identität und erfuhren eine Deutung als Gründungs- und Aufbaujahrzehnt. In diesem Kontext stand auch das bis dato größte Projekt, eine Geschichte der Bundesrepublik zu schreiben: Die achtteilige Sendereihe383 ABENTEUER BUNDESREPUBLIK. DIE GESCHICHTE UNSERES STAATES (ARD 1983), mit viel Aufwand hergestellt und beworben, präsentierte die Geschichte nach 1945 bis in die zeitgenössische Gegenwart aus der Perspektive des westdeutschen Teilstaates. Im selben Jahr noch strahlte das ZDF die vierteilige Reihe SO FING ES AN. DIE GRÜNDERJAHRE IN DER BUNDESREPUBLIK aus, die sich auf die Jahre zwischen 1949 und 1956 konzen-

382 Vgl. hierzu Brockmann: Erinnerungsarbeit. 383 Ergänzt wurde die Reihe durch eine Auftakt- und Abschlusssendung, die ebenfalls im Ersten Programm liefen, sowie Diskussionsrunden, die im WDF ausgestrahlt wurden.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 259

trierte. Beide Sendereihen entstanden unter Beratung prominenter Zeithistoriker und Politikwissenschaftler. Einzelne Dokumentationen griffen sich zudem verschiedene Aspekte der Gründungs- oder Aufbaugeschichte heraus. DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER. AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN (ZDF 1986) behandelte die wirtschaftliche Aufbaugeschichte, während DAS DEUTSCHE NACHKRIEGSWUNDER. LEID UND LEISTUNG DER VERTRIEBENEN (ZDF 1985) die Integration der Vertrieben in die deutsche Nachkriegsgeschichte thematisierte. Im Jahr 1989 zeigten die umfangreichen Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Begründung der Bundesrepublik, wie stark sich das westdeutsche Selbstverständnis mittlerweile entwickelt hatte. Das ZDF beteiligte sich mit einem umfangreichen Sonderprogramm.384 Programmplanerisch standen der 23. Mai und die Feierlichkeiten im September im Mittelpunkt des Interesses. Dem vierzigsten Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai schenkten die Sender große Aufmerksamkeit. ARD und ZDF sendeten jeweils zweiteilige Dokumentationen,385 die staatsoffiziellen Feierlichkeiten wurden übertragen, hinzu kam eine neunzigminütige Studiosendung von Henric Wuermeling, 40 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (ARD 1989). Abends lud Guido Knopp zu einer live aus dem Museum Koenig ausgestrahlten Diskussionsrunde ein. Im September übertrugen die Sender die Feierlichkeiten in Bonn, die ARD gratulierte zudem mit einer eigenen Show GLÜCKWUNSCH, BUNDESREPUBLIK (ARD 1989). Sogar Sat1 griff den Jahrestag im Programm auf und beteiligte sich mit einer einstündigen Live-Übertragung unter dem Titel MODE, MUSIK, MOTOREN (Sat1 1989). Unterschiedliche Zielgruppen Macher wie Kritiker waren sich einig, dass die Anforderungen dieser Gesamtschauen zwei unterschiedliche Zielgruppen zu bedienen hätten: Die Älteren, die die ersten Jahre der Bundesrepublik noch in eigener Erinnerung hatten, und die Jüngeren, denen das historische Wissen um die Anfänge der Republik erst vermittelt werden sollte. Letzteres auch zu dem Zweck, den Jüngeren einen Zugang zu einer nationalen Identität, jenseits der teilstaatlichen zu ermöglichen, denn gerade die Teilungsgeschichte sahen viele Beobachter in Gefahr, in Vergessenheit zu geraten:

384 Vgl. hierzu das Sonderheft: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.): Von Weimar nach Bonn. Dreißig Jahre deutsche Geschichte in ZDF-Fernsehspielen und -Dokumentationen. 15. November 1988 bis 24. Mai 1989, Mainz: ZDF 1988; vgl. außerdem: Becker/Quandt: Vermittler. 385 SO ENTSTAND DIE BUNDESREPUBLIK (2 Tle., ZDF 1989); EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT (ARD 1988).

260 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN »Die heute Dreißigjährigen haben sie nicht erlebt und nehmen sie darum als Selbstverständlichkeit hin: die Teilung Deutschlands. Gerade darum war es angebracht, die Reihe ›Deutschland-Deutschland‹ (So., ZDF) zu produzieren. Im Schulunterricht wird ja gerade die jüngste deutsche Geschichte recht oberflächlich behandelt, darum bedarf es einer Erinnerung an die Ereignisse, die dazu geführt haben […]«386

Die Vernachlässigung der schon historisch gewordenen Nachkriegszeit im Schulunterricht kehrte als Motiv auch in den anderen Reihen wieder und stellte eine beständige Herausforderung an die Macher dar. Dazu mag gerade die Konjunktur der 50er Jahre in der Geschichtskultur beigetragen haben, die häufig mit Schlagworten wie Nostalgie oder Verklärung abqualifiziert wurde. Dem sollte eine profunde historische Bildungsarbeit entgegengestellt werden, für die die politikgeschichtlich orientierten Dokumentationen im Fernsehen geeignet erschienen. Diese sollten nach Meinung der Kritiker eine Lücke im historischen Gedächtnis füllen und dabei sowohl historisches Wissen vermitteln als auch identitäre Anknüpfungspunkte bieten. So war es sicherlich kein Zufall, dass die redaktionelle Leitung von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK Ulrich Harbecke oblag, einem Redakteur aus dem WDRSchulfernsehen. Zudem wurde die Sendereihe ergänzt durch mediendidaktische Handreichungen, die in der Zeitschrift »W&M. Weiterbildung und Medien« von 1983 enthalten waren. Da die Ausstrahlung der Sendereihe in der Primetime erfolgte, sollte sie sich altersübergreifend an den »Normalzuschauer« wenden, »der nicht über fundierte Kenntnisse der Zeitgeschichte verfügt.«387 Intentionen und Motive der Macher Die Macher von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK wollten die Geschichte der Bundesrepublik zu einem großen öffentlichen Diskussionsthema machen: »Die TV-Serie will Kommunikation stiften, will Anlässe bieten, damit die Generationen, die Menschen ins Gespräch kommen miteinander, damit sich viele über ihre eigene Geschichte verständigen.«388 Diese Intentionen wiederholten Redakteur und Autor Ulrich Harbecke sowie Heinz Werner Hübner, Fernsehdirektor des WDR, in Stel386 »Spielball der Weltpolitik«, in: Main Echo, 30.12.1980. Vgl. auch: Sigrid Schniederken: »Nachhilfeunterricht erwünscht!«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 4, 21.1.1981, S. K5; Roland Schmidt: »Bekenntnis zur Nation«, in: Rheinische Post, 15.1.1980; Manfred Jäger: »Über die Dramatik historischer Abläufe«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.1.1981. 387 Heinz Werner Hübner in der Pressemappe zu ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, in: Deutsches Fernsehen Pressedienst, 15/83, S. I/5. 388 Heinz Gunter Clobes: »Abenteuer Bundesrepublik«, in: agiPRESS »Bildung und Medien«, 4/83, S. 37.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 261

lungsnahmen im Vorfeld der Sendereihe, wobei sie auch durchaus nicht abgeneigt schienen, in dem Projekt eine »Schule der Nation«389 zu sehen. Denn schon das einfache Erzählen der Geschichte der Bundesrepublik zeige, dass aus dem anfänglichen »Abenteuer« einer demokratischen Staatsgründung »der einsame Rekordhalter der Demokratie auf deutschem Boden«390 geworden sei. Das geschichtsidentitäre Ziel der Sendereihe entwickelte sich laut Harbecke quasi von selbst, indem der narrative Schwerpunkt auf der historischen Entwicklung der Bundesrepublik liegen sollte: »Gerade die Konstituierung der Bundesrepublik ist ein durchaus vorzeigbares Kapitel deutscher Geschichte, was man von anderen nicht behaupten kann. Wir wollen einen gewissen republikanischen Stolz auslösen, der dazu beitragen könnte, den heutigen Problemen gelassener entgegenzusehen.«391

Und auch Hübner betonte in Anspielung auf das Scheitern der Weimarer Republik, die Beständigkeit der Bundesrepublik: »Diese Republik hat Republikaner, und man kann ruhig darüber sprechen.«392 Die Betonung der demokratischen Erfolgsgeschichte, die in den Ankündigungen die ökonomische überlagerte, stand im Kontext der Bemühungen vor allem sozial-liberaler Bestrebungen, den 17. Juni als Nationalfeiertag durch den 23. Mai zu ersetzen.393 Das »staatszentrierte Nationskonzept« sollte durch ein »entstaatlichtes Nationskonzept«394 ersetzt werden. Dolf Sternberger hatte dafür 1979 den Begriff des Verfassungspatriotismus vorgeschlagen, der durchaus identitäre Anbindungsmöglichkeiten bot.395 Damit trat das Geschichtsbild der politisch-insitutionellen Gründungsgeschichte partiell auch in Konkurrenz zur wirtschaftlichen Aufbaugeschichte – obwohl beide Geschichtsbilder in den Sendungen präsent waren. Sowohl die Gründungs- als auch die Aufbaugeschichte orientierten sich aber an einer konsequent bundesrepublikanischen Erzählung, um eine identifikatorische Nähe zum zeitgenössischen Staat zu festigen. Der gelungene Aufbau und das positive Zurückschauen auf das bisher Erreichte sollten dabei im Vordergrund stehen. So war auch SO FING ES AN (ZDF 1983) für die Kritiker »ein 389 Ebd., S. 38. 390 Pressemappe zu Abenteuer Bundesrepublik, in: Deutsches Fernsehen. Pressedienst, 15/83, S. I/3. 391 Ulrich Harbecke, zit. n.: C.R.: »Republikanischer Stolz«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 9.4.1983. 392 Pressemappe zu Abenteuer Bundesrepublik, in: Deutsches Fernsehen. Pressedienst, 15/83, S. I/3. 393 Wolfrum: Geschichtspolitik, S. 290f. 394 Ebd., S. 279. 395 Roth: Idee, S. 293-297.

262 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Blick zurück ohne Zorn: Abgeklärt wohlwollend. Mit freudigem Staunen, was daraus geworden ist.«396 Die 50er Jahre als Entfremdung beider deutscher Staaten Trotz der generellen Tendenz einer bundesrepublikanischen Geschichtserzählung, blieb die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung ein präsentes Element. DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ARD 1980/1981) konzentrierte sich vollständig auf die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte und schilderte die außen- und deutschlandpolitischen Entwicklungen. Die Argumentation erinnerte dabei an DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971), in der die 50er ebenfalls als »Jahre der Entfremdung«397 beschrieben worden waren. In der Gliederung grenzten die Autoren die Regierungszeit Adenauers von der Entwicklung danach deutlich ab. Die erste Folge verfolgte die Bildung zweier deutscher Staaten bis zum Tod Stalins im Jahr 1953 unter der Ägide der Besatzungsmächte. In der zweiten Folge änderte sich die Perspektive: Die Verantwortung für die Deutschlandpolitik wurde hier den beiden deutschen Regierungen zugesprochen, die eine gegenseitige »Abgrenzungspolitik«398 verfolgt hätten. Die abschließende Folge »Kleine Schritte« deutete die 1960er Jahre als weitgehende Erstarrung der Deutschlandpolitik auf beiden Seiten. Nur Willy Brandt habe, zuerst als Regierender Bürgermeister von Berlin, später als Bundeskanzler, deutliche Signale zu einer Wiederbelebung der Deutschlandpolitik gesetzt. Hans-Dietrich Sander kritisierte in der Welt die seiner Meinung nach in der Sendereihe »verfehlte Dramaturgie«, die die Adenauersche Politik der Westbindung als »Krebsfehler« beschrieb. Die »Ostpolitik der kleinen Schritte« sei vor dieser negativen Bewertung dann als »unvermeidliche Korrektur angesprochen«399 worden. Sander identifizierte in der Sendung ein sozialliberales Geschichtsbild, ähnlich wie es auch schon Thilo Koch 1971 vorgeworfen worden war. Das nationale Geschichtsbild war so weiterhin geprägt durch die Deutungsangebote der parteipolitischen Richtungen. Zudem zeigt das Beispiel, wie kontrovers die nationalen Geschichtsbilder, der geschichtspolitische Kampf um die nationale Meistererzählung zu Beginn der 1980er Jahre geführt wurde.

396 Ponkie: »So fing es an…«, in: Abendzeitung, 20.12.1983. 397 So der Titel der zweiten Folge von DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND. 398 ZDF Presse Programm 1/81, S. 55. 399 Alle Zitaten aus: Hans-Dietrich Sander: »Ausgehöhlte Positionen«, in: Die Welt, 6.1.1981.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 263

Abb. 126-131: Montagesequenz zur Westbindung in DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981)

Quellen: Videostills aus DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND, TEIL 2: ABGRENZUNG (ZDF 1980/1981), 0:52; 10:08-13:07 (Abb. 130: Orig.i.F.).

Inhaltlich verfolgte die zweite Folge vor allem die diplomatischen und ereignisgeschichtlichen Stationen der Deutschlandpolitik: Der 17. Juni 1953 wird ausführlich zu Beginn thematisiert (vgl. Abb. 126). Darauf folgt »Der Streit um die Westverträge« (vgl. Abb. 127), der mit der Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik und dem NATO-Beitritt vollzogen wird. Im Bild wird außer einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung auch eine Rede Ollenhauers in der Paulskirche gezeigt, in der er an die Entscheidungsträger appellierte (vgl. Abb. 128), vor Abschluss der Vertragsverhandlungen nochmals Verhandlungen mit der Sowjetunion über die Wiedervereinigung zu prüfen. In einem direkt im Anschluss montierten Redebeitrag Adenauers im Bundestag hierzu betont dieser dagegen die sicherheitspolitischen Erfordernisse des NATO-Beitritts (vgl. Abb. 129). Im Anschluss zieht Zeitzeuge Wilhelm G. Grewe ein Zwischenfazit zur Politik der Westbindung (vgl. Abb. 130) und als Abschluss werden Wochenschaubilder zum NATO-Beitritt eingespielt (vgl. Abb. 131). Die Autoren ließen so bewusst eine Bewertung der Politik der Westbindung offen, stellten sie nicht als alternativlos dar, sondern ließen das Bestreben erkennen, die historische Diskussion abzubilden.400 Um eigene Positionierungen zu vermeiden, setzten die Autoren als Stilmittel Wochenschauberichte als Dokumente ohne Kommentierung ein und überließen den

400 Ein Punkt, den Hans-Dietrich Sander in der Welt dann als kritische Haltung bezüglich der Adenauerschen Wiedervereinigungspolitik deutete.

264 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zeitzeugen als Experten die Bewertung der historischen Ereignisse. Dies unterschied sich signifikant vom journalistischen Stil Thilo Kochs oder René Allemanns, die sich noch im Bild als politische Kommentatoren inszeniert hatten. Hier dagegen verschob sich nun der Stil von der journalistischen Kommentierung zur historischen Darstellung. Die Kritiken konzentrierten sich so auch in erster Linie auf die dokumentarische Qualität der Wochenschaubilder und der Zeitzeugenaussagen. Während beide Elemente grundsätzlich positive Bewertungen erhielten,401 machten nach Ansicht der Kritiker gerade die kommentarlos gezeigten Wochenschaubilder die mediale, historische Distanz deutlich. Der Stil der Wochenschauaufnahmen mit dem O-Ton des Sprechers stelle ein »amüsantes Zeichen der Kontinuität von 1945« dar. Die »von den herrischen, keinen Widerspruch duldenden, auf heroischen Singsang eingestimmten, unentwegt Positives verkündenden Stimmen der Sprecher«,402 wirkten nun in ihrer medialen Form näher an den Kriegswochenschauen. Gerade dies machte aber für die Kritiker den Dokumentcharakter aus.403 Auf der anderen Seite sahen andere in der kommentarlosen Präsentation auch Probleme: Das gezeigte Bildmaterial sei in seiner Flüchtigkeit nur für diejenigen verständlich, die »Zeitgenossen«404 der Ereignisse gewesen seien. »Nach der Devise, wer die O-Töne sprechen läßt, kann sich den eigenen Kommentar schenken, wurde reichlich altes Wochenschaumaterial ausgebreitet«, beklagte Sigrid Schniederken lakonisch. So »konnte nur miturteilen, wer ›damals‹ schon dabei gewesen war, oder besser noch, wer drauf studiert hatte.«405 Die langen, unkommentierten Wochenschauausschnitte funktionierten so für die älteren, die dabei gewesen waren, aber eben nicht als Abbilder der Vergangenheit, die voraussetzungslos von allen Zuschauern rezipiert werden könnten. Vielmehr benötigten die Zeitgenossen der 1980er Jahre Hintergrundwissen über die Wochenschau als Medium. Für die Jüngeren, die die Zeit eben nicht mehr selbst erinnern konnten, wäre nach Ansicht vieler Kritiker eine verstärkte Aufbereitung der historischen Inhalte notwendig gewesen, 401 Walter Fabian: »Stoff zum Nachdenken«, in: epd/Kirche und Rundfunk, 21.1.1981; Helga Deuerlein: »Die Teilung. Deutschland – Deutschland (1. Teil)«, in: Saarbrücker Zeitung, 31.12.1980; Roland Schmidt: »Doppelt interessant«, in: Rheinische Post, 6.1.1981. 402 Friedrich Karl Fromme: »Geschichte einer Spaltung«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.1980. 403 Vgl. beispielsweise Fwa: »Deutschland, Deutschland«, in: Stuttgarter Zeitung, 13.1.1981. 404 Roland Schmidt: »›Dokumentation‹ allein genügt nicht«, in: Rheinische Post, 30.12.1980; Walter Fabian: »Stoff zum Nachdenken«, in: epd/Kirche und Rundfunk, 21.1.1981. 405 Sigrid Schniederken: »Nachhilfeunterricht erwünscht!«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 4, 21.1.1981, S. K5.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 265

denn sie müssten sich die »Nachkriegsgeschichte so aneignen wie irgendeine andere ferne Epoche.«406 Die ZDF-Dokumentation setze vor diesem Hintergrund zu viel voraus.407 Die Teilungsgeschichte spielte aber auch in solchen Sendungen eine Rolle, die die Geschichte der Bundesrepublik erzählten. Die beschriebenen ereignisgeschichtlichen Stationen der Teilung waren auch in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) und SO FING ES AN (ZDF 1983) präsent. Hier wurden sie aber eng verknüpft mit der Begründung der europäischen Integration. Dies betonte vornehmlich die erfolgreichen Weichenstellungen in Gestalt der Politik der Westbindung, auch wenn durchaus die »verpassten Chancen« am Beispiel der Stalin-Note von 1952 diskutiert wurden.408 Die 50er als Gründungsjahrzehnt Außer der Teilungsgeschichte prägte die Darstellung der Bundesrepublik als Erfolgsgeschichte diese Sendungen. In Fortsetzung der Souveränitätsgeschichte, wie sie in DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974) erzählt worden war, ging es um eine dezidierte Geschichte des westdeutschen Teilstaates, die in den 1980er Jahren zur dominierenden Erzählform in den Fernsehdokumentationen zur deutschen Nachkriegsgeschichte nach 1945 aufstieg. Diese »Bundesrepublikanisierung« ist von Edgar Wolfrum als Charakteristikum des geschichtspolitischen Diskurses der 1980er Jahre bezeichnet worden. Aus Sicht der Zeitgenossen Anfang der 1980er Jahre hatte sich die BRD als stabiles und beständiges Staatswesen erwiesen, das erfolgreich politische Machtwechsel durchgeführt und die bemerkenswert wenigen politischen wie wirtschaftlichen Krisen gut überstanden hatte.409 Die 50er Jahre erfuhren innerhalb dieses Geschichtsbildes eine Deutung als Gründungs- und Aufbaujahrzehnt der Bundesrepublik. In den Mittelpunkt rückten die konstitutionellen Weichenstellungen der ersten Jahre und die Etablierung der politischen Institutionen, die als Gründungsphase auf den Ursprung und die Herkunft der Bundesrepublik verwiesen. Die Gründungsgeschichte mit den geschichtspolitischen Darstellungen der demokratisch-institutionellen Neugründung der Bun406 Manfred Jäger: »Über die Dramatik historischer Abläufe«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.1.1981. 407 Sigrid Schniederken: »Nachhilfeunterricht erwünscht!«, in: FUNK-Korrespondenz, Nr. 4, 21.1.1981, S. K5; Manfred Jäger: »Über die Dramatik historischer Abläufe«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.1.1981. 408 Vgl. dazu die thematischen Gliederungen zu ABENTEUER BUNDESREPUBLIK in Tab. 7 und 8. 409 Vgl. die Einleitung von Dietrich Thränhardt: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986. S. 7.

266 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

desrepublik rekurrierte vor allem auf eine universelle Deutung von Grundwerten und Demokratie, die in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg letztendlich etabliert werden konnten. Aus dem Blickwinkel der 1980er Jahre hatte sich die Bundesrepublik so als stabile und beständige Demokratie bewährt. Die erste Hälfte der 50er Jahre wurde dementsprechend als Aufbaujahre beschrieben. War damit in früheren Sendungen vor allem das Wirtschaftswunder gemeint gewesen, integrierten die Darstellungen nun auch konsequent Themen wie die Sozial- oder Europapolitik der frühen Jahren in die Aufbauerzählung. Vor dem beschriebenen polarisierten geschichtspolitischen Hintergrund der Geschichtsschreibung zur Bundesrepublik, war es relevant, ob die 50er Jahre im Kontext einer größeren Reihe zur Geschichte der Bundesrepublik thematisiert wurden oder in zeitlich auf die 50er Jahre fokussierten Beiträgen. Bei ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) betonten die Macher insbesondere den parteipolitischen Machtwechsel von der CDU zur SPD. Grundsätzlich folgte die Sendereihe einer chronologischen Gliederung, wobei die 1970er Jahre ebenso doppelt vertreten waren, wie die als Aufbaujahre besonders akzentuierten 50er Jahre. Die Politik der sozial-liberalen Koalitionen unter Brandt und Schmidt wurden dabei in ihrer Relevanz mit derjenigen der christdemokratischen Adenauer-Ära auf eine Ebene gestellt. Dies ermöglichte eine parteiübergreifende Perspektive. In der Erzählung waren so beide politischen Lager gleichermaßen an Aufbau, Weiterentwicklung und Beständigkeit des westdeutschen Staates beteiligt. Dieses Bemühen um parteipolitische Neutralität durchzog die gesamte Sendereihe von der Gesamtgliederung bis in die Diskussion historischer Einzelthemen und trug mit dazu bei, dass Harbecke in der Retrospektive konstatierte, das Projekt habe »merkwürdigerweise […] eine parteipolitische Polarisierung der Zuschauer«410 vermeiden können. Tab. 4: Folgenübersicht zu Abenteuer Bundesrepublik (ARD 1983) Nr.

Folgentitel

Zeitraum

Themen

1

Besatzer und Besetzte

1945-1949

Nachkriegszeit

2

Staat auf Befehl

1949-1957

Pol. Gründung, Innenpolitik, Außen-

3

Wir sind wieder wer

1949-1958

Wirtschafts- und Sozialpolitik, Euro-

und Deutschlandpolitik papolitik 4

Wendepunkte

1959-1966

Ende der Regierungszeit Adenauers und Regierung Erhard

410 Ulrich Harbecke: »›Abenteuer Bundesrepublik‹«, in: Guido Knopp/Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen – ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 145-149, hier S. 148.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 267

5

Große Koalition

1966-1969

Regierung Kiesinger

6

Entspannung

1970-1978

Ostpolitik der Regierung Brandt

7

Mehr Demokratie

1973-1980

Innenpolitik und Wechsel zu Regie-

8

Zur Lage der Nation

1980-1983

rung Schmidt zeitgenössische

Probleme,

Regie-

rungswechsel Kohl Quelle: eigene Zusammenstellung

Nur wenige kritische Stimmen warfen der Reihe einseitige Betrachtungen vor.411 Vor diesem Hintergrund bildete ABENTEUER BUNDESREPUBLIK aber auch eine Vielzahl geschichtspolitischer Deutungskonflikte zur Geschichte der Bundesrepublik ab. Nur durch eine ebenso deutliche Herausstellung der Verdienste der sozialliberalen Regierungen zwischen 1969 und 1982 konnte Harbecke die Adenauer Ära als positiv besetzte Jahre der erfolgreichen Demokratiegründung und des Aufbaus erzählen. Denn eine isoliert erzählte Erfolgsgeschichte der 50er Jahre stand in direkter Verbindung der Kohlschen Geschichtspolitik. Tab. 5: Folgenübersicht zu SO FING ES AN (ZDF 1983) Nr.

Folgentitel

Zeitraum

Themen

1

Die verordnete Demokratie

1949

Politische Gründung der BRD

2

Die Deutschen richten sich 1950-1952

Sozial- und Wirtschaftspolitik, Gesell-

ein

schaftsgeschichte

3

Adoptivkind des Westens

1952-1956

4

Diskussion

Gegenwart

Außenpolitik

Quelle: eigene Zusammenstellung

Bei der Periodisierungsfrage, was den Kernzeitraum der 50er Jahre ausmache, dominierte die Zeitspanne zwischen 1949 und 1957/58, wie sie beispielsweise in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK gewählt wurde: Nicht das Ende der Regierungszeit Adenauers 1963, sondern der Gewinn der absoluten Mehrheit 1957 wird zum dramaturgischen Höhepunkt der zweiten Folge. Die Jahre ab 1958 bilden entsprechend den Auftakt zur unruhigen Zeit der 1960er Jahre, die als »Wendepunkte« themati411 Eine Karikatur in Die Welt zeigte über der Bildunterschrift »Das Fernsehen zeigt der Jugend die ›wahren‹ Größenverhältnisse« überdimensionierte Konterfeis Willy Brandts und Helmut Schmidts, die das Steuer fest in der Hand hielten und auf die, eine WDRKamera gerichtet ist. Adenauer, Erhard und Strauß stehen deutlich kleiner davor. Vgl. Die Welt, 7.5.1983.

268 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

siert werden.412 Die Kernphase der Ära Adenauer wurde so als Gründungs- und Aufbauphase der Bundesrepublik gedeutet.413 Eine klar strukturierte, aspektorientierte Gliederung der beiden Folgen 2 und 3 beschreibt diese Aufbauphase zwischen 1949 und 1957/58 als homogene, abgeschlossene Epoche. Charakteristika des Aufbaus werden dabei nacheinander für die Innen-, Außen- und Deutschlandpolitik sowie für die Wirtschafts- und Sozialpolitik und die Europapolitik beschrieben. Einen sehr ähnlichen Aufbau verwendet auch SO FING ES AN: Hier wurde eine chronologische Gliederung mit einer aspektbetonenden verbunden. Nachdem sich die ersten beiden Folgen auf die Innenpolitik sowie die wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklungen der ersten Jahre konzentriert hatten, stand die Außen- und Deutschlandpolitik im Fokus der abschließenden Sendung. Vor dem Hintergrund der vorherigen »Innenperspektive« diskutierten die Autoren und Zeitzeugen nun die Politik der Westbindung und die Zementierung der deutschen Teilung. Dies ermöglichte den Machern, die »Gründerjahre in der Bundesrepublik«414 Mitte der 50er Jahre als vorläufiges Ende der Staatswerdung zu betrachten. Die Aufbauphase schließt mit den größten Weichenstellungen der Bundesrepublik, so wie sie in der zeitgenössischen Gegenwart vorhanden waren. Die Aufbau-Erzählung bediente daher affirmativ die Frage nach der Herkunft des eigenen Staatswesens, welches sich erfolgreich bewährt hatte. Einen besonderen Schwerpunkt legten die Macher dabei auf die unmittelbaren innenpolitischen Anfänge: SO FING ES AN verwendete die gesamte erste Folge für die Darstellung der ersten Monate der Bundesrepublik. Auch ABENTEUER BUNDESREPUBLIK räumte diesem Zeitraum fast ein Drittel der Sendezeit der zweiten Folge ein. Die ausführliche Darstellung der Gründung betonte ihre Wertschätzung in der Sendereihe und verdeutlichte das artikulierte Anliegen der Macher. Das Problem der schwierigen Visualisierung des Grundgesetzes löste Harbecke, indem er, am historischen Ort des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates stehend, aus den ersten Artikeln des Grundgesetzes vorlas. Eine große Flügeltür im Hintergrund, durch die Ergebnisse in Form von Papieren hereingegeben wurden, unterstützte das Bild der nüchtern-demokratischen Gründung der Bundesrepublik (vgl. Abb. 133). Dass diesen historischen Gründungsorten eine Weihefunktion zukam, hatte der WDR schon dadurch akzentuiert, dass die Eröffnungssendung zur Sendereihe aus

412 Auch hier fällt die deutliche Ähnlichkeit zu DIE ZWEITE REPUBLIK auf, die die 1960er Jahre als JAHRE DER UNSICHERHEIT betitele und deutete. 413 Eine ähnliche Periodisierung, die die Leistungen Adenauers in den Fokus stellte, hatte schon DIE ZWEITE REPUBLIK gewählt. Vgl. Kapitel III.5. 414 So der Untertitel.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 269

dem Bonner Museum Alexander Koenig415 als Live-Show gesendet wurde (vgl. Abb. 132). Abb. 132-134: Visuelle Gegenüberstellung von BRD- und DDR-Gründung

Quelle: Videostills aus ABENTEUER BUNDESREPUBLIK: AUFTAKTSENDUNG (ARD 1983), 03:28; TEIL 2:STAAT AUF BEFEHL (ARD 1983), 08:52, 18:07 (alle: Orig.i.F.).

Im deutlichen Kontrast zur sachlich-nüchternen Gründung der Bundesrepublik schließt der Abschnitt mit Bildern der DDR-Gründung: Vor Bildern der DDRWochenschau, die die Gründungsparade zeigen – mit großen Porträtwagen Josef Stalins, Transparenten und Fackelträgern – weist der Kommentar auf die deutlichen Unterschiede in der Inszenierung hin: »Während die Gründung der Bundesrepublik sang- und klanglos über die Bühne ging, veranstaltet die SED ein gewaltiges Geburtstagsfest.«416 Dies verwies nochmals auf die Beständigkeit der politischen Gründung des westdeutschen Teilstaates, dessen nüchterne Gründung hier als die substanziellere Lösung gezeigt wird – im Gegensatz zum nur oberflächlichen Pomp der DDR-Gründung. Die Distanzierung der Macher von der Gründung der DDR wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Bilder der DDR-Wochenschau mit einem rot-goldenen Rahmen und der Bauchbinde »DDR-Fernsehen« versehen wurden (vgl. Abb. 134). ABENTEUER BUNDESREPUBLIK wie auch SO FING ES AN stellten beide die politischen Stationen in der Erzählung der Gründungsgeschichte heraus: Den Parlamentarischen Rat, die Wahl Bonns zur Hauptstadt, die erste Bundestagswahl 1949, die Konstituierung des Bundestags, die Regierungsbildung, die Wahl des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten sowie die Unterzeichnung des Besatzungsstatuts durch Konrad Adenauer auf dem Petersberg. Die Ereignisfolge zeichnete den Weg nach, der zum ersten Mal ein handlungsfähiges Staatsgefüge hervorgebracht hatte. So präsentierte sie sich dem Zuschauer als Ursprungserzählung, die in den folgenden Jahrzehnten bis in die zeitgenössische Gegenwart viele Male erfolgreich wie-

415 Hier hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz verabschiedet und Adenauer bis zum Umzug ins Palais Schaumburg sein provisorisches Kanzlerbüro bezogen. 416 Abenteuer Bundesrepublik. Teil 2, 18:00ff.

270 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

derholt werden konnte und lenkte den Blick auf die Ursprünge ebendieser demokratischen Erfolgsgeschichte. Der gestiegene Stellenwert der Gründungsgeschichte der Bundesrepublik zeigte sich sowohl in den großen Dokumentationsreihen, als auch in Einzelsendungen. Insbesondere im Kontext des 40. Gründungsjubiläums im Jahr 1989 entstanden neue Sendungen: Wilhelm Reschl hatte schon 1988 mit dem Zweiteiler EINIGKEIT 417 die Entstehung des Grundgesetzes vom UND RECHT UND FREIHEIT (ARD 1988) Parlamentarischen Rat bis zur Verabschiedung 1948/49 dargestellt und ging in der zweiten Folge mit dem Untertitel »Leben mit dem Grundgesetz« auf die zeitgenössische »Wertschätzung«418 im In- und Ausland ein. Das Wochenschaumaterial zu diesen Ursprungsereignissen stellte entsprechend Einzigartigkeitswert als historisches Dokument dar und wurde beständig kanonisiert. Anders als in den klassischen dokumentarischen Kompilationsfilmen, die vor allem über audiovisuelles Archivmaterial aus deutschen Wochenschauen zusammengeschnitten waren, führten die Formexperimente dazu, dass der Anteil des eingesetzten Wochenschaumaterials in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK und SO FING ES AN gering war. Den eingeschnittenen Archivbildern wurde aber auch eine stärkere Funktion als Quellendokument beigemessen. In beiden Sendungen wurden Wochenschauaufnahmen in längeren, scheinbar ungeschnittenen Ausschnitten, mit dem originalen Sprecherton und ohne zusätzliche Kommentierung gezeigt. Zur Gründungsthematik zeigte ABENTEUER BUNDESREPUBLIK in dieser Form zwei Ausschnitte aus der Wochenschau WELT IM FILM zur Bundestagswahl von 1949 und zur Eröffnung des Bundestags. SO FING ES AN verwendete denselben Beitrag zur Bundestagswahl von 1949. Hinzu kam ein Bericht zur Wahl Theodor Heuss‫ ތ‬zum Bundespräsidenten. Die Filmauswahl orientierte sich an den Stationen der politischen Gründungsgeschichte. Die unkommentierte Präsentation der Berichte verstärkte dabei zum einen den Quellencharakter der Wochenschaufilme als dokumentarische Abbilder der historischen Ereignisse. Zum anderen schuf sie Orientierungspunkte für die Zuschauer in der Dramaturgie der Sendungen, indem sie die politischen Ereignisse an sich in den Vordergrund stellte. Allerdings zog die Verwendung als kommentarlos präsentiertes Abbild der historischen Vergangenheit in beiden Sendungen auch Kritik auf sich. Die Wochenschauberichte bedürften schon selbst einer »kritischen Analyse« und seien »unter ›dokumentarischen‹ Gesichtspunkten nur bedingt brauchbar«419 gewesen. Der »Durchschnittszuschauer dürfte nicht die Gabe haben, das Gebell [der

417 Die Sendung wurde im Rahmen des Jahrestages der Verabschiedung des Grundgesetzes 1989 wiederholt. 418 Presseinformation Erstes Deutsches Fernsehen/ARD, 21/89. 419 H.V.: »Versöhnlich [So fing es an]«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 20.12.1983.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 271

Wochenschausprecher, M.R.] zu reflektieren und zu relativieren, sich zu sagen, auch das sei ja ein Dokument der Vergangenheit.«420 Wie schon bei DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981) markierte das eingesetzte audiovisuelle Archivmaterial die mittlerweile erreichte historische Distanz, die hier in der medialen Ästhetik der Wochenschaubilder zutage trat. Diese historische Distanz brachte – positiv gewendet – für andere Kritiker erfolgreich »eine Ahnung der Atmosphäre [Hervorheb. i. Orig., M.R.] jener Tage, die heute in der Erinnerung zu verblassen droht«421 hervor. Der affirmativ-emotionale Zugang zu den Wochenschaubildern als mediale Cues war dabei nach Meinung vieler Kritiker nur den Älteren, den Zeitzeugen möglich, nicht aber den Jüngeren, für die eine Kontextualisierung der Dokumente erforderlich gewesen wäre. Die unkommentierte Präsentation der Wochenschauberichte führte darüber hinaus aber auch zu einer Beibehaltung der eingeschriebenen Signaturen. Der Bericht zur Bundestagswahl von 1949 VON DER WATERKANT BIS ZUM ALPENDORF. WAHLEN betonte die einigende Selbstverständlichkeit des Wählens für alle Bundesbürger, exemplifiziert daran, dass auch »Deutschlands einzige Leuchtturmwärterin« zur Wahl ginge (vgl. Abb. 135-137). Im Bericht wird so eine politische Normalität inszeniert. Die ursprüngliche Botschaft des Film, dass der politische Neuanfang die Unterstützung der breiten Bevölkerungsmehrheit habe, wurde in der Sendung übernommen. Der zweite Bericht DIE ERÖFFNUNG DES PARLAMENTS IN BONN (vgl. Abb. 138) zeigte ebenfalls das Motiv des Neuanfangs in drei Schritten: Zunächst die letzten Arbeiten am Parlamentsgebäude in Bonn (vgl. Abb. 139), darauf folgen oft gezeigte Bilder von Parteipolitikern beim Betreten des Bundestags, darunter Carlo Schmidt, Kurt Schumacher und Konrad Adenauer (vgl. Abb. 140), abschließend eröffnet Alterspräsident Paul Löbe die erste Sitzung des Bundestages. Die Ausschnitte blieben in der Sendung unkommentiert und wurden so als direkte Quellen für die historischen Ereignisse inszeniert. Dies wurde auch unterstützt durch das Zeigen des Wochenschautitels. Die Funktionalisierung des Berichts innerhalb der Sendungsdramaturgie führte so im Endeffekt eher zu einer Verschleierung der ursprünglichen Signatur, da er als objektivierende Quelle, als Abbild von Vergangenheit inszeniert wurde.

420 Hans Bachmüller: »Schulfernsehen für alle? [Abenteuer Bundesrepublik]«, in: epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 33, 30.4.1983, S. 12. 421 A.C.: »Die Gründerjahre der Bundesrepublik [So fing es an]«, in: Neue Züricher Zeitung, 1.1.1984.

272 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Abb. 135-140: Wochenschauen als historisches Abbild: Politische Normalität bei der Gründung

Quelle: Videostills ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, TEIL 2:STAAT AUF BEFEHL (ARD 1983), 13:12-13:45; 15:47-16:30.

Die Auswahl der Wochenschauberichte anhand der politischen Ereignisse hatte zudem den Effekt, dass einige Kritiker beklagten, nur bekannte Bilder präsentiert bekommen zu haben, die in den letzten Jahren bereits häufiger zur Illustrierung der politischen Ereignisse herangezogen worden waren.422 Der Projektumfang von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK sowie die lancierten Hinweise von Ulrich Harbecke auf die ausführlichen Bildrecherchen im Vorfeld, hätten erwarten lassen, neues Bildmaterial zu sehen zu bekommen.423 Diese hohen Erwartungen habe die Sendereihe nicht erfüllen können, die Bilder seien größtenteils aus früheren Sendungen bekannt gewesen. Die beschriebene Präsentation der Wochenschauaufnahmen als Quellen verstärkte so den Eindruck der Kanonisierung des Bildmaterials zur politischen Ereignisgeschichte der 50er Jahre, wobei neben den außen- und deutschland-

422 Simon Philip: »Abenteuer Bundesrepublik (I)«, in: Hamburger Abendblatt, 12.4.1983; H.A. Lange: »Abenteuer Bundesrepublik«, in: Osnabrücker Zeitung; WW: »Hartwurst in Scheiben«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 13.4.1983. 423 Harbecke verwies sowohl auf die ausgiebige Zusammenarbeit mit dem WOCHENSCHAU-Archiv

als auch auf die immense Sichtungsarbeit des Materials, wozu sogar der

Einsatz einer EDV-unterstützten Datenbank erforderlich gewesen sei. Vgl. »Abenteuer Bundesrepublik in zehn Folgen«, in: Frankfurter Rundschau, 9.4.1983; »FreistilFernsehen einen Sommer lang«, in: Westfälische Rundschau, 8.4.1983; Simon Philip: »Jahre der Bundesrepublik – in Rahlstadt gesammelt«, in: Hamburger Abendblatt, 9.4.1983.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 273

politischen Ereignissen nun auch die Gründungsphase verstärkten Kanonisierungseffekten unterlag. Dies demonstrierte aber auch, dass Harbeckes Team trotz intensiver Recherchen am Ende auf das kanonisierte Bildmaterial zurückgriff. Dabei spielte sicherlich auch die mangelnde Auswahl an Bildmaterial für politikhistorische Ereignisse eine Rolle, vor allem aber ermöglichten kanonisierte Bilder einen Wiedererkennungswert und identifikatorische Orientierungen bei den Zuschauern, die für die Zielrichtung der Sendereihe von entscheidender Bedeutung waren. Ein Projekt mit derartig nationalem identitären Anspruch hatte wohl zwangsläufig auch auf die wichtigen, bekannten Bilder zurückzugreifen, die das Bildgedächtnis der Bundesrepublik bilden sollte. Die zeitliche Beschränkung, nur sehr wenige Bilder zu einem Ereignis oder Thema zeigen zu können, verstärkte zudem die Tendenzen verstärkter Kanonisierung politikgeschichtlichen Bildmaterials. Sendungen wie SO ENTSTAND DIE BUNDESREPUBLIK (ZDF 1989) oder EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT (ARD 1988), die für 90 bzw. 120 Min. Bildmaterial aus dem Zeitraum 1948/49 zeigen wollten, mussten dagegen durch intensivere Bildrecherchen weitere Bildquellen erschließen und erzeugten beim Zuschauer in der Relation eher den Eindruck, nur wenige kanonisierte Archivbilder zu zeigen. Die 50er als Aufbaujahre Neben der unmittelbaren politischen Gründungsphase standen die 50er Jahre in der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik auch für die Aufbaujahre. Schon in früheren Jahren hatte sich um die Wirtschaftswundererzählung ein weiterer identitärer Orientierungspunkt gebildet, der sich nun in Richtung einer nationalen Identität weiterentwickelte. Die 50er Jahre als Aufbaujahre der Bundesrepublik zu erzählen, verwies auf eine gesamtgesellschaftliche Leistung, eben auf eine nationale Anstrengung, in der die Politik ebenso wie jeder Einzelne seinen Beitrag geleistet und so zum Gelingen beigetragen hatte. Am deutlichsten verfolgte die Redaktion Zeitgeschichte im ZDF diese Entwicklung hin zu einem positiv besetzten nationalen Geschichtsbild, das die Aufbaugeschichte in den Fokus stellte. Strukturell kann die Gründung der Zeitgeschichtsredaktion im ZDF als Beitrag zum geschichtspolitischen Identitätsdiskurs gesehen werden. Kurz nach ihrer Gründung im Jahr 1984 sprach ihr Leiter Guido Knopp von einer »politischen Aufgabe«, die seine Redaktion zu erfüllen habe: »Ich meine: ›Identität‹ und kritisch-solidarische Loyalität gegenüber unserer Bundesrepublik brauchen Orientierungspunkte für ein sicheres historisches Bewußtsein.«424 Insbe-

424 Knopp/Block: Gespräch, S. 6. Knopp wiederholte diese Aussagen in ähnlicher Form in Interviews und Artikeln in den nächsten Jahren immer wieder, vgl. u.a.: Knopp: Suche, S. 22; Guido Knopp: »Geschichte im Fernsehen. Perspektiven der Praxis«, in: Guido

274 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

sondere bis 1989/90 konzentrierte sich die Redaktion schwerpunktmäßig auf Themen zur bundesrepublikanischen und europäischen Geschichte nach 1945.425 Wie die Redaktion hier immer wieder Orientierungspunkte setzte, zeigt das Beispiel der Sendereihe DAMALS – VOR VIERZIG JAHREN, die im Jahr 1984 startete. Jede Folge dauerte anfangs zehn Minuten und wurde wöchentlich am Samstagmittag ausgestrahlt. Im Mittelpunkt des Sendekonzepts stand die Präsentation alter Wochenschauen, die kontinuierlich jede Woche die Ereignisse präsentieren sollten, die vor vierzig Jahren in den Nachrichten gewesen waren. Vor der Präsentation der Wochenschauausschnitte führte ein Moderator ins Thema der Woche ein, Zeitzeugenberichte ergänzten die Präsentation. Chronologisch begann DAMALS in den letzten Wochen des Kriegsendes und zeichnete den Weg in die Nachkriegszeit nach. Die Sendereihe sollte eine »kontinuierliche Fernsehgeschichte der Bundesrepublik Deutschland«426 beginnen. Unterstützend wurden zu verschiedenen Jahrestagen längere Dokumentationen produziert, die im Abendprogramm ausgestrahlt wurden. Dabei griffen die Macher durchaus zeitlich vor: Als Ereignisse der 50er Jahre entstanden so DAMALS. VOR DREISSIG JAHREN. DIE HEIMKEHR DER ZEHNTAUSEND (ZDF 1985) über die Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion, DAMALS. VOR DREISSIG JAHREN. DIE BUNDESREPUBLIK WIRD SOUVERÄN (ZDF 1985) und ›AUGEN GERADEAUS!‹. DAMALS. VOR DREISSIG JAHREN. SO ENTSTAND DIE BUNDESWEHR (ZDF 1985). Mit diesen aus der fortlaufenden Kontinuität der Reihe herausgehobenen Einzelsendungen schuf die Redaktion die von Knopp angesprochenen Orientierungspunkte. Die 50er Jahre nahmen hierbei eine entscheidende Funktion als Identitätsressource ein. Neben den DAMALS-Sonderthemen produzierte die Redaktion Zeitgeschichte zwei weitere Sendungen zu den 50er Jahren, die deutlich die Aufbaugeschichte in den Vordergrund stellten: DAS DEUTSCHE NACHKRIEGSWUNDER: LEID UND LEISTUNG DER VERTRIEBENEN (ZDF 1985) und DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER: AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN (ZDF 1986) machten schon in ihrer Titelgebung deutlich, positive Orientierungspunkte für eine nationale Erfolgsgeschichte der Nachkriegszeit schaffen zu wollen. Die erwähnten Sendungen schnitten mit Haushaltsquoten zwischen 9 und 13 Prozent und durchgängig über 4 Millionen Zuschauer pro Sendung bei den Zuschauern gut ab.427 Dies zeigte, dass die Knopp/Siegfried Quandt (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt 1988, S. 3-9. 425 Nach einer Auswertung von Sebastian Scherrer lag der Anteil der Sendungen zur deutschen Nachkriegsgeschichte zwischen 1984 und 1994 mit 32,6% noch vor Sendungen zum Dritten Reich (31,9%), vgl. Scherrer: Redaktion, S. 118. 426 Knopp/Block: Gespräch, S. 8. 427 Im Vergleich dazu erreichte z.B. die Sendung ZWÖLF TAGE ZWISCHEN ANGST UND HOFFNUNG. REKONSTRUKTIONEN: DER UNGARN-AUFSTAND (ZDF 23.10.1986) der

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 275

Orientierungsangebote, die das ZDF mit seinen Sendungen zu setzen versuchte auf durchaus positive Resonanz bei vielen Zuschauern stießen. Vor diesem Hintergrund traf die Redaktion mit der Produktion DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER: AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN offenbar einen Nerv beim Publikum. Die um 21:45 Uhr ausgestrahlte Sendung erreichte eine Haushaltsquote von 26 Prozent und 10,71 Millionen Zuschauer. Damit lag sie deutlich vor den um 20:15 Uhr gesendeten Einzelfolgen der viel beworbenen Sendereihe ABENTEUER BUNDESREPUBLIK. Tab. 6: Thematische Gliederung von DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER. AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN (ZDF 1986)

1.

VW-Feier 1955

00:00-01:06

»Die Lage nach dem Krieg«

01:06-09:50

Städte in Trümmern, Not, Flüchtlinge, Planungen der Alliierten, keine Hoffnung auf wirtschaftlichen Wiederaufbau 2.

»Die Entwicklung bis zur Währungsreform 1948«

09:50-17:39

Schwarzmarkt, Hungerwinter 1946/47, CARE-Pakete, Gründung der Bizone 3.

»Die Währungsreform Juni 1948«

17:39-26:41

Immense Bedeutung der Währungsreform für Zeitgenossen, Wirtschaftsreformen Erhards 4.

»Die Rolle von Ludwig Erhard«

26:41-32:40

Ende der Preissteigerungen, Soziale Marktwirtschaft, Erhard als Symbolfigur des Wirtschaftswunders 5.

»Die Hilfe durch den Marshallplan«

32:40-33:27

Marshallplan kurbelt deutsche Wirtschaft grundlegend an 6.

»Die Leistungskurve steigt«

33:27-43:42

Wirtschaftsaufschwung durch Marshallplan und Fleiß der Deutschen, Sozialpolitik und Arbeitsgesetzgebung, Ansteigen des Lebensstandards 7.

»Die Eingliederung der Vertriebenen und der Lastenausgleich«

43:42-47:04

Kein Revanchismus des Vertriebenenverbände, Lastenausgleichsgesetz 1952, Integration der Vertriebenen 8.

»Die sechziger Jahre«

47:04-54:54

Fazit

54:54-58:30

Quelle: eigene Zusammenstellung, Überschriften aus Sendung übernommen

Redaktion Zeitgeschichte nur eine Haushaltsquote von 6%und 2,07 Millionen Zuschauer.

276 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Der Erfolg der Sendung beim Publikum gibt auch in der Retrospektive noch Rätsel auf, schließlich fand weder eine ausführliche Bewerbung im Vorfeld statt, noch hatten offensichtlich viele Kritiker die Sendung als besonders relevant eingestuft.428 Berücksichtigt man diese Umstände, kann wohl der inhaltlichen Ausrichtung der Sendung ein größerer Anteil am Publikumserfolg zugesprochen werden. Autor Ekkehard Kuhn erzählte die wirtschaftliche Aufstiegsgeschichte in ihrer Reinform, die hier »zur blanken Erfolgsgeschichte« wurde, wie die Badische Zeitung kritisch anmerkte: »Vor lauter strahlenden Wirtschaftswunder-Bilanzen, Aufbau- und Integrationsleistungen blieb kein Raum mehr für die Kostenseite, wurde überhaupt nicht mehr erwähnt, was vielleicht auch hätte anders sein können.«429

Im Gegensatz zu anderen Produktionen dieser Zeit, beschränkte Kuhn sich vollständig auf die Darstellung der durchweg positiven anbindbaren Aspekte des wirtschaftlichen Aufschwungs der 50er Jahre. Schon zu Beginn der Sendung offenbarte sich die teleologische Erzählweise an einem Wochenschaubericht zur Feier anlässlich der Produktion des millionsten VW-Käfers im Jahr 1955. Die Feier kennzeichne den »rasanten Wirtschaftsaufstieg der Deutschen«.430 Die Darstellung des wirtschaftlichen Aufstiegs folgte dann der schon Anfang der 1960er Jahre etablierten optimistischen Erzählung. Trotz der längeren Tradition der Deutungen zum wirtschaftlichen Aufbau in den 50er Jahren war die Sendung eine der ersten, die sich komplett auf die optimistische Wirtschaftswundererzählung konzentrierte und sie nicht nur als Teil einer breiteren Geschichte der 50er Jahre erzählte. Der im Stil nüchtern und sachlich vorgetragene Sprechertext, eingefügte Bildtafeln mit Zwischenüberschriften und Grafiken mit wirtschaftlichen Kennzahlen suggerierten eine dokumentarische Lesart, die »sachlich und klar«431 Fakten präsentiere. Die Bilder und die befragten Zeitzeugen boten dem Zuschauer die beabsichtigte identitäre Anbindung. Die Sendung nutzte alle etablierten Bildkanonisierungen, um die Grundaussagen zu bestätigen. Ausführlich werden Trümmerlandschaften der zerstörten deutschen Städte gezeigt, 432 (vgl. Abb. 141) die Währungsreform wird durch die bekannten WochenschauAusschnitte mit den langen Warteschlangen vor den Geldausgabestellen, der Aus428 Nur vier Zeitungen publizierten überhaupt Kritiken zur Sendung, darunter als einzige überregionale Zeitung die Süddeutsche Zeitung. 429 uro: »Erfolgsgeschichte«, in: Badische Zeitung, 23.12.1986. 430 DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER, 02:00. 431 Lübecker Nachrichten, 23.12.1986. 432 Nach der Titeleinblendung sind 3 Minuten lang zu Beginn ausschließlich Montagen von Trümmerlandschaften im Bild zu sehen.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 277

gabe des neuen Geldes und schließlich den vollen Schaufenstern visualisiert (vgl. Abb. 142). Dabei folgt der Kommentar ausschließlich den damaligen Bildsignaturen und die Bilder dienen als Belege des Kommentars. Besonders deutlich wird dies bei der Darstellung Ludwig Erhards. Der Kommentar betont die Erfolge der Erhardschen Sozialpolitik: »Die sozialpolitischen Maßnahmen der 50er Jahre sind beachtlich: Der wohlgenährte, Zigarren rauchende Erhard wird mit seiner sozialen Marktwirtschaft den Deutschen zur Symbolfigur ihres wirtschaftlichen Wiederaufstiegs, zum Vater des allseits bestaunten und zitierten Wirtschaftswunders.«433

Im Bild ist dazu der Wochenschaubericht zu fünf Jahren soziale Marktwirtschaft zu sehen, mit Erhard in seiner Selbstinszenierung mit Zigarre (vgl. Abb. 143), der Glückwünsche zum Erfolg seiner Politik entgegennimmt. Abb. 141-143: Bildikonen des wirtschaftlichen Aufstiegs: Trümmerlandschaften, volle Schaufenster, Erhard mit Zigarre

Quellen: Videostills aus DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER (ZDF 1986), 03:39, 24:29, 29:38.

Zeitzeugen kam in der Sendung die Funktion zu, durch ihre eigenen lebensweltlichen Erfahrungen das Wirtschaftswunder als Kern der nationalen Identitätsbildung zu bestätigen. Befragt wurden in der Mehrzahl die »Bundesrepublikaner«, die es »in wenigen Jahren […] aus der Trümmerwüste des verlorenen Krieges an die Spitze der Exportländer«434 geschafft hatten. Die eingeschnittenen Zeitzeugenaussagen bestätigten nicht nur durchgängig den Kommentartext, sondern betonten den Anteil jedes Einzelnen am wirtschaftlichen Wiederaufbau. Nur durch harte Arbeit und Fleiß sei das Wirtschaftswunder möglich gewesen: »Es gab nur ein Ziel: arbeiten, arbeiten und nochmal arbeiten.«435 Das Wirtschaftswunder existiere nur, da sich 433 DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER, 00:29. 434 ZDF Presse Programm, 52/86, S. 39. 435 38:34.

278 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

»ein großer Teil des Volkes das Wort praktisch hart verdienen [musste]«,436 argumentierte »Handwerker« Ernst Best (vgl. Abb. 145) und wurde dabei unterstützt von dem »Gewerkschafter« Gustav Nottbohm (vgl. Abb. 144), der bekräftigte, es sei kein Wunder »wenn Menschen Tag und Nacht [… ] arbeiten und sich schinden, um eine bessere Zukunft zu erreichen.«437 Abb. 144-145: Bauchbinden zur Kennzeichnung des ›Normalbürgers‹

Quelle: Videostills aus DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER (ZDF 1986), 31:04; 31:36 (Orig.i.F.).

Durch die Bestätigungen der sich erinnernden ›Normalbürger‹, die den entscheidenden Anteil am Wirtschaftswunder getragen hatten, wurde die Aufbauleistung als Kraftanstrengung einer solidarisch auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitenden Gesellschaft in den Mittelpunkt gestellt. Dies war zugleich die Kernaussage der gesamten Sendung, die im Fazit betonte, ein solcher Optimismus im Zeitgeist stünde auch den Zeitgenossen gut an. Wiederum orientierten sich die Macher von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) und SO FING ES AN (ZDF 1983) an den Dimensionen politikhistorischer Geschichtsdarstellungen: der Außen-, Deutschland- und Europapolitik, der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie der Innenpolitik. Die Darstellung des Aufbaus war dabei grundsätzlich an den Motiven einer Erfolgsgeschichtsschreibung orientiert, da die Deutung immer teleologisch aus der zeitgenössischen Gegenwart heraus angelegt war und hier die Entwicklung zu einer stabilen und krisenbewährten Demokratie betont wurde. Die 50er Jahre erschienen vor diesem Hintergrund als Jahrzehnt der Weichenstellungen in den einzelnen politikhistorischen Dimensionen der Erzählung. Neben den schon analysierten innenpolitischen Anfängen dienten vor allem die Außen- und Deutschlandpolitik in der zweiten Folge sowie die Wirtschafts- und

436 47:03. 437 48:12.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 279

Sozialpolitik und Europapolitik der dritten Folge der erfolgreichen Aufbaugeschichte. Tab. 7: Thematische Gliederung von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, FOLGE 2: STAAT AUF BEFEHL (ARD 1983)

1.

Intro und Rückblick

00:00-02:30

Innenpolitische Anfänge der Bundesrepublik

02:30-19:21

Parteigründungen; Parlamentarischer Rat; Bonn wird Hauptstadt; Bundestagswahl 1949; Regierungsbildung; Wahl des Bundespräsidenten; Kontrast: DDR-Gründung 2.

Familie Michel: Normalisierung des Alltags

19:21-27:09

Normalisierung und Stabilisierung des Wirtschaftslebens; Abschaffung der Lebensmittelkarten; Sexualmoral: Die Sünderin; Vermischtes aus der Wochenschau; Profitieren vom wirtschaftlichen Aufschwung; Rock’n’Roll 3.

Außen- und Deutschlandpolitik bis 1957

27:09-56:22

Personelle Konkurrenz: Adenauer gegen Schumacher; konsequente Westbindung als Entscheidung für die Teilung; Korea-Krieg und Wehrbeitrag; Stalin-Note; EVG-Vertrag 1953; enge Partnerschaft mit den USA; 17. Juni 1953; Bundestagswahl 1953; Pariser Verträge und NATO-Beitritt; Moskaureise 1955; Bundeswehr 1956; Bundestagswahl 1957: Adenauer auf dem Höhepunkt seiner Macht Abspann Quelle: eigene Zusammenstellung

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung der wirtschafts- und sozialpolitisch positiv gedeuteten Entwicklungen von den eher restaurativ gedeuteten gesellschaftlichen Entwicklungen in der dritten Folge mit Motiven wie dem Phänomen der ›Neureichen‹, das schon in den zeitkritischen Fernsehspielen der 1960er Jahre aufgegriffen worden war. Ein kabarettistischer Text aus dem ›Kom(m)ödchen‹ zum Phänomen der Neureichen relativiert hier den wirtschaftlichen Aufschwung und zeigt an, dass sich hiermit die sozialen Unterschiede vergrößert hätten. Tab. 8: Thematische Gliederung von ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, FOLGE 3: WIR SIND WIEDER WER (ARD 1983)

1.

Intro und Rückblick

00:00-02:20

Wirtschafts- und Sozialpolitik

02:30-18:44

VW Käfer als Symbol des Wirtschaftswunders; Entstehung der sozialen

280 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN Marktwirtschaft; Gewerkschaften; Sozialgesetzgebung 2.

Europapolitik und Saarabstimmung

18:44-23:03

Europabewegung; Schumanplan; Montanunion; Saarfrage 1952; Saarabstimmung 3.

Gesellschaft im Wirtschaftswunder

23:03-36:38

Wirtschaftswunder: wirtschaftlicher Aufschwung, »Neureiche«; WM 1954; Außenseiter; kultureller Niedergang in den 50ern 4.

Familie Michel: Konsumwellen

36:38-46:12

Neueinrichtung Wohnbereich; Vermischtes aus der Wochenschau; Fernseher wird geliefert; Tochter im Kino; Italienurlaub; Rock’n’Roll; Neuheit Supermarkt 5.

Europa- und Deutschlandpolitik

46:12-50:31

Gründung der EWG 1957; Fluchtbewegung aus DDR; HallsteinDoktrin 6.

Diskussionen um Stationierung von Atomwaffen

50:31-56:21

Pläne zur Stationierung von Atomwaffen; »Kampf dem Atomtod«Bewegung; Bundestagsdebatten; Scheitern der Initiierung einer Volksbefragung zum Thema Abspann Quelle: eigene Zusammenstellung

Warum die dominante Darstellung dennoch die des Wirtschaftswunders als Erfolgsgeschichte war, erklärt sich aus der strukturellen Zuordnung der inhaltlichen Aussagen zu den einzelnen Elementen der Sendung: Zwischen den beiden beschriebenen dokumentarischen Teilen, lagen die fiktionalen Spielelemente in Gestalt der ›Familie Michel‹, die stellvertretend für viele Bundesbürger die Geschichte der Bundesrepublik durchlebten sollte und in typischen Episoden den jeweiligen Alltag illustrierte. Auch hier bemühten sich die Macher, die vorhandenen identitären Anbindungsmöglichkeiten, die das Wirtschaftswunder bot, zu nutzen. Die Spielszenen in der semidokumentarischen Reihe sollten als »Trägerbalken« fungieren, »der die Prägnanz steigert und gleichzeitig Identifikationsangebote macht.«438 Auch die Presseinformationen zu den Einzelfolgen stellten die Spielhandlung in den Vordergrund. Der Alltag der Familie Michel wird insbesondere in den ersten Folgen von der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre bestimmt durch die wirtschaftlichen Entwicklungen. Während in der ersten Folge die Not der unmittelbaren Nachkriegsjahre im Fokus steht, haben sich die Verhältnisse in den folgenden Teilen stabilisiert. Vater Michel baut eine kleine Werkstatt auf, sodass in Folge 3 die Familie an der Einrichtungswelle partizipieren kann. So stellt auch hier die Grunderzählung 438 Heinz Werner Hübner, in: Deutsches Fernsehen Pressedienst 15/83, S. I/5.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 281

eine erfolgreiche Aufbaugeschichte dar. Die Parallelen zur Familie Baumann in WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) wurden von den Kritikern wohl u.a. deshalb gezogen, weil auch Vater Michel wieder den Typus des ehrlichen Unternehmers verkörpert, der aus kleinen Verhältnissen eine Existenz für sich und seine Familie aufbaut. Und ebenso gibt es eine Gegenfigur in Gestalt von Onkel Gustav, der versucht einen alternativen Weg zu ehrlicher Arbeit zu gehen, daran am Ende scheitert und bei Vater Michel Kredit nimmt. Abb. 146-148: Bildikone ›volle Schaufenster‹ und kritisches fiktionales Gegenbild

Quellen: Videostills aus ABENTEUER BUNDESREPUBLIK, TEIL 3:WIR SIND WIEDER WER? (ARD 1983), 08:54; 09:00; 09:04 (Abb. 146, 147: Orig.i.F.).

Auch wenn Manfred Delling im mangelnden Realismus der Spielszenen einen Versuch sah, die Konstruiertheit des ganzen Unternehmens offen zu legen,439 schnitten die Spielszenen bei den meisten Kritikern schlecht ab: Sie seien »dröge, platt, klischiert«440 und viel zu journalistisch-akademisch in ihrem Duktus, um Identifikation zu ermöglichen.441 Neben dieser identifikatorisch beabsichtigten Erfolgsgeschichte, griff auch der dokumentarische Teil den wirtschaftlichen Aufschwung auf. Deutlich versuchten die Macher hier allerdings eine Balance zu finden, das Wirtschaftswunder als identitären Anknüpfungspunkt zu verwenden und gleichzeitig keine unreflektierte Erfolgsgeschichte zu schreiben. Der kanonisierten Bildikone der vollen Schaufenster im Zuge der Währungsreform traten die Macher allerdings an dieser Stelle entgegen, indem kurz darauf eine Spielszene folgt, in der dieses Motiv verändert aufgegriffen wird. Hier schauen die Menschen nämlich verärgert über die Preissteigerungen in die vollen Schaufenster442 (vgl. Abb. 146-148). Durch diese visuelle Referenz übt die Sendung Kritik am Mythos der Währungsreform, indem sie zeigt, wie diese auch zu sozialen Problemen führte. Und 439 Manfred Delling: »Im Prinzip richtig«, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 1.5.1983. 440 Hans Bachmüller: »Schulfernsehen für alle?«, in: epd/Kirche und Rundfunk, Nr. 33, 30.4.1983, S. 13. 441 Rupert Neudeck: »Magenfreundliche Historie«, in: Vorwärts, 21.4.1983. 442 09:00.

282 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

auch die Bilder der Wochenschau, die das Wirtschaftswunder begleiteten und unterstützten, wurden in einer längeren Montage zuerst im O-Ton gezeigt und dann mit wirtschaftlichen Zahlen des Aufschwungs kommentiert. Die Restaurationsthese in der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Die Darstellung der 50er Jahre in den 1980er Jahren sollte vor dem Hintergrund der insbesondere im Fernsehspiel dominanten Restaurationsthese betrachtet werden. Die Erfolgsgeschichtsschreibung bedeutete gleichzeitig die Entscheidung gegen die Gesamtdeutung der 50er Jahre als Zeit der Restauration. Denn die Argumentation der Regisseure im Neuen Deutschen Film ging ebenfalls von der Gegenwart aus und sah vor dem Hintergrund der innenpolitischen Krisen und Bedrohungen durch den Terrorismus der RAF die westdeutsche Demokratie und Gesellschaft in einer Krise, die mit verursacht worden war durch den verpassten konsequenten Neubeginn auf Grundlage einer eingehenden Vergangenheitsbewältigung. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, sich anzusehen, wie sich ABENTEUER BUNDESREPUBLIK und SO FING ES AN zur Restaurationsthese verhielten. SO FING ES AN stellte die Frage nach »Restauration oder Neubeginn, vielleicht auch Restauration und Neubeginn?«443 an den Anfang der zweiten Folge zur Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte der frühen 50er Jahre. Im Pressetext bezog das ZDF deutlich Position, welcher geschichtspolitischen Deutungsalternative Vorzug zu geben sei: »Die Gründung der Bundesrepublik war der Versuch, ein rettendes Haus aus den Trümmern der deutschen Geschichte zu bauen. Man hat dieses Unternehmen später etwas zu pauschal und maulfertig als ›Restauration‹ abgetan. Dieses Urteil verkannte, daß nichts dringlicher war, als die Entschlossenheit: zu retten, was noch zu retten war.«444

Die Problematisierung der Frage konzentrierte sich auf die Themen Demontagen, Gewerkschaftsgründung, wirtschaftlicher Aufschwung und Beginn der Konsumgesellschaft, Ludwig Erhard und soziale Marktwirtschaft, die Integration der Vertriebenen und Wohnungsbau. Jedes der Themen wurde durch Archivbilder und einen Off-Kommentar eingeführt, dann kamen Zeitzeugen zu Wort. Schon in den Darstellungen betonte der Kommentar die Leistungen, die hier beim Wiederaufbau erbracht worden waren, die Zeitzeugen bestätigten und bekräftigten die Bedeutung der Ereignisse und Entscheidungen. Damit wurden die wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen, die die Deutschen in den Anfangsjahren getroffen hatten, als 443 So fing es an. Folge 2, 06:00. 444 ZDF Presse Programm 50/83, S. 47.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 283

retrospektiv richtig bewertet. So bezeichnete Herbert Hupka den Lastenausgleich als »eine der größten sozialen Leistungen in der Menschheitsgeschichte«445 und auch der Wohnungsbau war nach Meinung des Kommentars »eine der größten Leistungen der Bundesrepublik«.446 Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der frühen 50er Jahre wurde so als Aufbaugeschichte beschrieben, die die Grundlagen für die Wirtschaftswundergesellschaft bildete. Jedes einzelne dieser Themen diente entsprechend als Beleg für die modernisierende Dynamik der frühen 50er Jahre, und widerlegte damit gleichzeitig die These von einer breiten Tendenz zur Restauration. Zur Illustrierung griffen die Macher auf bekannte Bildsymbole zurück: Volle Schaufenster mit Wurstwaren und Torten, der ›essende Deutsche‹ im Bild und ausführliche Kameraschwenks über üppig angerichtete Festbuffets symbolisierten die Fresswelle, Modellwohnungen die Wohnwelle (vgl. Abb. 149). Das Feiermotiv wurde hier optimistisch im Sinne des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwungs gewertet (vgl. Abb. 150). Der Kommentar setzte die Bilder in den Kontext einer »ersten Etappe der Normalisierung«.447 Der Italienurlaub repräsentierte symbolisch die Reisewelle, mit Fotos vom Menschen beim Camping und von einem Kanal in Venedig. Im Hintergrund wurde zur assoziativen Unterstützung die Melodie von den »Capri-Fischern« eingespielt (vgl. Abb. 151). Den Stil der Sendung bezeichnete Ponkie in der Münchner Abendzeitung als »halb wehmütig nostalgischen, halb leistungsstolzes Sammel-Arrangement«.448 Auf die Argumente zur Modernisierung folgte nun ein längerer Abschnitt,449 in dem Merkmale der Restauration in der Gesellschaft der frühen 50er Jahre identifiziert wurden. Hier nutzten die Macher eine ähnliche Montagetechnik, wie sie in DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971), aber auch in DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989) verwendet worden war. Ein Wochenschauausschnitt zu einem Schützentreffen in Neuss zeigte das Abfeuern einer Kanone, das Gewehrschultern des »Schützenregiments« bevor »Schützenkönig Lutz von Neuss die Front seiner eisernen Garde« abschritt, wie der Sprecher kommentierte (vgl. Abb. 152). Die Assoziationen zum preußischen Militarismus und die traditionelle Kleidung der Teilnehmer standen in offenem Widerspruch zur vorher gezeigten Modernisierung der Nachkriegsgesellschaft.

445 So fing es an, Folge 2, 27:00. 446 So fing es an, Folge 2, 30:00. 447 So fing es an, Folge 2, 16:00. 448 Ponkie, in: Abendzeitung, 20.12.1983. 449 Er umfasste mit 19 der 59 Minuten ein Drittel der Sendezeit der zweiten Folge.

284 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Abb. 149-154: Bilder von Modernisierung und Restauration in SO FING ES AN (ZDF 1983)

Quelle: Videostills SO FING ES AN, TEIL 2: DIE DEUTSCHEN RICHTEN SICH EIN (ZDF 1983), 30:06-34:36.

Die vom Wochenschausprecher ausgegebene Parole, zum Schluss »Auf ein Neues in Neuss«, unterstrich die restaurative Deutung der Montage zusätzlich. Darauf folgte, weiterhin im O-Ton kommentiert, ein Bericht zur Wiedererrichtung des Deutschen Ecks in Koblenz (vgl. Abb. 153) und der Aufstellung einer Kompanie des Bundesgrenzschutzes, deren Uniformen und Helme an die Wehrmacht erinnerten (vgl. Abb. 154). Diese Bilder fungierten als Aufhänger zur Diskussion der Restaurationsthese durch vier Zeitzeugen: Während Walter Dirks seine Thesen zur Restauration wiederholte, stellte Sebastian Haffner klar, dass es politisch keine Restauration, sondern einen demokratischen Neuanfang gegeben habe, auch wenn dies in Teilen des Bürgertums durchaus anders gewesen sei. Eugen Gerstenmaier und Fritz René Allemann betonten das Bedürfnis nach Orientierungspunkten und Ruhe der meisten Deutschen, die zu einer Rückwendung zur Tradition geführt hatten.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 285

Abb. 155-157: Inszenierung von Kirchentagen als Signum der Restauration

Quellen: Videostills aus SO FING ES AN, TEIL 2:DIE DEUTSCHEN RICHTEN SICH EIN (ZDF 1983), 41:24-41:54.

Drei restaurative Tendenzen wurden identifiziert: Der große Einfluss der Kirchen mit ihrer patriarchalisch-autoritären Struktur, die versuchte, auch auf die Politik zu wirken. Die NS-Kontinuität des Beamtenstaats, die in den Fällen Globkes und Oberländers exemplifiziert wurde und zuletzt die Parteienverbote von SRP und KPD. Zur Illustrierung der These dienten hier Wochenschauberichte von den evangelischen und katholischen Kirchentagen, die von den Bildmontagen in ihrer pompösen Inszenierung und mit ihren Aufmärschen an die Reichsparteitage der NSDAP erinnerten. So bedienten sich die Autoren auch hier der Methodik des Umschreibens der Bildsignatur (vgl. Abb. 155-157). Gerade das Verbot der KPD wurde bei den Befürwortern der Restaurationsthese gerne als Beleg für restaurative Tendenzen in der Politik angeführt. In allen drei Fällen schnitten die Macher hinter die kompilatorisch gezeigten Themen Zeitzeugen, die das Verhalten der Zeitgenossen verständlicher machen sollten. So kam beim zeitgenössisch sensiblen Thema des KPD-Verbots ein Gewerkschaftsmitglied zu Wort, das in einem ungeschnittenen, dreiminütigen Ausschnitt die langsame Unterwanderung der Gewerkschaften durch die KPD darstellte und dabei zugleich die Angst vor dem Kommunismus verdeutlichte. Der Abschnitt endete mit der Aussage Allemanns, der seine These »Bonn ist nicht Weimar« bestätigte und Löwenthals Bekräftigung, die »innere Stabilität« der Bundesrepublik habe unter besseren Voraussetzungen gestanden, da die »große konservative Bewegung« dort »auf dem Boden der Demokratie« gestanden habe und die Kommunisten keine Rolle innerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung gespielt hätten. Auch wenn SO FING ES AN der Restaurationsthese viel Raum gewährte, ließen die Autoren den Zuschauern nur wenig Gelegenheit zur eigenen Deutung. Die Zeitzeugen bildeten stellvertretend die Meinung der Macher ab und dienten weniger der multiperspektivischen Öffnung der Themen. So präferierte SO FING ES AN deutlich die Deutung des Neuanfangs gegenüber der Restauration. Die restaurativen Elemente waren immer flankiert durch Zeitzeugenaussagen, die das Verhalten der Zeitgenossen verständlicher machen sollten, und insgesamt gerahmt von den Be-

286 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

schreibungen des Aufbaus und der retrospektiv zu beurteilenden Stabilität des westdeutschen Staates. Die Metapher des Neuanfangs wurde sogar noch semantisch unterstützt: Der Titel der dritten Folge »Adoptivkind des Westens«, ebenso wie die Charakterisierung in der Presseinformation, sich an die Jahre zu erinnern, »als die Deutschen wieder laufen lernten«, verwendeten Assoziationen des Aufwachsens, die den Neuanfang beschrieben. Diesem Assoziationsfeld folgten viele Kritiker, die in ihren Inhaltsbeschreibungen von den »Geburtswehen«450 oder den »Kinderjahren«451 der Bundesrepublik sprachen und damit dem Bild eines unvorbelasteten Neuanfangs folgten. Große Beachtung schenkten die geschichtspolitischen Dokumentationen der Darstellung des Wehrbeitrags und der Wiederbewaffnung. Sowohl ABENTEUER BUNDESREPUBLIK als auch SO FING ES AN gaben die Diskussionen um die Wiederbewaffnung ausführlich in ihrer zeitgenössischen Kontroversität wieder. Beide Themen standen zum einen im Fokus der Vertreter der Restaurationsthese und waren in vielen Fernsehspielen präsent. Zum anderen stellten sie im Kontext der Friedensbewegung und des NATO-Doppelbeschlusses hochaktuelle Anknüpfungspunkte der tagespolitischen Auseinandersetzungen dar. Ganz ins Zentrum rückte diese Verbindung zur Friedensbewegung beispielsweise die Dokumentation DER 5.5.55 (ARD 1985). Anlässlich des 30. Jahrestags der wiedergewonnenen außenpolitischen Souveränität parallelisierte die Sendung die Auseinandersetzungen um die Wiederbewaffnung der 50er Jahre mit der Friedensbewegung der 1980er: Dabei stellte sich nicht nur die Frage nach der Vergleichbarkeit der Protestbewegungen, sondern auch die nationale Frage. In den 50er Jahren lautete die Alternative »Wiedervereinigung durch Neutralität oder Wiederbewaffnung und Westbindung«: »Genau dreißig Jahre später ist diese Kontroverse mit ähnlicher Heftigkeit wieder aufgebrochen. Die Friedensbewegungen in beiden deutschen Staaten zum Beispiel entdecken eine gemeinsame nationale Identität. Raus aus der Block-Logik, Austritt aus der NATO, defensiv bewaffnete Neutralität heißen diesmal die Reizworte.«452

Das Thema ›Wiederbewaffnung in den 50er Jahren‹ wurde in den 1980er Jahren beständig vergegenwärtigt. Ursprünglich durch die 68er auf der Suche nach den Ursprüngen des eigenen Protests wiederentdeckt, war es Ende der 1970er Jahre bzw. Anfang der 1980er Jahre in vielen Fernsehspielen präsent, die die Restaurationsthese vertraten. Die Anknüpfungsmöglichkeiten, die sich aufgrund der Friedensbewegungen der 1980er Jahre ergaben, gepaart mit der nun schon erfolgten 450 K.V.: »Versöhnlich«, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 20.12.1983; Peter Steinbach: »Zu viel Politik vor der Gans?«, in: Nachtausgabe, Frankfurt, 20.12.1983. 451 Georg Schröder: »Ein Wagnis, das gelang«, in: Die Welt, 20.12.1983. 452 Programminformation Erstes Deutsches Fernsehen/ARD 19/85, S. II/6.

1977

BIS

1989 – P OLARISIERUNGEN

| 287

medialen Aufbereitung in den Fernsehspielen, verschafften dem Thema dann wiederum einen Platz in den großen Dokumentarreihen zur Bundesrepublikgeschichte, etabliert als Teil einer ›Protesttriade‹. Diese drei Protestphasen der Bundesrepublik zeigte dann die Sendung GLÜCKWUNSCH, BUNDESREPUBLIK (ARD 1989) in einer Montage schnell hintereinander geschnittener Bilder von Protesten der 1950er, von 1968 und aus den 1980er Jahren und festigte damit auch die Proteste zur Wiederbewaffnung im Geschichtsbild der bundesrepublikanischen Geschichte. 3.5 Zwischenfazit Im Vergleich zur Formierungsphase zeigt sich im non-fiktionalen Bereich eine immense Ausdifferenzierung der Sendungsformen und thematischen Bezüge zu den 50er Jahren. Die scheinbar einzige Kontinuität vollzog sich in den Geschichtsdokumentationen, die Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte erzählten, häufig im Rahmen einer Geschichte der Bundesrepublik. Dabei orientierten sie sich sehr deutlich an den geschichtspolitischen und geschichtswissenschaftlichen Diskursen der 1980er Jahre. Tendenziell überwogen die teilstaatlichen Deutungsangebote, wobei auch die Teilungsgeschichte im Fernsehen präsent blieb. Archivmaterial erster Wahl blieben die Bestände des Archivs der Deutschen Wochenschau, denn die Wochenschau repräsentierte die Perspektive der westdeutschen Teilnation und eignete sich daher unterstützend zur Herausbildung einer teilstaatlichen Identität. Aus dieser Perspektive wurde den 50er Jahren eine wichtige Rolle als Gründungs- und Aufbaujahrzehnt zugewiesen. Darüber hinaus entstanden Sendungsformen, die gezielt kultur- und alltagsgeschichtliche Themen aufgriffen. Hier waren deutliche Bezüge zu Entwicklungen in anderen Medien der populären Geschichtskultur erkennbar: Die geschichtsdokumentarischen Sendungen zur Kultur der 50er Jahre orientierten sich in ihren Geschichtsbildern stark an den meist einige Jahre früher entstandenen fiktionalen Fernsehspielen und Kinofilmen. Ihre audiovisuelle Montagestrategie verfolgte das Ziel, die offiziösen Wochenschauausschnitte wahlweise durch Zeitzeugen oder alternatives Archivbildmaterial zu konfrontieren oder mit dem Mittel der Ironie ihre eingeschriebenen Signaturen zu brechen. Hier wurden aber ebenfalls die Verbindungen zu einer entstehenden akademischen Forschung deutlich, die die Kultur der 50er Jahre als Thema aufgriff. Auch gab es deutliche Parallelen zur Entwicklung in der populären Geschichtskultur, wie die Form der Mosaiksendungen zeigte. Die Produktionen arbeiteten zum überwiegenden Teil mit der Verkettung von Erinnerungsanreizen. Wochenschaumontagen, Ausschnitte aus Kinofilmen und Fernsehsendungen, Zeitzeugenerfahrungen prominenter Moderatoren und die Thematisierung von Konsumgütern als Produkte und Gegenstände sollten Wiedererkennungseffekte beim Publikum erzie-

288 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

len. Gegenständlichkeit und Visualität rückten in den Fokus. Damit gab es deutliche Parallelen zur Darstellung in andern geschichtskulturellen Bereichen, wie den Bildbänden oder Ausstellungen. Eindeutige Deutungsangebote lieferten die Mosaiksendungen nicht, statt dessen bedienten sie häufig eklektisch verschiedene Deutungsmuster.

Schlussbetrachtung

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zu untersuchen, welche Geschichtsbilder der 50er Jahre in Geschichtssendungen des bundesrepublikanischen Fernsehens zwischen 1959 und 1989 vermittelt wurden und zugleich in mehrfacher Hinsicht einen Beitrag zur Geschichts- und Erinnerungskulturforschung leisten. Ausgangspunkt war dabei die Annahme, dass das Fernsehen sich als audiovisuelles Leitmedien der deutschen Gesellschaft seit den 1960er Jahren durch eine kontinuierliche Beobachtung und Prägung der Geschichtskultur der 50er Jahre auszeichnete. Die durch das Fernsehen vermittelten Geschichtsbilder und ihre Entwicklung innerhalb des Untersuchungszeitraums waren wie sich gezeigt hat, von verschiedenen fernsehspezifischen Faktoren geprägt: Erstens konnte kontinuierlich ein Historisierungsprozess der 50er Jahre verfolgt werden. Der Wandel der 50er Jahre Deutungen von Gegenwarts- zu Geschichtsbildern war geprägt von Kontinuitäten und Brüchen – sowohl bei den Inhalten, als auch bei den gattungsästhetischen Konfigurationen. Zweitens konnten die im Fernsehen geprägten und präsentierten Geschichtsbilder identifiziert und in ihrer zeitlichen Veränderung dargestellt werden. Dabei konnten wichtige bisher unbearbeitete Quellenbestände erschlossen werden und auch für eine Programmgeschichte des Fernsehens aufgearbeitet werden. Dabei beeinflussten die Rahmenbedingungen des Fernsehens die Selektion und den Deutungsrahmen in entscheidendem Maße. Drittens prägte die fernsehspezifische Programmstruktur der Gattungen und Genres in erheblichem Maße die Inhalte und damit die produzierten Geschichtsbilder mit. Die grundsätzliche Einteilung der Redaktionen in fiktional und nonfiktional führte zu jeweils unterschiedlichen Orientierungen an geschichtskulturellen Diskursen. Zudem entstanden die Fernseh-Geschichtsbilder immer in engem Bezug zu Entwicklungen in der zeitgenössischen Geschichtskultur: Hier griff das Fernsehen allgemeine Trends auf. Viertens bot das Fernsehen eine kontinuierliche Kanonisierung audiovisueller Geschichtsbilder der 50er Jahre durch beständige Vergegenwärtigung, Reprodukti-

290 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

on und Auseinandersetzung. Das audiovisuelle Archivbildmaterial prägte dabei die Geschichtsbilder in hohem Maße mit. Abhängig von den Deutungskonjunkturen und Stiltraditionen bildeten sich so immer wieder verschiedene kanonisierte Bildensembles heraus, die den Geschichtsbildbegriff ›50er Jahre‹ immer wieder neu akzentuierten. Von Selbstbildern zu Geschichtsbildern – von Zeitgenossen zu Zeitzeugen Der Historisierungsprozess der 50er Jahre konnte anhand der Sendungen im Zusammenspiel mit den Fernsehkritiken herausgearbeitet werden. Das die 50er Jahre Geschichte wurden, konnte in den sich verändernden Formen – und hier insbesondere im non-fiktionalen Bereich – aufgezeigt werden. Die Sendungsformen passten sich den veränderten Rezeptionsbedingungen der 50er Jahren sowie dem geschichtskulturellen Umgang an. In den Presseinformationen sowie den Fernsehkritiken reflektierten und verhandelten die Akteure, inwieweit das Gesehene schon Geschichte war oder noch nicht. In Hinblick auf die analysierten Fernsehsendungen können zwei Phasen identifiziert werden, in denen sich die Rezeption der 50er Jahre hin zu einer historischen Betrachtung entwickelte: Eine erste Phase zeitgenössischer Betrachtung der 50er Jahre reichte von Beginn der 1960er Jahre bis Mitte der 1970er Jahre. Der Tod Konrad Adenauers 1967 und das zwanzigjährige Gründungsjubiläum der Bundesrepublik im Jahr 1969 bildeten Einschnitte für die 50er Jahre Deutungen, die sich katalytisch auf die Historisierung der Epoche auswirkten. Darauf folgte eine Karenzzeit, d.h. eine Phase der Formierungen und parallelen Betrachtungen der 50er Jahre zwischen Geschichte und Gegenwart, die bis etwa 1975/76 anhielt. Ab 1977 setzte eine zweite Phase ein, die im Zeichen der geschichtskulturellen Konjunktur stand und eine allmähliche Historisierung mit sich brachte. Diese war geprägt durch generationelle und geschichtspolitische Deutungen. Die Phasenübergänge lassen sich deutlich in den Quellen ablesen: Auffällig waren hier vor allem die gattungsästhetischen Entwicklungen sowohl in den fiktionalen wie non-fiktionalen Sendungen. Die Sendungen zum Gründungsjubiläum von 1969 – WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN (ZDF 1969) und REPUBLIK AUF ABRUF (ARD 1969) – waren noch aus der Perspektive des tagesjournalistischen Geschäfts entstanden. Die Journalisten der Sendungen waren kritische Beobachter aus der Regierungszeit Adenauers, die nun journalistische Bilanzen zogen, oder sie arbeiteten in den politischen Tagesredaktionen. Die Machart der Sendungen war angelehnt an politische Magazinberichte. Mit den mehrteiligen Dokumentationen DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) und DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974), aber auch mit den Sendungen zum 100. Geburtstag Konrad Adenauers von 1976 traten Elemente historischer Betrachtung dazu: Eine historische Periodisierung, die Zu-

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 291

sammenarbeit mit Historikern und die deutende und reflektierende Verwendung des historischen Archivbildmaterials setzte ein. Aber Thilo Koch und Karlheinz Janßen, Autoren der Sendereihen DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND und DIE ZWEITE REPUBLIK, waren noch immer journalistisch geprägt, tauchten als Presenter meinungsstark im Bild auf. Koch wurde dabei von der Kritik als sozialliberaler Kommentator wahrgenommen. Der vielleicht auffälligste Punkt ist aber das Fehlen von Zeitzeugen in diesen frühen Dokumentationssendungen im Vergleich zu ihrem massiven Auftreten in den Sendungen ab 1980. Die Vermittlungsinstanz des Zeitzeugen wurde bis dato nicht benötigt. Die 50er Jahre lagen noch nicht lang genug zurück, um Zeitzeugen als emotionale Überbrücker der zeitlichen Distanz erscheinen zu lassen. Auch die ADENAUER-Sendung mit langen Gesprächsausschnitten mit ihm stellte ja die Erweiterung seiner Memoiren dar und passte daher genau in den Modus des zeitgenössischen Bilanzierens. Das Auftreten der Zeitzeugen charakterisiert daher die dritte Phase. DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981) und SO FING ES AN (ARD 1983) stellten die einzelnen Zeitzeugen schon prominent in den Vordergrund und auch bei Sendereihen wie DIE EIGENE GESCHICHTE (N3 1978-1987), KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE (N3 1985/1986), RÜCK-SICHTEN (ARD 1986-1989) und bei Sendungen der ZDF Redaktion Zeitgeschichte wie DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER (ZDF 1986) bildeten Zeitzeugen ein bestimmendes gattungsästhetisches Gestaltungsmerkmal. In den Kritiken wandelte sich in der zweiten Phase das Vokabular: Viele Kritiker verwendeten nun den Nostalgiebegriff, um Sendungen zu verreißen oder lobten umgekehrt die originalgetreue Rekonstruktion der Zeitatmosphäre. Zudem fragten sie danach, ob die vorliegende Sendung geeignet sei, Geschichtswissen an die Nachgeborenen zu vermitteln. Zwischen der zeitgenössischen Gegenwart und den 50er Jahren hatte sich eine Distanz herausgebildet, die sich auch in einer neuen Qualität des Kritikerdiskurses zeigte: Er spiegelte eine veränderte Wahrnehmung der 50er Jahre im Zuge der geschichtskulturellen Konjunktur seit Mitte der 1970er Jahre wider. Diese Entwicklung der Historisierung fand in den non-fiktionalen und parallel in den fiktionalen Formen statt. Ein Schlüsselbeispiel hierfür ist die Literaturverfilmung von Bölls HAUS OHNE HÜTER (ZDF 1975). Bölls Zeitkritik konnte nur noch über eine vermittelnde historische Instanz nachvollzogen werden – so die Meinung vieler Zeitgenossen. Die Mise-en-scène unterschied sich zudem deutlich von den vorherigen Fernsehspielen. Die Kleidung der Figuren und die Kulissen waren nun mit Zeitmarkern versehen. Hier sollte eine detailgetreue Rekonstruktion der 50er Jahre gestaltet werden. Vergleicht man die Mise-en-scène mit dem nur sechs Jahre früher entstandenen Fernsehspiel REBELLION DER VERLORENEN (ARD 1969), der nur wenige Zeitmarker zielgerichtet im Sinne einer zeitkritischen Betrachtung verwendet hatte, zeigten sich hier deutliche Unterschiede.

292 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

In den folgenden Jahren setzten die Koproduktionen von Kino und Fernsehen zunehmend auf die historisierende Wahrnehmung der Mise-en-scène: Fassbinder verwendete in DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978) und LOLA (BRD 1981) die Überstilisierung der Zeitmarker als Element des Melodramas. Hier entstand im Fernsehspiel über die Mise-en-scène ein Authentizitätsdiskurs, der ausgehend vom Boom der ›fifties‹ vor allem im US-amerikanischen Kino seit Anfang der 1970er Jahre verschiedene Filmästhetiken für die Darstellung der 50er Jahre entwickelte. Die Kritiken diskutierten dabei die Authentizität des Gesehenen im Fernsehspiel in Rückgriff auf eigene Erinnerungen. Die Kulissen bildeten hier zum Teil unaufgeregte Gegenbilder zu dem als oberflächlich und überstilisiert empfundenen amerikanischen nostalgia films. Sie zeigten nicht nur statisch die zeitgenössische Designgeschichte vom Nierentisch zur Tulpenlampe, sondern auch den Alltag in der Durchmischung von Stilen verschiedener Epochen. Die Authentizitätsvorstellungen orientierten sich hier an individuellen Erinnerungen oder privaten Fotografien. Interessanterweise rückte im non-fiktionalen Diskurs das Element der Typenauthentizität dagegen deutlicher in den Vordergrund. Während Überzeichnungen der historischen Kulissen in den Fernsehspielen als nostalgisch verklärend wahrgenommen wurden, galten sie in non-fiktionalen Genres als typisch für die 50er Jahre. Dies hatte vor allem mit dem vorhandenen Archivbildmaterial zu tun. Wochenschauen und Werbefilme zeigten hier eben die zeitgenössisch als aktuell und modern empfundene Inneneinrichtung. Die Designgeschichtsschreibung folgte seit Mitte der 1970er Jahren dieser Logik, das jeweils Neue und Innovative für die jeweiligen Epochen zu kanonisieren und so zu typischen Elementen der 50er Jahre zu erheben. Eine historische Betrachtung scheint erst ein Abstand von etwa zwanzig bis dreißig Jahren ermöglicht zu haben, wobei weitere Momente hinzukamen: Die Phase der einsetzenden Historisierung der 50er Jahre zwischen 1969 und 1975/76 fällt zusammen mit der Stagnation der wirtschaftlichen Boomphase, die ereignishaft mit den Ölkrisen von 1973 symbolisiert wurde. Damit ging eine deutliche Zäsurerfahrung der Zeitgenossen einher, die die 50er Jahre nun als ›Zeit davor‹ betrachten konnten. Die ungeheure Dynamik hinsichtlich gesellschaftlicher Liberalisierungsprozesse nahmen viele Zeitgenossen der 1980er Jahre im retrospektiven Vergleich zu den 50er Jahren deutlicher wahr und konnten die Epochenzäsuren – vor allem auch in gesellschafts- und mentalitätsgeschichtlicher Hinsicht –benennen. Zur Konturierung der Unterschiede trug der Einfluss der Kriegskinder- und 68er-Generation wesentlich bei. Diese attackierten in Berufung auf ihre eigenen Erfahrungen und Kindheitserinnerungen die als verklärend und schönfärbend abgewerteten Geschichtsbilder der Vorgängergeneration. Dabei blickten sie in doppelter Perspektive aus der zeitgenössischen Gegenwart und über die Zeit der Studentenbewegung hinweg auf die 50er Jahre. Die Geschichtssendungen boten in dieser Phase einen Raum zur Selbstvergewisserung generationeller Erfahrungen, das zei-

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 293

gen die Äußerungen der zur Generation der 68er und Kriegskinder zählenden Filmemacher. Die häufigen Kritikerverweise auf die Stimmigkeit des Zeitklimas, der Atmosphäre der 50er Jahre waren Signale, die die Verständigung mit anderen Protagonisten derselben Generation darstellten. Die Authentizität des Gesehenen wurde in Abstimmung mit eigenen Erinnerungen abgesteckt. Nostalgie wurde zum Negativbegriff, der das im Nachhinein Verklärte, Geschönte und Oberflächliche bezeichnete und eben keine auf eigene Erfahrung basierende Authentizität beschrieb. Dabei zeigte die Rhetorik der Kritiken eine gewisse Sprachlosigkeit in der genauen Benennung des beim Zuschauen Erlebten: Überdeutlich wurde dies bei den Mosaiksendungen. Hier ergingen sich auch die Kritiker in einer Aufzählung einzelner fragmentarischer Sendeausschnitte, nur um am Ende auf die gelungene Herstellung der Zeitatmosphäre zu verweisen. Was das Übergeordnete, das Verbindende und das über die audiovisuellen Ausschnitte hinausgehende ausmachte, konnten sie aber nicht verbalisieren oder analytisch auf den Punkt bringen. Dieser erfahrungsauthentische Diskurs betraf hauptsächlich Fernsehspiele sowie die Mosaiksendungen und Sendungen zur Kultur- und Alltagsgeschichte der 50er Jahre. Hier wurde die Deutungen der 68er Generation zum Teil so hegemonial, dass es bei den meisten Kritikern klare Vorstellungen davon gab, auf welche Art und Weise ein Thema nur aufgriffen und gedeutet werden konnte. RÜCK-SICHTEN. SORAYA (ARD 1987) machte diesen Sachverhalt deutlich. Die Sendung wurde von vielen Kritikern verrissen, da sie eben nur ein einfaches Porträt der Kaiserin zeigte und der Autor sie nicht mit kritischen Fragen zur Selbstentlarvung zwang. Solche neuralgische Themen machten umgekehrt auch einen klaren Kanon von Themen und Ereignissen sichtbar, der unbedingt in die 50er Jahre hineingehörte: Wiederbewaffnung, prüde Vorstellungen von Sexualität, Konsum- und Medienkritik, Verdrängung des Nationalsozialismus und Kulturpessismismus. Auf der Bildebene zeigte sich das Bemühen, die eigenen Erinnerungen in Bilder umzusetzen: schwarz/weiß, detailreiche Kulissen, die zu bunte, zu poppige Innendesigns der 50er Jahre vermieden. Themen der 50er Jahre, die mentalitätsgeschichtlich, kulturgeschichtlich oder alltagsgeschichtlich geprägt waren – sei es in weiten Teilen des Fernsehspiels oder in den entsprechend aufkommenden Sendeformen im non-fiktionalen Bereich – waren in den 1980er Jahren noch stark durch die Restaurationsthese geprägt: Dies hing, wie dargelegt, mit einer gewissen Schieflage zusammen: Die akademische Historisierung der 50er Jahre war in den 1980er Jahre in Hinblick auf die politikgeschichtliche Perspektive weit vorangeschritten: Die geschichtspolitischen Deutungen der 50er Jahre orientierten sich in der Formierungsphase an den Leistungserfolgen des Wirtschaftswunders und seit den 1980er Jahren vor allem an der auf die Bundesrepublikanisierung ausgedehnten Erzählung der erzählten Stabilität der parlamentarisch-demokratischen Institutionen und Traditionen. Eine Sozial- und Kul-

294 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

turgeschichte der 50er Jahre befand sich noch in den Anfängen. So entstanden starke Deutungsunterschiede zwischen ›affirmativen‹ non-fiktionalen und kritischen, der Restaurationsthese verhafteten fiktionalen Genres. Von der Zeitkritik zur Restauration, von der Teilungsgeschichte zum Gründungsjahrzehnt Die Analyse der Fernsehgeschichtsbilder bestätigt in weiten Teilen die Grundtendenzen der Erinnerungskulturforschung bezüglich des Einflusses von Medien auf geschichts- und erinnerungskulturelle Prozesse. Das Fernsehen stand während des gesamten Untersuchungszeitraums in enger Interaktion mit den Entwicklungen, Trends und Konjunkturen der westdeutschen Geschichtskultur und ihren weiteren Medien und Institutionen. Gleichzeitig prägte es die Geschichtsbilder der 50er Jahre wesentlich mit, indem es sie in audiovisueller Form in eine breite Öffentlichkeit transportierte. Die institutionellen Strukturen innerhalb der Rundfunkanstalten bildeten ein wesentliches Einflussmerkmal bei der Produktion von Geschichtsbildern im westdeutschen Fernsehen. Die im Programm und in der Organisationsstruktur angelegte Unterscheidung von fiktionalen und non-fiktionalen Genres prägte in signifikantem Maße die Inhalte der präsentierten Geschichtsdeutungen vor. Die Redaktionen in den fiktionalen Bereichen – vor allem die Fernsehspielredaktionen – spezialisierten sich auf die Beobachtung gesellschaftlicher und kultureller Diskurse. Die Fernsehspielredaktionen griffen tendenziell eher Themen, Diskussionen und Geschichtsbilder aus den künstlerischen Diskursen auf und orientierten sich an Entwicklungen im Kinofilm und Literatur. Dies verstärkte sich noch durch das Film-Fernseh-Abkommen von 1974: Die Regisseure des Neuen Deutschen Films griffen hier die 50er Jahre als Thema auf, gleichzeitig kamen die Filmemacherinnen und Filmemacher der Fernsehspiele insbesondere in der Hochphase des Neuen Deutschen Films zwischen 1975 und 1983 aus dessen Umfeld (z.B. Jutta Brückner) oder orientierten sich stark an ihm (z.B. Michael Haneke). HAUS OHNE HÜTER (ZDF 1975) und DAS TREIBHAUS (BFS3/HR3/West3/N3 1989) knüpften als Literaturverfilmungen an die literarischen zeitgenössischen Deutungen der 50er Jahre an. FÜR'N GROSCHEN BRAUSE (ZDF 1983) oder DIE WILDEN FÜNFZIGER (ZDF 1986) griffen auf literarische Vorlagen der 50er Jahre aus der zeitgenössischen Gegenwart zurück. Hier zeigten sich intermediale Verschränkungen zwischen Literatur, Kino und Fernsehspiel. Die Redaktionen im non-fiktionalen Bereich, die Geschichtsdokumentationen produzierten, orientierten sich dagegen tendenziell an den journalistischen Diskursen, also primär an politik- und wirtschaftlichen Themen. Die frühen Dokumentationen zu 50er Jahre Themen stellten journalistische Bilanzierungen dar, so WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? (ZDF 1969) und DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCH-

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 295

(ARD 1971), aber auch die Adenauer-Sendungen von 1976 waren geprägt vom journalistischen Stil. Von Beginn an deutlich wurde zudem auch die Intention, den nationalen geschichtspolitischen Diskurs über größere Produktionen zur bundesrepublikanischen Geschichte mitzuprägen. Die Produktionen zu den Jahrestagen der Gründung der Bundesrepublik von 1969, 1974 und 1979 sowie später vor allem zum groß begangenen Jubiläum von 1989 orientierten sich nicht nur sehr stark an den geschichtspolitischen Deutungsangeboten dieser Jahre. In den Äußerungen der Programmmacher, den vorgegebenen Leserichtungen der Programminformationen sowie den Fernsehkritiken wurde die Erwartungshaltung deutlich, nationale Deutungen der bundesrepublikanischen Geschichte aufzugreifen und mitzuprägen. Aber auch jenseits des Jahrestagsprogramms zeigte ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983), wie sehr sich das Fernsehen hier selbst als Vermittler einer nationalen Identität verstand. Redakteur und Autor Harbecke sowie Programmdirektor Hübner sparten im Vorfeld nicht mit Hinweisen darauf, dass die Basiserzählung des geschichtspolitischen Diskurses durch das Fernsehen mitgeprägt werden sollte. Den identitätsstiftenden und selbstvergewissernden Charakter seiner Sendungen betonte auch Guido Knopp seit der Gründung der Redaktion Zeitgeschichte im ZDF von 1984 immer wieder. Innerhalb der non-fiktionalen Redaktionen zeigte sich ebenso eine Ausdifferenzierung der Genres, die im Zuge eines erhöhten Programmbedarfs seit den 1970er Jahren zustande kam. Die zeitgeschichtlichen Dokumentationen zu den 50er Jahren wurden bis in die 1970er Jahre hinein – nahezu deckungsgleich mit dem Ende der Formierungsphase – fast ausschließlich in den tagesaktuellen Abteilungen der den Rundfunkanstalten angegliederten Redaktionen wie beispielsweise Innenpolitik produziert. Mit der Entstehung von Zeitgeschichtsredaktionen bzw. dem Aufgreifen von zeitgeschichtlichen Themen in den Abteilungsbereichen für Kultur oder Weiterbildung fand eine Orientierung an breiteren Diskursen statt. Alltags- und kulturgeschichtliche Themen wurden vor allem in Redaktionen des Bereichs Kultur und Gesellschaft aufgenommen. Gerade die Redaktion Weiterbildung I des NDR, die die Reihen DIE EIGENE GESCHICHTE sowie KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE produzierte, griffen, im Gegensatz zu den ›klassischen‹ politikgeschichtlichen Dokumentationen, Themen auf, die quer bzw. entgegengesetzt zu affirmativ-identitären Deutungen lagen. Dies zeigte sich insbesondere im Vergleich mit der Sendung VON DEN TRÜMMERJAHREN ZUR POSTMODERNE (ZDF 1989), die zwar ebenfalls die Kulturgeschichte der Bundesrepublik in den Vordergrund rückte, diese allerdings in Richtung der affirmativ-identitären Erfolgsgeschichtsschreibung deutete. Die Ausrichtung der Redaktionen hing wesentlich auch von den Sendeplätzen ab, die sie bedienen sollten. Die Redaktion Weiterbildung I war hierbei relativ frei von Quoten- und Themendruck: Die Sendereihe DIE EIGENE GESCHICHTE lief im Dritten Programm der Nordkette, die affirmativ-identitäre Sendung VON DEN TRÜMMERJAHREN ZUR POSTMODERNE auf einem Abendsendeplatz im ZDF. Auch diese RahLAND

296 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

menbedingungen prägten damit, wie gezeigt werden konnte, die jeweiligen Geschichtsbilder. Die institutionelle Ausdifferenzierung bildete zugleich die Grundlage für den zweiten wichtigen strukturellen Einflussfaktor bei der Entwicklung und Prägung von Geschichtsbildern durch das Fernsehen. Weniger die Orientierung an geschichtskulturellen und gesellschaftlichen Diskursen, als vielmehr die Berücksichtigung von genrespezifischen Traditionen wirkten sich auf Kanonisierungsprozesse der Geschichtsbilder der 50er Jahre aus. Die Programmgenres und -formen des Fernsehens bildeten die ›Spurrillen‹, in denen sich bestimmte Geschichtsdeutungen entwickelten. Zusammen mit den übrigen fernsehinstitutionellen Gegebenheiten und geschichtskulturellen Entwicklungen lässt sich hieran die Formation von Geschichtsbildern verfolgen: Die Spurrillen der non-fiktionalen Genres reichten von zeitgenössischen Bilanzierungen über die historischen Dokumentationen und Jubiläumssendungen bis hin zu den großen Dokumentationsreihen der 1980er Jahre im Kontext einer Bundesrepublikanisierung. Dabei konnten zwei Kerne ausgemacht werden: Das Wirtschaftswunder und das auf den ersten Kanzler fokussierte Bild der Ära Adenauer. Das in den ersten Bilanzierungen der Dekade idealtypisch beschriebene Bild der ›Goldenen Fünfziger‹ fokussierte auf die wirtschaftliche Wiederaufbauleistung der Westdeutschen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Den positiven Kern des 50er Jahre Bildes hatten schon die zeitgenössischen Wochenschauen geliefert. Aufgrund der engen, nicht zuletzt finanziellen Verbindungen mit der Regierungspolitik und der Aufgabe diese nach außen hin zu repräsentieren, stellten die Wochenschaumacher die positiven Aspekte der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik heraus: Hierzu gehörte vor allem eine positive Konnotation der Regierungspolitik der Ära Adenauer in ihrer Verbindung von Westintegration, Souveränität und wirtschaftlichem Erfolg. Berichte von Industriemessen stellten die wirtschaftlichen Leistungen dar, Berichte von Möbelmessen und Erfolge des Wohnungsbaus sollten die eigene Bevölkerung für den Konsum begeistern. Die Fokussierung auf den wirtschaftlichen Erfolg der 50er Jahre, die Verbesserung der Lebensbedingungen, blieb auch während der Formierungsphase bestimmendes Element des affirmativen Geschichtsbildes. In der Phase des boomenden Wirtschaftswunders der 1960er Jahre, das sich in Vollbeschäftigung und einem spürbar gestiegenen Lebensstandard niederschlug, überwog die Faszination an dieser Erfolgsgeschichte, gleichzeitig zeigte sich durch die als ähnlich empfundenen Zeitumstände noch keine historische Distanz zu den 1950er Jahren. Die 50er Jahre waren als Begriff noch gar nicht etabliert, der des Wirtschaftswunders war aber quasi schon omnipräsent zur Charakterisierung der Nachkriegszeit. Das zunehmend kritische Bild Konrad Adenauers in dessen letzten Regierungsjahren wich recht schnell nach dem Regierungsabtritt Adenauers einem überaus populären und positiven Bild der ›Ära Adenauer‹. Das Fernsehen schloss sich diesem

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 297

Bild uneingeschränkt an: Sowohl die staatstragende Programminszenierung zum Tod Adenauers 1967 wie auch die Sendungen zu seinem 100. Geburtstag im Jahr 1976 zeichneten ein unkritisch-positives Bild. Dabei verband sich hier, wie auch in DIE ZWEITE REPUBLIK (ZDF 1974), die Person Adenauers mit der gesamten Epoche der 50er Jahre. Die Verdienste, die Adenauer zugeschrieben wurden, betrafen vor allem seine außenpolitische Bilanz der Westintegration und damit einhergehend die schnelle Wiedererlangung der staatlichen Souveränität. In den Sendungen zur Geschichte der Bundesrepublik seit den 1980er Jahren spielten die 50er Jahre dagegen als Gründungsjahrzehnt der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle. Die schon vorher in ihrer wirtschaftspolitischen Variante präsente Erzählung vom deutschen Wirtschaftswunder wurde vor allem im Zuge der geschichtspolitischen Renaissance unter Helmut Kohl zur bestimmenden identitätsstiftenden Ressource eines bundesrepublikanischen Geschichtsbilds. Die historische Dokumentation DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER: VON TRÜMMERN ZU REKORDEN (ZDF 1986) bot hier die passenden identitären Anknüpfungspunkte und wurde mit über zehn Millionen Zuschauern ein Quotenerfolg. Archetypische Aufstiegsgeschichten im Wirtschaftswunder prägten die fiktionalen Elemente in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983) oder WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979), die sich hier an früheren fiktionalen Genres, wie z.B. DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE (ARD 1969), orientierten. Als neues Element trat die Deutung der 50er Jahre als Zeit des politischen Aufbaus hinzu: Die Begründung und Entwicklung stabiler demokratischer Institutionen konnte knapp vierzig Jahre danach als identitätsstiftendes Moment der bundesrepublikanischen Geschichtskultur fungieren. Hier spiegelten sich die Diskussionen um die identitären Anknüpfungspunkte in der deutschen Nachkriegsgeschichte wider, wie sie im geschichtspolitischen Diskurs unter dem Begriff des Verfassungspatriotismus geführt worden waren. So widmeten sich ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983), SO FING ES AN (ZDF 1983) und SO ENTSTAND DIE BUNDESREPUBLIK (ZDF 1989) ausführlich bzw. sogar ausschließlich der Konstruktion und Etablierung der politischen Demokratie in den ersten Nachkriegsjahren. Das groß begangene Jubiläum von 1989 setzte den Fokus dann auch wieder auf die konstitutionellen Ereignisse, den Tag der Verabschiedung des Grundgesetzes und die Wahl des Bundeskanzlers im September 1949. Es war so insgesamt die Verbindung der stabilisierenden Elemente, die identitätsstiftend wirkte: Das Wirtschaftswunder und die deutsche Demokratie. Die Bundesrepublikanisierung des Geschichtsbildes und die damit einhergehende Dominanz der Teilstaatsgeschichte führten allerdings nicht zu einer Ablösung des nationalstaatlich geprägten Bildes der deutsch-deutschen Teilungsgeschichte. Vielmehr entstanden diese Sendungen parallel zum sich entwickelnden bundesrepublikanischen Geschichtsbild. Ursprünglich als Gegenentwurf und Kritik an der adenauerschen Politik der Westintegration artikuliert, war sie seit der Formierungs-

298 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

phase eng mit den Kritikern der Ära Adenauer verbunden. Sendungen zur deutschen Teilung stellten einen wichtigen Aspekt der deutsch-deutschen Programmgeschichte dar, wie Matthias Steinle gezeigt hat.1 Die Deutungen und Bilanzierungen zur Teilungsgeschichte ließen dabei eine wachsende Distanz und Historisierung der deutschen Frage erkennen: War diese in WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? (ZDF 1969) noch die Geschichte der verpassten Chancen, die von Allemann vor dem Stacheldraht stehend in aller realistischen Härte die Konsequenzen der Westintegration verdeutlichte, so ließ DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND (ZDF 1980/1981) die ›Entweder-Oder‹-Frage nach Westbindung oder Wiedervereinigung bewusst offen, in anderen Dokumentationen wurde sie weniger im nationalen als im europäischen Kontext einer europäischen Integration behandelt. Noch in den 50er Jahren entstanden Gegenbilder zu Wirtschaftswunder und Ära Adenauer. Der von Walter Dirks und Eugen Kogon aufgebrachte Begriff von der Restauration umspannte dabei schon alle Aspekte von der mangelnden politischen Reformbereitschaft bis hin zu gesellschaftlicher Restauration alter Werte und Moralvorstellungen im Zuge von politischer Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung. Zeitkritische Kinofilme, wie DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958), oder Fernsehspiele, wie ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER (ARD 1963) und REBELLION DER VERLORENEN (ARD 1969), prägten schon früh kritische Bilder der Wirtschaftswundergesellschaft. Doppelmoral, Verdrängung und Egoismus waren hier Schlagworte, die die Veränderungen der deutschen Gesellschaft und Mentalität durch die Fokussierung auf den materiellen Aspekt des wirtschaftlichen Aufschwungs kennzeichnete. Die Figuren der Fernsehspiele orientierten sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten, sie thematisierten Neureiche oder skrupellose Geschäftsmänner als Negativfolien der Verderbung des Charakters im Zuge des Wirtschaftswunders. Mit Ausnahme von Thilo Kochs Sendung DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND (ARD 1971) war die Restaurationsthese ausschließlich in den fiktionalen Formen präsent. Die Sendungen fragten auch weniger nach den Fehlern, die in der Nachkriegszeit beim Wiederaufbau gemacht worden waren, sondern stellten, häufig in satirischer Überzeichnung, Eigenartigkeiten der zeitgenössischen Gesellschaft dar, um darüber Zeitkritik zu üben. Die Restaurationsthese entwickelte sich seit Mitte der 1970er Jahre zu einem Zeitgefühl vor allem der 68er Generation, aber auch der eher linken Kritiker unter den 45ern. Aus der spezifischen Verbindung von eigenen artikulierten Erinnerungen und deren Politisierung bzw. politischen Deutungen entstanden sehr kritische Perspektiven auf die 50er Jahre. Das sich so konturierende Geschichtsbild der Restauration war geprägt von der veränderten Perspektive der 68er als Kinder und Jugendliche der 50er Jahre, die nun auf ihre Kindheit zurückblickten und nach gemeinsamen generationellen Erfahrungen mit Mitgliedern der gleichen Alterskohor1

Vgl. Steinle: Feindbild.

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 299

ten suchten. Diese wurden zuerst im Fernsehspiel artikuliert. Die Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehspiel sind daher von dieser generationellen Perspektive geprägt. Die 50er Jahre waren hier eine triste, eine graue Zeit, die von gesellschaftlicher Stagnation, Autoritäten und Rückständigkeit geprägt war. Dies bildete damit auch auf der visuellen Ebene einen Gegensatz zur bunten Welt des Wirtschaftswunders. War die Restaurationsthese in den 1950er bis 1970er Jahren vor allem punktuell auf einzelne Aspekte der Wirtschaftswundergesellschaft angewendet worden, so wurde sie nun quasi omnipräsent: Vom verpassten Neuanfang, der Reformunwilligkeit der alten Eliten, der engen Moral- und Wertevorstellungen der Gesellschaft, der Verdrängung von Problemen und dem eisernen Konsumwillen, der zu einer fehlenden zwischenmenschlichen Wärme beitrug bis hin zur Wiederherstellung alter politischer Verhältnisse mit ihren autoritären Strukturen waren nahezu alle Bereiche der 50er Jahre restaurativ zu deuten. Die Restaurationsthese entwickelte eine ungeheure Prägekraft auch für andere Genres und Gattungen, die weit über den Neuen Deutschen Film und das Fernsehspiel hinausgingen: Die gesellschaftlichen Motive der Restauration besetzten an dieser Stelle das Feld der 50er Jahre Deutungen: Die seit den 1980er Jahre verstärkt in den Blick genommenen kultur- und alltagsgeschichtlichen Themen über die 50er Jahre konnten quasi nur restaurative Deutungen anbieten. Themen, die in das Ensemble gesellschaftskritischer und medienkritischer restaurativer Deutungen passten, sollten erwartungsgemäß auch so gedeutet werden. Ansonsten wurden viele Sendungen von der Kritik verrissen, wie man am Beispiel der RÜCK-SICHTEN-Sendung zur Soraya sehen konnte. Abbild und Gegenbild. Der Umgang mit Archivbildern Die Entwicklung der Geschichtsbilder der 50er Jahre stand immer in Interaktion mit dem vorhandenen Bildmaterial aus der Referenzepoche. Dabei prägte insbesondere das Wochenschaumaterial die Bilder von den 50er Jahren. Auffällig ist hierbei, wie stark die Deutungsangebote der Wochenschauen die Geschichtsbilder des Wirtschaftswunders und der Erfolgsgeschichte der 50er Jahre prägten. Viele ursprüngliche Signaturen des Archivbildmaterials wurden hier einfach übernommen: Die Industriemessen und die Bilder vom Wohnungsbau signalisierten die Erfolge und das Vorankommen im Wirtschaftswunder. Die Lesarten und Inszenierungen der Wochenschau, Adenauer als lenkenden Staatsmann zu zeigen, der Westdeutschland selbstbewusst gegenüber den Alliierten vertrat, reproduzierten die dokumentarischen Adenauer-Sendungen seit den 1970er Jahren. Abweichende Deutungen mussten immer mit einer neuen Rahmung und Kontextualisierung einhergehen. Diese Möglichkeiten nutzten die Vertreter der Restaurationsthese in non-fiktionalen wie fiktionalen Produktionen. Bei Thilo Koch war Adenauer im Ordensmantel ein Signum für die restaurative Rückbesinnung, ein Element das auch in SO FING ES AN

300 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

(ZDF 1983) ganz ähnlich eingesetzt wurde, um hier anhand einer Schützenfestprozession die militaristischen Faszinationen Anfang der 50er Jahre aufzuzeigen. Jutta Brückner verfremdete die Wochenschaubilder in ihren Montagen in HUNGERJAHRE (ZDF 1980), um die ursprünglichen Signaturen nicht mehr durchscheinen zu lassen oder eben zu entlarven. Und in KALTE HEIMAT (ARD 1981) verband Schäfer dokumentarisches Material mit fiktionalen Szenen, um die Versprechen Adenauers als hohle Phrasen zu entlarven. Je nach Deutung konnten so dieselben Ausschnitte komplett unterschiedlich verwendet werden. Allgemein gab es seit Ende der 1970er Jahre auch ein verstärktes Interesse an Archivbildmaterial aus den 50er Jahren. Festzustellen war dies zum einen an einer Ausdifferenzierung der Verwendungsmöglichkeiten von Archivbildern, andererseits an einer durchgängigen Diskussion des Einsatzes von Archivbildmaterial in der Rezeption durch die Kritiker. Eine Vielzahl von Sendereihen zeigte nun Archivbildmaterial aus den 50er Jahren quasi als Selbstzweck. Wochenschau-Rückblicke in serieller Form wurden populär im Programmangebot: DAMALS (ZDF 1984-2000) als eine der erfolgreichsten und langlebigsten Sendungen ist dabei genauso zu nennen wie der auf RTL ausgestrahlte BLICK IN DIE WELT (RTLplus ab 1984). Damit einher ging, dass das Fernsehen sich und seine Geschichte entdeckte. Unterhaltsame Programmrückblicke wurden z.B. in SCHLEIFCHEN DRUM (SW3 1981-1983) und seiner Fortsetzung FRÜHE FERNSEHJAHRE (ARD 1988) gezeigt. Kinofilme wurden ausschnittsweise in DAS KLEINE KINO UM DIE ECKE (ARD 1980-1987) präsentiert. Diese mediale historische Selbstthematisierung stand im Zusammenhang mit einem gestiegenen historischen Bewusstsein des Fernsehens und der Neuorganisation der eigenen Sendungsarchive. Dessen Ausschnitte fanden nun wiederum in solchen medialen Rückblick-Sendungen Verwendung und erweiterten signifikant den Bildfundus im Fernsehen. Zu dieser gestiegenen Bedeutung von audiovisuellem Archivbildmaterial für die 50er Jahre Geschichtskultur zählte auch die Verwendung längerer, unkommentiert belassener Ausschnitte aus Wochenschauen, beispielsweise in ABENTEUER BUNDESREPUBLIK (ARD 1983). Jenseits ihrer Bildinhalte transportierten all diese Ausschnitte für die Zeitzeugen der 50er Jahre, die auch in den 1980er Jahren noch einen Großteil der Bevölkerung ausmachten, das Zeitkolorit. Sie dienten, so konnte es an vielen Kritiken gezeigt werden, der Evozierung von Erinnerungen. Dass eine Vielzahl aneinander gereihter einzelner Bildausschnitte zusammen ein stimmiges, authentisch erscheinendes Gesamtbild im Deutungssinne des Zuschauers ergeben konnte, zeigte die Popularität der Mosaiksendungen im Fernsehen. Sie setzten auf die assoziativen Effekte von medialen cues insbesondere durch die enthaltenden materiellen Artefakte der 50er Jahre – JAHRE UNSERES LEBENS (ZDF 1982) und WAS WÄREN WIR OHNE UNS (ARD 1979) bestanden zu großen Teilen aus solchen Erinnerungsanreizen, die den Kindern und Erwachsenen der 50er Jahre ihre eigenen Erinnerungen an die Zeit zurück ins Gedächtnis bringen sollten.

S CHLUSSBETRACHTUNG

| 301

Die Diskussion über den Einsatz von Archivbildmaterial begleitete die Geschichtssendungen quasi von Beginn an. Seitdem diskutierten die Kritiker ausgiebig über die Auswahl der Bilder, das Zusammenspiel mit den Kommentartexten und die Bildmontage. Je nach Genre wurden dabei sehr unterschiedliche Anforderungen an den Bildeinsatz gestellt: Bei den Mosaiksendungen reichten die Bilder als Erinnerungsanreize für die Zeitgenossen, die dabei gewesen waren, sie sollten primär eine Zeitatmosphäre schaffen, das Erinnern erleichtern. Insbesondere die großen historischen Dokumentationsreihen sollten dagegen dem Anspruch genügen, Archivbilder soweit zu kontextualisieren, dass auch die Jüngeren, die eben die Zeit der 50er Jahre noch nicht aktiv erlebt hatten, diese einordnen konnten. Hier stellten die ›Dabeigewesenen‹ hohe Anforderungen an den Bildeinsatz, der Suggestivkraft der Bilder wurde hier in starkem Maße misstraut, die historische Distanz zwischen den Wochenschaubildern und der zeitgenössischen Gegenwart immer deutlich hervorgehoben. Diesen Ansprüchen konnten die Sendungen jedoch häufig nicht genügen.

Anhang

V ERZEICHNIS DER DEUTSCHSPRACHIGEN F ERNSEH K INOPRODUKTIONEN ÜBER DIE 50 ER J AHRE

UND

R: Regie, B: Drehbuch, P: Produktion, Red: Redaktion (zuständiger Redakteur), ESD: Erstsendedatum, KP: Kinopremiere, SB: Sehbeteiligung, bezogen auf Zuschauer ab 14 Jahren, HH: Haushaltsquote, ZS: Zuschauer Die Sendungsübersicht beinhaltet alle als Quellen analysierten Fernseh- und Kinoproduktionen über die 50er Jahre. Alle übrigen im Text genannten Fernseh- und Kinoproduktionen finden sich in einem gesonderten Anhang. Alle Angaben enthalten mindestens Titel, Jahr der Erstausstrahlung und ausstrahlenden Sender. Im Falle der im Text ausführlich analysierten Sendungen wurden die Angaben ergänzt durch weitere Informationen. Die Inhaltsangaben entstanden auf Basis des Pressematerials der Sendeanstalten sowie eigenen Zusammenfassungen. Die Zeitangaben beziehen sich wahlweise exakt auf die Angaben in FESAD oder geben die Länge laut Programminformationen wieder. Bei mehrteiligen Produktionen mit in sich unabgeschlossenen Einzelteilen erfolgt die Angabe zur Gesamtproduktion mit Inhaltsangabe und Auflistung der Einzelfolgen. Bei der Auflistung werden gemeinsame Angaben nicht wiederholt. Bei mehrteiligen Produktion mit in sich abgeschlossenen Einzelfolgen erfolgen die Angaben zu den Einzelfolgen. Optional sofern verfügbar wurden zudem die Quotenangaben beigefügt. 10 JAHRE NACH DEM SAARSTATUT. EINE DOKUMENTATION VON ANTON M. KEIM UND CONRAD DAWO; R: Conrad Dawo, B: Anton M. Keim, P: SR, 45', ESD: 24.10.1965, 17:30, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1919-1965 mit Fokus auf 1955 Inhalt: Zum 10. Jahrestag der Ablehnung des Saarstatuts am 23. Oktober 1955 rekapituliert die Sendung die Bedeutung zur Regelung der Saarfrage. Darüber

304 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

hinaus werden die Geschichte des Saargebiets ab 1919 und deren zeitgenössische Rolle für die deutsch-französische Verständigung geschildert. 30 JAHRE D-MARK. MIT DER WÄHRUNGSREFORM VOM 20. JUNI 1948 BEGANN DIE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT; R: Adolf Althen/Gerhard Fuchs/Gabor Wagner/Rudolf Mühlfenzl, P: BR (Red. Wirtschaft: Rudolf Mühlfrenzl), 28'12'', ESD: 19.06.1978, 21:15, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1945-1948, D 30 JAHRE SÜDFUNK FERNSEHEN: DOKUMENTARFILM UND POTPOURRI UND INTERVIEW MIT BAUSCH; P: SDR, ESD: 5.11.1984, SW3 Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1954-1984, BRD 40 JAHRE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. JUBILÄUMSGEDANKEN UND GEBURTSTAGSERINNERUNGEN; R+B: Henric Wuermeling, P: BR, 90', ESD: 23.05.1989, 21:00, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1949-1989, BRD ABENTEUER BUNDESREPUBLIK. DIE GESCHICHTE UNSERES STAATES; 10 Teile, R: Stefan Bartmann, B: Ulrich Harbecke, P: WDR, jeweils ca. 60', ESD: 10.4.1983-6.6.1983, ARD Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation mit fiktionalen Elementen; Zeit/Ort: 1945-1983, BRD, teilweise DDR Inhalt: Groß angelegtes Projekt, eine Geschichte der Bundesrepublik zu schreiben. Chronologisch angelegt behandeln die Folgen 2 und 3 die 50er Jahre. Der Stil der Reihe ist gekennzeichnet durch eine Reihe von Verfremdungseffekten im historischen Erzählfluss und Bildmaterial sowie die eingestreuten Spielszenen der fiktiven ›Familie Michel‹. Die acht chronologischen Folgen wurden durch eine Auftaktshow im Museum Koenig in Bonn und eine Abschlusssendung ergänzt. Teile: AUFTAKTSENDUNG (ESD: 10.04.1983, 21:05, HH: 22 %, SB: 7,18 Mio.) 1. BESATZER UND BESETZTE (ESD: 11.04.1983,20:15, HH: 31 %, SB: 10,02 Mio.) 2. STAAT AUF BEFEHL (ESD: 18.04.1983, 20:15, HH: 25 %, SB: 7,34 Mio.) 3. WIR SIND WIEDER WER? (ESD: 25.04.1983, 20:15, HH: 23 %, SB: 7,16 Mio.) 4. WENDEPUNKTE (ESD: 02.05.1983, 20:45, HH: 21 %, SB: 6,17 Mio.) 5. GROSSE KOALITION (ESD: 09.05.1983, 20:15, HH: 17 %, SB: 5,04 Mio.) 6. ENTSPANNUNG? (ESD: 16.05.1983, 20:15, HH: 16 %, SB: 4,59 Mio.) 7. MEHR DEMOKRATIE? (ESD: 30.05.1983, 20.15, HH: 16 %, SB: 4,87 Mio.) 8. ZUR LAGE DER NATION (ESD: 06.06.1983, 20:15, HH: 12 %, SB: 3,61 Mio.) ABSCHLUSSENDUNG (ESD: 17.07.1983, 16:55) ADENAUER. EINE FERNSEH-BIOGRAPHIE IN SIEBEN TEILEN, 7 Teile, P: NDR, Red. Weiterbildung I: Rainer Hagen/Karl-Ernst Moring, je 45', ESD: 20:15, N3 Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1976-1967

A NHANG

| 305

Inhalt: Umfassende »Fernseh-Biographie« des ersten Kanzlers der Bundesrepublik in tendenziell restaurativer Gesamtinterpretation. Teile: KARRIERE IM KAISERREICH (R+B: Rainer Hagen/G. A. Anders, ESD: 31.01.1987) DER KÖNIG VON KÖLN (R+B: Rainer Hagen/G. A. Anders, ESD: 07.02.1987) ÜBERLEBEN IM DRITTEN REICH (R+B: Rainer Hagen/G. A. Anders, ESD: 14.02.1987) »ICH WILL KANZLER WERDEN!« (1945-1949) (R+B: Karl-Ernst Mohring/Georg Armin, ESD: 21.02.1987) »MEIN GOTT, WAS SOLL AUS DEUTSCHLAND WERDEN« (1949-1955) (R+B: KarlErnst Mohring/Georg Armin, ESD: 29.02.1987) »KEINE EXPERIMENTE!« (1955-1961), (R+B: Karl-Ernst Mohring/Georg Armin, ESD: 07.03.1987) »ICH GEHE NICHT LEICHTEN HERZENS« (1961-1967), (R+B: Karl-Ernst Mohring/Georg Armin, ESD: 14.03.1987) ›AUGEN GERADEAUS!‹. DAMALS – VOR DREISSIG JAHREN: SO ENTSTAND DIE BUNDESWEHR; R: Guido Knopp/Ekkehard Kuhn/Ralf Piechowiak, 30', ESD: 10.11.1985, 21:30, ZDF Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1949-1956 BESTANDSAUFNAHME: DIE DEUTSCHLANDFRAGE. ZWEIMAL DEUTSCHLAND – FÜR IMMER?; P: SWF, 90', ESD: 23.05.1969, 20:15, ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1945-1969 BRAUSEPULVER – GESCHICHTEN AUS DEN FÜNFZIGER JAHREN. 5 FOLGEN; P: ZDF (HR Kinder, Jugend und Familie/Kinder und Jugend: Alice Ammermann); Objectiv Film, Hamburg (Katharina M. Trebitsch); Filmstudio Barrandov, Prag, jeweils ca. 45' + 10' Kinderreportage, ESD: ZDF Form: Fiktionale Kinderserie, in sich abgeschlossene Einzelfolgen; Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD/DDR Folgen: 1. DIE MINE (R: Arend Agthe, B: Bärbel Maiwurm, 55'09'', ESD: 25.11.1989, 16:00) Inhalt: An einem See finden zwei Jungen eine Miene und versuchen, sie in die Luft zu jagen. Nach der Explosion glauben sie, einen Mann getötet zu haben. Als dieser noch lebt, erzählt er ihnen seine Geschichte. Er kämpft als ehemaliger Soldat mit seinem Kriegstrauma. 2. DIE FLIEGERJACKE (R: Arend Agthe, B: Klaus Kordon, 49'16'', ESD: 02.12.1989, 16:05, SB: 1,45 Mio. ZS ab 3 Jahren) Inhalt: Dieter aus West- und Addi aus Ost-Berlin versuchen, Geld zu verdienen, indem sie für eine Schrotthändler altes Eisen stapeln. Dieter spart auf eine Lederjacke, Addi will die fehlenden Teile für ein Fahrrad zusammenbekommen.

306 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Die Freundschaft droht zu zerbrechen, als Dieter mehr von dem Geld behält, als ihm zusteht. 3. BERTA UND DIE STÜRMER (R: Thomas Draeger, B: Jo Pestum, 54'27'', ESD: 09.12.1989, 16:00, SB: 2,34 Mio. ZS ab 3 Jahren) Inhalt: Berta sieht mit zu kurz geschnittenen Haaren aus wie ein Junge und gefällt sich in der Rolle. Sie schließt sich einer Jungen-Fußballmannschaft an, die versucht Geld, für einen echten Lederball zusammen zu bekommen. 4. ROSALINDS ELEFANT (R: Thomas Draeger, B: Rudolf Herfurtner, 53'58'', ESD: 23.12.1989, 15:45, SB: 2,07 Mio. ZS ab 3 Jahren) Inhalt: Flüchtlingsfamilie Berger ist auf dem Dachboden einquartiert und lebt mit den alltäglichen Problemen Anfang der 50er Jahre. Tochter Edel freundet sich mit dem Zirkusmädchen Rosalind an und lernt dadurch, ihr Außenseiterschicksal zu akzeptieren. 5. DER HEIMKEHRER (R: Arend Agthe, B: Miriam Pressler/Arend, Baum, Hans Agthe, 54'36'', ESD: 30.12.1989, 16:00, SB: 3,43 Mio. ZS ab 3 Jahren) Inhalt: Probleme der Familie Malzer, nachdem Mann und Vater erst 1950 aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrt und die neue Rolle seiner Frau nicht akzeptieren kann. Zu den Kindern findet er ebenfalls kein neues Verhältnis, so dass die Familie daran zerbricht. DAMALS. VOR DREISSIG JAHREN. DIE BUNDESREPUBLIK WIRD SOUVERÄN; R+B: Guido Knopp/Ekkehard Kuhn/Ralf Piechowiak, ca. 30', P: ZDF (Red. Zeitgeschichte), ESD: 22.05.1985, 22:05, ZDF Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1949-1955 DAMALS. VOR DREISSIG JAHREN. DIE HEIMKEHR DER ZEHNTAUSEND; R+B: Guido Knopp/Ekkehard Kuhn/Ralf Piechowiak, 30', P: ZDF (Red. Zeitgeschichte), ESD: 09.10.1985, 22.05, ZDF Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1955, BRD Inhalt: Erzählt die Geschichte der Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion im Jahr 1955 nach. DAS DEUTSCHE NACHKRIEGSWUNDER. LEID UND LEISTUNG DER VERTRIEBENEN; R: Ekkehard Kuhn, B: Ekkehard Kuhn, P: ZDF (Red. Zeitgeschichte: Guido Knopp), 58', ESD: 03.11.1985, 21:35, ZDF (HH: 11 %, SB: 3,88 Mio.) Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 50er Jahre und 1985, BRD und Polen Inhalt: Untersucht das über dem Wirtschaftswunder gern vergessene »Nachkriegswunder« der Eingliederung von 10 Millionen Vertriebenen nach Kriegsende. Neben einem historischen Kompilationsteil begleitet Kuhn eine Gruppe ehemaliger Vertriebener beim Besuch ihrer alten Heimat in Polen. DAS DEUTSCHE WIRTSCHAFTSWUNDER. AUS TRÜMMERN ZU REKORDEN; R+B: Ekkehard Kuhn, P: ZDF (Red. Zeitgeschichte: Guido Knopp), ESD: 21.12.1986, 22:00, ZDF (HH: 26 %, SB: 9,86 Mio.) Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 50er und 60er Jahre, BRD

A NHANG

| 307

Inhalt: Thema ist das »deutsche Wirtschaftswunder« als einmalige Entwicklung von den Trümmern der Nachkriegszeit zu den Produktions- und Exportrekorden der 50er Jahre, erzählt als beispiellose deutsche Erfolgsgeschichte. Neben historischem Filmmaterial kommen vor allem Zeitzeugen aus Wirtschaft und Politik sowie ›Normalbürger‹ zu Wort. DAS GLÜCK LÄUFT HINTERHER; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: NDR, 88', ESD: 03.12.1963, 21:00, ARD (SB: 59%) Form: Fernsehspiel; Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD Inhalt: Kriminalspiel um eine gestohlene krokodillederne Handtasche mit tausend Mark Inhalt, die die Schicksale eines Dutzend Menschen verbindet, nachdem der vermeintlich beobachtete Amateurdieb sie in einen parkenden Wagen wirft, dessen ahnungslose Besitzer samt Diebesgut abfahren. DAS KLEINE KINO AN DER ECKE. EINE HEITERE UND BESINNLICHE ERINNERUNG AN FILME DER 50ER JAHRE; R: Peter Vigg, B: Hans Scheibner/Axel Poppe, P: NDR (Unterhaltung: Peter Vigg), 60' pro Folge, ESD: 1980-1987, ARD Form: Geschichtsdokumentationsreihe, Mosaiksendung; Zeit/Ort: 1945-70er, BRD Inhalt: Jeweils in der Rolle eines Filmvorführers zeigen u.a. Klaus Havenstein und Ralf Wolter Ausschnitte aus populären Filmen der 50er Jahre, erzählen über die Zeit und laden prominente Gäste aus der Zeit ein, etwa Gerd Fröbe, Siegfried Lowitz und Roberto Blanco. Folgen: 1. 1945-1948 (ESD: 03.07.1980, 21:30) 2. 1949-1951 (ESD: 11.02.1982, 21:00, HH: 27 %, SB: 8,32 Mio.) 3. 1952/53 (ESD: 22.05.1983, 19:00) 4. 1945/55 (ESD: 06.10.1983, 21:00, HH: 19 %, SB: 5,56 Mio.) 5. 1956 (ESD: 16.08.1984, 21:00) 6. 1957 (ESD: 03.01.1985, 21:00) 7. 1958 (ESD: 14.09.1985, 15:45, HH: 7 %, SB: 1,95 Mio.) 8. 1959 (ESD: 16.08.1986, 15:30, HH: 6 %, SB: 1,43 Mio.) DAS MILLIONENDING; 2 Teile, R: Helmuth Ashley, B: Maria Matray/Answald Krüger, ESD: 31.12.1966, ZDF Form: Dokumentarspiel; Zeit/Ort: 1951, Ostberlin Inhalt: Dokumentarkrimi über einen 1951 in Ostberlin verübten Einbruch bei der Eisenbahnverkehrskasse. Die Handlung schildert den Raub, die Flucht und die Aufklärung durch die Polizei. Teile: 1. ESD: 30.12.1966, 20:00 (SB: 52 %) 2. ESD: 31.12.1966, 20:15 (SB: 26 %) DAS TREIBHAUS; R: Peter Goedel, B: Peter Goedel (Vorlage: Wolfgang Koeppen), P: WDR (Federführung)/BR/HR/NDR/SWF/P. Goedel Filmprod./cult film tv, 99', ESD: 23.09.1989, 21:10, BR3, HR3, West3, N3

308 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Form: Literaturverfilmung, Fernsehspiel mit dokumentarischen Elementen; Zeit/Ort: 1952, Bonn Inhalt: Sieben Jahre nach Kriegsende steht die BRD kurz vor dem Beitritt in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Der Abgeordnete Keetenheuve, Emigrant, Intellektueller und Moralist, reist nach Bonn, um bei der Abstimmung im Bundestag gegen die deutsche Wiederbewaffnung zu stimmen. DER 05.05.1955. DIE BUNDESREPUBLIK NACH 30 JAHREN NATO-BÜNDNIS; R: Peter Staisch/Harald Prokosch, P: NDR (Red. Ludwig Schubert), 45', ESD: 06.05.1985, 21:15, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 5. Mai 1955/1980er Jahre, BRD Inhalt: Zum 30. Jahrestag des NATO-Beitritts der BRD zeichnet die Sendung den kontrovers diskutierten Weg Deutschlands über die Wiederbewaffnung zur Wiedererlangung der Souveränität nach und parallelisiert sie mit den Auseinandersetzungen zum NATO-Doppelbeschluss in den 1980er Jahren. DER FALL ROHRBACH; 3 Teile, R: Robert A. Stemmle, B: Robert A. Stemmle, 3x90', ESD: 08.05.1963, 09.05.1963, 10.05.1963, ZDF Form: Dokumentarspiel; Zeit/Ort: 1957-1961, BRD Inhalt: Maria Rohrbach, am 13. April 1957 unter dem Verdacht festgenommen, ihren Ehemann ermordet zu haben, wird in einem Indizienprozess zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. In einer Wiederaufnahme des Verfahrens wird sie vier Jahre später frei gesprochen. DER KLASSENAUFSATZ; R: Harald Benesch, B: Harald Benesch/Erwin Wickert, P: SWF (HA Fernsehspiel und Musik), 70'15'', ESD: 01.12.1963, 20:25, ARD Form: Fernsehspiel; Zeit/Ort: 1930-1960, BRD Inhalt: Ein Aufsatz einer Unterstufenschulklasse zum Thema, wie man sich sein Leben vorstellt, dient als Ausgangspunkt, um Träume und Realität über einen Zeitraum von knapp 30 Jahren gegeneinander zu stellen. DER TAG, AN DEM ELVIS NACH BREMERHAVEN KAM; R: Peter F. Bringmann, B: Horst Königstein, P: WDR (Alexander Wesemann)/Tura-Film, 103', ESD: 11.04.1979, 20:15, ARD (HH: 33 %) Form: Fernsehspiel; Zeit/Ort: 1958, Bremerhaven Inhalt: Der 17jährige Dekorateurlehrling Karl-Heinz Teschner, unglücklich verliebt in die Gleichaltrige Monika Keller, erwartet sehnsüchtig die Stationierung von Elvis Presley als GI in Bremerhaven. Diese verpasst er zuletzt, als sich zwischen ihm und Monika doch noch eine Liebesgeschichte anbahnt. DER WEG IN DIE TEILUNG. EIN DOKUMENTARBERICHT VON GOLO MANN; R+B: Golo Mann, P: BR, 45', ESD: 22.09.1964, 20:25, BFS3 Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: Nachkriegszeit und 50er Jahre, BRD Inhalt: Golo Mann schildert die zeitgeschichtlichen Ursprünge und weltpolitischen Gründe der deutschen Nachkriegspolitik, die in die Teilung Deutschlands und zu deren Erhalt geführt haben. Eröffnete das Studienprogramm des BR.

A NHANG

| 309

DEUTSCHLAND – DEUTSCHLAND. ERINNERUNGEN AN DIE GESCHICHTE EINER GETEILTEN NATION. DOKUMENTATION IN 4 TEILEN; R: Lutz Becker, B: Heinz Hemming/Manfred Rexin, P: ZDF (Red.: Ruprecht Eser)/Cinecentrum Hamburg (Frank Eser), 4x45', ZDF Form: Geschichtsdokumentation (1-3), Gesprächssendung (4); Zeit/Ort: 194570er Jahre, BRD/DDR Inhalt: Chronologisch zeichnet die Sendung die Geschichte der Deutschlandpolitik beider deutscher Staaten nach. In jedem Teil stehen zwei Zeitzeugen im Fokus, die die jeweiligen Seiten repräsentieren sollten. Daneben werden vor allem Wochenschaubilder verwendet. Der vierte Teil war als Gesprächssendung konzipiert, in der Historiker und Zeitzeugen Bilanz zur Deutschlandpolitik zogen. Teile: 1. DIE TEILUNG (ESD: 28.12.1980, 19:30 Uhr, HH: 15 %) 2. ABGRENZUNG (ESD: 4.1.1981, 19:30 Uhr, HH: 16 %) 3. KLEINE SCHRITTE (ESD: 11.1.1981, 19:30 Uhr, HH: 12 %) 4. EINE NATION? (ESD: 13.1.1981, 19:30 Uhr, HH: 8 %) DEUTSCHLAND NACH DEM KRIEGE; 3 Teile, R: Peter Otto, B: Thilo Koch, P: NDR (Red.: Willy Lüdemann), 3x60', ESD: 22.01.1968-29.01.1968, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1945-1949, Deutschland DEUTSCHE TAGE. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN, MUSIK UND FILMEN; P: BR (Red. Politik und Zeitgeschichte), jeweils 90', 1984-1988, 20:15, BFS3 Form: Show vor Studiopublikum, Mosaiksendung; Zeit/Ort: Ein Jahr pro Folge, BRD Inhalt: Samstagabendshow, moderiert von Günther Jauch. Herausgegriffen wurde immer ein historisches Jahr. Anhand von medialen Schlagzeilen und Wochenschauberichten führte Jauch Gespräche mit Zeitzeugen, die einen Bezug zur Schlagzeile hatten. Weitere Elemente waren Musik- und Kabarettnummern, die immer einen historischen Bezug zum Thema der Sendung hatten. Teile: 1. DEUTSCHE TAGE 1949. GRÜNDERZEIT 1949. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN UND FILMEN (R: Joachim Mock, B: Rüdiger Mörsdorf, ESD: 30.06.1984). 2. DEUTSCHE TAGE 1951. DER AUFBRUCH NACH EUROPA. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN, MUSIK UND FILMEN (R: Rüdiger Mörsdorf, B: Rüdiger Mörsdorf, ESD: 14.09.1985). 3. DEUTSCHE TAGE 1953. EIN JAHR DER ENTSCHEIDUNG. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN, MUSIK UND FILMEN (R: Joachim Mock, B: Rüdiger Mörsdorf, ESD: 17.06.1986).

310 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

4. DEUTSCHE TAGE 1955. DAS JAHR, ALS WIR SOUVERÄN WURDEN. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN, MUSIK UND FILMEN (R: Joachim Mock, B: Rüdiger Mörsdorf/Rudolf Sporrer, ESD: 11.10.1986). 5. DEUTSCHE TAGE 1957. DIE SEHNSUCHT DER DEUTSCHEN. ZEITGESCHICHTLICHE REVUE MIT GESPRÄCHEN, MUSIK UND FILMEN (R: Joachim Mock, ESD: 19.09.1987). 6. »DIE 68ER«. DEUTSCHE TAGE 1968 (R: Joachim Mock, B: Rüdiger Mörsdorf/Rudolf Sporrer, ESD: 22.10.1988). DIE 2. REPUBLIK. 30 JAHRE BUNDESREPUBLIK; R: Istvan Bury, B: Christian Herrendörfer/Hans Wilhelm Vahlefeld/E. Weisenfeld/Carl Heinz Ibe, P: NDR (Red.: Ludwig Schubert), 86'43'', ESD: 17.05.1979, 20:15, ARD Form: Geschichtsdokumentation im Stil einer Magazinsendung; Zeit/Ort: 19491979, BRD DIE CHRONIK DER FAMILIE NÄGELE, 8 Teile, R: Bruno Voges, B: Fritz Eckhardt, P: SDR (Red. Fernsehspiel und Spielfilm: Werner Sommer), 8x60', 21:00, ARD Form: Mehrteiliges Fernsehspiel; Zeit/Ort: 1900-1960, Stuttgart und Umgebung Inhalt: Erzählt die Geschichte der Familie des Schneidermeisters Hans Nägele von 1900 bis 1960, durch alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen hindurch. Folgen: 1. ANNO 1900 (ESD: 29.4.1969) 2. ANNO 1914 (ESD: 13.5.1968) 3. ANNO 1923 (ESD: 27.5.1968) 4. ANNO 1931 (ESD: 12.6.1968) 5. ANNO 1938 (ESD: 24.6.1968) 6. ANNO 1945 (ESD : 8.7.1968) 7. ANNO 1948 (ESD: 22.7.1968) Inhalt: Wilhelm Nägele nimmt nach dem Krieg seine Gartenzwergproduktion wieder auf, für das wenige Geld kann sich die Familie aufgrund der Rationierung nichts mehr kaufen. Sohn Alfred versucht daher sein Glück mit einem zweifelhaften Geschäftspartner, der sich als Schieber entpuppt. Die Währungsreform macht den ehrlichen Wilhelm Nägele zum Gewinner. 8. ANNO 1960 (ESD: 12.8.1968) Inhalt: Durch das Wirtschaftswunder erlebt die Firma Nägele einen ungeahnten Aufschwung. Auf Anraten des Arztes übernimmt Sohn Alfred die Firma von seinem Vater. Alfred gerät aber mit der Firma in Schwierigkeiten, sodass Vater Wilhelm aus seinem erzwungenen Ruhestand gerne zurückkehrt. DIE EHE DER MARIA BRAUN; R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer/Pea Fröhlich, P: Albatros mit Trio-Film (Michael Fengler)/ WDR, 115', ESD: 13.01.1985, ARD, KP: 1979, BRD Form: Kinofilm; Zeit/Ort: 1945-1954

A NHANG

| 311

DIE EIGENE GESCHICHTE, P: NDR (Red. Weiterbildung I: Rainer Hagen, Hannelore Schäfer), N3. Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD, z.T. DDR Inhalt: Konzept der Reihe war es, 1-3 Zeitzeugen pro Sendung ihre Geschichte erzählen zu lassen. Neben langen Ausschnitten aus den Zeitzeugeninterviews wurde Archivbildmaterial eingesetzt. Die behandelte Zeitspanne erstreckte sich vom Ersten Weltkrieg bis in die 1980er Jahre – ein thematischer Schwerpunkt lag auf den 50er Jahren. Folgen zu den 50er Jahren: BELLA ITALIA. WAS DIE NACHKRIEGSDEUTSCHEN IN DEN SÜDEN ZOG; R+B: Hannelore Schäfer, 43'30'', ESD: 01.10.1984, N3 Inhalt: Drei Männer und zwei Frauen berichten über ihren ersten Italienurlaub im Jahr 1953. DAS GLÜCKLOSE ENDE DES KARL HOFER; R+B: Hannelore Schäfer, 43'23'', ESD: 30.08.1986, 20:15, N3 Inhalt: Bilanziert einen Kunststreit aus den 50er Jahren zwischen dem Maler Karl Hofer und dem Kunstkritiker Will Grohmann. DIE ERSTEN SOLDATEN – ERFAHRUNGEN AUS DEM WINTER 1955/56. WIEDERBEWAFFNUNG IN DER BUNDESREPUBLIK; R+B: Christian Geissler, 43'40'', ESD: 25.11.1980, N3 Inhalt: Zwei Offziere aus den Reihen der ersten Freiwilligen von 1955/56 und zwei damalige Gegner der Wiederbewaffnung werden nach ihren Motiven und Erfahrungen befragt. DIE GELDVERLEIHERIN; R: Horst Königstein, B: Bodo Kirchhoff, 42'45'', ESD: 30.09.1985, N3 Form: Fiktionales Fernsehspiel mit dokumentarischen Elementen Inhalt: Fiktive Fortführung des Lebens der 1957 ermordeten Prostituierten Rosemarie Nitribitt. ES MUSS ALLES ANDERS WERDEN. MORALISCHE AUFRÜSTUNG IM NACHKRIEGSDEUTSCHLAND; R+B: Jutta Ehmke, 42'20'', ESD: 27.09.1983, N3 Inhalt: Dokumentation über die ›Moralische Aufrüstung‹, einer Organisation, in der sich viele westdeutsche Nachkriegspolitiker das ideologische Grundgerüst für den Wiederaufbau der Bundesrepublik haben mitgeben lassen. FRITZ BRINGMANN. EINE LANGE REISE – 1945-1955; R+B: Karl Siebig, 43'51'', ESD: 25.10.1983, 21:00, N3 Inhalt: Der ehemalige KZ-Häftling Fritz Bringmann blickt auf seine Schwierigkeiten in Nachkriegsdeutschland zurück, die er aufgrund seiner Teilnahmen an Demonstrationen gegen die Wiederbewaffnung und zum KPD-Verbot bekam. HOLLYWOOD IM SAUERLAND; R+B: Utz Weber, P: Auftragsproduktion: Milestone-Pictures Film+TV Produktion, Köln, 43'40'', ESD: 22.11.1986, 20:15, N3 Inhalt: Anhand der Geschichte der Kinobesitzerin Ilse Müller wird der Einfluss des amerikanischen Kinos im Westdeutschland der 50er Jahre aufgezeigt.

312 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ICH, SUSANNE ERICHSEN, MISS GERMANY 1950; R: Simone Bergmann/Christian Braun, B: Simone Bergmann, 43'23'', ESD: 17.06.1985, 20:15, N3 Inhalt: Porträt der ersten Miss Germany von 1950, die bis 1960 in den USA als Fotomodel arbeitete. KAMPF DEM ATOMTOD!; R+B: Jürgen Schröder-Jahn, 43'20'', ESD: 23.01.1984, 20:15, N3 Inhalt: Bedeutung der Friedensbewegung in den 50er Jahren am Beispiel von drei ehemaligen Teilnehmern der Großkundgebung am 17.4.1958 in Hamburg im Spiegel der Demonstrationen vom Oktober 1983 gegen den NATODoppelbeschluss. NOCHMAL ZURÜCK UND DANN WEITER. NACHDENKEN ÜBER DIE 50ER/60ER JAHRE. HÖHERE TÖCHTER; R: Gisela Tuchtenhagen, B: Anke Steenken, 43'20'', ESD: 20.02.1984, 20:15, N3 Inhalt: Tuchtenhagen und Steenken begeben sich auf die Suche nach Gründen ihrer eigenen Politisierung in den 50er und 60er Jahren. Anlass bildete der Sturz der sozialliberalen Koalition von 1982 und Rainer Barzels Satz: »Es muß wieder so werden wie in den 50er Jahren.« SPÄTE HEIMKEHR. DEUTSCHE KRIEGSGEFANGENE KOMMEN ZURÜCK 1955/56; R+B: Hannelore Schäfer, 43'25'', ESD: 26.11.1984, 20:15, N3 Inhalt: Einer der letzten heimgekehrten Kriegsgefangenen erinnert sich an seine Gefangenschaft und an die Rückkehr nach Deutschland. SPÄTE HEIMKEHR. WIEDER ZU HAUSE; R+B: Hannelore Schäfer, 43'47'', ESD: 28.10.1985, N3 Inhalt: Fortsetzung der Folge »Späte Heimkehr. Deutsche Kriegsgefangene kommen zurück 1955/56«. Schildert die schwierige Re-Integration der Kriegsgefangenen in die eigene Familie und in die deutsche Nachkriegsgesellschaft. UND LÄUFT UND LÄUFT. VW-KÄFER; R+B: Jürgen Schröder-Jahn, 42'54'', ESD: 29.10.1984, 20:15, N3 Inhalt: Über die Produktion und Bedeutung des VW-Käfers als Symbol des deutschen Wirtschaftswunders und die Arbeitsverhältnisse im VW-Werk in Wolfsburg in den 50er Jahren. Als Zeitzeugen fungieren drei seit den 50ern bei VW beschäftigte Mitarbeiter, mithilfe derer die soziale Situation der Arbeiter im Wirtschaftswunder-Deutschland reflektiert wird. DIE FÜNFZIGER JAHRE IN DEUTSCHLAND. PORTRÄT EINES JAHRZEHNTS; 3 Teile, R: Peter Otto, B: Thilo Koch, P: NDR (Red. Zeitgeschehen: Thilo Koch), 3x45', ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1950er, BRD/DDR Inhalt: Die dreiteilige Dokumentation versucht eine Bilanz der »Ära Adenauer« zu ziehen. Die Einzelteile bauen chronologisch aufeinander auf. Koch ist als Presenter im Bild zu sehen, sonst ausschließlich Archivbildmaterial mit Kommentar. Teile:

A NHANG

| 313

1. ESD: 31.10.1971, 22:00 2. ESD: 01.11.1971, 21:45 3. ESD: 04.11.1971, 21:25 DIE REPUBLIK AUF ABRUF. ZUM 25. GEBURTSTAG DES GRUNDGESETZES; B: Peter Merseburger/Friedrich Nowottny/Rudolf Mühlfrenzl/Peter Schulze/Bernd C. Hesslein/Walter Helfer/Dieter Kronzucker, P: NDR/WDR, 90', ESD: 22.05.1974, 20:25, ARD (HH: 22 %) Form: Studiogespräch mit Archivbild-Einspielungen, Zeit/Ort: 1945-1974, D/BRD Inhalt: Zum 25-jährigen Jahrestag zur Verabschiedung des Grundgesetzes, zeigte die ARD eine Sondersendung mit Zeitzeugengesprächen damaliger Politiker und Journalisten. Die eingespielten Berichten behandelten unter anderem die Entstehung des Grundgesetzes, die Westintegration und die Deutschlandpolitik. DIE RUNDE DER FÜNFZIGER; R+B: Jörn Karpinski, P: NDR (Red. Unterhaltung: Jörn Karpinski), 42'45'', ESD: N3 Form: Gesprächssendung mit Archivbildmontagen, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalt: Beleuchtet mithilfe von prominenten Gästen aus Film und Fernsehen der 50er Jahre als Zeitzeugen Lebens- und Erfolgsgeschichten der 50er Jahre. Die Studiokulisse ist einem Lokal im Stil der 50er Jahre nachempfunden. Folgen: 1. ESD: 31.12.1982, 19:00 2. ESD: 09.07.1983, 19:00 3. ESD: 16.07.1983, 19:00 4. ESD: 23.07.1983, 19:00 5. ESD: 08.09.1983, 22:35 6. ESD: 15.09.1983, 22:05 DIE SCHROTT-STORY; R: Paul May, B: Willy Pribil, P: ZDF (Red. Dokumentarspiel: Nicolaus Richter)/ORF, 90', ESD: 30.07.1971, 20:15, ZDF Form: Dokumentarspiel, Zeit/Ort: 1950, Wien Inhalt: Das Dokumentarspiel erzählt die Geschichte des »Schrott-Königs« Leo Haberfellner, der für den Wiederaufbau gedachte amerikanische Eisendeputate verschiebt, um damit das große Geld zu machen. Zwar avanciert er schnell zum Millionär, entwickelt dann aber einen Größenwahn, der ihn ins Gefängnis bringt. DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS; R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer/Pea Fröhlich/Rainer Werner Fassbinder, P: SDR (Fernsehspiel und Spielfilm: Reinhart Müller-Freienfels)/Laura Film GmbH/Trio-Film GmbH/Tango-Film/Maran Film GmbH & Co. KG/Rialto Film GmbH, 99'55'', ESD: 16.01.1985, 20:15, ARD; KP: 18.02.1982, BRD Form: Kinofilm; Zeit/Ort: 50er Jahre, München DIE STRASSE; R: Herbert Brödl, B: Volker Vogeler, P: SWF (Red. Fernsehspiel und Musik: Horst Bohse)/ORF, 82'22'', ESD: 04.10.1978, 20.15, ARD

314 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1957, Weinbauerndorf Fitzdum Inhalt: Eine Dorfgemeinschaft entschließt sich zum gemeinschaftlichen Mord an einem dorfansässigen Bauern, weil der sich weigert, seinen Hof zu verkaufen und damit den Bau einer Straße zum Dorf verhindert. Aus Sicht der Dorfgemeinschaft wird die Straße benötigt, damit im Dorf endlich der Wirtschaftswunderwohlstand Einzug halten kann. DIE WILDEN FÜNFZIGER. SEHR FREI NACH MOTIVEN EINES ROMANS VON JOHANNES MARIO SIMMEL; R: Peter Zadek, B: Wolfgang Bornheim/Johannes Mario Simmel, P: Bavaria Atelier GmbH; NF Geria II Filmgesellschaft; ZDF (HR Fernsehspiel und Film/Fernsehspiel II), 121', ESD: 21.03.1986, 23:45, ZDF Form: Kinofilm, Literaturverfilmung, Zeit/Ort: 1945-1970er, BRD Inhalt: Der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende Jakob Formann kehrt 1945 aus dem Krieg zurück und wird durch einen Trick zum Unternehmer. Durch diverse, z.T. illegale Geschäfte avanciert Formann zum Großindustriellen und Verleger. Die wilden Fünfziger basiert auf Johannes Mario Simmels Roman »Hurra wir leben noch«, dessen Titel der Film nach einer Klage Simmels aber nicht verwenden durfte. DIE ZWEITE REPUBLIK. EINE SENDUNG ZUM 30. JAHRESTAG IHRER GRÜNDUNG; R: Istvan Bury, B: Christian Herrendoerfer/Carl Heinz Ibe/Lutz Mahlerwein/Ingeborg Martins/Winfried Scharlau/Hans Wilhelm Vahlefeld/Ernst Weisenfeld, P: NDR (Red. Zeitgeschehen: Ludwig Schubert), 90', 17.5.1979, 20:15, ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1949-1979, BRD Inhalt: Neben Archivbildausschnitten werden Kabarettnummern und unterhaltsame Bildsequenzen gezeigt. Zeitlich grenzt die Sendung die Ära Adenauer deutlich von der danach ab. DIE ZWEITE REPUBLIK. 25 JAHRE GRUNDGESETZ; 4 Teile, R: Jürgen Corleis, B: Karlheinz Janßen/Kurt P. Flaake, P: ZDF (Chefredaktion Innenpolitik) /Chronos-Film, 4x45', 21:15, ZDF Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1945-1970er Jahre, BRD Inhalt: Schildert chronologisch die Entwicklung der Bundesrepublik erstmals aus der rein teilstaatlichen Perspektive. Eingesetzt werden vor allem Archivbildquellen sowie Kommentare der Autoren als Presenter. Teile: 1. JAHRE DER VORENTSCHEIDUNGEN (ESD: 5.5.1974, HH: 3 %) 2. JAHRE DES AUFBAUS (ESD: 14.5.1974, HH: 12 %) 3. JAHRE DER UNSICHERHEIT (ESD: 19.5.1974, HH: 3 %) 4. JAHRE DES WANDELS (ESD: 28.5.1974, HH: 8 %) DREI JAHRE, DIE DIE WELT BEWEGTEN. KOREA-KRIEG UND DEUTSCHE WIEDERBEWAFFNUNG; R+B: Heribert Schwan/Rolf Steininger, P: WDR, 60', ESD: 19.06.1980, 20:15, ARD (HH: 14 %, SB: 4,02 Mio. ZS ab 14 J.)

A NHANG

| 315

Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1950-1953, BRD/DDR Inhalt: Anlässlich der 30. Jährung des Ausbruchs des Korea-Kriegs behandelt die Sendung den Zusammenhang zwischen Koreakrieg und deutscher Wiederbewaffnung in beiden deutschen Staaten. Angekündigt wurden hierzu bisher noch nicht gezeigte Archivbildaufnahmen. EINE GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT; 2 Teile, R+B: Heinrich Breloer, P: WDR, ESD: ARD Form: Mehrteiliges Dokudrama, Zeit/Ort: 1950er Jahre, Lüdinghausen; 1987 BRD Inhalt: In einer Montage aus fiktionalen Spielszenen und dokumentarischen Einschüben arbeitet Heinrich Breloer seine Erziehung in einem katholischen Internat in Lüdinghausen auf. Die fiktionalen Spielszenen kreisen um die Hauptfigur Heinrich, in den dokumentarischen Blöcken interviewt Breloer ehemalige Klassenkameraden. Teile: 1. DIE REKORDBETER (92', ESD: 01.12.1987) 2. DIE FREIGEISTER (104', ESD: 08.12.1987) EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT; 2 Teile, R+B: Wilhelm Reschl, P: SDR, ESD: ARD Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1948-1988 Inhalt: In der ersten Folge zeichnet Reschl anhand von Archivbildmaterial die Entstehung des Grundgesetzes und seiner Vorläufer bis zur Revolution von 1848 nach. Im zweiten Teil geht Reschl der Frage nach, welche Bedeutung das Grundgesetz für die Zeitgenossen noch hatte. Teile: 1. DIE GEBURTSURKUNDE DER REPUBLIK (ESD: 23.08.1988) 2. LEBEN MIT DEM GRUNDGESETZ (ESD: 30.08.1988) ERLEDIGT – PAPIERKORB. EINE 10-JAHRES-BILANZ MIT KLEINEN FEHLERN; R: Rudolf Schündler, P: SFB, 31'05'', ESD: 31.12.1959, 22:00, ARD Form: Kabarettsendung; Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalt: Sendung zu Sylvester, die die vergangenen zehn Jahre als unterhaltende Kabarettrevue bilanziert. In Musik- und Kabarettnummern werden Medienereignisse, sowohl aus politischen, gesellschaftlichen als auch aus boulevardesken Bereichen persifliert. FASZINATION FUSSBALL. CHRONIK DER WELTMEISTERSCHAFTEN 1930-1970. TEIL 3; P: SWF, 45', ESD: 27.05.1974, 21:00, ARD Form: Historische Sportdokumentation, Zeit/Ort: 1954-1962, Schweiz/Schweden /Chile/BRD FEDERLESEN. BILDER AUS DEM LEBEN EINES EINFALLSREICHEN; R: Eberhard Itzenplitz, B: Jochen Ziem, P: ZDF (Red. Fernsehspiel)/Auftragsproduktion UFAFilm, 80', ESD: 29.11.1972, 21:00, ZDF (HH: 10 %) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD

316 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Inhalt: Der Hilfsarbeiter Erich Kaufhold, in der Weimarer Republik Kommunist, in der NS-Zeit aufseiten der Nazis, bringt es nach dem Zweiten Weltkrieg mit Schwarzmarktgeschäften zum Millionär. FEIERSTUNDE ZUM 10. JAHRESTAG DER VERABSCHIEDUNG DES GRUNDGESETZES; P: NWRV Köln, 90', ESD: 23.05.1959, 11:00, ARD Form: Live-Übertragung, Zeit/Ort: 1959, Bonn Inhalt: Live-Übertragung der Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag zur Verabschiedung des Grundgesetzes aus dem Plenarsaal des Bundesrates in Bonn. FRAULEIN. EIN DEUTSCHES MELODRAM; R: Michael Haneke, B: Bernd Schroeder/Michael Haneke, P: SR (HA FS-Spiel, Unterhaltung, Musik-Fernsehspiel: Ullrich Nagel)/Telefilm Saar GmbH, 108', ESD: 06.04.1986, 21:00, ARD (HH: 25 %, SB: 8,39 Mio.) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Mitte der 50er Jahre, BRD Inhalt: Im Mittelpunkt der Geschichte steht das »Fraulein« Johanna Kersch, Trümmerfrau und Wirtschaftswunder-Aufsteigerin. Sie lebt als »Kriegerwitwe« nach dem Krieg mit dem ehemaligen französischen Kriegsgefangenen André zusammen, nachdem ihr Mann Hans für tot erklärt wurde. Eines Tages wird unvermutet Hans’ Rückkehr als Spätheimkehrer gemeldet. André geht in seine Heimat zurück, die Beziehung von Johanna zu Hans scheitert. FRÜHE FERNSEHJAHRE. ALS DIE BILDER FLIMMERN LERNTEN; 6 Teile, R: Theo Baltz, B: Theo Baltz/Oliver Neidhart, P: WDR (Red.: Hildegard Müller)/Medien Kontor, 30' pro Folge, ESD: 15:30, ARD Form: Geschichtsdokumentationsreihe, Mosaiksendung; Zeit/Ort: 1950er und 1980er Jahre, BRD Inhalt: Fortsetzung von SCHLEIFCHEN DRUM. In der Sendung präsentiert Moderator Werner Thies Fernsehausschnitte aus den 50er Jahren. In jeder Folge sind Studiogäste geladen, die in den 50ern durch ihre Fernseh-Auftritte zu kleinen Stars wurden oder an der Produktion der Sendungen mitgewirkt haben. Folgen: 1. ESD: 05.12.1988, HH: 5 %, SB: 1,23 Mio. 2. ESD: 06.12.1988, HH: 5 %, SB: 1,18 Mio. 3. ESD: 12.12.1988, HH: 4 %, SB: 0,93 Mio. 4. ESD: 13.12.1988, HH: 5 %, SB: 1,11 Mio. 5. ESD: 19.12.1988, HH: 5 %, SB: 1,28 Mio. 6. ESD: 20.12.1988, HH: 4 %, SB: 0,96 Mio. FÜR’N GROSCHEN BRAUSE; R: Eberhard Itzenblitz, B: Dieter Zimmer, 115', ESD: 25.12.1983, 20:30, ZDF (HH: 18 %, SB: 6,78 Mio.) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Nachkriegszeit, Ost-Deutschland GEDENKSENDUNG – KONRAD ADENAUER; 50', ESD: 19.04.1967, 20:40, ARD (SB 44 %) Form: Geschichtsdokumentation, Nachruf, Porträtsendung, Zeit/Ort: 18761967, Deutschland

A NHANG

| 317

GEIBELSTRASSE 27; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: NDR (Red.: Oswald Hirschmann), 108'03", ESD: 22.11.1966, 21:10, ARD (SB: 54 %) Form: Fernsehspiel; Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD Inhalt: Episodenartige Geschichten der Bewohner in einem großstädtischen Mietshaus. GLÜCKWUNSCH, BUNDESREPUBLIK; P: WDR, 126', ESD: 23.9.1989, 20:15, ARD Form: Show, Zeit/Ort: 1945-1989, BRD Inhalt: Große Show anlässlich des 40. Jahrestages der BRD-Gründung. Als Moderatoren führten Fritz Pleitgen und Désirée Bethge durch die Sendung. Neben Kabarettauftritten unter anderem von Jürgen Becker und Musiknummern, war zu jedem Jahrzehnt bundesrepublikanischer Geschichte ein Gesprächsgast (Wilhelm Grewe für die 50er Jahre) eingeladen, der in einer Kulisse mit typischen Einrichtungsgegenständen des Jahrzehnts Platz nahm. Weitere Elemente waren Live-Schaltungen zum Bundesfest in Bonn sowie Telefon-Abstimmungen zum beliebtesten Kanzler und zum wichtigsten Ereignis der Geschichte der Bundesrepublik. HAUS OHNE HÜTER; R: Rainer Wolffhardt, B: Daniel Christoff, P: ZDF (Red. Fernsehspiel: Willi Segler)/Auftragsproduktion: Artus Film, 105', ESD: 20.1.1975, 21:15, ZDF Form: Literaturverfilmung, Fernsehspiel, Zeit/Ort: Anfang der 50er Jahre, Rheinland Inhalt: Familie Bach und Familie Brielach sind durch die Freundschaft ihrer Kinder verbunden. In beiden Familien ist ein »Onkel« an die Stelle des gefallenen Vaters getreten, aber in der einen Familie herrscht große Not, während die andere gut im Wirtschaftswunder versorgt ist. Verfilmung des gleichnamigen Romans von Heinrich Böll. HEIMAT; 11 Teile, R+B: Edgar Reitz, P: WDR/SFB, ESD: 1984, 20:15, ARD Form: Mehrteiliges Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1919-1982, fiktives Dorf Schabbach Inhalt: Zeichnet die wechselvolle Familiengeschichte der Familie Simon vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche seit dem Ersten Weltkrieg bis in die 1980er Jahre hinein nach. Folge 9 spielt in den 50er Jahren. Teile: 1. FERNWEH (119'19'', ESD: 16.09.1984) 2. DIE MITTE DER WELT (89'36'', ESD: 19.09.1984) 3. WEIHNACHT WIE NOCH NIE (57'49'', ESD: 23.09.1984) 4. REICHSHÖHENSTRASSE (58'19'', ESD: 26.09.1984) 5. AUF UND DAVON UND ZURÜCK (57'37'', ESD: 30.09.1984) 6. HEIMATFRONT (57'37'', ESD: 03.10.1984) 7. DIE LIEBE DER SOLDATEN (58'37'', ESD: 07.10.1984) 8. DER AMERIKANER (102'03'', ESD: 10.10.1984) 9. HERMÄNNCHEN (138'26'', ESD: 14.10.1984)

318 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

10. DIE STOLZEN JAHRE (82'11'', ESD: 21.10.1984) 11. DAS FEST DER LEBENDEN UND DER TOTEN (94'24'', ESD: 24.10.1984) HUNGERJAHRE – IN EINEM REICHEN LAND; R+B: Jutta Brückner, P: ZDF (Red. Kleines Fernsehspiel)/Brückner-Filmproduktion, 115', ESD: 27.03.1980, 22:20, ZDF (9 % HH, 2,57 Mio.) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort der Handlung: 1953, 1955, 1956, unbenannte Stadt in Westdeutschland Inhalt: Die 13jährige Ursula wächst in einem gesellschaftlichen Klima der 50er Jahre auf, an dessen Sittenstrenge sie psychisch leidet. ICH FAHRE PATSCHOLD; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: NDR (Red.: KarlHeinz Schlüter), 96'00", ESD: 08.12.1964, 21:10, ARD (SB: 43 %) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort der Handlung: Zeitgenössische Gegenwart, BRD Inhalt: Der Bauunternehmer Rainer Patschold schwimmt munter auf den Wogen des Wirtschaftswunders. Unbedenklich hat er Vorschüsse und Kredite in verschiedene Projekte gesteckt, aber dadurch ist er in eine Finanzklemme geraten. Auch privat steht für Patschold nicht alles zum besten. Seine vernachlässigte Frau ist dem Nervenzusammenbruch nahe, und seine anspruchsvolle Geliebte, rückt ihm mitsamt einem Dutzend Koffer auf den Leib. IM GESETZ WECHSELVOLLER GESCHICHTE. DAS SCHICKSAL DER SAAR ZWISCHEN DEUTSCHLAND UND FRANKREICH. DOKUMENTATION DER SAARPOLITIK 1945 BIS 1959; R+B: Heribert Schwan, P: SR, 45', 20.10.1975, 21:45, ARD Form: Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1935-1959, Saargebiet Inhalt: Erzählt chronologisch die Politikgeschichte des Saargebiets zwischen 1935 und 1959 mit einem Schwerpunkt auf den Ereignissen ab 1945. JAHRE UNSERES LEBENS; 6 Teile, R: Horst-Christian Tadey/Dieter Franck, B: Dieter Franck, P: HR (Red. Gesellschaftspolitik), 6x90', ZDF Form: Geschichtsdokumentationsreihe, Mosaiksendung, Zeit/Ort: BRD 19451961 Inhalt: Zeigt streng chronologisch Aspekte der Nachkriegszeit und der 50er Jahre aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag. Jeder Teil wird moderiert von einem Star der 50er Jahre, darunter Hans Rosenthal, Sonja Ziemann und Cornelia Froboess. Folgen: 1. 1945 – DIE STUNDE NULL (Whlg.: 24.01.1982, 14:50) 2. 1946/1947 – NOT UND VERWIRRUNG (Whlg.: 31.01.1982, 14:50) 3. 1948/1949 – DER NEUE ANFANG (Whlg.: 07.02.1982, 14:50) 4. 1950-1952: MAN IST WIEDER WER (Whlg.: 14.02.1982, 14:50) 5. 1953-1956: DAS WIRTSCHAFTSWUNDER (ESD: 16.02.1982, 21:20, HH: 15 %, SB: 5,05 Mio. ZS über 14 J.) 6. 1957-1961: KEINE EXPERIMENTE! (ESD: 23.02.1982, 21.35, HH: 11 %, SB: 3,62 Mio. ZS über 14 J.)

A NHANG

| 319

JENE TAGE IM JUNI. DER DEUTSCHE AUFSTAND 1953; R+B: Peter Schultze/Jürgen Rühle, P: SFB/WDR (Red.: Jürgen Rühle), 90', ESD: 17.06.1983, 18:30, ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1953, DDR KALTE HEIMAT; R: Walter Werner Schaefer, B: Walter Werner Schaefer/Peter Steinbach, P: WDR (Red.: Joachim von Mengershausen)/Triangel Film GmbH, 103', ESD: 17.06.1981, 20:25, ARD (HH: 23 %, SB: 6,82 %) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1954, Köln, Friedland Inhalt: Familie Zeitler kommt in den 50er Jahren mit anderen »OstzonenFlüchtlingen« nach Köln, getrieben von der Hoffnung, im »goldenen« Westen all ihre Träume erfüllen zu können. Vieles erweist sich schnell als Illusion. KONRAD ADENAUER; R+B: Peter von Zahn, P: BR (Red. Politik, Zeitgeschehen und Geschichte: Wolf Feller, Marie-Elisabeth Simmat), BFS3 Form: Geschichtsdokumentation, Zeitzeugengespräch, Zeit/Ort: 1920er-1967, BRD Inhalt: Auswahl aus langen Interviews, die Peter von Zahn im Kontext der Verfassung der Memoiren von Konrad Adenauer führte. Die Sendung bildet die ausführlichste Präsentation der Interviews mit Adenauer (vgl. auch KONRAD ADENAUER. GEDANKEN DER LETZTEN JAHRE (BFS3 1967) und KONRAD ADENAUER. GEDANKEN UND ERINNERUNGEN ZUM 100. GEBURTSTAG DES ERSTEN DEUTSCHEN BUNDESKANZLERS (ARD 1976)). Teile: 1. POLITIKER IN DER WEIMARER ZEIT (32'21'', ESD: 15.4.1969, 20:45) 2. ARCHITEKT DER BUNDESREPUBLIK (50'00'', ESD: 29.4.1969, 20:45) 3. LOTSE IN DIE FREIE WELT (49'47'', ESD: 5.5.1969, 20:16) KONRAD ADENAUER: EIN LEBENSBILD; 25.04.1967, 21:05, ZDF (SB: 10 %) Form: Geschichtsdokumentation, Nachruf, Zeit/Ort: 1920er-1967, BRD KONRAD ADENAUER. GEDANKEN DER LETZTEN JAHRE; R+B: Peter von Zahn, P: BR (Red. Politik, Zeitgeschehen und Geschichte), 56', ESD: 25.04.1967, BFS3 Form: Geschichtsdokumentation, Zeitzeugengespräch, Zeit/Ort: 1920er-1967, BRD Inhalt: Auswahl aus langen Interviews, die Peter von Zahn im Kontext der Verfassung der Memoiren von Konrad Adenauer führte, gesendet als Nachruf nach seinem Tod 1967 (vgl. auch KONRAD ADENAUER (BFS3 1969) und KONRAD ADENAUER. GEDANKEN UND ERINNERUNGEN ZUM 100. GEBURTSTAG DES ERSTEN DEUTSCHEN BUNDESKANZLERS (ARD 1976)). KONRAD ADENAUER. GEDANKEN UND ERINNERUNGEN ZUM 100. GEBURTSTAG DES ERSTEN DEUTSCHEN BUNDESKANZLERS; R+B: Peter von Zahn, P: BR (Red. Wirtschaft), 50'25", ESD: 05.01.1976, 21:55, ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeitzeugengespräch, Zeit/Ort: 1945-67, BRD Inhalt: Peter von Zahn zeichnet in seiner Dokumentation die wichtigsten außenpolitischen Schritte des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer in Interviewform nach, untermalt mit historischen Einblendungen. Interviews ent-

320 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

standen im Kontext der Abfassung von Adenauers Memoiren (vgl. KONRAD ADENAUER. GEDANKEN DER LETZTEN JAHRE (BFS3 1967) und KONRAD ADENAUER (BFS3 1969)). KONRAD ADENAUER – STATIONEN EINER KANZLERSCHAFT; R: Ule J. R. Eith, B: Peter Hopen, P: ZDF (HR Gesellschafts- und Bildungspolitik, Red. Offene Reihen und Sondersendungen)/Ule Eith Film- und Fernsehproduktion, Hamburg, 43'41'', ESD: 05.01.1976, 19:30, ZDF Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1949-1961, BRD Inhalt: Versucht mithilfe von Archivmaterial, Interviewausschnitten mit Adenauer und Autorenkommentaren zu einem Urteil über Adenauers Kanzlerschaft zu kommen. KULTUR DER FÜNFZIGER JAHRE; P: NDR (Red. Weiterbildung I: Rainer Hagen, Mechthild Lange, Hannelore Schäfer, Holger Bemitt), N3 Form: Geschichtsdokumentationsreihe, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalte: Behandelt pro Folge jeweils einen kulturellen Bereich, darunter sowohl hoch-, populär- als auch alltagskulturelle Themen. Folgen: 1. ALS WUT UND TRAUER LAUFEN LERNTEN. LITERATUR IN DEN 50ERN (R: Jürgen Franzgrote, B: Reinhard Baumgart/Mechthild Lange, 43'30'', ESD: 12.07.1986) 2. ANONYM UND PFLEGELEICHT. WOHNEN IN DEN FÜNFZIGER JAHREN (R+B: Christian Borngräber, Auftragsproduktion: Berliner Filmladen Carsten Krüger, Berlin, 43'59'', ESD: 09.08.1986, 20:15) 3. BILDER FÜR EINEN NEUEN ANFANG. MALEREI IN DEN FÜNFZIGER JAHREN (R: Hannelore Schäfer, B: Hannelore Schäfer, Auftragsproduktion: Berliner Filmladen Carsten Krüger, Berlin, 43'45'', ESD: 23.08.1986) 4. BRECHT UND GRÜNDGENS (R+B: Mechthild Lange, 43'40'', ESD: 04.12.1985, 21:00) 5. DIXIE, ROCK UND WIEDER SCHNULZEN. UNTERHALTUNGSMUSIK IN DEN FÜNFZIGER JAHREN (R+B: Werner Burkhardt, 43'13'', ESD: 11.12.1985, 21:00) 6. OSTZONEN-SUPPENWÜRFEL BRINGEN KREBS. BILD – EIN NEUES MASSENMEDIUM IN DEN FÜNFZIGER JAHREN (R+B: Jürgen Schröder-Jahn, 42'52'', ESD: 16.08.1986, 20:15, N3) 7. TRÄUME ÜBER TRÜMMERN. DER HEIMATFILM IN DEN FÜNFZIGER JAHREN (R+B: Doris Netenjacob, 43'06'', ESD: 18.12.1985, 21:00) LEMMINGE; 2 Teile, R+B: Michael Haneke, P: SFB/ORF, ARD/ORF1 Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Ende der 1950er Jahre (Teil 1), Ende der 1970er Jahre (Teil 2), »Wiener Vorstadt« Inhalt: Am Schicksal von sechs Personen zeichnet Haneke die Entwicklung von der Selbstfindungsphase der Jugendlichen in den fünfziger Jahren (Teil 1) zu den heutigen Erwachsenen (Teil 2) nach. Deren Beschädigungen entstehen nicht

A NHANG

| 321

zuletzt daraus, dass ihr moralisches Bezugssystem immer noch das katholische, bürgerlich restaurative der untergegangenen Monarchie ist, ihre Lebensformen sich aber an der modernen Massengesellschaft orientieren. Teile: 1. ARKADIEN (112', ESD: 22.6.1980, 21:05 [ORF1: 2.5.1979], HH: 9 %, SB: 2,37 Mio.) 2. VERLETZUNGEN (107', ESD: 29.6.1980, 20:15 [ORF1, 3.5.1979], HH: 22 %, SB: 6,86 Mio.) LOLA; R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer/Pea Fröhlich, P: WDR/Rialto Film Preben Philipsen GmbH & Co. KG/Trio-Film GmbH, ESD: 20.01.1985, ARD, KP: 20.08.1981, BRD Form: Kinofilm, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD LÖWENGRUBE. DIE GRANDAUERS UND IHRE ZEIT; 32 Folgen, R+B: Rainer Wolffhardt, P: BR (Red. Serie-Vorabendprogramm: Hubert Haslberger)Auftragsproduktion: Tellux-Film, ESD: 14.11.1989 (1. Folge), BFS3 Form: Fiktionale Geschichtsserie, Zeit/Ort: 1897-1954 Inhalt: Zeichnet die Geschichte der Münchner Kleinbürgerfamilie Grandauer zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1950er Jahren nach. MACH’S BESTE DRAUS; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: NDR, Red.: Horst Wendlandt, 68'01", ESD: 28.12.1965, ARD/NDR Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD MEIN MANN, DAS WIRTSCHAFTSWUNDER; R: Ulrich Erfurth, B: Dieter Hildebrandt, P: Deutsche Film Hansa, 94', KP: 26.01.1961, BRD Form: Kinofilm, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD MOSCH; R: Tankred Dorst, B: Tankred Dorst/Ursula Ehler, P: WDR, Red.: Hartwig Schmidt, 105', ESD: 24.09.1980, 20:15, ARD (21% HH, SB: 5,95 Mio.) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: 50er Jahre, Wuppertal Inhalt: In Wuppertal will Arno mit vielen Ideen für Veränderungen und Neuerungen die alte kleine Seifenpulverfabrik seines Großvaters übernehmen, scheitert mit seinen Vorstellungen jedoch immer wieder an dem langjährigen Angestellten Herr Mosch, der seinerseits Arno aus der Firma drängen will. Über dem Konflikt vereinsamt Arno und denkt sogar an Mord, der zuletzt durch den natürlichen Tod Moschs aber nie ausgeführt wird. MUSIK AUF DEM LANDE; R+B: Oliver Storz, P: ZDF (Red. Fernsehspiel: Peter Göbbels)/Monaco Film GmbH (Georg Althammer), 109', ESD: 21.12.1980, 20:15, ZDF (22% HH, SB: 6,91 Mio.) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort der Handlung: 1952 in Salzlach, einer fiktiven schwäbischen Kleinstadt Inhalt: In Salzlach ereignen sich im bürgerlichen Milieu mehrere Geschichten: Für eine Festaufführung eines Konzertes zu der Berufsmusiker eingekauft wurden, fällt der Dirigent aus. Der junge zugezogene Herbert Matowski scheint als Ersatz geeignet, wird von den Honoratioren der Stadt allerdings abgelehnt. In

322 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

einem weiteren Handlungsstrang liebt der 19jährige Bürgersohn Heiner ein armes Mädchen und engagiert sich politisch, was zu Konflikten mit den Eltern führt. Zudem fällt Hilfslehrer Saalfeld immer wieder negativ damit auf, dass er die NS-Zeit in seinem Unterricht thematisiert und hinterfragt. MUSIK, MODE, MÄDCHEN UND MOTOREN; 55', ESD: 23.09.1989, 15:05, Sat1 Form: Live-Übertragung vom Bürgerfest in Bonn, Zeit/Ort: 1989, Bonn NIRGENDWO IST POENICHEN; 21 Folgen, R: Günther Gräfert, Rainer Wolffhardt, B. Eva Mieke, ESD: 1979, ARD Form: mehrteiliges Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1945-1976, Pommern und Deutschland Inhalt: Erzählt nach dem gleichnamigen Roman von Christine Brückner die Geschichte von Maximiliane von Quind über drei Jahrzehnte ihres Lebens hinweg, beginnend im Jahr 1945 bei ihrer Flucht aus Pommern mit vier kleinen Kindern, bis hinein in das Jahr 1976. Nirgendwo ist Poenichen ist die Fortsetzung des Fernseh-Mehrteilers »Jauche und Levkoje«. ORDEN FÜR DIE WUNDERKINDER; R+B: Rainer Erler, P: WDR, 77', ESD: 1963, ARD Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalt: Aufsteigerposse um den ehemaligen Heiratsschwindler und frisch entlassenen Häftling Ferdinand Ziegler, der den Handel mit Orden und Titeln als Marktlücke innerhalb der 50er Jahre Gesellschaft entdeckt. PETTICOAT; 6 Teile, R: Wigbert Wicker, B: Marlies Kerremans, P: NDR (Red. Fernsehspiel), 60' pro Folge, ESD: 18:00, ARD/NDR1-regional Form: Fiktionale Serie im Vorabendprogramm, Zeit/Ort: 1950er Jahre, BRD Inhalt: Erzählt episodenhaft die Geschichte der Bauernfamilie Hildebrandt in einem niedersächsischen Dorf in den 50er Jahren. Handelt insbesondere vom Alltag der Jugendlichen, von generationellen Auseinandersetzungen und typischen Nachkriegsproblemen. Folgen: 1. DER JUBILÄUMSBALL (ESD: 09.11.1989) 2. HENNER (ESD: 16.11.1989) 3. DER BESUCHER (ESD: 23.11.1989) 4. DIE REISE NACH HAMBURG (ESD: 30.11.1989) 5. DIE TANZSTUNDE (ESD: 07.12.1989) 6. HERZLICH WILLKOMMEN (ESD: 14.12.1989) REBELLION DER VERLORENEN; 3 Teile, R: Fritz Umgelter, B: Wolfgang Menge, P: SDR (Fernsehspiel und Spielfilm: Reinhart Müller-Freienfels), 3x90', ESD: 20:15, ARD Form: mehrteiliges Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1959, BRD Inhalt: Drei Brüder arbeiten in den 50er Jahren am eigenen Erfolg und Aufstieg. Als sie scheitern, begehen einen Banküberfall, um sich ihren Anteil am Wirtschaftswunder zu sichern. Dabei erschießen sie einen Kassierer.

A NHANG

| 323

Teile: 1. ESD: 30.10.1969 2. ESD: 01.11.1969 3. ESD: 02.11.1969 RECHT ODER UNRECHT. DER FALL HETZEL; 2 Teile, R: R. A. Stemmle, P: SWF (Red. FS-Unterhaltung), 2x 90', ESD: 20:15, ARD Form: Dokumentarspiel, Gerichtsspiel, Zeit/Ort: 1953, BRD Inhalt: Fernsehspiel zum Justizirrtum im Fall Hans Hetzel, der zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, weil er eine Frau erdrosselt haben soll. Ein Jahr vor Ausstrahlung war Hetzel in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden. Teile: 1. ESD: 14.01.1971 2. ESD: 16.01.1971 REKONSTRUKTIONEN: DER 17. JUNI 1953. ARBEITERAUFSTAND IN OST-BERLIN UND DER DDR; R+B: Carl-Ludwig Paeschke/Dieter Zimmer, P: ZDF, ESD: 15.06.1983, 22:10, ZDF Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1953, DDR RENDEZVOUS UNTERM NIERENTISCH: DIE WIRTSCHAFTSWUNDERROLLE; R+B: Manfred Breuersbrock/Wolfgang Dresler/Dieter Fietzke, P: Peter Goedel Filmproduktion/Cult Film TV Filmproduktion/Neue Pathos Film, 85', KP: 12.03.1987 Form: Kinodokumentation, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalt: Mithilfe von Werbefilm- und Wochenschaumontagen persifliert die Dokumentation die Eigenarten der Gesellschaft in den 50er Jahren. RÜCK-SICHTEN; P: HR (Red. FS-Politik und Gesellschaft: Georg Michael Hafner), ESD: 20:15, ARD Form: Geschichtsdokumentationsreihe, Zeit/Ort: 1950er-1980er Jahre, BRD Inhalt: Unregelmäßig ausgestrahlte Reihe, die frühere Medienereignisse aufgriff und neu betrachtete. Folgen zu den 50er Jahren: DIE NITRIBITT. EIN MORD UND VIELE TÄTER (R+B: Samuel Schirmbeck, 43'13'', ESD: 16.01.1986, HH: 24 %, SB: 7,70 Mio.) Inhalt: Stellt die Unstimmigkeiten im Mordfall Nitribitt heraus und spricht mit damaligen Beteiligten. LADY CURZON UND TOAST HAWAII. ERINNERUNGEN AN DIE ERSTE ›EDELFRESSWELLE‹ (R+B: Eckhard Garczyk, 43'07'', ESD: 21.09.1989) Inhalt: Zeigt die Entwicklung der deutschen Konsumgesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die 50er Jahre. SORAYA – VOM UMGANG MIT EINER KOSTBAREN FRAU (R+B: Georg M. Hafner, 43'06'', ESD: 19.03.1987, HH: 20 %, SB: 6,19 Mio.)

324 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Inhalt: Blickt zurück auf das übergroße mediale Interesse an Soraya und ihre Lebensgeschichte. In einem Interview kommt Soraya selbst zu Wort. TRAUM IN GOLD UND BRAUN. EINE FRAUENILLUSTRIERTE UND DIE FÜNFZIGER JAHRE (R+B: Dietrich Wagner, 43'55'', ESD: 20.10.1988, HH: 10 %, 3,00 Mio.) Inhalt: Anhand der Illustrierten ›Film und Frau‹ wird der Zeitgeist der 50er Jahre beschrieben, in dessen Mittelpunkt das Streben nach Schönheit und Harmonie stand. WO WIR SIND, IST OBEN – ERICA PAPPRITZ – WIE DIE REPUBLIK BENEHMEN LERNTE (R+B: Samuel Schirmbeck, 44'36'', ESD: 27.09.1987, HH: 9 %, SB: 2,93 Mio.) Inhalt: In den 50er Jahren macht sich Erica Pappritz, Protokollchefin im Auswärtigen Amt, zur Missionarin für das so genannte gute Benehmen und gewinnt ebenso Einfluss auf die Etikette des politischen Parketts wie auf den Alltag. Der Film geht dem Stellenwert von Etikette und Benimmregeln als Anpassungsprozess in den 50ern nach. SCHLEIFCHEN DRUM. ERINNERUNGEN AN FRÜHE FERNSEHJAHRE; 10 Folgen, R: Marc Froidevaux, B: Karin Ammon, P: SWF, 25' pro Folge, ESD: SW3 Form: Geschichtsdokumentation, Mosaiksendung, Zeit/Ort: 1950er Jahre, BRD Inhalt: Dieter Eppler präsentiert als Moderator Ausschnitte aus Stuttgarter Fernsehproduktionen der 50er Jahre. Folgen: 1. 1955-1956 (ESD: 10.02.1981) 2. 1957 (ESD: 10.03.1981) 3. 1958 (ESD: 07.04.1981) 4. 1959 (ESD: 05.05.1981) 5. 1960 (ESD: 02.06.1981) 6. 1961 (ESD: 20.02.1983) 7. 1962 (ESD: 27.02.1983) 8. 1963 (ESD: 06.03.1983) 9. 1964 (ESD: 20.03.1983) 10. 1965 (ESD: 27.03.1983) SCHÖNES WOCHENENDE; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: NDR, ESD: 30.12.1962, 20:15, ARD Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD SEELENWANDERUNG; R: Rainer Erler, B: Karl Wittlinger, P: WDR/Bavaria Atelier GmbH München, 73', ESD: 09.10.1962, ARD Form: Fernsehspiel SILBERHOCHZEIT ZU ZWÖLFT. 25 JAHRE ARD; R+B: Gerhard Konzelmann, P: SDR (Abt. Kultur und Gesellschaft), ESD: 23.7.1975, ARD Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1950-1975, BRD Inhalt: Ausgestrahlt zum 25-jährigen Jubiläum der ARD-Gründung. Gezeigt werden Ausschnitte aus historischen Fernsehsendungen.

A NHANG

SO

| 325

ENTSTAND DIE BUNDESREPUBLIK; R+B: Ulrich Lenze, P: ZDF (Red. Zeitgeschichte: Guido Knopp)/Cinecentrum, ESD: ZDF Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1945-1949, BRD Inhalt: In zwei Teilen rekonstruiert die Sendung die Ereignisse bis zur Gründung der Bundesrepublik. Sie arbeitet mit Archivbildern ebenso wie mit Autorenkommentaren und Zeitzeugen. Teile: 1. KALTER KRIEG UM DEUTSCHLAND (ESD: 7.5.1989) 2. PROVISORISCH, ABER GRÜNDLICH (ESD: 8.5.1989) SO FING ES AN. DIE GRÜNDERJAHRE IN DER BUNDESREPUBLIK; 4 Teile, R+B: Klaus Harpprecht/Heinz Hemming, P: ZDF (HR Innenpolitik: Ruprecht Eser)/Stern TV, 3x60', ESD: ZDF Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: ca. 1949-1956 (Teil 13), Gegenwart (Teil 4), BRD Inhalt: Thematisiert in drei Teilen die ersten Jahre der BRD seit ihrer Gründung; u.a. politische und gesellschaftliche Neuordnung durch die Alliierten, Adenauers Politik, Flüchtlinge und Vertriebene, wirtschaftlichen Wiederaufbau bis hin zum Wirtschaftswunder. Teile: 1. DIE VERORDNETE DEMOKRATIE (ESD: 18.12.1983, 21:30) 2. DIE DEUTSCHEN RICHTEN SICH EIN (ESD: 25.12.1983, 22:15, HH: 13 %, SB: 4,12 Mio.) 3. ADOPTIVKIND DES WESTENS (ESD: 27.12.1983, 21:20, HH: 11 %, SB: 3,53 Mio.) 4. DAS ERBE. STUDIO-DISKUSSION (ESD: 27.12.1983, 22.20, HH: 7 %, SB: 1,77 Mio.) TRÄUME IN SEIDE UND BLUE JEANS; R: Peter Trabold, B: Wilfried Berghahn, P: SWF (Red. Kultur), 48'00'', ESD: 14.6.1959, 21:00, ARD Form: Dokumentation, Zeit/Ort: 1945-1959, BRD Inhalt: Die Sendung untersucht anhand der weiblichen Filmstars der 50er Jahre die Idealvorstellungen des deutschen Publikums der zeitgenössischen Gegenwart. Dazu werden Filmausschnitte gezeigt, unter anderem mit Hildegard Knef, Maria Schell, Nadja Tiller oder Liselotte Pulver. TYPISCH FÜNFZIGER JAHRE. ARCHITEKTUR ZWISCHEN WIEDERAUFBAU UND WOHLSTAND; R+B: Gerwin Dahm, P: ZDF, Red.: Markus Schächter/Sartor-Film, 45', ESD: 10.11.1985, 19:30, ZDF (15% HH, 5,06 Mio.) Form: Geschichtsdokumentation, Mosaiksendung, Zeit/Ort: 50er Jahre, BRD Inhalt: Peter Kraus führt als Moderator durch Kino- und Fernsehausschnitte aus den 50er Jahren und empfängt im Studio Gäste, um darüber zu sprechen. VON DER TRÜMMERZEIT ZUR POSTMODERNE; 2 Teile; R+B: Hermann Glaser/HansChristian Huf, 2x45', ZDF

326 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Form: Mehrteilige Geschichtsdokumentation; Zeit/Ort: 1945-1980er Jahre, BRD Inhalt: Der Zweiteiler zeichnet eine Kulturgeschichte der BRD von den Nachkriegsanfängen bis in die 1980er Jahre hinein nach, wobei die markanten Entwicklungslinien in den Bereichen Architektur, Malerei, Theater, Film, Musik und Literatur beispielhaft herausgearbeitet werden. Teile: 1. SOVIEL ANFANG WAR NIE: KULTUR AUS TRÜMMERN (ESD: 19.6.1989, 22:05, SB: 1,29 Mio.) 2. DAS LAND DER GROSSEN MITTE: KULTUR IM WIDERSPRUCH (ESD: 26.6.1989, 22:10, SB: 0,87 Mio.) WAS WÄREN WIR OHNE UNS. EIN POTPOURRI IN BILD UND TON; 4 Teile, R: Ulrich Schamoni, B: Wolfgang Menge, P: SDR (FS Dramaturgie und Fernsehspiel: Reinhart Müller-Freienfels), ESD: 20:15, ARD Form: Mehrteiliges Fernsehspiel, Zeit/Ort: 1950-1953, BRD Inhalt: Präsentiert eine Kombination aus Spielszenen, Moderation, Studioszene und Showeinlagen. Im Mittelpunkt der Spielszenen steht Familie Baumann, die in der neugegründeten BRD versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen. Teile: 1. 1950 (87', ESD: 07.02.1979, HH: 41 %) 2. 1951 (101', ESD: 14.02.1979, HH: 39 %) 3. 1952 (87', ESD: 21.02.1979, HH: 42 %) 4. 1953 (98', ESD: 28.02.1979, HH: 44 %) WEIMARS SCHATTEN ÜBER BONN? 20 JAHRE BUNDESREPUBLIK BEOBACHTET VON FRITZ RENÈ ALLEMANN; R: Jürgen Schröder-Jahn, B: Fritz Renè Allemann, P: ZDF, 45', ESD: 25.05.1969, 19:00, ZDF (HH: 4 %) Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1948-1969, BRD Inhalt: In Anlehnung an sein Buch »Bonn ist nicht Weimar« von 1956 wirft Fritz René Allemann einen kritischen Blick auf die Entwicklung der Bundesrepublik anlässlich des 20-jährigen Grundgesetzjubiläums, illustriert durch persönliche Erinnerungen und Erlebnisse sowie in Gesprächen mit Persönlichkeiten aus Politik und Publizistik. WIE LEBTEN WIR VOR 20 JAHREN? EIN GESPRÄCH ÜBER DEN WANDEL DES ALLTÄGLICHEN; B: Rainer Hagen, 90', ESD: 16.10.1975, N3, 20:15 Uhr Form: Gesprächssendung mit Archivbild-Einspielungen, Zeit/Ort: 1955, 1975, BRD Inhalt: Thema ist der Wandel des Alltags, des Privaten seit den 50er Jahren. Als Gäste sind eingeladen: Heilweg von der Mehden, Christa Rotzoll, Uwe Herms, Rudolf Walter Leonhardt und Valentin Polcuch. WIR WUNDERKINDER; R: Kurt Hoffmann, B: Heinz Pauck/Günter Neumann, P: Filmaufbau, KP: 28.10.1958, BRD Form: Kinofilm, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD

A NHANG

| 327

WOHLSTAND FAST FÜR ALLE. LUDWIG ERHARD UND DIE FREIE MARKTWIRTSCHAFT; R+B: Heinz Hemming, 30', ESD: 02.02.1972, ZDF, 22:25 Uhr (HH: 7%) Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1945-1972, BRD Inhalt: Politischer Werdegang Ludwig Erhards anlässlich seines 75. Geburtstags. ZEHN JAHRE DANACH – BUNDESTRAINER HERBERGER TRITT AB. DIE SPORTSCHAU. AUF DER TRIBÜNE; R+B: Fritz Klein/Rudi Michel, P: NDR/SWF, 90', ESD: 28.06.1964, 17:30, ARD Form: Sportdokumentation; Zeit/Ort: 1950er und 1960er Jahre, BRD Inhalt: Zum Rücktritt von Bundestrainer Sepp Herberger werden Ausschnitte und Interviews zum Weltmeisterschafts-Endspiel von 1954 gezeigt. ZUG DER ZEIT; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: SWF, Red.: Günter Handke, 88'10", ESD: 09.05.1967, 21:00, ARD (SB: 44 %) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD Inhalt: Alljährlich ergießt sich ein Strom von Autos, Bussen und Eisenbahnen über die Alpen gen Süden. Verfrorene Nordländer fliehen vor der Kälte und dem Regen. Aber ist es wirklich nur die Sonne, die sie ersehnen? Was treibt den Masseur, die Sekretärin, die Volksschullehrerin, die ledige Telefonistin mit verwitweter Mutter, den Generalvertreter, den Leihbüchereibesitzer und den Frisör an die Adria? Sie wollen den Alltag vergessen, jenen Alltag, der sie alle auffrisst und mit zehrender Unruhe erfüllt. Nur die wenigsten aber finden, was sie suchen: den Wechsel, das große Abenteuer, das neue Leben. ZWANZIG JAHRE D-MARK; R+B: Adolf Althen, P: BR (Wirtschaft), 26'00'', ESD: 16.06.1968, BFS3

W EITERE

ERWÄHNTE

K INOFILME

UND

F ERNSEHSENDUNGEN

… UND ÜBER UNS DER HIMMEL (D 1947) III NACH 9 (N3 1974ff.) AMERICAN GRAFFITI (USA 1973) AUS EIGENER KRAFT (BRD 1954) BERLINER BALLADE (D 1948) BÜRGERKRIEG IN RUSSLAND (ZDF 1967/68) DAMALS (ZDF 1984-2000) DAS BOOT (D 1981, ARD 1985) DAS DRITTE REICH (ARD 1960/1961) DAS HALSTUCH (ARD 1962) DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) DAS WIRTSHAUS IM SPESSART (BRD 1958) DER DRITTE MANN [THE THIRD MAN] (GB 1949) DER GROSSE GATSBY [THE GREAT GATSBY] (USA 1974)

A NHANG

| 327

WOHLSTAND FAST FÜR ALLE. LUDWIG ERHARD UND DIE FREIE MARKTWIRTSCHAFT; R+B: Heinz Hemming, 30', ESD: 02.02.1972, ZDF, 22:25 Uhr (HH: 7%) Form: Geschichtsdokumentation, Zeit/Ort: 1945-1972, BRD Inhalt: Politischer Werdegang Ludwig Erhards anlässlich seines 75. Geburtstags. ZEHN JAHRE DANACH – BUNDESTRAINER HERBERGER TRITT AB. DIE SPORTSCHAU. AUF DER TRIBÜNE; R+B: Fritz Klein/Rudi Michel, P: NDR/SWF, 90', ESD: 28.06.1964, 17:30, ARD Form: Sportdokumentation; Zeit/Ort: 1950er und 1960er Jahre, BRD Inhalt: Zum Rücktritt von Bundestrainer Sepp Herberger werden Ausschnitte und Interviews zum Weltmeisterschafts-Endspiel von 1954 gezeigt. ZUG DER ZEIT; R: Peter Beauvais, B: Horst Lommer, P: SWF, Red.: Günter Handke, 88'10", ESD: 09.05.1967, 21:00, ARD (SB: 44 %) Form: Fernsehspiel, Zeit/Ort: Zeitgenössische Gegenwart, BRD Inhalt: Alljährlich ergießt sich ein Strom von Autos, Bussen und Eisenbahnen über die Alpen gen Süden. Verfrorene Nordländer fliehen vor der Kälte und dem Regen. Aber ist es wirklich nur die Sonne, die sie ersehnen? Was treibt den Masseur, die Sekretärin, die Volksschullehrerin, die ledige Telefonistin mit verwitweter Mutter, den Generalvertreter, den Leihbüchereibesitzer und den Frisör an die Adria? Sie wollen den Alltag vergessen, jenen Alltag, der sie alle auffrisst und mit zehrender Unruhe erfüllt. Nur die wenigsten aber finden, was sie suchen: den Wechsel, das große Abenteuer, das neue Leben. ZWANZIG JAHRE D-MARK; R+B: Adolf Althen, P: BR (Wirtschaft), 26'00'', ESD: 16.06.1968, BFS3

W EITERE

ERWÄHNTE

K INOFILME

UND

F ERNSEHSENDUNGEN

… UND ÜBER UNS DER HIMMEL (D 1947) III NACH 9 (N3 1974ff.) AMERICAN GRAFFITI (USA 1973) AUS EIGENER KRAFT (BRD 1954) BERLINER BALLADE (D 1948) BÜRGERKRIEG IN RUSSLAND (ZDF 1967/68) DAMALS (ZDF 1984-2000) DAS BOOT (D 1981, ARD 1985) DAS DRITTE REICH (ARD 1960/1961) DAS HALSTUCH (ARD 1962) DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (BRD 1958) DAS WIRTSHAUS IM SPESSART (BRD 1958) DER DRITTE MANN [THE THIRD MAN] (GB 1949) DER GROSSE GATSBY [THE GREAT GATSBY] (USA 1974)

328 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

DEUTSCHLAND, BLEICHE MUTTER (BRD 1979) DEUTSCHLANDSPIEGEL (BRD 1954-1999) DIE BERTINIS (ZDF 1988) DIE BLECHTROMMEL (BRD/PL/FR/JUG 1979) DIE BLEIERNE ZEIT (BRD 1981) DIE BRÜCKE (BRD 1959) DIE DREI GESICHTER EINER FRAU [I TRE VOLTI] (I 1964) DIE FAMILIE SCHÖLERMANN (ARD 1954-1960) DIE GOLDENEN ZWANZIGER JAHRE – PORTRÄT EINES JAHRZEHNTS (ARD 1970) DIE HALBSTARKEN (BRD 1956) DIE LETZTE VORSTELLUNG [THE LAST PICTURE SHOW] (USA 1971) DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (D 1946) DIE ROTE OPTIK (ARD 1958-1961) DIE SÜNDERIN (BRD 1951) DIESSEITS UND JENSEITS DER ZONENGRENZE (N3 1958-1960) EIN PLATZ FÜR TIERE (ARD 1956-1987) EINE AUSWÄRTIGE AFFÄRE [A FOREIGN AFFAIR] (USA 1948) EIS AM STIEL [ESKIMO LIMON] (ISR 1978) FÜNF PRÜFUNGEN DES OBERBÜRGERMEISTERS (ZDF 1976) GERMANIA ANNO ZERO (IT 1948) GREASE (USA 1978) GRÜN IST DIE HEIDE (BRD 1951) HAPPY DAYS (ABC 1974-1984) HOLOCAUST (NBC 1978) ICH DENKE OFT AN PIROSCHKA (BRD 1955) IM FERNSEH-ZOO (ARD 1953-1959) IN JENEN TAGEN (D 1947) INTERNATIONALER FRÜHSCHOPPEN (ARD 1952-1987) LIEBE 47 (D 1949) LIEBE, TANZ UND 1000 SCHLAGER (BRD 1955) MENSCHEN AN DER GRENZE (N3 1969) MÜNCHHAUSEN (DR 1943) MÜNCHNER ABENDSCHAU (BR 1954ff.) NEUE DEUTSCHE WOCHENSCHAU (BRD 1950-1963) PANORAMA (ARD 1957ff.) PEPPERMINT-FRIEDEN (BRD 1983) REPORT (ARD 1960ff.) ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (BRD 1959) ROTE ERDE (ARD 1983) SO LEBTEN SIE ALLE TAGE (ARD 1984) STAHLNETZ (ARD 1958-1968) TAGESSCHAU (ARD 1952ff.)

A NHANG

| 329

TOI, TOI, TOI (ARD 1958-1961) UFA-WOCHE (BRD 1956-1977) WANDERUNGEN DURCH DIE MARK BRANDENBURG (ARD 1986) WAS BIN ICH? (ARD 1955-1958) WELT IM BILD (BRD 1952-1956) WENN DIE CONNY MIT DEM PETER (BRD 1958) ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN (D 1947)

ARCHIVALIEN Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main (zit. als DRA) Programminformationen ARD und ZDF Pressematerial, Pressemappen, Broschüren, Publikationen A53: Infratam/Infratest-Bestand Hessischer Rundfunk, Pressedokumentation, Frankfurt Presseausschnittssammlung Norddeutscher Rundfunk, Pressedokumentation, Hamburg Presseausschnittssammlung Presseinformationen Norddeutscher Rundfunk Presseinformationen ARD Staatsarchiv Hamburg – Bestand 621-1/144 Norddeutscher Rundfunk (zit. als Staatsarchiv Hamburg) 190: 1969-1971. Manuskripte und Produktionsunterlagen der Fernsehdokumentation "Die 50er Jahre" von Thilo Koch 1971 Südwestdeutscher Rundfunk, Historisches Archiv, Stuttgart (zit. als SWR HA) - 29/00656 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Drehbücher - 29/00657 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Korrespondenz, Produktionsunterlagen - 29/00658 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Mitwirkende - 29/1363: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1975 - 29/1364: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1976 - 29/1365: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1977

A NHANG

| 329

TOI, TOI, TOI (ARD 1958-1961) UFA-WOCHE (BRD 1956-1977) WANDERUNGEN DURCH DIE MARK BRANDENBURG (ARD 1986) WAS BIN ICH? (ARD 1955-1958) WELT IM BILD (BRD 1952-1956) WENN DIE CONNY MIT DEM PETER (BRD 1958) ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN (D 1947)

ARCHIVALIEN Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main (zit. als DRA) Programminformationen ARD und ZDF Pressematerial, Pressemappen, Broschüren, Publikationen A53: Infratam/Infratest-Bestand Hessischer Rundfunk, Pressedokumentation, Frankfurt Presseausschnittssammlung Norddeutscher Rundfunk, Pressedokumentation, Hamburg Presseausschnittssammlung Presseinformationen Norddeutscher Rundfunk Presseinformationen ARD Staatsarchiv Hamburg – Bestand 621-1/144 Norddeutscher Rundfunk (zit. als Staatsarchiv Hamburg) 190: 1969-1971. Manuskripte und Produktionsunterlagen der Fernsehdokumentation "Die 50er Jahre" von Thilo Koch 1971 Südwestdeutscher Rundfunk, Historisches Archiv, Stuttgart (zit. als SWR HA) - 29/00656 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Drehbücher - 29/00657 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Korrespondenz, Produktionsunterlagen - 29/00658 Fernsehspiel, Was wären wir ohne uns (7.2.-28.2.1979), Mitwirkende - 29/1363: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1975 - 29/1364: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1976 - 29/1365: FS Dramaturgie Fernsehspiel; Bea: Müller-Freienfels, Reinhart – Korrespondenz mit Autoren A-Z, Januar-Dezember 1977

330 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ZDF Unternehmensarchiv, Mainz - Presseinformationen - Presseausschnittssammlung

I NTERVIEWS Interview mit Hannelore Schäfer und Jürgen Schröder-Jahn, 15. Mai 2009 in Hamburg. Interview mit Rainer Hagen, 14. Mai 2009 in Hamburg.

F ILMOGRAFIEN , J AHRBÜCHER , N ACHSCHLAGEWERKE Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Jahrbuch 1969-1990, Hamburg: HansBredow-Institut, 1979-1991. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Fernsehspiel 1977-1985, Köln: Bachem, 1977-1985. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Magazin 1986-1989, Stuttgart: Süddeutscher Rundfunk 1986-1989. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek der Philipps-Universität Marburg. Audiovisueller Medienbestand des Medienzentrums in der Universitätsbibliothek Freiburg. Audiovisueller Medienbestand der Universitätsbibliothek Mannheim. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek des Fachbereichs ›Fachjournalistik Geschichte‹ an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Fernsehspiele in der ARD 1952-1972, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder u. Hans-Wilhelm Lavies, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1986. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Die Fernsehspiele 1973-1977, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1984. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1978-1987, 3 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1988, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1989, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1992.

330 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ZDF Unternehmensarchiv, Mainz - Presseinformationen - Presseausschnittssammlung

I NTERVIEWS Interview mit Hannelore Schäfer und Jürgen Schröder-Jahn, 15. Mai 2009 in Hamburg. Interview mit Rainer Hagen, 14. Mai 2009 in Hamburg.

F ILMOGRAFIEN , J AHRBÜCHER , N ACHSCHLAGEWERKE Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Jahrbuch 1969-1990, Hamburg: HansBredow-Institut, 1979-1991. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Fernsehspiel 1977-1985, Köln: Bachem, 1977-1985. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Magazin 1986-1989, Stuttgart: Süddeutscher Rundfunk 1986-1989. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek der Philipps-Universität Marburg. Audiovisueller Medienbestand des Medienzentrums in der Universitätsbibliothek Freiburg. Audiovisueller Medienbestand der Universitätsbibliothek Mannheim. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek des Fachbereichs ›Fachjournalistik Geschichte‹ an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Fernsehspiele in der ARD 1952-1972, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder u. Hans-Wilhelm Lavies, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1986. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Die Fernsehspiele 1973-1977, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1984. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1978-1987, 3 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1988, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1989, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1992.

330 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

ZDF Unternehmensarchiv, Mainz - Presseinformationen - Presseausschnittssammlung

I NTERVIEWS Interview mit Hannelore Schäfer und Jürgen Schröder-Jahn, 15. Mai 2009 in Hamburg. Interview mit Rainer Hagen, 14. Mai 2009 in Hamburg.

F ILMOGRAFIEN , J AHRBÜCHER , N ACHSCHLAGEWERKE Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Jahrbuch 1969-1990, Hamburg: HansBredow-Institut, 1979-1991. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Fernsehspiel 1977-1985, Köln: Bachem, 1977-1985. Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) (Hg.): ARD-Magazin 1986-1989, Stuttgart: Süddeutscher Rundfunk 1986-1989. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek der Philipps-Universität Marburg. Audiovisueller Medienbestand des Medienzentrums in der Universitätsbibliothek Freiburg. Audiovisueller Medienbestand der Universitätsbibliothek Mannheim. Audiovisueller Medienbestand der Mediathek des Fachbereichs ›Fachjournalistik Geschichte‹ an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Fernsehspiele in der ARD 1952-1972, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder u. Hans-Wilhelm Lavies, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1986. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Die Fernsehspiele 1973-1977, 2 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, Frankfurt am Main: Deutsches Rundfunkarchiv 1984. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1978-1987, 3 Bde., zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1988, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1991. Deutsches Rundfunkarchiv (Hg.): Lexikon der Fernsehspiele 1989, zusammengest. und bearb. v. Achim Klünder, München: Saur 1992.

A NHANG

| 331

Fernsehserien.de – Episodenführer, Spoiler, TV-Serien-Infos (http://www.fernseh serien.de). Zugriff am 23.09.2012. FESAD-Dokumentationssystem, Stand: 29.06.2010. Filmportal.de – Alles zum Deutschen Film (http://www.filmportal.de). Zugriff am 23.09.2012. IMDb – Movies, TV and Celebrities (http://www.imdb.de). Zugriff am 23.09.2012. Netenjakob, Egon: TV-Filmlexikon. Regisseure, Autoren, Dramaturgen. 19521992, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch 1994. Norddeutscher Rundfunk (Hg.): Fernsehspiel 1962/63-1976, Hamburg: Norddeutscher Rundfunk 1963-1976. Sender Freies Berlin (Hg.): Fernsehspiele 1968-1976, Berlin: Sender Freies Berlin, 1968-1976. Reufsteck, Michael/Niggemeier, Stefan: Das Fernsehlexikon. Alles über 7000 Sendungen von Ally McBeal bis zur ZDF-Hitparade, München: Goldmann 2005. TV-Programme von Gestern und Vorgestern (http://www.tvprogramme.net). Zugriff am 23.09.2012. Westdeutscher Rundfunk (Hg.): Fernsehspiele 1963-1976 [bis 1968 u.d.T.: Fernsehspiele im Westdeutschen Rundfunk], Köln: Pressestelle 1963-1976. Wunschliste.de – Das TV- und Fernsehserien-Infoportal (http://www.wunsch liste.de). Zugriff am 23.09.2012. Zeutzschel, Günter: Das Fernsehspiel-Archiv, Karlsruhe: Zeutzschel [1970-1997: Rheinverlag] 1966-1997. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): ZDF-Jahrbuch 1962/64-1989 [bis 1972 u.d.T.: Jahrbuch / Zweites Deutsches Fernsehen], Mainz: ZDF 1964-1990. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Das Fernsehspiel im ZDF 1 (1973) bis 50 (1985), Mainz: ZDF 1973-1985. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Das Fernsehspiel im ZDF. Sonderhefte, Mainz: ZDF 1973-1985. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Spiel im ZDF. Fernsehspiel, Spielfilm, Schauspiel, Dokumentarspiel, Reihen 1 (1985) bis 5 (1989), Mainz: ZDF 19851989. Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.): Von Weimar nach Bonn. Dreißig Jahre deutsche Geschichte in ZDF-Fernsehspielen und -Dokumentationen. 15. November 1988 bis 24. Mai 1989, Mainz: ZDF 1988.

L ITERATUR Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945-1953; 1953-1955; 1955-1959; 1959-1963. Fragmente, Stuttgart: DVA 1965-1968. Agde, Günter: Flimmernde Versprechen. Geschichte des deutschen Werbefilms im Kino seit 1897, Berlin: Das Neue Berlin 1998.

A NHANG

| 331

Fernsehserien.de – Episodenführer, Spoiler, TV-Serien-Infos (http://www.fernseh serien.de). Zugriff am 23.09.2012. FESAD-Dokumentationssystem, Stand: 29.06.2010. Filmportal.de – Alles zum Deutschen Film (http://www.filmportal.de). Zugriff am 23.09.2012. IMDb – Movies, TV and Celebrities (http://www.imdb.de). Zugriff am 23.09.2012. Netenjakob, Egon: TV-Filmlexikon. Regisseure, Autoren, Dramaturgen. 19521992, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch 1994. Norddeutscher Rundfunk (Hg.): Fernsehspiel 1962/63-1976, Hamburg: Norddeutscher Rundfunk 1963-1976. Sender Freies Berlin (Hg.): Fernsehspiele 1968-1976, Berlin: Sender Freies Berlin, 1968-1976. Reufsteck, Michael/Niggemeier, Stefan: Das Fernsehlexikon. Alles über 7000 Sendungen von Ally McBeal bis zur ZDF-Hitparade, München: Goldmann 2005. TV-Programme von Gestern und Vorgestern (http://www.tvprogramme.net). Zugriff am 23.09.2012. Westdeutscher Rundfunk (Hg.): Fernsehspiele 1963-1976 [bis 1968 u.d.T.: Fernsehspiele im Westdeutschen Rundfunk], Köln: Pressestelle 1963-1976. Wunschliste.de – Das TV- und Fernsehserien-Infoportal (http://www.wunsch liste.de). Zugriff am 23.09.2012. Zeutzschel, Günter: Das Fernsehspiel-Archiv, Karlsruhe: Zeutzschel [1970-1997: Rheinverlag] 1966-1997. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): ZDF-Jahrbuch 1962/64-1989 [bis 1972 u.d.T.: Jahrbuch / Zweites Deutsches Fernsehen], Mainz: ZDF 1964-1990. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Das Fernsehspiel im ZDF 1 (1973) bis 50 (1985), Mainz: ZDF 1973-1985. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Das Fernsehspiel im ZDF. Sonderhefte, Mainz: ZDF 1973-1985. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) (Hg.): Spiel im ZDF. Fernsehspiel, Spielfilm, Schauspiel, Dokumentarspiel, Reihen 1 (1985) bis 5 (1989), Mainz: ZDF 19851989. Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.): Von Weimar nach Bonn. Dreißig Jahre deutsche Geschichte in ZDF-Fernsehspielen und -Dokumentationen. 15. November 1988 bis 24. Mai 1989, Mainz: ZDF 1988.

L ITERATUR Adenauer, Konrad: Erinnerungen 1945-1953; 1953-1955; 1955-1959; 1959-1963. Fragmente, Stuttgart: DVA 1965-1968. Agde, Günter: Flimmernde Versprechen. Geschichte des deutschen Werbefilms im Kino seit 1897, Berlin: Das Neue Berlin 1998.

332 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Allemann, Fritz René: Bonn ist nicht Weimar, Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1956. Al-Safi, Jasmin/Dunker, Christine/Willkomm, Hanno: »Die Wochenschau als Vorläuferin der Tagesschau? Politische Themen in beiden Formaten«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 61-66. Altenhoff, Andreas: »Bunte Chronik der Fünfziger«, in: Bänsch, Dieter (Hg.), Die fünfziger Jahre – Beiträge zu Politik und Kultur, Tübingen: Narr 1985, S. 413444. Andersen, Arne: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt am Main: Campus 1997. Appeldorn, Werner van: Handbuch der Film- und Fernseh-Produktion. Psychologie, Gestaltung, Technik, München: TR 1984. Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München: Beck 1999. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München: Beck 2006. Assmann, Jan: »Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität«, in: Assmann, Jan/Hölscher, Tonio (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, S. 9-19. Baacke, Dieter: »Nostalgie. Zu einem Phänomen ohne Theorie«, in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 17, Mannheim u.a.: Bibliographisches Institut 1976, S. 449-452. Bänsch, Dieter (Hg.): Die fünfziger Jahre. Beiträge zu Politik und Kultur, Tübingen: Narr 1985. Becker, Wolfgang/Quandt, Siegfried: Das Fernsehen als Vermittler von Geschichtsbewußtsein. 1989 als Jubiläumsjahr, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung 1991. Benjamin, Walter/Tiedemann, Rolf: Das Passagen-Werk, Bd. 1, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983. Bessen, Ursula: Trümmer und Träume. Nachkriegszeit und fünfziger Jahre auf Zelluloid. Deutsche Spielfilme als Zeugnisse ihrer Zeit, Bochum: Brockmeyer 1989. Bleicher, Joan Kristin: »Institutionengeschichte des bundesrepublikanischen Fernsehens«, in: Kreuzer, Helmut/Thomsen, Christian W. (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hg. v. Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 67-134. Bleicher, Joan Kristin: »Anmerkungen zur Rolle der Autoren in der historischen Entwicklung des deutschen Fernsehens«, in: Faulstich, Werner (Hg.), Vom ›Autor‹ zum Nutzer. Handlungsrollen im Fernsehen (= Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland; 5), München: Wilhelm Fink 1994, S. 2761.

A NHANG

| 333

Bliersbach, Gerhard: So grün war die Heide. Der deutsche Nachkriegsfilm in neuer Sicht, Weinheim/Basel: Beltz 1985. Bösch, Frank: »Das ›Dritte Reich‹ ferngesehen. Geschichtsvermittlung in der historischen Dokumentation«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), S. 204-220. Bösch, Frank: »Historische Skandalforschung als Schnittstelle zwischen Medien-, Kommunikations- und Geschichtswissenschaft«, in: Crivellari, Fabio/Kirchmann, Kay/Sandl, Marcus u.a. (Hg.), Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Unter Mitarbeit von Sven Grampp (= Historische Kulturwissenschaft; 4), Konstanz 2004, S. 445464. Bösch, Frank: »Holokaust mit ›K‹. Audiovisuelle Narrative in neueren Fernsehdokumentationen«, in: Paul, Gerhard (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 317-332. Bösch, Frank: »Film, NS-Vergangenheit und Geschichtswissenschaft. Von ›Holocaust‹ zu ›Der Untergang‹«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), S. 1-32. Bösch, Frank: »Geschichte mit Gesicht. Zur Genese des Zeitzeugen in HolocaustDokumentationen seit den 1950er Jahren«, in: Fischer, Thomas/Wirtz, Rainer (Hg.), Alles authentisch? Popularisierung der Geschichte im Fernsehen, Konstanz: UVK 2008, S. 51-72. Bösch, Frank: »›Keine Experimente‹. Adenauer als alternder Staatsmann«, in: Paul, Gerhard (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 194-201. Bösch, Frank: »Der Nationalsozialismus im Dokumentarfilm. Geschichtsschreibung im Fernsehen, 1950-1990«, in: Bösch, Frank/Groschler, Constantin (Hg.), Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 52-76. Bösch, Frank: »Umbrüche in die Gegenwart. Globale Ereignisse und Krisenreaktionen um 1979«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 9.1 (2012) (http://www.zeithistorische-forschungen.de /16126041-Boesch-1-2012). Zugriff am 23.09.2012. Borchardt, Knut: »Zäsuren in der wirtschaftlichen Entwicklung. Zwei, drei oder vier Perioden?«, in: Broszat, Martin (Hg.), Zäsuren nach 1945. Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte, München: Oldenbourg 1990, S. 21-33. Borngräber, Christian (Hg.): Stil novo, Design in den 50er Jahren. Phantasie und Phantastik, Frankfurt am Main: Fricke 1979. Borries, Bodo von: »Was ist dokumentarisch am Dokumentarfilm? Eine Anfrage aus geschichtsdidaktischer Sicht«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 52 (2001), S. 220-227.

334 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Bracher, Karl Dietrich: »Die Kanzlerdemokratie«, in: Löwenthal, Richard/Schwarz, Hans-Peter (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Stuttgart: Seewald 1974, S. 179-202. Brockmann, Andrea: Erinnerungsarbeit im Fernsehen. Das Beispiel des 17. Juni 1953, Köln: Böhlau 2006. Brüggemeier, Franz-Josef: Zurück auf dem Platz. Deutschland und die FußballWeltmeisterschaft 1954, München: DVA 2004. Buchloh, Stephan: »Fernsehästhetik, Filmkunst oder Kommerzkino? Das Film/ Fernseh-Abkommen der Jahre 1974 bis 1990 im Streit der Interessen«, in: Rundfunk und Geschichte 32,1-2 (2006), S. 5-17. Buchloh, Stephan: ›Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich‹. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas, Frankfurt am Main: Campus 2002. Bude, Heinz: Das Altern einer Generation. Die Jahrgänge 1938 bis 1948, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995. Bude, Heinz: »Die 50er Jahre im Spiegel der Flakhelfer- und der 68er-Generation«, in: Reulecke, Jürgen (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, S. 145-158. Burda, Franz (Hg.): Konrad Adenauer. Ein Gedenkband aus dem Burda-Verlag, Offenburg: Burda 1967. Burghardt, Kirsten: Werk, Skandal, Exempel. Tabudurchbrechung durch fiktionale Modelle: Willi Forsts ›Die Sünderin‹ (BR Deutschland, 1951), München: Diskurs Film Verlag 1996. Chieregato, Tina/Combüchen, Laura: »Die Rezeption der Wochenschauen«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 51-54. Classen, Christoph: »Die Fernsehserie ›Holocaust‹ (1979). Rückblicke auf eine ›betroffene Nation‹. Beiträge und Materialien«, in: Zeitgeschichte-online (2005) (http://www.zeitgeschichte-online.de/md=FSHolocaust-Inhalt). Zugriff am 23.09.2012. Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München: Siedler 2009. Conze, Werner/Lepsius, Mario Rainer (Hg.): Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum Kontinuitätsproblem, Stuttgart: Klett-Cotta 1983. Cornelißen, Christoph: »Was heißt Erinnerungskultur? Begriff – Methoden – Perspektiven«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003), S. 548-563. Czarnetzki, David/Meng, Michaela: »Arbeit unter Hochspannung. Zur Produktionsweise der Wochenschauen in Hamburg«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 29-32. Czerwinski, Margarete/Meyer, Birgit: »Die Wochenschau als UnterhaltungsSpiegel der Gesellschaft? Die nicht-politischen Themen in den Wochenschauen«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 59-60.

A NHANG

| 335

Demantowsky, Marko: »Der Zusammenhang und die Differenzen von ›Erinnerungskultur‹ und ›Geschichtskultur‹«, in: Loesdau, Alfred/Meier, Helmut (Hg.), Erinnerungskultur in unserer Zeit – Zur Verantwortung des Historikers – Beiträge eines Kolloquiums zum 70. Geburtstag von Helmut Meier, Berlin: TrafoVerl. Weist 2005, S. 43-61. Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hg.): Verhandlungen des Deutschen Bundestages. 5. Wahlperiode. Stenographische Berichte, Bd. 60, 1.-24. Sitzung, Bonn 1965. Deutscher Ring Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (Hg.): Die 50er Jahre. Blickpunkt Deutschland – eine Materialsammlung, Hamburg: Deutscher Ring, Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft 1978. Dika, Vera: Recycled culture in contemporary art and film. The uses of nostalgia, Cambridge/New York: Cambridge University Press 2003. Dönhoff, Marion: Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer. Kritik und Perspektiven, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1963. Doering-Manteuffel, Anselm: Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983. Doering-Manteuffel, Anselm: »Deutsche Zeitgeschichte nach 1945«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 41 (1993), S. 1-29. Doering-Manteuffel, Anselm/Raphael, Lutz: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008. Dreckmann, Wiebke/Zietemann, Britta: »Sprache und Sprecher in der Wochenschau«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 43-46. Dussel, Konrad: Die Interessen der Allgemeinheit vertreten. Die Tätigkeit der Rundfunk- und Verwaltungsräte von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk 1949 bis 1969, Baden-Baden 1995. Dussel, Konrad: »Vom Radio- zum Fernsehzeitalter. Medienumbrüche in sozialgeschichtlicher Perspektive«, in: Schildt, Axel/Siegfried, Detlef/Lammers, Karl Christian (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 673-694. Ebbrecht, Tobias: Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis. Filmische Narrationen des Holocaust, Bielefeld: transcript 2011. Elsaesser, Thomas: Der Neue Deutsche Film. Von den Anfängen bis zu den neunziger Jahren, München: Heyne 1994. Elsaesser, Thomas: Rainer Werner Fassbinder, Berlin: Bertz 2001. Elsner, Monika/Müller, Thomas: »Der angewachsene Fernseher«, in: Gumbrecht, Hans Ulrich/Pfeiffer, Karl Ludwig/Elsner, Monika (Hg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 392-415. Elsner, Monika/Müller, Thomas/Spangenberg, Peter M.: »Zur Entstehungsgeschichte des Dispositivs Fernsehen in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre«, in: Kreuzer, Helmut/Thomsen, Christian W. (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Institution, Technik und Programm.

336 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hg. v. Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 31-66. Elsner, Monika/Müller, Thomas/Spangenberg, Peter M.: »Der lange Weg eines schnellen Mediums. Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens«, in: Uricchio, William (Hg.), Die Anfänge des deutschen Fernsehens. Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945, Tübingen: Niemeyer 1991, S. 153-207. Erll, Astrid: »Medien und Gedächtnis. Aspekte interdisziplinärer Forschung«, in: Frank, Michael C./Rippl, Gabriele/Assmann, Aleida (Hg.), Arbeit am Gedächtnis – Für Aleida Assmann, Paderborn/München: Fink 2007, S. 87-98. Erll, Astrid: Prämediation – Remediation. Repräsentationen des indischen Aufstands in imperialen und post-kolonialen Medienkulturen (von 1857 bis zur Gegenwart), Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier 2007. Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart: Metzler 2005. Esterer, Wolfgang: »Ein Medium der meisterhaften Verkürzung«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 25-28. Fahr-Becker, Gabriele: Die Fünfziger. Stilkonturen eines Jahrzehnts. Italien, Skandinavien, Frankreich, Deutschland, USA, Polen, England, Niederlande [Ausstellung 13.1.-26.2.84, Museum Villa Stuck], München: Museum Villa Stuck 1984. Fehrenbach, Heide: Cinema in democratizing Germany. Reconstructing national identity after Hitler, Chapel Hill, NC, London: University of North Carolina Press 1995. Feldvoß, Marli: »Wer hat Angst vor Rosemarie Nitribitt? Eine Chronik mit Mord, Sitte und Kunst aus den fünfziger Jahren«, in: Hoffmann, Hilmar/Schobert, Walter (Hg.), Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 164-182. Fischer, Robert (Hg.): Fassbinder über Fassbinder. Die ungekürzten Interviews, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2004. Fischer, Thomas: »Geschichte als Ereignis. Das Format Zeitgeschichte im Fernsehen«, in: Crivellari, Fabio/Kirchmann, Kay/Sandl, Marcus u.a. (Hg.), Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive, Konstanz: UVK 2004, S. 511-529. Fischer, Thomas: »Die zeitgeschichtliche Dokumentation«, in: Kopitzke, Oliver (Hg.), Kulturdokumentationen im Südwestrundfunk. Sendereihen, Formate und ihre Entwicklung, Baden-Baden: Südwestrundfunk 2006, S. 14-15. Fischer, Volker: Nostalgie. Geschichte und Kultur als Trödelmarkt, Luzern/Frankfurt am Main: Bucher 1980. Franck, Dieter: »Die historische Dokumentation«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 49-53. Fried, Ferdinand: »Die goldenen Fünfziger«, in: Die Welt, 18.4., 22.4., 25.4, 29.4. 1959.

A NHANG

| 337

Frese, Matthias/Paulus, Julia/Teppe, Karl (Hg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn: Schöningh 2003. Fröschle, Ulrich/Mottel, Helmut: »›S‫ތ‬ist krieg, s‫ތ‬ist krieg‹ – Krieg im westdeutschen ›Antikriegsfilm‹ der fünfziger Jahre«, in: Segeberg, Harro (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 19501963, Paderborn: Fink 2009, S. 367-410. Fuhrmann, Hans-Peter: »Sprechereinsatz und Musik«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 47-50. Garncarz, Joseph: »Von der Bilderschau zur Nachrichtensendung. Der Wandel der ›Tagesschau‹ in den 50er Jahren«, in: Rundfunk und Geschichte 28.3/4 (2002), S. 122-128. Gieseler, Ildiko: »Das Archiv der Deutschen Wochenschau«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 73-80. Glaser, Hermann: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2: Zwischen Grundgesetz und Großer Koalition 1949-1967, München: Hanser 1986. Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main: Fischer 2004. Grajczyk, Andreas/Klingler, Walter/Roters, Gunnar: »Erinnerungsinteresse an zeitgeschichtlichen Ereignissen im Spiegel der Fernsehforschung«, in: Klingler, Walter/Roters, Gunnar/Zöllner, Oliver (Hg.), Fernsehforschung in Deutschland. Themen – Akteure – Methoden, Baden-Baden: Nomos 1998, S. 365-384. Greffrath, Bettina: Gesellschaftsbilder der Nachkriegszeit. Deutsche Spielfilme 1945-1949 (= Reihe Medienwissenschaft; 9), Pfaffenweiler: Centaurus 1995. Greis, Otto: Bilder der 50er Jahre. Ausstellung: Oktober-Dezember 1975 [Galerie Moderner Kunst, Frankfurt], Frankfurt am Main: o. Verl. 1975. Greis, Tina Andrea: Der bundesdeutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre, Frankfurt am Main: o. Verl. 1992. Grever, Maria: Historical culture, plurality and the nation-state. Vortrag in Freiburg vom 11. Dezember 2008 (Manuskript). Gries, Rainer: »Mythen des Anfangs«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 18-19 (2005), S. 12-18. Gries, Rainer: »Waren und Produkte als Generationenmarker. Generationen der DDR im Spiegel ihrer Produkthorizonte«, in: Schüle, Annegret/Ahbe, Thomas/Greis, Rainer (Hg.), Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive – eine Inventur, Leipzig: Leipziger Univ.-Verl 2006, S. 271-304. Gries, Rainer: »Coca-Cola. Globale Werbeikone und Symbol der Amerikanisierung«, in: Paul, Gerhard (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 162-169. Gries, Rainer: »Generation und Konsumgesellschaft«, in: Haupt, HeinzGerhard/Torp, Claudius (Hg.), Die Konsumgesellschaft in Deutschland 18901990 – Ein Handbuch, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 190-204.

338 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Gries, Rainer/Ilgen, Volker/Schindelbeck, Dirk: Gestylte Geschichte. Vom alltäglichen Umgang mit Geschichtsbildern, Münster: Westfälisches Dampfboot 1989. Gries, Rainer/Ilgen, Volker/Schindelbeck, Dirk: ›Ins Gehirn der Masse kriechen!‹. Werbung und Mentalitätsgeschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995. Grieser, Helmut: »Konrad Adenauer im Urteil der Forschung«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 27 (1976), S. 25-47. Grieser, Helmut: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 32 (1981), S. 372-390, 437-453, 506-520. Grieser, Helmut: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 34 (1983), S. 785-804. Grieser, Helmut: »Deutsche Geschichte seit 1945«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 35 (1984), S. 38-64, 97-120, 159-188, 240-262. Gröschl, Jutta: Die Deutschlandpolitik der vier Großmächte in der Berichterstattung der deutschen Wochenschauen 1945-1949. Ein Beitrag zur Diskussion um den Film als historische Quelle, Berlin/New York: de Gruyter 1997. Gumprecht, Hans-Peter: »Die Produktion von journalistischen Sendungen. Wenig Zeit und knappes Geld«, in: Blaes, Ruth/Heussen, Gregor Alexander (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK 1997, S. 391-404. Hake, Sabine: Film in Deutschland. Geschichte und Geschichten seit 1895, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2004. Hallenberger, Gerd: »Graue Tage, Bunte Abende. Wege zur Fernsehshow«, in: Mühl-Benninghaus, Wolfgang (Hg.), Drei Mal auf Anfang. Fernsehunterhaltung in Deutschland, Berlin: Vistas 2006, S. 139-160. Handro, Saskia: »›Erinnern Sie sich.‹ Zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Fernsehen«, in: Popp, Susanne/Sauer, Michael/Alavi, Bettina u.a. (Hg.), Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung, Göttingen: V und R Unipress 2010, S. 201-218. Harbecke, Ulrich: »›Abenteuer Bundesrepublik‹«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen – ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 145-149. Hartlieb, Gundolf: In diesem Ozean der Erinnerung. Edgar Reitz' Filmroman Heimat – ein Fernsehereignis und seine Kontexte, Siegen: Universität Siegen 2004. Hasberg, Wolfgang: »Erinnerungs- oder Geschichtskultur? Überlegungen zu zwei (un-) vereinbaren Konzeptionen zum Umgang mit Gedächtnis und Geschichte«, in: Hartung, Olaf (Hg.), Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft (= Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte; 52), Bielefeld: Verl. für Regionalgeschichte 2006, S. 32-59. Hasselbring, Bettina: »Einführung des Werbefernsehens in Bayern (1956)«, in: Rundfunk und Geschichte 23 (1997), S. 111-118. Heer, Hannes/Ullrich, Volker (Hg.): Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1985.

A NHANG

| 339

Helmes-Conzett, Cornelius: Mode – Geschichte – Politik. Die 50er Jahre und die politischen Generationen der Bundesrepublik, Hamburg: Kovac 1995. Herbert, Ulrich: »Drei politische Generationen im 20. Jahrhundert«, in: Reulecke, Jürgen (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien; 58), München: Oldenbourg 2003, S. 95-114. Hertfelder, Thomas: »›Modell Deutschland‹. Erfolgsgeschichte oder Illusion?«, in: Hertfelder, Thomas/Rödder, Andreas (Hg.), Modell Deutschland. Erfolgsgeschichte oder Illusion? Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2007, S. 9-27. Heussen, Gregor Alexander: »Handlungsabläufe. Von der Idee zur Sendung«, in: Blaes, Ruth/Heussen, Gregor Alexander (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK 1997, S. 354-369. Heussen, Gregor Alexander/Blaes, Ruth: »Rollen im Fernsehen. Autor, Regie, Redaktion, Produktion, Planung, Führung«, in: Blaes, Ruth/Heussen, Gregor Alexander (Hg.), ABC des Fernsehens, Konstanz: UVK 1997, S. 341-353. Hickethier, Knut: Das Fernsehspiel der Bundesrepublik. Themen, Form, Struktur, Theorie und Geschichte, 1951-1977, Stuttgart: Metzler 1980. Hickethier, Knut: »Militär und Krieg. 08/15 (1954)«, in: Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hg.), Fischer-Filmgeschichte. 100 Jahre Film 1895-1995, Bd. 3: Auf der Suche nach Werten (1945-1960), Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1990, S. 222-251. Hickethier, Knut: Geschichte der Fernsehkritik in Deutschland, Berlin: Ed. Sigma 1994. Hickethier, Knut: »Dispositiv Fernsehen. Skizze eines Modells«, in: montage/av 4.1 (1995), S. 63-83. Hickethier, Knut: »Die jungen Männer des Wirtschaftswunders. Hanns Lothar, Robert Graf, Wolfgang Kieling und ihre Rollen«, in: Koebner, Thomas (Hg.), Idole des deutschen Films – Eine Galerie von Schlüsselfiguren, München: Ed. Text + Kritik 1997, S. 347-362. Hickethier, Knut: »Film und Fernsehen als Mediendispositive in der Geschichte«, in: Hickethier, Knut (Hg.), Der Film in der Geschichte – Dokumentation der GFF-Tagung, Berlin: Ed. Sigma 1997, S. 63-73. Hickethier, Knut: Die Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart: Metzler 1998. Hickethier, Knut: »Ein staatliches Informationsorgan? Zur Organisation der Wochenschau nach 1945«, in: Hamburger Hefte zur Medienkultur 6 (2003), S. 2124. Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse, 4., akt. u. erw. Aufl., Stuttgart: Metzler 2007. Hickethier, Knut: »Das bundesdeutsche Kino der fünfziger Jahre. Zwischen Kulturindustrie und Handwerksbetrieb«, in: Segeberg, Harro (Hg.), Mediale Mobilma-

340 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

chung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 33-60. Hickethier, Knut: »›Zähne hoch und Kopf zusammenbeißen‹. Filmkomödien und der Komiker Heinz Erhardt«, in: Segeberg, Harro (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 199-222. Hißnauer, Christian: »›Unten waren elf. Oben war die ganze Welt‹. Die Rethematisierung des Grubenunglücks von Lengede im Dokumentarspiel und als Gesprächsfilm«, in: Hißnauer, Christian/Jahn-Sudmann, Andreas (Hg.), Medien – Zeit – Zeichen. Dokumentation des 19. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums 2006, Marburg: Schüren 2007, S. 45-53. Hobsbawm, Eric J.: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 8. Aufl., München: dtv 2007. Hodenberg, Christina von: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen: Wallstein 2006. Hodenberg, Christina von: »Der Kampf um die Redaktionen. ›1968‹ und der Wandel der westdeutschen Massenmedien«, in: Hodenberg, Christina von/Siegfried, Detlef (Hg.), Wo ›1968‹ liegt. Reform und Revolte in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2006, S. 139-163. Hoffmann, Hilmar/Schobert, Walter (Hg.): Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989. Höfig, Willi: Der deutsche Heimatfilm. 1947-1960, Stuttgart: Enke 1973. Holzamer, Karl: »Konrad Adenauer und das Fernsehen«, in: Hase, Karl-Günther von (Hg.), Konrad Adenauer und die Presse (= Rhöndorfer Gespräche; 9), Bonn: Bouvier 1988, S. 84-89. Horn, Sabine: Erinnerungsbilder. Auschwitz-Prozess und Majdanek-Prozess im westdeutschen Fernsehen, Essen: Klartext 2009. Horsch, Franziska/Schuster, Marcus: »Der tägliche 15-Minuten-Cocktail. Nachrichtenauswahl und Themensetzung«, in: Matzen, Nea/Radler, Christian (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 59-84. Jaedicke, Horst: Tatort Tagesschau. Eine Institution wird 50, München: Allitera 2002. Jaeger, Henry: Rebellion der Verlorenen, Wien/München: Desch 1963. Janke, Hans: »EVENTuell. Über die Erfolgsbedingungen der Event-Produktion«, in: Cippitelli, Claudia/Schwanebeck, Axel (Hg.), Fernsehen macht Geschichte. Vergangenheit als TV-Ereignis, Baden-Baden: Nomos 2009, S. 57-64. Jansen, Peter W.: »›Ich bin in dem Maße ehrlich, in dem mich die Gesellschaft ehrlich sein lässt.‹ [1978]. Rainer Werner Fassbinders Versuch eines Blickes auf Deutschland, seine Arbeit und sich selbst«, in: Fischer, Robert (Hg.), Fassbinder

A NHANG

| 341

über Fassbinder. Die ungekürzten Interviews, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2004, S. 415-443. Jarausch, Konrad H. (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008. Jary, Micaela: Traumfabriken made in Germany. Die Geschichte des deutschen Nachkriegsfilms 1945-1960, Berlin: Edition q 1993. Jeismann, Karl-Ernst: »›Identität‹ statt ›Emanzipation‹? Zum Geschichtsbewußtsein in der Bundesrepublik«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20-21 (1985), S. 316. Jordan, Günter: »Der Augenzeuge«, in: Filmmuseum Potsdam (Hg.), Schwarzweiß und Farbe. DEFA-Dokumentarfilme 1946-92, Berlin: Jovis 1996, S. 270-293. Jungwirth, Nikolaus/Kromschröder, Gerhard: Die Pubertät der Republik. Die 50er Jahre der Deutschen, Reinbek: Rowohlt 1983. Kaes, Anton: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film, München: Ed. Text + Kritik 1987. Kansteiner, Wulf: »Die Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses im Zeitalter seiner kommerziellen Reproduktion. Hitler und das ›Dritte Reich‹ in den Fernsehdokumentationen von Guido Knopp«, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 626-648. Kansteiner, Wulf: »Ein Völkermord ohne Täter? Die Darstellung der ›Endlösung‹ in den Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens«, in: Zuckermann, Moshe (Hg.), Medien – Politik – Geschichte (= Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte; 31), Göttingen: Wallstein 2003, S. 253-286. Kansteiner, Wulf: »Nazis, Viewers and Statistics. Television History, Television Audience Research and Collective Memory in West Germany«, in: Journal of Contemporary History 39.4 (2004), S. 575-598. Keilbach, Judith: Geschichtsbilder und Zeitzeugen. Zur Darstellung des Nationalsozialismus im bundesdeutschen Fernsehen (= Medien’Welten; 8), Münster: Lit 2008 Klein, Gabriele: »Geschichte oder Geschichten? Zahlen und Analysen zu zwei Wochen Historie im Fernsehen«, in: Kröll, Ulrich (Hg.), Massenmedien und Geschichte. Presse, Rundfunk und Fernsehen als Geschichtsvermittler, Münster: Regensberg 1989, S. 63-88. Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970 (= Schriftenreihe/Bundeszentrale für Politische Bildung; 265), Bonn: BpB 1988. Kleßmann, Christoph: »Ein stolzes Schiff und krächzende Möwen. Die Geschichte der Bundesrepublik und ihre Kritiker«, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), S. 476-494. Klinsky, Emilian J./Reich, Hanns: Bilder schreiben Geschichte. Deutschland 1945 bis heute, 3., erw. Aufl., München: Hanns Reich Verlag 1964. Kloft, Michael: »Ich habe einen Heidenrespekt vor dem Dokument«, in: Wolf, Fritz (Hg.), Trends und Perspektiven für die dokumentarische Form im Fernsehen, in:

342 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Dokville vom Juni 2005 (www.dokville.de/dokville2005/schriften/FritzWolf.pdf). Zugriff am 1. Dezember 2013, S. 44-57. Knopp, Guido/Block, Elfriede: »Im Gespräch mit Guido Knopp. ›Es gibt kaum etwas Brisanteres als Zeitgeschichte‹«, in: ZDF Presse Journal 10 (1984), S. 5-9. Knopp, Guido: »Geschichte im Fernsehen. Perspektiven der Praxis«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 3-9. Knopp, Guido: »Suche nach Orientierung. Nachkriegsgeschichte im Fernsehen«, in: Weiterbildung und Medien 2 (1988), S. 22-26. Knopp, Guido: »Akzente gegen das Vergessen. Zehn Jahre Redaktion Zeitgeschichte im ZDF«, in: Quandt, Siegfried/Schichtel, Horst (Hg.), Fachjournalismus Geschichte. Das Gießener Modell, Marburg: Hitzeroth 1995, S. 99-109. Knopp, Guido: »Aufklärung braucht Reichweite. Aus der Redaktion Zeitgeschichte«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDF Jahrbuch 1998, Mainz 1999, S. 68-69. Knopp, Guido: »20 Jahre Zeitgeschichte«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDF-Jahrbuch 2004, Mainz 2005, S. 130-132. Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.): Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988. Koch, Werner: Der Zwang zum Bild. Geschichte im Fernsehen, Stuttgart: Steiner 1988. Koebner, Thomas: »Das Fernsehspiel – Themen und Motive«, in: Rüden, Peter von (Hg.), Das Fernsehspiel. Möglichkeiten und Grenzen, München: Fink 1975, S. 20-65. König, Wolfgang: »Die siebziger Jahre als konsumgeschichtliche Wende in der Bundesrepublik«, in: Jarausch, Konrad H. (Hg.), Das Ende der Zuversicht? – Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 84-99. Kolár, Pavel: »Historisierung. Version: 1.0«, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010 (2010) (http://docupedia.de/zg/Historisierung?oldid=75522). Zugriff am 23.09.2012. Korte, Barbara/Paletschek, Sylvia: »Geschichte in populären Medien und Genres. Vom Historischen Roman zum Computerspiel«, in: Korte, Barbara/Paletschek, Sylvia (Hg.), History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres, Bielefeld: transcript 2009, S. 9-60. Korte, Helmut: Einführung in die systematische Filmanalyse. Ein Arbeitsbuch, 3., überarb. u. erw. Aufl., Berlin: Erich Schmidt 2004. Korte, Karl-Rudolf: Der Standort der Deutschen. Akzentverlagerungen der deutschen Frage in der Bundesrepublik Deutschland seit den siebziger Jahren, Köln: Verl. Wiss. u. Politik 1990. Kübler, Hans-Dieter: »Die Aura des Wahren oder die Wirklichkeit der Fernsehnachrichten«, in: Kreuzer, Helmut/Prümm, Karl (Hg.), Fernsehsendungen und

A NHANG

| 343

ihre Formen. Typologie, Geschichte und Kritik des Programms in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart: Reclam 1979, S. 249-289. Kuhn, Jochen: Architektur der 50er Jahre in Düsseldorf. Eine Ausstellung des Stadtmuseums und des BDA-Düsseldorf 31.3-2.5.1982, Düsseldorf: Stadtmuseum 1982. Lagny, Michèle: »Historischer Film und Geschichtsdarstellungen im Fernsehen«, in: Hohenberger, Eva/Keilbach, Judith (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit. Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte, Berlin: Vorwerk 8 2003, S. 115-128. Latzel, Peter: »Die Recherche für historische Sendungen«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 41-48. Le Sueur, Marc: »Theory Number Five: Anatomy of Nostalgia Films. Heritage and Methods«, in: Journal of Popular Film 6.2 (1977), S. 187-197. Lehmann, Johannes (Hg.): Unterwegs durch unser Jahrhundert. Die fünfziger Jahre, Stuttgart: Poller 1983. Leggewie, Claus: »Der Mythos des Neuanfangs. Gründungsetappen der Bundesrepublik Deutschland: 1949 – 1968 – 1989«, in: Berding, Helmut (Hg.), Mythos und Nation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, S. 275-302. Lersch, Edgar: »›Immer die gleichen Bilder‹. Audiovisuelle Medienproduktion und Mediendokumentation und ihr Beitrag zur Formung eines kollektiven audiovisuellen Gedächtnisses«, in: Beck, Friedrich/Henning, Eckart/Leonhard, Joachim-Felix u.a. (Hg.), Archive und Gedächtnis. Festschrift für Botho Brachmann, Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2005, S. 73-85. Lersch, Edgar: »Vom ›SS-Staat‹ zu ›Auschwitz‹. Zwei Fernseh-Dokumentationen zur Vernichtung der europäischen Juden vor und nach dem ›Holocaust‹«, in: Historical Social Research 30 (2005), S. 74-85. Lersch, Edgar: »Regionalgeschichtliche Sendungen des Süddeutschen Rundfunks und des Südwestfunks in den fünfziger und sechziger Jahren«, in: Brachmann, Botho/Hempel, Wolfgang (Hg.), Die Kunst des Vernetzens. Festschrift für Wolfgang Hempel, Berlin: Verl. für Berlin-Brandenburg 2006, S. 421-431. Lersch, Edgar/Viehoff, Reinhold: Geschichte im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Entwicklung des Genres und der Gattungsästhetik geschichtlicher Darstellungen im Fernsehen 1995 bis 2003, Berlin: Vistas 2007. Linke, Hans-Jürgen: »Vorbemerkung«, in: Eisenberg, Götz/Linke, Hans-Jürgen (Hg.), Fuffziger Jahre, Gießen: Focus 1980, S. 7-11. Lowenthal, David: The past is a foreign country, Cambridge: Cambridge University Press 1985. Löwenthal, Richard/Schwarz, Hans-Peter (Hg.): Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Stuttgart: Seewald 1974. Ludes, Peter: »Vom neuen Stichwortgeber zum überforderten Welterklärer und Synchron-Regisseur. Nachrichtensendungen«, in: Ludes, Peter/Schumacher,

344 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Heidemarie/Zimmermann, Peter (Hg.), Informations- und Dokumentarsendungen, München 1994, S. 17-90. Lüdi, Heidi/Lüdi, Toni: Movie worlds. Production design in film, Stuttgart u.a.: Menges 2000. Lüdi, Toni: Designing Film. Szenenbilder – Production Designs, Berlin: Bertz und Fischer 2010. Lutz, Felix Philipp: Das Geschichtsbewußtsein der Deutschen. Grundlagen der politischen Kultur in Ost und West, Köln: Böhlau 2000. Maase, Kaspar: »Die Halbstarken. Bilder einer neuen Jugend«, in: Paul, Gerhard (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 154-161. Maenz, Paul: Die 50er Jahre. Formen eines Jahrzehnts, Stuttgart: Hatje 1978. Marcus, Daniel: Happy Days and Wonder Years. The Fifties and the Sixties in Contemporary Cultural Politics, New Brunswick/London: Rutgers University Press 2004. McBride, Will/Finckenstein, Hans-Werner Graf Finck von: Adenauer. Ein Porträt, Starnberg: Josef Keller 1965. Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse, Konstanz: UVK 2003. Möhrmann, Renate: Die Frau mit der Kamera. Filmemacherinnen in der Bundesrepublik Deutschland. Situation, Perspektiven, 10 exemplarische Lebensläufe, München: Hanser 1980. Mollitor, Daniel: »Wie die Nachrichtenfabrik funktioniert. Die Zentrale«, in: Matzen, Nea/Radler, Christian (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 85-110. Moring, Karl Ernst: »›Das 19. Jahrhundert‹ – Eine Fernsehreihe und ihre Entstehung«, in: Borowsky, Peter/Vogel, Barbara/Wunder, Heide (Hg.), Gesellschaft und Geschichte I: Geschichte in Presse, Funk und Fernsehen. Berichte aus der Praxis, Opladen: Westdeutscher Verlag 1976, S. 87-103. Morsey, Rudolf: Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte; 19), 5., durchges. Aufl., München 2007. Moses, Dirk: »Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie«, in: Neue Sammlung 40.2 (2000), S. 233-263. Mühlen, Bengt von zur: »Quellen-Überlieferung und Produktion zeitgeschichtlicher Filme«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 27-34. Mühlen, Irmgard von zur/Mühlen, Bengt von zur: Geheimarchive – Sperrgebiete. Mit der Kamera auf den Spuren der Geschichte, Berlin-Kleinmachnow: Chronos Film 1995. Münkel, Daniela: »Konrad Adenauer und Willy Brandt: Zwei Medienkanzler? Politik, Medien und Demokratie«, in: Mayer, Tilman (Hg.), Medienmacht und Öffentlichkeit in der Ära Adenauer, Bonn: Bouvier 2009, S. 165-180.

A NHANG

| 345

Münkler, Herfried: Die Deutschen und ihre Mythen, 2. Aufl., Berlin: Rowohlt 2009. Näpel, Oliver: »Kommerz, Bildung, Geschichtsbewusstsein. Historisches Lernen durch Geschichte im TV?«, in: Popp, Susanne/Sauer, Michael/Alavi, Bettina u.a. (Hg.), Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung, Göttingen: V und R Unipress 2010, S. 219-237. Näpel, Oliver: »Historisches Lernen durch ›Dokutainment‹? Ein geschichtsdidaktischer Aufriss. Chancen und Grenzen einer neuen Ästhetik populärer Geschichtsdokumentationen, analysiert am Beispiel der Sendereihen Guido Knopps«, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2 (2003), S. 213-244. Naumann, Klaus: »Die Frage nach dem Ende. Von der unbestimmten Dauer der Nachkriegszeit«, in: Mittelweg 36 8.1 (1999), S. 21-32. Netenjakob, Egon: »Jeden Sommer einen Lommer. Die Adenauer-Ära in den TVLustspielen von Lommer und Beauvais«, in: Medium 6.1 (1976), S. 18-20. Newcomb, Horace/Hirsch, Paul: »Fernsehen als kulturelles Forum. Neue Perspektiven für die Medienforschung«, in: Rundfunk und Fernsehen 2.34 (1986), S. 177-190. Niethammer, Lutz: »›Normalisierung‹ im Westen. Erinnerungsspuren in die 50er Jahre«, in: Brunn, Gerhard (Hg.), Neuland. Nordrhein-Westfalen und seine Anfänge nach 1945/46, Essen: Reimar Hobbing 1986, S. 175-206. Nolte, Paul: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München: Beck 2000. o.A.: Die Ära Adenauer. Einsichten und Ausblicke, Frankfurt am Main: Fischer 1964. o.A.: Fleckenmalerei. Stilformen der 50-er Jahre. Eine Ausstellung des Städtischen Kunstmuseums Bonn in der Beethovenhalle Bonn, Bonn 1976. o.A.: »Gedankenstützen zum Wiedererkennen eines verflossenen Jahrzehnts«, in: Rathke, Christian (Bearb.) (Hg.), Die 50er Jahre. Aspekte und Tendenzen. Katalog der Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal 23.9.-13.1177., Wuppertal: Kunst- und Museumsverein Wuppertal 1977, S. 6-14. o.A.: Konrad Adenauer. Porträt eines Staatsmannes. Eine Bilddokumentation. Eingeleitet von Georg Schröder, Gütersloh: C. Bertelsmann 1966. Otto, Bertram: Konrad Adenauer und seine Zeit, Bonn: Berto 1963. Pandel, Hans-Jürgen: »Authentizität«, in: Mayer, Ulrich/Pandel, HansJürgen/Schneider, Gerhard u.a. (Hg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwalbach: Wochenschau 2006, S. 25-26. Paul, Gerhard: »Einführung«, in: Popp, Susanne/Sauer, Michael/Alavi, Bettina u.a. (Hg.), Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung, Göttingen: V und R Unipress 2010, S. 193-200. Paul, Gerhard: »Das HB-Männchen. Werbefigur des Wirtschaftswunders«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 1+2

346 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

(2007) (http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Paul-2-2007). Zugriff am 23.09 2012. Paulukat, Susanne/Breitenborn, Uwe: »Signaturen des Kalten Krieges. Zur medienhistorischen und dokumentarischen Bedeutung der deutsch-deutschen Programmbeobachtungen«, in: Rundfunk und Geschichte 33.1-2 (2007), S. 29-37. Pehle, Walter H.: »Geschichtswissenschaft, Buchproduktion und Öffentlichkeit«, in: Füßmann, Klaus/Grütter, Heinrich Theodor/Rüsen, Jörn (Hg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1994, S. 235241. Petschar, Hans/Schmid, Georg: Erinnerung und Vision. Die Legitimation Österreichs in Bildern. Eine semiohistorische Analyse der Austria Wochenschau 1949-1960, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1990. Pierson, Michele: »A Production Designer’s Cinema. Historical Authenticity in Popular Films Set in the Past«, in: King, Geoff (Hg.), The Spectacle of the Real. From Hollywood to ›Reality‹ TV and Beyond, Bristol/Portland: intellect 2005, S. 139-149. Pirker, Eva Ulrike/Rüdiger, Mark: Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen: Annäherungen, in: Pirker, Eva Ulrike/Rüdiger, Mark/Klein, Christa u.a. (Hg.): Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 11-30. Pollert, Susanne: Film- und Fernseharchive. Bewahrung und Erschließung audiovisueller Quellen in der Bundesrepublik Deutschland, Potsdam: Verlag für BerlinBrandenburg 1996. Pott, Sabine: Film als Geschichtsschreibung bei Rainer Werner Fassbinder. Fassbinders Darstellung der Bundesrepublik Deutschland anhand ausgewählter Frauenfiguren in seiner »BRD-Trilogie« Die Ehe der Maria Braun (1978), Lola (1981) und die Sehnsucht der Veronika Voss (1982), 2., durchges. Aufl., Frankfurt am Main: Lang 2004. Preuss-Lausitz, Ulf: Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, 2., überarb. Aufl., Weinheim: Beltz 1989. Prinzler, Hans Helmut/Rentschler, Eric (Hg.): Der alte Film war tot. 100 Texte zum westdeutschen Film 1962-1987, Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 2001. Purzer, Manfred: »Gesellschaftliche/politische Leitbilder (Deutschland/Deutschland) im Wandel der Kino-Wochenschau zum Aktuellen Fernsehen«, in: Reimers, Karl Friedrich/Lerch-Stump, Monika/Steinmetz, Rüdiger (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 2: Audiovisuelle Medien in der politischen Bildung, München: Ölschläger 1985, S. 23-32. Raithel, Thomas: Fußballweltmeisterschaft 1954. Sport – Geschichte – Mythos, München: Bayerische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit 2004.

A NHANG

| 347

Ralph Eue: »Interview mit Rolf Zehetbauer: ›Mein Job ist keine Einzelleistung‹«, in: Eue, Ralph/Jatho, Gabriele (Hg.), Schauplätze, Drehorte, Spielräume. Production Design + Film, Berlin: Bertz + Fischer 2005, S. 69-79. Raphael, Lutz: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München: Beck 2003. Rathke, Christian (Bearb.): Die 50er Jahre. Aspekte und Tendenzen. Katalog der Ausstellung des Kunst- und Museumsvereins Wuppertal 23.9.-13.11.1977, Wuppertal: Kunst- und Museumsverein Wuppertal 1977. Reiche, Hans-Joachim: »Entwicklungskontexte bundesdeutscher Fernsehnachrichtensendungen. Ein Interview mit Hans-Joachim Reiche, ehemaliger Leiter der Redaktion ›Tagesschau‹ und des ZDF-Studios Bonn«, in: Ludes, Peter (Hg.), Informationskontexte für Massenmedien. Theorien und Trends, Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 96-105. Reitz, Edgar/Töteberg, Michael: Drehort Heimat. Arbeitsnotizen und Zukunftsentwürfe, erw. Neuausg, Frankfurt am Main: Verl. der Autoren 2004. Richter, Hans Werner (Hg.): Bestandsaufnahme. Eine deutsche Bilanz, München: Desch 1962. Rockmann, Hermann: »Vorwort. Ein Versuch über die 50er Jahre«, in: Deutscher Ring Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (Hg.), Die 50er Jahre. Blickpunkt Deutschland – eine Materialsammlung, Hamburg: Deutscher Ring, Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft 1978, S. 2-14. Rödder, Andreas: »Das ›Modell Deutschland‹ zwischen Erfolgsgeschichte und Verfallsdiagnose«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), S. 345-363. Röger, Maren: »›Geistig-moralische Wende‹«, in: Fischer, Torben/Lorenz, Matthias N. (Hg.), Lexikon der ›Vergangenheitsbewältigung‹ in Deutschland. Debattenund Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld: transcript 2007, S. 226. Rost, Dietmar: »Die Produktion der ›Brandenburger‹. Eine Fallstudie zu regionalem Fernsehen und dessen Bemühungen um Stiftung von Landesidentität durch Geschichte«, in: Forum Qualitative Sozialforschung 5.2 (2004), Art. 18. (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0402185). Zugriff am 13.06.2010. Roth, Florian: Die Idee der Nation im politischen Diskurs. Die Bundesrepublik Deutschland zwischen neuer Ostpolitik und Wiedervereinigung (1969-1990), Baden-Baden: Nomos 1995 Rother, Rainer: »›Authentizität‹. Filmische Strategien zur fiktionalen Darstellung von Geschichte«, in: Tholen, Georg C./Scholl, Michael O. (Hg.), Zeit-Zeichen. Aufschübe und Interferenzen zwischen Endzeit und Echtzeit, Weinheim: VCH, Acta Humaniora 1990, S. 305-319. Ruck, Michael: »›Abschied vom Pathos‹ – Beginn eines ›Mythos‹. Die visuelle Gründungskonstruktion der Bundesrepublik«, in: Paul, Gerhard (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2008, S. 40-47.

348 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Rüdiger, Mark: »Die ›50er‹ Jahre werden Geschichte. Geschichtskultur und Authentizitätsfiktionen am Beispiel von ›Was wären wir ohne uns‹«, in: Pirker, Eva Ulrike/Rüdiger, Mark/Klein, Christa u.a. (Hg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 147-171. Rüsen, Jörn: Historische Orientierung. Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in der Zeit zurechtzufinden, Köln: Böhlau 1994. Rüsen, Jörn: »Geschichtskultur«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995), S. 513-521. Sabrow, Martin (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR (= Zeithistorische Studien; 14), Köln: Böhlau 2000. Schäfer, Hannelore: »Die eigene Geschichte. Rückblick auf eine Fernsehserie«, in: Füßmann, Klaus/Grütter, Heinrich Theodor/Rüsen, Jörn (Hg.), Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1994, S. 195-208. Scherrer, Sebastian: Die Redaktion Zeitgeschichte des ZDF 1984-1994. Gründung und Institutionalisierung 2008. Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und ›Zeitgeist‹ in der Bundesrepublik der 50er Jahre, Hamburg: Dietz 1995. Schildt, Axel: »Materieller Wohlstand – pragmatische Politik – kulturelle Umbrüche. Die 60er Jahre in der Bundesrepublik«, in: Schildt, Axel/Siegfried, Detlef/Lammers, Karl Christian (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg: Christians 2000, S. 21-53. Schildt, Axel: »›Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten‹. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren«, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 449-478. Schildt, Axel: Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte; 80), München: Oldenbourg 2007. Schildt, Axel/Siegfried, Detlef: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik – 1945 bis zur Gegenwart, München: Hanser 2009. Schildt, Axel/Siegfried, Detlef/Lammers, Karl Christian (Hg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg: Christians 2000. Schildt, Axel/Sywottek, Arnold (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn: Dietz 1998. Schmidt, Hans-Gerd: »Wie Zeitgeist in die Werbung kommt. Aspekte einer produktionsästhetischen Analyse von Sinalco-Werbefilmen«, in: Schmidt, Hans-Gerd (Hg.), Werbefilme. Spiegel der Zeiten – Chronik des Alltags, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2002, S. 67-88. Schmidt, Siegfried J.: Kalte Faszination. Medien, Kultur, Wissenschaft in der Mediengesellschaft, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2000.

A NHANG

| 349

Schmidt, Siegfried J./Spieß, Brigitte: Die Kommerzialisierung der Kommunikation. Fernsehwerbung und sozialer Wandel 1956-1989, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997. Schörken, Rolf: Geschichte in der Alltagswelt. Wie uns Geschichte begegnet und was wir mit ihr machen, Stuttgart: Klett-Cotta 1981. Scholz, Lena: Die Konstruktion von Geschichte in Edgar Reitz' Zweiter Heimat, Siegen: Universität Siegen 1996. Schuch, Stefan/Müller, Rainer A. (Hg.): Historische Ausstellungen 1960-1990. Eine Bibliographie der Kataloge, Paderborn u.a.: Schöningh 1992. Schulz, Sandra: »Film und Fernsehen als Medien der gesellschaftlichen Vergegenwärtigung des Holocaust. Die deutsche Erstausstrahlung der US-amerikanischen Fernsehserie ›Holocaust‹ im Jahre 1979«, in: Historical Social Research 32 (2007), S. 189-248. Schumacher, Heidemarie: »Ästhetik, Funktion und Geschichte der Magazine im Fernsehprogramm der Bundesrepublik Deutschland«, in: Kreuzer, Helmut/Thomsen, Christian W. (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3: Informations- und Dokumentarsendungen, hg. v. Peter Ludes, Heidemarie Schumacher und Peter Zimmermann, München 1994, S. 101-174. Schwab, Ulrike: Fiktionale Geschichtssendungen im DDR-Fernsehen, Leipzig: Leipziger Univ.-Verl 2007. Schwarz, Hans-Peter: Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 2), Stuttgart: DVA 1981. Schwarz, Hans-Peter: Die Ära Adenauer. Epochenwechsel 1957-1963 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 3), Stuttgart: DVA 1983. Schwarz, Hans-Peter: »Die Fünfziger Jahre als Epochenzäsur«, in: Heideking, Jürgen/Schulz, Gerhard (Hg.), Wege in die Zeitgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Gerhard Schulz, Berlin: de Gruyter 1989, S. 473-496. Schwarz, Uta: Wochenschau, westdeutsche Identität und Geschlecht in den fünfziger Jahren, Frankfurt am Main: Campus 2002. Schweinitz, Jörg: »Trümmerfilm«, in: Koebner, Thomas (Hg.), Reclams Sachlexikon des Films, Stuttgart: Reclam 2002, S. 629-630. Sedgwick, Michael: Die schönsten Autos der fünfziger und sechziger Jahre, Düsseldorf: Econ 1983. Seegers, Lu: Hör zu!. Eduard Rhein und die Rundfunkprogrammzeitschriften (1931-1965), Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 2001. Seel, Martin: »Medien der Realität und Realität der Medien«, in: Krämer, Sybille (Hg.), Medien, Computer, Realität – Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 244-268. Seeßlen, Georg: »Durch die Heimat und so weiter. Heimatfilme, Schlagerfilme und Ferienfilme der fünfziger Jahre«, in: Hoffmann, Hilmar/Schobert, Walter (Hg.),

350 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 136-161. Seeßlen, Georg: »Die verigelte Zeit. Mecki – Mythologie eines deutschen Igels«, in: Deutsches Filmmuseum (Hg.), Mecki – Märchen und Schnurren. Die Puppenfilme der Gebrüder Diehl, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1994, S. 78-91. Segeberg, Harro: »Grün ist die Heide. Zur Mentalitätsgeschichte des Heimatfilms«, in: Segeberg, Harro (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009, S. 121-147. Segeberg, Harro (Hg.): Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963, Paderborn: Fink 2009. Segeberg, Harro: »Mediale Mobilmachung und Kulturindustrie«, in: Segeberg, Harro (Hg.), Mediale Mobilmachung III. Das Kino in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1963 (= Mediengeschichte des Films; 6), Paderborn: Fink 2009, S. 9-32. Seidl, Claudius: Der deutsche Film der fünfziger Jahre, München: Heyne 1987. Sethe, Paul/Fried, Ferdinand/Schwab-Felisch, Hans: Das Fundament unserer Zukunft. Bilanz der Ära Adenauer: politisch, wirtschaftlich, kulturell, Düsseldorf: Econ 1964. Seuthe, Rupert: ›Geistig-moralische Wende‹? Der politische Umgang mit der NSVergangenheit in der Ära Kohl am Beispiel von Gedenktagen, Museums- und Denkmalprojekten, Frankfurt am Main: Lang 2001. Siepmann, Eckhard/Lusk, Irene (Hg.): Bikini – die fünfziger Jahre. Kalter Krieg und Capri-Sonne; Fotos – Texte – Comics – Analysen, Berlin: Elefanten Press 1981. Silbermann, Martin: »Ohne Bilder wär’s wohl einfacher. Die Bildsprache der ›Tagesschau‹«, in: Matzen, Nea/Radler, Christian (Hg.), Die Tagesschau. Zur Geschichte einer Nachrichtensendung, Konstanz: UVK 2009, S. 127-147. Simmel, Johannes Mario: Hurra, wir leben noch. Roman, Locarno: Droemer Knaur 1978. Sobchack, Vivan: »›Frohes Neues Jahr‹ und ›Nehmt Abschied, Brüder‹. Televisuelle Montage und historisches Bewusstsein«, in: Hohenberger, Eva/Keilbach, Judith (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit. Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte, Berlin: Vorwerk 8 2003, S. 129-154. Sorlin, Pierre: The film in history. Restaging the past, Oxford: Blackwell 1980. Sprengler, Christine: Screening nostalgia. Populuxe props and technicolor aesthetics in contemporary American film, New York/Oxford: Berghahn 2009. Sprickmann Kerkerinck, Detlef: »Im Mittelpunkt der Zeitgeschichte steht der Mensch«, in: Zweites Deutsches Fernsehen (Hg.), ZDF Jahrbuch 1979, Mainz 1980, S. 101-106. Stader, Josef: Fernsehen: Von der Idee bis zur Sendung. Praxis – Alltag – Hintergründe, Frankfurt am Main: Eichborn 1994.

A NHANG

| 351

Steinle, Matthias: Vom Feindbild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm, Konstanz: UVK 2003. Steinle, Matthias: »Das Archivbild. Archivbilder als Palimpseste zwischen Monument und Dokument im audiovisuellen Gemischtwarenladen«, in: MEDIENwissenschaft 3 (2005), S. 295-309. Steinmetz, Rüdiger/Viehoff, Reinhold (Hg.): Deutsches Fernsehen Ost. Eine Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. Stöver, Bernd: Die Bundesrepublik Deutschland (= Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. Stolte, Dieter: »Geschichte als Programmauftrag«, in: Knopp, Guido/Quandt, Siegfried (Hg.), Geschichte im Fernsehen. Ein Handbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 21-26. Stolte, Dieter: »Nicht nur bilden, sondern auch bewegen. Vermittlung von Geschichte im Fernsehen«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 20 (1986), S. 640-642. Strobel, Ricarda/Faulstich, Werner: Die deutschen Fernsehstars, Bd. 1: Stars der ersten Stunde, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998. Svoboda, Martin: »Vom Standfoto zur ›Tagesschau‹«, in: Reimers, Karl Friedrich/Lerch-Stump, Monika/Steinmetz, Rüdiger (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 1: Von der Kino-Wochenschau zum aktuellen Fernsehen. Diskussion und Materialien, München: Ölschläger 1983, S. 123-140. Switek, Niko: »Ludwig Erhard: Formierte Gesellschaft«, in: Korte, Karl-Rudolf (Hg.), ›Das Wort hat der Herr Bundeskanzler‹. Eine Analyse der großen Regierungserklärungen von Adenauer bis Schröder, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 117-144. Takors, Jonas: »Visuelle Authentizität und Faktentreue im Geschichtsfernsehen. Die Histosoap ›The Tudors‹«, in: Pirker, Eva Ulrike/Rüdiger, Mark/Klein, Christa u.a. (Hg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld: transcript 2010, S. 215-232. Thissen, Rolf: Heinz Erhardt und seine Filme, München: Heyne 1986. Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986. Thüna, Ulrich von: »Filmzeitschriften der fünfziger Jahre«, in: Hoffmann, Hilmar/Schobert, Walter (Hg.), Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962, Frankfurt am Main: Deutsches Filmmuseum 1989, S. 248-262. Tilsner, Cornelia: Aufbau und Tendenz der Anglo-Amerikanischen Besatzungswochenschau ›Welt im Film‹ (Juli 1948-Dezember 1949). Wortprotokolle von Kinowochenschauen als zeitgeschichtliche Quellen, Bochum: Brockmeyer 1995. Treue, Wilhelm: Deutsche Geschichte. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Adenauer, Stuttgart: Kröner 1958.

352 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Trimborn, Jürgen: Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster, Köln: Teiresias 1998. Uka, Walter: »Modernisierung im Wiederaufbau oder Restauration? Der deutsche Film in den fünfziger Jahren«, in: Faulstich, Werner (Hg.), Die Kultur der fünfziger Jahre, Paderborn: Fink 2002, S. 71-90. Ulrich, Bernd: »Rosemarie Nitribitt«, in: Stiftung Haus der Geschichte (Hg.), Skandale in Deutschland nach 1945, Bielefeld: Kerber 2007, S. 50-59. Unger, Johannes: »Geschichten von Menschen. Zeitgeschichte im Fernsehen der ARD«, in: ARD-Jahrbuch 31 (1999), S. 66-72. Ungerböck, Andreas: »Schritte auf dem Weg. Anmerkungen zu den Fernseharbeiten Michael Hanekes«, in: Sannwald, Daniela (Hg.), Michael Haneke, München: edition text + kritik 2011, S. 16-27. Weber, Heike: »›Kluge Frauen lassen für sich arbeiten!‹. Werbung für Waschmaschinen 1950-1995«, in: Technikgeschichte 65.1 (1998), S. 27-56. Weis, Julia: »›Die Nachkriegszeit ist zu Ende‹«, in: Fischer, Torben/Lorenz, Matthias N. (Hg.), Lexikon der ›Vergangenheitsbewältigung‹ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld: transcript 2007, S. 157-159. Welzer, Harald: »Das Gedächtnis der Bilder. Eine Einleitung«, in: Welzer, Harald (Hg.), Das Gedächtnis der Bilder. Ästhetik und Nationalsozialismus, Tübingen: edition diskord 1995, S. 7-14. Wenk, Michael: »›Aren’t we Wonderful?‹. Kurt Hoffmanns Filmsatire ›Wir Wunderkinder‹, die ›dennoch heitere Geschichte unseres Lebens‹«, in: Gesellschaft für Filmstudien e.V. (Hg.), Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen, Hannover 1995, S. 65-78. Wenzel, Eike: Gedächtnisraum Film. Die Arbeit an der deutschen Geschichte in Filmen seit den 60er Jahren, Stuttgart: Metzler 2000. Wesseln, Ingrid: »Zwischen prophetischer Weitsicht und kritischer Stellungnahme. Die Ost-West-Fernsehspiele Wolfgang Menges«, in: Peulings, Birgit/JacobsPeulings, Rainer Maria (Hg.), Das Ende der Euphorie – Das deutsche Fernsehspiel nach der Einigung, Münster: Lit 1997, S. 151-168. Westermann, Bärbel: Nationale Identität im Spielfilm der fünfziger Jahre, Frankfurt am Main: Lang 1990. Westle, Bettina: Kollektive Identität im vereinten Deutschland. Nation und Demokratie in der Wahrnehmung der Deutschen, Opladen: Leske + Budrich 1999. Wiebel, Martin (Hg.): Deutschland auf der Mattscheibe. Die Geschichte der Bundesrepublik im Fernsehspiel, Frankfurt am Main: Verl. der Autoren 1999. Wiebel, Martin: »Im Bildschirm als dem Spiegel der Zeit erschien die Zeit im Spiegel. Anmerkungen zur Geschichte des Fernsehspiels«, in: Wiebel, Martin (Hg.), Deutschland auf der Mattscheibe – Die Geschichte der Bundesrepublik im Fernsehspiel, Frankfurt am Main: Verl. der Autoren 1999, S. 13-37.

A NHANG

| 353

Wiers, Hinderikus: »Das Wochenschaugeschäft. Wochenschau als Vorläufer der Tagesschau?«, in: Reimers, Karl Friedrich/Lerch-Stump, Monika/Steinmetz, Rüdiger (Hg.), Zweimal Deutschland seit 1945 im Film und Fernsehen, Bd. 1: Von der Kino-Wochenschau zum aktuellen Fernsehen. Diskussion und Materialien, München: Ölschläger 1983, S. 111-122. Wilke, Jürgen: »Fünfzig Jahre nach Kriegsende. Die Rethematisierung im deutschen Fernsehen 1995«, in: Wilke, Jürgen (Hg.), Massenmedien und Zeitgeschichte, Konstanz 1999, S. 260-276. Wirsching, Andreas: Abschied vom Provisorium. 1982-1990 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; 6), Stuttgart: DVA 2006. Wischermann, Clemens: »Einleitung«, in: Borscheid, Peter/Wischermann, Clemens/Teuteberg, Hans-Jürgen (Hg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart: Steiner 1995, S. 819. Wolf, Fritz (Hg.), Trends und Perspektiven für die dokumentarische Form im Fernsehen, in: Dokville vom Juni 2005 (www.dokville.de/dokville2005/schriften/ Fritz-Wolf.pdf). Zugriff am 1. Dezember 2013. Wolfrum, Edgar: »Epilog oder Epoche? (Rück-)Blick der deutschen Geschichtswissenschaft vom Zeitalter der Zweistaatlichkeit bis zur Gegenwart«, in: Münkler, Herfried/Hacke, Jens (Hg.), Wege in die neue Bundesrepublik. Politische Mythen und kollektive Selbstbilder nach 1989, Frankfurt am Main: Campus 2009, S. 33-63. Wolfrum, Edgar: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart: Klett-Cotta 2006. Wolfrum, Edgar: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948-1990, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999. Wuermeling, Henric L./Gutmann, Silvia: »Geschichte im Bayerischen Fernsehen«, in: Quandt, Siegfried/Schichtel, Horst (Hg.), Fachjournalismus Geschichte. Das Gießener Modell, Marburg: Hitzeroth 1995, S. 110-117. Zaunschirm, Thomas/Linnenkamp, Rolf: Die fünfziger Jahre, München: Heyne 1980. Zemon Davis, Natalie: »›Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen‹. Der Film und die Herausforderung der Authentizität«, in: Ferro, Marc/Rother, Rainer (Hg.), Bilder schreiben Geschichte: Der Historiker im Kino, Berlin: Wagenbach 1991, S. 37-63. Zentner, Kurt: Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland zwischen 1945 bis 1953. Eine Soziographie in zwei Bänden, Köln/Berlin: Kiepenhauer & Witsch 1954. Zentner, Kurt: Das sechste Jahrzehnt des XX. Jahrhunderts. 2 Bde., Offenburg: Burda 1961.

354 | G ESCHICHTSBILDER DER 50 ER J AHRE IM BUNDESREPUBLIKANISCHEN F ERNSEHEN

Zielinski, Siegfried: »Zur Technikgeschichte des BRD-Fernsehens«, in: Kreuzer, Helmut/Thomsen, Christian W. (Hg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hg. v. Knut Hickethier, München: Fink 1993, S. 135-170. Zierold, Martin: Gesellschaftliche Erinnerung. Eine medienkulturwissenschaftliche Perspektive, Berlin: de Gruyter 2006. Zimmermann, Peter: »Im Banne der Ufa-Ästhetik und des ›Kalten Krieges‹. Filmund Fernseh-Dokumentationen der BRD und DDR über das ›Dritte Reich‹: ›Auferstanden aus Ruinen‹. Zur Wirkungsgeschichte von Kulturfilm und Wochenschau nach 1945«, in: Zimmermann, Peter/Hoffmann, Kay (Hg.), Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland – Bd. 3: ›Drittes Reich‹ 1933-1945, Stuttgart 2005, S. 710-719. Zimmermann, Peter: »Fernsehen in der Adenauer-Ära«, in: Heller, HeinzB./Zimmermann, Peter (Hg.), Blicke in die Welt. Reportagen und Magazine des nordwestdeutschen Fernsehens in den 50er und 60er Jahren, Konstanz: Ölschläger 1995, S. 181-162. Zimmermann, Martin: »Der Historiker am Set«, in: Fischer, Thomas/Wirtz, Rainer (Hg.), Alles authentisch? – Popularisierung der Geschichte im Fernsehen, Konstanz: UVK 2008, S. 137-160.

Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen/History in Popular Cultures Elisabeth Cheauré, Sylvia Paletschek, Nina Reusch (Hg.) Geschlecht und Geschichte in populären Medien 2013, 316 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2373-4

Hans-Joachim Gehrke, Miriam Sénécheau (Hg.) Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit Für einen neuen Dialog zwischen Wissenschaft und Medien. Standpunkte aus Forschung und Praxis 2010, 304 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1621-7

Carl Heinze Mittelalter Computer Spiele Zur Darstellung und Modellierung von Geschichte im populären Computerspiel 2012, 342 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-2104-4

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen/History in Popular Cultures Wolfgang Hochbruck Geschichtstheater Formen der »Living History«. Eine Typologie 2013, 154 Seiten, kart., 22,99 €, ISBN 978-3-8376-2446-5

Barbara Korte, Sylvia Paletschek (Hg.) History Goes Pop Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres 2009, 350 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1107-6

Eva Ulrike Pirker, Mark Rüdiger, Christa Klein, Thorsten Leiendecker, Carolyn Oesterle, Miriam Sénécheau, Michiko Uike-Bormann (Hg.) Echte Geschichte Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen 2010, 318 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1516-6

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de